2 Medicine DENTAL TRIBUNE Orale Komplikationen der Radiatio: Wenn Ihren Patienten die Spucke wegbleibt … von Simone Widhalm SAN ANTONIO/LÜBECK – Jede Medaille hat eine Kehrseite. So kann eine Strahlentherapie bei einem Tumor im Kopf-Hals-Bereich zwar einen kurativen Effekt haben. Allerdings sind solche therapeutischen Interventionen häufig mit oralen Begleiterscheinungen wie einer Störung der Speicheldrüsenfunktion verbunden. Diese meist mehr oder weniger stark ausgeprägte Schädigung ist je nach Ausprä- gung irreversibel und bringt eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität mit sich. Mundtrockenheit nimmt als radiogene Schädigung der Spei- cheldrüsen eine Schlüsselrolle bei den möglichen oralen Komplikationen nach einer Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich ein. Auch hierbei gilt: Die Dosis macht das Gift bzw. den Schaden. Inzwischen ist belegt, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen der Dosis der applizierten Strahlenmenge und der Schädigung der Speicheldrüsen gibt. Schon eine Einzeldosis von 2 Gy kann die Speichelsekretion messbar reduzieren. Bei einer Dosis von bis zu 40 Gy kommt es zu Veränderungen, die teilweise reversibel sind, Dosen über 40 Gy führen sehr häufig zu einer Degeneration aller im Strahlenfeld liegenden Drüsenanteile. War als therapeutische Dosis ein ANZEIGE Das enfresh-System gegen Mundgeruch aus den USA Etwa 40% Ihrer Patienten leiden unter chronischem Mundgeruch. Hier hilft enfresh. enfresh GmbH Bremer Str. 323, 27751 Delmenhorst Tel.: 04221-7 2655, Fax: 04221-7 2688 Strahlenmaß von 60 Gy erforderlich, ist mit einer fast vollständigen, bleibenden Schädigung der Funktion zu rechnen. Infolge der ausgelösten Hypofunktion oder gar bleibenden, irreversiblen Schädigung der Speicheldrüsen kommt es zur einer Abnahme des Speichelflusses, die Viskosität des Speichels ist stark erhöht. Die Folgen können sein: – rapide fortschreitende Karies, „Strahlenkaries“, auf Grund von Xerostomie und direkter Strahlenreaktion der Zähne selbst – fehlende Remineralisierung des Zahnschmelzes aus im Speichel enthaltenen Mineralien – fehlende antibakterielle Wirkung durch im Speichel vorkommende Antikörper, Lysozym, Laktoferrin und Laktoperoxidase – Parodontitis – Schmerzen im Bereich der Speicheldrüsen – Candidiasis – Geschmacksstörungen – Zungenbrennen – Kau- und Schluckbeschwerden, da die Gleitmittelfunktion des Speichels entfällt – Attrition – Beeinträchtigung der Sprechfähigkeit German Edition · Nr. 11/2004 · 28. Mai 2004 Background: Speichel Wie viel und wozu? ELTVILLE – Schon heute besteht kein Zweifel daran, dass es ohne Speichelstörung keine Karies und keine Parodontitis gibt. Ein gesunder Mensch produziert unter physiologischen Bedingungen etwa 1,0 bis 1,5 Liter Speichel täglich. Dabei ist die pro Zeit bereitgestellte Menge natürlich äußerst variabel: Bei der Nahrungsaufnahme wird viel mehr Speichel gebildet als zum Beispiel nachts. Unterhalb von 450 ml täglich (alternative Definition: Ruhespeichel unter 0,1 Milliliter/Minute) liegt eine Xerostomie vor. Auch wenn der Speichel zu 99,5 % aus Wasser besteht, sind die sonst noch enthaltenen Stoffe äußerst relevant: Natrium, Kalium, Kalzium, Fluorid, Phosphat, Enzyme (Lysozym, Amylase, Aprotinin), Muzine, Bikarbonat, IgA, IgE, Hormone, Wachstumsfaktoren und vieles mehr. Speichel ist ja nach Bedarf entweder sehr flüssig und hypoton (Gl. parotis) mit der Gefahr der Demineralisation der benachbarten Zahnhartsubstanz oder auch schleimig-zäh (Gl. submandibularis), die Gl. sublingualis produziert eine gemischte Konsistenz. Was Speichel macht Speichel spült die Mundhöhle, reinigt die Zahnoberflächen und schafft ein feuchtes Milieu für Schleimhaut, Zähne und Zahnfleisch. Er macht das Essen gleitfähig, sorgt in einem ersten Schritt auf Grund seiner Enzyme für die Vorverdauung der eingenommenen Mahlzeiten (Stärkeabbau) und ist auch noch als Säurepuffer aktiv; sein pH-Wert schwankt zwischen 5,8 und 7,8. In ausreichender Menge vorhandener Speichel ist in der Lage, mit seinem Puffersystem einen pH von 7 einzustellen und im Wege der Remineralisierung gelöste Mineralien wieder einzubauen. Schließlich löst Speichel Nahrungsbestandteile und sorgt so dafür, dass Essen geschmeckt werden kann – denn nur gelöste Stoffe können Geschmacksempfindungen auslösen. Speichel dient ferner der Immunabwehr, wirkt antibakteriell und antiinflammatorisch und beschichtet die Zähne mit Glykoproteinen und Muzin. Außerdem scheidet er Medikamente, Keime, anorganische Substanzen und Schwermetalle aus. Wenn Speichel fehlt … Fehlt Speichel, werden Nahrungsreste unzureichend abtransportiert, hängen sich an Zähne und drängen sich in die Zahnzwischenräume. Bakterien fühlen sich in dem Nahrungsüberangebot pudelwohl, vermehren sich und verwandeln Kohlenhydrate zu Säure. Es kommt zum Herauslösen von Mineralien aus der Zahnhartsubstanz, Karies, Parodontitis und Gingivitis drohen, die Entstehung von Zahnstein wird begünstigt. Das alles gilt es zu bedenken, wenn über Speichelersatz nachgedacht wird. Bei Xerostomie sind kohlenhydratarme Ernährung, sorgfältige Mundhygiene sowie regelmäßige Prophylaxe durch den Zahnarzt sowie Fluoridierungsmaßnahmen anzuraten. Von einer Radiatio ist die seröse Parotis-Drüse meist am stärksten betroffen, dann die Glandula submandibularis und schließlich die sublinguale Speicheldrüse. Auch an den kleinen Mundspeicheldrüsen sind häufig Strahlenschäden zu beobachten. Generell gilt die Empfehlung, Alkohol und Nikotin sowie einfache Kohlenhydrate, saure, stark gewürzte und heiße Speisen zu meiden. Ebenso wichtig ist eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr. Anregen oder ersetzen? Grötz, K A et al., Im Focus Onkologie 7–8/2003, S. 58 ff. Die therapeutischen Maßnahmen bei einer Radioxerostomie haben 2 unterschiedliche Ziele: Speichel durch entsprechende künstliche SpeichelPräparate zu ersetzen oder die Speichelproduktion in den verbliebenen Drüsen anzuregen. Dabei kann künstlicher Speichelersatz die vielfältigen Funktionen des Speichels (siehe Kasten Background: Speichel – Wie viel und wozu?) nicht ersetzen und dient vor allem der Behandlung der subjektiv als belastend empfundenen Mundtrockenheit. Der Einsatz von Speicheldrüsen-Stimulanzien (Sialogoga) findet ebenfalls seine natürlichen Grenzen, die von der jeweiligen Fibrosierung des Drüsenparenchyms vorgegeben sind. – Zu den Speichel-Surrogaten zählt Carboxymethylcellulose (z.B. Glandosane®), die jedoch Eine Kontaktaufnahme mit dem betreuenden Internisten, Neurologen oder Hausarzt ist angebracht. DT Ko Div. Quellen, u.a.: Gängler, P et al. beim 39. Wissenschaftlichen Streitgespräch auf Einladung u.a. der Fakultät für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Witten/Herdecke ANZEIGE CAD/CAMRegistriermaterial + Registriermaterial für die Bißgabel bei der Gesichtsbogenübertragung nach Prof. Dr. A. Gutowski in vitro mit einem Mineralverlust der Zähne einhergeht, sodass deren Anwendung kritisch hinterfragt werden muss. Deshalb werden muzinhaltige Präparate wie Saliva-medac® und lysozymhaltige Produkte wie BioXtra® zunehmend einge- R-dental Dentalerzeugnisse GmbH Info Tel.: 0 40-22 75 76 17 setzt. Eine neuere Untersuchung bescheinigt Sorbitol (Oralube®) einen remineralisierenden Effekt. – Als Speicheldrüsen-Stimulanzien finden Verwendung: Pilocarpin, das als Parasympathomimetikum jedoch eine Reihe DENTAL TRIBUNE Medicine German Edition · Nr. 11/2004 · 28. Mai 2004 3 ANZEIGE RTOG/EORTC-Klassifizierung für zahnmedizinisch relevante späte Strahlenfolgen einer Kopf-Hals-Bestrahlung Grad 1: Xerostomie gering, gute Reaktion auf Stimulantien Grad 2: Xerostomie mäßig, schwache Reaktion auf Stimulantien Grad 3: Xerostomie vollständig, keine Reaktion auf Stimulantien Grad 4: Dauerhafte Fibrose ner regelmäßigen professionellen Zahnhygiene eine besondere Bedeutung zukommen und informiert werden, wie Mundhygienetechniken auszuführen sind. Dabei ist vor allem auch auf den Umstand zu achten, dass betroffene Krebs-Patienten den Stellenwert der Zahngesundheit nicht sehr hoch ansetzen und Compliance und Eigeninitiative gefördert werden müssen. Ferner zu empfehlen ist die Fluoridierung mittels Schiene. Noch ein Hinweis zum Schluss: Prothesenunverträglichkeiten (Druckulzera) bei Xerostomie können auch gem. § 28 SGB V als Ausnahmeindikation eine Implantatversorgung rechtfertigen. DT Quellen: Hakim, S G et al.: Early immunohistochemical and functional markers indicating radiation damage of the parotid gland. Clinical Oral Investigations 2004, Vol. 8, S. 30–35 Harrison, Jody S et al.: Oral complications in radiation therapy. General Dentistry 2003, Vol. 51, S. 552–560 Meyer-Lueckel, H et al.: Oral Diseases. Volume 8 Issue 4 S. 192 Grötz, K A et al., Im Focus Onkologie 7–8/2003, S. 58 ff. Bornstein, M et al., Konzepte zur Prophylaxe und Therapie strahlungsbedingter Nebenwirkungen, Schweiz. Monatsschr. Zahnmed. 111 (8), S. 963 – 970 Lohnt sich das überhaupt noch? Zahnpflege bei Senioren Immunhistochemie Rosige Aussichten aus der Marzipanstadt LÜBECK – Eine Studie hat gezeigt, dass sich Strahlenschäden mit immunhistochemischen Markern schon 24 Stunden nach Radiatio beurteilen lassen. Außerdem kann der radioprotektive Effekt auf die Speicheldrüsen auf diese Art und Weise besser untersucht werden. Immunhistochemische Marker wie Ki67-, alpha-smooth-muscleactin (ASMA)- oder Tenascin-C-Antikörper weisen einen radiogenen Schaden viel früher nach als dies mittels HE-Anfärbung nach histologischer Aufbereitung möglich ist. Zeigte sich dort nämlich – noch – nichts, waren bei den Antikörpern bereits andere Verteilungsmuster festzustellen und eine Reduktion der Proliferationsrate azinöser Zellen. Dabei korrelierte die immunhistochemische Veränderung mit der funktionalen Beeinträchtigung, die szintigraphisch erfasst worden war. Quelle: Hakim, SG et al.: Early immunohistochemical and functional markers indicating radiation damage of the parotid gland. Clinical Oral Investigations 2004, Vol. 8, S. 30–35 von unerwünschten Begleiterscheinungen (Blutdrucksenkung, Bronchokonstriktion, Diarrhoe) mit sich bringen kann, sowie u.a. Sialor®, Sulfarlem S25®, Bromhexin, Venalot Depot® und Xerolube®. – Kaugummikauen bringt nur in leichten und mittleren Fällen einen Benefit, der dann aber bedeutend ist. Von den Folgen einer Radiatio ist ein Patient in vielen Fällen bleibend betroffen, sodass sich daraus auch Aufgaben für den behandelnden Zahnarzt ergeben. Kommt der Patient relativ bald nach der Radiatio in die Zahnarztpraxis, ermöglicht dies eine gute zahnärztliche Begleitung. Evtl. wurden schon im Vorfeld nicht erhaltungswürdige Zähne gezogen. Eine Überprüfung der funktionellen Situation und die Dokumentation des Status Quo nach der Strahlentherapie – auch anhand einer Panoramaschichtaufnahme – sind wichtig für eine Verlaufskontrolle. Der Patient sollte auch darauf hingewiesen werden, dass der oralen Hygiene und ei- MANCHESTER – Mancher in die Jahre gekommene Mund, so könnte man beim Inspizieren meinen, befindet sich schon frühzeitig in einer Art pflegerischem Vorruhestand. Ganz nach dem Motto, die Dritten sind zwar noch nicht im Mund, aber schon im Gespräch, scheint der regelmäßige Reinigungs-Aufwand nicht mehr lohnenswert – die Drittausstattung hält ohnehin bald Einzug im Mund. Eine britische Studie hat dieser Ansicht auf den Zahn gefühlt und nachgeprüft, wie effektiv die Pflege reifer Zähne eigentlich ist. Nota bene: Es gibt nur wenige Studien zur Zahnpflege bei älteren Menschen. Zur Beantwortung obiger Frage wurde die Wirksamkeit von Zahnpflegeprodukten in Bezug auf eine Karies- und Parodontoseprophylaxe in einem Review von 4 verschiedenen Studienarten untersucht (Review, randomisiert- kontrollierte Studie, Anwendungsbeobachtung und traditioneller Review). Die Analyse zeigte, dass die Anwendung fluorhaltiger Zahnpasten und bei erhöhtem Kariesrisiko auch die zusätzliche Verwendung von speziellen Fluoridierungs-Präparaten effektiv zur Prophylaxe von Kronen- und Wurzelkaries beiträgt. Zahnpasten mit Triclosan-Zusatz waren hinsichtlich einer guten Plaquekontrolle und gesunderhaltender Effekte auf das Zahnfleisch wirksamer. Zahncremes, die neben Triclosan Copolymer enthielten, zeigten auch bei Hochrisiko-Patienten gute Ergebnisse und reduzierten das Fortschreiten einer Parodontitis. Elektrische Zahnbürsten mit oszillierenden Bürstenköpfen waren übrigens dem Zähneputzen „von Hand“ überlegen: Sie verringerten Beläge und Zahnfleischbluten um 7 % bzw. 17 % wirksamer als die manuelle Reinigung. Die Studie folgert, dass in Anbetracht der zunehmenden Anzahl älterer Menschen eine entsprechende Aufklärung zur Mundhygiene, Karies- und Parodontose-Prophylaxe dringend indiziert ist. DT Quelle: Davies R M: The rational use of oral care products in the elderly, Clinical Oral Investigations 2004, Vol. 8, S. 2 – 5 ANZEIGE und stellen vor ... ● Auf Privatrezept: die 1. verschreibungspflichtige Zahnpaste für erwachsene Patienten mit erhöhtem Kariesprophylaxe-Bedarf ● Als Fluorid-Kur: über 3 Monate anstelle der normalen Zahncreme NEU ● In nur einer Packung: 3x51g, kein lästiges Nachrezeptieren, kein erneuter Apothekengang und ein echter Preisvorteil für die Patienten Duraphat® Fluorid 5 mg/g Zahnpaste, Wirkstoff: Natriumfluorid Zusammensetzung: 1 g Zahnpaste enthält 5 mg Fluorid (als Natriumfluorid), entsprechend 5000 ppm Fluorid. Anwendungsgebiete: Zur Vorbeugung von Zahnkaries bei Jugendlichen ab 16 Jahren und Erwachsenen, insbesondere bei Patienten mit einem erhöhten Kariesrisiko (Kronen- und/oder Wurzelkaries). Gegenanzeigen: Das Arzneimittel darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der Hilfsstoffe. Nebenwirkungen: Es wurden keine Nebenwirkungen bei den zur Vorbeugung von Karies empfohlenen Dosierungen beobachtet. Jedoch können Überempfindlichkeitsreaktionen in seltenen Fällen nicht ausgeschlossen werden. Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen: Keine bekannt. Dosierung, Art und Dauer der Anwendung: Nicht verschlucken. Zähne gründlich nach folgendem Tagesschema putzen: Tragen Sie bei jedem Putzen einen 2 cm langen Strang auf Ihre Zahnbürste auf. 2 cm enthalten 3 mg bis 5 mg Fluorid. 3-mal täglich nach den Mahlzeiten. Verschreibungspflichtig. OP: Duraphat® Fluorid 5 mg/g Zahnpaste mit 51g Paste; AVP 14,35 €. Duraphat® Fluorid 5 mg/g Zahnpaste mit 3x51g Paste; AVP 24,89 €. Duraphat® Fluorid 5mg/g Zahnpaste wird verordnet auf den Namen des Patienten. Stand: November 2003 Colgate-Palmolive GmbH Liebigstraße 2-20 D-22113 Hamburg Tel.: 040 7319 1111 Mo, Di, Do 9-16 Uhr Fax: 040 7319 2111