Aus der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der Chirurgischen Klinik und Poliklinik im Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin Ehemaliger geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. Häring Stuhlgewohnheiten nach Anteriorer Resektion des Rektums bei Karzinom – klinische und manometrische Ergebnisse Inaugural-Dissertation zur Erlangung der medizinischen Doktorwürde des Fachbereiches Humanmedizin der Freien Universität Berlin vorgelegt von Martin Brüggemann-Wenzel aus Schweinfurt Referent: Priv.-Doz. Dr. J. Boese-Landgraf Koreferent: Prof. Dr. K.-J. Bauknecht Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fachbereiche der Freien Universität Berlin. Promoviert am: 07.05.1999 2 Meinen Eltern in Liebe gewidmet 3 Abkürzungsverzeichnis 6 1 EINFÜHRUNG UND ZIELSETZUNG 7 2 GRUNDLAGEN 8 2.1 Anatomie des Anorektums 2.1.1 Rektum 2.1.2 Analkanal 2.1.3 Schließmuskelapparat 2.1.4 Levatorengruppe 2.1.5 Gefäßversorgung 2.1.6 Nervenversorgung 8 8 9 10 11 11 12 2.2 Physiologie des Kontinenzorganes 2.2.1 Barriere- und Reservoirfunktion 2.2.2 Sensorische Funktion 2.2.3 Innerer und äußerer Schließmuskel 2.2.4 Strukturelle Faktoren 2.2.5 Reflexe und bewußte Wahrnehmung 2.2.6 “Corpus cavernosum ani“ 2.2.7 Defäkation und Passage von Winden 13 13 13 14 14 15 15 16 2.3 Manometrische Untersuchung des Kontinenzorganes 2.3.1 Elektromanometrische Ableitungsverfahren 2.3.2 Elektromanometrische Meßparameter 17 17 18 2.4 Chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms 19 2.4.1 Allgemeine tumorchirurgische Überlegungen 19 2.4.2 Begleitende Strahlentherapie 20 2.4.3 Anteriore Resektion, „tiefe“ anteriore Resektion und Klammernaht-Anastomose20 3 PATIENTEN UND METHODEN 22 3.1 Patientengut 3.1.1 Patientenrekrutierung 3.1.2 Eigenschaften der Patienten 22 22 22 3.2 23 Fragebogen 3.3 Manometrische Untersuchung 3.3.1 Inspektion 3.3.2 Aufbau des elektromanometrischen Messplatzes 3.3.3 Ablauf der elektromanometrischen Untersuchung und Parameter 3.3.4 Auswertung der Meßergebnisse 23 23 23 25 26 3.4 28 Statistische Verfahren 4 4 5 ERGEBNISSE 29 4.1 Präoperativ bekannte Störungen der Stuhlgewohnheiten, begleitende Erkrankungen und postoperative Komplikationen 29 4.2 Störungen der Stuhlgewohnheiten 4.2.1 Kontinenzverhalten 4.2.2 Erhöhte Stuhlfrequenz 4.2.3 Gestörte Stuhldrangkontrolle 4.2.4 Stuhlschmieren 4.2.5 Erschwerte Diskrimination des Darminhaltes 4.2.6 Mangelnde Wahrnehmung des Stuhldranggefühls 4.2.7 Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation 4.2.8 Veränderte Konsistenz der Stühle 30 30 31 32 32 33 33 34 34 4.3 Einfluß der Anastomosenhöhe, der Anastomosenart und der postoperativen Bestrahlung auf Störungen der Stuhlgewohnheiten und manometrische Ergebnisse 4.3.1 Anastomosenhöhe 4.3.2 Anastomosenart 4.3.3 Postoperative Bestrahlung 35 36 38 40 4.4 Manometrische Ergebnisse bei Patientengruppen mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten 43 DISKUSSION 45 5.1 Zu den begleitenden Erkrankungen und postoperativen Komplikationen 45 5.2 Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten 46 5.3 Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten und den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen mit unterschiedlichen Bedingungen hinsichtlich Anastomosenhöhe, Anastomosenart und postoperativer Bestrahlung 49 5.3.1 Anastomosenhöhe 50 5.3.2 Art der Anastomosennaht 52 5.3.3 Nachbestrahlung 54 5.4 Zu den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten 56 5.4.1 Rektoanaler Relaxationsreflex 56 5.4.2 Analer Ruhedruck 57 5.4.3 Maximaler Kneifdruck 60 5.4.4 Maximaler tolerierter Rektumdruck 61 5.4.5 Maximales toleriertes Rektumvolumen 62 5.4.6 Die rektale Compliance 64 6 SCHLUßFOLGERUNGEN 67 7 ZUSAMMENFASSUNG 69 8 ANHANG 73 5 Literaturverzeichnis 73 Fragebogen 77 Danksagung 80 Lebenslauf 81 6 Abkürzungsverzeichnis Anatomische und chirurgische Begriffe AK Analkanal AKL Anokutanlinie APER abdominoperineale Exstirpation des Rektums AR anteriore Rektumresektion Manometrische Parameter ARD analer Ruhedruck MKD maximaler analer Kneifdruck RARR rektoanaler Relaxationsreflex MTRD maximaler tolerierter Rektumdruck MTRV maximales toleriertes Rektumvolumen 7 1 Einführung und Zielsetzung Die kontinenzerhaltende Operation in der Technik der anterioren Resektion (AR) hat sich in den letzten Jahrzehnten zur Vorzugstherapie des rektosigmoidalen Karzinoms entwickelt. Besonders die Verfügbarkeit über maschinelle Klammernahttechniken [2],[17],[20],[24],[56] sowie neue Einsichten in die Pathophysiologie [31] haben die Indikation zur abdominoperinealen Exstirpation des Rektums (APER), seit ihrer Einführung durch Miles 1908 der „goldene Standard“ in der Kolonchirurgie, auf wenige sehr fortgeschrittene und/oder sehr tief liegende Tumoren beschränkt [5],[19],[23]. Es steht heute außer Zweifel, daß durch die AR bei sorgfältiger Indikationsstellung die Anforderungen der kurativen Tumorchirurgie nicht kompromittiert werden, während dem Patienten die schwere Verletzung der körperlichen Integrität, die mit einem künstlichen Darmausgang verbunden ist, erspart bleibt [64]. Die AR ist somit auch in der chirurgischen Klinik des Universitätsklinikum BenjaminFranklin zum häufigsten kurativen Eingriff in der Therapie des Rektumkarzinoms geworden. Wir stellten uns deshalb die Frage, in welchem Maße dieser Eingriff die Stuhlgewohnheiten der Patienten veränderte und inwieweit bestimmte Begleitumstände der Operation (Höhe der Anastomose im Rektum, Art der Anastomosennaht), aber auch stattgehabte oder nicht stattgehabte postoperative Strahlentherapie die subjektiven und objektiven Stuhlgewohnheiten der Patienten beeinflußten. Dabei mußten bereits vor der Operation vorhandene Störungen der Stuhlgewohnheiten und anorektale Begleiterkrankungen Berücksichtigung finden. Weiter interessierte uns, ob es möglich war, mittels anorektaler Manometrie nachzuweisen, welcher Anteil des Kontinenzorganes bei der einen oder anderen der genannten Patientenuntergruppen besonders in Mitleidenschaft gezogen worden war, und inwieweit sich die subjektiven Störungen der Stuhlgewohnheiten diesen objektiven, mittels anorektaler Manometrie gewonnnenen Parametern zuordnen ließen. Aus der Beantwortung dieser Fragen erhofften wir uns nicht nur Aufschlüsse über die epidemiologische Bedeutung von Störungen der Stuhlgewohnheiten bei an Rektumkarzinom operierten Patienten, sondern auch darüber, welche Details des therapeutischen Vorgehens am Auftreten von Störungen der Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Resektion den wesentlichsten Anteil hatten, um somit eventuell Empfehlungen zur Modifikation des therapeutischen Vorgehens bzw. Wiederherstellung postoperativ gestörter Stuhlgewohnheiten geben zu können. Die Ziele der Untersuchung können somit wie folgt zusammengefaßt werden: • die Störungen der Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Rektumresektion unter Berücksichtigung bereits vor der Operation vorhandener Störungen und anorektaler Begleiterkrankungen zu dokumentieren. • geeignete manometrische Parameter zu erheben, um die postoperative Schließmuskelleistung sowie die Reservoirkapazität des Rektums zu objektivieren. • mögliche Unterschiede bei den Stuhlgewohnheiten und den Manometrieergebnissen für Patientengruppen mit unterschiedlichen Anastomosenhöhen und Anastomosenarten sowie mit oder ohne postoperative Bestrahlung aufzudecken. • aufzuzeigen, inwieweit die erhobenen manometrischen Parameter Aussagen über die von den Patienten subjektiv erlebten Störungen ihrer Stuhlgewohnheiten zuließen. 8 2 Grundlagen 2.1 2.1.1 Anatomie des Anorektums Rektum Abbildung 1: Frontalschnitt durch Rektum und Analkanal. Orientierungspunkte und wichtige Strukturen. Alle Entfernungsangaben beziehen sich auf die Anokutanlinie. Modifiziert nach [49]. Das Rektum geht etwa in Höhe des dritten Sakralwirbels aus dem Sigma hervor, indem sich dessen in drei Tänien gebündelte Längsmuskulatur nach und nach ausbreitet, um schließlich den durchgehenden Längsmuskelschlauch des Rektums zu bilden. Angeschmiegt an die Konkavität des Kreuz- und Steißbeins erreicht das Rektum den Beckenboden. Dort wendet es sich unvermittelt nach hinten und unten und dringt in die Levatormuskulatur ein, um in den Analkanal zu münden. Die letzten 2-3 cm sind so von der Levatormuskulatur umgeben. Das Rektum mißt etwa 12-15 cm. Seine drei seitlichen äußeren Krümmungen korrespondieren mit den Houston'schen Klappen im Inneren, deren mittlere, rechte, auch als Kohlrausch'sche Falte bezeichnet wird. Sie entspricht in etwa der vorderen peritonealen Umschlagsfalte und grenzt die oberen zwei Drittel des Rektums gegen die extraperitoneal gelegene, weitlumigere Rektumampulle ab. In der klinischen Arbeit hat sich die Einteilung nach topographischen Gesichtspunkten als nicht zweckmäßig erwiesen; es soll deshalb auch in dieser Arbeit, wie es weitverbreitete 9 Praxis ist [51],[68], der Abstand von der Anokutanlinie bzw. von der ca. 2 cm proximal davon gelegenen Linea dentata für die Unterteilung des Rektums herangezogen werden: 1. Unteres Rektum: 4-8 cm von der Anokutanlinie (entsprechend 2-6 cm von der Linea dentata). 2. Mittleres Rektum: > 8 cm-12 cm von der. Anokutanlinie (entsprechend > 6-10 cm von der Linea dentata). 3. Oberes Rektum: > 12 cm-16 cm von der Anokutanlinie (entsprechend > 10-14 cm von der Linea dentata). Die Entfernungen der anatomischen Orientierungspunkte (siehe Abbildung 1) von der Anokutanlinie und der Linea dentata unterliegen allerdings individuellen und geschlechtsspezifischen Schwankungen. So liegt bei Fettleibigen die peritoneale Umschlagsfalte höher als bei Mageren, bei Männern höher als bei Frauen. Andererseits weist das Rektum eine gewisse „Längenreserve“ auf; bei vollständiger chirurgischer Mobilisation läßt sich das Rektum noch erheblich strecken, wodurch mehrere Zentimeter zusätzlicher Länge gewonnen werden können. Diese Überlegungen zu Abständen im Anorektum haben praktische Konsequenzen, wenn es darum geht, aus der Höhe eines Tumors über der Anokutanlinie die Möglichkeit zur anterioren Resektion abzuschätzen. Fasziale Umhüllung: Der extraperitoneal gelegene Teil des Rektums wird nach ventral durch die Denonvillier`schen Faszie von der Vagina der Frau bzw. der Prostata und den Samenbläschen getrennt. Dorsal des Darmrohres umhüllt die Fascia propria recti das Rektum. Denonvillier'sche Faszie und Fascia propria recti setzen sich zu beiden Seiten des Rektums in Bindegewebe fort, welches als Ligamenta lateralia recti oder Paraproktien das Rektum beiderseits mit der Fascia parietalis pelvis verbindet. Diese Paraproktien müssen bei der tiefen Rektummobilisation ligiert werden. Kreuz- und Steißbein werden von der derben Fascia presacralis bedeckt. Ungefähr auf Höhe des vierten Sakralwirbels entspringt aus ihr eine derbe, gefäßlose Faszie, die nach vorne unten verläuft, um am anorektalen Übergang auf die Fascia propria recti zu treffen. Diese wird als Fascia rectosacralis oder Waldeyer`sche Faszie beschrieben. Den organeigenen Hüllfaszien des Rektums kommt eine große tumorchirurgische Bedeutung zu [19], da sie dem Krebswachstum lange Zeit ein unüberwindliches Hindernis entgegenstellen. 2.1.2 Analkanal Der Analkanal ist der letzte Abschnitt des Verdauungstrakts. Er beginnt am anorektalen Übergang, hat eine Länge von 3-4 cm und endet an der Anokutanlinie. Zur groben Orientierung im Anus können folgende Strukturen eingesetzt werden: Die Anokutanlinie, etwa zwei Zentimeter davon entfernt die Linea dentata, und wiederum etwa zwei Zentimeter proximal, der anorektale Ring, der den tastbaren, proximalen Rand des Sphinkterkomplexes darstellt. 10 Oberhalb der Linea dentata, wo sich das Rektum zum Analkanal hin verengt, bilden sich die als Morgagni`sche Säulen bezeichneten Längsfalten der Rektumschleimhaut. Die Schleimhauttaschen am tiefsten Punkt zwischen zwei benachbarten Säulen bilden die analen Krypten. Die Linea dentata ist die Grenze zwischen intestinalen Zylinderepithel proximal und Plattenepithel distal. Dieser Wechsel ist jedoch nicht unvermittelt; in einem Bereich ca. 612 mm über der Linea dentata befindet sich die sogenannte Transitionszone, in der Zylinderepithel, Übergangsepithel und Plattenepithel gefunden werden kann. Das Plattenepithel zwischen Linea dentata und Anokutanlinie schließlich ist noch keine Haut im eigentlichen Sinne. Hautanhangsgebilde wie Haare, Talg- und Schweißdrüsen fehlen ihm. Es wird als Anoderm bezeichnet. In ihm befinden sich die hochsensiblen Rezeptoren, die die Diskrimination des Darminhaltes während des „samplings“ (2.2.5) ermöglichen und die besondere Schmerzempfindlichkeit dieser Region bedingen. In den Analkanal münden 4-10 intramuskuläre Drüsen. Jede von ihnen ist mit mehrschichtigem Zylinderepithel ausgekleidet und endet in einer Analkrypte. Proktologisch sind diese Drüsen von Bedeutung, da sie häufig zum Ausgangspunkt analer Fisteln und Abszeße werden. 2.1.3 Schließmuskelapparat Abbildung 2: Seitliche Ansicht eines weiblichen Beckens. Die Beziehungen des Rektums zum Schließmuskelapparat sind hervorgehoben. Modifiziert nach [49]. Der Schließmuskelapparat besteht aus zwei ineinandergesteckten Muskelschläuchen. Der innere von beiden (M. sphincter ani internus) ist etwa 2,5 cm lang und besteht aus glatter, unwillkürlicher Muskulatur. Er bildet den verdickten, zum eigenständigen Muskel umgestalteten Abschluß der Ringmuskulatur des Magen-Darm-Traktes. Sein distales Ende befindet sich ca. 1-1,5 cm distal der Linea dentata. 11 Der äußere Muskelschlauch (M. sphincter ani externus) wurde ursprünglich als dreiteilig (Pars Subcutanea, Pars Superficialis und Pars Profunda) beschrieben. Goligher [16] zeigte, daß er aus einem durchgehenden, elliptischen Zylinder von willkürlicher Skelettmuskulatur aufgebaut ist, der den Analkanal und den inneren Schließmuskel umgibt. Sein proximaler Anteil (Pars profunda) verflicht sich derart mit dem M. puborectalis, daß manche Autoren den M. puborectalis aus der Gruppe der Levatoren herausnehmen und dem äußeren Schließmuskel zurechnen [13]. Diese Zuordnung läßt sich auch physiologisch rechtfertigen, da M. sphincter ani externus und M. puborectalis als motorische Einheit agieren ([21] S.18). Die Innervation des äußeren Schließmuskels erfolgt durch den Nervus rectalis inferior und einen perinealen Ast des vierten Sakralnerven. Zwischen dem inneren und dem äußeren Schließmuskel vereinigen sich quergestreifte Fasern aus dem M. puborectalis und dem M. pubococcigeus mit glatten Längsmuskelfasern des Rektum. Sie durchdringen den subkutanen Teil des äußeren Schließmuskels und inserieren an der perianalen Haut. Mit ihrer Eigenschaft, die Haut in der Umgebung des Anus zusammenziehen und runzeln zu können, bilden sie den M. corrugator ani. 2.1.4 Levatorengruppe Der M. levator ani ist ein breiter, dünner Muskel, der den größten Teil des Beckenbodens bildet. Er wird in den M. iliococcygeus, den M. pubococcygeus und den M. puborectalis aufgeteilt. Der vierte Sakralnerv sorgt für seine Innnervation. Der M. iliococcygeus hat seinen Ursprung an der Spina ischiadica und dem hinteren Teil der Fascia obturatoria. Er setzt an den letzten beiden Kreuzbeinsegmenten und an der Raphe coccygealis an. Der M. pubococcygeus entspringt an der Rückseite des Schambeins und der vorderen Hälfte der Fascia obturatoria. Seine Fasern verlaufen nach hinten, abwärts und medial und treffen sich mit denen der Gegenseite in der sehnigen Raphe coccygealis. Der M. puborectalis schließlich entspringt paarig an der Symphyse und dem Diaphragma urogenitale. Er verläuft nach hinten und umfaßt das Rektum an seinem Übergang in den Analkanal. Direkt hinter dem Rektum vereinigen sich die Fasern des linken und des rechten M. puborectalis und bilden so die Puborektalisschlinge, die das Rektum schambeinwärts zieht und so den anorektalen Winkel verursacht. Die Puborektalisschlinge ist auch bei der rektalen Palpation tastbar; der proximale Rand von Puborektalmuskel, innerem und äußerem Sphinkter, den der palpierende Finger am anorektalen Übergang spürt, wird als anorektaler Ring bezeichnet. Wird dieser Ring im Rahmen chirurgischer Eingriffe verletzt, ist in jedem Falle mit Störungen der Kontinenz zu rechnen [13]. Die Beziehungen des Anorektums zum Schließmuskelapparat und zur Beckenbodenmuskulatur zeigt Abbildung 2. 2.1.5 Gefäßversorgung Arterien: Die A. rectalis superior geht als letzter Ast aus der A. mesenterica inferior bei deren Eintritt ins kleine Becken hervor. Dem Mesosigmoideum folgend, verzweigt sie sich auf 12 Höhe des vierten Sakralwirbels in einen rechten und einen linken Ast, deren rechter wiederum in einen vorderen und einen hinteren. Nach weiteren Verästelungen durchdringt sie die Rektummuskulatur, um in der Submukosa der Morgagni`schen Säulen, oberhalb der Linea dentata, in einem dichten Kapillargeflecht zu enden. Dieses (arterielle) Gefäßgeflecht ist anatomisches Substrat des Stelzner'schen „Corpus cavernosum ani“ (s.u.) und Ausgangspunkt der inneren Hämorrhoiden; die Stellen ihres bevorzugten Auftretens im Analkanal erklären sich somit aus der Topographie der A. rect. sup. und ihrer Äste. Die Aa. rectales mediae entstehen paarig als Äste der Aa. iliacae internae. Sie erreichen das tiefe Rektum auf Höhe der Levatoren und versorgen dessen distalsten Teil sowie den oberen Analkanal. Die Aa. rectales inferiores zweigen im Alcock`schen Kanal aus den Aa. pudendales internae ab. Sie durchqueren die Fossa ischiorectalis und versorgen den Schließmuskelapparat und den Analkanal. Die A. sacralis medialis, unpaariger letzter Ast der Aorta vor deren Bifurkation, verläuft über die ventralen Flächen der letzten beiden Lumbalwirbel, Kreuz- und Steißbein zum Rektum. Venen: Der venöse Rückstrom aus Rektum und Analkanal erfolgt über Venen, die dem Verlauf der oberen, mittleren und unteren Rektalarterie folgen. Dabei fließt das Blut aus der Vena rectalis superior über die Vena mesenterica inferior in den Portalkreislauf, während die Vena rectalis media und die Vena rectalis inferior zur Vena cava hin drainieren. Auf dem Niveau des Rektums befindet sich somit eine Verbindung zwischen systemischem und portalem Kreislauf. Lymphabfluß: Der Lymphabfluß von Rektum und Analkanal orientiert sich ebenfalls am Verlauf der versorgenden Arterien. Im Hinblick auf die Bedeutung der Lymphdrainage als Weg der Metastasierung anorektaler Karzinome lassen sich somit im Anorektum folgende Zonen unterscheiden: 1. Das obere und mittlere Rektum mit ausschließlich kranial gerichtetem Lymphabfluß entlang der A. rect. sup. und A. mesent. inf. in Richtung aortaler Lymphknotenstationen. 2. Das tiefe Rektum mit Lymphabfluß nach kranial und, längs der Aa. rect. mediae, zu Lymphknotenstationen an der seitlichen Beckenwand. 3. Der Analkanal oberhalb der Linea dentata mit drei möglichen Drainagewegen: Nach kranial und lateral wie bereits oben beschrieben und der A. rect. inf. folgend, zu den Lymphknoten der Fossa ischiorectalis. 4. Unterhalb der Linea dentata fließt die Lymphe meist zu inguinalen Lymphknotenstationen ab. 2.1.6 Nervenversorgung Das Rektum unterliegt, wie der gesamte Dickdarm, der Kontrolle beider Komponenten des autonomen Nervensystem, des Sympathikus und des Parasympathikus. Diese steuern auch die Funktion des M. sphincter ani internus, wobei der Sympathikus für Kontraktion, der Parasympathikus für Relaxation sorgt. Weiter steht er in enger Verbindung mit dem Plexus myoentericus der Rektumwand, der wiederum dem Einfluß parasympathischer und sympathischer Fasern ausgesetzt ist. 13 Der äußere, willkürliche Sphinkter wird somatisch innerviert; der Ramus pudendalis inferior des Nervus pudendalis internus und der Ramus perinealis des vierten Sakralnervs versorgen ihn. Auch die Levatormuskeln empfangen ihre (ebenfalls somatische) Innervation durch Zweige des vierten Sakralnervs und durch Äste des Nervus pudendalis. Die sensorische Innervation der perianalen Haut und besonders des hochsensiblen Anoderms im Analkanal unterhalb der Linea dentata geschieht durch afferente Fasern im N. rectalis inf.. Ein schwaches, unscharf begrenztes Berührungsempfinden oberhalb der Linea dentata, ausgelöst durch Hämorrhoiden oder die Berührung der Mukosa mit Untersuchungsinstrumenten, wird afferenten parasympathischen Fasern zugeschrieben. 2.2 Physiologie des Kontinenzorganes Anale Kontinenz und die Fähigkeit zur willkürlich und unwillkürlich gesteuerten Defäkation sind die physiologischen Leistungen des Kontinenzorganes. Zu ihrem Zustandekommen bedarf es verschiedener, ineinandergreifender Faktoren und Mechanismen, die hier im einzelnen erläutert werden sollen (Modifiziert nach [21], S.17). 2.2.1 Barriere- und Reservoirfunktion Mechanisch: Der rektosigmoidale Winkel und die Houston’schen Klappen verlangsamen die Progression von Stuhlmassen vom Kolon in das Rektum. Die Krümmung dieser anatomischen Strukturen und damit ihr Barriere-Effekt wird zusätzlich durch das Stuhlgewicht verstärkt. Motorisch: Im Rektum läßt sich eine stärkere motorischen Aktivität und eine höhere Frequenz kontraktiver Wellen als im Sigma feststellen ([21], S.7). Dadurch ergibt sich ein nach oral gerichteter Druckgradient, der dafür sorgt, daß das distale Rektum im Normalfall leer und kollabiert bleibt. Die Adaptationsfähigkeit des Kolons und des Rektosigmoides ermöglicht, daß die auf diesem Niveau verweilenden Stuhlmassen für einige Zeit gespeichert werden. 2.2.2 Sensorische Funktion Die Ankunft von Stuhl im Rektum übt auf das Rektum und seine Umgebung einen Dehnungsreiz aus, der auf der Ebene des Bewußtseins als Stuhldranggefühl wahrgenommen wird. Nachdem diese Wahrnehmung zunächst nur freien Nervenendungen in der Rektumschleimhaut zugesprochen wurde, gibt es schon lange Hinweise dafür, daß die Füllung des Rektums nicht allein durch die Rektumschleimhaut registriert wird. Vor allem Lane und Parks [33] vertreten aufgrund ihrer Untersuchungen an Patienten mit vollständiger Rektumresektion und koloanaler Anastomose die Ansicht, die entscheidenden Rezeptoren rektaler Distension würden außerhalb der Rektumwand, wahrscheinlich in den Levatormuskeln sowie im M. puborectalis, liegen. Anders verhält es sich mit der Diskrimination der Beschaffenheit des Darminhaltes, d.h. die Unterscheidung des Materials in feste, ungeformte oder gasförmige Exkremente. Sie ist eine Leistung der Empfindung des Anoderms distal der Linea dentata. Duthie und Gairns (1960, zitiert nach [16]) konnten im Anoderm des Analkanals neben freien (Schmerz-) Rezeptoren nahezu alle Typen taktiler Rezeptoren nachweisen, in der Rektumschleimhaut dagegen neben freien Nervenfasern und Ganglienzellen keine Rezeptoren. 14 2.2.3 Innerer und äußerer Schließmuskel Der Verschluß des distalen Endes des Verdauungstraktes wird von der analen Hochdruckzone gewährleistet. Sie ist etwa 4 cm lang und erstreckt sich von der Anokutanlinie bis zum anorektalen Übergang. Die höchsten Druckwerte in Ruhe können etwa in Höhe der Linea dentata gemessen werden. An diesem analen Ruhedruck haben, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, sowohl der innere als auch der äußere Schließmuskel Anteil. Am inneren Schließmuskel lassen sich in Ruhe kontinuierliche elektrische Entladungen ableiten. Da bei vollständiger pharmakologischer Lähmung des äußeren Schließmuskel die Ruhedruckwerte nahezu unverändert bleiben, ist es allgemein akzeptierte Annahme, daß der anale Ruhedruck im wesentlichen von der Aktivität des inneren Sphinkters bestimmt wird. Der äußere Sphinkter ist dennoch bereits in Ruhe am analen Druck beteiligt, da er, ebenso wie die Beckenbodenmuskeln, eine ständige tetanische Ruheaktivität aufweist. Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich letztgenannte Muskeln von der übrigen quergestreiften Muskulatur. Neben der willkürlichen Kontraktion hat der äußere Schließmuskel auch die Möglichkeit, auf jegliche Änderungen des intraabdominellen Druckes, wie sie beim Sprechen, Husten oder Wechsel von der liegenden in die aufrechte Körperposition entstehen, mit einer erhöhten Aktivität zu antworten. Auch auf Distension des Rektums reagiert er initial mit einer Druckerhöhung; steigt das Füllungsvolumen im Rektum weiter an, kommt es zu einer fortschreitenden Inhibition des äußeren Schließmuskel, die zwar zunächst willkürlich kompensiert werden kann, aber schließlich mit einem imperativen Stuhldranggefühl verbunden ist. Ein weiteres Charakteristikum des äußeren Schließmuskels und der Beckenbodenmuskulatur ist ihre rasche Ermüdbarkeit: Obwohl sie eine andauernde Aktivität aufweisen, können diese Muskeln willkürlich nur etwa 40-60 sec. kontrahiert werden; danach kehren sowohl die elektrische Aktivität als auch der Druck im Analkanal auf Basiswerte zurück. 2.2.4 Strukturelle Faktoren Anorektaler Winkel: Durch die tonische Aktivität der Puborektalisschlinge entsteht eine Abweichung der Längsachse von Analkanal und Rektum in der Sagittalebene um etwa 80°. Dieser anorektale Winkel ist der wichtigste Faktor für die Massenkontinenz; nur bei angezogenen Oberschenkeln und während der Defäkation wird er aufgehoben. “flutter valve“- und „flap valve“-Theorie: Beide Theorien vergleichen den anorektalen Verschluß mit einem Rückschlagventil, wobei der intraabdominale Druck selbst für die Abdichtung sorgt. Bei der „flutter valve“- („Flatterventil“-) Theorie teilt sich der Druck der Bauchhöhle über den Beckenboden auf den Analkanal mit. Die „flap valve“- („Klappventil“-) Theorie betont, daß durch die anorektale Winkelbildung die Schleimhaut der vorderen Rektumwand auf die der Rektumrückwand gepresst wird. Beiden Theorien zufolge verstärkt sich – ohne aktive Muskelarbeit – der anale Verschluß bei Erhöhung des intraabdominalen Druckes; sie können aber nicht erklären, wie der Analverschluß gegen eine intrarektale Druckerhöhung aufrechterhalten werden kann. Theorie des „triple loop system“: Mit „triple loop system“ beschreibt Shafik ([13] S.23) sein Konzept zur Funktion des äußeren Schließmuskels. Er stellt fest, daß die drei anatomischen 15 Anteile des äußeren Sphinkters unterschiedliche Zugrichtungen haben. Nach Shafiks Vorstellung schnüren diese „drei Schlingen" den AK fest zu. Vollständige Kontinenz ist nur bei Unversehrtheit aller drei Schlingen möglich; ist eine der drei Schlingen beschädigt, sind zumindest leichtere Störungen der Kontinenz zu erwarten. 2.2.5 Reflexe und bewußte Wahrnehmung Rektoanaler Relaxationsreflex: Distension des Rektum führt zu einer vorübergehenden Relaxation des inneren Schließmuskels. Die Erniedrigung des Druckes im Analkanal erlaubt den Kontakt des Rektuminhalts mit den hochempfindlichen Rezeptoren des Anoderms und die Diskrimination diesen Inhalts in fest, ungeformt oder gasförmig. Aus diesem Grunde wird dieser rektoanale Relaxations- (oder Inhibitions-) Reflex auch als „sampling-reflex“ bezeichnet. Diese Diskrimination des Darminhalts funktioniert im übrigen nicht nur auf der bewußten, sondern auch auf der unbewußten Ebene: Auch im Schlaf ist es „gefahrlos“ möglich, Darmwinde entweichen zu lassen. Rektoanaler Kontraktionsreflex: Zeitgleich mit der oben beschriebenen Relaxation des inneren Sphinkters bei rektaler Distension wird der äußere Schließmuskel reflektorisch kontrahiert. Dadurch wird während des „samplings“ die Kontinenz gewahrt und die Möglichkeit zu angemessener willkürlicher Reaktion (Zurückhalten des Stuhldrangs, Aufsuchen der Toilette oder Ablassen von Darmwinden) offengehalten. Stuhldranggefühl und Dranginkontinenz: Auf der Bewußtseinsebene wird die rektale Distension als Stuhldranggefühl wahrgenommen. Dies erlaubt, die Kontinenz durch eine willkürliche Schließmuskelaktivation weiterhin zu wahren, obwohl die initiale reflektorische Externuskontraktion nach kurzer Zeit abklingt. Wenn anschließend durch kolorektale Adaptationsmechanismen und Rücktransport des Stuhls vom Rektum in das Kolon der Druck im Rektum sinkt, verschwindet auch die Internusrelaxation, das Stuhldranggefühl und die Notwendigkeit zur willkürlichen Externuskontraktion wieder. Steigt allerdings das Volumen im Rektum und damit der rektale Druck weiterhin an, führt dies zu einer fortschreitenden Inhibition auch des äußeren Sphinkters. Es kommt zur Dranginkontinenz, wenn diese reflektorische Externusinhibition die Oberhand über die willkürliche Kontraktion gewinnt. Kutoanaler Reflex: Die reflektorische Sphinkter-Externus-Kontraktion kann im Gegensatz zur Sphinkter-Internus-Inhibition, die nur durch rektale Distension hervorgerufen wird, auch andere Auslöser haben. Beim kutoanalen Reflex wird sie, zusammen mit einer Kontraktion des Beckenboden, durch Bestreichen der perianalen Haut ausgelöst; aber auch jegliche Erhöhung des intraabdominalen Druckes, durch Husten, Sprechen, Lagewechsel etc. führt zu ihrer Aktivierung. 2.2.6 “Corpus cavernosum ani“ Stelzner [53] sieht das arterielle Gefäßgeflecht der Zona hämorrhoidalis des Analkanals als echten Schwellkörper, ähnlich den genitalen Corpora cavernosa. Seiner Ansicht nach ist dieses Corpus cavernosum ani für den Feinabschluß des Kontinenzorganes verantwortlich, was erklären würde, warum Patienten nach totaler Hämorrhoidektomie nach Whitehead sehr häufig über Stuhlschmieren und andere, zumindest leichte Formen von Inkontinenz klagen. 16 2.2.7 Defäkation und Passage von Winden Defäkation: Der Reiz, der die Defäkation in Gang setzt, ist die Distension des Rektums. Diese wiederum tritt ein, wenn ein kritisches Distensionsvolumen im Sigma und im Colon descendens erreicht ist. Solange die Fäzes nämlich im Kolon zurückgehalten werden, ist das Rektum leer, es besteht kein Stuhldranggefühl. Überschreitet jedoch die Distension im Colon descendens und im Sigma einen bestimmten Schwellenwert, setzen propulsive Kontraktionen ein, die den Stuhl zum Rektum abtransportieren. Gelingt es durch diese Propulsion nicht, das Kolon zu leeren und nimmt die Kolondistension weiter zu, ist nicht etwa Stuhldrang, sondern sind Tenesmen die subjektive Folge. Die Distension des Rektums und die Wahrnehmung von Stuhldrang sind Phänomene, die sich ein- oder mehrmals am Tage beobachten lassen. Der weitere Ablauf der Ereignisse hin zur Defäkation kann durch willkürliche Steuerung verhindert werden, wie es bereits weiter oben beschrieben wurde. Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Stuhldrang im Tagesverlauf sind von zahlreichen äußeren und individuellen Faktoren abhängig. Bei vielen Menschen hat sich jedoch ein zeitliches Muster etabliert, so daß sie entweder früh am Morgen, am Abend oder nach bestimmten Mahlzeiten Stuhldrang verspüren und die Toilette aufsuchen – bisweilen mit einer Präzision „nach der man die Uhr stellen kann“. Durch Umstellung der Lebensumstände, wie durch Reisen, Änderung der Kost oder Bettruhe, kann dieser eingespielte Ablauf jedoch jederzeit aus dem Gleichgewicht geworfen werden. Die Distension des Rektums induziert reflektorisch, wie oben beschrieben, die Internusinhibition und diese ihrerseits die Externuskontraktion. Trifft nun das Individuum die (bewußte) Entscheidung, dem Stuhldrang nachzugeben, wird eine sitzende oder hockende Körperhaltung eingenommen. Dadurch verflacht sich der anorektale Winkel; die Stuhlsäule steht nun fast senkrecht auf dem Analkanal. Durch das Anspannen der Bauchdecken wird der intraabdominale Druck erhöht. Der Beckenboden senkt sich und auch der intrarektale Druck steigt weiter an. Nun erfolgt die reflektorische Inhibition auch des äußeren Schließmuskels, welcher erschlafft und den Stuhlmassen den Weg durch den Analkanal freigibt. Nach abgeschlossener Entleerung erlangen der Beckenboden und die Schließmuskel ihre Ruheaktivität zurück und der Analkanal schließt sich wieder. Willkürliche Passage von Winden: Der „sampling-reflex“, d.h. die Relaxation des inneren Schließmuskels nach Distension des Rektums, die den Rektuminhalt mit dem Anoderm in Kontakt bringt, ermöglicht neben der Diskrimination der Fäzes auch die Passage als solcher erkannter gasförmiger Exkremente. Dies geschieht mittels einer willkürlichen Kontraktion des äußeren Sphinkters und des M. puborectalis und einer gleichzeitigen Erhöhung des intraabdominalen Druckes. Durch die Kontraktion der Willkürmuskulatur wird die tonische Aktivität in den Schließmuskeln inhibiert; steigt der intraabdominale Druck nun noch weiter an, können Darmgase durch den Analkanal entweichen. Für feste Fäzes ist die Öffnung des Analkanals – 17 dank der fortbestehenden willkürlichen Kontraktion von äußerem Schließmuskel und M. puborectalis – jedoch zu gering. Der beschriebene Mechanismus gibt im Falle ungeformter Stühle nur unzureichende Sicherheit; weshalb es sich empfiehlt, auf das beschriebene, willkürlich gesteuerte Manöver zu verzichten, wenn der „sampling-reflex“ das Vorliegen ungeformter Stühle signalisiert. 2.3 Manometrische Untersuchung des Kontinenzorganes Schon im vergangenen Jahrhundert wurde begonnen, die Funktion des Kontinenzorganes zu erforschen, indem man mittels durch den After eingeführter Ballonsonden anorektale Drücke maß ([21] S.47). Inzwischen werden unter Namen wie Rektotonometrie, Analmanometrie, Analtonographie usw. eine Vielzahl von Verfahren praktiziert, die neben unterschiedlichen Vor- und Nachteilen einen wesentlichen Nachteil miteinander teilen: Da sich kein gemeinsamer Standard durchsetzen konnte, können Untersuchungen mit anorektalen Druckmessungen, die nicht von ein und demselben Untersucher stammen, nur mit größten Vorbehalten miteinander verglichen werden. 2.3.1 Elektromanometrische Ableitungsverfahren Die Ableitung anorektaler Drücke erfolgt bei der Elektromanometrie mit einen Druckaufnehmer, der in Form einer Sonde an erwünschter Stelle im Anorektum plaziert wird, einem Druckwandler, der den vom Druckaufnehmer fortgeleiteten Druck in ein elektrisches Signal verwandelt, einer Verstärkereinheit und einem Schreiber zur Aufzeichnung der Druckkurve. Da sich die Ableitungsmethoden v.a. durch die Konstruktion ihrer Druckaufnehmer unterscheiden, sollen die wesentlichen prinzipiellen Arten mit ihren Vor- und Nachteilen hier vorgestellt werden. Ballonsysteme: Sie werden in Form großvolumiger Einzelballons oder in Serie geschalteter Miniaturballons verwendet. Durch ihre große Kontaktfläche mit den Medien, deren Drücke sie wiedergeben sollen, entsprechen die mit ihnen gemessenen Druckwerte gut den tatsächlichen Verhältnissen. Andererseits kann es leicht passieren, daß der Ballon zumindest teilweise disloziert oder geknickt wird – womit die Messung natürlich zu falschen Ergebnissen führt. Der Fremdkörperreiz ist ein weiterer Nachteil zumindest der großvolumigen Ballonsysteme, da er reflektorisch Druckänderungen bewirken kann, die nicht den natürlichen Gegebenheiten entsprechen. Offene, wassergefüllte Systeme: Man muß hier zwischen nicht perfundierten und kontinuierlich perfundierten Systemen unterscheiden. Die Druckmessung erfolgt an der Öffnung eines durch den After eingeschobenen Katheters. Diese Öffnung kann an der Spitze des Katheters („open tip“) oder seitlich davon („open side“) liegen. Sonden mit seitlichen Öffnungen nach verschiedenen Seiten und mehrkanaliger Ableitung ermöglichen außerdem, auch unvollständige Schäden des Schließmuskelringes zu lokalisieren und, in Verbindung mit einer Durchzugstechnik und einer digitalen Aufbereitung (s.u.), ein dreidimensionales Bild der Schließmuskelfunktion zu vermitteln. Die offenen Sonden sind alle relativ klein und üben deshalb per se nur einen geringen Fremdkörperreiz aus. 18 Am geringsten ist dieser Fremdkörperreiz bei den nicht perfundierten Systemen. Die Druckaufnahme erfolgt bei ihnen in der Art, daß das außerhalb der Sonde liegende Medium (Wand des Analkanals, Flüssigkeit oder Stuhl im Rektum, Darmwand) an der Sondenöffung auf die in der Sonde befindliche Wassersäule einwirkt. Da die Öffnung der Sonde sehr klein ist, dagegen aber die Compliance des druckübertragenden Systems (mit Wasser gefüllte Kunststoffschläuche, eventuell vorhandene Gaseinschlüsse) relativ groß, entsprechen nur die Druckschwankungen, nicht aber die gemessenen Absolutwerte den realen Verhältnissen. Ein weiterer Nachteil dieser Systeme liegt in ihrer Anfälligkeit für die Verstopfung der Sondenöffnung durch Stuhlpartikel; in diesem Fall ist es erforderlich, den Katheter freizuspülen, wodurch ein Kälte- bzw. Fremdkörperreiz gesetzt wird. Bei perfundierten Verfahren wird dem System per Druckinfusion oder mit einer Pumpe ständig Flüssigkeit zugeführt. Die Perfusion erfolgt mit einer Flußrate von 0,5-1,5 ml/min und unter einem Druck, der in jedem Fall die zu messenden Werte übersteigt. Gemessen wird also ein „Überwindungsdruck“, also der Druck im System, der gerade ausreicht, die zurückhaltenden Kräfte – den Umgebungsdruck an der Katheteröffnung – zu überwinden. Der gemessene Druck entspricht somit sehr gut dem tatsächlichen; durch die ständig aus dem System austretende Flüssigkeit muß allerdings mit Artefakten durch Fremdkörperreizung gerechnet werden. Transducersonden: Sie wurden ursprünglich für die intrakardiale Diagnostik entwickelt. Bei ihnen sind Druckaufnehmer und -wandler in der Sondenspitze integriert. Ihr Vorteil liegt in ihrer großen Meßgenauigkeit und ihre rasche Reaktion auf Druckschwankungen ohne Trägheitsverluste. Demgegenüber steht ihr hoher Anschaffungspreis und die Notwendigkeit zur Reinigung nach Gebrauch, welche diese Sonden sehr störanfällig macht. 2.3.2 Elektromanometrische Meßparameter So wie sich kein einheitliches manometrisches Verfahren etablieren konnte, ist auch die Auswahl und Bewertung der manometrischen Parameter bisher nicht standardisiert und somit sehr vom jeweiligen Untersucher abhängig. Zwischen Meßverfahren und gemessenen Parametern besteht dabei ein Abhängigkeitsverhältnis: Manche Parameter lassen sich nur durch ein ganz bestimmtes Ableitungsverfahren erheben. Aber selbst manometrische Größen, die bei jeder manometrischen Untersuchung gemessen werden – wie z.B. der anale Ruhedruck – sind nicht identisch, wenn sie etwa mit einem Ballonsystem oder mit einem offenen Sondensystem abgeleitet wurden. Eine weitere Differenzierung der Parameter ergibt sich aus die Möglichkeit der elektronischen Aufarbeitung der manometrischen Rohdaten; so lassen sich aus den mittels Perfusionsmanometrie mit mehrkanaligen Ableitungssonden gewonnenen Druckwerten im Analkanal (Ruheund Kneifdruckwerte) am Computer dreidimensionale Druckvektordiagramme erstellen, die hinsichtlich der (dreidimensionalen) Vektormorphologie, ihrer Symmetrie und des „Vektorvolumens“ weiter ausgewertet werden können. Diese 3D-Volumen-Vektor-Manometrie erlaubt eine bessere Unterscheidung zwischen physiologischen und pathologischen Sphinkterbefunden, aber auch zwischen idiopathischen und traumatisch bedingten Schäden des analen Sphinkterapparates, als die herkömmliche anale Manometrie [10],[47] und ist mittlerweile auf dem Weg, zur Standardmethode in der analen Manometrie zu werden. Zum Zeitpunkt der klinischen 19 Untersuchungen verfügte das Universitätsklinikum Benjamin Franklin Berlin noch nicht über einen entsprechenden Meßplatz der Fa. Synectics™; es ist aber anzunehmen, daß die vorliegende Studie an diesem Meßplatz durchgeführt worden wäre, wenn die Methode bereits in der Phase der klinischen Untersuchungen verfügbar gewesen wäre. Alle manometrischen Meßgrößen geben funktionelle und kapazitive Leistungen des Kontinenzorganes wieder, die ihrerseits von strukturellen, vegetativen, reflektorischen und willkürlichen Voraussetzungen abhängen. Bei der Wahl des Meßverfahrens und der zu messenden Parameter ist deshalb entscheidend, welchem Teil oder welcher Teilfunktion des Kontinenzorganes das Interesse des Untersuchers gilt; bei der Obstipation im Kindesalter stehen andere Parameter im Vordergrund als beim Patienten nach Hämorrhoidektomie, mit Colon irritabile, oder – wie im vorliegendem Fall – nach anteriorer Resektion des Rektums. Wegen der Vielzahl der in der Literatur aufgeführten Meßgrößen, ihrer Abhängigkeit von der Meßtechnik und ihrer unterschiedlichen Bedeutung bei der Diagnostik verschiedenartiger Störungen des Kontinenzorganes wird hier auf eine allgemeine Beschreibung verzichtet; die in dieser Studie erhobenen Meßparameter werden im nächsten Kapitel ausführlich erläutert. 2.4 Chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms 2.4.1 Allgemeine tumorchirurgische Überlegungen Zum operativen Vorgehen: Die chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms muß, wenn sie kurative Absichten verfolgt, den Grundsätzen der radikalen Tumorchirurgie Rechnung tragen. Es ist offensichtlich, daß sich in dieser Hinsicht die anteriore Resektion nicht von der abdominoperinealen Exstirpation unterscheidet. Die „Grundprinzipien der Rektumexstirpation“, wie sie Häring, Karavias und Boese-Landgraf [19] postulieren, haben somit auch für die AR ihre Gültigkeit. Ihre wesentlichen Forderungen sind hier wiederholt: • Mediane Laparatomie. Durch Schnittführung rechts um den Nabel herum bleibt die Möglichkeit zur Colostomie erhalten. • Prüfung der Operabilität: Peritonealkarzinose und unlösbare Fixierung des Tumors an Strukturen, die nicht mitreseziert werden können, müssen dabei ausgeschlossen werden. • Darstellung und Schonung des linken Ureters bei seinem Eintritt in das kleine Becken. • „No-touch-isolation-technique“, soweit dies möglich ist. Die Abschnürung des Darmes mit einem Nabelschnurbändchen ist beim tiefen Rektumkarzinom eventuell nur proximal des Tumors durchführbar. • Ligatur der A. und V. rectalis oder „hohe Unterbindung“ der A. mesenterica inferior. • Auslösung des Rektums zunächst dorsal, streng im Spalt zwischen innerer und äußerer Faszie sowie vordere Mobilisation im Rezessus der Denonvillier'schen Faszie (Totale mesorektale Excision). Die sorgfältige Präparation innerhalb der richtigen Schichten ist an dieser Stelle von größter Bedeutung, zum einen, weil sie die Lymphgefäße und damit die Metastasierungswege begrenzen, zum anderen, weil so vermieden werden kann, nervöse und venöse Plexus zu verletzen. • Schichtweise Durchtrennung und Ligatur der Paraproktien, eventuell erweiterte laterale Dissektion der iliakalen Lymphknotenstationen. Zum distalen Sicherheitsabstand: Lange Zeit galten 5 cm distaler Sicherheitsabstand vom Tumor als unabdingbar [60]. Nach Erweiterung der technischen Möglichkeiten – vor allem durch die Klammernahtgeräte – wagten viele Operateure, die distale Resektionsebene immer näher zum Tumor hin zu verschieben. In vielen Studien wurde nachgewiesen, daß ein 20 Resektionsabstand von 2 cm distal des Tumors onkologisch ausreichende Sicherheit gewährt [24],[31],[52],[60],[64]. 2.4.2 Begleitende Strahlentherapie Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung wurde im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie die neoadjuvante Strahlentherapie nach Mohiuddin [40] im Universitätsklinikum Benjamin Franklin durchgeführt. Diese kam immer dann zur Anwendung, wenn sich präoperativ in der endosonographischen Untersuchung der Verdacht auf wandüberschreitendes Tumorwachstum ergab, oder rektoskopisch eine Ausdehung des Tumors größer 3 cm vorlag. Dabei kamen 18 MeV-Photonen aus dem Linearbeschleuniger in der Technik der opponierenden Felder zum Einsatz. Jeweils am vorletzten und letzten Tag vor der Operation wurden so Einzeldosen von 5 Gy appliziert. Bestätigte sich im histologischen Befund des Tumorresektates das wandüberschreitende Wachstum (Tumorstadium nach Dukes > Dukes B), empfahlen wir die Aufsättigung auf 50 Gy in Einzeldosen von 2 Gy über einen Zeitraum von 10 Wochen. Ein Ziel unserer Studie war es, den Einfluß einer solchen postoperativen Bestrahlung auf die Stuhlgewohnheiten und anorektale Manometriewerte aufzuzeigen. 2.4.3 Anteriore Resektion, „tiefe“ anteriore Resektion und Klammernaht-Anastomose Der Terminus „Anteriore Resektion – AR“ bezeichnet ein schließmuskelerhaltendes Operationsverfahren des rektalen oder rektosigmoidalen Karzinoms mit kurativer Zielsetzung. Die Grundlagen dieses Verfahrens wurden in den fünfziger Jahren von Dixon in der MayoKlinik entwickelt [6]. Die AR gilt heute als die Standardoperation des rektalen und rektosigmoidalen Karzinoms. Als Sonderfall der AR ist die „tiefe“ anteriore Resektion (engl. „low anterior resection“ = LAR) zu sehen. Über ihre genaue Definition besteht jedoch in der wissenschaftlichen Literatur Uneinigkeit; einige Autoren, wie Varma u.a. [56], machen sie allein von der Anastomosenhöhe über der Anokutanlinie abhängig; andere sprechen von einer LAR, wenn Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels operiert wurden [15], oder es genügt ihnen festzustellen, daß ein unterhalb der peritonealen Umschlagfalte gelegener Tumor reseziert wurde [20]. Die am weitesten gehende Definition gibt jedoch Wedell [62]. Er fordert für die LAR: 1. Eröffnung des Beckenperitoneums 2. Unterbindung und Durchtrennung der Paraproktien 3. Herstellung der Anastomose unterhalb der Paraproktien, d.h. unmittelbar auf dem Beckenboden. Wegen der offensichtlichen Uneinheitlichkeit im Gebrauch des Begriffs der „tiefen“ anterioren Resektion sowie der Schwierigkeit, im Einzelfall den Operationshergang retrospektiv in allen Details zu klären, wurde dieser Begriff in der vorliegenden Arbeit gemieden. Statt dessen wurde die Anastomosenhöhe über der AKL als Maßstab für die angestrebte Bewertung funktioneller und klinischer Ergebnisse herangezogen, wobei wir eine Vergleichsgruppe mit „tiefer Anastomose“ (≤ 10 cm über der AKL) von einer Vergleichsgruppe mit „hoher Anastomose“ (> 10 cm über der AKL) unterschieden. Eine weitere Variation der AR ergibt sich aus der Verwendung von Klammernahtgeräten für die Reanastomisierung des Darmschlauchs. In der einfachen Version geschieht dies unter 21 Zuhilfenahme des zirkulären EEA 1 - bzw. CEEA 2 -Staplers™; bei der sogenannten „double stapling technique“ wird auch die technisch schwierige Tabaksbeutelnaht des distalen Rektumstumpfes durch eine lineare Klammernaht mit einem abwinkelbaren Nahtgerät, dem Rotikulator™ 3 , ersetzt. Zur Vereinfachung wird im folgenden von der „einfachen Klammernaht-Anastomose“ bzw. der „Doppelklammernaht-Anastomose“ gesprochen werden, wenn von den letztgenannten Techniken die Rede ist. Eine Besonderheit der maschinellen Techniken – neben ihrer Durchführbarkeit auch in schwierigen Situationen – liegt in der Art der Anastomose: Während die Handnaht die einzelnen Schichten der Rektumwand wieder einander adaptiert, und damit eine primäre Heilung zumindest theoretisch erlaubt, werden die zu anastomisierenden Darmanteile bei der Klammernaht invertiert und gegeneinander gepresst. Es ist somit nur eine Sekundärheilung möglich. Die zum Darmlumen hin liegende Naht und ihre größere Neigung zur narbigen Heilung bedingen nach Meinung einiger Autoren eine im Vergleich zur Handnaht höhere Tendenz zur Anastomosenstenose. Aus diesem Grunde raten sie von der Verwendung kleiner Staplerköpfe, etwa des 25 mm-Staplerkopfes, ab [17][56]. Zur Technik der anterioren Resektion, auch in den „Spielarten“ der KlammernahtAnastomosen, sei auf einschlägige Veröffentlichungen der Fachliteratur verwiesen [12],[17],[20],[55],[68]. 1 EEA = end-to-end-anastomosis (-stapler) CEEA = curved-end-to-end-anastomosis (-stapler); Hersteller: US Surgical Corporation und Auto Suture UK, Ascot, Großbritannien 3 Hersteller: US Surgical Corporation und Auto Suture UK, Ascot, Großbritannien 2 22 3 3.1 Patienten und Methoden Patientengut 3.1.1 Patientenrekrutierung Im Zeitraum vom Januar 1988 bis November 1992 unterzogen sich im Universitätsklinikum „Benjamin Franklin“ (damals „Universitätsklinikum Steglitz“) der Freien Universität Berlin 167 Patienten einer anterioren Resektion. Nach Ausschluß der mittlerweile verstorbenen oder wegen Rezidivs mit Anus präter versorgten Patienten, der Patienten, deren körperlicher oder geistiger Zustand die Befragung und die klinische Untersuchung unmöglich machte oder deren Wohnort nicht mehr ermittelt werden konnte, wurden 96 Patienten angeschrieben und um Beantwortung eines Fragebogens zu ihren Stuhlgewohnheiten sowie zu einer kurzen klinischen Untersuchung ins Klinikum gebeten; 88 dieser Patienten sendeten den Fragebogen zurück, von diesen wiederum fanden sich 57 Patienten zur Untersuchung im Klinikum ein (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Patientengut Operationsjahr Verstorben AP-Anlage wg. Rezidivs Teilnahme an der Untersuchung unmöglich Verzogen Fragebogen beantwortet Davon zusätzlich untersucht Gesamtzahl operierter Patienten 1988 1989 1990 1991 1992 11 3 1 16 3 2 11 5 2 3 4 0 3 0 1 19881989 44 15 6 4 8 4 27 2 14 10 37 2 20 11 40 1 27 18 37 1 19 14 26 10 88 57 167 3.1.2 Eigenschaften der Patienten Unter den 88 Patienten, die den Fragebogen beantwortet hatten („Gesamtkollektiv“), fanden sich 47 Frauen (53,4 %) und 41 Männer (46,6 %). In der zusätzlich manometrisch untersuchten Gruppe („Manometriekollektiv“) waren 26 weibliche (45,6 %) und 31 männliche Patienten (54,4 %) vertreten. Der Altersdurchschnitt im Gesamtkollektiv betrug 63 ± 12 Jahre (38-84 Jahre), im Manometriekollektiv 62 ± 11 Jahre (42-84 Jahre). Die Befragung fand im Mittel 24 ± 15 Monate (3-58 Monate), die manometrische Untersuchung 23 ± 15 Monate (3-58) Monate nach der Durchführung der anterioren Resektion statt. In die Untersuchung eingeschlossen wurden Patienten mit einer Anastomosenhöhe zwischen 4 und 18 cm über der AKL (entsprechend 2-16 cm über der Linea dentata), der Mittelwert betrug für das Gesamtkollektiv 9,5 ± 3,3 cm über der AKL, für das Manometriekollektiv 9,7 ± 3,3 cm über der AKL. Die Anastomosentechniken waren wie folgt verteilt: Im Gesamtkollektiv waren 28 Patienten (31,8 %) mit handgenähter Anastomose versorgt, 60 Patienten (68,2%) mit alleiniger zirkulärer Klammernaht oder zirkulärer Klammernaht und Rotikulatornaht (Doppelklammeranastomose). Im Manometriekollektiv waren die 23 Anastomosen von 15 Patienten (26,3 %) nur mit der Hand und von 42 Patienten (73,7%) mit einfacher Klammernaht oder in Doppelklammertechnik gefertigt. 25 Patienten aus dem Gesamtkollektiv (28,4 %) bzw. 20 Pat. aus dem Manometriekollektiv (35,1 %) hatten sich einer postoperativen Strahlentherapie unterzogen; bei 63 Patienten aus dem Gesamtkollektiv (71,6 %) bzw. 37 Patienten im Manometriekollektiv (64,9 %) war keine postoperative Bestrahlung durchgeführt worden. Alter und Geschlechtsverteilung unserer Patienten bei Operation entsprachen den diesbezüglichen Daten, die von anderen Autoren [2],[5],[36],[56] bei Patienten mit AR angegeben werden, so daß wir daraus die Vergleichbarkeit unserer Resultate mit denen anderer Autoren gewährleistet sahen. 3.2 Fragebogen Im ersten Teil des Fragebogens wurde nach begleitenden Erkrankungen des Kontinenzorganes, nach postoperativen Komplikationen des Heilungsverlaufs und nach einer möglicherweise stattgehabten postoperativen Bestrahlung gefragt. Diese Angaben wurden mit den Angaben aus den Patientenakten abgeglichen. Der zweite Teil des Fragebogens enthielt die Fragen nach den Störungen der Stuhlgewohnheiten. Indem für jeden Fragepunkt sowohl für die Zeit vor der Operation als auch für den aktuellen Zeitpunkt der Befragung eine Antwort gegeben werden mußte, konnten unabhängig von der Operation bestehende Störungen der Stuhlgewohnheiten von solchen, die damit im zeitlichen Zusammenhang aufgetreten waren, unterschieden werden. Die Fragen bezogen sich im einzelnen auf: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Kontinenzverhalten Frequenz des Stuhlgangs Kontrolle des Stuhldranges Stuhlschmieren Diskrimination der Fäzes Wahrnehmung des Stuhldranggefühls Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation Stuhlkonsistenz Die Bedeutung der einzelnen Fragepunkte ist unter 4.2 näher erläutert; der Wortlaut des Fragebogens kann im Anhang eingesehen werden. 3.3 Manometrische Untersuchung 3.3.1 Inspektion Jeder manometrischen Untersuchung war eine Inspektion des Afters vorangestellt. Dabei wurde auf äußerlich sichtbare Verletzungen und Erkrankungen geachtet. 3.3.2 Aufbau des elektromanometrischen Messplatzes Für die elektromanometrische Untersuchung des Kontinenzorganes wurde eine Kombination aus einem offenen, perfundierten System (Messungen im AK) mit einem großvolumigen Ballonsystem (rektale Messungen) benutzt (Abb. 2). 24 Abbildung 2: Rektale Ballonsonde und anale Perfusionssonde. Erläuterung im Text. Als Druckwandler dienten zwei Spectramed R-P23XL-Statham-Elemente. Die Aufzeichnung geschah mit einer Registriereinheit der Fa. Hellige GMBH (Freiburg i. Br., Dt.), bestehend aus dem Grundgerät SMS 308, zwei „Vorverstärkern Druck“ und dem Registrierteil 130-T (Zweikanalschreiber). An der Registriereinheit wurden folgende Einstellungen vorgenommen: Papiervorschub: 2,5 mm/sec; Kalibrierung: 10 mm = 50 cm Wassersäule. Die Meßeinheit wurde mit einem zur Messung des zentralen Venendrucks gebräuchlichen System geeicht. Die rektalen Drücke wurden über Kanal 1 des Zweikanalschreibers mit einer großvolumigen Ballonsonde abgeleitet. Diese wurde eigens für diesen Zweck aus handesüblichen Einmalartikeln angefertigt: Ein dreilumiger, 20-Ch-Latex-Blasen-Ballon-Katheter 4 wurde zunächst 10 cm und 15 cm von der Spitze entfernt mit einem Filzschreiber markiert. Ein Latex-UntersuchungsKondom 5 wurde über den Katheter gezogen und an der 10- cm-Markierung mit einem mehrfach darübergeschlagenen Gummiring rutschfest fixiert. Auf den Hauptanschluß des Katheters wurde nun eine mit Luft angefüllte 60-ml-Blasenspritze aufgesetzt. Das zweite Lumen des Katheters – eigentlich der Spülkanal – wurde über einen InfusionsVerlängerungs-Schlauch mit der Wandlerkette (Kanal 1) verbunden. Seine Öffnung lag innerhalb des Latex-Kondoms, d.h. es wurden hier die Drücke im Ballon gemessen. Der dritte Anschluß, welcher den kathetereigenen Blockballon füllt, wurde nicht benutzt, da sich sein enges Lumen als zur Druckableitung ungeeignet erwies. Die somit funktionsbereite Ballonsonde wurde nun entlüftet und ein „Blindversuch“ unter atmosphärischen Bedingungen durchgeführt. Dazu wurde der Ballon bei laufendem Registriergerät in 20-ml-Portionen auf ein Volumen von 240 ml aufgeblasen. Es zeigte sich dabei, daß der Druck im Ballon nach einem initialen Anstieg auch bei steigenden Volumina nahezu konstant bei 25 cm Wassersäule blieb. Abb. 4 gibt die Kurve im Blindversuch wieder. 4 5 Hersteller: Fa. Rüsch, Waiblingen, Dt. Hersteller: Fa. Mapa, Zeven, Dt. 25 Abbildung 3: Druckkurve der Ballonsonde im „Blindversuch“ (Kanal 1). ↓ = Insufflation einer 20-mlPortion Luft. ↑ = Beendigung des Versuchs, die Luft wurde abgelassen. Zur Registrierung der analen Drücke wurde ein offenes, perfundiertes System benutzt. Als Meßsonde fungierte eine präparierte nasogastrale Ernährungssonde K 30 6 . Das vordere Stück der Sonde mit den seitlichen Öffnungen wurde abgeschnitten und in 5 cm und 10 cm Abstand von der Spitze Entfernungsmarkierungen gesetzt. Die Sonde wurde über einen Drei-Wege-Hahn sowohl mit der Wandlerkette (Kanal 2) als auch mit einer Druckinfusion verbunden. Nach Entlüften und Einstellung einer Perfusionsgeschwindigkeit von 30 Trpf./min war die Sonde einsatzbereit. 3.3.3 Ablauf der elektromanometrischen Untersuchung und Parameter Der Patient suchte sich eine bequeme Position auf der Untersuchungsliege in Seitenlage. Der mit Gleitmittel bestrichene, perfundierte Katheter zur Messung der analen Parameter wurde in den After eingeführt. Der Katheter wurde dreimal manuell vom Darm bis zur Analöffnung durchgezogen, um das anorektale Druckprofil (ARDP) abzuleiten und den Bereich mit dem höchsten Druck im AK festzustellen. Nach erneutem Einführen des Katheters wurde die Katheterspitze in diesen Bereich gebracht und zur Beurteilung des analen Ruhedrucks (ARD) der Katheter hier für einige Minuten belassen. Zur Messung des maximalen Kneifdrucks (MKD) wurde der Patient aufgefordert, den Schließmuskel für eine kurze Zeitspanne (ca. 10 sec) mit aller Kraft anzuspannen, so als wolle er einen starken Stuhldrang zurückhalten. Diese Prozedur wurde mit einminütigen Abständen dreimal wiederholt. Zur Messung der rektalen Parameter wurde nun der Rüsch-Katheter mit dem aufmontierten Latexkondom in den Darm eingebracht. Dabei wurde der Katheter zunächst bis zur 15- cmMarkierung vorgeschoben, um zu gewährleisten, daß das Latexkondom mit dem abschließenden Gummiring den Sphinkterapparat vollständig passiert hatte. Dann wurde der Katheter vorsichtig zurückgezogen, bis man einen leichten Widerstand spürte. 6 Vertrieb: Don Baxter GMBH, Unterschleißheim, Dt. 26 Das Latexkondom kam so im distalen Rektum (bzw. Neorektum), unmittelbar vor dem Übergang zum AK, zu liegen. Die Messung von rektoanalem Relaxationsreflex, maximalem toleriertem Rektumvolumen und -druck und – als Quotient aus den beiden letztgenannten – der rektalen Compliance erfolgte nun synchron durch schrittweises Auffüllen des Latexballons mit Luft. Hierfür wurden aus der 60-ml-Blasenspritze unter Beobachtung des Kurvenschreibers und des Patienten 20-ml-Portionen Luft in den Ballon insuffliert. Eventuell mußte dazu die Spritze mehrmals diskonjugiert und wieder aufgefüllt werden. Dieser Vorgang wurde sooft wiederholt, bis der Patient ein zunehmendes, zuletzt nicht mehr tolerierbares Stuhldranggefühl mitteilte. Die Blasenspritze wurde nun diskonjugiert, worauf die Luft aus dem Ballon entwich. Die zuletzt insufflierte Luftmenge und der dabei gemessene Druck im Rektumballon ergaben das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV) und den maximalen tolerierten Rektumdruck (MTRD). Wie die Messung des max. Kneifdrucks, wurde auch dieser Versuch insgesamt dreimal hintereinander ausgeführt. Auch hier wurden einminütige Pausen eingehalten. Nach der dritten Ausführung der Ballonfüllung wurde die Luft abgelassen und die Rückkehr des analen Drucks auf Ruhewerte – ein zusätzliches Kriterium für den positiven rektoanalen Relaxationsreflex – abgewartet. Die Untersuchungsphase endete mit der Entfernung des Rektumballons und der analen Perfusionssonde. Dem Patienten wurde nun die Möglichkeit gegeben, zur Untersuchung und zu Problemen mit der Kontinenz Fragen an den Untersucher zu stellen. 3.3.4 Auswertung der Meßergebnisse Alle im Laufe der Untersuchung erhobenen Meßwerte wurden auf ein Formblatt übertragen. Bei der Auswertung der elektromanometrischen Ergebnisse wurden folgende Besonderheiten beachtet: • Der Nullabgleich der analen Sonde erfolgte bei laufender Perfusion auf der Ebene der Untersuchungsliege. Durch die Höhe des Afters über diesem Niveau in Seitenlage lagen somit die gemessenen Werte ca. 15 cm Wassersäule über den eigentlichen Sphinkterwerten. • Als ARD wurde der mittlere Druckwert der Kurve während der Messung bei entspanntem Schließmuskel übernommen; der MKD war der höchste Wert, der während des Anspannens des Schließmuskels erreicht wurde. Abbildung 5 zeigt ein Beispiel für die anale Ableitungskurve. 27 Abbildung 4: Ableitung der Drücke im Analkanal (Kanal 2). ARD vor dem Kneifversuch = 40 cm H2O, nach dem Kneifversuch = 50 cm H2O. MKD = 140 cm H2O. ↓ = Beginn; ↑ = Ende des Kneifversuchs. • Der rektoanale Relaxationsreflex galt als positiv, wenn auf eine Volumenerhöhung im Rektum ein reproduzierbarer Abfall der Druckkurve im AK um mindestens 20 % erfolgte. • Auch bei der rektalen Sonde geschah der Nullabgleich auf Liegenhöhe. Die Insufflation der 20-ml-Portionen Luft wurde mit einem Bleistiftstrich auf der Kurve markiert. Als maximales toleriertes Rektumvolumen (MTRV) galt das höchste Insufflationsvolumen, das der Patient tolerierte. Der maximales toleriertes Rektumdruck (MTRD) wurde als Differenz zwischen Ballondruck im Moment des höchsten tolerierten Rektumvolumens – also des MTRV – und der Druckkurve des Ballons im Blindversuch berechnet. Die rektale Compliance war der Quotient aus MTRV und MTRD (MTRV/MTRD). Der Verlauf einer Ableitungskurve mit positivem rektoanalen Relaxationsreflex ist in Abbildung 5 wiedergegeben. 28 Abbildung 5: Ableitung der Drücke im (Neo-)Rektum (Kanal 1) bei gleichzeitiger Beobachtung der analen Druckkurve (Kanal 2). ↓ = 20 ml Luftinsufflation. ↑ = Ablassen der Luft. Deutliche Verminderung des Analdrucks unter Volumenbelastung als Zeichen des positiven rektoanalen Relaxationsreflex. MTRV bei 160 ml, MTRD – nach Abzug des Ballondrucks im Blindversuch – 100 cm H2O. Compliance = 1,6 ml/ cm H2O. Deutlicher Wiederanstieg des Analdrucks nach Beendigung des Versuchs. • Aus den dreimaligen Wiederholungen aller Versuche wurden Mittelwerte gebildet; nur diese wurden zur Auswertung der Ergebnisse herangezogen. 3.4 Statistische Verfahren Zum Erreichen möglichst aussagekräftiger Ergebnisse war es notwendig, Vergleichsgruppen zu definieren: 1. Patienten mit Anastomosenhöhen bis einschließlich 10 cm über der AKL wurden unterschieden von Patienten mit Anastomosenhöhen über 10 cm. 2. Bei den Untersuchungen zu „Art der Anastomosennaht“ und zur „postoperativen Bestrahlung“ wurde auf die vorgegebenen Gruppen zurückgegriffen. 3. Patienten ohne Störungen der Stuhlgewohnheiten bzw. mit nur geringgradigen Störungen wurden Patienten mit höhergradigeren Störungen gegenübergestellt 4. Patienten, die vorwiegend geformte Stühle angaben, wurden mit Patienten mit ungeformten Stühlen verglichen. Zur Beantwortung der Frage, ob es statistische Zusammenhänge zwischen Störungen der Stuhlgewohnheiten und unterschiedlichen Anastomosenhöhen, unterschiedlichen Anastomosenarten und hinsichtlich postoperativ stattgehabter oder nicht stattgehabter Bestrahlung gab, wurde der χ2-Test eingesetzt. Um Unterschiede bei der Verteilung manometrischer Meßergebnisse zu finden, wurde der Student`s-T-Test (für normalverteilte Parameter) bzw. der Mann-Whitney-U-Test (für die Compliance als nicht normalverteiltem Parameter) eingesetzt. Die Auswertung der erhobenen Daten geschah mit dem Statistikprogramm SPSS/PC+ . 29 4 Ergebnisse 4.1 Präoperativ bekannte Störungen der Stuhlgewohnheiten, begleitende Erkrankungen und postoperative Komplikationen Zehn Patienten gaben bereits präoperativ eine Minderung der Kontinenz an, sechs davon nur für Winde, drei für ungeformten Stuhl und eine Patientin auch für festen Stuhl. Nur bei einem Patienten kam es zu einer weiteren Verschlechterung der Kontinenzleistung postoperativ, alle anderen gaben unveränderte oder sogar gebesserte Kontinenzleistung nach Operation an, so daß jetzt nur noch sechs dieser Patienten Kontinenzstörungen beklagten, dabei ein Patient für ungeformten Stuhl und eine Patientin für festen Stuhl. Diese Patientin, die außerdem unter höhergradigen Hämorrhoiden litt, hatte trotz bereits präoperativ bestehender Inkontinenz für festen Stuhl eine Kolostomie abgelehnt. An weiteren bereits vor der Operation bestehenden Störungen der Stuhlgewohnheiten wurden angegeben: Erhöhte Stuhlfrequenz mit mehr als 10 Stühlen pro Tag (1x), verkürzte Stuhldrangkontrolle (9x), Stuhlschmieren (10x), gestörte Diskrimination des Darminhaltes (6x), gestörte Wahrnehmung des Stuhldranges (6x), Darmkrämpfe in Zusammenhang mit der Defäkation (3x) und ungeformte Stühle (7x). Insgesamt waren elf Patienten von diesen Störungen betroffen, was sich daraus erklärt, daß häufig derselbe Patient mehrere Störungen gleichzeitig angab. Für insgesamt 28 der genannten Störungen wurde eine postoperative Besserung angegeben, dreizehnmal eine nach der Operation gleichgebliebene Störung, nur einmal jedoch eine Verschlechterung einer bereits präoperativ bestehenden Stuhlgewohnheitenstörung: Der betroffene Patient gab eine Steigerung von „Stuhlschmieren gelegentlich“ auf „Stuhlschmieren täglich“ an. Sieben unserer Patienten litten unter höhergradigen Hämorrhoiden, bei zwei dieser Patienten war bereits vor der Darmerkrankung eine Hämorrhoidektomie erfolgt. Diese Patienten gaben mit Ausnahme der bereits oben erwähnten inkontinenten Patientin präoperativ keine Störungen der Stuhlgewohnheiten an, postoperativ litten vier an Inkontinenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle und/oder erhöhter Stuhlfrequenz. Bei acht Patienten waren postoperative Wundheilungsstörungen im Bereich des kleinen Beckens aufgetreten, und zwar bei sechs Patienten im Form einer vorübergehenden Anastomosennahtinsuffizienz, davon bei drei Patienten isoliert und bei drei Patienten verbunden mit perinealer Abszedierung und/oder Fistelbildung. Bei zwei Patienten waren perinealer Abszeß und Fistelung ohne Zusammenhang mit einer Nahtinsuffizienz aufgetreten. In zwei Fällen war dadurch die Anlage einer entlastenden Kolostomie nötig, die in der Folge jedoch wieder rückverlagert werden konnte. Von diesen Patienten wurde in sechs Fällen höhergradige Inkontinenz und verkürzte Stuhldrangkontrolle und fünfmal eine höhergradig erhöhte Stuhlfrequenz beklagt. Hinzu kamen tägliches Stuhlschmieren (3x), unsichere Diskrimination des Darminhaltes (3x), Unsicherheit bei der Wahrnehmung des Stuhldranges und Darmkrämpfe in Zusammenhang mit der Defäkation (jeweils 2x). Fünfmal wurden überwiegend ungeformte Stühle angegeben. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich. Zu zwei besonders schwerwiegende Komplikationen war es im Zusammenhang mit der postoperativen Bestrahlung gekommen: Bei einer Patientin war während der Bestrahlung eine Ureterstenose links aufgetreten, die zu mehrfacher Nephrostomierung, Pyelonephritis und schließlich zur Nephrektomie führte. Die Patientin klagte über häufige Tenesmen und fehlende Stuhldrangkontrolle, die sie auf die Notwendigkeit der Anwendung von Laxantien 30 zurückführte. Beim zweiten Patienten war es zu einem radiogenen Ileus gekommen, der eine Ileozökalresektion erforderlich gemacht hatte. Der Patient litt in der Folge unter höhergradiger Inkontinenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle, Stuhlschmieren, Unsicherheit der Diskrimination des Darminhaltes und der Wahrnehmung des Stuhldranges und ungeformt/breiigen Stühlen. Zwei weitere Patienten hatten sich zusätzlichen Darmoperationen unterziehen müssen, davon eine Patient einer Hemikolektomie rechts bei Zweitkarzinom und der andere einer subtotalen Kolektomie bei Kolonpolypose. Während der erste Patient keine Änderung der Stuhlgewohnheiten erlitt, war der zweite mit höhergradiger Inkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle, Unsicherheit bei der Diskrimination des Darminhaltes und ungeformten Stühlen behaftet. Bei neun der Patienten war eine Stenosierung der Anastomose aufgetreten, die durch Nachweis einer Querschnittsminderung der Anastomose auf unter 15 mm mittels Palpation, Rektoskopie oder Kolonkontrasteinlauf gesichert war. Zwei dieser Patienten gaben eine verzögerte und schmerzhafte Defäkation sowie wechselnde Perioden mit teils häufigem, dann tagelang ausbleibendem Stuhlgang an, bei einer Patientin wurde die Aufbougierung der Anastomose erforderlich. Die übrigen Patienten gaben hingegen keine klinische Symptomatik im Zusammenhang mit der Stenose an. Für alle der obengenannten Störungen war eine Bearbeitung mit statistischen Mitteln wegen der Heterogenität und der geringen Fallzahlen nicht möglich. Dennoch war es für die weiteren statistischen Tests wichtig, ob Patienten mit vorbestehenden Störungen der Stuhlgewohnheiten, höhergradigen Hämorrhoidalleiden, postoperativen Komplikationen und sonstigen Besonderheiten in einer der von uns gebildeten Patientengruppen gehäuft aufgetreten waren. Es zeigte sich, daß (mit Ausnahme der schon erwähnten Ileozökalresektion im Zusammenhang mit der postoperativen Bestrahlung) in keinem weiteren Falle ein solcher Zusammenhang sicher feststellbar war und daß sich im Gegenteil präoperative Störungen der Stuhlgewohnheiten, anale Begleiterkrankungen, Wundheilungsstörungen und postoperative Besonderheiten, soweit sie aufgetreten waren, über das gesamte Patientenkollektiv nahezu gleichmäßig verteilten. 4.2 Störungen der Stuhlgewohnheiten 4.2.1 Kontinenzverhalten Die Patienten konnten im Fragebogen sowohl zur Art der Inkontinenz (für Winde, ungeformten oder festen Stuhl) wie auch der Häufigkeit des Auftretens (weniger als einmal wöchentlich, mindestens einmal wöchentlich oder täglich) Stellung beziehen, wobei wir uns an einer von Pescatori u.a. [48] vorgeschlagenen Einteilung („Pescatori-Score“) orientierten. Dabei wird für die Inkontinenz für Winde ein, für die Inkontinenz für flüssigen Stuhl zwei und für die Inkontinenz für festen Stuhl drei Punkte vergeben, ebenso werden ein, zwei oder drei Punkte vergeben, je nachdem ob die Inkontinenz seltener als einmal wöchentlich, mindestens einmal wöchentlich oder täglich auftrat. Es ergaben sich somit Scores zwischen 0 Punkten (perfekte Kontinenz) und 6 Punkten (täglich Inkontinenz für feste Stühle), wobei wir für die weitere statistische Arbeit auf eine so weitgefächerte Differenzierung verzichteten, und, wie auch für alle folgenden Störungen der Stuhlgewohnheiten, nur noch zwischen „nicht vorhandener oder geringfügiger Störung“ (Pescatori-Score 0 und 2) bzw. „höhergradiger Störung“ (Pescatori-Score 3-6) unterschieden. 31 Höhergradige Inkontinenz in diesem Sinne trat relativ häufig, in etwa 45 % der Fälle, auf. Dabei lagen die Angaben für Inkontinenz gegenüber festen Stühlen insgesamt bei 6,8%, während sich Inkontinenz für ungeformten Stuhl bei 17%, für Winde bei 19 % der Fälle feststellen ließ. Diagramm 1 zeigt die Häufigkeiten für einzelne Scoregruppen (in absoluten und relativen Zahlen). Zur besseren optischen Unterscheidung wurden hier, wie auch in allen folgenden Diagrammen, die Tortensegmente, die eine „nicht vorhandene oder nur geringfügige Störung“ repräsentieren, durch grüne Farbstufen, und jene, die eine „höhergradige Störung“ darstellen, durch orange-rote Farbtöne gekennzeichnet Diagramm 1: Inkontinenzhäufigkeiten Kontinenzverhalten (n = 88) Pescatori-Score =0: keine Inkontinenz n=49 (55,7%) Pescatori-Score=2: Inkontinenz für Winde weniger als einmal wöchendlich n=4 (4,5%) Pescatori-Score=3-4: Inkontinenz für Winde mindestens einmal wöchendlich, Inkontinenz für weich-flüssige Stühle weniger als täglich, Inkontinenz für feste Stühle weniger als einmal wöchentlich n=25 (28,4%) Pescatori-Score=5-6: Inkontinenz für weich-flüssigen Stuhl täglich, Inkontinenz für festen Stuhl mindestens einmal wöchentlich. n=9 (10,2%) fehlende Angaben n=1 (1,1%) 4.2.2 Erhöhte Stuhlfrequenz Bei der Frage nach der Stuhlfrequenz waren die Antworten „1-2 mal täglich“, „3-5 mal täglich“, „6-10 mal täglich“ und „öfter als 10 mal täglich“ möglich. Stuhlfrequenzen bis 5 mal täglich wurden als nicht bzw. geringfügig, höhere Stuhlfrequenzen als höhergradig gesteigert gewertet. Diagramm 2: Häufigkeit erhöhter Stuhlfrequenzen Stuhlfrequenz (n = 88) 1-2 x täglich n=30 ( 34,1%) 3-5 x täglich n=34 ( 38,6%) 6-10 x täglich n=21 ( 23,8%) öfter n=3 (3,4%) fehlende Angaben n=0 (0%) 32 4.2.3 Gestörte Stuhldrangkontrolle Hier konnten die Patienten angeben, ob sie beim Verspüren eines Stuhldranggefühls gut selbst bestimmen konnten, ob und wann sie die Toilette aufsuchen wollten („gute Kontrolle“), ob sie in einem solchen Falle sofort zur Toilette mußten um ein „Malheur“ zu verhindern („kurzzeitige Kontrolle“) oder ob es beim ersten Auftreten des Stuhldranggefühls bereits zumeist zu spät war, die Toilette aufzusuchen („fehlende Kontrolle“). Als höhergradige Störung der Stuhldrangkontrolle wurde von uns das Fehlen einer „guten“, also die nur kurzzeitige oder gänzlich fehlende Kontrolle bezeichnet. Diagramm 3: Häufigkeiten gestörter Stuhldrangkontrolle Kontrolle des Stuhldranges (n = 88) gute Kontrolle n=47 (53,5%) kurzzeitige Kontrolle n=32 (36,3%) fehlende Kontrolle n=7 (7,9%) fehlende Angaben n=2 (2,3%) 4.2.4 Stuhlschmieren Als Stuhlschmieren wurde die Verschmutzung der Unterwäsche ohne eigentliches Einkoten bezeichnet. Die Antworten „kein“, „gelegentliches“ oder „tägliches Stuhlschmieren“ waren möglich. Nur tägliches Stuhlschmieren wurde als höhergradige Störung gewertet. Diagramm 4: Häufigkeit von Stuhlschmieren Stuhlschmieren (n = 88) kein Stuhlschmieren n=62 (70,5%) gelegentlich n=13 (14,8%) täglich n=12 (13,6%) fehlende Angaben n=1 (1,1%) 33 4.2.5 Erschwerte Diskrimination des Darminhaltes Der Fragepunkt „Diskrimination des Darminhaltes“ stand für die Fähigkeit, sicher Stuhlgang und Blähungen voneinander zu unterscheiden. Als Antwortmöglichkeiten standen „immer sichere Unterscheidungsfähigkeit“, „gelegentlich (bei „Streß“) unsichere Unterscheidungsfähigkeit“ und „immer unsichere Unterscheidungsfähigkeit“ zur Auswahl. Nur bei immer unsicherer Unterscheidungsfähigkeit“ hielten wir eine höhergradige Störung für gegeben. Diagramm 5: Häufigkeit von Störungen der Diskrimination des Darminhaltes Diskrimination des Darminhaltes (n = 88) sicher n=47 ( 53,4%) bei "Streß" unsicher n=28 (31,8%) immer unsicher n=11 (12,5%) fehlende Angaben n=2 (2,3%) 4.2.6 Mangelnde Wahrnehmung des Stuhldranggefühls Das „Stuhldranggefühl“ umschrieben wir für die Patienten als „Völlegefühl des Darmes, welches einem Menschen sicher sagt, wann er die Toilette aufsuchen muß“. Auch hier konnte „immer sicher“, „gelegentlich (bei „Streß“) unsicher“ oder „immer unsicher“ ausgewählt werden. Nur bei immer unsicherer Unterscheidungsfähigkeit“ hielten wir eine höhergradige Störung für gegeben. Diagramm 6: Häufigkeit der mangelnden Wahrnehmung des Stuhldranggefühls Wahrnehmung des Stuhldranggefühls (n = 88) sicher n=74 (84,1%) gelegentlich unsicher n=1 (1,1%) immer unsicher n=12 (13,6%) fehlende Angaben n=1 (1,1%) 34 4.2.7 Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation Darmkrämpfe statt oder in Verbindung mit dem Stuhldranggefühl wurden bei Patienten mit Rektumresektionen in der Literatur beschrieben. Wir fragten danach, ob solche „nie“, „gelegentlich“ oder „ständig“ aufgetreten waren. Bei ständigen Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation sprachen wir von einer höhergradigen Störung. Diagramm 7: Häufigkeit von Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation (n = 88) nie n=76 (86,3%) gelegentlich n=3 (3,4%) ständig n=7 (8,0%) fehlende Angaben n=2 (2,3%) 4.2.8 Veränderte Konsistenz der Stühle Neben der Funktion des Kontinenzorganes kommt der Konsistenz der Stühle eine ganz wesentliche Bedeutung für mehr oder minder gestörte Stuhlgewohnheiten zu. Wir fragten deshalb nach der überwiegenden Qualität der Stühle. Die Patienten konnten sich zwischen den Aussagen „überwiegend hart, „überwiegend geformt“, überwiegend weich oder flüssig“ und „wechselnd“ entscheiden. Für die statistischen Tests unterschieden wir eine Patientengruppe mit geformten, harten und wechselnden Stühlen von einer Patientengruppen mit ungeformten („weich-flüssigen“) Stühlen. Diagramm 8: Konsistenz der Stühle Stuhlkonsistenz (n = 88) geformt n=53 (60,3%) hart n=8 (9,1%) wechselnd n=3 ( 3,4%) weich / flüssig n=24 (27,2%) fehlende Angaben n=0 (0,0%) 35 4.3 Einfluß der Anastomosenhöhe, der Anastomosenart und der postoperativen Bestrahlung auf Störungen der Stuhlgewohnheiten und manometrische Ergebnisse Wegen der großen Menge an Daten, die aus den nun folgenden Vergleichen resultierten, mußte auf eine tabellarische Darstellung zurückgegriffen werden. Dabei gehen aus den Tabellen nicht nur die absoluten und relativen Häufigkeiten bei qualitativen Vergleichen sowie Mittelwerte und Standardabweichungen bzw. Mediane und Minima/Maxima bei Vergleichen bezüglich quantitativer Größen, sondern auch Signifikanzangaben und die jeweils verwendeten statistischen Testverfahren hervor (siehe Beschriftung). Bei allen Tests gingen wir von einer signifikanten Unterscheidbarkeit zweier Gruppen bei P 7 < 0,05 aus; waren für P Werte kleiner 0,01 zu ermitteln, sprachen wir von einem hochsignifikanten Ergebnis. Im Text zwischen den Tabellen wurden deren Kernaussagen zusammengefaßt und auf für die anschließende Diskussion wesentliche Ergebnisse besonders hingewiesen. Auf eine graphische Darstellung der Ergebnisse, etwa in Form von „box-and-plot“-Diagrammen, wurde aus Platzgründen verzichtet. 7 „Wahrscheinlichkeit der Nullhypothese“ 36 4.3.1 Anastomosenhöhe Wie bereits unter erwähnt, wurde zur Beurteilung des Einflusses der Anastomosenhöhe auf die Stuhlgewohnheiten und die manometrischen Größen eine Aufteilung unserer Patienten auf zwei Gruppen, einer mit Anastomosenhöhen bis einschließlich 10 cm und einer Gruppe mit Anastomosenhöhen über 10 cm (immer gemessen von der Anokutanlinie) erforderlich. Es ergab sich, daß im Gesamtkollektiv 61 Patienten (69%) der Gruppe mit den tieferen Anastomosen und 27 Patienten (31%) der Gruppe mit den höheren Anastomosen zugerechnet wurden. Im Manometriekollektiv ergab sich eine ähnliche Verteilung: Hier standen 38 Patienten (67%) in der Gruppe mit den tiefen Anastomosen 19 Patienten (33%) mit höheren Anastomosen gegenüber. Tabelle 2: Häufigkeiten Anastomosenhöhe von Störungen der Stuhlgewohnheiten in Abhängigkeit von der Anastomosenhöhe über der AKL Art der Störung ≤ 10 cm (n = 61) > 10cm (n = 26) Höhergradige Inkontinenz (* ) 28 (45,9%) 6 (23,1%) Stuhlfrequenz > 5x täglich (*) 21 (34,4%) 3 (11,1%) Stuhldrangkontrolle nur Kurzzeitig oder fehlend (*) 32 (53,3%) 7 (26,9%) Stuhlschmieren Täglich (+) 12 (20,0%) 0 (0,0%) 9 (15,0%) 2 (7,7%) Diskrimination der Fäzes Immer unsicher Stuhldranggefühl Immer unsicher (+) 12 (20,0%) 1 (3,7%) Tenesmen immer bei Defäkation (+) 7 (11,9%) 0 (0,0%) Stuhlkonsistenz ungeformt (*) 20 (34,5%) 4 (14,2%) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten (in Klammern).Testverfahren: χ2-Test. Tabelle 2 zeigt, daß höhergradige Störungen der Stuhlgewohnheiten in der Gruppe der tieferen Anastomosen durchweg häufiger waren, wobei signifikante Häufungen im χ2-Test für Inkontinenz, gehäufte Stuhlfrequenz, verkürzte Stuhldrangkontrolle und ungeformte Stühle gesichert werden konnten. Unsicheres Stuhldranggefühl und Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation bei den Patienten mit tiefer Anastomose waren zwar ebenfalls zunächst mittels χ2–Test als signifikant häufiger erkannt worden, wegen einer zu geringen Fallzahl war jedoch hier eine Signifikanzangabe nicht zulässig. 37 Tabelle 3: Manometrische Meßergebnisse in Abhängigkeit von der Anastomosenhöhe Anastomosenhöhe über der AKL Manometrischer Parameter ≤ 10 cm (n = 34) >10cm (n = 19) RARR Positiv (*) 21 (61,8%) 18 (94,7%) ARD (cm H2O) (** ) 60 ± 18 82 ± 24 138 ± 48 162 ± 53 12 ± 36 69 ± 21 136 ± 74 164 ± 58 1,77 (0,80 / 2,80) 2,29 MKD (cm H2O) MTRD (cm H2O) (*) MTRV (cm H2O) Compliance (ml / cm H2O) (*) (1,38 / 4,00) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und relative Häufigkeiten / χ2-Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-tTest; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-U-Test. Auch für alle in Tabelle 3 aufgezeigten manometrischen Ergebnisse lassen sich tendenzielle Unterschiede feststellen, wobei in der Patientengruppe mit den höheren Anastomosen der RARR häufiger positiv war, die Werte für ARD, MKD, MTRV und Compliance durchschnittlich höher und für den MTRD durchschnittlich tiefer lagen. Ein Signifikanznachweis gelang hierbei für die Parameter RARR, ARD (hohe Signifikanz), MTRD und Compliance. 38 4.3.2 Anastomosenart Tabelle 4: Störungen der Stuhlgewohnheiten in Abhängigkeit von der Anastomosenart Anastomosenart Art der Störung Handnaht (n = 28) Höhergradige Inkontinenz Klammernaht (n = 60) 9 (32,1%) 23 (38,3%) 3 (10,7%) 21 (35,0%) 10 (35,7%) 27 (45,0%) Stuhlschmieren täglich 3 (10,7%) 8 (13,3%) Diskrimination der Fäzes immer unsicher 6 (21,4%) 4 (6,7%) Stuhldranggefühl Immer unsicher 3 (10,7%) 10 (16,7%) Tenesmen immer bei Defäkation 0 (0,0%) 7 (11,7%) Stuhlkonsistenz ungeformt 6 (21,4%) 17 (28,3%) Stuhlfrequenz > 5x täglich Stuhldrangkontrolle nur kurzzeitig oder fehlend (*) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten 2 (in Klammern).Testverfahren: χ -Test. Im Vergleich der Häufigkeiten gestörter Stuhlgewohnheiten zwischen den Patientengruppen mit Handnaht gegen Klammernaht-Anastomosen (Tabelle 4) waren die Unterschiede nur wenig ausgeprägt; nur bezüglich der Stuhldrangkontrolle konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden, wobei bei den Patienten mit Klammernähten verkürzte bzw. gänzlich fehlende Stuhldrangkontrollzeiten etwas häufiger auftraten als bei den Patienten mit handgenähter Anastomose. Bei den anderen Stuhlgewohnheiten, mit Ausnahme der Diskrimination des Darminhaltes, konnte allenfalls eine geringfügige Häufung von höhergradigen Störungen bei den Patienten mit Klammernähten ausgemacht werden. Die Diskrimination des Darminhaltes war etwas häufiger bei den Patienten mit HandnahtAnastomosen gestört. Ein statistisch signifikanter Unterschied war bei den genannten Fällen jedoch nicht nachweisbar. 39 Tabelle 5: Ergebnisse der anorektalen Manometrie in Abhängigkeit von der Anastomosenart Anastomosenart Manometrischer Parameter Handnaht (n = 15) Klammernaht (n = 42) RARR positiv 11 (73,3%) 25 (59,5%) ARD (cm H2O) 70 ± 14 66 ± 25 MKD (cm H2O) 135 ± 30 150 ± 52 MTRD (cm H2O) 74 ± 30 84 ± 34 140 ± 67 MTRV (ml) Compliance (ml / cm H2O) (*) 175 ± 76 2,32 (1,05 / 4,21) 1,99 (0,79 / 3,75) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und 2 relative Häufigkeiten / χ -Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-U-Test: Entsprechend den geringen Unterschieden bei den Störungen der Stuhlgewohnheiten, waren auch bezüglich der manometrischen Parameter nur wenige Unterschiede zwischen Patienten mit Hand- bzw. Klammernaht-Anastomosen zu verzeichnen (Tabelle 5). Signifikant war nur der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Werten beim MTRV, hier fanden sich bei den Patienten mit Handnaht-Anastomosen höhere Werte als in der Vergleichsgruppe. Tendenziell günstiger waren für Patienten mit Handnaht-Anastomosen auch die Zahlen für den RARR (bei Handnaht-Anastomosen häufiger positiv), für den ARD (durchschnittlich etwas höher), für den MTRD (durchschnittlich niedriger) und die Compliance (durchschnittlich höher), hier jedoch ohne statistische Signifikanz. 40 4.3.3 Postoperative Bestrahlung Tabelle 6: Störungen der Stuhlgewohnheiten in Abhängigkeit von der postoperativen Bestrahlung postoperative Bestrahlung Art der Störung nein (n = 63) ja (n = 25) Höhergradige Inkontinenz (*) 19 (30,6%) 15 (60,0%) Stuhlfrequenz > 5x täglich (*) 13 (20,6%) 11 (44,0%) Stuhldrangkontrolle nur Kurzzeitig oder fehlend (**) 21 (34,4%) 18 (72,0%) Stuhlschmieren täglich 8 (12,9%) 4 (16,0%) Diskrimination der Fäzes immer unsicher 7 (11,5%) 4 (16,0%) 6 (9,7%) 7 (28,0%) Tenesmen immer bei Defäkation 4 (6,3%) 3 (13,0%) Stuhlkonsistenz ungeformt 11 (18,0%) 13 (54,2%) Stuhldranggefühl immer unsicher (+) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten (in Klammern).Testverfahren: χ2-Test. Zwischen den Patienten, die sich keiner Nachbestrahlung unterzogen hatten, und den nachbestrahlten Patienten waren deutliche Unterschiede bei der Häufigkeit gestörter Stuhlgewohnheiten zu erkennen (Tabelle 6): Inkontinenz und erhöhte Stuhlfrequenz waren signifikant, verkürzte Stuhldrangkontrolle und ungeformter Stuhl sogar hochsignifikant häufiger in der Gruppe der nachbestrahlten Patienten. Von Inkontinenz und ungeformten Stühlen waren damit über die Hälfte, von verkürzter Stuhldrangkontrolle sogar fast zwei Drittel aller Patienten, die sich einer Nachbestrahlung unterzogen hatten, betroffen. Nur geringe Unterschiede fanden sich bezüglich der Häufigkeit von Stuhlschmieren, Tenesmen und mangelnder Diskrimination des Darminhaltes (wobei auch hier tendenziell häufigere Angaben bei den nachbestrahlten Patienten gemacht worden waren), während die Angabe eines unsicheren Stuhldranggefühles bei den nachbestrahlten Patienten zwar ebenfalls häufiger war, aufgrund des insgesamt zu seltenen Auftretens dieser Störung jedoch statistisch unsignifikant blieb. 41 Tabelle 7: Ergebnisse der anorektalen Manometrie in Abhängigkeit von der postoperativen Bestrahlung postoperative Bestrahlung Manometrischer Parameter nein (n = 37) RARR positiv ARD (cm H2O) 30 (*) MKD (cm H2O) (83,3%) ja (n = 20) 9 (52,9%) 72 ± 24 58 ± 16 154 ± 55 131 ± 39 98 ± 38 93 ± 50 MTRD (cm H2O) (**) 71 MTRV (ml) (**) 174 Compliance (ml / cm H2O) (**) 2,45 (1,78 / 3,92) ± 25 ± 62 0,95 (0,57 / 1,62) Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: 2 absolute und relative Häufigkeiten / χ -Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-UTest. Durchweg ungünstigere Werte ergaben sich auch für die manometrischen Parameter (Tabelle 7). Die ARD lagen signifikant niedriger in der Gruppe der nachbestrahlten Patienten, aber auch für die durchschnittlichen MKD-Werte scheint mit der Nachbestrahlung eine Minderung verbunden zu sein, wenngleich hier die Unterschiede unter dem geforderten Signifikantniveau blieben. Noch deutlicher als bei den analen Meßwerten fielen die Unterschiede bei den rektalen Parametern aus: MTRV und Compliance waren hochsignifikant niedriger, die MTRD-Werte hingegen hochsignifikant höher bei Patienten mit postoperativer Bestrahlung. 42 43 4.4 Manometrische Ergebnisse bei Patientengruppen mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten Die Ergebnisse der Untersuchungen, die Unterschiede bei manometrischen Parametern in Patientengruppen mit mehr oder weniger gestörten Stuhlgewohnheiten aufzeigen sollten, sind, wie dies schon für die vorangegangenen Untersuchungen geschah, in tabellarischer Form niedergelegt. Zur Erklärung der verwendeten Testverfahren und der gefundenen Signifikanzniveaus sei wiederum auf die Erläuterungen unter den Tabellen verwiesen. Der begleitende Text dient somit vor allem dazu, dem Leser die Orientierung in den Zahlenkolonnen zu erleichtern, indem er auf statistisch signifikante Ergebnisse, aber auch auf unerwartete und bemerkenswerte Details hinweist, die Eingang in die anschließenden Diskussion fanden. Tabelle 8: Anale Manometrieergebnisse und Stuhlgewohnheiten nicht oder gering (n = 33) höhergradig (n = 24) < 2= (5x / d24) (n = 42) Stuhlfrequenz > 5x / d (n = 15) gut (n = 27) Stuhldrangkontrolle verkürzt (n = 29) nein (n = 49) Stuhlschmieren ja (n = 7) sicher (n = 50) Diskrimination unsicher (n = 7) sicher (n = 47) Stuhldranggefühl unsicher (n = 9) keine T. (n = 51) Tenesmen vorhanden (n = 4) hart/geformt (n = 38) Stuhlkonsistenz ungeformt (n = 17) Inkontinenz Positiver RARR 27 (81,8%) 12 (50,0%) 33 (78,6%) 6 (40,0%)+ 23 (85,1%) 15 (51,7%)* 35 (71,4%) 3 (42,9%) 36 (72,0%) 3 (42,9%) 35 (74,5%) 3 (33,3%)+ 37 (72,5%) 1 (25,0%)+ 31 (81,6%) 7 (41,1%)+ ARD (cm H2O) MKD (cm H2O) 72 ± 26 61 ± 15 70 ± 22 60 ± 24 74 ± 28 62 ± 15 69 ± 23 56 ± 17 68 ± 23 60 ± 16 69 ± 23 63 ± 17 67 ± 23 60 ± 16 71 ± 24 57 ± 15 148 ± 55 143 ± 44 148 ± 50 140 ± 54 163 ± 60 132 ± 35* 149 ± 53 128 ± 36 150 ± 51 117 ± 35 145 ± 54 154 ± 31 147 ± 53 128 ± 32 158 ± 54 119± 37** Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und relative Häufigkeiten / χ2-Test; ARD und MKD: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test. Vom rektoanalen Relaxationsreflex kann zunächst – unabhängig von statistischer Signifikanz – ausgesagt werden, daß er in allen Patientengruppen mit fehlenden oder nur geringen Störungen der Stuhlgewohnheiten häufiger positiv ausfiel als in den Patientengruppen mit höhergradigen Störungen (Tabelle 8, Spalte 1). Dieses Ergebnis war statistisch signifikant für die Stuhldrangkontrolle; die überwiegende Mehrheit der Patienten ohne oder mit nur geringfügigen Störungen der Stuhldrangkontrolle zeigten einen positiven RARR, während dieser nur bei etwas über der Hälfte der Patienten mit höhergradig verkürzter der Stuhldrangkontrolle nachweisbar war. Nur geringfügig fielen die Unterschiede für die analen Druckwerte – den analen Ruhedruck (ARD) und den maximalen Kneifdruck (MKD) aus, wie Tabelle 8, Spalte 2-3 zeigt. Zwar konnten hier – bis auf eine Ausnahme, nämlich den MKD-Werten bei Patienten mit sicherem und unsicherem Stuhldranggefühl – bei allen höhergradigen Störungen der Stuhlgewohnheiten niedrigere Durchschnittswerte, sowohl für ARD als auch MKD gemessen werden, aber die Unterschiede waren nur im Falle des MKD bei Patienten mit und ohne 44 höhergradigen Störungen der Stuhldrangkontrolle groß genug, um auch statistisch voneinander unterschieden werden zu können. Bemerkenswert sind die großen Überschneidungsbereiche (erkennbar an den weit überlappenden Standardabweichungen), so daß selbst im zuletzt genannten Fall mit der Kenntnis des MKD-Wertes keinesfalls eine Aussage über die gestörte oder ungestörte Stuhldrangkontrolle möglich wäre. Tabelle 3: Rektale Manometrie und Stuhlgewohnheiten MTRD (cm H2O) nicht oder gering (n = 33) höhergradig (n = 24) < = 5x / d (n = 42) Stuhlfrequenz > 5x / d (n = 15) Gut (n = 27) Stuhldrangkontrolle verkürzt (n = 29) Nein (n = 49) Stuhlschmieren ja (n = 7) Sicher (n = 50) Diskrimination Unsicher (n = 7) Sicher (n = 47) Stuhldranggefühl Unsicher (n = 9) Keine T. (n = 51) Tenesmen Vorhanden (n = 4) Hart/geformt (n = 38) Stuhlkonsistenz Ungeformt (n = 17) Inkontinenz 67 ± 23 101± 33** 80 ± 33 84 ± 32 73 ± 25 90 ± 37 82 ± 34 79 ± 19 79 ± 29 99 ± 53 79 ± 34 92 ± 22 81 ± 33 65 ± 23 77 ± 27 93 ± 41 MTRV (ml) 160 ± 65 125 ± 72 153 ± 71 125 ± 64 174 ± 61 117 ± 67** 148 ± 71 130 ± 68 146 ± 70 146 ± 73 148 ± 71 134 ± 71 150 ± 71 95 ± 60 186 ± 63 114 ± 67* Compliance (ml / cm H2O) 2,46 (1,63 / 3,83) 1,04 (0,64 / 2,25)** 2,28 (1,04 / 3,12) 1,56 (0,77 / 2,63) 2,46 (1,71 / 4,00) 1,23 (0,76 / 2,25)** 2,07 (0,99 / 3,02) 1,98 (0,90 / 2,58) 1,96 (0,96 / 3,20) 2,26 (1,76 / 2,31) 2,27 (1,00 / 3,47) 1,26 (0,95 / 2,16) 2,27 (0,96 / 3,20) 1,78 (0,72 / 2,19) 2,27 (1,04 / 4,50) 1,04 (0,59 / 2,27)* Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01. Zahlenangaben / Testverfahren: MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-U-Test: Beim maximalen tolerierten Rektumdruck (MTRD) war in den meisten Fällen das Vorliegen höhergradiger Störungen der Stuhlgewohnheiten mit höheren Durchschnittswerten verbunden. Diese Abweichung von den Werten der Patienten ohne die Störung war nur im Falle der Frage nach der Inkontinenz bedeutsam, hier sogar hochsignifikant. Nahezu immer reziprok dazu verhielt sich das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV), das bei allen gestörten Stuhlgewohnheiten niedrigere Durchschnittswerte zeigte. Auch hier konnte ein statistisch hochsignifikanter Zusammenhang, hier allerdings zur Stuhldrangkontrolle, festgestellt werden. Die rektale Compliance schließlich, als Quotient aus den MTRV und MTRD, verhielt sich, wie zu erwarten war, proportional bzw. umgekehrt proportional zu den letztgenannten Werten. Durchschnittlich höhere Werte traten hier bei den nicht oder nur geringfügig gestörten Stuhlgewohnheiten, niedrigere bei den höhergradiger gestörten Stuhlgewohnheiten auf. Somit lassen sich auch die beiden hochsignifikanten Wertepaare, die für die Compliance gefunden werden konnten, nämlich bei Kontinenz und Stuhldrangkontrolle, direkt von entsprechenden hochsignifikanten Unterschieden für MTRV und MTRD (s. oben) ableiten. 45 5 Diskussion 5.1 Zu den begleitenden Erkrankungen und postoperativen Komplikationen Es ist auffällig, daß viele Patienten, die für die Zeit vor der Erkrankung Störungen einzelner Stuhlgewohnheiten angaben, im Gefolge der Operation eine Besserung erfuhren. Es muß dabei angenommen werden, daß sich diese Patienten mit ihren Angaben nicht wirklich auf die Zeit vor der Erkrankung, sondern wahrscheinlicher auf die unmittelbar vor der Operation liegende Zeit bezogen, in der die Stuhlgewohnheiten schon durch die Tumorerkrankung beeinträchtigt waren. Eine solche Beeinträchtigung entsteht durch Raumausdehnung und Gewicht des Tumors im Rektum. Dies hat nach Meinung von Vassilakis u.a. [59] zum einen eine Minderung der Reservoirkapazität des Rektums, zum anderen – wahrscheinlich durch die Auslösung eines permanenten RARR – die Minderung des analen Ruhedrucks zur Folge. Unsere Ergebnisse lassen deshalb den Schluß zu, daß präoperative Störungen der Stuhlgewohnheiten keine sichere Prognose über das klinische Ergebnis nach Operation zulassen, so daß wir mittelgradige Störungen der Stuhlgewohnheiten, insbesondere wenn sie sich erst im Zusammenhang mit dem Auftreten der Tumorerkrankung manifestierten, nicht als Kontraindikation zur sphinktererhaltenden Operation betrachten würden. Der Fall der Patientin mit der bereits vor der Operation bestehenden Inkontinenz für feste Stühle verdient besondere Erörterung. Bei ihr war diese hochgradige Form der Inkontinenz im Zusammenhang mit einem gynäkologischen Leiden schon längere Zeit vor der Operation aufgetreten. Obwohl keine Besserung ihrer Inkontinenz durch die Operation für sie zu erwarten war und ein Kolostoma vom objektiven Standpunkt her besser zu versorgen gewesen wäre, zog sie eine sphinktererhaltende Operation der Kolostomaanlage vor. Noch bei der persönlichen Befragung äußerte sie sich zufrieden über diese Entscheidung. Ihr Beispiel zeigt, daß der subjektive Vorteil der sphinktererhaltenden Operation nicht nur in der (nicht immer erreichbaren) Ungestörtheit der Stuhlgewohnheiten liegt, sondern zum großen Teil auch in der geringeren Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Die genannte Patientin wurde nicht in die manometrische Untersuchung einbezogen. Patienten mit analen Begleiterkrankungen (bei uns nur Patienten mit Hämorrhoidalleiden), Wundheilungsstörungen, intestinalen Zweitoperationen und manifesten Strahlenschäden schienen (soweit die wenigen beobachteten Fälle eine solche Vermutung erlaubten) etwas häufiger Störungen der Stuhlgewohnheiten zu beklagen, als Patienten ohne solche begleitenden Schäden. Für die Patienten mit Hämorrhoiden darf dabei angenommen werden, daß bereits vor der Tumorerkrankung eine gewisse Schädigung des Sphinkterapparates und/oder des Zusammenspiels zwischen Sphinkterapparat und Reservoirorgan (Rektum) vorhanden war. Die häufiger schlechteren Ergebnisse von Patienten mit postoperativen Heilungsstörungen können nach Williams u.a. [66] darauf zurückgeführt werden, daß durch Infektionen und Narbenreaktionen im Bereich des kleinen Becken der Kontakt zwischen Neorektum und den umliegenden Strukturen verloren geht, so daß die Rezeptoren der Levatormuskulatur nicht mehr auf Dehnungsreize aus dem Neorektum reagieren können. Diese Dehnungsreize sollen aber für das Stuhldranggefühl sowie für die Steuerung von Reflexen des inneren und äußeren Schließmuskels von Bedeutung sein. 46 Häufigere Störungen der Stuhlgewohnheiten bei intestinalen Zweitoperationen und manifesten Strahlenschäden scheinen dagegen am ehesten durch die veränderte Darmmotorik und Konsistenz der Stühle verursacht, aufgrund derer das Kontinenzorgan in kürzeren zeitlichen Abständen mit voluminöseren und gleichzeitig weniger geformten Stühlen belastet wird. Für die neun Fälle, für die eine „Anastomosenstenose“ bekannt war, sei hervorgehoben, daß nur bei drei Patienten mit dieser Angabe verbundene klinische Symptome auftraten. Wir folgern daraus, daß Verengungen der Anastomosenregion auf 15 mm Durchmesser oder weniger nicht immer Krankheitswert haben müssen. 5.2 Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten Die nun folgende Diskussion soll sich zunächst auf die Fragen nach der Kontinenzsituation, der Stuhlfrequenz und der Kontrolle des Stuhldranges konzentrieren, da Störungen dieser Qualitäten nach AR auch von vielen anderen Autoren dokumentiert wurden. Ein direkter Vergleich der Angaben wird allerdings durch die unterschiedlichen Bewertungsmuster verwehrt. So wurden die unterschiedlichsten Kriterien zur Charakterisierung der Inkontinenz herangezogen, wie die Einteilung der Inkontinenz nach McDonald und Heald [39] die Klassifikation der Kontinenz nach Kirwan [32] oder vom jeweiligen Untersucher eigens aufgestellte Kriterien, die einen komplexen Score aus unterschiedlichen Stuhlgewohnheiten oder zum Teil nur ungenau definierte Begriffe wie „major soiling“, „major faecal leakage“ oder „continent-incontinent“ zum Inhalt hatten (siehe unten). Die Stuhlfrequenz wurde entweder direkt nach der Anzahl der Defäkationen pro Tag angegeben, oder es wurden Stuhlfrequenzgruppen gebildet, denen die Patienten zugeordnet werden konnten. Unterschiedlich war schließlich auch die Bewertung der Vorwarnperiode vor der Defäkation (in unserer Studie mit „Stuhldrangkontrolle“ bezeichnet), welche entweder als „unverändert“ und „verkürzt“ oder mit genauen Zeitangaben wie „über fünf Minuten“, „unter 15 Minuten“ usw. charakterisiert wurde. Um dennoch eine Gegenüberstellung von Ergebnissen anderer Untersuchergruppen mit den in unserer Studie gefundenen Resultaten möglich zu machen, mußten wir neue und vereinfachte Kriterien einführen, mit denen die Angaben möglichst vieler Untersucher zusammengefaßt werden konnten. Es waren dies: • „Vollständige Kontinenz“: Keine ungewollten Stuhlverluste (entsprechend PescatoriScore 0 in unserer Klassifikation. Die Inkontinenzgrade I und II nach McDonald und Heald, die lediglich eine erhöhte Stuhlfrequenz anzeigen, gehören deshalb auch hierher. • „Hochgradige Inkontinenz“: Zustände wie „completely incontinent“, „major soiling“, „major faecal leakage“, Kontinenzklassifikation nach McDonald und Heald Grad IV-V, nach Kirwan 4-5, in unserer Einteilung Pescatori-Score 5-6. • „Höhergradig gesteigerte Stuhlfrequenz“: Inkontinenzgrad II nach McDonald und Heald, alle Angaben von mindestens vier Stuhlgängen pro Tag (in unserer Studie Stuhlfrequenzen > 5x täglich). „Verkürzte Vorwarnperiode“: Alle Angaben von verkürzter Vorwarnperiode und „urgency“, bei uns „kurzzeitige oder fehlende Stuhldrangkontrolle“. 47 Tabelle 10 gibt eine Gegenüberstellung von Ergebnissen zu Störungen der Stuhlgewohnheiten wieder. Tabelle 10: Kontinenz, Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle nach AR im Literaturvergleich. Erheblich gesteigerte Autor Kontinenz– vollständige hochgradige verkürzte Patientenzahl kriterien Kontinenz Inkontinenz Stuhlfrequenz Vorwarnperiode Batignani e.a. [1] n = 33 Carmona e.a. [3] n = 50 Frigell e.a. [11] n = 37 Horgan e.a. [22] n = 15 Jostarndt e.a. [26] n = 43 Karanjia e.a. [29] n = 68 Kirwan e.a. [31] n = 80 Lewis e.a. [35] n = 73 Liguori e.a. [36] n = 147 Matsushita e.a. [37] n = 21 Otto e.a. [44] n = 17 Schweiger e.a. [51] n = 28 Vassilakis e.a. [59] n = 19 Williams e.a. [64] n = 40 Eigene Angaben n = 88 A 17 (52%) 6 (18%) 3 (9%) – B 32 (64%) 3 (6%) 17 (34%) 13 (26%) C 30 (83%) – – 11 (11%) 6 (18%) B 12 (75%) 1 (6,6%) – – – – D 38 (88%) 1 (2,3%) – – – – E 31 (46%) – – – – 34 B 65 (81%) 4 (5%) – – – – F 29 (40%) – – – – – – G B (90,7%) 13 (61,9%) 2 – – – – – – – – B 9 (52,9%) 2 0 (0,0%) H 27 (96%) 1 (4%) – – – – A/I 11 (59%) 3 (16%) – – – – J 30 (75%) – – 14 (35%) – – * 49 (55,7%) 9 (10,2%) 24 (27,3%) 39 (4,7%) (9,5%) (11,8%) 2 (11,8%) – (50%) (44,2%) Kontinenzkriterien: A: Inkontinenzgrading nach McDonald und Heald. B: Kontinenzklassifikation nach Kirwan. C: „continent – incontinent“. D: Eigener Score des Autoren aus 10 verschiedenen Stuhlgewohnheiten. E: „soiling: never – occasional“. F: „poor bowel function“, Score aus „fecal leakage“, „bowel frequency >= 4x / 24h“ und „urgency“. G: „continenza – incontinenza feci – incontinenza gas“. H: „vollkontinent – inkontinent“. I: unterscheidet zusätzlich zum Inkontinenzgrading nach McDonald/Heald „major incontinence“. J: „continent – occasional incontinence for faeces and flatus – incontinence for flatus alone“. *: Zu den eigenen Beurteilungskriterien siehe 4.2 und die Angaben im Text. – : Fehlende oder nicht übertragbare Angaben Die Tabelle zeigt, daß die Literaturangaben zu Störungen der Stuhlgewohnheiten sehr unterschiedlich ausfallen. Nach manchen Autoren mußte jeder zweite, nach anderen nicht einmal jeder zehnte Patient mit Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR rechnen. Vergleicht man die Zahlen anderer Autoren mit unseren Ergebnissen, ergeben sich eine relativ häufige und ausgeprägte Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR in unserem Patientenkollektiv. Dies trifft vor allen für die bei uns geringere Anzahl von Patienten mit „vollständiger Kontinenz“, aber auch für die bei uns häufige Angaben „verkürzter 48 Stuhldrangkontrolle“ und „gesteigerter Stuhlfrequenz“ zu. Wir erklären uns die zum Teil wesentlich günstigeren Aussagen über die Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR in der Fachliteratur aus den zu unserem unterschiedlichen Studienansätzen: Viele der genannten Referenzarbeiten waren gewissermaßen „Pilotstudien“, die den Einfluß einzelner Faktoren im Zusammenhang mit der Operation auf Stuhlgewohnheiten, manometrische Parameter und/oder das chirurgischonkologische Gesamtergebnis überprüften; so die Arbeiten von Batignani [1] (Einfluß der Anastomosenhöhe auf Kontinenz und Manometriewerte), Carmona [3] (Anastomosehöhe und postoperativer Zeitraum), Horgan [22] (prä-, intra- und postoperative anale Druckmessungen zur Aufdeckung möglicher Schädigungsmechanismen), Jostarndt [28] (Vergleich Handnaht – Klammernaht), Karanjia [29] (Anastomosenhöhe), Lewis [35] (Anastomosenhöhe), Otto [44] (prä- und postoperative Manometrieergebnisse), Schweiger [51] (Manometriewerte in zunehmendem Abstand zwischen Operation und Untersuchung), Vassilakis [59] (prä- und postoperative Stuhlgewohnheiten und rektoanale Manometrie). Für die zitierten Autoren war es wichtig, störende Beeinflussungen etwa durch anale Vorerkrankungen, vorbestehende Störungen der Stuhlgewohnheiten oder aber die Auswirkung einer eventuellen postoperativen Bestrahlung auszuklammern, weshalb somit behaftete Patienten nicht in die Studien aufgenommen wurden. Unsere Studie schloß dagegen bewußt auch diese Patienten mit von der AR unabhängigen Schäden des Kontinenzorganes ein, da uns an der Darstellung der Gesamtsituation der Patienten nach AR gelegen war. Daß das Vorkommen gestörter Stuhlgewohnheiten häufiger ist, als es die oben genannten, unter strengen Ausschlußkriterien durchgeführten Studien vermuten lassen, zeigt sich folglich auch in der Untersuchung von Lewis u.a. [35]. Er stellt (in einer unserer Studie ähnlichen Arbeit) für 44 von insgesamt 73 Patienten, die im Zeitraum zwischen einem und 100 Monaten nach AR untersucht wurden, „poor bowel function“ fest, worunter eine Kombination aus mindestens vier Stuhlgängen pro Tag, Inkontinenz mindestens einmal wöchentlich und/oder Stuhldrangkontrolle unter 15 min. verstanden wird. In einer anderen Studie aus der Arbeitsgruppe von Lewis [67] wurde deshalb mit Blick auf die verkürzte Stuhldrangkontrolle und die erhöhte Stuhlfrequenz nach AR vom „anterior resection syndrome“ gesprochen. In das Gesamtbild der Stuhlgewohnheiten nach AR müssen schließlich auch die „kleineren Störungen“ der Stuhlgewohnheiten einbezogen werden, also Stuhlschmieren, unsichere Diskrimination des Darminhaltes, verminderte Wahrnehmung des Stuhldranggefühls, Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation und Veränderungen der Stuhlkonsistenz. Die diesbezüglichen Ergebnisse (4.2.4 – 4.2.8) zeigen, daß auch diese Beschwerden nicht selten waren, wobei Störungen in einer Häufigkeit von nahezu 50 % („Diskrimination des Darminhaltes gelegentlich oder immer unsicher“) bis unter 10 % („immer Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation“) auftraten. In der Literatur findet man zu diesen Störungen nur vereinzelt konkrete Angaben, so bei Carmona [3] („Tenesmus yes“: 19/40 Pt. (48 %), „altered anal discrimination“: 11/40 Pt. (28 %)), Karanjia [29] („Difficulty distinguishing flatus from faeces yes“: 27/68 Pt. (40 %)), die meisten Untersucher beschränken sich darauf zu erklären, daß solche Störungen vorkommen können. Unsere Ergebnisse zeigten, daß eine Bagatellisierung dieser Störungen sicherlich nicht angebracht ist. Eine besondere Beachtung verdienen unsere Ergebnisse zur Konsistenz des Stuhlgangs (4.2.8), die von vielen unserer Patienten nach der Operation als ungeformt, d.h. breiig oder sogar flüssig beschrieben wurde. Nahezu jeder dritte Patient war postoperativ von 49 ungeformten Stühlen betroffen. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein, wobei die Verwendung von Laxantien und geänderte Kostgewohnheiten nach AR eine Rolle spielen, wahrscheinlich aber auch eine direkte Wirkung der AR – möglicherweise in Abhängigkeit von der Anastomosenhöhe – auf die Funktion höherer Dickdarmabschnitte, und der Einfluß einer postoperativen Bestrahlung (5.3.1 und 5.3.3). Ungeformte Stühle traten bei jenen Patientengruppen gehäuft auf, die auch bezüglich anderer Stuhlgewohnheiten ungünstigere Ergebnisse aufwiesen. Überraschend war aber, daß auch verschiedene Ergebnisse der anorektalen Manometrie wie MKD, MTRV und Compliance bei Patienten mit ungeformten Stühlen signifikant ungünstiger ausfielen (4.4). Dieses Ergebnis läßt nur zwei Erklärungsmöglichkeiten zu, da eine direkte Beeinflussung der Stuhlkonsistenz durch anorektale Funktionen nicht gegeben ist: Zum einen äußert sich hierin die bereits diskutierte Beobachtung, daß ungeformte Stühle gehäuft bei Patienten mit tiefen Anastomosen und postoperativen Bestrahlungen zu finden waren, wobei letztere für die ungünstigen anorektalen Funktionen verantwortlich zu machen wären. Zum anderen wäre es aber auch denkbar, daß für die postoperative Adaptationleistung des Kontinenzorganes, die im „Wiedererlernen“ des Zusammenspiels aus Speicherorgan und Schließmuskelapparates sowie der „Gewöhnung“ des Neorektums an seine Speicherfunktion besteht, eine gewisse Konsistenz der Fäzes Voraussetzung ist. Ein solcher Einfluß der Stuhlkonsistenz auf die Leistung des Kontinenzorganes des Patienten nach AR kann wegen der vielen „Störfaktoren“ anhand unserer Studie nur vermutet werden. Bereits beim Gesunden zeigt jedoch die Erfahrung, daß die „Leistungsreserve“, die das menschliche Kontinenzorgan bietet, nur für den Fall geformter Stühle vorhanden ist. Ist der Stuhl dagegen ungeformt, können auch beim Gesunden Störungen der Stuhlgewohnheiten auftreten: es kommt zu Stuhlschmieren und, vor allem bei unerwarteten Diarrhoen, zu Stuhlverlust. Die Stuhlfrequenz ist erhöht; die Stuhldrangkontrolle kann nur durch maximale Anstrengung des äußeren Sphinkters gewahrt werden (oder ist bereits verkürzt). Die wenigsten Menschen können sich in dieser Situation auf die sichere Diskrimination des Darminhaltes durch das „sampling“ verlassen. Für den Patienten nach AR, dessen Kontinenzorgan auf verschiedenen Ebenen geschädigt sein kann, kann deshalb die Stuhlkonsistenz zum entscheidenden Kriterium werden, ob Störungen der Stuhlgewohnheiten manifest werden oder nicht. Es ist deshalb zu fordern, mit geeigneten diätetischen und medikamentösen Maßnahmen möglichst eine geformte Konsistenz der Fäzes anzustreben, wenn immer keine sicheren Kontraindikationen bestehen. Eine subjektive Besserung gestörter Stuhlgewohnheiten ist damit in jedem Fall zu erwarten; eine Besserung auch objektiver manometrischer Funktionsparameter des Kontinenzorganes durch adaptative Vorgänge läßt sich nach unseren Ergebnissen zumindest vermuten. 5.3 Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten und den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen mit unterschiedlichen Bedingungen hinsichtlich Anastomosenhöhe, Anastomosenart und postoperativer Bestrahlung Vorbemerkung Beim Vergleich zweier Gruppen unterschiedlicher Ausprägung eines Merkmals, z.B. der postoperativen Bestrahlung (mit den „Ausprägungen“ „nachbestrahlt“ und „nicht nachbestrahlt“) hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens eines anderen Merkmales (hier: 50 einer Störung der Stuhlgewohnheiten) oder der Verteilung eines Meßwertes (hier Manometrieparameter) muß, will man sichere statistische Zusammenhänge herstellen, gewährleistet werden, daß außer den jeweils untersuchten Größen keine weiteren Variablen existieren, die das Ergebnis beeinflußen könnten, oder, falls solche vorhanden, daß diese sich in ihren unterschiedlichen Ausprägungen gleichmäßig über die Vergleichsgruppen verteilen. Dies hätte auf zwei verschiedene Arten erreicht werden können: 1. Durch die Bildung von „matched pairs“ oder 2. – bei genügend großen Untersuchungszahlen – durch zufällige Verteilung, was allerdings vorausgesetzt hätte, daß sich die in Betracht kommenden Einflußfaktoren völlig unabhängig voneinander verhalten. Beide Möglichkeiten der „Isolation“ eines einzelnen Faktors bestanden in dieser Studie nicht. Zum einen war die Bildung von „matched pairs“ bei der Vielzahl der zu berücksichtigenden Einflußgrößen praktisch undurchführbar, zum anderen, und dies wiegt schwerer, muß gerade die These der Unabhängigkeit der Merkmale voneinander bereits vom Ansatz her verworfen werden. Für die Nachbestrahlung z.B. gilt, daß sie ja nur im Falle höherer Tumorstadien zur Anwendung kam. Zu vermuten ist, daß damit auch operativ eine ausgedehntere Präparation und damit größere Traumatisierung des Kontinenzorganes verbunden war, was in unserer Arbeit jedoch nicht berücksichtigt werden konnte. Es muß deshalb angenommen werden, daß die Unterschiede, die zwischen nicht nachbestrahlten und nachbestrahlten Patienten gefunden werden konnten, wenigstens teilweise durch die Tatsache mitbedingt waren, daß sich in der nachbestrahlten Patientengruppe häufiger Patienten mit fortgeschritteneren Erkrankungen befanden. Daneben müssen auch andere Vergesellschaftungen von Faktoren, die auf die Funktion des Kontinenzorganes hätten Einfluß nehmen können, vermutet werden, die – vielleicht gerade weil sie weniger offensichtlich als das genannte Beispiel waren – die Ergebnisse verfälschten bzw. die Interpretation der Ergebnisse erschwerten. Im Rahmen dieser Studie war es nicht möglich, solche Wechselwirkungen vollständig auszuschließen. Um zumindest Kenntnis von den wichtigsten Wechselbeziehungen von bekannten oder angenommenen Einflußfaktoren untereinander zu gewinnen, unterzogen wir die Einflußfaktoren Patientenalter bei Operation, Geschlecht, Tumorstadium, Zeitraum zwischen Operation und Untersuchung, Anastomosenhöhe, Art der Anastomose und postoperative Bestrahlung einer Analyse mittels des χ2-Tests. Zudem wurde hinsichtlich postoperativer Wundheilungsstörungen und beachtet, ob sich für sie eine auffällige Häufung in bestimmten Untersuchungsgruppen ergab (eine mögliche, aber nicht zutreffende Häufung wäre z.B. gewesen: „tiefe Anastomose – häufiger Wundheilungsstörungen“). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden in der Diskussion immer dann zur Sprache kommen, wenn tatsächliches Zusammentreffen verschiedener Einflußfaktoren das funktionelle Ergebnis für einen der mit statistischen Mitteln untersuchten Einflußfaktoren vermutlich beeinflußt hat oder, wenn umgekehrt die funktionellen Ergebnisse durch die Wirkung der primär untersuchten Einflußgröße nicht plausibel erklärbar sind, so daß eine Fremdbeeinflussung vermutet werden mußte. 5.3.1 Anastomosenhöhe Die Anastomosenhöhe beeinflußte alle drei „Kardinalkriterien“ der Stuhlgewohnheiten , nämlich Inkontinenzgrad, Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle in signifikanter Weise, wobei in der Patientengruppe mit niedrigeren Anastomosenhöhen die Patienten mit den 51 jeweils schlechteren Angaben überrepräsentiert waren. Signifikante Unterschiede fanden sich auch hinsichtlich der Stuhlkonsistenz; Patienten mit tieferer Anastomose hatten häufiger weiche Stühle als die Patienten mit den höheren Anastomosen. Bei manometrischen Parametern (Tabelle 31) zeigten sich wesentliche Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen bezüglich der Anastomosenhöhe: Unwillkürliche und willkürliche Sphinkterdruckleistungen lagen bei höherer Anastomose durchschnittlich höher, der RARR war häufiger positiv, der MRTD niedriger, MRTV und Compliance dagegen höher. Aufgrund der Streubreite der gewonnenen Daten ließ sich ein statistischer Signifikanznachweis allerdings nur im Falle des ARD, des RARR, des MRTD und der Compliance führen. In Übereinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen [1][3],[27],[34],[35],[39],[59],[66] halten wir deshalb die Anastomosenhöhe über der AKL für das Kriterium der AR, das am maßgeblichsten die postoperativen Stuhlgewohnheiten beeinflußt. Für die bei tiefer Anastomose schlechteren klinischen Ergebnisse sind dabei Unterschiede sowohl bei den analen als auch den rektalen manometrischen Kenngrößen charakteristisch. Dies deutet auf eine Schädigung aller wesentlichen Anteile des Kontinenzorganes, also des Schließmuskelapparates, des Reservoirorganes und der nervalen Verbindungen zwischen diesen Strukturen hin. Darüber hinaus lassen die Unterschiede, die bezüglich der Stuhlkonsistenz gefunden wurden, vermuten, daß auch Funktionen höherer Darmabschnitte durch die mehr oder weniger ausgedehnte Entfernung des distalen Rektums beeinträchtigt werden. Eine Untersuchung der Kolonpassagezeit durch Vassilakis e. a. [59] bei Patienten nach tiefer AR im Vergleich mit einem „Normalkollektiv“ legt eine solche Wechselwirkung nahe: die Operierten hatten signifikant kürzere Kolonpassagezeiten als das nichtoperierte Kontrollkollektiv. Vassilakis und seine Mitarbeiter führen dies auf das Fehlen der distalen linken Dickdarmabschnitte, welchen durch ihre segmentale Aktivität eine inhibitorische Wirkung auf die propulsorische Aktivität des gesamten Kolons zugeschrieben wird, zurück.. In diesem Sinne könnte eine beschleunigte Darmpassagezeit zu einer verminderten Eindickung der Fäzes, aber auch zu einer häufigeren und höheren Volumenbelastung des Reservoirorganes führen, was wiederum für die häufig erhöhte Stuhlfrequenz und die häufigeren Probleme mit der Stuhldrangkontrolle bei Patienten mit tieferen Anastomosen bedeutsam wäre. Dennoch ist die Bedeutung der Anastomosenhöhe für klinische und manometrische Ergebnisse der AR nicht unumstritten. Erwähnt werden soll hier die prospektive Studie von Jehle u.a. [25], die Patienten mit sehr tiefen Anastomosen (3-6 cm über der AKL) mit Patienten mit höheren Anastomosen (7-10 cm über der AKL) hinsichtlich Kontinenz für festen Stuhl, ungeformten Stuhl und Gase, Kontrolle der Defäkation, Stuhlfrequenz, ARD, MKD, RARR und rektaler Compliance miteinander verglichen. Sie fanden – bei einer allgemeinen Verschlechterung der genannten Parameter im Vergleich zu präoperativen Ausgangswerten – keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen und schlossen daraus, daß die Höhe der Anastomose keinen Einfluß auf die funktionellen klinischen und manometrischen Ergebnisse der tiefen AR hat. Schlechte funktionelle Ergebnisse der AR würden ihrer Ansicht nach nur dann auftreten, wenn der Chirurg aufgrund einer zu ausgedehnten Präparation den unteren Plexus hypogastricus und die Nervi erigentes schädigt; eine Schädigung der Kontinenzfunktion halten sie hingegen sogar für ausgeschlossen, wenn die Anastomose höher als 10 cm über der AKL liegt, da, wie sie schreiben, dann ein 52 unversehrtes Rektum vorliegt. Wir können ihre Schlußfolgerungen nicht teilen, da unsere Untersuchungen Störungen der Stuhlgewohnheiten auch bei Patienten erbrachten, deren Anastomosen mehr als 10 cm von der AKL entfernt lagen. Sicherlich mag eine Schädigung der nervösen presacralen Plexus zu einer Verschlechterung der Ergebnisse beitragen (neben der Durchtrennung der nervösen Verbindung in der Darmwand und direkter Schädigung der Schließmuskel); eben dies wird aber um so wahrscheinlicher gerade dann auftreten, wenn sich der Chirurg aufgrund der Lage des Tumors gezwungen sieht, bis tief in das kleine Becken hinein zu präparieren. 5.3.2 Art der Anastomosennaht Wie aus der Vorstellung unseres Patientengutes (3.1.2) ersichtlich, sind die Klammernahttechniken – einfache Klammernaht oder Doppelklammernaht – in unserem Haus zu den vorherrschenden Methoden geworden; es stellte sich nun die Frage, ob die Art der Anastomose, ob handgenäht oder mit Klammernahtgerät zusammengefügt, einen nachweisbaren Einfluß auf die Schließmuskel- und Reservoirverhältnisse und damit auch auf die Stuhlgewohnheiten hatte. Dabei wurden folgende mögliche Effekte unterschiedlicher Anastomosentechniken postuliert: 1. Es wurde vermutet, daß durch das transanale Einbringen des EEA-Klammernahtgerätes und die dazu notwendige Weitung des Analkanals bei allen maschinell gefertigten Anastomosen, insbesondere bei großen Staplerkopfgrößen, eine Schädigung des Sphinkterapparates eintreten könnte, die zu einer Verminderung der analen Druckwerte und der Kontinenzergebnisse führen müßte [1],[22],[59]. 2. Die nervalen Verbindungen zwischen proximalen und distalen Strukturen sollten bei den Klammernaht-Anastomosen ausgiebiger geschädigt werden als bei Handnähten, da bei ersteren die Verbindung durch das Aufeinanderpressen der invertierten Wände des Darmes hergestellt wird, während bei Handnähten eine mehr oder weniger exakte Adaptation der Wandschichten von proximalem und distalem Darm das „Durchwachsen“ der Anastomose durch die nervösen Plexus erlauben würde [43]. Die Bildung eines narbigen Anastomosenringes bei den Klammernähten würde außerdem das Reservoirvermögen des Neorektums allgemein beschränken, was mit schlechteren rektalen Manometrieergebnissen und negativen Auswirkungen auf die Stuhlgewohnheiten verbunden wäre. 3. Weiterhin wurde postuliert, daß der lineare Verschluß des Rektums mittels des Rotikulators bei den „Doppelklammernaht-Anastomosen“ zur Bildung eines „Pouch“ des erhaltenen Rektumstumpfes führte. Ein solcher „Pouch“ würde das Reservoirvermögen des Neorektums vergrößern, was sich durch höhere MRTV und Compliance-Werte – und eventuell auch durch günstigere Angaben zu Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle – bemerkbar machen müßte. Eine Beeinflussung manometrisch meßbarer Parameter und Stuhlgewohnheiten durch die Wahl der Anastomosenart (Handnaht vs. „einfache“ Klammernaht wurde bereits in einer prospektiven und randomisierten Studie von Jostarndt u.a. [26],[27],[28] untersucht. Sie fanden keine signifikanten Unterschiede bei „Stuhlgewohnheiten“, „maximalem Ruhedruck“, „Maximaldruck bei "Sphinkterkontraktion“ und „Reservoirfunktion des Neorektums“. Die Frage, inwieweit Unterschiede bei Stuhlgewohnheiten und Manometrieergebnissen mit 53 der Art der Anastomose in Zusammenhang standen, ließ sich hingegen mit unserer Studie nicht eindeutig beantworten, da bei uns die Wahl der Anastomosentechnik eben nicht randomisiert, sondern nach der Praktikabilität – oftmals erst intraoperativ – getroffen worden war. Wie eine Analyse mittels des χ2-Tests ergab, war gerade die Art der Anastomose mit anderen möglichen Einflußfaktoren statistisch verknüpft: • Patienten mit Klammernähten (einfache Klammernaht und Doppelklammernaht) hatten häufiger tiefe Anastomosen als Patienten mit Handnaht (bei einfacher Klammernaht: 87,5 %; Doppelklammernaht: 81,0 %; Handnaht: 44,4 %) • Patienten mit Doppelklammernaht-Anastomosen waren häufiger im Anschluß an die Operation bestrahlt worden als Patienten mit einfacher Klammernaht bzw. HandnahtAnastomose (bei Doppelklammernaht: 66,7 %; einfacher Klammernaht: 4,2 %; Handnaht: 29,2 %). In Anbetracht der hier aufgezeigten Überlagerung war es nicht möglich, Unterschiede bei Stuhlgewohnheiten und Manometriewerten (4.3.2) der einen oder anderen Anastomosenart ursächlich zuzuordnen; es können hingegen einige Aussagen zu den oben aufgeführten Vermutungen hinsichtlich des Einflusses der Anastomosentechnik gemacht werden: 1. Angesichts der nur geringfügigen Unterschiede bei den ARD-Werten zwischen den Patientengruppen mit Klammernähten auf der einen und Handnähten auf der anderen Seite scheint eine Schädigung des inneren Sphinkters durch die Dehnung des Analkanals bei Einbringen des Klammernahtgerätes keine große Bedeutung zu haben. Dies trifft um so mehr für den äußeren Sphinkter zu, wobei für den seine Funktion repräsentierenden Parameter, den MKD, bei den Patienten mit Klammernähten sogar etwas höhere Durchschnittswerte gemessen werden konnten. 2. Die statistisch signifikant niedrigeren durchschnittlichen MTRV-Werte von Patienten mit Klammernaht-Anastomosen und die häufiger erhöhten Stuhlfrequenzen in dieser Gruppe könnten eine ungünstige Auswirkung der Klammernaht auf die Reservoirkapazität des (Neo-) Rektums bedeuten. Wahrscheinlicher sind diese Ergebnisse jedoch den bei Patienten mit geklammerten Anastomosen häufig tieferen Anastomosen, bei Patienten mit Doppelklammernaht zusätzlich den häufigeren postoperativen Bestrahlungen in diesen Gruppe geschuldet und eben nicht Folge der gewählten Nahttechnik. 3. Wenn auch somit kein eindeutig ungünstiger Einfluß der Klammernahttechnik auf das neorektale Reservoirvermögen nachgewiesen werden konnte, so läßt sich umgekehrt auch die Annahme eines günstigen Effekts der „Doppelklammertechnik“ auf das neorektale Reservoirvermögen mit unserer Studie nicht bestätigen. Da keine eindeutigen Hinweise dafür vorliegen, weshalb aus funktioneller Sicht das eine oder andere Anastomosenverfahren vorzuziehen sei, ist zu vermuten, daß sich aufgrund der dadurch verkürzten Operationsdauer, der größeren Praktikabilität sowie der Flexibilität der Operationsstrategie (einfache Klammernaht, Doppelklammernaht, Klammernaht mit geklammerten Kolonpouch) die geklammerten Anastomosentechniken weiter durchsetzen werden. 54 5.3.3 Nachbestrahlung Als eines der bemerkenswertesten Ergebnisse unserer Arbeit erwiesen sich die fast generell ungünstigeren Ergebnisse in der Patientengruppe mit stattgehabter postoperativer Bestrahlung. Mit Ausnahme des MKD und des RARR (auch hier waren Unterschiede vorhanden, jedoch nicht signifikant), waren alle von uns untersuchten physiologischen Parameter von der Frage, ob eine Nachbestrahlung stattgefunden hatte, beeinflußt, ebenso die klinischen Angaben der Patienten zum Kontinenzgrad, zur Stuhlfrequenz und zur Stuhldrangkontrolle. Dabei waren bei der postoperativ bestrahlten Patientengruppe die analen Druckwerte, die rektale Wahrnehmungsschwelle, das MTRV und die Compliance jeweils niedriger, der MTRD höher als in der nichtbestrahlten Gruppe, und höhergradige Störungen der Kontinenz, der Stuhlfrequenz und der Stuhldrangkontrolle waren in der nachbestrahlten Gruppe häufiger als von einer zufälligen Verteilung her zu erwarten gewesen wäre. Ein signifikanter Zusammenhang war auch für die Konsistenz des Stuhlganges auszumachen; während kein nachbestrahlter Patient harte Stühle angab, klagten mehr als die Hälfte dieser Patienten über ungeformte Stühle. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muß bedacht werden, daß eine stattgehabte Nachbestrahlung regelmäßig mit einem höheren Tumorstadium vergesellschaftet war, was einmal durch die Gewebezerstörung des Tumors selbst, als auch durch die eventuell notwendige ausgedehntere Präparation zu einer stärkeren Beeinträchtigung des Kontinenzorgan hatte führen können. Zudem war, wie bereits oben erwähnt wurde, Nachbestrahlung häufig mit der Doppelklammernahttechnik vergesellschaftet. Dennoch halten wir die primäre Wirkung der postoperativen Bestrahlung selbst für die wahrscheinlichste Erklärung für die Unterschiede zwischen den Stuhlgewohnheiten und Manometrieergebnissen von nicht nachbestrahlten und nachbestrahlten Patienten. Dies zu einen, da keine andere Gegenüberstellung von Patientengruppen so deutliche und umfassende Unterschiede ergab, zum anderen aber auch, da, wie zwei Veröffentlichungen von Varma u.a. zeigen, auch bei anderen Patienten, die Bestrahlungen im Bereich des kleinen Beckens erhielten, Störungen der Stuhlgewohnheiten und Änderungen manometrischer Parameter durchaus nicht selten vorkommen. Die Autoren berichteten über funktionelle und manometrische Ergebnisse von 10 Patienten, die wegen eines Prostatakarzinoms mit jeweils 50 Gy bestrahlt worden waren. Alle litten unter Stuhlinkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz und Dranginkontinenz. In der ersten Veröffentlichung [57] beschränkten sich Varma und Mitarbeiter auf die Wirkungen der Bestrahlung auf den Schließmuskelapparat. Sie konnten eine signifikante Reduktion des analen Ruhedrucks und eine Beeinträchtigung des RARR bei ihren Patienten gegenüber einer gesunden Vergleichsgruppe nachweisen. Auch der MKD – bei ihnen gemessen als Differenz zwischen maximal erreichtem willkürlichen Sphinkterdruck und maximalem Ruhedruck – war bei ihren Patienten niedriger als bei der Vergleichsgruppe, wobei jedoch der Unterschied in diesem Falle nicht signifikant war. Auf der Suche nach dem histopathologischen Substrat der genannten Veränderungen untersuchten die Autoren die Rektumpräparate von acht weiteren Patienten, bei denen wegen strahlenbedingter Schädigung eine Rektumexstirpation erforderlich geworden war. Sie 55 konnten an allen untersuchten Präparaten eine Hypertrophie der glatten Muskelzellen, sowohl in der Muscularis mucosae als auch in der Muscularis propria feststellen. In beiden nervalen Plexus der Darmwand (Plexus Submucosus und Plexus Myoentericus) fanden sie eine Rarefizierung der Ganglienzellen mit Veränderungen der zytoplasmatischen und nukleären Morphologie bei den verbliebenen Zellen, wobei im Plexus myoentericus eine Hypertrophie der Nervenfasern hinzukam. Zur Erklärung der Minderung der analen Ruhedruckwerte bei den manometrisch untersuchten Patienten stellten die Autoren die Schädigung des Auerbach`schen Plexus myoentericus in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Diese hätte eine Beeinträchtigung des RARR zur direkten Folge, und indirekt, durch den Effekt der Denervierung, eine Minderung der Kontraktionskraft des inneren Schließmuskels, was sich in einer Minderung des analen Ruhedruckes ausdrückte. Für den äußeren Schließmuskel, der nach ihren Ergebnissen weniger durch die Bestrahlung beeinträchtigt war, hielten sie dagegen eine Schädigung der nervalen Versorgung für weniger wahrscheinlich, da seine somatische Innervation gegenüber der Bestrahlung weniger empfindlich ist; immerhin wollten sie eine Schädigung auch dieses Muskels, etwa durch mikrovaskuläre Umbauprozesse in Folge der Bestrahlung, nicht völlig ausschließen. In der zweiten Veröffentlichung [58] konzentrierten sich Varma und Mitarbeiter auf die funktionellen Schäden am Rektum beim gleichen Patientengut. Mit einem aufblasbaren Ballon im Rektum wurden rektale Wahrnehmumgsschwelle, konstante Wahrnehmung des Ballons im Rektum und maximales toleriertes Rektumvolumen geprüft und die rektale Compliance ermittelt. Sie konnten die Verminderung aller gemessenen Volumina sowie der rektalen Compliance nach Bestrahlung aufzeigen. Diese Compliance-Minderung war mit Inkontinenz, Verlust der Stuhldrangkontrolle und Erhöhung der Stuhlfrequenz statistisch nachweisbar korreliert. Auch hierfür machen die Autoren vor allem Schädigungen des Plexus Myoentericus, daneben aber auch die gefundenen Veränderungen an der glatten Rektummuskulatur und der rektalen Mukosa, verantwortlich. Wir halten die histologischen Schäden, die Varma an den von ihm untersuchten Präparaten feststellen konnte, für die wahrscheinliche Erklärung der meisten Beschwerden und manometrischen Besonderheiten, die auch wir bei bestrahlten Patienten fanden. Ein zusätzliches Ergebnis unsere Arbeit ist, daß ein Zusammenhang zur postoperativen Bestrahlung auch für die Konsistenz der Fäzes gefunden wurde. Wie im Falle häufigerer ungeformter Stühle bei Patienten mit tieferen Anastomosen (4.3.1), weist die Beteiligung der Stuhlkonsistenz an den nach Bestrahlung geänderten Stuhlgewohnheiten über eine isolierte Schädigung des Kontinenzorganes hinaus, es müssen vielmehr strahlenbedingte Schäden auch im Bereich des Kolons und Ileums angenommen werden. Diese könnten in einer akuten/chronischen Mukositis, aber auch in Veränderungen der Darmmotorik (durch die von Varma zumindest für das Rektum aufgezeigte Schädigung der Muskelschichten und nervösen Plexus der Darmwand) begründet sein. Auch für die postoperative Bestrahlung als zweitem wichtigem Faktor, dem neben der Anastomosenhöhe ein maßgeblicher Einfluß auf das funktionelle Ergebnis nach AR zugeschrieben werden muß, ist somit nicht die Schädigung nur einer oder weniger Komponenten des Kontinenzorganes, sondern vielmehr eine umfassende Beeinflussung aller physiologischen Grundlagen der Stuhlgewohnheiten charakteristisch. Dabei führt keiner der gefundenen Schäden zum vollständigen Ausfall einer Komponente des Kontinenzorganes, wie denn auch in keinem Fall das Vorhandensein eines bestimmten Begleitumstandes mit 56 Sicherheit die Störung einer definierten Stuhlgewohnheit nach sich zieht. Patienten mit tiefen Anastomosen und mit postoperativer Bestrahlung müssen jedoch bezüglich Kontinenz und Stuhlgewohnheiten als Patienten mit verminderter „Reservekapazität“ angesehen werden, bei denen der behandelnde Arzt auf das Auftreten von Störungen der Stuhlgewohnheiten vorbereitet sein sollte. 5.4 Zu den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten mit 5.4.1 Rektoanaler Relaxationsreflex Das Vorhandensein des rektoanalen Relaxationsreflexes (RARR) gilt als ein Merkmal für das funktionierende Zusammenspiel zwischen Reservoirorgan und Schließmuskelapparat. Lane und Parks [33] konnten erstmals nachweisen, daß der RARR selbst bei Patienten mit rektoanaler Anastomose – also vollständig exzidiertem Rektum – nach einer Latenz von sechs Monaten und darüber wiederkehren kann und folgerten daraus, daß die notwendigen nervalen Verbindungen zwischen Neorektum und Analkanal durch das „Durchwachsen“ der Anastomose seitens intramuraler Nervenplexus zustande gekommen war. In der Folge konnten O`Riordan u.a. [43] zudem die Wiederkehr des Reflexes auch bei tiefen Klammernaht-Anastomosen nachweisen. Dies war bedeutsam, da die Wiederherstellung intramuraler Nervenverbindungen bei der Klammernaht-Anastomose durch das Aufeinanderpressen der introvertierten Darmwände erschwert ist. Pandolfo u.a. [45] machen deshalb Rezeptoren im Beckenboden, vor allem in der Elevatormuskulatur für das Wiederkehren des Reflexes in diesen Fällen verantwortlich. Wir konnten bei der Mehrzahl unserer Patienten einen positiven RARR nachweisen. Dies ist einmal von daher zu erklären, daß bei 19 unserer Patienten die Anastomose höher als 10 cm proximal der AKL gelegen war (von denen 18 Patienten einen positiven RARR aufwiesen), vor allem aber auch dadurch, daß der RARR bei uns immer durch Distension eines unmittelbar oberhalb des Analkanals liegenden Ballons ausgelöst wurde, wobei anzunehmen ist, daß er zumindest teilweise unterhalb der Anastomose zu liegen kam. Dennoch konnten wir bei höher gelegenen Anastomosen häufiger positive RARR messen als bei tiefen Anastomosen (Tabelle 33). Wichtiger als die Frage, ob ein RARR ober- oder unterhalb der Anastomose ausgelöst werden konnte, schien uns zu sein, ob sich das Vorhandensein oder Fehlen des RARR überhaupt mit gestörten Stuhlgewohnheiten in Beziehung setzen ließ. Dies wäre vor allem für die Stuhldrangkontrolle, die Wahrnehmung des Stuhldranggefühls und die Diskrimination des Darminhaltes zu erwarten gewesen, da angenommen wird, daß diese Funktionen vom RARR als „sampling-reflex“ abhängig sind. Unsere Ergebnisse (Tabelle 36) konnten jedoch einen solchen Zusammenhang nur teilweise bestätigen. Zwar war ein positiver RARR bei Patienten mit ungestörten Stuhlgewohnheiten generell, als bei zufälligen Verteilung zu erwarten, aber die Häufigkeitsunterschiede waren nur im Falle der Stuhldrangkontrolle deutlich genug, um signifikant zu sein. Selbst im letzteren Falle muß aber festgestellt werden, daß ein positiver RARR weder ein Garant für gute Stuhldrangkontrolle war, noch daß umgekehrt das Fehlen des RARR notwendigerweise eine geminderte Stuhldrangkontrolle bedeutete. Die Feststellung,, daß ein fehlender RARR nicht immer Störungen der Stuhlgewohnheiten nach sich zieht, machten auch andere Autoren, so Horgan u.a. [22], Jehle u.a. [25], Nakahara u.a. [42], O`Riordain u.a. [43] Pandolfo u.a. [45] und Pedersen u.a. [46]. O`Riordain zieht 57 daraus den Schluß, daß das Fehlen des RARR vermutlich nur dann ungünstige Folgen für die Stuhlgewohnheiten habe, wenn andere ungünstige Faktoren, wie ein geschwächter Sphinkter und ein vermindertes rektales Fassungsvermögen hinzukommen. Lewis u.a. bieten in zwei Arbeiten [34],[35] eine Erklärung dafür, warum ein positiver RARR nicht immer gleichbedeutend mit einem funktionierenden Zusammenspiel zwischen Neorektum und Sphinkterapparat ist. Bei ihrer Versuchsanordnung wird der Druckabfall im Analkanal als Antwort auf Distension im Rektum durch Druckableitung auf unterschiedlichen Höhen des Analkanals gleichzeitig gemessen. Bei allen der 73 von ihnen untersuchten Patienten mit AR konnten sie einen RARR nachweisen. Andererseits stellten sie aber fest, daß es bei Patienten mit tiefen Anastomosen und verschlechterter Kontinenzleistung zu einem überschießenden Druckabfall, vor allem im unteren Analkanal, kommt. Sie werteten dies als Zeichen dafür, daß der bei diesen Patienten gemessene RARR auf einer mangelnden Koordinierung zwischen Rektum und Schließmuskelapparat beruht und nicht dem koordinierten „sampling-reflex“, mit Druckabfall im oberen Analkanal und erhaltenem Druckgradienten im unteren Analkanal, entspricht. Die Messung des RARR, wie sie in unserer Studie geschehen ist, ließ eine solche subtile Unterscheidung zwischen zwar positivem RARR, aber dennoch gestörtem „sampling-reflex“ nicht zu. Ebensowenig kann unsere Studie für die Fälle, wo trotz negativen RARR gute Kontinenzfunktionen gefunden werden, Erklärungen bieten, zumal, wenn man an der 2.2.5 entwickelten Vorstellung festhält, daß der „sampling-reflex“ der einzige physiologische Weg ist, auf dem das Anoderm mit dem Darminhalt vor der Defäkation in Berührung kommen und eine Diskrimination der Fäzes stattfinden kann. Es muß deshalb angenommen werden, daß auch bei diesen Patienten ein RARR vorhanden ist, der möglicherweise mit einer aufwendigeren Methode, etwa der von Lewis u.a. benutzten Anordnung, hätte erkannt werden können. Dagegen kann eine Unterscheidung in „RARR positiv“ und „RARR negativ“, wie sie unsere Untersuchung ermöglichte, nur einen Mosaikstein liefern, der im größeren Zusammenhang mit anderen Faktoren den Funktionszustand des Kontinenzorganes besser zu verstehen hilft; Aussagen über mögliche Störungen der Stuhlgewohnheiten im Einzelfall können jedoch daraus nicht abgeleitet werden. 5.4.2 Analer Ruhedruck Der Anale Ruhedruck (ARD) repräsentierte in unserer Arbeit die Leistungsfähigkeit des inneren, unwillkürlichen Schließmuskels. Die Studien, welche prä- und postoperative Messungen des ARD miteinander vergleichen [22],[25],[42],[46],[59], insbesondere die Arbeit Horgans u.a. [22], der zusätzlich intraoperative Messungen des ARD vornahm, bezeugen eine Abnahme des ARD in Folge der AR. Dies begründet Horgan mit einer direkten mechanischen Schädigung des inneren Sphinkters bei Einbringen des Klammernahtgerätes, da dies das einzige intraoperative Manöver war, bei dem er einen Abfall des ARD registrieren konnte. Allerdings war der bedeutendste Druckabfall bereits mit Einleitung der Anästhesie erfolgt, wodurch der Anteil an der Schwächung des inneren Sphinkters, den Zerstörungen nervaler Verbindungen, etwa bei Mobilisation und Durchtrennung des Rektums, hatten, möglicherweise durch intraoperative Messungen nicht aufgedeckt werden konnte. Einige Gründe sprechen dagegen, allein die Benutzung eines Klammernahtgerätes für die postoperative Minderung des ARD verantwortlich zu machen. Zunächst sind es die schon zitierten Ergebnisse von Jostarndt u.a. [26],[27],[28], die keinen Unterschied zwischen den 58 ARD-Werte von Patienten mit Hand- und mit Klammernaht-Anastomosen feststellen konnten. Weiterhin zeigen die Studien, die – wie unsere Arbeit – eine Abhängigkeit der Minderung des ARD von der Anastomosenhöhe fanden [1],[3], daß eine Schädigung des inneren Sphinkters durchaus auch andere Ursachen als die Dehnung durch das Klammernahtgerät haben kann. Direkte Schädigung des inneren Schließmuskels durch intraoperative Manipulationen (mit oder ohne Klammernahtgerät), Nervenschädigung bei der lateralen und dorsalen Mobilisation des Rektums und schließlich Durchtrennung der intramuralen, myoenterischen Nervenverbindungen beim Absetzen des Rektums dürften deshalb gemeinsam die Ursachen eines geschwächten Sphinkters nach AR darstellen. Hinzu kommt die Minderung des ARD, die nach einer postoperativen Bestrahlung festzustellen war, und die wir, wie unter erörtert, durch eine Schädigung des Plexus myoentericus der Rektumwand verursacht sehen. Wie bereits erwähnt (4.4), hatten zwar alle Patienten mit gestörten Stuhlgewohnheiten etwas niedrigere ARD-Werte als die entsprechende Gruppe ohne dieselbe Störung, die Unterschiede waren innerhalb der Vergleichsgruppenpaare jedoch so gering, vor allem aber die Streubreiten so groß, daß für kein Vergleichsgruppenpaar signifikante Unterschiede bezüglich der ARDWerte festgestellt werden konnten. Besonders am Beispiel der Kontinenz, bei der ein enger direkter Zusammenhang mit dem analen Ruhedruck zu erwarten gewesen wäre, wird dies deutlich: Die Patienten ohne wesentliche Störungen der Kontinenz hatten zwar höhere durchschnittliche ARD-Werte als Patienten mit höhergradigen Kontinenzstörungen (72 cm H2O vs. 61 cm H2O), ein Blick auf die Standardabweichungen dieser Werte zeigt aber, daß die meisten Patienten mit Kontinenzstörungen (Bereich der Standardabweichung von 46-76 cm H2O) ARD-Werte aufwiesen, die ebensogut von Patienten ohne Störungen der Kontinenz hätten sein können (Standardabweichung von 46-98 cm H2O). Diese große Streuung der Werte hat vermutlich zwei Gründe: Zunächst kann eine gewisse Ungenauigkeit der Methode nicht ausgeschlossen werden, zumal ja nur an einem Punkt im Analkanal (der vorher durch Bestimmung eines anorektalen Druckprofils ermittelten Zone mit dem höchsten Druck) Messungen vorgenommen wurden. Es muß eingeräumt werden, daß im durch Verrutschen der Sonde aus der optimalen Position zu niedrige ARD-Werte gemessen werden konnten. Die daraus resultierende Erkenntnis, daß durch eine punktuelle Druckmessung im Analkanal – sei es des ARD, sei es des MKD – keine vollständige Charakterisierung des Schließmuskelverhältnisse abgeleitet werden kann, führte zu Weiterentwicklungen der von uns benutzten Perfusionsmanometrie mit offener Katheterspitze bis hin zu der bereits unter 2.3.2 erwähnten Methode der 3D-Volumen-Vektormanometrie. Die zweite, u.E. entscheidendere Erklärung dafür, daß keine eindeutige Korrelation zwischen erniedrigten ARD und definierten Störungen der Stuhlgewohnheiten gefunden werden konnte, ergibt sich, wenn man nun Tabelle 8 nicht senkrecht liest, sondern – z.B. für die Patienten mit und ohne höhergradige Störungen der Kontinenz – einmal alle anorektalen Manometrieparameter nebeneinander betrachtet. Man erkennt, daß ausnahmslos alle manometrischen Ergebnisse bei den Patienten mit Kontinenzstörungen ungünstiger ausfallen: Der RARR ist häufiger negativ, ARD und MKD durchschnittlich niedriger, MTRD höher und MTRV und Compliance wiederum niedriger als in der Vergleichsgruppe. Diese Beobachtung läßt sich nahezu gleichförmig auch für alle anderen Störungen der Stuhlgewohnheiten machen. Da sich in den manometrischen Parametern die einzelnen funktionellen Anteile des Kontinenzorganes widerspiegeln, muß angenommen werden, daß die gleichzeitige Minderung aller funktionellen Leistungen des Kontinenzorganes, nicht die punktuelle Schädigung eines 59 seiner Anteile der charakteristische Schädigungsmechanismus ist, der Störungen der Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Resektion verursacht. Eine eindeutige monokausale Beziehung zwischen einem manometrischen Parameter und einer Störung einer Stuhlgewohnheit wäre von diesem Standpunkt aus deshalb gar nicht zu erwarten und vermutlich auch mit einer technisch aufwendigeren Meßmethode nicht zu erreichen gewesen. Auch andere Autoren berichteten über eine mangelnde Korrelation zwischen Minderung des analen Ruhedrucks und Störungen der Stuhlgewohnheiten (insbesondere der Kontinenz), so Lewis u.a. [35], Nakahara u.a. [42], Rasmussen u.a. [49] und Williams u.a. [66]. Rasmussen [49] verglich 41 Patienten mit Inkontinenz unterschiedlicher Ursache (idiopathisch, traumatisch und neurologisch, jedoch ohne Patienten mit AR) mit einem Kontrollkollektiv hinsichtlich anorektaler Manometrieergebnisse. Er kam zu dem Schluß, daß die Messung des ARD allein keine ausreichende Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Patienten mit und ohne Kontinenzstörungen bietet. Durch die Bildung der Differenz aus ARD und verschiedenen im Rektum bestimmten Drücken (Druck bei erstem, konstantem und imperativem Stuhldranggefühl), erhielt er jedoch anorektale Druckgradienten, die sehr viel besser die Kontinenzsituation des Patienten wiedergaben. Diesen Weg ging auch Williamson [67] aus der Arbeitsgruppe von Lewis, der nachweisen konnte, daß für die klinischen Ergebnisse nach AR nicht so sehr erniedrigte ARD-Werte alleine, sondern vor allem auch darauf agierende erhöhte neorektale Drücke verantwortlich sind. Auf diese Bedeutung rektaler Druckwerte für die Kontinenz wird nochmals ausführlicher unter 5.4.4 eingegangen werden. Die bisher aufgeführten Ergebnisse sind wichtig vor dem Hintergrund der oftmals wiederholten Forderung [22],[28],[59], durch präoperative Messungen des ARD Patienten mit einem erhöhten Risiko einer postoperativen Inkontinenz ausfindig zu machen und gegebenenfalls bei diesen von der AR abzusehen. Wir halten eine solche Schlußfolgerung für nicht zu rechtfertigen, da es nicht einsichtig ist, warum präoperative ARD-Werte Aussagen über die nach Operation zu erwartende Kontinenz erlauben sollten, wenn, wie aus unserer Studie und anderen Arbeiten hervorgeht, noch nicht einmal postoperative ARD-Messungen ausreichende Angaben zur Bewertung der Kontinenzsituation liefern. Wie irreführend die Annahme ist, daß man von präoperativ gemessenen ARD-Werten auf die entsprechenden postoperativen Werte schließen könnte, zeigt zudem eine Studie, die Church u.a. [4] an 134 Patienten mit ileo-pouch-analer Anastomose (bei Kolitis ulzerosa bzw. Polyposis familiaris) und an 16 Patienten mit koloanaler Anastomose (bei tiefen Rektumkarzinomen) durchführten. Sie bestimmten für jeden Patienten prä- und postoperative ARD-Werte und daraus den jeweiligen, operationsbedingten ARD-Abfall. Es zeigte sich, daß bei Patienten mit höheren präoperativen Ausgangsdrücken ein größerer mittlerer Druckverlust auftrat als bei den Patienten mit präoperativ niedrigen Drücken. Bei letzteren Patienten waren operationsbegleitende Druckminderungen weniger ausgeprägt, in einzelnen Fällen erfuhren sie sogar einen Anstieg des ARD nach der Operation. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang vom „paradox of preoperative anal resting pressure“ und folgern, daß auch Patienten mit niedrigen analen Ruhedruckwerten eine sphinktererhaltende Operation dann nicht verweigert werden sollte, wenn sie präoperativ kontinent sind. 60 5.4.3 Maximaler Kneifdruck Der maximale Kneifdruck (MKD) war der manometrische Parameter, der in unserer Arbeit für die Funktionstüchtigkeit des äußeren, willkürlichen Schließmuskels stand. Dabei soll nicht übersehen werden, daß der während der aktiven Kontraktion gemessene Druckwert sich immer aus der Summe der Aktivitäten von äußerem und inneren Schließmuskel zusammensetzt. Manche Autoren, wie Horgan [22] oder Varma [57] berechnen deshalb eine Druckdifferenz zwischen analem Ruhedruck und Kontraktionsdruck, die sie als die eigentliche Leistung des äußeren Schließmuskels ansehen. Wir halten eine solche Rechnung für problematisch, da nicht bekannt ist, ob der innere Sphinkter, der in Ruhe fast vollständig für den Druck im Analkanal verantwortlich ist, im gleichen Maße während der Kontraktion an der Druckentwicklung mitwirkt. Denkbar wäre ebenso eine schrittweise Inhibition des inneren Sphinkters bei zunehmender willkürlicher Kontraktion. Aus diesem Grund beschränkten wir uns auf die Feststellung eines „maximalen Kneifdrucks“, in dem Wissen, daß die hierbei gemessenen Werte zwar nicht vollständig, aber in jedem Falle maßgeblich durch die Kraft des äußeren Schließmuskels bestimmt waren. Über die Beeinflussung des MKD im Gefolge der AR herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Horgan [22] fand zwischen prä- und postoperativen MKD-Werten zwar eine signifikante Druckabnahme, diese war jedoch nicht mehr nachweisbar, wenn er, wie erwähnt, die Differenz aus MKD und ARD berechnete, also die während der willkürlichen Kontraktion („Kneifen“) zu beobachtenden Drucksteigerung („squeeze increment“). Er folgerte daraus, daß die zu beobachtende Erniedrigung des MKD nach Operation ihren Grund in der gleichzeitigen ARD-Erniedrigung hatte und daß der äußere Schließmuskel durch die AR nicht in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Jehle u.a. [24] fanden dagegen Abweichungen zwischen prä- und postoperativen MKDWerten, die die Differenzen zwischen den entsprechenden ARD-Werten bei weitem überstiegen, so daß sie eine Schädigung auch des äußeren Sphinkters durch die AR annehmen mußten. Lewis u.a. [34] fanden keine Unterschiede zwischen postoperativen MKD und denen einer Kontrollgruppe. Nakahara u.a. [42] und Pedersen u.a. [46] fanden wiederum erniedrigte ARD- und MKD-Werte, betonen aber deren fehlende Bedeutung für die Kontinenzsituation. Vassilakis u.a. [59] fanden ebenfalls erniedrigte MKD-Werte nach AR. Sie machten dafür eine Schädigung der Nervenversorgung sowohl des inneren als auch des äußeren Sphinkters durch Zug, Durchtrennung oder thermische Einwirkung während der Operation verantwortlich und sehen die nach Operation auftretenden Kontinenzstörungen deshalb auch in direktem Zusammenhang mit der Schädigung beider Sphinkteren. Williams [66] schließlich, der die Aktivität des äußeren Sphinkters nicht manometrisch, sondern elektromyographisch bewertete, konnte bei seinen Patienten, auch bezüglich des Reflexverhaltens, keine Aktivitätsunterschiede des äußeren Sphinkters im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe finden. Eine Aussage darüber, ob die AR grundsätzlich zu einer Minderung der Kontraktionsfähigkeit des äußeren Schließmuskel führt, war wegen der fehlenden präoperativen Werte in unserer Arbeit nicht möglich. Signifikante Abweichungen bei den MKD-Werten ergaben sich nur zwischen Patientengruppen mit unterschiedlichen Anastomosenarten (4.3.2), während Unterschiede zwischen den MKD-Werten bei Patientengruppen unterschiedlicher Anastomosenhöhe bzw. stattgehabter/nicht stattgehabter Nachbestrahlung „unterschwellig“, d.h. statistisch unsignifikant blieben. 61 Stellte man die MKD-Werte von Patientengruppen unterschiedlich gestörter Stuhlgewohnheiten einander gegenüber (Tabelle 8), konnte nur für die Stuhldrangkontrolle und die Stuhlkonsistenz ein Zusammenhang mit dem MKD postuliert werden. Andere Störungen der Stuhlgewohnheiten, insbesondere die Kontinenzleistung selbst, zeigten dagegen wenig oder nur unsignifikante Zusammenhänge mit dem MKD. Während es ohne weiteres nachvollziehbar ist, daß ein verminderter MKD an Störungen der Stuhldrangkontrolle beteiligt sein kann, erstaunt es zunächst, daß auch die Stuhlkonsistenz damit im Zusammenhang stehen soll, wobei bei harten und normal geformten Stühlen deutlich höhere MKD-Werte gemessen wurden als bei ungeformten Stühlen. Da ein Einfluß des MKD auf die Stuhlkonsistenz nicht angenommen werden kann, muß man sich umgekehrt fragen, ob nicht die Stuhlkonsistenz ihrerseits Einfluß auf die willkürliche Schließmuskelleistung genommen haben könnte. Tatsächlich scheint dies möglich zu sein, wenn man eine Art „negativer Rückkoppelung“ voraussetzt: Die Kontraktionskraft des äußeren Schließmuskels ist ja nicht nur der willkürlichen Steuerung unterworfen, sondern vielmehr auch auf die willkürliche Inanspruchnahme angewiesen. So könnte bei Patienten, bei denen das Zusammenspiel von Schließmuskel- und Reservoirorgan durch den stattgehabten Eingriff und die postoperative Bestrahlung gestört ist, und bei denen zudem ungeformte Stühle die Aufrechterhaltung der Kontinenz erschweren, ein „Verlernen“ der unter 2.2.7 beschriebenen Aktivierung des äußeren Schließmuskels bei Erhöhung des intrarektalen Druckes eintreten, wenn der Patient wiederholt die Erfahrung macht, daß die Kontraktion des Schließmuskels keine Gewähr für den sicheren Verschluß des Kontinenzorganes bietet. In der Folge nimmt die Kraft des nun untrainierten äußeren Schließmuskels weiter ab, was wiederum die Unsicherheit des Patienten im Umgang mit Kontinenz und willentlich gesteuerter Defäkation verstärkt. Als praktische Konsequenz ergibt sich aus diesen Überlegungen die Forderung, postoperativ mehr als bisher für die Stärkung des äußeren Schließmuskels zu tun. Eine Voraussetzung dafür könnte die baldige Normalisierung der Stuhlgewohnheiten nach der Operation sein, zudem sollte frühzeitig ein Beckenbodentraining, möglichst im Sinne einer „Biofeedback-Behandlung“ [7] zum Einsatz kommen. 5.4.4 Maximaler tolerierter Rektumdruck Rektale Druckwerte, einschließlich des maximalen tolerierten Rektumdrucks (MTRD) wurden von vielen Autoren nur in Zusammenhang mit der Compliance ermittelt, so bei Carmona [3], Jehle [25], Jostarndt [27],[28], Nakahara [42] und Pedersen [46]. Bei Batignani [1], Suzuki [54] und Varma [58] wird der MTRD immerhin einer gesonderten Erwähnung für würdig befunden, wobei auch diese Autoren den MTRD vor allem zur Berechnung der Compliance einsetzten. Wir meinen, wie unter 5.4.6 ausführlich erörtert werden wird, daß diese Sichtweise die Bedeutung des MTRD für die Stuhlgewohnheiten nicht adäquat wiedergibt. Sicherlich ist es richtig, daß von Patienten, deren rektales Volumen herabgesetzt ist (erkennbar an einer Verminderung des MTRV), höhere rektale Druckwerte toleriert werden müssen. Dies zeigte sich in unserer Untersuchung in signifikanter Weise bei nachbestrahlten Patienten (4.3.3), weniger deutlich aber auch in fast allen anderen Fällen, wo verminderte Rektumvolumina gegenüber einer Vergleichsgruppe sichtbar wurden. Die Erhöhung des MTRD ist in diesen Fällen jedoch nicht Ursache, sondern Folge der gestörten Funktion des Kontinenzorganes: Eben weil das Fassungsvermögen des Rektums vermindert ist, lernt der Patient, höhere Rektumdrücke zu tolerieren. 62 Sieht man diese höhere Toleranz für rektale Drücke als Adaptationsleistung des Patienten, so wird auch verständlich, warum bei Suzuki u.a. [54] mit größerem Abstand von der Operation höhere MTRD-Werte gemessen werden konnten. In unserer Arbeit war der MTRD der einzige manometrische Parameter, für den eine signifikante Beziehung zur Kontinenz nachweisbar wurde (Tabelle 9). Der Mechanismus, der bei den betroffenen Patienten nach AR zu Inkontinenz führte, muß unserer Ansicht nach wie folgt beschrieben werden: Die Resektion des Rektums führt – mit individuellen Unterschieden und zum Teil abhängig von der Anastomosenhöhe und einer möglichen postoperativen Bestrahlung – zu kleineren rektalen Volumina. Diese haben zur Ursache, daß die vollständige Füllung des Rektums schneller und häufiger erreicht wird, worauf sich das Rektum höhere rektale Druckwerte zu tolerieren lernt. Dieser Anstieg des rektalen Druckes vermindert den anorektalen Druckgradienten; wenn der im Rektum vorhandene Druck den Druck im Analkanal übersteigt, wird Rektuminhalt durch den Analkanal gepresst und der Patient ist inkontinent. Bemerkenswert ist dabei, daß im Falle höhergradig inkontinenter Patienten der durchschnittliche MTRD wesentlich höher lag als der durchschnittliche ARD sowohl der inkontinenten, als auch der kontinenten Patienten (Tabelle 8 und 9). Dies kann, neben der Tatsache, daß die ARD-Werte kontinenter und inkontinenter Patienten nur insignifikant voneinander abwichen, als Hinweis dafür gesehen werden, daß die Steigerung des rektalen Druckes, und nicht so sehr eine Minderung der Schließmuskelleistungen die Hauptursache für die zu beobachtenden Fälle von Inkontinenz war. Zur Beurteilung des physiologischen Status des Kontinenzorganes nach AR scheint deshalb die Ermittlung des MTRD – möglichst in Verbindung mit dem ARD zur Berechnung eines anorektalen Druckgradienten – wichtig. Die Kenntnis des anorektalen Druckgradienten wiederum scheint, wie die Studien von Rasmussen u.a. [49] und Williamson u.a. [67] nahelegen (siehe5.4.6), besser als einer der beiden Werte allein Aussagen über die Kontinenzsituation des Patienten zuzulassen. 5.4.5 Maximales toleriertes Rektumvolumen Das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV) nimmt unter den von uns ermittelten manometrischen Werten in zweierlei Hinsicht eine Schlüsselposition ein. Dies zum einen, da es zu den beiden wichtigsten Funktionen des Kontinenzorganes, zur Speicher- und zur Verschlußfähigkeit in Zusammenhang steht. Der Zusammenhang zur Speicherfähigkeit ist dabei direkt (ein hohes MTRV entspricht einer hohen Speicherkapazität, der Zusammenhang zur Verschlußfähigkeit dagegen indirekt (über die oben aufgezeigte Beeinflussung des MTRD und damit des anorektalen Druckgradienten). Auf der anderen Seite ist eine Beeinflussung des MTRV nicht nur (wie dies etwa für eine mögliche Schädigung des Schließmuskelapparates gilt) ein Nebeneffekt der AR. Vielmehr ist das Substrat des MTRV, das physiologische Rektum nämlich, immer direkt durch die AR betroffen, so daß seine Beeinflussung zwar von Fall zu Fall verschieden (etwa wegen unterschiedlich hoher Anastomosen und damit verschieden langer erhaltener Rektumreste), nie aber ganz vermeidbar sein wird. Durch den geringeren Durchmesser der bei der AR nach unten gezogenen und in das Neorektum integrierten Dickdarmabschnitte, aber auch durch die relative Enge der kolorektalen Anastomosenregion, erklärt sich die geringere Volumenkapazität des postoperativen 63 Neorektums, die sowohl Vassilakis u.a. [59] als auch Williams u.a. [66] im Vergleich zu den MTRV nichtoperierter Kontrollgruppen nachwiesen. Andere Untersucher zeigten, daß das MTRV von der Anastomosenhöhe über der AK, also von der Länge des verbliebenen distalen Rektumstumpfes abhängig war (Batignani u.a. [1] und Lewis [34]), und daß das MTRV unmittelbar nach der Operation am niedrigsten war, um im Verlauf der ersten postoperativen Monate anzusteigen und sich auf einem – wenn auch deutlich unter dem präoperativem Ausgangsniveau liegenden – etwas höheren Niveau zu stabilisieren (Nakahara u.a. [42] und Suzuki u.a. [54]). Varma u.a. [58] belegte schließlich die Minderung des MTRV durch den Einfluß einer Bestrahlung des kleinen Beckens. Untersucher, die die Frage nach der Abhängigkeit postoperativer Stuhlgewohnheiten vom MTRV stellten, fanden eine reziproke Abhängigkeit zwischen MTRV und Stuhlfrequenz (Batignani u.a. [1] und Vassilakis u.a. [59]), oder konnten niedrigere MTRV mit „urgency and minor faecal leakage“ (Lewis u.a. [34]) oder „incomplete continence“ (Williams u.a. [66]) in Verbindung bringen. Auch in unserer Untersuchung bestätigte sich die Abhängigkeit des MTRV von der stattgehabten Bestrahlung, während sich für verschiedene Anastomosenhöhen nur tendenzielle Unterschiede finden ließen. Diese Ergebnisse, auch die von uns gefundenen Unterschiede zwischen der Patientengruppe mit Handnaht und mit Doppelklammernaht wurden bereits unter den entsprechenden Abschnitten erörtert. Der Vergleich von Patienten mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten hinsichtlich ihres MTRV (Tabelle 9) erbrachte dagegen nur bei der Frage nach Störungen der Stuhldrangkontrolle signifikante Unterschiede, wobei Patienten mit gestörter Stuhldrangkontrolle niedrigere MTRV aufwiesen. Der zugrunde liegende Pathomechanismus kann dabei wie folgt erklärt werden: Durch die – nicht kontinuierlich, sondern schubweise erfolgende – Füllung des Neorektums aus höheren Dickdarmabschnitten kommt es schnell zum Erreichen des MTRV und zu einem imperativen Stuhldranggefühl; gelingt es dem Patienten nun nicht, durch Kontraktion des äußeren Schließmuskels die Kontinenz zumindest so lange wahren, bis die nächste Toilette erreicht ist, oder ein reflektorisch gesteuerter retropulsiver Transport der Fäzes zurück in die höheren Darmabschnitte einsetzen kann, resultiert Inkontinenz Bei der von uns postulierten „Schlüsselposition“ des MTRV für die Stuhlgewohnheiten nach AR muß jedoch die Frage gestellt werden, warum nicht auch andere Störungen der Stuhlgewohnheiten in statistisch signifikanter Weise mit verminderten MTRV-Werten in Verbindung zu bringen waren. Bei der Betrachtung der diesbezüglichen Ergebnisse (Tabelle 9) fällt auf,, daß wieder für alle Patienten mit gestörten Stuhlgewohnheiten niedrigere Durchschnittswerte gemessen werden konnten, daß aber auch hier relativ geringe Unterschiede bei den durchschnittlichen Werten in den Vergleichsgruppen relativ großen Varianzen der Werte (erkennbar an den großen Standardabweichungen) gegenüberstanden. Bei der Diskussion ähnlich großer Varianzen beim ARD (5.4.2) wurde bereits darauf hingewiesen, daß diese nicht etwa bedeuten, daß die manometrischen Funktionsergebnisse ohne Zusammenhang mit den Stuhlgewohnheiten sind, sondern daß sie vielmehr die Kompensationsfähigkeit des Kontinenzorganes wiedergeben. Dadurch erklärt sich sowohl, daß niedrige MTRV-Werte nicht notwendigerweise zu einer Störung der Stuhlgewohnheiten führen müssen (weil etwa die Verschlußfähigkeit des Schließmuskelapparates ausreicht, um 64 in den Phasen mit Rektumfüllung und steigenden intrarektalem Druckes die Kontinenz zu wahren), als auch, daß im umgekehrten Falle Störungen einzelner Stuhlgewohnheiten schon bei vergleichsweise geringer Minderung des MTRV auftreten können, wenn gleichzeitig andere Funktionen des Kontinenzorganes eingeschränkt sind. Aus diesem Grunde muß angenommen werden, daß auch Patienten mit einer Störung der Stuhlgewohnheiten, für die keine signifikanten Unterschiede bei den MTRV im Vergleich zur Gruppe ohne die jeweilige Störung gefunden werden konnten, von einem höheren MTRV profitieren würden. Die Forderung vieler Autoren – unter Beachtung der Radikalitätskriterien – einen möglichst großen Teil des distalen Rektums zu erhalten [1],[29],[34] findet deshalb auch unsererseits Unterstützung. Weiterhin führt die besondere Rolle, die dem MTRV innerhalb der funktionellen Parameter der Kontinenzfunktion zukommt, zu der Überlegung, durch die Bildung eines Kolonpouches das Reservoirvolumen des Rektums zu vergrößern [34],[59],[67]. Inzwischen liegen mehrere unabhängige Studien vor [8],[18],[23],[61],[63] die die positiven Auswirkungen auf die funktionellen Ergebnisse der AR belegen. Eine weitere Variante der Pouchoperation besteht in der von von Flüe vorgeschlagenen Schaffung eines ileozökalen Resorvoirs; auch er vermeldet, zumindest in einer Pilotstudie [9], ausgezeichnete funktionelle Ergebnisse bei niedriger Komplikationsrate. Vom funktionellen Standpunkt sollte deshalb die Möglichkeit der „Pouchoperation“ besonders bei Patienten mit tiefsitzenden Tumoren erwogen werden. 5.4.6 Die rektale Compliance Die rektale Compliance berechnete sich in unserer Arbeit, wie auch bei anderen Untersuchern [1],[25],[46],[58] gemäß der Formel: compliance = Δ MTRV / Δ MTRD Diese Definition der Compliance erschien uns zunächst als die zweckmäßigste Möglichkeit, zu einer Beschreibung der Volumen/Druck-Beziehungen im Rektum zu gelangen, wobei auch andere Formen der Berechnung der Compliance in der Fachliteratur beschrieben werden. So berechnen andere Autoren die Compliance als die Steigung der Volumen-Druck-Kurve des Rektums bei einer definierten Füllung eines Ballons mit Luft [27] oder sie nutzen den „geraden Teil“ der Druck-Volumen-Kurve bei der Füllung bis zum MTRV [42],[59]. Wir meinen, daß sich diese Methoden tatsächlich nicht so sehr voneinander unterscheiden, wie es zunächst den Anschein hat, da sich zeigte (Abbildung 6) daß die (idealisierte) DruckVolumen-Kurve einen bis zum MTRV weitgehend linearen Verlauf hatte. Problematischer als die Definition der Compliance erscheint uns dagegen die Anwendung des Begriffes auf das Rektum an sich; um die Gründe hierfür aufzuzeigen, soll zunächst im Denkmodell erörtert werden, was bei der Füllung eines annähernd idealelastischen Ballons, wie des von uns verwendeten Latexkondoms, im Rektum tatsächlich vor sich geht: Würde dabei wirklich die Compliance, also die Dehnbarkeit des Rektums bestimmt werden, müßte man davon ausgehen, daß die Wände des Rektums zu Beginn des Versuches zu allen Seiten eng am Ballon anliegen (das tatsächliche Volumen des Rektums in diesem Augenblick wäre also gleich Null), und daß sich die Rektumwände mit Aufblasen des Ballons solange dehnen, bis das vorher definierte Volumen – oder das maximal tolerierte Rektumvolumen 65 erreicht ist. Der gemessene Druck wäre dabei in jedem Augenblick abhängig von der Wandspannung und Dehnbarkeit des Rektums. Wir sind zu der Auffassung gelangt, daß dieses Modell auf das Rektum nicht zutrifft. Vielmehr liegt der Ballon zunächst in einem leeren, „schlaffen“ Rektum. Mit zunehmender Füllung dehnt er sich zunächst nach allen Seiten gleich aus, bis er sein Durchmesser dem des Rektums entspricht und er an den seitlichen Wänden anliegt. Hat er sie erreicht, besteht durch Dehnung der Rektumwände wenig Möglichkeit, das Ballonvolumen zu vergrößern; er weicht nach oben und unten aus, so lange bis entweder das definierte Insufflationsvolumen erreicht ist, oder eine weitere Ausdehnung (durch Erreichen des bereits stuhlgefüllten Sigmas) nicht mehr möglich ist. Der an allen Seiten anliegende Ballon erzeugt nun einen zunehmenden Druck auf die Rektumwände und die im Beckenboden gelegenen Füllungsrezeptoren, wobei der maximal tolerierte Druck von der Sensibilität und Schmerzempfindlichkeit des Patienten, aber auch von der Verschlußfähigkeit seines Schließmuskelapparates abhängt. Nur für diese „Endstrecke“ der Rektumdistension entspricht der gemessene Druck dem Druck, der benötigt wird, um die Rektumwand zu dehnen, während der weitaus größte Teil der Druckentwicklung dazu diente, das im Rektum zur Verfügung stehende Volumen optimal auszufüllen. Diese Überlegungen führen uns zu dem Schluß, daß der Begriff der Compliance zur Beschreibung der Reservoirfähigkeit des Rektums, auch des Neorektums nach AR, ungeeignet ist. Weder MTRV noch MTRD hängen maßgeblich von der Dehnbarkeit des Rektums ab. Schlüsselbegriff der Reservoirkapazität des Rektums ist vielmehr das maximale tolerierte Rektumvolumen, da es alleine das Fassungsvermögen des Rektum definiert. Dennoch sind maximales toleriertes Rektumvolumen und maximaler tolerierter Rektumdruck in enger Beziehung zueinander: Ein Patient mit niedrigerem rektalen Fassungsvermögen erreicht schneller das MTRV; wenn überhaupt eine Adaptation an diese geringe Reservoirkapazität stattfinden kann, dann dadurch, daß der Patient lernt, zunehmend höhere MTRD zu tolerieren. Erst dann verschwindet der in den ersten Tagen nach AR fast permanente Stuhldrang; andererseits ist es nur über eine andauernde Erhöhung des intra(neo)-rektalen Druck und dadurch bedingte Aufweitung des Neorektums zu erklären, wenn einige Autoren, wie Carmona u.a. [3] Schweiger u.a. [51] und Nakahara u.a. [54] eine Zunahme auch des MTRV nach der Operation feststellen. Unter diesem Aspekt bekommen aber die Ergebnisse für die rektale Compliance (Tabelle 9) eine neue Bedeutung: da der maximale tolerierte Rektumdruck in indirekter Abhängigkeit vom maximalen tolerierten Rektumvolumen steht (weil niedrigere MTRV höhere MTRD bedingen) und da, wie aus der Formel ersichtlich ist, Compliance und MTRV zueinander in direktem, Compliance und MTRD jedoch in reziprokem Verhältnis stehen, ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Compliance-Werte in unserer Arbeit für einige Vergleichsgruppen (Anastomosenhöhe, Inkontinenzgrad und Stuhldrangkontrolle) deutlicher unterschieden, als die entsprechenden MTRD- oder MTRV-Werte für sich genommen: Es war hier zu einer Art „Kontrastverstärkung“ gekommen. Hinterfragt man jedoch, warum z.B. ein höherer Grad an Inkontinenz mit einer niedrigeren Compliance einhergeht, so ist man gezwungen, den Begriff wieder „in seine Komponenten zu zerlegen“. Man entdeckt, daß es hier vor allem die höheren MTRD-Werte sind, die aufgrund des dadurch verminderten anorektalen Druckgradienten das Risiko von ungewollten Stuhlverlusten erhöhen (siehe oben). Umgekehrt lassen sich die signifikant niedrigeren Compliance-Werte der Patienten mit verkürzter Stuhldrangkontrolle nur dadurch erklären, daß man auf die hier ebenfalls 66 signifikant erniedrigten MTRV-Werte verweist, da durch das niedrigere rektale Volumen die Rektumfüllung schneller eintritt und dem Patienten dadurch weniger Spielraum zwischen dem ersten Auftreten eines rektalen Füllungsgefühls und der Defäkation bleibt (wobei dann allerdings die Leistungsfähigkeit des Schließmuskelapparates darüber entscheidet, ob die Toilette noch „sicher“ erreicht wird). Diese beiden Beispiele sollen zeigen, daß die Berechnung der Compliance keinen zusätzlichen Informationsgewinn erbringt. Da sie zudem einem Modell von den kapazitiven Fähigkeiten des Rektums entspricht, welches eher auf die Harnblase zutrifft, halten wir ihre Bestimmung im Zusammenhang mit der rektalen Reservoirkapazität für obsolet und ziehen statt dessen die Messung des MTRV als Parameter der rektalen Reservoirkapazität vor. 67 6 Schlußfolgerungen 1. Störungen der Stuhlgewohnheiten treten nach AR häufig auf. Sie äußern sich in verschiedenen Stadien der Inkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz und verkürzter Stuhldrangkontrollzeit, aber auch – in absteigender Häufigkeit – in unsicherer Diskrimination des Darminhaltes, veränderter Konsistenz der Stühle, Stuhlschmieren, Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation und verminderter Wahrnehmung des Stuhldranggefühls. 2. Aus präoperativ vorhandenen Störungen der Stuhlgewohnheiten kann keine generelle Empfehlung zum Verzicht auf eine sphinktererhaltende Operation abgeleitet werden, da solche Störungen oftmals in Verbindung mit dem Grundleiden stehen und durch die Operation sogar gebessert werden können. Anale Vorerkrankungen im Sinne höhergradiger Hämorrhoiden, postoperative Wundheilungsstörungen und zusätzliche Operationen im Dickdarmbereich könnten dagegen zwar mit einer erhöhten Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR einhergehen, dennoch ist auch hier eine Voraussage, in welchen konkreten Fällen Störungen der Stuhlgewohnheiten bei den betroffenen Patienten auftreten, nicht möglich. Es kann deshalb lediglich die Forderung ausgesprochen werden, durch geeignete chirurgische Technik postoperative Heilungsstörungen auf ein Mindestmaß zu beschränken bzw. bei Patienten, die durch anale Vorerkrankungen oder intestinale Zweiterkrankungen belastet sind, geeignete Maßnahmen zur Optimierung der Funktionen des Kontinenzorganes auszuschöpfen. 3. Häufigeres Auftreten von Störungen der Stuhlgewohnheiten und Minderung manometrisch meßbarer Leistungen des Kontinenzorganes kann nach unseren Ergebnissen bei tiefer gelegener Anastomose sowie postoperativer Bestrahlung erwartet werden. In beiden Fällen scheint ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Schädigungsmechanismen, nicht eine einzelne Schädigung ursächlich zu sein. Eine Aussage über den Einfluß der Art der Anastomosennaht auf unsere Ergebnisse ist dagegen wegen vielfältiger Wechselbeziehungen nur eingeschränkt möglich, insgesamt scheint die Nahttechnik jedoch nur eine untergeordnete Rolle für das funktionelle Ergebnis der AR zu spielen. 4. Die Bedeutung einzelner anorektaler manometrischer Parameter für die Stuhlgewohnheiten der Patienten kann nur in deren komplexen Zusammenspiel erklärt werden. Die Minderung einer isolierten manometrisch meßbaren Leistung allein konnte in keinem Falle mit der Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit in Verbindung gebracht werden. In allen Fällen, in denen für eine manometrische Größe signifikante Unterschiede zwischen Patientengruppen mit gestörten und ungestörten Stuhlgewohnheiten festgestellt werden konnten, waren solche Unterschiede auch für andere manometrische Größen feststellbar – wenn auch statistisch „unterschwellig“. Es muß deshalb eine synergistisch wirkende Leistungsminderungen verschiedener Komponenten des Kontinenzorganes angenommen werden. Dies heißt andererseits, daß die von uns verwandten manometrischen Meßparameter zwar zur Charakterisierung des funktionellen Status des Kontinenzorganes insgesamt eingesetzt werden können, daß aber Voraussagen über zu erwartende Störungen von Stuhlgewohnheiten aufgrund einzelner manometrischer Werte nicht möglich sind.. 5. Zur Erreichung möglichst ungestörter Stuhlgewohnheiten nach AR können folgende Empfehlungen gegeben werden: 68 • Unter Wahrung der Radikalitätsprinzipien sollte ein möglichst langer distaler Rektumstumpf erhalten bleiben. Dies wird durch die Anlage einer möglichst hohen Anastomose erreicht. Bei Patienten, bei denen die Lage des Tumors ein tiefes Absetzen des Rektums erforderlich macht, ist die Bildung eines Kolonpouch zu erwägen. • In die Entscheidung für oder gegen eine postoperative Bestrahlung muß eine mögliche Verschlechterung der Stuhlgewohnheiten des Patienten und deren mögliche Auswirkungen auf die verbliebene Lebensqualität einbezogen werden, solange nicht bewiesen ist, daß durch die postoperative Bestrahlung tatsächlich eine Verbesserung der Prognose zu erwarten ist.. • Da die Funktionsminderungen, die nach AR zu Störungen der Stuhlgewohnheiten führen, stets komplexer Natur sind, ist es sinnvoll, bei Patienten, die von Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR bedroht oder betroffen sind, alle Maßnahmen, von denen eine günstige Auswirkung auf die Stuhlgewohnheiten zu erwarten sind, auszuschöpfen. Dazu gehören neben den bereits angesprochenen Maßnahmen (Erhaltung eines möglichst langen Rektumstumpfes, Bildung eines Kolonpouch, Verzicht auf postoperative Bestrahlung) vor allem die Regulation der Stuhlkonsistenz mit diätetischen und medikamentösen Mitteln sowie die Optimierung der Leistungen des äußeren Schließmuskels durch aktive Beübung. Durch diese Maßnahmen sind günstige Effekte auf eventuell gestörte Stuhlgewohnheiten auch dann zu erwarten, wenn die vordergründig auslösende Schädigung des Kontinenzorganes an anderer Stelle vermutet wird, da anscheinend – innerhalb gewisser Grenzen – die geminderte Leistung eines Anteiles des Kontinenzorganes durch das optimale Funktionieren anderer Anteile (bzw. optimaler „Rahmenbedingungen“, zu denen auch die Konsistenz der Fäzes zählt) kompensiert werden kann. Dem Patienten mit Karzinom des Rektums wird durch die rechtzeitig durchgeführte anteriore Resektion das Weiterleben trotz Tumorerkrankung ermöglicht. Die weitere Lebensqualität dieser Patienten ist zu nicht unerheblichem Teil davon abhängig, ob es gelingt, Störungen der Stuhlgewohnheiten, die durch diesen Eingriff in das komplexe menschliche Kontinenzorgan entstehen können, zu vermeiden oder zu minimieren. Indem die vielfältigen möglichen Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR, ihre möglichen Ursachen im therapeutischen Vorgehen und ihr mögliches pathophysiologisches Substrat sowie Möglichkeiten zur Minimierung ihrer Auswirkungen aufgezeigt wurden, sollte diese Arbeit einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität nach anteriorer Resektion des Rektums leisten. 69 7 Zusammenfassung Im Rahmen einer Nachuntersuchung wurden 88 Patienten, die sich im Zeitraum von 01.02.1988 bis zum 30.11.1992 einer anterioren Resektion (AR) unterzogen hatten, zu ihren prä- und postoperativen Stuhlgewohnheiten, zu anorektalen Begleiterkrankungen und zu postoperativen Komplikationen befragt. Bei 57 dieser Patienten wurden zusätzlich anorektale manometrische Parameter, im einzelnen der anale Ruhedruck (ARD), der maximale Kneifdruck (MKD), der rektoanalen Relaxationsreflex (RARR), der maximale tolerierte Rektumdruck (MTRD), das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV) und die daraus abgeleitete rektale Compliance ermittelt. Durch statistische Tests wurde überprüft, inwieweit Vergleichsgruppen hinsichtlich unterschiedlicher Anastomosenhöhen und Anastomosentechniken sowie hinsichtlich stattgehabter und nicht stattgehabter postoperativer Bestrahlung Unterschiede in der Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten bzw. Unterschiede bei den manometrischen Meßwerten zeigten. Weiterhin wurde überprüft, ob es möglich war, einzelnen anorektalen Parametern bestimmte Störungen der Stuhlgewohnheiten statistisch zuzuordnen. Soweit von den Patienten bereits präoperativ vorhandene Störungen der Stuhlgewohnheiten geklagt wurden, war bemerkenswert, daß postoperativ zumeist eine Besserung oder keine Veränderung der Beschwerden, und nur in seltenen Fällen eine weitere Verschlechterung beobachtet wurde. Wir erklärten dies damit, daß solche Beschwerden möglicherweise durch den Tumor selbst, bzw. seine Raumforderung im Rektum, ausgelöst waren, und schlossen daraus, daß bei mittelgradigen präoperativen Veränderungen der Stuhlgewohnheiten eine sphinktererhaltende Operation durchaus sinnvoll sein kann, wenn sich ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Störung und dem Tumorleiden herstellen läßt. Bei Patienten mit höhergradigen Hämorrhoidalleiden, mit Wundheilungsstörungen im Bereich des kleinen Beckens, mit intestinalen Begleiterkrankungen und Zweitoperationen traten Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR relativ häufig auf. Diese Patienten sollten deshalb auf die Möglichkeit postoperativ gestörter Stuhlgewohnheiten aufmerksam gemacht werden. Dies gilt nur eingeschränkt für Patienten mit postoperativer Stenose der Anastomosenregion, da diese nach unseren Ergebnissen nur selten zu klinischen Symptomen führten. Die Auswertung der Patientenbefragung ergab, daß ein großer Teil der Patienten, die sich einer AR unterziehen mußten, von Störungen der Stuhlgewohnheiten betroffen war. So traten bei vielen Patienten Inkontinenz unterschiedlichen Ausmaßes, erhöhte Stuhlfrequenzen, Verkürzung der Stuhldrangkontrollzeiten, Stuhlschmieren, unsichere Diskrimination des Darminhaltes, unsichere Wahrnehmung des Stuhldranggefühles und Darmkrämpfe im Zusammenhang mit der Defäkation auf. Ebenso wurden von vielen Patienten Probleme mit hartem, vor allem aber mit ungeformtem Stuhl angegeben. Die zum Teil unerwartet große Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten in unserem Krankengut, vor allem auch im Vergleich zu Angaben aus der Literatur, führten wir auf das unselektierte Krankengut, den hohen Anteil nachbestrahlter Patienten und die z.T. äußerst unterschiedlichen Definitionen der zur Diskussion stehenden Begriffe zurück. Neben den Störungen der Stuhlgewohnheiten, die sich direkt durch strukturelle und funktionelle Einflüsse der AR auf das Kontinenzorgan erklären ließen, fiel in unserer Studie die relativ häufige Angabe von Veränderungen der Konsistenz der Fäzes, meist im Sinne ungeformter Stühle auf. Wir postulierten deshalb einen Einfluß der AR (bzw. der adiuvanten Bestrahlung) auch auf die Funktion höherer 70 Darmabschnitte und stellten mit Hinblick auf die häufig ungünstigeren manometrischen Werte von Patienten mit ungeformten Stühlen die Vermutung auf, daß für die Adaptation des postoperativen Kontinenzorganes eine gewisse Konsistenz der Fäzes Voraussetzung ist. Patienten mit Anastomosen kleiner oder gleich 10 cm über der AKL litten signifikant häufiger unter Inkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle und ungeformten Stühlen als Patienten mit höheren Anastomosen. Bei der manometrischen Untersuchung war für die Patientengruppe mit tieferen Anastomosenhöhen der RARR signifikant häufiger nicht nachweisbar, der ARD und die Compliance waren signifikant niedriger, der MTRD dagegen höher als bei der Vergleichsgruppe. Aus dem Vorhandensein sowohl ungünstigerer analer als auch rektaler Manometriewerte schlossen wir, daß bei tieferen Anastomosen komplexe Schäden, sowohl die Verschluß- als auch die Reservoirfunktion des Kontinenzorganes betreffend, häufiger auftreten. Als mögliche Schädigungsmechanismen identifizierten wir den Verlust eines Großteils des Rektums als Speicherorgan, den Verlust wichtiger nervalen Verbindungen und ebenso direkte und indirekte Schädigungen des Schließmuskelapparates und der versorgenden Nerven. Häufigeres Auftreten von ungeformten Stühlen bei Patienten mit tieferen Anastomosen sahen wir als Hinweis darauf, daß die Funktionen höherer Darmabschnitte, verantwortlich für Passagegeschwindigkeit und Eindickung der Fäzes, möglicherweise mit der Länge des verbliebenen Rektums in Beziehung stehen könnten. Wir folgerten, daß unter funktionellen Gesichtspunkten die Erhaltung eines möglichst großen Anteil des distalen Rektums anzustreben sei und, wenn die Lokalisation des Tumors eine sehr tiefe Anastomose erforderlich macht, die Möglichkeit der Bildung eines Kolonpouch zur Reservoirvergrößerung erwogen werden sollte. Zwischen Patienten mit Handnaht und Patienten mit Klammernaht-Anastomose konnte bezüglich Störungen der Stuhlgewohnheiten nur für die Stuhlfrequenz eine signifikante Abweichung der Häufigkeiten festgestellt werden, sie war bei den KlammernahtAnastomosen häufiger erhöht. Bei den manometrischen Ergebnissen fand sich als einziger Unterschied zwischen den Patienten mit Hand- und Klammernaht-Anastomosen durchschnittlich niedrigere MTRV- Werte bei den Patienten mit Klammernaht-Anastomosen. Die Frage, inwieweit diese Unterschiede tatsächlich den unterschiedlichen Nahttechniken angelastet werden konnten, ließ sich durch unsere Arbeit nicht beantworten, zumal sich zeigte, daß die Patienten mit Klammernaht-Anastomosen auch häufig niedrigere Anastomosenhöhen aufwiesen und sich häufiger postoperative Bestrahlungen unterzogen hatten. Wir vermuteten deshalb, daß die tatsächlichen funktionellen Unterschiede zwischen hand- und maschinengenähten Anastomosen allenfalls geringgradig einzuschätzen sind und daß eine Bevorzugung der einen oder anderen Methode aus funktioneller Sicht derzeit nicht gerechtfertigt wäre. Im Vergleich zwischen Patienten mit und ohne postoperative Bestrahlung waren Inkontinenz, erhöhte Stuhlfrequenz und verkürzte Stuhldrangkontrolle ebenso wie Angaben zu ungeformten Stühlen signifikant häufiger bei Patienten mit stattgehabter postoperativer Bestrahlung. Zudem waren in letztgenannter Patientengruppe die durchschnittlichen ARD-, MTRV-, und Compliance-Werte signifikant niedriger, die MTRV- Werte höher als in der Vergleichsgruppe. Wir sahen die weitaus ungünstigeren Ergebnisse in der Gruppe der nachbestrahlten Patienten als Folge strahlenbedingter Schäden der Rektumwand, vor allem der dort vorhandenen nervösen Plexus. Darüber hinaus vermuteten wir direkte Schäden an der vaskulären Versorgung des Schließmuskelapparates und Strahlenschäden auch an höheren Darmabschnitten, verbunden mit einer häufigeren Neigung zu ungeformten Stühlen. Ein komplexes Zusammenspiel dieser Schädigungsmechanismen mit Auswirkung auf 71 verschiedene Leistungen des Kontinenzorganes machten wir auch hier, wie im Falle der tiefen Anastomosen, für die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen verantwortlich. Wir folgerten, daß in Fällen unsicherer onkologischer Indikation in die Entscheidung für oder gegen eine postoperative Bestrahlung die mögliche Minderung der Lebensqualität durch strahlenbedingte Störungen der Stuhlgewohnheiten einbezogen werden sollte. Die Gegenüberstellung der manometrischen Durchschnittswerte von Patientengruppen mit nicht oder nur geringgradig gestörten Stuhlgewohnheiten einerseits und höhergradig gestörten Stuhlgewohnheiten andererseits ergab folgende statistisch signifikanten Unterschiede: Der RARR war häufiger positiv bei Patienten mit guter Stuhldrangkontrolle gegenüber solchen mit verkürzter Stuhldrangkontrollzeit. Für den ARD ließen sich in keinem Fall signifikante Unterschiede zwischen Vergleichsgruppen mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten zeigen. Die MKD waren höher bei der Patientengruppe mit guter Stuhldrangkontrolle und der Gruppe mit den geformten Fäzes im Vergleich zu dem entsprechenden Gruppen. Niedrigere Durchschnittswerten beim MTRD fanden sich bei Patienten ohne oder mit nur geringgradiger Inkontinenz. Beim MTRV ließen sich dagegen höhere Werte in der Patientengruppe mit guter Stuhldrangkontrolle im Vergleich zur Patientengruppe mit verkürzter Stuhldrangkontrolle finden. Höhere Werte der rektalen Compliance gegenüber den jeweiligen Vergleichsgruppen erreichten schließlich Patienten mit nicht oder nur geringgradig gestörter Kontinenzleistung und mit unverkürzter Stuhldrangkontrolle, ebenso wie Patienten mit geformten Fäzes gegenüber Patienten mit ungeformten Fäzes. Es wurde deutlich, daß es einen monokausalen Zusammenhang zwischen einer einzelnen manometrischen Größe und einer gestörten Stuhlgewohnheit nicht gab. Einerseits waren die Streubreiten der einzelnen Werte, auch bei Vergleichsgruppen mit signifikanten Unterschieden der Durchschnittswerte eines manometrischen Parameters, so groß, daß ein Patient mit einer Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit durchaus einen manometrischen Wert aufweisen konnte, der günstiger als der Durchschnittswert der Gruppe ohne die betreffende Störung war. Andererseits fiel auf, daß in jedem Fall, in dem wir für einen manometrischen Parameter signifikante Unterschiede der Durchschnittswerte zwischen zwei Vergleichsgruppen fanden, zumeist auch alle anderen Manometrieparameter in der Vergleichsgruppe mit der gestörten Stuhlgewohnheit den jeweils ungünstigeren Wert aufwiesen, wenn auch dieser Unterschied in den weitaus meisten Fällen statistisch unsignifikant blieb. Wir erklärten uns die großen Streubreiten aller manometrischen Werte, neben anzunehmender methodischer Ungenauigkeiten, vor allem aus dem komplexen Zusammenspiel aller Funktionen des Kontinenzorganes und den komplexen Schädigungsmechanismen im Gefolge der AR. Dieses bewirkt, daß nicht eine gestörte Funktion des Kontinenzorganes allein eine Störung einer Stuhlgewohnheit verursacht, sondern immer auch andere Funktionen des Kontinenzorganes gestört sein müssen, wenn eine Störung des Kontinenzorganes manifest werden soll. Die gestörte Leistung eines Teils des Kontinenzorganes (repräsentiert durch den entsprechenden Manometrieparameter), für die ein Einfluß auf eine bestimmte Stuhlgewohnheit angenommen werden kann, muß dann nicht zur Störung führen, wenn andere Leistungen des Kontinenzorganes (die sich in anderen manometrischen Parametern manifestieren) die partielle Minderleistung kompensieren. Andererseits kann die Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit auftreten, obwohl ein für diese Störung als wichtig erkannter Parameter im mittleren oder für günstig befundenen Wertebereich lag, wenn bei anderen Parametern, die ebenfalls für die betreffende Stuhlgewohnheit wichtige Funktionen repräsentierten, ungünstige Werte gemessen wurden. Wir schlossen daraus, daß anorektale manometrische Untersuchungen bei Erkrankungen und chirurgischen Maßnahmen, die wie die AR das ganze Kontinenzorgan betreffen, immer in 72 ihrer Gesamtheit, gewissermaßen als “Funktionsstatus” des Kontinenzorganes betrachtet werden sollten, ohne daß aus einzelnen Manometrieergebnissen Rückschlüsse auf bestimmte Störungen der Stuhlgewohnheiten gezogen werden sollten. Aus der komplexen Verflechtung der einzelnen Leistungen des Kontinenzorganes folgerten wir weiterhin, daß im Falle drohender oder manifester Störungen der Stuhlgewohnheiten bei Patienten nach AR alle Maßnahmen, die zur Besserung einzelner Funktionen des Kontinenzorganes führen könnten, unternommen werden sollten. Diese sollten neben der Bildung eines möglichst großen (neo-) rektalen Reservoirs durch geeignete operative Maßnahmen die Vermeidung zusätzlicher Schäden durch schonende Operationstechnik, gegebenenfalls den Verzicht auf postoperative Bestrahlung, aber auch Regulierung der Konsistenz der Fäzes im Sinne einer baldmöglichen postoperativen Rückkehr zu geformten Stühlen und intensives Beckenbodentraining zur Erhöhung der aktiven Verschlußfähigkeit des Kontinenzorganes umfassen. 73 8 Anhang Literaturverzeichnis [1] BATIGNANI, G; MONACI, I.; FICARI, F.; TONELLI, F.: What affects continence after anterior resection of the rectum? Dis. Col. 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Es werden einerseits Fragen nach analen Vorerkrankungen, einer eventuellen Bestrahlung und Besonderheiten im Heilungsverlauf nach Ihrer Operation, andererseits zu Ihren Stuhlgewohnheiten gestellt. Damit hoffen wir mehr darüber zu erfahren, wieviel Nutzen Ihnen die Operation tatsächlich gebracht hat. Der Arzt, der den Patienten operiert hat, ist ja im Allgemeinen nicht derjenige, der ihn weiterbehandelt. Deshalb wählen wir diesen Weg, um den Nutzen (oder Schaden), der Ihnen aus Ihrer Operation entstanden ist, besser einschätzen zu können. Teil A Besonderheiten Traten nach der Operation besondere Schwierigkeiten auf? a.) b.) c.) d.) e.) Nein () eine Darmnaht platze oder war undicht () es bildete sich eine Eiterhöhle (Abszeß) im kleinen Becken () es bildete sich eine Fistel am After () Sonstiges (bitte kurz beschreiben)................................................................................... ......................................................................................................................................... Wurden Sie nach der Operation bestrahlt? a.) b.) Nein Ja () () Leiden/litten Sie unter Erkrankungen des Afters (Hämorrhoiden, Fisteln, Marisken)? Vor der Erkrankung / () Jetzt () a.) Nein b.) Ja (welche?) ...................................................................................................................... ........................................................................................................................................... 78 Teil B Zu den Stuhlgewohnheiten Verlieren/verloren Sie gegen Ihren Willen Darmluft, ungeformten oder gar festen Stuhl, und wenn ja, wie oft? Vor der Erkrankung / Jetzt a.) Nein () () b.) Weniger als einmal wöchentlich () () c.) Mehr als einmal wöchentlich () () d.) Täglich () () und wofür traf/trifft das zu? a.) b.) c.) d.) Traf/trifft nicht zu Für Darmwinde Für ungeformten Stuhl Für festen Stuhl Vor der Erkrankung / () () () () Jetzt () () () () Wie häufig mußten/müssen Sie die Toilette aufsuchen? a.) b.) c.) d.) 1-2 mal täglich 3-5 mal täglich 6-10 mal täglich Öfter Vor der Erkrankung / () () () () Jetzt () () () () Was passierte/passiert, wenn Sie Stuhldrang verspüren? a.) b.) c.) Vor der Erkrankung / Ich konnte/kann es gut zurückhalten und selbst bestimmen, () wann ich zur Toilette gehe Ich mußte/muß versuchen, noch schnell die nächste Toilette zu erreichen, bevor es zu spät ist Jetzt () () () Meistens war/ist es dann schon zu () spät, um eine Malheur zu verhindern () 79 Hatten/haben Sie schon einmal „Stuhlschmieren“ (das ist, wenn man die Unterwäsche verschmutzt, ohne daß es im eigentlichen Sinne zum Einkoten kommt) bemerkt? a.) b.) c.) Nein Gelegentlich Täglich Vor der Erkrankung / () () () Jetzt () () () Können/konnten Sie immer sicher zwischen Stuhlgang und Blähungen unterscheiden? a.) b.) c.) Vor der Erkrankung / Ja () Gelegentlich (bei Durchfall oder „Streß“) war/bin ich mir unsicher () Nein, ich konnte/kann nicht zwischen Stuhl und Blähungen unterscheiden () Jetzt () () () Besaßen/besitzen Sie ein sicheres Stuhldranggefühl (das heißt ein Völlegefühl des Darmes, das Ihnen sicher sagt, wann Sie die Toilette aufsuchen müssen)? a.) b.) c.) Ja Gelegentlich nicht Nein Vor der Erkrankung / () () () Jetzt () () () Litten/Leiden Sie unter Darmkrämpfen statt oder in Zusammenhang mit dem Stuhldrang? a.) b.) c.) Nein Gelegentlich Ja Vor der Erkrankung / () () () Jetzt () () () Wie war/ist die Beschaffenheit Ihres Stuhles (im „Normalfall“, nicht in Ausnahmefällen)? a.) b.) c.) d.) Fest/geformt Hart Breiig flüssig/durchfallartig Vor der Erkrankung / () () () () Jetzt () () () () Um einen reibungslosen Rücklauf des Fragebogens zu garantieren, bitten wir Sie, den beigefügten (und bereits frankierten) Antwortumschlag zu verwenden. Bitte geben Sie den Fragebogen nicht in der Poliklinik ab. Wir danken Ihnen für Ihre Mitarbeit 80 Danksagung Mein Dank gilt Herrn Prof. em. Dr. med. Rudolf Häring, ehem. Leiter der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der chirurgischen Klinik und Poliklinik im Klinikum Steglitz, für die freundliche Überlassung des Themas. Weiterhin danke ich Herrn Dr. J. Boese-Landgraf, Chefarzt der Chirurgischen Klinik im Städtischen Krankenhaus Chemnitz, unter dessen Leitung ich die vorliegende Arbeit zum Abschluß bringen durfte. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. med. Eric Lorenz, leitender Oberarzt der Chirurgischen Abteilung im Behringkrankenhaus Zehlendorf, der mich in die Methode der anorektalen Manometrie einführte und in allen Phasen der Durchführung der Studie ermunterte, beriet und betreute. Die Mitarbeiterinnen der chirurgischen Poliklinik und der Forschungslabors hatten stets ein offenes Ohr bei organisatorischen und technischen Problemen. Bei ihnen möchte ich mich ebenfalls herzlich bedanken. Schließlich sei den vielen Patienten gedankt, die der zusätzlichen Belastung durch Befragung und Untersuchung zustimmten. Ohne ihren freiwilligen und uneigennützigen Beitrag wäre diese Studie nicht durchführbar gewesen. 81 Lebenslauf Name: Brüggemann-Wenzel Geburtsname: Wenzel Vorname: Martin Geburtsdatum: 13. Juni 1962 Geburtsort: Schweinfurt Vater: Richard Wenzel, Bankkaufmann Mutter: Edda Wenzel, Hausfrau Familienstand: verheiratet Staatsangehörigkeit: deutsch Konfession: evangelisch Schulbildung 1968 - 1972 Grundschule, Sennfeld/Unterfranken 1972 - 1981 Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, Schweinfurt Mai 1981 Allgemeine Hochschulreife Zivildienst März 1982 - Juni 1983 Zivildienst im Rettungsdienst beim Bayerischen Roten Kreuz, Kreisverband Schweinfurt Studium Okt. 1984 - Sept. 1987 Beginn des Studiums der Humanmedizin an der Universität Triest in Italien Okt. 1987 - Mai 1992 Nach Anerkennung der ärztlichen Vorprüfung Weiterführung des Studiums an der Freien Universität Berlin, Abschluß durch Ablegung des dritten Abschnittes der ärztlichen Prüfung am 20. Mai 1992 82 Bisherige berufliche Laufbahn 13. Sept. 1993 - 31. Jan. 1994 Arzt im Praktikum in der Abteilung für Pädiatrie im Krankenhaus Rudolstadt. 01. Febr. 1994 - 12. März 1995 Arzt im Praktikum in der Abteilung für Innere Medizin im Krankenhaus Rudolstadt 01. Apr. 1995 - 30. Sept. 1995 Assistenzarzt im „ITZ Etzelbach-Weißenburg“, Klinik für onkologische Rehabilitation 01. Okt. 1995 - 31. Dez. 1995 Assistenzarzt im „ITZ Etzelbach rheumatologische Akutklinik 01. Mai 1996 -30. Apr. 1997 Assistenzarzt in der Rehaklinik „Bergfried“ Saalfeld, Klinik für Herzkreislauferkrankungen, Diabetologie und Stoffwechselerkrankungen seit dem 01. Juli 1997 Assistenzarzt in der Klinik Bad Blankenburg, Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitserkrankungen Weißenburg“, Für die weitere berufliche Laufbahn strebe ich den Facharzt für Allgemeinmedizin an. Privates Seit 27.01.1995 verheiratet mit Frau Katharina Brüggemann, Magistra Artium der Kunstgeschichte und Geschichte aus Oberhausen/Rheinland; zwei gemeinsame Kinder. Rudolstadt, den 24. Mai 1998