Stuhlgewohnheiten nach Anteriorer Resektion des Rektums bei

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Aus der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie
der Chirurgischen Klinik und Poliklinik
im Klinikum Benjamin Franklin
der Freien Universität Berlin
Ehemaliger geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. Häring
Stuhlgewohnheiten nach
Anteriorer Resektion des Rektums
bei Karzinom –
klinische und manometrische
Ergebnisse
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung der medizinischen Doktorwürde
des Fachbereiches Humanmedizin
der Freien Universität Berlin
vorgelegt von Martin Brüggemann-Wenzel
aus Schweinfurt
Referent:
Priv.-Doz. Dr. J. Boese-Landgraf
Koreferent:
Prof. Dr. K.-J. Bauknecht
Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fachbereiche
der Freien Universität Berlin.
Promoviert am:
07.05.1999
2
Meinen Eltern in Liebe gewidmet
3
Abkürzungsverzeichnis
6
1
EINFÜHRUNG UND ZIELSETZUNG
7
2
GRUNDLAGEN
8
2.1 Anatomie des Anorektums
2.1.1 Rektum
2.1.2 Analkanal
2.1.3 Schließmuskelapparat
2.1.4 Levatorengruppe
2.1.5 Gefäßversorgung
2.1.6 Nervenversorgung
8
8
9
10
11
11
12
2.2 Physiologie des Kontinenzorganes
2.2.1 Barriere- und Reservoirfunktion
2.2.2 Sensorische Funktion
2.2.3 Innerer und äußerer Schließmuskel
2.2.4 Strukturelle Faktoren
2.2.5 Reflexe und bewußte Wahrnehmung
2.2.6 “Corpus cavernosum ani“
2.2.7 Defäkation und Passage von Winden
13
13
13
14
14
15
15
16
2.3 Manometrische Untersuchung des Kontinenzorganes
2.3.1 Elektromanometrische Ableitungsverfahren
2.3.2 Elektromanometrische Meßparameter
17
17
18
2.4 Chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms
19
2.4.1 Allgemeine tumorchirurgische Überlegungen
19
2.4.2 Begleitende Strahlentherapie
20
2.4.3 Anteriore Resektion, „tiefe“ anteriore Resektion und Klammernaht-Anastomose20
3
PATIENTEN UND METHODEN
22
3.1 Patientengut
3.1.1 Patientenrekrutierung
3.1.2 Eigenschaften der Patienten
22
22
22
3.2
23
Fragebogen
3.3 Manometrische Untersuchung
3.3.1 Inspektion
3.3.2 Aufbau des elektromanometrischen Messplatzes
3.3.3 Ablauf der elektromanometrischen Untersuchung und Parameter
3.3.4 Auswertung der Meßergebnisse
23
23
23
25
26
3.4
28
Statistische Verfahren
4
4
5
ERGEBNISSE
29
4.1 Präoperativ bekannte Störungen der Stuhlgewohnheiten, begleitende
Erkrankungen und postoperative Komplikationen
29
4.2 Störungen der Stuhlgewohnheiten
4.2.1 Kontinenzverhalten
4.2.2 Erhöhte Stuhlfrequenz
4.2.3 Gestörte Stuhldrangkontrolle
4.2.4 Stuhlschmieren
4.2.5 Erschwerte Diskrimination des Darminhaltes
4.2.6 Mangelnde Wahrnehmung des Stuhldranggefühls
4.2.7 Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation
4.2.8 Veränderte Konsistenz der Stühle
30
30
31
32
32
33
33
34
34
4.3 Einfluß der Anastomosenhöhe, der Anastomosenart und der postoperativen
Bestrahlung auf Störungen der Stuhlgewohnheiten und manometrische Ergebnisse
4.3.1 Anastomosenhöhe
4.3.2 Anastomosenart
4.3.3 Postoperative Bestrahlung
35
36
38
40
4.4 Manometrische Ergebnisse bei Patientengruppen mit unterschiedlich stark
gestörten Stuhlgewohnheiten
43
DISKUSSION
45
5.1
Zu den begleitenden Erkrankungen und postoperativen Komplikationen
45
5.2
Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten
46
5.3 Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten und den manometrischen Ergebnissen
bei Patientengruppen mit unterschiedlichen Bedingungen hinsichtlich
Anastomosenhöhe, Anastomosenart und postoperativer Bestrahlung
49
5.3.1 Anastomosenhöhe
50
5.3.2 Art der Anastomosennaht
52
5.3.3 Nachbestrahlung
54
5.4 Zu den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen mit unterschiedlich
stark gestörten Stuhlgewohnheiten
56
5.4.1 Rektoanaler Relaxationsreflex
56
5.4.2 Analer Ruhedruck
57
5.4.3 Maximaler Kneifdruck
60
5.4.4 Maximaler tolerierter Rektumdruck
61
5.4.5 Maximales toleriertes Rektumvolumen
62
5.4.6 Die rektale Compliance
64
6
SCHLUßFOLGERUNGEN
67
7
ZUSAMMENFASSUNG
69
8
ANHANG
73
5
Literaturverzeichnis
73
Fragebogen
77
Danksagung
80
Lebenslauf
81
6
Abkürzungsverzeichnis
Anatomische und chirurgische Begriffe
AK
Analkanal
AKL
Anokutanlinie
APER
abdominoperineale Exstirpation des Rektums
AR
anteriore Rektumresektion
Manometrische Parameter
ARD
analer Ruhedruck
MKD
maximaler analer Kneifdruck
RARR
rektoanaler Relaxationsreflex
MTRD
maximaler tolerierter Rektumdruck
MTRV
maximales toleriertes Rektumvolumen
7
1
Einführung und Zielsetzung
Die kontinenzerhaltende Operation in der Technik der anterioren Resektion (AR) hat sich in
den letzten Jahrzehnten zur Vorzugstherapie des rektosigmoidalen Karzinoms entwickelt.
Besonders die Verfügbarkeit über maschinelle Klammernahttechniken [2],[17],[20],[24],[56]
sowie neue Einsichten in die Pathophysiologie [31] haben die Indikation zur abdominoperinealen Exstirpation des Rektums (APER), seit ihrer Einführung durch Miles 1908 der „goldene Standard“ in der Kolonchirurgie, auf wenige sehr fortgeschrittene und/oder sehr tief
liegende Tumoren beschränkt [5],[19],[23]. Es steht heute außer Zweifel, daß durch die AR
bei sorgfältiger Indikationsstellung die Anforderungen der kurativen Tumorchirurgie nicht
kompromittiert werden, während dem Patienten die schwere Verletzung der körperlichen
Integrität, die mit einem künstlichen Darmausgang verbunden ist, erspart bleibt [64].
Die AR ist somit auch in der chirurgischen Klinik des Universitätsklinikum BenjaminFranklin zum häufigsten kurativen Eingriff in der Therapie des Rektumkarzinoms geworden.
Wir stellten uns deshalb die Frage, in welchem Maße dieser Eingriff die Stuhlgewohnheiten
der Patienten veränderte und inwieweit bestimmte Begleitumstände der Operation (Höhe der
Anastomose im Rektum, Art der Anastomosennaht), aber auch stattgehabte oder nicht
stattgehabte postoperative Strahlentherapie die subjektiven und objektiven Stuhlgewohnheiten
der Patienten beeinflußten. Dabei mußten bereits vor der Operation vorhandene Störungen der
Stuhlgewohnheiten und anorektale Begleiterkrankungen Berücksichtigung finden. Weiter
interessierte uns, ob es möglich war, mittels anorektaler Manometrie nachzuweisen, welcher
Anteil des Kontinenzorganes bei der einen oder anderen der genannten Patientenuntergruppen
besonders in Mitleidenschaft gezogen worden war, und inwieweit sich die subjektiven
Störungen der Stuhlgewohnheiten diesen objektiven, mittels anorektaler Manometrie
gewonnnenen Parametern zuordnen ließen. Aus der Beantwortung dieser Fragen erhofften wir
uns nicht nur Aufschlüsse über die epidemiologische Bedeutung von Störungen der
Stuhlgewohnheiten bei an Rektumkarzinom operierten Patienten, sondern auch darüber,
welche Details des therapeutischen Vorgehens am Auftreten von Störungen der
Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Resektion den wesentlichsten Anteil hatten, um somit
eventuell Empfehlungen zur Modifikation des therapeutischen Vorgehens bzw.
Wiederherstellung postoperativ gestörter Stuhlgewohnheiten geben zu können.
Die Ziele der Untersuchung können somit wie folgt zusammengefaßt werden:
•
die Störungen der Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Rektumresektion unter
Berücksichtigung bereits vor der Operation vorhandener Störungen und anorektaler
Begleiterkrankungen zu dokumentieren.
• geeignete manometrische Parameter zu erheben, um die postoperative Schließmuskelleistung sowie die Reservoirkapazität des Rektums zu objektivieren.
• mögliche Unterschiede bei den Stuhlgewohnheiten und den Manometrieergebnissen für
Patientengruppen mit unterschiedlichen Anastomosenhöhen und Anastomosenarten sowie
mit oder ohne postoperative Bestrahlung aufzudecken.
• aufzuzeigen, inwieweit die erhobenen manometrischen Parameter Aussagen über die von
den Patienten subjektiv erlebten Störungen ihrer Stuhlgewohnheiten zuließen.
8
2
Grundlagen
2.1
2.1.1
Anatomie des Anorektums
Rektum
Abbildung 1: Frontalschnitt durch Rektum und Analkanal.
Orientierungspunkte
und
wichtige
Strukturen.
Alle
Entfernungsangaben beziehen sich auf die Anokutanlinie.
Modifiziert nach [49].
Das Rektum geht etwa in Höhe des dritten Sakralwirbels aus dem Sigma hervor, indem sich
dessen in drei Tänien gebündelte Längsmuskulatur nach und nach ausbreitet, um schließlich
den durchgehenden Längsmuskelschlauch des Rektums zu bilden.
Angeschmiegt an die Konkavität des Kreuz- und Steißbeins erreicht das Rektum den
Beckenboden. Dort wendet es sich unvermittelt nach hinten und unten und dringt in die
Levatormuskulatur ein, um in den Analkanal zu münden. Die letzten 2-3 cm sind so von der
Levatormuskulatur umgeben.
Das Rektum mißt etwa 12-15 cm. Seine drei seitlichen äußeren Krümmungen
korrespondieren mit den Houston'schen Klappen im Inneren, deren mittlere, rechte, auch als
Kohlrausch'sche Falte bezeichnet wird. Sie entspricht in etwa der vorderen peritonealen
Umschlagsfalte und grenzt die oberen zwei Drittel des Rektums gegen die extraperitoneal
gelegene, weitlumigere Rektumampulle ab.
In der klinischen Arbeit hat sich die Einteilung nach topographischen Gesichtspunkten als
nicht zweckmäßig erwiesen; es soll deshalb auch in dieser Arbeit, wie es weitverbreitete
9
Praxis ist [51],[68], der Abstand von der Anokutanlinie bzw. von der ca. 2 cm proximal
davon gelegenen Linea dentata für die Unterteilung des Rektums herangezogen werden:
1. Unteres Rektum: 4-8 cm von der Anokutanlinie (entsprechend 2-6 cm von der Linea
dentata).
2. Mittleres Rektum: > 8 cm-12 cm von der. Anokutanlinie (entsprechend > 6-10 cm von der
Linea dentata).
3. Oberes Rektum: > 12 cm-16 cm von der Anokutanlinie (entsprechend > 10-14 cm von der
Linea dentata).
Die Entfernungen der anatomischen Orientierungspunkte (siehe Abbildung 1) von der Anokutanlinie und der Linea dentata unterliegen allerdings individuellen und geschlechtsspezifischen Schwankungen. So liegt bei Fettleibigen die peritoneale Umschlagsfalte höher als bei
Mageren, bei Männern höher als bei Frauen.
Andererseits weist das Rektum eine gewisse „Längenreserve“ auf; bei vollständiger chirurgischer Mobilisation läßt sich das Rektum noch erheblich strecken, wodurch mehrere Zentimeter zusätzlicher Länge gewonnen werden können.
Diese Überlegungen zu Abständen im Anorektum haben praktische Konsequenzen, wenn es
darum geht, aus der Höhe eines Tumors über der Anokutanlinie die Möglichkeit zur
anterioren Resektion abzuschätzen.
Fasziale Umhüllung: Der extraperitoneal gelegene Teil des Rektums wird nach ventral durch
die Denonvillier`schen Faszie von der Vagina der Frau bzw. der Prostata und den
Samenbläschen getrennt. Dorsal des Darmrohres umhüllt die Fascia propria recti das Rektum.
Denonvillier'sche Faszie und Fascia propria recti setzen sich zu beiden Seiten des Rektums in
Bindegewebe fort, welches als Ligamenta lateralia recti oder Paraproktien das Rektum
beiderseits mit der Fascia parietalis pelvis verbindet. Diese Paraproktien müssen bei der tiefen
Rektummobilisation ligiert werden.
Kreuz- und Steißbein werden von der derben Fascia presacralis bedeckt. Ungefähr auf Höhe
des vierten Sakralwirbels entspringt aus ihr eine derbe, gefäßlose Faszie, die nach vorne unten
verläuft, um am anorektalen Übergang auf die Fascia propria recti zu treffen. Diese wird als
Fascia rectosacralis oder Waldeyer`sche Faszie beschrieben.
Den organeigenen Hüllfaszien des Rektums kommt eine große tumorchirurgische Bedeutung
zu [19], da sie dem Krebswachstum lange Zeit ein unüberwindliches Hindernis entgegenstellen.
2.1.2 Analkanal
Der Analkanal ist der letzte Abschnitt des Verdauungstrakts. Er beginnt am anorektalen
Übergang, hat eine Länge von 3-4 cm und endet an der Anokutanlinie.
Zur groben Orientierung im Anus können folgende Strukturen eingesetzt werden: Die
Anokutanlinie, etwa zwei Zentimeter davon entfernt die Linea dentata, und wiederum etwa
zwei Zentimeter proximal, der anorektale Ring, der den tastbaren, proximalen Rand des
Sphinkterkomplexes darstellt.
10
Oberhalb der Linea dentata, wo sich das Rektum zum Analkanal hin verengt, bilden sich die
als Morgagni`sche Säulen bezeichneten Längsfalten der Rektumschleimhaut. Die Schleimhauttaschen am tiefsten Punkt zwischen zwei benachbarten Säulen bilden die analen Krypten.
Die Linea dentata ist die Grenze zwischen intestinalen Zylinderepithel proximal und
Plattenepithel distal. Dieser Wechsel ist jedoch nicht unvermittelt; in einem Bereich ca. 612 mm über der Linea dentata befindet sich die sogenannte Transitionszone, in der
Zylinderepithel, Übergangsepithel und Plattenepithel gefunden werden kann.
Das Plattenepithel zwischen Linea dentata und Anokutanlinie schließlich ist noch keine Haut
im eigentlichen Sinne. Hautanhangsgebilde wie Haare, Talg- und Schweißdrüsen fehlen ihm.
Es wird als Anoderm bezeichnet. In ihm befinden sich die hochsensiblen Rezeptoren, die die
Diskrimination des Darminhaltes während des „samplings“ (2.2.5) ermöglichen und die
besondere Schmerzempfindlichkeit dieser Region bedingen.
In den Analkanal münden 4-10 intramuskuläre Drüsen. Jede von ihnen ist mit mehrschichtigem Zylinderepithel ausgekleidet und endet in einer Analkrypte. Proktologisch sind diese
Drüsen von Bedeutung, da sie häufig zum Ausgangspunkt analer Fisteln und Abszeße
werden.
2.1.3
Schließmuskelapparat
Abbildung 2: Seitliche Ansicht eines weiblichen Beckens. Die
Beziehungen des Rektums zum Schließmuskelapparat sind hervorgehoben. Modifiziert nach [49].
Der Schließmuskelapparat besteht aus zwei ineinandergesteckten Muskelschläuchen. Der
innere von beiden (M. sphincter ani internus) ist etwa 2,5 cm lang und besteht aus glatter,
unwillkürlicher Muskulatur. Er bildet den verdickten, zum eigenständigen Muskel
umgestalteten Abschluß der Ringmuskulatur des Magen-Darm-Traktes. Sein distales Ende
befindet sich ca. 1-1,5 cm distal der Linea dentata.
11
Der äußere Muskelschlauch (M. sphincter ani externus) wurde ursprünglich als dreiteilig
(Pars Subcutanea, Pars Superficialis und Pars Profunda) beschrieben. Goligher [16] zeigte,
daß er aus einem durchgehenden, elliptischen Zylinder von willkürlicher Skelettmuskulatur
aufgebaut ist, der den Analkanal und den inneren Schließmuskel umgibt.
Sein proximaler Anteil (Pars profunda) verflicht sich derart mit dem M. puborectalis, daß
manche Autoren den M. puborectalis aus der Gruppe der Levatoren herausnehmen und dem
äußeren Schließmuskel zurechnen [13]. Diese Zuordnung läßt sich auch physiologisch
rechtfertigen, da M. sphincter ani externus und M. puborectalis als motorische Einheit agieren
([21] S.18).
Die Innervation des äußeren Schließmuskels erfolgt durch den Nervus rectalis inferior und
einen perinealen Ast des vierten Sakralnerven.
Zwischen dem inneren und dem äußeren Schließmuskel vereinigen sich quergestreifte Fasern
aus dem M. puborectalis und dem M. pubococcigeus mit glatten Längsmuskelfasern des
Rektum. Sie durchdringen den subkutanen Teil des äußeren Schließmuskels und inserieren an
der perianalen Haut. Mit ihrer Eigenschaft, die Haut in der Umgebung des Anus zusammenziehen und runzeln zu können, bilden sie den M. corrugator ani.
2.1.4 Levatorengruppe
Der M. levator ani ist ein breiter, dünner Muskel, der den größten Teil des Beckenbodens
bildet. Er wird in den M. iliococcygeus, den M. pubococcygeus und den M. puborectalis
aufgeteilt. Der vierte Sakralnerv sorgt für seine Innnervation.
Der M. iliococcygeus hat seinen Ursprung an der Spina ischiadica und dem hinteren Teil der
Fascia obturatoria. Er setzt an den letzten beiden Kreuzbeinsegmenten und an der Raphe
coccygealis an.
Der M. pubococcygeus entspringt an der Rückseite des Schambeins und der vorderen Hälfte
der Fascia obturatoria. Seine Fasern verlaufen nach hinten, abwärts und medial und treffen
sich mit denen der Gegenseite in der sehnigen Raphe coccygealis.
Der M. puborectalis schließlich entspringt paarig an der Symphyse und dem Diaphragma
urogenitale. Er verläuft nach hinten und umfaßt das Rektum an seinem Übergang in den
Analkanal. Direkt hinter dem Rektum vereinigen sich die Fasern des linken und des rechten
M. puborectalis und bilden so die Puborektalisschlinge, die das Rektum schambeinwärts zieht
und so den anorektalen Winkel verursacht.
Die Puborektalisschlinge ist auch bei der rektalen Palpation tastbar; der proximale Rand von
Puborektalmuskel, innerem und äußerem Sphinkter, den der palpierende Finger am
anorektalen Übergang spürt, wird als anorektaler Ring bezeichnet. Wird dieser Ring im
Rahmen chirurgischer Eingriffe verletzt, ist in jedem Falle mit Störungen der Kontinenz zu
rechnen [13].
Die Beziehungen des Anorektums zum Schließmuskelapparat und zur Beckenbodenmuskulatur zeigt Abbildung 2.
2.1.5 Gefäßversorgung
Arterien: Die A. rectalis superior geht als letzter Ast aus der A. mesenterica inferior bei deren
Eintritt ins kleine Becken hervor. Dem Mesosigmoideum folgend, verzweigt sie sich auf
12
Höhe des vierten Sakralwirbels in einen rechten und einen linken Ast, deren rechter wiederum
in einen vorderen und einen hinteren. Nach weiteren Verästelungen durchdringt sie die
Rektummuskulatur, um in der Submukosa der Morgagni`schen Säulen, oberhalb der Linea
dentata, in einem dichten Kapillargeflecht zu enden. Dieses (arterielle) Gefäßgeflecht ist anatomisches Substrat des Stelzner'schen „Corpus cavernosum ani“ (s.u.) und Ausgangspunkt der
inneren Hämorrhoiden; die Stellen ihres bevorzugten Auftretens im Analkanal erklären sich
somit aus der Topographie der A. rect. sup. und ihrer Äste.
Die Aa. rectales mediae entstehen paarig als Äste der Aa. iliacae internae. Sie erreichen das
tiefe Rektum auf Höhe der Levatoren und versorgen dessen distalsten Teil sowie den oberen
Analkanal.
Die Aa. rectales inferiores zweigen im Alcock`schen Kanal aus den Aa. pudendales internae
ab. Sie durchqueren die Fossa ischiorectalis und versorgen den Schließmuskelapparat und den
Analkanal.
Die A. sacralis medialis, unpaariger letzter Ast der Aorta vor deren Bifurkation, verläuft über
die ventralen Flächen der letzten beiden Lumbalwirbel, Kreuz- und Steißbein zum Rektum.
Venen: Der venöse Rückstrom aus Rektum und Analkanal erfolgt über Venen, die dem
Verlauf der oberen, mittleren und unteren Rektalarterie folgen. Dabei fließt das Blut aus der
Vena rectalis superior über die Vena mesenterica inferior in den Portalkreislauf, während die
Vena rectalis media und die Vena rectalis inferior zur Vena cava hin drainieren. Auf dem
Niveau des Rektums befindet sich somit eine Verbindung zwischen systemischem und
portalem Kreislauf.
Lymphabfluß: Der Lymphabfluß von Rektum und Analkanal orientiert sich ebenfalls am
Verlauf der versorgenden Arterien. Im Hinblick auf die Bedeutung der Lymphdrainage als
Weg der Metastasierung anorektaler Karzinome lassen sich somit im Anorektum folgende
Zonen unterscheiden:
1. Das obere und mittlere Rektum mit ausschließlich kranial gerichtetem Lymphabfluß
entlang der A. rect. sup. und A. mesent. inf. in Richtung aortaler Lymphknotenstationen.
2. Das tiefe Rektum mit Lymphabfluß nach kranial und, längs der Aa. rect. mediae, zu
Lymphknotenstationen an der seitlichen Beckenwand.
3. Der Analkanal oberhalb der Linea dentata mit drei möglichen Drainagewegen: Nach
kranial und lateral wie bereits oben beschrieben und der A. rect. inf. folgend, zu den
Lymphknoten der Fossa ischiorectalis.
4. Unterhalb der Linea dentata fließt die Lymphe meist zu inguinalen Lymphknotenstationen
ab.
2.1.6 Nervenversorgung
Das Rektum unterliegt, wie der gesamte Dickdarm, der Kontrolle beider Komponenten des
autonomen Nervensystem, des Sympathikus und des Parasympathikus. Diese steuern auch die
Funktion des M. sphincter ani internus, wobei der Sympathikus für Kontraktion, der Parasympathikus für Relaxation sorgt. Weiter steht er in enger Verbindung mit dem Plexus myoentericus der Rektumwand, der wiederum dem Einfluß parasympathischer und sympathischer
Fasern ausgesetzt ist.
13
Der äußere, willkürliche Sphinkter wird somatisch innerviert; der Ramus pudendalis inferior
des Nervus pudendalis internus und der Ramus perinealis des vierten Sakralnervs versorgen
ihn. Auch die Levatormuskeln empfangen ihre (ebenfalls somatische) Innervation durch
Zweige des vierten Sakralnervs und durch Äste des Nervus pudendalis.
Die sensorische Innervation der perianalen Haut und besonders des hochsensiblen Anoderms
im Analkanal unterhalb der Linea dentata geschieht durch afferente Fasern im N. rectalis inf..
Ein schwaches, unscharf begrenztes Berührungsempfinden oberhalb der Linea dentata,
ausgelöst durch Hämorrhoiden oder die Berührung der Mukosa mit Untersuchungsinstrumenten, wird afferenten parasympathischen Fasern zugeschrieben.
2.2 Physiologie des Kontinenzorganes
Anale Kontinenz und die Fähigkeit zur willkürlich und unwillkürlich gesteuerten Defäkation
sind die physiologischen Leistungen des Kontinenzorganes. Zu ihrem Zustandekommen
bedarf es verschiedener, ineinandergreifender Faktoren und Mechanismen, die hier im
einzelnen erläutert werden sollen (Modifiziert nach [21], S.17).
2.2.1 Barriere- und Reservoirfunktion
Mechanisch: Der rektosigmoidale Winkel und die Houston’schen Klappen verlangsamen die
Progression von Stuhlmassen vom Kolon in das Rektum. Die Krümmung dieser anatomischen
Strukturen und damit ihr Barriere-Effekt wird zusätzlich durch das Stuhlgewicht verstärkt.
Motorisch: Im Rektum läßt sich eine stärkere motorischen Aktivität und eine höhere
Frequenz kontraktiver Wellen als im Sigma feststellen ([21], S.7). Dadurch ergibt sich ein
nach oral gerichteter Druckgradient, der dafür sorgt, daß das distale Rektum im Normalfall
leer und kollabiert bleibt.
Die Adaptationsfähigkeit des Kolons und des Rektosigmoides ermöglicht, daß die auf diesem
Niveau verweilenden Stuhlmassen für einige Zeit gespeichert werden.
2.2.2 Sensorische Funktion
Die Ankunft von Stuhl im Rektum übt auf das Rektum und seine Umgebung einen Dehnungsreiz aus, der auf der Ebene des Bewußtseins als Stuhldranggefühl wahrgenommen wird.
Nachdem diese Wahrnehmung zunächst nur freien Nervenendungen in der Rektumschleimhaut zugesprochen wurde, gibt es schon lange Hinweise dafür, daß die Füllung des Rektums
nicht allein durch die Rektumschleimhaut registriert wird. Vor allem Lane und Parks [33]
vertreten aufgrund ihrer Untersuchungen an Patienten mit vollständiger Rektumresektion und
koloanaler Anastomose die Ansicht, die entscheidenden Rezeptoren rektaler Distension
würden außerhalb der Rektumwand, wahrscheinlich in den Levatormuskeln sowie im
M. puborectalis, liegen.
Anders verhält es sich mit der Diskrimination der Beschaffenheit des Darminhaltes, d.h. die
Unterscheidung des Materials in feste, ungeformte oder gasförmige Exkremente. Sie ist eine
Leistung der Empfindung des Anoderms distal der Linea dentata. Duthie und Gairns (1960,
zitiert nach [16]) konnten im Anoderm des Analkanals neben freien (Schmerz-) Rezeptoren
nahezu alle Typen taktiler Rezeptoren nachweisen, in der Rektumschleimhaut dagegen neben
freien Nervenfasern und Ganglienzellen keine Rezeptoren.
14
2.2.3 Innerer und äußerer Schließmuskel
Der Verschluß des distalen Endes des Verdauungstraktes wird von der analen
Hochdruckzone gewährleistet. Sie ist etwa 4 cm lang und erstreckt sich von der
Anokutanlinie bis zum anorektalen Übergang. Die höchsten Druckwerte in Ruhe können etwa
in Höhe der Linea dentata gemessen werden. An diesem analen Ruhedruck haben, wenn
auch in unterschiedlichem Ausmaß, sowohl der innere als auch der äußere Schließmuskel
Anteil.
Am inneren Schließmuskel lassen sich in Ruhe kontinuierliche elektrische Entladungen
ableiten. Da bei vollständiger pharmakologischer Lähmung des äußeren Schließmuskel die
Ruhedruckwerte nahezu unverändert bleiben, ist es allgemein akzeptierte Annahme, daß der
anale Ruhedruck im wesentlichen von der Aktivität des inneren Sphinkters bestimmt wird.
Der äußere Sphinkter ist dennoch bereits in Ruhe am analen Druck beteiligt, da er, ebenso wie
die Beckenbodenmuskeln, eine ständige tetanische Ruheaktivität aufweist. Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich letztgenannte Muskeln von der übrigen quergestreiften Muskulatur.
Neben der willkürlichen Kontraktion hat der äußere Schließmuskel auch die Möglichkeit, auf
jegliche Änderungen des intraabdominellen Druckes, wie sie beim Sprechen, Husten oder
Wechsel von der liegenden in die aufrechte Körperposition entstehen, mit einer erhöhten
Aktivität zu antworten.
Auch auf Distension des Rektums reagiert er initial mit einer Druckerhöhung; steigt das
Füllungsvolumen im Rektum weiter an, kommt es zu einer fortschreitenden Inhibition des
äußeren Schließmuskel, die zwar zunächst willkürlich kompensiert werden kann, aber
schließlich mit einem imperativen Stuhldranggefühl verbunden ist.
Ein weiteres Charakteristikum des äußeren Schließmuskels und der Beckenbodenmuskulatur
ist ihre rasche Ermüdbarkeit: Obwohl sie eine andauernde Aktivität aufweisen, können diese
Muskeln willkürlich nur etwa 40-60 sec. kontrahiert werden; danach kehren sowohl die elektrische Aktivität als auch der Druck im Analkanal auf Basiswerte zurück.
2.2.4 Strukturelle Faktoren
Anorektaler Winkel: Durch die tonische Aktivität der Puborektalisschlinge entsteht eine
Abweichung der Längsachse von Analkanal und Rektum in der Sagittalebene um etwa 80°.
Dieser anorektale Winkel ist der wichtigste Faktor für die Massenkontinenz; nur bei
angezogenen Oberschenkeln und während der Defäkation wird er aufgehoben.
“flutter valve“- und „flap valve“-Theorie: Beide Theorien vergleichen den anorektalen
Verschluß mit einem Rückschlagventil, wobei der intraabdominale Druck selbst für die
Abdichtung sorgt. Bei der „flutter valve“- („Flatterventil“-) Theorie teilt sich der Druck der
Bauchhöhle über den Beckenboden auf den Analkanal mit. Die „flap valve“- („Klappventil“-)
Theorie betont, daß durch die anorektale Winkelbildung die Schleimhaut der vorderen
Rektumwand auf die der Rektumrückwand gepresst wird.
Beiden Theorien zufolge verstärkt sich – ohne aktive Muskelarbeit – der anale Verschluß bei
Erhöhung des intraabdominalen Druckes; sie können aber nicht erklären, wie der Analverschluß gegen eine intrarektale Druckerhöhung aufrechterhalten werden kann.
Theorie des „triple loop system“: Mit „triple loop system“ beschreibt Shafik ([13] S.23) sein
Konzept zur Funktion des äußeren Schließmuskels. Er stellt fest, daß die drei anatomischen
15
Anteile des äußeren Sphinkters unterschiedliche Zugrichtungen haben. Nach Shafiks
Vorstellung schnüren diese „drei Schlingen" den AK fest zu. Vollständige Kontinenz ist nur
bei Unversehrtheit aller drei Schlingen möglich; ist eine der drei Schlingen beschädigt, sind
zumindest leichtere Störungen der Kontinenz zu erwarten.
2.2.5 Reflexe und bewußte Wahrnehmung
Rektoanaler Relaxationsreflex: Distension des Rektum führt zu einer vorübergehenden Relaxation des inneren Schließmuskels. Die Erniedrigung des Druckes im Analkanal erlaubt den
Kontakt des Rektuminhalts mit den hochempfindlichen Rezeptoren des Anoderms und die
Diskrimination diesen Inhalts in fest, ungeformt oder gasförmig. Aus diesem Grunde wird
dieser rektoanale Relaxations- (oder Inhibitions-) Reflex auch als „sampling-reflex“ bezeichnet.
Diese Diskrimination des Darminhalts funktioniert im übrigen nicht nur auf der bewußten,
sondern auch auf der unbewußten Ebene: Auch im Schlaf ist es „gefahrlos“ möglich,
Darmwinde entweichen zu lassen.
Rektoanaler Kontraktionsreflex: Zeitgleich mit der oben beschriebenen Relaxation des inneren Sphinkters bei rektaler Distension wird der äußere Schließmuskel reflektorisch kontrahiert. Dadurch wird während des „samplings“ die Kontinenz gewahrt und die Möglichkeit zu
angemessener willkürlicher Reaktion (Zurückhalten des Stuhldrangs, Aufsuchen der Toilette
oder Ablassen von Darmwinden) offengehalten.
Stuhldranggefühl und Dranginkontinenz: Auf der Bewußtseinsebene wird die rektale
Distension als Stuhldranggefühl wahrgenommen. Dies erlaubt, die Kontinenz durch eine willkürliche Schließmuskelaktivation weiterhin zu wahren, obwohl die initiale reflektorische Externuskontraktion nach kurzer Zeit abklingt.
Wenn anschließend durch kolorektale Adaptationsmechanismen und Rücktransport des Stuhls
vom Rektum in das Kolon der Druck im Rektum sinkt, verschwindet auch die Internusrelaxation, das Stuhldranggefühl und die Notwendigkeit zur willkürlichen Externuskontraktion wieder.
Steigt allerdings das Volumen im Rektum und damit der rektale Druck weiterhin an, führt
dies zu einer fortschreitenden Inhibition auch des äußeren Sphinkters. Es kommt zur
Dranginkontinenz, wenn diese reflektorische Externusinhibition die Oberhand über die
willkürliche Kontraktion gewinnt.
Kutoanaler Reflex: Die reflektorische Sphinkter-Externus-Kontraktion kann im Gegensatz
zur Sphinkter-Internus-Inhibition, die nur durch rektale Distension hervorgerufen wird, auch
andere Auslöser haben. Beim kutoanalen Reflex wird sie, zusammen mit einer Kontraktion
des Beckenboden, durch Bestreichen der perianalen Haut ausgelöst; aber auch jegliche
Erhöhung des intraabdominalen Druckes, durch Husten, Sprechen, Lagewechsel etc. führt zu
ihrer Aktivierung.
2.2.6 “Corpus cavernosum ani“
Stelzner [53] sieht das arterielle Gefäßgeflecht der Zona hämorrhoidalis des Analkanals als
echten Schwellkörper, ähnlich den genitalen Corpora cavernosa. Seiner Ansicht nach ist
dieses Corpus cavernosum ani für den Feinabschluß des Kontinenzorganes verantwortlich,
was erklären würde, warum Patienten nach totaler Hämorrhoidektomie nach Whitehead sehr
häufig über Stuhlschmieren und andere, zumindest leichte Formen von Inkontinenz klagen.
16
2.2.7 Defäkation und Passage von Winden
Defäkation: Der Reiz, der die Defäkation in Gang setzt, ist die Distension des Rektums.
Diese wiederum tritt ein, wenn ein kritisches Distensionsvolumen im Sigma und im Colon
descendens erreicht ist. Solange die Fäzes nämlich im Kolon zurückgehalten werden, ist das
Rektum leer, es besteht kein Stuhldranggefühl. Überschreitet jedoch die Distension im Colon
descendens und im Sigma einen bestimmten Schwellenwert, setzen propulsive Kontraktionen
ein, die den Stuhl zum Rektum abtransportieren. Gelingt es durch diese Propulsion nicht, das
Kolon zu leeren und nimmt die Kolondistension weiter zu, ist nicht etwa Stuhldrang, sondern
sind Tenesmen die subjektive Folge.
Die Distension des Rektums und die Wahrnehmung von Stuhldrang sind Phänomene, die sich
ein- oder mehrmals am Tage beobachten lassen. Der weitere Ablauf der Ereignisse hin zur
Defäkation kann durch willkürliche Steuerung verhindert werden, wie es bereits weiter oben
beschrieben wurde.
Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Stuhldrang im Tagesverlauf sind von
zahlreichen äußeren und individuellen Faktoren abhängig. Bei vielen Menschen hat sich
jedoch ein zeitliches Muster etabliert, so daß sie entweder früh am Morgen, am Abend oder
nach bestimmten Mahlzeiten Stuhldrang verspüren und die Toilette aufsuchen – bisweilen mit
einer Präzision „nach der man die Uhr stellen kann“. Durch Umstellung der Lebensumstände,
wie durch Reisen, Änderung der Kost oder Bettruhe, kann dieser eingespielte Ablauf jedoch
jederzeit aus dem Gleichgewicht geworfen werden.
Die Distension des Rektums induziert reflektorisch, wie oben beschrieben, die
Internusinhibition und diese ihrerseits die Externuskontraktion. Trifft nun das Individuum die
(bewußte) Entscheidung, dem Stuhldrang nachzugeben, wird eine sitzende oder hockende
Körperhaltung eingenommen.
Dadurch verflacht sich der anorektale Winkel; die Stuhlsäule steht nun fast senkrecht auf dem
Analkanal. Durch das Anspannen der Bauchdecken wird der intraabdominale Druck erhöht.
Der Beckenboden senkt sich und auch der intrarektale Druck steigt weiter an. Nun erfolgt die
reflektorische Inhibition auch des äußeren Schließmuskels, welcher erschlafft und den
Stuhlmassen den Weg durch den Analkanal freigibt.
Nach abgeschlossener Entleerung erlangen der Beckenboden und die Schließmuskel ihre
Ruheaktivität zurück und der Analkanal schließt sich wieder.
Willkürliche Passage von Winden: Der „sampling-reflex“, d.h. die Relaxation des inneren
Schließmuskels nach Distension des Rektums, die den Rektuminhalt mit dem Anoderm in
Kontakt bringt, ermöglicht neben der Diskrimination der Fäzes auch die Passage als solcher
erkannter gasförmiger Exkremente.
Dies geschieht mittels einer willkürlichen Kontraktion des äußeren Sphinkters und des
M. puborectalis und einer gleichzeitigen Erhöhung des intraabdominalen Druckes.
Durch die Kontraktion der Willkürmuskulatur wird die tonische Aktivität in den
Schließmuskeln inhibiert; steigt der intraabdominale Druck nun noch weiter an, können
Darmgase durch den Analkanal entweichen. Für feste Fäzes ist die Öffnung des Analkanals –
17
dank der fortbestehenden willkürlichen Kontraktion von äußerem Schließmuskel und
M. puborectalis – jedoch zu gering.
Der beschriebene Mechanismus gibt im Falle ungeformter Stühle nur unzureichende
Sicherheit; weshalb es sich empfiehlt, auf das beschriebene, willkürlich gesteuerte Manöver
zu verzichten, wenn der „sampling-reflex“ das Vorliegen ungeformter Stühle signalisiert.
2.3 Manometrische Untersuchung des Kontinenzorganes
Schon im vergangenen Jahrhundert wurde begonnen, die Funktion des Kontinenzorganes zu
erforschen, indem man mittels durch den After eingeführter Ballonsonden anorektale Drücke
maß ([21] S.47).
Inzwischen werden unter Namen wie Rektotonometrie, Analmanometrie, Analtonographie
usw. eine Vielzahl von Verfahren praktiziert, die neben unterschiedlichen Vor- und Nachteilen einen wesentlichen Nachteil miteinander teilen: Da sich kein gemeinsamer Standard
durchsetzen konnte, können Untersuchungen mit anorektalen Druckmessungen, die nicht von
ein und demselben Untersucher stammen, nur mit größten Vorbehalten miteinander verglichen werden.
2.3.1 Elektromanometrische Ableitungsverfahren
Die Ableitung anorektaler Drücke erfolgt bei der Elektromanometrie mit einen Druckaufnehmer, der in Form einer Sonde an erwünschter Stelle im Anorektum plaziert wird, einem
Druckwandler, der den vom Druckaufnehmer fortgeleiteten Druck in ein elektrisches Signal
verwandelt, einer Verstärkereinheit und einem Schreiber zur Aufzeichnung der Druckkurve.
Da sich die Ableitungsmethoden v.a. durch die Konstruktion ihrer Druckaufnehmer
unterscheiden, sollen die wesentlichen prinzipiellen Arten mit ihren Vor- und Nachteilen hier
vorgestellt werden.
Ballonsysteme: Sie werden in Form großvolumiger Einzelballons oder in Serie geschalteter
Miniaturballons verwendet. Durch ihre große Kontaktfläche mit den Medien, deren Drücke
sie wiedergeben sollen, entsprechen die mit ihnen gemessenen Druckwerte gut den
tatsächlichen Verhältnissen. Andererseits kann es leicht passieren, daß der Ballon zumindest
teilweise disloziert oder geknickt wird – womit die Messung natürlich zu falschen
Ergebnissen führt.
Der Fremdkörperreiz ist ein weiterer Nachteil zumindest der großvolumigen Ballonsysteme,
da er reflektorisch Druckänderungen bewirken kann, die nicht den natürlichen Gegebenheiten
entsprechen.
Offene, wassergefüllte Systeme: Man muß hier zwischen nicht perfundierten und
kontinuierlich perfundierten Systemen unterscheiden. Die Druckmessung erfolgt an der
Öffnung eines durch den After eingeschobenen Katheters. Diese Öffnung kann an der Spitze
des Katheters („open tip“) oder seitlich davon („open side“) liegen. Sonden mit seitlichen
Öffnungen nach verschiedenen Seiten und mehrkanaliger Ableitung ermöglichen außerdem,
auch unvollständige Schäden des Schließmuskelringes zu lokalisieren und, in Verbindung mit
einer Durchzugstechnik und einer digitalen Aufbereitung (s.u.), ein dreidimensionales Bild
der Schließmuskelfunktion zu vermitteln. Die offenen Sonden sind alle relativ klein und üben
deshalb per se nur einen geringen Fremdkörperreiz aus.
18
Am geringsten ist dieser Fremdkörperreiz bei den nicht perfundierten Systemen. Die
Druckaufnahme erfolgt bei ihnen in der Art, daß das außerhalb der Sonde liegende Medium
(Wand des Analkanals, Flüssigkeit oder Stuhl im Rektum, Darmwand) an der Sondenöffung
auf die in der Sonde befindliche Wassersäule einwirkt. Da die Öffnung der Sonde sehr klein
ist, dagegen aber die Compliance des druckübertragenden Systems (mit Wasser gefüllte
Kunststoffschläuche, eventuell vorhandene Gaseinschlüsse) relativ groß, entsprechen nur die
Druckschwankungen, nicht aber die gemessenen Absolutwerte den realen Verhältnissen. Ein
weiterer Nachteil dieser Systeme liegt in ihrer Anfälligkeit für die Verstopfung der
Sondenöffnung durch Stuhlpartikel; in diesem Fall ist es erforderlich, den Katheter
freizuspülen, wodurch ein Kälte- bzw. Fremdkörperreiz gesetzt wird.
Bei perfundierten Verfahren wird dem System per Druckinfusion oder mit einer Pumpe
ständig Flüssigkeit zugeführt. Die Perfusion erfolgt mit einer Flußrate von 0,5-1,5 ml/min und
unter einem Druck, der in jedem Fall die zu messenden Werte übersteigt. Gemessen wird also
ein „Überwindungsdruck“, also der Druck im System, der gerade ausreicht, die
zurückhaltenden Kräfte – den Umgebungsdruck an der Katheteröffnung – zu überwinden.
Der gemessene Druck entspricht somit sehr gut dem tatsächlichen; durch die ständig aus dem
System austretende Flüssigkeit muß allerdings mit Artefakten durch Fremdkörperreizung
gerechnet werden.
Transducersonden: Sie wurden ursprünglich für die intrakardiale Diagnostik entwickelt. Bei
ihnen sind Druckaufnehmer und -wandler in der Sondenspitze integriert.
Ihr Vorteil liegt in ihrer großen Meßgenauigkeit und ihre rasche Reaktion auf Druckschwankungen ohne Trägheitsverluste. Demgegenüber steht ihr hoher Anschaffungspreis und die
Notwendigkeit zur Reinigung nach Gebrauch, welche diese Sonden sehr störanfällig macht.
2.3.2 Elektromanometrische Meßparameter
So wie sich kein einheitliches manometrisches Verfahren etablieren konnte, ist auch die
Auswahl und Bewertung der manometrischen Parameter bisher nicht standardisiert und somit
sehr vom jeweiligen Untersucher abhängig.
Zwischen Meßverfahren und gemessenen Parametern besteht dabei ein Abhängigkeitsverhältnis: Manche Parameter lassen sich nur durch ein ganz bestimmtes Ableitungsverfahren erheben. Aber selbst manometrische Größen, die bei jeder manometrischen Untersuchung gemessen werden – wie z.B. der anale Ruhedruck – sind nicht identisch, wenn sie etwa mit
einem Ballonsystem oder mit einem offenen Sondensystem abgeleitet wurden.
Eine weitere Differenzierung der Parameter ergibt sich aus die Möglichkeit der elektronischen
Aufarbeitung der manometrischen Rohdaten; so lassen sich aus den mittels
Perfusionsmanometrie mit mehrkanaligen Ableitungssonden gewonnenen Druckwerten im
Analkanal
(Ruheund
Kneifdruckwerte)
am
Computer
dreidimensionale
Druckvektordiagramme
erstellen,
die
hinsichtlich
der
(dreidimensionalen)
Vektormorphologie, ihrer Symmetrie und des „Vektorvolumens“ weiter ausgewertet werden
können. Diese 3D-Volumen-Vektor-Manometrie erlaubt eine bessere Unterscheidung
zwischen physiologischen und pathologischen Sphinkterbefunden, aber auch zwischen
idiopathischen und traumatisch bedingten Schäden des analen Sphinkterapparates, als die
herkömmliche anale Manometrie [10],[47] und ist mittlerweile auf dem Weg, zur
Standardmethode in der analen Manometrie zu werden. Zum Zeitpunkt der klinischen
19
Untersuchungen verfügte das Universitätsklinikum Benjamin Franklin Berlin noch nicht über
einen entsprechenden Meßplatz der Fa. Synectics™; es ist aber anzunehmen, daß die
vorliegende Studie an diesem Meßplatz durchgeführt worden wäre, wenn die Methode bereits
in der Phase der klinischen Untersuchungen verfügbar gewesen wäre.
Alle manometrischen Meßgrößen geben funktionelle und kapazitive Leistungen des
Kontinenzorganes wieder, die ihrerseits von strukturellen, vegetativen, reflektorischen und
willkürlichen Voraussetzungen abhängen. Bei der Wahl des Meßverfahrens und der zu
messenden Parameter ist deshalb entscheidend, welchem Teil oder welcher Teilfunktion
des Kontinenzorganes das Interesse des Untersuchers gilt; bei der Obstipation im Kindesalter
stehen andere Parameter im Vordergrund als beim Patienten nach Hämorrhoidektomie, mit
Colon irritabile, oder – wie im vorliegendem Fall – nach anteriorer Resektion des Rektums.
Wegen der Vielzahl der in der Literatur aufgeführten Meßgrößen, ihrer Abhängigkeit von der
Meßtechnik und ihrer unterschiedlichen Bedeutung bei der Diagnostik verschiedenartiger
Störungen des Kontinenzorganes wird hier auf eine allgemeine Beschreibung verzichtet; die
in dieser Studie erhobenen Meßparameter werden im nächsten Kapitel ausführlich erläutert.
2.4
Chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms
2.4.1 Allgemeine tumorchirurgische Überlegungen
Zum operativen Vorgehen: Die chirurgische Therapie des Rektumkarzinoms muß, wenn sie
kurative Absichten verfolgt, den Grundsätzen der radikalen Tumorchirurgie Rechnung tragen.
Es ist offensichtlich, daß sich in dieser Hinsicht die anteriore Resektion nicht von der
abdominoperinealen Exstirpation unterscheidet.
Die „Grundprinzipien der Rektumexstirpation“, wie sie Häring, Karavias und Boese-Landgraf
[19] postulieren, haben somit auch für die AR ihre Gültigkeit. Ihre wesentlichen Forderungen
sind hier wiederholt:
• Mediane Laparatomie. Durch Schnittführung rechts um den Nabel herum bleibt die
Möglichkeit zur Colostomie erhalten.
• Prüfung der Operabilität: Peritonealkarzinose und unlösbare Fixierung des Tumors an
Strukturen, die nicht mitreseziert werden können, müssen dabei ausgeschlossen werden.
• Darstellung und Schonung des linken Ureters bei seinem Eintritt in das kleine Becken.
• „No-touch-isolation-technique“, soweit dies möglich ist. Die Abschnürung des Darmes mit
einem Nabelschnurbändchen ist beim tiefen Rektumkarzinom eventuell nur proximal des
Tumors durchführbar.
• Ligatur der A. und V. rectalis oder „hohe Unterbindung“ der A. mesenterica inferior.
• Auslösung des Rektums zunächst dorsal, streng im Spalt zwischen innerer und äußerer
Faszie sowie vordere Mobilisation im Rezessus der Denonvillier'schen Faszie (Totale
mesorektale Excision). Die sorgfältige Präparation innerhalb der richtigen Schichten ist an
dieser Stelle von größter Bedeutung, zum einen, weil sie die Lymphgefäße und damit die
Metastasierungswege begrenzen, zum anderen, weil so vermieden werden kann, nervöse
und venöse Plexus zu verletzen.
• Schichtweise Durchtrennung und Ligatur der Paraproktien, eventuell erweiterte laterale
Dissektion der iliakalen Lymphknotenstationen.
Zum distalen Sicherheitsabstand: Lange Zeit galten 5 cm distaler Sicherheitsabstand vom
Tumor als unabdingbar [60]. Nach Erweiterung der technischen Möglichkeiten – vor allem
durch die Klammernahtgeräte – wagten viele Operateure, die distale Resektionsebene immer
näher zum Tumor hin zu verschieben. In vielen Studien wurde nachgewiesen, daß ein
20
Resektionsabstand von 2 cm distal des Tumors onkologisch ausreichende Sicherheit gewährt
[24],[31],[52],[60],[64].
2.4.2 Begleitende Strahlentherapie
Zum Zeitpunkt unserer Untersuchung wurde im Rahmen einer prospektiven
Beobachtungsstudie die neoadjuvante Strahlentherapie nach Mohiuddin [40] im
Universitätsklinikum Benjamin Franklin durchgeführt. Diese kam immer dann zur
Anwendung, wenn sich präoperativ in der endosonographischen Untersuchung der Verdacht
auf wandüberschreitendes Tumorwachstum ergab, oder rektoskopisch eine Ausdehung des
Tumors größer 3 cm vorlag. Dabei kamen 18 MeV-Photonen aus dem Linearbeschleuniger in
der Technik der opponierenden Felder zum Einsatz. Jeweils am vorletzten und letzten Tag vor
der Operation wurden so Einzeldosen von 5 Gy appliziert. Bestätigte sich im histologischen
Befund des Tumorresektates das wandüberschreitende Wachstum (Tumorstadium nach Dukes
> Dukes B), empfahlen wir die Aufsättigung auf 50 Gy in Einzeldosen von 2 Gy über einen
Zeitraum von 10 Wochen. Ein Ziel unserer Studie war es, den Einfluß einer solchen postoperativen Bestrahlung auf die Stuhlgewohnheiten und anorektale Manometriewerte
aufzuzeigen.
2.4.3 Anteriore Resektion, „tiefe“ anteriore Resektion und Klammernaht-Anastomose
Der Terminus „Anteriore Resektion – AR“ bezeichnet ein schließmuskelerhaltendes
Operationsverfahren des rektalen oder rektosigmoidalen Karzinoms mit kurativer Zielsetzung.
Die Grundlagen dieses Verfahrens wurden in den fünfziger Jahren von Dixon in der MayoKlinik entwickelt [6]. Die AR gilt heute als die Standardoperation des rektalen und
rektosigmoidalen Karzinoms.
Als Sonderfall der AR ist die „tiefe“ anteriore Resektion (engl. „low anterior resection“ =
LAR) zu sehen. Über ihre genaue Definition besteht jedoch in der wissenschaftlichen
Literatur Uneinigkeit; einige Autoren, wie Varma u.a. [56], machen sie allein von der
Anastomosenhöhe über der Anokutanlinie abhängig; andere sprechen von einer LAR, wenn
Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels operiert wurden [15], oder es genügt ihnen
festzustellen, daß ein unterhalb der peritonealen Umschlagfalte gelegener Tumor reseziert
wurde [20].
Die am weitesten gehende Definition gibt jedoch Wedell [62]. Er fordert für die LAR:
1. Eröffnung des Beckenperitoneums
2. Unterbindung und Durchtrennung der Paraproktien
3. Herstellung der Anastomose unterhalb der Paraproktien, d.h. unmittelbar auf dem Beckenboden.
Wegen der offensichtlichen Uneinheitlichkeit im Gebrauch des Begriffs der „tiefen“
anterioren Resektion sowie der Schwierigkeit, im Einzelfall den Operationshergang
retrospektiv in allen Details zu klären, wurde dieser Begriff in der vorliegenden Arbeit
gemieden. Statt dessen wurde die Anastomosenhöhe über der AKL als Maßstab für die
angestrebte Bewertung funktioneller und klinischer Ergebnisse herangezogen, wobei wir eine
Vergleichsgruppe mit „tiefer Anastomose“ (≤ 10 cm über der AKL) von einer
Vergleichsgruppe mit „hoher Anastomose“ (> 10 cm über der AKL) unterschieden.
Eine weitere Variation der AR ergibt sich aus der Verwendung von Klammernahtgeräten für
die Reanastomisierung des Darmschlauchs. In der einfachen Version geschieht dies unter
21
Zuhilfenahme des zirkulären EEA 1 - bzw. CEEA 2 -Staplers™; bei der sogenannten „double
stapling technique“ wird auch die technisch schwierige Tabaksbeutelnaht des distalen
Rektumstumpfes durch eine lineare Klammernaht mit einem abwinkelbaren Nahtgerät, dem
Rotikulator™ 3 , ersetzt. Zur Vereinfachung wird im folgenden von der „einfachen
Klammernaht-Anastomose“ bzw. der „Doppelklammernaht-Anastomose“ gesprochen werden,
wenn von den letztgenannten Techniken die Rede ist.
Eine Besonderheit der maschinellen Techniken – neben ihrer Durchführbarkeit auch in
schwierigen Situationen – liegt in der Art der Anastomose: Während die Handnaht die
einzelnen Schichten der Rektumwand wieder einander adaptiert, und damit eine primäre
Heilung zumindest theoretisch erlaubt, werden die zu anastomisierenden Darmanteile bei der
Klammernaht invertiert und gegeneinander gepresst. Es ist somit nur eine Sekundärheilung
möglich. Die zum Darmlumen hin liegende Naht und ihre größere Neigung zur narbigen
Heilung bedingen nach Meinung einiger Autoren eine im Vergleich zur Handnaht höhere
Tendenz zur Anastomosenstenose. Aus diesem Grunde raten sie von der Verwendung kleiner
Staplerköpfe, etwa des 25 mm-Staplerkopfes, ab [17][56].
Zur Technik der anterioren Resektion, auch in den „Spielarten“ der KlammernahtAnastomosen, sei auf einschlägige Veröffentlichungen der Fachliteratur verwiesen
[12],[17],[20],[55],[68].
1
EEA = end-to-end-anastomosis (-stapler)
CEEA = curved-end-to-end-anastomosis (-stapler); Hersteller: US Surgical Corporation und
Auto Suture UK, Ascot, Großbritannien
3
Hersteller: US Surgical Corporation und Auto Suture UK, Ascot, Großbritannien
2
22
3
3.1
Patienten und Methoden
Patientengut
3.1.1 Patientenrekrutierung
Im Zeitraum vom Januar 1988 bis November 1992 unterzogen sich im Universitätsklinikum
„Benjamin Franklin“ (damals „Universitätsklinikum Steglitz“) der Freien Universität Berlin
167 Patienten einer anterioren Resektion. Nach Ausschluß der mittlerweile verstorbenen oder
wegen Rezidivs mit Anus präter versorgten Patienten, der Patienten, deren körperlicher oder
geistiger Zustand die Befragung und die klinische Untersuchung unmöglich machte oder
deren Wohnort nicht mehr ermittelt werden konnte, wurden 96 Patienten angeschrieben und
um Beantwortung eines Fragebogens zu ihren Stuhlgewohnheiten sowie zu einer kurzen
klinischen Untersuchung ins Klinikum gebeten; 88 dieser Patienten sendeten den Fragebogen
zurück, von diesen wiederum fanden sich 57 Patienten zur Untersuchung im Klinikum ein
(siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Patientengut
Operationsjahr
Verstorben
AP-Anlage wg. Rezidivs
Teilnahme an der Untersuchung
unmöglich
Verzogen
Fragebogen beantwortet
Davon zusätzlich untersucht
Gesamtzahl operierter Patienten
1988
1989
1990
1991
1992
11
3
1
16
3
2
11
5
2
3
4
0
3
0
1
19881989
44
15
6
4
8
4
27
2
14
10
37
2
20
11
40
1
27
18
37
1
19
14
26
10
88
57
167
3.1.2 Eigenschaften der Patienten
Unter den 88 Patienten, die den Fragebogen beantwortet hatten („Gesamtkollektiv“), fanden
sich 47 Frauen (53,4 %) und 41 Männer (46,6 %). In der zusätzlich manometrisch
untersuchten Gruppe („Manometriekollektiv“) waren 26 weibliche (45,6 %) und 31
männliche Patienten (54,4 %) vertreten. Der Altersdurchschnitt im Gesamtkollektiv betrug 63
± 12 Jahre (38-84 Jahre), im Manometriekollektiv 62 ± 11 Jahre (42-84 Jahre). Die Befragung
fand im Mittel 24 ± 15 Monate (3-58 Monate), die manometrische Untersuchung 23 ± 15
Monate (3-58) Monate nach der Durchführung der anterioren Resektion statt.
In die Untersuchung eingeschlossen wurden Patienten mit einer Anastomosenhöhe zwischen
4 und 18 cm über der AKL (entsprechend 2-16 cm über der Linea dentata), der Mittelwert
betrug für das Gesamtkollektiv 9,5 ± 3,3 cm über der AKL, für das Manometriekollektiv 9,7 ±
3,3 cm über der AKL. Die Anastomosentechniken waren wie folgt verteilt: Im
Gesamtkollektiv waren 28 Patienten (31,8 %) mit handgenähter Anastomose versorgt, 60
Patienten (68,2%) mit alleiniger zirkulärer Klammernaht oder zirkulärer Klammernaht und
Rotikulatornaht (Doppelklammeranastomose). Im Manometriekollektiv waren die
23
Anastomosen von 15 Patienten (26,3 %) nur mit der Hand und von 42 Patienten (73,7%) mit
einfacher Klammernaht oder in Doppelklammertechnik gefertigt.
25 Patienten aus dem Gesamtkollektiv (28,4 %) bzw. 20 Pat. aus dem Manometriekollektiv
(35,1 %) hatten sich einer postoperativen Strahlentherapie unterzogen; bei 63 Patienten aus
dem Gesamtkollektiv (71,6 %) bzw. 37 Patienten im Manometriekollektiv (64,9 %) war keine
postoperative Bestrahlung durchgeführt worden.
Alter und Geschlechtsverteilung unserer Patienten bei Operation entsprachen den
diesbezüglichen Daten, die von anderen Autoren [2],[5],[36],[56] bei Patienten mit AR
angegeben werden, so daß wir daraus die Vergleichbarkeit unserer Resultate mit denen
anderer Autoren gewährleistet sahen.
3.2 Fragebogen
Im ersten Teil des Fragebogens wurde nach begleitenden Erkrankungen des
Kontinenzorganes, nach postoperativen Komplikationen des Heilungsverlaufs und nach einer
möglicherweise stattgehabten postoperativen Bestrahlung gefragt. Diese Angaben wurden mit
den Angaben aus den Patientenakten abgeglichen.
Der zweite Teil des Fragebogens enthielt die Fragen nach den Störungen der
Stuhlgewohnheiten. Indem für jeden Fragepunkt sowohl für die Zeit vor der Operation als
auch für den aktuellen Zeitpunkt der Befragung eine Antwort gegeben werden mußte, konnten
unabhängig von der Operation bestehende Störungen der Stuhlgewohnheiten von solchen, die
damit im zeitlichen Zusammenhang aufgetreten waren, unterschieden werden. Die Fragen
bezogen sich im einzelnen auf:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Kontinenzverhalten
Frequenz des Stuhlgangs
Kontrolle des Stuhldranges
Stuhlschmieren
Diskrimination der Fäzes
Wahrnehmung des Stuhldranggefühls
Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation
Stuhlkonsistenz
Die Bedeutung der einzelnen Fragepunkte ist unter 4.2 näher erläutert; der Wortlaut des
Fragebogens kann im Anhang eingesehen werden.
3.3
Manometrische Untersuchung
3.3.1 Inspektion
Jeder manometrischen Untersuchung war eine Inspektion des Afters vorangestellt. Dabei
wurde auf äußerlich sichtbare Verletzungen und Erkrankungen geachtet.
3.3.2 Aufbau des elektromanometrischen Messplatzes
Für die elektromanometrische Untersuchung des Kontinenzorganes wurde eine Kombination
aus einem offenen, perfundierten System (Messungen im AK) mit einem großvolumigen Ballonsystem (rektale Messungen) benutzt (Abb. 2).
24
Abbildung 2: Rektale Ballonsonde und anale Perfusionssonde. Erläuterung im Text.
Als Druckwandler dienten zwei Spectramed R-P23XL-Statham-Elemente. Die Aufzeichnung
geschah mit einer Registriereinheit der Fa. Hellige GMBH (Freiburg i. Br., Dt.), bestehend
aus dem Grundgerät SMS 308, zwei „Vorverstärkern Druck“ und dem Registrierteil 130-T
(Zweikanalschreiber).
An der Registriereinheit wurden folgende Einstellungen vorgenommen: Papiervorschub:
2,5 mm/sec; Kalibrierung: 10 mm = 50 cm Wassersäule. Die Meßeinheit wurde mit einem
zur Messung des zentralen Venendrucks gebräuchlichen System geeicht.
Die rektalen Drücke wurden über Kanal 1 des Zweikanalschreibers mit einer großvolumigen
Ballonsonde abgeleitet. Diese wurde eigens für diesen Zweck aus handesüblichen
Einmalartikeln angefertigt:
Ein dreilumiger, 20-Ch-Latex-Blasen-Ballon-Katheter 4 wurde zunächst 10 cm und 15 cm von
der Spitze entfernt mit einem Filzschreiber markiert. Ein Latex-UntersuchungsKondom 5 wurde über den Katheter gezogen und an der 10- cm-Markierung mit einem
mehrfach darübergeschlagenen Gummiring rutschfest fixiert. Auf den Hauptanschluß des
Katheters wurde nun eine mit Luft angefüllte 60-ml-Blasenspritze aufgesetzt.
Das zweite Lumen des Katheters – eigentlich der Spülkanal – wurde über einen InfusionsVerlängerungs-Schlauch mit der Wandlerkette (Kanal 1) verbunden. Seine Öffnung lag
innerhalb des Latex-Kondoms, d.h. es wurden hier die Drücke im Ballon gemessen.
Der dritte Anschluß, welcher den kathetereigenen Blockballon füllt, wurde nicht benutzt, da
sich sein enges Lumen als zur Druckableitung ungeeignet erwies.
Die somit funktionsbereite Ballonsonde wurde nun entlüftet und ein „Blindversuch“ unter
atmosphärischen Bedingungen durchgeführt. Dazu wurde der Ballon bei laufendem Registriergerät in 20-ml-Portionen auf ein Volumen von 240 ml aufgeblasen. Es zeigte sich dabei,
daß der Druck im Ballon nach einem initialen Anstieg auch bei steigenden Volumina nahezu
konstant bei 25 cm Wassersäule blieb. Abb. 4 gibt die Kurve im Blindversuch wieder.
4
5
Hersteller: Fa. Rüsch, Waiblingen, Dt.
Hersteller: Fa. Mapa, Zeven, Dt.
25
Abbildung 3: Druckkurve der Ballonsonde im „Blindversuch“ (Kanal 1). ↓ = Insufflation einer 20-mlPortion Luft. ↑ = Beendigung des Versuchs, die Luft wurde abgelassen.
Zur Registrierung der analen Drücke wurde ein offenes, perfundiertes System benutzt. Als
Meßsonde fungierte eine präparierte nasogastrale Ernährungssonde K 30 6 . Das vordere Stück
der Sonde mit den seitlichen Öffnungen wurde abgeschnitten und in 5 cm und 10 cm Abstand
von der Spitze Entfernungsmarkierungen gesetzt.
Die Sonde wurde über einen Drei-Wege-Hahn sowohl mit der Wandlerkette (Kanal 2) als
auch mit einer Druckinfusion verbunden. Nach Entlüften und Einstellung einer
Perfusionsgeschwindigkeit von 30 Trpf./min war die Sonde einsatzbereit.
3.3.3 Ablauf der elektromanometrischen Untersuchung und Parameter
Der Patient suchte sich eine bequeme Position auf der Untersuchungsliege in Seitenlage. Der
mit Gleitmittel bestrichene, perfundierte Katheter zur Messung der analen Parameter wurde in
den After eingeführt. Der Katheter wurde dreimal manuell vom Darm bis zur Analöffnung
durchgezogen, um das anorektale Druckprofil (ARDP) abzuleiten und den Bereich mit dem
höchsten Druck im AK festzustellen. Nach erneutem Einführen des Katheters wurde die
Katheterspitze in diesen Bereich gebracht und zur Beurteilung des analen Ruhedrucks
(ARD) der Katheter hier für einige Minuten belassen.
Zur Messung des maximalen Kneifdrucks (MKD) wurde der Patient aufgefordert, den
Schließmuskel für eine kurze Zeitspanne (ca. 10 sec) mit aller Kraft anzuspannen, so als wolle
er einen starken Stuhldrang zurückhalten. Diese Prozedur wurde mit einminütigen Abständen
dreimal wiederholt.
Zur Messung der rektalen Parameter wurde nun der Rüsch-Katheter mit dem aufmontierten
Latexkondom in den Darm eingebracht. Dabei wurde der Katheter zunächst bis zur 15- cmMarkierung vorgeschoben, um zu gewährleisten, daß das Latexkondom mit dem
abschließenden Gummiring den Sphinkterapparat vollständig passiert hatte. Dann wurde der
Katheter vorsichtig zurückgezogen, bis man einen leichten Widerstand spürte.
6
Vertrieb: Don Baxter GMBH, Unterschleißheim, Dt.
26
Das Latexkondom kam so im distalen Rektum (bzw. Neorektum), unmittelbar vor dem
Übergang zum AK, zu liegen.
Die Messung von rektoanalem Relaxationsreflex, maximalem toleriertem Rektumvolumen
und -druck und – als Quotient aus den beiden letztgenannten – der rektalen Compliance
erfolgte nun synchron durch schrittweises Auffüllen des Latexballons mit Luft.
Hierfür wurden aus der 60-ml-Blasenspritze unter Beobachtung des Kurvenschreibers und des
Patienten 20-ml-Portionen Luft in den Ballon insuffliert. Eventuell mußte dazu die Spritze
mehrmals diskonjugiert und wieder aufgefüllt werden.
Dieser Vorgang wurde sooft wiederholt, bis der Patient ein zunehmendes, zuletzt nicht mehr
tolerierbares Stuhldranggefühl mitteilte. Die Blasenspritze wurde nun diskonjugiert, worauf
die Luft aus dem Ballon entwich. Die zuletzt insufflierte Luftmenge und der dabei gemessene
Druck im Rektumballon ergaben das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV) und
den maximalen tolerierten Rektumdruck (MTRD). Wie die Messung des max.
Kneifdrucks, wurde auch dieser Versuch insgesamt dreimal hintereinander ausgeführt. Auch
hier wurden einminütige Pausen eingehalten.
Nach der dritten Ausführung der Ballonfüllung wurde die Luft abgelassen und die Rückkehr
des analen Drucks auf Ruhewerte – ein zusätzliches Kriterium für den positiven rektoanalen
Relaxationsreflex – abgewartet.
Die Untersuchungsphase endete mit der Entfernung des Rektumballons und der analen
Perfusionssonde. Dem Patienten wurde nun die Möglichkeit gegeben, zur Untersuchung und
zu Problemen mit der Kontinenz Fragen an den Untersucher zu stellen.
3.3.4 Auswertung der Meßergebnisse
Alle im Laufe der Untersuchung erhobenen Meßwerte wurden auf ein Formblatt übertragen.
Bei der Auswertung der elektromanometrischen Ergebnisse wurden folgende Besonderheiten
beachtet:
• Der Nullabgleich der analen Sonde erfolgte bei laufender Perfusion auf der Ebene der
Untersuchungsliege. Durch die Höhe des Afters über diesem Niveau in Seitenlage lagen
somit die gemessenen Werte ca. 15 cm Wassersäule über den eigentlichen Sphinkterwerten.
• Als ARD wurde der mittlere Druckwert der Kurve während der Messung bei entspanntem
Schließmuskel übernommen; der MKD war der höchste Wert, der während des
Anspannens des Schließmuskels erreicht wurde. Abbildung 5 zeigt ein Beispiel für die
anale Ableitungskurve.
27
Abbildung 4: Ableitung der Drücke im Analkanal (Kanal 2). ARD vor dem Kneifversuch = 40 cm H2O, nach
dem Kneifversuch = 50 cm H2O. MKD = 140 cm H2O. ↓ = Beginn; ↑ = Ende des Kneifversuchs.
• Der rektoanale Relaxationsreflex galt als positiv, wenn auf eine Volumenerhöhung im
Rektum ein reproduzierbarer Abfall der Druckkurve im AK um mindestens 20 % erfolgte.
•
Auch bei der rektalen Sonde geschah der Nullabgleich auf Liegenhöhe. Die Insufflation
der 20-ml-Portionen Luft wurde mit einem Bleistiftstrich auf der Kurve markiert. Als
maximales toleriertes Rektumvolumen (MTRV) galt das höchste Insufflationsvolumen,
das der Patient tolerierte. Der maximales toleriertes Rektumdruck (MTRD) wurde als
Differenz zwischen Ballondruck im Moment des höchsten tolerierten Rektumvolumens –
also des MTRV – und der Druckkurve des Ballons im Blindversuch berechnet. Die rektale
Compliance war der Quotient aus MTRV und MTRD (MTRV/MTRD). Der Verlauf
einer Ableitungskurve mit positivem rektoanalen Relaxationsreflex ist in Abbildung 5
wiedergegeben.
28
Abbildung 5: Ableitung der Drücke im (Neo-)Rektum (Kanal 1) bei gleichzeitiger Beobachtung der analen
Druckkurve (Kanal 2). ↓ = 20 ml Luftinsufflation. ↑ = Ablassen der Luft. Deutliche Verminderung des
Analdrucks unter Volumenbelastung als Zeichen des positiven rektoanalen Relaxationsreflex. MTRV bei
160 ml, MTRD – nach Abzug des Ballondrucks im Blindversuch – 100 cm H2O. Compliance =
1,6 ml/ cm H2O. Deutlicher Wiederanstieg des Analdrucks nach Beendigung des Versuchs.
• Aus den dreimaligen Wiederholungen aller Versuche wurden Mittelwerte gebildet; nur
diese wurden zur Auswertung der Ergebnisse herangezogen.
3.4 Statistische Verfahren
Zum Erreichen möglichst aussagekräftiger Ergebnisse war es notwendig, Vergleichsgruppen
zu definieren:
1. Patienten mit Anastomosenhöhen bis einschließlich 10 cm über der AKL wurden
unterschieden von Patienten mit Anastomosenhöhen über 10 cm.
2. Bei den Untersuchungen zu „Art der Anastomosennaht“ und zur „postoperativen Bestrahlung“ wurde auf die vorgegebenen Gruppen zurückgegriffen.
3. Patienten ohne Störungen der Stuhlgewohnheiten bzw. mit nur geringgradigen Störungen
wurden Patienten mit höhergradigeren Störungen gegenübergestellt
4. Patienten, die vorwiegend geformte Stühle angaben, wurden mit Patienten mit
ungeformten Stühlen verglichen.
Zur Beantwortung der Frage, ob es statistische Zusammenhänge zwischen Störungen der
Stuhlgewohnheiten und unterschiedlichen Anastomosenhöhen, unterschiedlichen Anastomosenarten und hinsichtlich postoperativ stattgehabter oder nicht stattgehabter Bestrahlung
gab, wurde der χ2-Test eingesetzt. Um Unterschiede bei der Verteilung manometrischer Meßergebnisse zu finden, wurde der Student`s-T-Test (für normalverteilte Parameter) bzw. der
Mann-Whitney-U-Test (für die Compliance als nicht normalverteiltem Parameter) eingesetzt.
Die Auswertung der erhobenen Daten geschah mit dem Statistikprogramm SPSS/PC+ .
29
4
Ergebnisse
4.1
Präoperativ bekannte Störungen der Stuhlgewohnheiten, begleitende
Erkrankungen und postoperative Komplikationen
Zehn Patienten gaben bereits präoperativ eine Minderung der Kontinenz an, sechs davon nur
für Winde, drei für ungeformten Stuhl und eine Patientin auch für festen Stuhl. Nur bei einem
Patienten kam es zu einer weiteren Verschlechterung der Kontinenzleistung postoperativ, alle
anderen gaben unveränderte oder sogar gebesserte Kontinenzleistung nach Operation an, so
daß jetzt nur noch sechs dieser Patienten Kontinenzstörungen beklagten, dabei ein Patient für
ungeformten Stuhl und eine Patientin für festen Stuhl. Diese Patientin, die außerdem unter
höhergradigen Hämorrhoiden litt, hatte trotz bereits präoperativ bestehender Inkontinenz für
festen Stuhl eine Kolostomie abgelehnt.
An weiteren bereits vor der Operation bestehenden Störungen der Stuhlgewohnheiten wurden
angegeben: Erhöhte Stuhlfrequenz mit mehr als 10 Stühlen pro Tag (1x), verkürzte
Stuhldrangkontrolle (9x), Stuhlschmieren (10x), gestörte Diskrimination des Darminhaltes
(6x), gestörte Wahrnehmung des Stuhldranges (6x), Darmkrämpfe in Zusammenhang mit der
Defäkation (3x) und ungeformte Stühle (7x). Insgesamt waren elf Patienten von diesen
Störungen betroffen, was sich daraus erklärt, daß häufig derselbe Patient mehrere Störungen
gleichzeitig angab. Für insgesamt 28 der genannten Störungen wurde eine postoperative
Besserung angegeben, dreizehnmal eine nach der Operation gleichgebliebene Störung, nur
einmal jedoch eine Verschlechterung einer bereits präoperativ bestehenden
Stuhlgewohnheitenstörung: Der betroffene Patient gab eine Steigerung von „Stuhlschmieren
gelegentlich“ auf „Stuhlschmieren täglich“ an.
Sieben unserer Patienten litten unter höhergradigen Hämorrhoiden, bei zwei dieser Patienten
war bereits vor der Darmerkrankung eine Hämorrhoidektomie erfolgt. Diese Patienten gaben
mit Ausnahme der bereits oben erwähnten inkontinenten Patientin präoperativ keine
Störungen der Stuhlgewohnheiten an, postoperativ litten vier an Inkontinenz, verkürzter
Stuhldrangkontrolle und/oder erhöhter Stuhlfrequenz.
Bei acht Patienten waren postoperative Wundheilungsstörungen im Bereich des kleinen
Beckens aufgetreten, und zwar bei sechs Patienten im Form einer vorübergehenden
Anastomosennahtinsuffizienz, davon bei drei Patienten isoliert und bei drei Patienten
verbunden mit perinealer Abszedierung und/oder Fistelbildung. Bei zwei Patienten waren
perinealer Abszeß und Fistelung ohne Zusammenhang mit einer Nahtinsuffizienz aufgetreten.
In zwei Fällen war dadurch die Anlage einer entlastenden Kolostomie nötig, die in der Folge
jedoch wieder rückverlagert werden konnte. Von diesen Patienten wurde in sechs Fällen
höhergradige Inkontinenz und verkürzte Stuhldrangkontrolle und fünfmal eine höhergradig
erhöhte Stuhlfrequenz beklagt. Hinzu kamen tägliches Stuhlschmieren (3x), unsichere
Diskrimination des Darminhaltes (3x), Unsicherheit bei der Wahrnehmung des Stuhldranges
und Darmkrämpfe in Zusammenhang mit der Defäkation (jeweils 2x). Fünfmal wurden
überwiegend ungeformte Stühle angegeben. Auch hier waren Mehrfachnennungen möglich.
Zu zwei besonders schwerwiegende Komplikationen war es im Zusammenhang mit der
postoperativen Bestrahlung gekommen: Bei einer Patientin war während der Bestrahlung eine
Ureterstenose links aufgetreten, die zu mehrfacher Nephrostomierung, Pyelonephritis und
schließlich zur Nephrektomie führte. Die Patientin klagte über häufige Tenesmen und
fehlende Stuhldrangkontrolle, die sie auf die Notwendigkeit der Anwendung von Laxantien
30
zurückführte. Beim zweiten Patienten war es zu einem radiogenen Ileus gekommen, der eine
Ileozökalresektion erforderlich gemacht hatte. Der Patient litt in der Folge unter
höhergradiger Inkontinenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle, Stuhlschmieren, Unsicherheit der
Diskrimination des Darminhaltes und der Wahrnehmung des Stuhldranges und
ungeformt/breiigen Stühlen.
Zwei weitere Patienten hatten sich zusätzlichen Darmoperationen unterziehen müssen, davon
eine Patient einer Hemikolektomie rechts bei Zweitkarzinom und der andere einer subtotalen
Kolektomie bei Kolonpolypose. Während der erste Patient keine Änderung der
Stuhlgewohnheiten erlitt, war der zweite mit höhergradiger Inkontinenz, erhöhter
Stuhlfrequenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle, Unsicherheit bei der Diskrimination des
Darminhaltes und ungeformten Stühlen behaftet.
Bei neun der Patienten war eine Stenosierung der Anastomose aufgetreten, die durch
Nachweis einer Querschnittsminderung der Anastomose auf unter 15 mm mittels Palpation,
Rektoskopie oder Kolonkontrasteinlauf gesichert war. Zwei dieser Patienten gaben eine
verzögerte und schmerzhafte Defäkation sowie wechselnde Perioden mit teils häufigem, dann
tagelang ausbleibendem Stuhlgang an, bei einer Patientin wurde die Aufbougierung der
Anastomose erforderlich. Die übrigen Patienten gaben hingegen keine klinische Symptomatik
im Zusammenhang mit der Stenose an.
Für alle der obengenannten Störungen war eine Bearbeitung mit statistischen Mitteln wegen
der Heterogenität und der geringen Fallzahlen nicht möglich. Dennoch war es für die
weiteren statistischen Tests wichtig, ob Patienten mit vorbestehenden Störungen der
Stuhlgewohnheiten, höhergradigen Hämorrhoidalleiden, postoperativen Komplikationen und
sonstigen Besonderheiten in einer der von uns gebildeten Patientengruppen gehäuft
aufgetreten waren. Es zeigte sich, daß (mit Ausnahme der schon erwähnten Ileozökalresektion
im Zusammenhang mit der postoperativen Bestrahlung) in keinem weiteren Falle ein solcher
Zusammenhang sicher feststellbar war und daß sich im Gegenteil präoperative Störungen der
Stuhlgewohnheiten, anale Begleiterkrankungen, Wundheilungsstörungen und postoperative
Besonderheiten, soweit sie aufgetreten waren, über das gesamte Patientenkollektiv nahezu
gleichmäßig verteilten.
4.2
Störungen der Stuhlgewohnheiten
4.2.1 Kontinenzverhalten
Die Patienten konnten im Fragebogen sowohl zur Art der Inkontinenz (für Winde,
ungeformten oder festen Stuhl) wie auch der Häufigkeit des Auftretens (weniger als einmal
wöchentlich, mindestens einmal wöchentlich oder täglich) Stellung beziehen, wobei wir uns
an einer von Pescatori u.a. [48] vorgeschlagenen Einteilung („Pescatori-Score“) orientierten.
Dabei wird für die Inkontinenz für Winde ein, für die Inkontinenz für flüssigen Stuhl zwei und
für die Inkontinenz für festen Stuhl drei Punkte vergeben, ebenso werden ein, zwei oder drei
Punkte vergeben, je nachdem ob die Inkontinenz seltener als einmal wöchentlich, mindestens
einmal wöchentlich oder täglich auftrat. Es ergaben sich somit Scores zwischen 0 Punkten
(perfekte Kontinenz) und 6 Punkten (täglich Inkontinenz für feste Stühle), wobei wir für die
weitere statistische Arbeit auf eine so weitgefächerte Differenzierung verzichteten, und, wie
auch für alle folgenden Störungen der Stuhlgewohnheiten, nur noch zwischen „nicht
vorhandener oder geringfügiger Störung“ (Pescatori-Score 0 und 2) bzw. „höhergradiger
Störung“ (Pescatori-Score 3-6) unterschieden.
31
Höhergradige Inkontinenz in diesem Sinne trat relativ häufig, in etwa 45 % der Fälle, auf.
Dabei lagen die Angaben für Inkontinenz gegenüber festen Stühlen insgesamt bei 6,8%,
während sich Inkontinenz für ungeformten Stuhl bei 17%, für Winde bei 19 % der Fälle
feststellen ließ.
Diagramm 1 zeigt die Häufigkeiten für einzelne Scoregruppen (in absoluten und relativen
Zahlen). Zur besseren optischen Unterscheidung wurden hier, wie auch in allen folgenden
Diagrammen, die Tortensegmente, die eine „nicht vorhandene oder nur geringfügige
Störung“ repräsentieren, durch grüne Farbstufen, und jene, die eine „höhergradige Störung“
darstellen, durch orange-rote Farbtöne gekennzeichnet
Diagramm 1: Inkontinenzhäufigkeiten
Kontinenzverhalten (n = 88)
Pescatori-Score =0: keine Inkontinenz n=49 (55,7%)
Pescatori-Score=2: Inkontinenz für Winde weniger als
einmal wöchendlich n=4 (4,5%)
Pescatori-Score=3-4: Inkontinenz für Winde mindestens
einmal wöchendlich, Inkontinenz für weich-flüssige Stühle
weniger als täglich, Inkontinenz für feste Stühle weniger
als einmal wöchentlich n=25 (28,4%)
Pescatori-Score=5-6: Inkontinenz für weich-flüssigen
Stuhl täglich, Inkontinenz für festen Stuhl mindestens
einmal wöchentlich. n=9 (10,2%)
fehlende Angaben n=1 (1,1%)
4.2.2 Erhöhte Stuhlfrequenz
Bei der Frage nach der Stuhlfrequenz waren die Antworten „1-2 mal täglich“, „3-5 mal
täglich“, „6-10 mal täglich“ und „öfter als 10 mal täglich“ möglich. Stuhlfrequenzen bis
5 mal täglich wurden als nicht bzw. geringfügig, höhere Stuhlfrequenzen als höhergradig
gesteigert gewertet.
Diagramm 2: Häufigkeit erhöhter Stuhlfrequenzen
Stuhlfrequenz (n = 88)
1-2 x täglich n=30 ( 34,1%)
3-5 x täglich n=34 ( 38,6%)
6-10 x täglich n=21 ( 23,8%)
öfter n=3 (3,4%)
fehlende Angaben n=0 (0%)
32
4.2.3 Gestörte Stuhldrangkontrolle
Hier konnten die Patienten angeben, ob sie beim Verspüren eines Stuhldranggefühls gut selbst
bestimmen konnten, ob und wann sie die Toilette aufsuchen wollten („gute Kontrolle“), ob
sie in einem solchen Falle sofort zur Toilette mußten um ein „Malheur“ zu verhindern
(„kurzzeitige Kontrolle“) oder ob es beim ersten Auftreten des Stuhldranggefühls bereits
zumeist zu spät war, die Toilette aufzusuchen („fehlende Kontrolle“). Als höhergradige
Störung der Stuhldrangkontrolle wurde von uns das Fehlen einer „guten“, also die nur
kurzzeitige oder gänzlich fehlende Kontrolle bezeichnet.
Diagramm 3: Häufigkeiten gestörter Stuhldrangkontrolle
Kontrolle des Stuhldranges (n = 88)
gute Kontrolle n=47 (53,5%)
kurzzeitige Kontrolle n=32 (36,3%)
fehlende Kontrolle n=7 (7,9%)
fehlende Angaben n=2 (2,3%)
4.2.4 Stuhlschmieren
Als Stuhlschmieren wurde die Verschmutzung der Unterwäsche ohne eigentliches Einkoten
bezeichnet. Die Antworten „kein“, „gelegentliches“ oder „tägliches Stuhlschmieren“ waren
möglich. Nur tägliches Stuhlschmieren wurde als höhergradige Störung gewertet.
Diagramm 4: Häufigkeit von Stuhlschmieren
Stuhlschmieren (n = 88)
kein Stuhlschmieren n=62 (70,5%)
gelegentlich n=13 (14,8%)
täglich n=12 (13,6%)
fehlende Angaben n=1 (1,1%)
33
4.2.5 Erschwerte Diskrimination des Darminhaltes
Der Fragepunkt „Diskrimination des Darminhaltes“ stand für die Fähigkeit, sicher Stuhlgang
und Blähungen voneinander zu unterscheiden. Als Antwortmöglichkeiten standen „immer
sichere Unterscheidungsfähigkeit“, „gelegentlich (bei „Streß“) unsichere Unterscheidungsfähigkeit“ und „immer unsichere Unterscheidungsfähigkeit“ zur Auswahl. Nur bei immer
unsicherer Unterscheidungsfähigkeit“ hielten wir eine höhergradige Störung für gegeben.
Diagramm 5: Häufigkeit von Störungen der Diskrimination des Darminhaltes
Diskrimination des Darminhaltes (n = 88)
sicher n=47 ( 53,4%)
bei "Streß" unsicher n=28 (31,8%)
immer unsicher n=11 (12,5%)
fehlende Angaben n=2 (2,3%)
4.2.6 Mangelnde Wahrnehmung des Stuhldranggefühls
Das „Stuhldranggefühl“ umschrieben wir für die Patienten als „Völlegefühl des Darmes,
welches einem Menschen sicher sagt, wann er die Toilette aufsuchen muß“. Auch hier konnte
„immer sicher“, „gelegentlich (bei „Streß“) unsicher“ oder „immer unsicher“ ausgewählt
werden. Nur bei immer unsicherer Unterscheidungsfähigkeit“ hielten wir eine höhergradige
Störung für gegeben.
Diagramm 6: Häufigkeit der mangelnden Wahrnehmung des Stuhldranggefühls
Wahrnehmung des Stuhldranggefühls (n = 88)
sicher n=74 (84,1%)
gelegentlich unsicher n=1 (1,1%)
immer unsicher n=12 (13,6%)
fehlende Angaben n=1 (1,1%)
34
4.2.7 Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation
Darmkrämpfe statt oder in Verbindung mit dem Stuhldranggefühl wurden bei Patienten mit
Rektumresektionen in der Literatur beschrieben. Wir fragten danach, ob solche „nie“,
„gelegentlich“ oder „ständig“ aufgetreten waren. Bei ständigen Tenesmen im
Zusammenhang mit der Defäkation sprachen wir von einer höhergradigen Störung.
Diagramm 7: Häufigkeit von Tenesmen im Zusammenhang mit der Defäkation
Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation (n = 88)
nie n=76 (86,3%)
gelegentlich n=3 (3,4%)
ständig n=7 (8,0%)
fehlende Angaben n=2 (2,3%)
4.2.8 Veränderte Konsistenz der Stühle
Neben der Funktion des Kontinenzorganes kommt der Konsistenz der Stühle eine ganz
wesentliche Bedeutung für mehr oder minder gestörte Stuhlgewohnheiten zu. Wir fragten
deshalb nach der überwiegenden Qualität der Stühle. Die Patienten konnten sich zwischen den
Aussagen „überwiegend hart, „überwiegend geformt“, überwiegend weich oder flüssig“ und
„wechselnd“ entscheiden. Für die statistischen Tests unterschieden wir eine Patientengruppe
mit geformten, harten und wechselnden Stühlen von einer Patientengruppen mit ungeformten
(„weich-flüssigen“) Stühlen.
Diagramm 8: Konsistenz der Stühle
Stuhlkonsistenz (n = 88)
geformt n=53 (60,3%)
hart n=8 (9,1%)
wechselnd n=3 ( 3,4%)
weich / flüssig n=24 (27,2%)
fehlende Angaben n=0 (0,0%)
35
4.3
Einfluß der Anastomosenhöhe, der Anastomosenart und der
postoperativen Bestrahlung auf Störungen der Stuhlgewohnheiten und
manometrische Ergebnisse
Wegen der großen Menge an Daten, die aus den nun folgenden Vergleichen resultierten,
mußte auf eine tabellarische Darstellung zurückgegriffen werden. Dabei gehen aus den
Tabellen nicht nur die absoluten und relativen Häufigkeiten bei qualitativen Vergleichen
sowie Mittelwerte und Standardabweichungen bzw. Mediane und Minima/Maxima bei
Vergleichen
bezüglich quantitativer Größen, sondern auch Signifikanzangaben und die jeweils
verwendeten statistischen Testverfahren hervor (siehe Beschriftung). Bei allen Tests gingen
wir von einer signifikanten Unterscheidbarkeit zweier Gruppen bei P 7 < 0,05 aus; waren für
P Werte kleiner 0,01 zu ermitteln, sprachen wir von einem hochsignifikanten Ergebnis.
Im Text zwischen den Tabellen wurden deren Kernaussagen zusammengefaßt und auf für die
anschließende Diskussion wesentliche Ergebnisse besonders hingewiesen.
Auf eine
graphische Darstellung der Ergebnisse, etwa in Form von „box-and-plot“-Diagrammen,
wurde aus Platzgründen verzichtet.
7
„Wahrscheinlichkeit der Nullhypothese“
36
4.3.1 Anastomosenhöhe
Wie bereits unter erwähnt, wurde zur Beurteilung des Einflusses der Anastomosenhöhe auf
die Stuhlgewohnheiten und die manometrischen Größen eine Aufteilung unserer Patienten auf
zwei Gruppen, einer mit Anastomosenhöhen bis einschließlich 10 cm und einer Gruppe mit
Anastomosenhöhen über 10 cm (immer gemessen von der Anokutanlinie) erforderlich. Es
ergab sich, daß im Gesamtkollektiv 61 Patienten (69%) der Gruppe mit den tieferen
Anastomosen und 27 Patienten (31%) der Gruppe mit den höheren Anastomosen zugerechnet
wurden. Im Manometriekollektiv ergab sich eine ähnliche Verteilung: Hier standen
38 Patienten (67%) in der Gruppe mit den tiefen Anastomosen 19 Patienten (33%) mit
höheren Anastomosen gegenüber.
Tabelle 2: Häufigkeiten
Anastomosenhöhe
von
Störungen
der
Stuhlgewohnheiten
in
Abhängigkeit
von
der
Anastomosenhöhe über der AKL
Art der Störung
≤ 10 cm (n = 61)
> 10cm (n = 26)
Höhergradige Inkontinenz
(* )
28
(45,9%)
6
(23,1%)
Stuhlfrequenz
> 5x täglich
(*)
21
(34,4%)
3
(11,1%)
Stuhldrangkontrolle nur
Kurzzeitig oder fehlend
(*)
32
(53,3%)
7
(26,9%)
Stuhlschmieren
Täglich
(+)
12
(20,0%)
0
(0,0%)
9
(15,0%)
2
(7,7%)
Diskrimination der Fäzes
Immer unsicher
Stuhldranggefühl
Immer unsicher
(+)
12
(20,0%)
1
(3,7%)
Tenesmen immer bei
Defäkation
(+)
7
(11,9%)
0
(0,0%)
Stuhlkonsistenz ungeformt
(*)
20
(34,5%)
4
(14,2%)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer
Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten (in
Klammern).Testverfahren: χ2-Test.
Tabelle 2 zeigt, daß höhergradige Störungen der Stuhlgewohnheiten in der Gruppe der
tieferen Anastomosen durchweg häufiger waren, wobei signifikante Häufungen im χ2-Test
für Inkontinenz, gehäufte Stuhlfrequenz, verkürzte Stuhldrangkontrolle und ungeformte
Stühle gesichert werden konnten. Unsicheres Stuhldranggefühl und Tenesmen im
Zusammenhang mit der Defäkation bei den Patienten mit tiefer Anastomose waren zwar
ebenfalls zunächst mittels χ2–Test als signifikant häufiger erkannt worden, wegen einer zu
geringen Fallzahl war jedoch hier eine Signifikanzangabe nicht zulässig.
37
Tabelle 3: Manometrische Meßergebnisse in Abhängigkeit von der Anastomosenhöhe
Anastomosenhöhe über der AKL
Manometrischer
Parameter
≤ 10 cm (n = 34)
>10cm (n = 19)
RARR
Positiv
(*)
21
(61,8%)
18
(94,7%)
ARD
(cm H2O)
(** )
60
± 18
82
± 24
138
± 48
162
± 53
12
± 36
69
± 21
136
± 74
164
± 58
1,77
(0,80 / 2,80)
2,29
MKD
(cm H2O)
MTRD
(cm H2O)
(*)
MTRV
(cm H2O)
Compliance
(ml / cm H2O)
(*)
(1,38 / 4,00)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer
Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und relative
Häufigkeiten / χ2-Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-tTest; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-U-Test.
Auch für alle in Tabelle 3 aufgezeigten manometrischen Ergebnisse lassen sich tendenzielle
Unterschiede feststellen, wobei in der Patientengruppe mit den höheren Anastomosen der
RARR häufiger positiv war, die Werte für ARD, MKD, MTRV und Compliance
durchschnittlich höher und für den MTRD durchschnittlich tiefer lagen. Ein
Signifikanznachweis gelang hierbei für die Parameter RARR, ARD (hohe Signifikanz),
MTRD und Compliance.
38
4.3.2
Anastomosenart
Tabelle 4: Störungen der Stuhlgewohnheiten in Abhängigkeit von der Anastomosenart
Anastomosenart
Art der Störung
Handnaht (n = 28)
Höhergradige Inkontinenz
Klammernaht (n = 60)
9
(32,1%)
23
(38,3%)
3
(10,7%)
21
(35,0%)
10
(35,7%)
27
(45,0%)
Stuhlschmieren
täglich
3
(10,7%)
8
(13,3%)
Diskrimination der Fäzes
immer unsicher
6
(21,4%)
4
(6,7%)
Stuhldranggefühl
Immer unsicher
3
(10,7%)
10
(16,7%)
Tenesmen immer bei
Defäkation
0
(0,0%)
7
(11,7%)
Stuhlkonsistenz ungeformt
6
(21,4%)
17
(28,3%)
Stuhlfrequenz
> 5x täglich
Stuhldrangkontrolle nur
kurzzeitig oder fehlend
(*)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten
2
(in Klammern).Testverfahren: χ -Test.
Im Vergleich der Häufigkeiten gestörter Stuhlgewohnheiten zwischen den Patientengruppen
mit Handnaht gegen Klammernaht-Anastomosen (Tabelle 4) waren die Unterschiede nur
wenig ausgeprägt; nur bezüglich der Stuhldrangkontrolle konnte ein signifikanter Unterschied
zwischen den Gruppen festgestellt werden, wobei bei den Patienten mit Klammernähten
verkürzte bzw. gänzlich fehlende Stuhldrangkontrollzeiten etwas häufiger auftraten als bei
den Patienten mit handgenähter Anastomose. Bei den anderen Stuhlgewohnheiten, mit
Ausnahme der Diskrimination des Darminhaltes, konnte allenfalls eine geringfügige Häufung
von höhergradigen Störungen bei den Patienten mit Klammernähten ausgemacht werden. Die
Diskrimination des Darminhaltes war etwas häufiger bei den Patienten mit HandnahtAnastomosen gestört. Ein statistisch signifikanter Unterschied war bei den genannten Fällen
jedoch nicht nachweisbar.
39
Tabelle 5: Ergebnisse der anorektalen Manometrie in Abhängigkeit von der Anastomosenart
Anastomosenart
Manometrischer
Parameter
Handnaht (n = 15)
Klammernaht (n = 42)
RARR
positiv
11
(73,3%)
25
(59,5%)
ARD
(cm H2O)
70
± 14
66
± 25
MKD
(cm H2O)
135
± 30
150
± 52
MTRD
(cm H2O)
74
± 30
84
± 34
140
± 67
MTRV
(ml)
Compliance
(ml / cm H2O)
(*)
175
± 76
2,32 (1,05 / 4,21)
1,99 (0,79 / 3,75)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und
2
relative Häufigkeiten / χ -Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen /
Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-U-Test:
Entsprechend den geringen Unterschieden bei den Störungen der Stuhlgewohnheiten, waren
auch bezüglich der manometrischen Parameter nur wenige Unterschiede zwischen Patienten
mit Hand- bzw. Klammernaht-Anastomosen zu verzeichnen (Tabelle 5). Signifikant war nur
der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Werten beim MTRV, hier fanden sich bei
den Patienten mit Handnaht-Anastomosen höhere Werte als in der Vergleichsgruppe.
Tendenziell günstiger waren für Patienten mit Handnaht-Anastomosen auch die Zahlen für
den RARR (bei Handnaht-Anastomosen häufiger positiv), für den ARD (durchschnittlich
etwas höher), für den MTRD (durchschnittlich niedriger) und die Compliance
(durchschnittlich höher), hier jedoch ohne statistische Signifikanz.
40
4.3.3
Postoperative Bestrahlung
Tabelle 6: Störungen der Stuhlgewohnheiten in Abhängigkeit von der postoperativen Bestrahlung
postoperative Bestrahlung
Art der Störung
nein (n = 63)
ja (n = 25)
Höhergradige Inkontinenz
(*)
19
(30,6%)
15
(60,0%)
Stuhlfrequenz
> 5x täglich
(*)
13
(20,6%)
11
(44,0%)
Stuhldrangkontrolle nur
Kurzzeitig oder fehlend
(**)
21
(34,4%)
18
(72,0%)
Stuhlschmieren
täglich
8
(12,9%)
4
(16,0%)
Diskrimination der Fäzes
immer unsicher
7
(11,5%)
4
(16,0%)
6
(9,7%)
7
(28,0%)
Tenesmen immer bei
Defäkation
4
(6,3%)
3
(13,0%)
Stuhlkonsistenz ungeformt
11
(18,0%)
13
(54,2%)
Stuhldranggefühl
immer unsicher
(+)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer
Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Wiedergegeben sind absolute und relative Häufigkeiten (in
Klammern).Testverfahren: χ2-Test.
Zwischen den Patienten, die sich keiner Nachbestrahlung unterzogen hatten, und den
nachbestrahlten Patienten waren deutliche Unterschiede bei der Häufigkeit gestörter
Stuhlgewohnheiten zu erkennen (Tabelle 6): Inkontinenz und erhöhte Stuhlfrequenz waren
signifikant, verkürzte Stuhldrangkontrolle und ungeformter Stuhl sogar hochsignifikant
häufiger in der Gruppe der nachbestrahlten Patienten. Von Inkontinenz und ungeformten
Stühlen waren damit über die Hälfte, von verkürzter Stuhldrangkontrolle sogar fast zwei
Drittel aller Patienten, die sich einer Nachbestrahlung unterzogen hatten, betroffen. Nur
geringe Unterschiede fanden sich bezüglich der Häufigkeit von Stuhlschmieren, Tenesmen
und mangelnder Diskrimination des Darminhaltes (wobei auch hier tendenziell häufigere
Angaben bei den nachbestrahlten Patienten gemacht worden waren), während die Angabe
eines unsicheren Stuhldranggefühles bei den nachbestrahlten Patienten zwar ebenfalls
häufiger war, aufgrund des insgesamt zu seltenen Auftretens dieser Störung jedoch statistisch
unsignifikant blieb.
41
Tabelle 7: Ergebnisse der anorektalen Manometrie in Abhängigkeit von der postoperativen Bestrahlung
postoperative Bestrahlung
Manometrischer
Parameter
nein (n = 37)
RARR
positiv
ARD
(cm H2O)
30
(*)
MKD
(cm H2O)
(83,3%)
ja (n = 20)
9
(52,9%)
72
± 24
58
± 16
154
± 55
131
± 39
98
± 38
93
± 50
MTRD
(cm H2O)
(**)
71
MTRV
(ml)
(**)
174
Compliance
(ml / cm H2O)
(**)
2,45 (1,78 / 3,92)
± 25
± 62
0,95
(0,57 / 1,62)
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR:
2
absolute und relative Häufigkeiten / χ -Test; ARD, MKD, MTRD und MTRV: Mittelwerte und
Standardabweichungen / Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und Maxima / Mann-Whitney-UTest.
Durchweg ungünstigere Werte ergaben sich auch für die manometrischen Parameter
(Tabelle 7). Die ARD lagen signifikant niedriger in der Gruppe der nachbestrahlten Patienten,
aber auch für die durchschnittlichen MKD-Werte scheint mit der Nachbestrahlung eine
Minderung verbunden zu sein, wenngleich hier die Unterschiede unter dem geforderten
Signifikantniveau blieben. Noch deutlicher als bei den analen Meßwerten fielen die
Unterschiede bei den rektalen Parametern aus: MTRV und Compliance waren hochsignifikant
niedriger, die MTRD-Werte hingegen hochsignifikant höher bei Patienten mit postoperativer
Bestrahlung.
42
43
4.4
Manometrische Ergebnisse bei Patientengruppen mit unterschiedlich
stark gestörten Stuhlgewohnheiten
Die Ergebnisse der Untersuchungen, die Unterschiede bei manometrischen Parametern in
Patientengruppen mit mehr oder weniger gestörten Stuhlgewohnheiten aufzeigen sollten, sind,
wie dies schon für die vorangegangenen Untersuchungen geschah, in tabellarischer Form
niedergelegt. Zur Erklärung der verwendeten Testverfahren und der gefundenen
Signifikanzniveaus sei wiederum auf die Erläuterungen unter den Tabellen verwiesen. Der
begleitende Text dient somit vor allem dazu, dem Leser die Orientierung in den
Zahlenkolonnen zu erleichtern, indem er auf statistisch signifikante Ergebnisse, aber auch auf
unerwartete und bemerkenswerte Details hinweist, die Eingang in die anschließenden
Diskussion fanden.
Tabelle 8: Anale Manometrieergebnisse und Stuhlgewohnheiten
nicht oder gering (n = 33)
höhergradig (n = 24)
< 2= (5x / d24)
(n = 42)
Stuhlfrequenz
> 5x / d (n = 15)
gut (n = 27)
Stuhldrangkontrolle verkürzt (n = 29)
nein (n = 49)
Stuhlschmieren
ja (n = 7)
sicher (n = 50)
Diskrimination
unsicher (n = 7)
sicher (n = 47)
Stuhldranggefühl
unsicher (n = 9)
keine T. (n = 51)
Tenesmen
vorhanden (n = 4)
hart/geformt (n = 38)
Stuhlkonsistenz
ungeformt (n = 17)
Inkontinenz
Positiver
RARR
27 (81,8%)
12 (50,0%)
33 (78,6%)
6 (40,0%)+
23 (85,1%)
15 (51,7%)*
35 (71,4%)
3 (42,9%)
36 (72,0%)
3 (42,9%)
35 (74,5%)
3 (33,3%)+
37 (72,5%)
1 (25,0%)+
31 (81,6%)
7 (41,1%)+
ARD
(cm H2O)
MKD
(cm H2O)
72 ± 26
61 ± 15
70 ± 22
60 ± 24
74 ± 28
62 ± 15
69 ± 23
56 ± 17
68 ± 23
60 ± 16
69 ± 23
63 ± 17
67 ± 23
60 ± 16
71 ± 24
57 ± 15
148 ± 55
143 ± 44
148 ± 50
140 ± 54
163 ± 60
132 ± 35*
149 ± 53
128 ± 36
150 ± 51
117 ± 35
145 ± 54
154 ± 31
147 ± 53
128 ± 32
158 ± 54
119± 37**
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01; (+): P < 0,05, jedoch wg. zu geringer
Fallzahlen keine Signifikanzangabe zulässig. Zahlenangaben / Testverfahren: RARR: absolute und relative
Häufigkeiten / χ2-Test; ARD und MKD: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test.
Vom rektoanalen Relaxationsreflex kann zunächst – unabhängig von statistischer
Signifikanz – ausgesagt werden, daß er in allen Patientengruppen mit fehlenden oder nur
geringen Störungen der Stuhlgewohnheiten häufiger positiv ausfiel als in den
Patientengruppen mit höhergradigen Störungen (Tabelle 8, Spalte 1). Dieses Ergebnis war
statistisch signifikant für die Stuhldrangkontrolle; die überwiegende Mehrheit der Patienten
ohne oder mit nur geringfügigen Störungen der Stuhldrangkontrolle zeigten einen positiven
RARR, während dieser nur bei etwas über der Hälfte der Patienten mit höhergradig verkürzter
der Stuhldrangkontrolle nachweisbar war.
Nur geringfügig fielen die Unterschiede für die analen Druckwerte – den analen Ruhedruck
(ARD) und den maximalen Kneifdruck (MKD) aus, wie Tabelle 8, Spalte 2-3 zeigt. Zwar
konnten hier – bis auf eine Ausnahme, nämlich den MKD-Werten bei Patienten mit sicherem
und unsicherem Stuhldranggefühl – bei allen höhergradigen Störungen der
Stuhlgewohnheiten niedrigere Durchschnittswerte, sowohl für ARD als auch MKD gemessen
werden, aber die Unterschiede waren nur im Falle des MKD bei Patienten mit und ohne
44
höhergradigen Störungen der Stuhldrangkontrolle groß genug, um auch statistisch
voneinander unterschieden werden zu können. Bemerkenswert sind die großen
Überschneidungsbereiche (erkennbar an den weit überlappenden Standardabweichungen), so
daß selbst im zuletzt genannten Fall mit der Kenntnis des MKD-Wertes keinesfalls eine
Aussage über die gestörte oder ungestörte Stuhldrangkontrolle möglich wäre.
Tabelle 3: Rektale Manometrie und Stuhlgewohnheiten
MTRD
(cm H2O)
nicht oder gering (n = 33)
höhergradig (n = 24)
< = 5x / d (n = 42)
Stuhlfrequenz
> 5x / d (n = 15)
Gut (n = 27)
Stuhldrangkontrolle verkürzt (n = 29)
Nein (n = 49)
Stuhlschmieren
ja (n = 7)
Sicher (n = 50)
Diskrimination
Unsicher (n = 7)
Sicher (n = 47)
Stuhldranggefühl
Unsicher (n = 9)
Keine T. (n = 51)
Tenesmen
Vorhanden (n = 4)
Hart/geformt (n = 38)
Stuhlkonsistenz
Ungeformt (n = 17)
Inkontinenz
67 ± 23
101± 33**
80 ± 33
84 ± 32
73 ± 25
90 ± 37
82 ± 34
79 ± 19
79 ± 29
99 ± 53
79 ± 34
92 ± 22
81 ± 33
65 ± 23
77 ± 27
93 ± 41
MTRV
(ml)
160 ± 65
125 ± 72
153 ± 71
125 ± 64
174 ± 61
117 ± 67**
148 ± 71
130 ± 68
146 ± 70
146 ± 73
148 ± 71
134 ± 71
150 ± 71
95 ± 60
186 ± 63
114 ± 67*
Compliance
(ml / cm H2O)
2,46 (1,63 / 3,83)
1,04 (0,64 / 2,25)**
2,28 (1,04 / 3,12)
1,56 (0,77 / 2,63)
2,46 (1,71 / 4,00)
1,23 (0,76 / 2,25)**
2,07 (0,99 / 3,02)
1,98 (0,90 / 2,58)
1,96 (0,96 / 3,20)
2,26 (1,76 / 2,31)
2,27 (1,00 / 3,47)
1,26 (0,95 / 2,16)
2,27 (0,96 / 3,20)
1,78 (0,72 / 2,19)
2,27 (1,04 / 4,50)
1,04 (0,59 / 2,27)*
Erläuterungen: Signifikanzangaben: (∗): P < 0,05; (∗∗): P < 0,01. Zahlenangaben / Testverfahren: MTRD und
MTRV: Mittelwerte und Standardabweichungen / Student`s-t-Test; Compliance: Mediane, Minima und
Maxima / Mann-Whitney-U-Test:
Beim maximalen tolerierten Rektumdruck (MTRD) war in den meisten Fällen das Vorliegen
höhergradiger Störungen der Stuhlgewohnheiten mit höheren Durchschnittswerten
verbunden. Diese Abweichung von den Werten der Patienten ohne die Störung war nur im
Falle der Frage nach der Inkontinenz bedeutsam, hier sogar hochsignifikant. Nahezu immer
reziprok dazu verhielt sich das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV), das bei allen
gestörten Stuhlgewohnheiten niedrigere Durchschnittswerte zeigte. Auch hier konnte ein
statistisch hochsignifikanter Zusammenhang, hier allerdings zur Stuhldrangkontrolle,
festgestellt werden.
Die rektale Compliance schließlich, als Quotient aus den MTRV und MTRD, verhielt sich,
wie zu erwarten war, proportional bzw. umgekehrt proportional zu den letztgenannten
Werten. Durchschnittlich höhere Werte traten hier bei den nicht oder nur geringfügig
gestörten Stuhlgewohnheiten, niedrigere bei den höhergradiger gestörten Stuhlgewohnheiten
auf. Somit lassen sich auch die beiden hochsignifikanten Wertepaare, die für die Compliance
gefunden werden konnten, nämlich bei Kontinenz und Stuhldrangkontrolle, direkt von
entsprechenden hochsignifikanten Unterschieden für MTRV und MTRD (s. oben) ableiten.
45
5
Diskussion
5.1 Zu den begleitenden Erkrankungen und postoperativen Komplikationen
Es ist auffällig, daß viele Patienten, die für die Zeit vor der Erkrankung Störungen einzelner
Stuhlgewohnheiten angaben, im Gefolge der Operation eine Besserung erfuhren. Es muß
dabei angenommen werden, daß sich diese Patienten mit ihren Angaben nicht wirklich auf die
Zeit vor der Erkrankung, sondern wahrscheinlicher auf die unmittelbar vor der Operation
liegende Zeit bezogen, in der die Stuhlgewohnheiten schon durch die Tumorerkrankung
beeinträchtigt waren. Eine solche Beeinträchtigung entsteht durch Raumausdehnung und
Gewicht des Tumors im Rektum. Dies hat nach Meinung von Vassilakis u.a. [59] zum einen
eine Minderung der Reservoirkapazität des Rektums, zum anderen – wahrscheinlich durch die
Auslösung eines permanenten RARR – die Minderung des analen Ruhedrucks zur Folge.
Unsere Ergebnisse lassen deshalb den Schluß zu, daß präoperative Störungen der
Stuhlgewohnheiten keine sichere Prognose über das klinische Ergebnis nach Operation
zulassen, so daß wir mittelgradige Störungen der Stuhlgewohnheiten, insbesondere wenn sie
sich erst im Zusammenhang mit dem Auftreten der Tumorerkrankung manifestierten, nicht als
Kontraindikation zur sphinktererhaltenden Operation betrachten würden.
Der Fall der Patientin mit der bereits vor der Operation bestehenden Inkontinenz für feste
Stühle verdient besondere Erörterung. Bei ihr war diese hochgradige Form der Inkontinenz im
Zusammenhang mit einem gynäkologischen Leiden schon längere Zeit vor der Operation
aufgetreten. Obwohl keine Besserung ihrer Inkontinenz durch die Operation für sie zu
erwarten war und ein Kolostoma vom objektiven Standpunkt her besser zu versorgen gewesen
wäre, zog sie eine sphinktererhaltende Operation der Kolostomaanlage vor. Noch bei der
persönlichen Befragung äußerte sie sich zufrieden über diese Entscheidung. Ihr Beispiel zeigt,
daß der subjektive Vorteil der sphinktererhaltenden Operation nicht nur in der (nicht immer
erreichbaren) Ungestörtheit der Stuhlgewohnheiten liegt, sondern zum großen Teil auch in der
geringeren Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Die genannte Patientin wurde
nicht in die manometrische Untersuchung einbezogen.
Patienten mit analen Begleiterkrankungen (bei uns nur Patienten mit Hämorrhoidalleiden),
Wundheilungsstörungen, intestinalen Zweitoperationen und manifesten Strahlenschäden
schienen (soweit die wenigen beobachteten Fälle eine solche Vermutung erlaubten) etwas
häufiger Störungen der Stuhlgewohnheiten zu beklagen, als Patienten ohne solche
begleitenden Schäden.
Für die Patienten mit Hämorrhoiden darf dabei angenommen werden, daß bereits vor der
Tumorerkrankung eine gewisse Schädigung des Sphinkterapparates und/oder des
Zusammenspiels zwischen Sphinkterapparat und Reservoirorgan (Rektum) vorhanden war.
Die häufiger schlechteren Ergebnisse von Patienten mit postoperativen Heilungsstörungen
können nach Williams u.a. [66] darauf zurückgeführt werden, daß durch Infektionen und
Narbenreaktionen im Bereich des kleinen Becken der Kontakt zwischen Neorektum und den
umliegenden Strukturen verloren geht, so daß die Rezeptoren der Levatormuskulatur nicht
mehr auf Dehnungsreize aus dem Neorektum reagieren können. Diese Dehnungsreize sollen
aber für das Stuhldranggefühl sowie für die Steuerung von Reflexen des inneren und äußeren
Schließmuskels von Bedeutung sein.
46
Häufigere Störungen der Stuhlgewohnheiten bei intestinalen Zweitoperationen und
manifesten Strahlenschäden scheinen dagegen am ehesten durch die veränderte Darmmotorik
und Konsistenz der Stühle verursacht, aufgrund derer das Kontinenzorgan in kürzeren
zeitlichen Abständen mit voluminöseren und gleichzeitig weniger geformten Stühlen belastet
wird.
Für die neun Fälle, für die eine „Anastomosenstenose“ bekannt war, sei hervorgehoben, daß
nur bei drei Patienten mit dieser Angabe verbundene klinische Symptome auftraten. Wir
folgern daraus, daß Verengungen der Anastomosenregion auf 15 mm Durchmesser oder
weniger nicht immer Krankheitswert haben müssen.
5.2
Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten
Die nun folgende Diskussion soll sich zunächst auf die Fragen nach der Kontinenzsituation,
der Stuhlfrequenz und der Kontrolle des Stuhldranges konzentrieren, da Störungen dieser
Qualitäten nach AR auch von vielen anderen Autoren dokumentiert wurden. Ein direkter Vergleich der Angaben wird allerdings durch die unterschiedlichen Bewertungsmuster verwehrt.
So wurden die unterschiedlichsten Kriterien zur Charakterisierung der Inkontinenz
herangezogen, wie die Einteilung der Inkontinenz nach McDonald und Heald [39] die
Klassifikation der Kontinenz nach Kirwan [32] oder vom jeweiligen Untersucher eigens
aufgestellte Kriterien, die einen komplexen Score aus unterschiedlichen Stuhlgewohnheiten
oder zum Teil nur ungenau definierte Begriffe wie „major soiling“, „major faecal leakage“
oder „continent-incontinent“ zum Inhalt hatten (siehe unten). Die Stuhlfrequenz wurde
entweder direkt nach der Anzahl der Defäkationen pro Tag angegeben, oder es wurden
Stuhlfrequenzgruppen gebildet, denen die Patienten zugeordnet werden konnten.
Unterschiedlich war schließlich auch die Bewertung der Vorwarnperiode vor der Defäkation
(in unserer Studie mit „Stuhldrangkontrolle“ bezeichnet), welche entweder als „unverändert“
und „verkürzt“ oder mit genauen Zeitangaben wie „über fünf Minuten“, „unter 15 Minuten“
usw. charakterisiert wurde.
Um dennoch eine Gegenüberstellung von Ergebnissen anderer Untersuchergruppen mit den in
unserer Studie gefundenen Resultaten möglich zu machen, mußten wir neue und vereinfachte
Kriterien einführen, mit denen die Angaben möglichst vieler Untersucher zusammengefaßt
werden konnten. Es waren dies:
• „Vollständige Kontinenz“: Keine ungewollten Stuhlverluste (entsprechend PescatoriScore 0 in unserer Klassifikation. Die Inkontinenzgrade I und II nach McDonald und
Heald, die lediglich eine erhöhte Stuhlfrequenz anzeigen, gehören deshalb auch hierher.
• „Hochgradige Inkontinenz“: Zustände wie „completely incontinent“, „major soiling“,
„major faecal leakage“, Kontinenzklassifikation nach McDonald und Heald Grad IV-V,
nach Kirwan 4-5, in unserer Einteilung Pescatori-Score 5-6.
• „Höhergradig gesteigerte Stuhlfrequenz“: Inkontinenzgrad II nach McDonald und Heald,
alle Angaben von mindestens vier Stuhlgängen pro Tag (in unserer Studie Stuhlfrequenzen
> 5x täglich).
„Verkürzte Vorwarnperiode“: Alle Angaben von verkürzter Vorwarnperiode und
„urgency“, bei uns „kurzzeitige oder fehlende Stuhldrangkontrolle“.
47
Tabelle 10 gibt eine Gegenüberstellung von Ergebnissen zu Störungen der Stuhlgewohnheiten
wieder.
Tabelle 10: Kontinenz, Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle nach AR im Literaturvergleich.
Erheblich
gesteigerte
Autor
Kontinenz– vollständige hochgradige
verkürzte
Patientenzahl
kriterien
Kontinenz
Inkontinenz
Stuhlfrequenz
Vorwarnperiode
Batignani e.a. [1]
n = 33
Carmona e.a. [3]
n = 50
Frigell e.a. [11]
n = 37
Horgan e.a. [22]
n = 15
Jostarndt e.a. [26]
n = 43
Karanjia e.a. [29]
n = 68
Kirwan e.a. [31]
n = 80
Lewis e.a. [35]
n = 73
Liguori e.a. [36]
n = 147
Matsushita e.a. [37]
n = 21
Otto e.a. [44]
n = 17
Schweiger e.a. [51]
n = 28
Vassilakis e.a. [59]
n = 19
Williams e.a. [64]
n = 40
Eigene Angaben
n = 88
A
17
(52%)
6
(18%)
3
(9%)
–
B
32
(64%)
3
(6%)
17
(34%)
13
(26%)
C
30
(83%)
–
–
11
(11%)
6
(18%)
B
12
(75%)
1
(6,6%)
–
–
–
–
D
38
(88%)
1
(2,3%)
–
–
–
–
E
31
(46%)
–
–
–
–
34
B
65
(81%)
4
(5%)
–
–
–
–
F
29
(40%)
–
–
–
–
–
–
G
B
(90,7%)
13 (61,9%) 2
–
–
–
–
–
–
–
–
B
9
(52,9%) 2
0
(0,0%)
H
27
(96%)
1
(4%)
–
–
–
–
A/I
11
(59%)
3
(16%)
–
–
–
–
J
30
(75%)
–
–
14
(35%)
–
–
*
49 (55,7%)
9
(10,2%)
24
(27,3%)
39
(4,7%)
(9,5%)
(11,8%) 2
(11,8%)
–
(50%)
(44,2%)
Kontinenzkriterien: A: Inkontinenzgrading nach McDonald und Heald. B: Kontinenzklassifikation nach Kirwan. C:
„continent – incontinent“. D: Eigener Score des Autoren aus 10 verschiedenen Stuhlgewohnheiten. E: „soiling: never –
occasional“. F: „poor bowel function“, Score aus „fecal leakage“, „bowel frequency >= 4x / 24h“ und „urgency“. G:
„continenza – incontinenza feci – incontinenza gas“. H: „vollkontinent – inkontinent“. I: unterscheidet zusätzlich zum
Inkontinenzgrading nach McDonald/Heald „major incontinence“. J: „continent – occasional incontinence for faeces and
flatus – incontinence for flatus alone“. *: Zu den eigenen Beurteilungskriterien siehe 4.2 und die Angaben im Text. – :
Fehlende oder nicht übertragbare Angaben
Die Tabelle zeigt, daß die Literaturangaben zu Störungen der Stuhlgewohnheiten sehr
unterschiedlich ausfallen. Nach manchen Autoren mußte jeder zweite, nach anderen nicht
einmal jeder zehnte Patient mit Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR rechnen.
Vergleicht man die Zahlen anderer Autoren mit unseren Ergebnissen, ergeben sich eine relativ
häufige und ausgeprägte Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR in unserem
Patientenkollektiv. Dies trifft vor allen für die bei uns geringere Anzahl von Patienten mit
„vollständiger Kontinenz“, aber auch für die bei uns häufige Angaben „verkürzter
48
Stuhldrangkontrolle“ und „gesteigerter Stuhlfrequenz“ zu.
Wir erklären uns die zum Teil wesentlich günstigeren Aussagen über die Häufigkeit von
Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR in der Fachliteratur aus den zu unserem
unterschiedlichen Studienansätzen: Viele der genannten Referenzarbeiten waren
gewissermaßen „Pilotstudien“, die den Einfluß einzelner Faktoren im Zusammenhang mit der
Operation auf Stuhlgewohnheiten, manometrische Parameter und/oder das chirurgischonkologische Gesamtergebnis überprüften; so die Arbeiten von Batignani [1] (Einfluß der
Anastomosenhöhe auf Kontinenz und Manometriewerte), Carmona [3] (Anastomosehöhe und
postoperativer Zeitraum), Horgan [22] (prä-, intra- und postoperative anale Druckmessungen
zur Aufdeckung möglicher Schädigungsmechanismen), Jostarndt [28] (Vergleich Handnaht –
Klammernaht), Karanjia [29] (Anastomosenhöhe), Lewis [35] (Anastomosenhöhe), Otto [44]
(prä- und postoperative Manometrieergebnisse), Schweiger [51] (Manometriewerte in
zunehmendem Abstand zwischen Operation und Untersuchung), Vassilakis [59] (prä- und
postoperative Stuhlgewohnheiten und rektoanale Manometrie).
Für die zitierten Autoren war es wichtig, störende Beeinflussungen etwa durch anale
Vorerkrankungen, vorbestehende Störungen der Stuhlgewohnheiten oder aber die
Auswirkung einer eventuellen postoperativen Bestrahlung auszuklammern, weshalb somit
behaftete Patienten nicht in die Studien aufgenommen wurden. Unsere Studie schloß dagegen
bewußt auch diese Patienten mit von der AR unabhängigen Schäden des Kontinenzorganes
ein, da uns an der Darstellung der Gesamtsituation der Patienten nach AR gelegen war. Daß
das Vorkommen gestörter Stuhlgewohnheiten häufiger ist, als es die oben genannten, unter
strengen Ausschlußkriterien durchgeführten Studien vermuten lassen, zeigt sich folglich auch
in der Untersuchung von Lewis u.a. [35]. Er stellt (in einer unserer Studie ähnlichen Arbeit)
für 44 von insgesamt 73 Patienten, die im Zeitraum zwischen einem und 100 Monaten nach
AR untersucht wurden, „poor bowel function“ fest, worunter eine Kombination aus
mindestens vier Stuhlgängen pro Tag, Inkontinenz mindestens einmal wöchentlich und/oder
Stuhldrangkontrolle unter 15 min. verstanden wird. In einer anderen Studie aus der
Arbeitsgruppe von Lewis [67] wurde deshalb mit Blick auf die verkürzte Stuhldrangkontrolle
und die erhöhte Stuhlfrequenz nach AR vom „anterior resection syndrome“ gesprochen.
In das Gesamtbild der Stuhlgewohnheiten nach AR müssen schließlich auch die „kleineren
Störungen“ der Stuhlgewohnheiten einbezogen werden, also Stuhlschmieren, unsichere Diskrimination des Darminhaltes, verminderte Wahrnehmung des Stuhldranggefühls, Tenesmen
in Zusammenhang mit der Defäkation und Veränderungen der Stuhlkonsistenz. Die
diesbezüglichen Ergebnisse (4.2.4 – 4.2.8) zeigen, daß auch diese Beschwerden nicht selten
waren, wobei Störungen in einer Häufigkeit von nahezu 50 % („Diskrimination des Darminhaltes gelegentlich oder immer unsicher“) bis unter 10 % („immer Tenesmen in
Zusammenhang mit der Defäkation“) auftraten.
In der Literatur findet man zu diesen Störungen nur vereinzelt konkrete Angaben, so bei
Carmona [3] („Tenesmus yes“: 19/40 Pt. (48 %), „altered anal discrimination“: 11/40 Pt.
(28 %)), Karanjia [29] („Difficulty distinguishing flatus from faeces yes“: 27/68 Pt. (40 %)),
die meisten Untersucher beschränken sich darauf zu erklären, daß solche Störungen
vorkommen können. Unsere Ergebnisse zeigten, daß eine Bagatellisierung dieser Störungen
sicherlich nicht angebracht ist.
Eine besondere Beachtung verdienen unsere Ergebnisse zur Konsistenz des Stuhlgangs
(4.2.8), die von vielen unserer Patienten nach der Operation als ungeformt, d.h. breiig oder
sogar flüssig beschrieben wurde. Nahezu jeder dritte Patient war postoperativ von
49
ungeformten Stühlen betroffen. Die Gründe dafür dürften vielfältig sein, wobei die
Verwendung von Laxantien und geänderte Kostgewohnheiten nach AR eine Rolle spielen,
wahrscheinlich aber auch eine direkte Wirkung der AR – möglicherweise in Abhängigkeit
von der Anastomosenhöhe – auf die Funktion höherer Dickdarmabschnitte, und der Einfluß
einer postoperativen Bestrahlung (5.3.1 und 5.3.3). Ungeformte Stühle traten bei jenen
Patientengruppen gehäuft auf, die auch bezüglich anderer Stuhlgewohnheiten ungünstigere
Ergebnisse aufwiesen.
Überraschend war aber, daß auch verschiedene Ergebnisse der anorektalen Manometrie wie
MKD, MTRV und Compliance bei Patienten mit ungeformten Stühlen signifikant ungünstiger
ausfielen (4.4). Dieses Ergebnis läßt nur zwei Erklärungsmöglichkeiten zu, da eine direkte
Beeinflussung der Stuhlkonsistenz durch anorektale Funktionen nicht gegeben ist: Zum einen
äußert sich hierin die bereits diskutierte Beobachtung, daß ungeformte Stühle gehäuft bei
Patienten mit tiefen Anastomosen und postoperativen Bestrahlungen zu finden waren, wobei
letztere für die ungünstigen anorektalen Funktionen verantwortlich zu machen wären. Zum
anderen wäre es aber auch denkbar, daß für die postoperative Adaptationleistung des
Kontinenzorganes, die im „Wiedererlernen“ des Zusammenspiels aus Speicherorgan und
Schließmuskelapparates sowie der „Gewöhnung“ des Neorektums an seine Speicherfunktion
besteht, eine gewisse Konsistenz der Fäzes Voraussetzung ist.
Ein solcher Einfluß der Stuhlkonsistenz auf die Leistung des Kontinenzorganes des Patienten
nach AR kann wegen der vielen „Störfaktoren“ anhand unserer Studie nur vermutet werden.
Bereits beim Gesunden zeigt jedoch die Erfahrung, daß die „Leistungsreserve“, die das
menschliche Kontinenzorgan bietet, nur für den Fall geformter Stühle vorhanden ist. Ist der
Stuhl dagegen ungeformt, können auch beim Gesunden Störungen der Stuhlgewohnheiten
auftreten: es kommt zu Stuhlschmieren und, vor allem bei unerwarteten Diarrhoen, zu
Stuhlverlust. Die Stuhlfrequenz ist erhöht; die Stuhldrangkontrolle kann nur durch maximale
Anstrengung des äußeren Sphinkters gewahrt werden (oder ist bereits verkürzt). Die
wenigsten Menschen können sich in dieser Situation auf die sichere Diskrimination des
Darminhaltes durch das „sampling“ verlassen.
Für den Patienten nach AR, dessen Kontinenzorgan auf verschiedenen Ebenen geschädigt
sein kann, kann deshalb die Stuhlkonsistenz zum entscheidenden Kriterium werden, ob
Störungen der Stuhlgewohnheiten manifest werden oder nicht. Es ist deshalb zu fordern, mit
geeigneten diätetischen und medikamentösen Maßnahmen möglichst eine geformte
Konsistenz der Fäzes anzustreben, wenn immer keine sicheren Kontraindikationen bestehen.
Eine subjektive Besserung gestörter Stuhlgewohnheiten ist damit in jedem Fall zu erwarten;
eine Besserung auch objektiver manometrischer Funktionsparameter des Kontinenzorganes
durch adaptative Vorgänge läßt sich nach unseren Ergebnissen zumindest vermuten.
5.3
Zu den Störungen der Stuhlgewohnheiten und den manometrischen
Ergebnissen bei Patientengruppen mit unterschiedlichen Bedingungen
hinsichtlich Anastomosenhöhe, Anastomosenart und postoperativer
Bestrahlung
Vorbemerkung
Beim Vergleich zweier Gruppen unterschiedlicher Ausprägung eines Merkmals, z.B. der
postoperativen Bestrahlung (mit den „Ausprägungen“ „nachbestrahlt“
und „nicht
nachbestrahlt“) hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens eines anderen Merkmales (hier:
50
einer Störung der Stuhlgewohnheiten) oder der Verteilung eines Meßwertes (hier
Manometrieparameter) muß, will man sichere statistische Zusammenhänge herstellen,
gewährleistet werden, daß außer den jeweils untersuchten Größen keine weiteren Variablen
existieren, die das Ergebnis beeinflußen könnten, oder, falls solche vorhanden, daß diese sich
in ihren unterschiedlichen Ausprägungen gleichmäßig über die Vergleichsgruppen verteilen.
Dies hätte auf zwei verschiedene Arten erreicht werden können:
1. Durch die Bildung von „matched pairs“ oder
2. – bei genügend großen Untersuchungszahlen – durch zufällige Verteilung, was allerdings
vorausgesetzt hätte, daß sich die in Betracht kommenden Einflußfaktoren völlig
unabhängig voneinander verhalten.
Beide Möglichkeiten der „Isolation“ eines einzelnen Faktors bestanden in dieser Studie nicht.
Zum einen war die Bildung von „matched pairs“ bei der Vielzahl der zu berücksichtigenden
Einflußgrößen praktisch undurchführbar, zum anderen, und dies wiegt schwerer, muß gerade
die These der Unabhängigkeit der Merkmale voneinander bereits vom Ansatz her verworfen
werden. Für die Nachbestrahlung z.B. gilt, daß sie ja nur im Falle höherer Tumorstadien zur
Anwendung kam. Zu vermuten ist, daß damit auch operativ eine ausgedehntere Präparation
und damit größere Traumatisierung des Kontinenzorganes verbunden war, was in unserer
Arbeit jedoch nicht berücksichtigt werden konnte. Es muß deshalb angenommen werden, daß
die Unterschiede, die zwischen nicht nachbestrahlten und nachbestrahlten Patienten gefunden
werden konnten, wenigstens teilweise durch die Tatsache mitbedingt waren, daß sich in der
nachbestrahlten Patientengruppe häufiger Patienten mit fortgeschritteneren Erkrankungen
befanden. Daneben müssen auch andere Vergesellschaftungen von Faktoren, die auf die
Funktion des Kontinenzorganes hätten Einfluß nehmen können, vermutet werden, die –
vielleicht gerade weil sie weniger offensichtlich als das genannte Beispiel waren – die
Ergebnisse verfälschten bzw. die Interpretation der Ergebnisse erschwerten.
Im Rahmen dieser Studie war es nicht möglich, solche Wechselwirkungen vollständig
auszuschließen. Um zumindest Kenntnis von den wichtigsten Wechselbeziehungen von
bekannten oder angenommenen Einflußfaktoren untereinander zu gewinnen, unterzogen wir
die Einflußfaktoren Patientenalter bei Operation, Geschlecht, Tumorstadium, Zeitraum
zwischen Operation und Untersuchung, Anastomosenhöhe, Art der Anastomose und
postoperative Bestrahlung einer Analyse mittels des χ2-Tests. Zudem wurde hinsichtlich
postoperativer Wundheilungsstörungen und beachtet, ob sich für sie eine auffällige Häufung
in bestimmten Untersuchungsgruppen ergab (eine mögliche, aber nicht zutreffende Häufung
wäre z.B. gewesen: „tiefe Anastomose – häufiger Wundheilungsstörungen“). Die Ergebnisse
dieser Untersuchungen werden in der Diskussion immer dann zur Sprache kommen, wenn
tatsächliches Zusammentreffen verschiedener Einflußfaktoren das funktionelle Ergebnis für
einen der mit statistischen Mitteln untersuchten Einflußfaktoren vermutlich beeinflußt hat
oder, wenn umgekehrt die funktionellen Ergebnisse durch die Wirkung der primär
untersuchten Einflußgröße nicht plausibel erklärbar sind, so daß eine Fremdbeeinflussung
vermutet werden mußte.
5.3.1
Anastomosenhöhe
Die Anastomosenhöhe beeinflußte alle drei „Kardinalkriterien“ der Stuhlgewohnheiten ,
nämlich Inkontinenzgrad, Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle in signifikanter Weise,
wobei in der Patientengruppe mit niedrigeren Anastomosenhöhen die Patienten mit den
51
jeweils schlechteren Angaben überrepräsentiert waren. Signifikante Unterschiede fanden sich
auch hinsichtlich der Stuhlkonsistenz; Patienten mit tieferer Anastomose hatten häufiger
weiche Stühle als die Patienten mit den höheren Anastomosen.
Bei manometrischen Parametern (Tabelle 31) zeigten sich wesentliche Unterschiede
zwischen den Vergleichsgruppen bezüglich der Anastomosenhöhe: Unwillkürliche und
willkürliche Sphinkterdruckleistungen lagen bei höherer Anastomose durchschnittlich höher,
der RARR war häufiger positiv, der MRTD niedriger, MRTV und Compliance dagegen
höher. Aufgrund der Streubreite der gewonnenen Daten ließ sich ein statistischer
Signifikanznachweis allerdings nur im Falle des ARD, des RARR, des MRTD und der Compliance führen.
In Übereinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen [1][3],[27],[34],[35],[39],[59],[66]
halten wir deshalb die Anastomosenhöhe über der AKL für das Kriterium der AR, das am
maßgeblichsten die postoperativen Stuhlgewohnheiten beeinflußt. Für die bei tiefer
Anastomose schlechteren klinischen Ergebnisse sind dabei Unterschiede sowohl bei den
analen als auch den rektalen manometrischen Kenngrößen charakteristisch. Dies deutet auf
eine Schädigung aller wesentlichen Anteile des Kontinenzorganes, also des
Schließmuskelapparates, des Reservoirorganes und der nervalen Verbindungen zwischen
diesen Strukturen hin.
Darüber hinaus lassen die Unterschiede, die bezüglich der Stuhlkonsistenz gefunden wurden,
vermuten, daß auch Funktionen höherer Darmabschnitte durch die mehr oder weniger
ausgedehnte Entfernung des distalen Rektums beeinträchtigt werden. Eine Untersuchung der
Kolonpassagezeit durch Vassilakis e. a. [59] bei Patienten nach tiefer AR im Vergleich mit
einem „Normalkollektiv“ legt eine solche Wechselwirkung nahe: die Operierten hatten
signifikant kürzere Kolonpassagezeiten als das nichtoperierte Kontrollkollektiv. Vassilakis
und seine Mitarbeiter führen dies auf das Fehlen der distalen linken Dickdarmabschnitte,
welchen durch ihre segmentale Aktivität eine inhibitorische Wirkung auf die propulsorische
Aktivität des gesamten Kolons zugeschrieben wird, zurück..
In diesem Sinne könnte eine beschleunigte Darmpassagezeit zu einer verminderten
Eindickung der Fäzes, aber auch zu einer häufigeren und höheren Volumenbelastung des
Reservoirorganes führen, was wiederum für die häufig erhöhte Stuhlfrequenz und die
häufigeren Probleme mit der Stuhldrangkontrolle bei Patienten mit tieferen Anastomosen
bedeutsam wäre.
Dennoch ist die Bedeutung der Anastomosenhöhe für klinische und manometrische
Ergebnisse der AR nicht unumstritten. Erwähnt werden soll hier die prospektive Studie von
Jehle u.a. [25], die Patienten mit sehr tiefen Anastomosen (3-6 cm über der AKL) mit
Patienten mit höheren Anastomosen (7-10 cm über der AKL) hinsichtlich Kontinenz für
festen Stuhl, ungeformten Stuhl und Gase, Kontrolle der Defäkation, Stuhlfrequenz, ARD,
MKD, RARR und rektaler Compliance miteinander verglichen. Sie fanden – bei einer
allgemeinen Verschlechterung der genannten Parameter im Vergleich zu präoperativen
Ausgangswerten – keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen und schlossen
daraus, daß die Höhe der Anastomose keinen Einfluß auf die funktionellen klinischen und
manometrischen Ergebnisse der tiefen AR hat. Schlechte funktionelle Ergebnisse der AR
würden ihrer Ansicht nach nur dann auftreten, wenn der Chirurg aufgrund einer zu
ausgedehnten Präparation den unteren Plexus hypogastricus und die Nervi erigentes schädigt;
eine Schädigung der Kontinenzfunktion halten sie hingegen sogar für ausgeschlossen, wenn
die Anastomose höher als 10 cm über der AKL liegt, da, wie sie schreiben, dann ein
52
unversehrtes Rektum vorliegt.
Wir können ihre Schlußfolgerungen nicht teilen, da unsere Untersuchungen Störungen der
Stuhlgewohnheiten auch bei Patienten erbrachten, deren Anastomosen mehr als 10 cm von
der AKL entfernt lagen. Sicherlich mag eine Schädigung der nervösen presacralen Plexus zu
einer Verschlechterung der Ergebnisse beitragen (neben der Durchtrennung der nervösen
Verbindung in der Darmwand und direkter Schädigung der Schließmuskel); eben dies wird
aber um so wahrscheinlicher gerade dann auftreten, wenn sich der Chirurg aufgrund der Lage
des Tumors gezwungen sieht, bis tief in das kleine Becken hinein zu präparieren.
5.3.2
Art der Anastomosennaht
Wie aus der Vorstellung unseres Patientengutes (3.1.2) ersichtlich, sind die
Klammernahttechniken – einfache Klammernaht oder Doppelklammernaht – in unserem Haus
zu den vorherrschenden Methoden geworden; es stellte sich nun die Frage, ob die Art der
Anastomose, ob handgenäht oder mit Klammernahtgerät zusammengefügt, einen
nachweisbaren Einfluß auf die Schließmuskel- und Reservoirverhältnisse und damit auch auf
die Stuhlgewohnheiten hatte. Dabei wurden folgende mögliche Effekte unterschiedlicher
Anastomosentechniken postuliert:
1. Es wurde vermutet, daß durch das transanale Einbringen des EEA-Klammernahtgerätes
und die dazu notwendige Weitung des Analkanals bei allen maschinell gefertigten
Anastomosen, insbesondere bei großen Staplerkopfgrößen, eine Schädigung des
Sphinkterapparates eintreten könnte, die zu einer Verminderung der analen Druckwerte
und der Kontinenzergebnisse führen müßte [1],[22],[59].
2. Die nervalen Verbindungen zwischen proximalen und distalen Strukturen sollten bei den
Klammernaht-Anastomosen ausgiebiger geschädigt werden als bei Handnähten, da bei
ersteren die Verbindung durch das Aufeinanderpressen der invertierten Wände des Darmes
hergestellt wird, während bei Handnähten eine mehr oder weniger exakte Adaptation der
Wandschichten von proximalem und distalem Darm das „Durchwachsen“ der Anastomose
durch die nervösen Plexus erlauben würde [43]. Die Bildung eines narbigen
Anastomosenringes bei den Klammernähten würde außerdem das Reservoirvermögen des
Neorektums allgemein beschränken, was mit schlechteren rektalen Manometrieergebnissen
und negativen Auswirkungen auf die Stuhlgewohnheiten verbunden wäre.
3. Weiterhin wurde postuliert, daß der lineare Verschluß des Rektums mittels des
Rotikulators bei den „Doppelklammernaht-Anastomosen“ zur Bildung eines „Pouch“ des
erhaltenen Rektumstumpfes führte. Ein solcher „Pouch“ würde das Reservoirvermögen des
Neorektums vergrößern, was sich durch höhere MRTV und Compliance-Werte – und
eventuell auch durch günstigere Angaben zu Stuhlfrequenz und Stuhldrangkontrolle –
bemerkbar machen müßte.
Eine Beeinflussung manometrisch meßbarer Parameter und Stuhlgewohnheiten durch die
Wahl der Anastomosenart (Handnaht vs. „einfache“ Klammernaht wurde bereits in einer
prospektiven und randomisierten Studie von Jostarndt u.a. [26],[27],[28] untersucht. Sie
fanden keine signifikanten Unterschiede bei „Stuhlgewohnheiten“, „maximalem Ruhedruck“,
„Maximaldruck bei "Sphinkterkontraktion“ und „Reservoirfunktion des Neorektums“.
Die Frage, inwieweit Unterschiede bei Stuhlgewohnheiten und Manometrieergebnissen mit
53
der Art der Anastomose in Zusammenhang standen, ließ sich hingegen mit unserer Studie
nicht eindeutig beantworten, da bei uns die Wahl der Anastomosentechnik eben nicht randomisiert, sondern nach der Praktikabilität – oftmals erst intraoperativ – getroffen worden war.
Wie eine Analyse mittels des χ2-Tests ergab, war gerade die Art der Anastomose mit anderen
möglichen Einflußfaktoren statistisch verknüpft:
• Patienten mit Klammernähten (einfache Klammernaht und Doppelklammernaht) hatten
häufiger tiefe Anastomosen als Patienten mit Handnaht (bei einfacher Klammernaht:
87,5 %; Doppelklammernaht: 81,0 %; Handnaht: 44,4 %)
• Patienten mit Doppelklammernaht-Anastomosen waren häufiger im Anschluß an die
Operation bestrahlt worden als Patienten mit einfacher Klammernaht bzw. HandnahtAnastomose (bei Doppelklammernaht: 66,7 %; einfacher Klammernaht: 4,2 %; Handnaht:
29,2 %).
In Anbetracht der hier aufgezeigten Überlagerung war es nicht möglich, Unterschiede bei
Stuhlgewohnheiten und Manometriewerten (4.3.2) der einen oder anderen Anastomosenart
ursächlich zuzuordnen; es können hingegen einige Aussagen zu den oben aufgeführten
Vermutungen hinsichtlich des Einflusses der Anastomosentechnik gemacht werden:
1. Angesichts der nur geringfügigen Unterschiede bei den ARD-Werten zwischen den
Patientengruppen mit Klammernähten auf der einen und Handnähten auf der anderen Seite
scheint eine Schädigung des inneren Sphinkters durch die Dehnung des Analkanals bei
Einbringen des Klammernahtgerätes keine große Bedeutung zu haben. Dies trifft um so
mehr für den äußeren Sphinkter zu, wobei für den seine Funktion repräsentierenden
Parameter, den MKD, bei den Patienten mit Klammernähten sogar etwas höhere
Durchschnittswerte gemessen werden konnten.
2. Die statistisch signifikant niedrigeren durchschnittlichen MTRV-Werte von Patienten mit
Klammernaht-Anastomosen und die häufiger erhöhten Stuhlfrequenzen in dieser Gruppe
könnten eine ungünstige Auswirkung der Klammernaht auf die Reservoirkapazität des
(Neo-) Rektums bedeuten. Wahrscheinlicher sind diese Ergebnisse jedoch den bei
Patienten mit geklammerten Anastomosen häufig tieferen Anastomosen, bei Patienten mit
Doppelklammernaht zusätzlich den häufigeren postoperativen Bestrahlungen in diesen
Gruppe geschuldet und eben nicht Folge der gewählten Nahttechnik.
3. Wenn auch somit kein eindeutig ungünstiger Einfluß der Klammernahttechnik auf das
neorektale Reservoirvermögen nachgewiesen werden konnte, so läßt sich umgekehrt auch
die Annahme eines günstigen Effekts der „Doppelklammertechnik“ auf das neorektale
Reservoirvermögen mit unserer Studie nicht bestätigen.
Da keine eindeutigen Hinweise dafür vorliegen, weshalb aus funktioneller Sicht das eine oder
andere Anastomosenverfahren vorzuziehen sei, ist zu vermuten, daß sich aufgrund der
dadurch verkürzten Operationsdauer, der größeren Praktikabilität sowie der Flexibilität der
Operationsstrategie (einfache Klammernaht, Doppelklammernaht, Klammernaht mit
geklammerten Kolonpouch) die geklammerten Anastomosentechniken weiter durchsetzen
werden.
54
5.3.3 Nachbestrahlung
Als eines der bemerkenswertesten Ergebnisse unserer Arbeit erwiesen sich die fast generell
ungünstigeren Ergebnisse in der Patientengruppe mit stattgehabter postoperativer
Bestrahlung.
Mit Ausnahme des MKD und des RARR (auch hier waren Unterschiede vorhanden, jedoch
nicht signifikant), waren alle von uns untersuchten physiologischen Parameter von der Frage,
ob eine Nachbestrahlung stattgefunden hatte, beeinflußt, ebenso die klinischen Angaben der
Patienten zum Kontinenzgrad, zur Stuhlfrequenz und zur Stuhldrangkontrolle. Dabei waren
bei der postoperativ bestrahlten Patientengruppe die analen Druckwerte, die rektale
Wahrnehmungsschwelle, das MTRV und die Compliance jeweils niedriger, der MTRD höher
als in der nichtbestrahlten Gruppe, und höhergradige Störungen der Kontinenz, der
Stuhlfrequenz und der Stuhldrangkontrolle waren in der nachbestrahlten Gruppe häufiger als
von einer zufälligen Verteilung her zu erwarten gewesen wäre. Ein signifikanter Zusammenhang war auch für die Konsistenz des Stuhlganges auszumachen; während kein nachbestrahlter Patient harte Stühle angab, klagten mehr als die Hälfte dieser Patienten über
ungeformte Stühle.
Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muß bedacht werden, daß eine stattgehabte
Nachbestrahlung regelmäßig mit einem höheren Tumorstadium vergesellschaftet war, was
einmal durch die Gewebezerstörung des Tumors selbst, als auch durch die eventuell
notwendige ausgedehntere Präparation zu einer stärkeren Beeinträchtigung des
Kontinenzorgan hatte führen können. Zudem war, wie bereits oben erwähnt wurde,
Nachbestrahlung häufig mit der Doppelklammernahttechnik vergesellschaftet.
Dennoch halten wir die primäre Wirkung der postoperativen Bestrahlung selbst für die
wahrscheinlichste Erklärung für die Unterschiede zwischen den Stuhlgewohnheiten und
Manometrieergebnissen von nicht nachbestrahlten und nachbestrahlten Patienten.
Dies zu einen, da keine andere Gegenüberstellung von Patientengruppen so deutliche und
umfassende Unterschiede ergab, zum anderen aber auch, da, wie zwei Veröffentlichungen
von Varma u.a. zeigen, auch bei anderen Patienten, die Bestrahlungen im Bereich des kleinen
Beckens erhielten, Störungen der Stuhlgewohnheiten und Änderungen manometrischer
Parameter durchaus nicht selten vorkommen.
Die Autoren berichteten über funktionelle und manometrische Ergebnisse von 10 Patienten,
die wegen eines Prostatakarzinoms mit jeweils 50 Gy bestrahlt worden waren. Alle litten
unter Stuhlinkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz und Dranginkontinenz.
In der ersten Veröffentlichung [57] beschränkten sich Varma und Mitarbeiter auf die
Wirkungen der Bestrahlung auf den Schließmuskelapparat. Sie konnten eine signifikante
Reduktion des analen Ruhedrucks und eine Beeinträchtigung des RARR bei ihren Patienten
gegenüber einer gesunden Vergleichsgruppe nachweisen. Auch der MKD – bei ihnen
gemessen als Differenz zwischen maximal erreichtem willkürlichen Sphinkterdruck und
maximalem Ruhedruck – war bei ihren Patienten niedriger als bei der Vergleichsgruppe,
wobei jedoch der Unterschied in diesem Falle nicht signifikant war.
Auf der Suche nach dem histopathologischen Substrat der genannten Veränderungen
untersuchten die Autoren die Rektumpräparate von acht weiteren Patienten, bei denen wegen
strahlenbedingter Schädigung eine Rektumexstirpation erforderlich geworden war. Sie
55
konnten an allen untersuchten Präparaten eine Hypertrophie der glatten Muskelzellen, sowohl
in der Muscularis mucosae als auch in der Muscularis propria feststellen.
In beiden nervalen Plexus der Darmwand (Plexus Submucosus und Plexus Myoentericus)
fanden sie eine Rarefizierung der Ganglienzellen mit Veränderungen der zytoplasmatischen
und nukleären Morphologie bei den verbliebenen Zellen, wobei im Plexus myoentericus eine
Hypertrophie der Nervenfasern hinzukam.
Zur Erklärung der Minderung der analen Ruhedruckwerte bei den manometrisch untersuchten
Patienten stellten die Autoren die Schädigung des Auerbach`schen Plexus myoentericus in
den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Diese hätte eine Beeinträchtigung des RARR zur
direkten Folge, und indirekt, durch den Effekt der Denervierung, eine Minderung der
Kontraktionskraft des inneren Schließmuskels, was sich in einer Minderung des analen
Ruhedruckes ausdrückte. Für den äußeren Schließmuskel, der nach ihren Ergebnissen weniger
durch die Bestrahlung beeinträchtigt war, hielten sie dagegen eine Schädigung der nervalen
Versorgung für weniger wahrscheinlich, da seine somatische Innervation gegenüber der
Bestrahlung weniger empfindlich ist; immerhin wollten sie eine Schädigung auch dieses
Muskels, etwa durch mikrovaskuläre Umbauprozesse in Folge der Bestrahlung, nicht völlig
ausschließen.
In der zweiten Veröffentlichung [58] konzentrierten sich Varma und Mitarbeiter auf die
funktionellen Schäden am Rektum beim gleichen Patientengut. Mit einem aufblasbaren
Ballon im Rektum wurden rektale Wahrnehmumgsschwelle, konstante Wahrnehmung des
Ballons im Rektum und maximales toleriertes Rektumvolumen geprüft und die rektale Compliance ermittelt. Sie konnten die Verminderung aller gemessenen Volumina sowie der
rektalen Compliance nach Bestrahlung aufzeigen. Diese Compliance-Minderung war mit
Inkontinenz, Verlust der Stuhldrangkontrolle und Erhöhung der Stuhlfrequenz statistisch
nachweisbar korreliert. Auch hierfür machen die Autoren vor allem Schädigungen des Plexus
Myoentericus, daneben aber auch die gefundenen Veränderungen an der glatten
Rektummuskulatur und der rektalen Mukosa, verantwortlich.
Wir halten die histologischen Schäden, die Varma an den von ihm untersuchten Präparaten
feststellen konnte, für die wahrscheinliche Erklärung der meisten Beschwerden und
manometrischen Besonderheiten, die auch wir bei bestrahlten Patienten fanden. Ein
zusätzliches Ergebnis unsere Arbeit ist, daß ein Zusammenhang zur postoperativen
Bestrahlung auch für die Konsistenz der Fäzes gefunden wurde. Wie im Falle häufigerer
ungeformter Stühle bei Patienten mit tieferen Anastomosen (4.3.1), weist die Beteiligung der
Stuhlkonsistenz an den nach Bestrahlung geänderten Stuhlgewohnheiten über eine isolierte
Schädigung des Kontinenzorganes hinaus, es müssen vielmehr strahlenbedingte Schäden auch
im Bereich des Kolons und Ileums angenommen werden. Diese könnten in einer
akuten/chronischen Mukositis, aber auch in Veränderungen der Darmmotorik (durch die von
Varma zumindest für das Rektum aufgezeigte Schädigung der Muskelschichten und nervösen
Plexus der Darmwand) begründet sein.
Auch für die postoperative Bestrahlung als zweitem wichtigem Faktor, dem neben der
Anastomosenhöhe ein maßgeblicher Einfluß auf das funktionelle Ergebnis nach AR
zugeschrieben werden muß, ist somit nicht die Schädigung nur einer oder weniger
Komponenten des Kontinenzorganes, sondern vielmehr eine umfassende Beeinflussung aller
physiologischen Grundlagen der Stuhlgewohnheiten charakteristisch. Dabei führt keiner der
gefundenen Schäden zum vollständigen Ausfall einer Komponente des Kontinenzorganes,
wie denn auch in keinem Fall das Vorhandensein eines bestimmten Begleitumstandes mit
56
Sicherheit die Störung einer definierten Stuhlgewohnheit nach sich zieht. Patienten mit tiefen
Anastomosen und mit postoperativer Bestrahlung müssen jedoch bezüglich Kontinenz und
Stuhlgewohnheiten als Patienten mit verminderter „Reservekapazität“ angesehen werden, bei
denen der behandelnde Arzt auf das Auftreten von Störungen der Stuhlgewohnheiten
vorbereitet sein sollte.
5.4
Zu den manometrischen Ergebnissen bei Patientengruppen
unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten
mit
5.4.1 Rektoanaler Relaxationsreflex
Das Vorhandensein des rektoanalen Relaxationsreflexes (RARR) gilt als ein Merkmal für das
funktionierende Zusammenspiel zwischen Reservoirorgan und Schließmuskelapparat. Lane
und Parks [33] konnten erstmals nachweisen, daß der RARR selbst bei Patienten mit
rektoanaler Anastomose – also vollständig exzidiertem Rektum – nach einer Latenz von sechs
Monaten und darüber wiederkehren kann und folgerten daraus, daß die notwendigen nervalen
Verbindungen zwischen Neorektum und Analkanal durch das „Durchwachsen“ der
Anastomose seitens intramuraler Nervenplexus zustande gekommen war. In der Folge
konnten O`Riordan u.a. [43] zudem die Wiederkehr des Reflexes auch bei tiefen
Klammernaht-Anastomosen nachweisen. Dies war bedeutsam, da die Wiederherstellung
intramuraler Nervenverbindungen bei der Klammernaht-Anastomose durch das
Aufeinanderpressen der introvertierten Darmwände erschwert ist. Pandolfo u.a. [45] machen
deshalb Rezeptoren im Beckenboden, vor allem in der Elevatormuskulatur für das
Wiederkehren des Reflexes in diesen Fällen verantwortlich.
Wir konnten bei der Mehrzahl unserer Patienten einen positiven RARR nachweisen. Dies ist
einmal von daher zu erklären, daß bei 19 unserer Patienten die Anastomose höher als 10 cm
proximal der AKL gelegen war (von denen 18 Patienten einen positiven RARR aufwiesen),
vor allem aber auch dadurch, daß der RARR bei uns immer durch Distension eines
unmittelbar oberhalb des Analkanals liegenden Ballons ausgelöst wurde, wobei anzunehmen
ist, daß er zumindest teilweise unterhalb der Anastomose zu liegen kam. Dennoch konnten
wir bei höher gelegenen Anastomosen häufiger positive RARR messen als bei tiefen
Anastomosen (Tabelle 33).
Wichtiger als die Frage, ob ein RARR ober- oder unterhalb der Anastomose ausgelöst werden
konnte, schien uns zu sein, ob sich das Vorhandensein oder Fehlen des RARR überhaupt mit
gestörten Stuhlgewohnheiten in Beziehung setzen ließ. Dies wäre vor allem für die
Stuhldrangkontrolle, die Wahrnehmung des Stuhldranggefühls und die Diskrimination des
Darminhaltes zu erwarten gewesen, da angenommen wird, daß diese Funktionen vom RARR
als „sampling-reflex“ abhängig sind.
Unsere Ergebnisse (Tabelle 36) konnten jedoch einen solchen Zusammenhang nur teilweise
bestätigen. Zwar war ein positiver RARR bei Patienten mit ungestörten Stuhlgewohnheiten
generell, als bei zufälligen Verteilung zu erwarten, aber die Häufigkeitsunterschiede waren
nur im Falle der Stuhldrangkontrolle deutlich genug, um signifikant zu sein. Selbst im
letzteren Falle muß aber festgestellt werden, daß ein positiver RARR weder ein Garant für
gute Stuhldrangkontrolle war, noch daß umgekehrt das Fehlen des RARR notwendigerweise
eine geminderte Stuhldrangkontrolle bedeutete.
Die Feststellung,, daß ein fehlender RARR nicht immer Störungen der Stuhlgewohnheiten
nach sich zieht, machten auch andere Autoren, so Horgan u.a. [22], Jehle u.a. [25], Nakahara
u.a. [42], O`Riordain u.a. [43] Pandolfo u.a. [45] und Pedersen u.a. [46]. O`Riordain zieht
57
daraus den Schluß, daß das Fehlen des RARR vermutlich nur dann ungünstige Folgen für die
Stuhlgewohnheiten habe, wenn andere ungünstige Faktoren, wie ein geschwächter Sphinkter
und ein vermindertes rektales Fassungsvermögen hinzukommen.
Lewis u.a. bieten in zwei Arbeiten [34],[35] eine Erklärung dafür, warum ein positiver RARR
nicht immer gleichbedeutend mit einem funktionierenden Zusammenspiel zwischen Neorektum und Sphinkterapparat ist. Bei ihrer Versuchsanordnung wird der Druckabfall im Analkanal als Antwort auf Distension im Rektum durch Druckableitung auf unterschiedlichen
Höhen des Analkanals gleichzeitig gemessen. Bei allen der 73 von ihnen untersuchten
Patienten mit AR konnten sie einen RARR nachweisen. Andererseits stellten sie aber fest, daß
es bei Patienten mit tiefen Anastomosen und verschlechterter Kontinenzleistung zu einem
überschießenden Druckabfall, vor allem im unteren Analkanal, kommt.
Sie werteten dies als Zeichen dafür, daß der bei diesen Patienten gemessene RARR auf einer
mangelnden Koordinierung zwischen Rektum und Schließmuskelapparat beruht und nicht
dem koordinierten „sampling-reflex“, mit Druckabfall im oberen Analkanal und erhaltenem
Druckgradienten im unteren Analkanal, entspricht.
Die Messung des RARR, wie sie in unserer Studie geschehen ist, ließ eine solche subtile
Unterscheidung zwischen zwar positivem RARR, aber dennoch gestörtem „sampling-reflex“
nicht zu. Ebensowenig kann unsere Studie für die Fälle, wo trotz negativen RARR gute
Kontinenzfunktionen gefunden werden, Erklärungen bieten, zumal, wenn man an der 2.2.5
entwickelten Vorstellung festhält, daß der „sampling-reflex“ der einzige physiologische Weg
ist, auf dem das Anoderm mit dem Darminhalt vor der Defäkation in Berührung kommen und
eine Diskrimination der Fäzes stattfinden kann. Es muß deshalb angenommen werden, daß
auch bei diesen Patienten ein RARR vorhanden ist, der möglicherweise mit einer
aufwendigeren Methode, etwa der von Lewis u.a. benutzten Anordnung, hätte erkannt werden
können.
Dagegen kann eine Unterscheidung in „RARR positiv“ und „RARR negativ“, wie sie unsere
Untersuchung ermöglichte, nur einen Mosaikstein liefern, der im größeren Zusammenhang
mit anderen Faktoren den Funktionszustand des Kontinenzorganes besser zu verstehen hilft;
Aussagen über mögliche Störungen der Stuhlgewohnheiten im Einzelfall können jedoch
daraus nicht abgeleitet werden.
5.4.2 Analer Ruhedruck
Der Anale Ruhedruck (ARD) repräsentierte in unserer Arbeit die Leistungsfähigkeit des
inneren, unwillkürlichen Schließmuskels. Die Studien, welche prä- und postoperative
Messungen des ARD miteinander vergleichen [22],[25],[42],[46],[59], insbesondere die
Arbeit Horgans u.a. [22], der zusätzlich intraoperative Messungen des ARD vornahm,
bezeugen eine Abnahme des ARD in Folge der AR. Dies begründet Horgan mit einer direkten
mechanischen Schädigung des inneren Sphinkters bei Einbringen des Klammernahtgerätes, da
dies das einzige intraoperative Manöver war, bei dem er einen Abfall des ARD registrieren
konnte. Allerdings war der bedeutendste Druckabfall bereits mit Einleitung der Anästhesie
erfolgt, wodurch der Anteil an der Schwächung des inneren Sphinkters, den Zerstörungen
nervaler Verbindungen, etwa bei Mobilisation und Durchtrennung des Rektums, hatten,
möglicherweise durch intraoperative Messungen nicht aufgedeckt werden konnte.
Einige Gründe sprechen dagegen, allein die Benutzung eines Klammernahtgerätes für die
postoperative Minderung des ARD verantwortlich zu machen. Zunächst sind es die schon
zitierten Ergebnisse von Jostarndt u.a. [26],[27],[28], die keinen Unterschied zwischen den
58
ARD-Werte von Patienten mit Hand- und mit Klammernaht-Anastomosen feststellen
konnten. Weiterhin zeigen die Studien, die – wie unsere Arbeit – eine Abhängigkeit der
Minderung des ARD von der Anastomosenhöhe fanden [1],[3], daß eine Schädigung des
inneren Sphinkters durchaus auch andere Ursachen als die Dehnung durch das
Klammernahtgerät haben kann. Direkte Schädigung des inneren Schließmuskels durch
intraoperative Manipulationen (mit oder ohne Klammernahtgerät), Nervenschädigung bei der
lateralen und dorsalen Mobilisation des Rektums und schließlich Durchtrennung der
intramuralen, myoenterischen Nervenverbindungen beim Absetzen des Rektums dürften
deshalb gemeinsam die Ursachen eines geschwächten Sphinkters nach AR darstellen. Hinzu
kommt die Minderung des ARD, die nach einer postoperativen Bestrahlung festzustellen war,
und die wir, wie unter erörtert, durch eine Schädigung des Plexus myoentericus der
Rektumwand verursacht sehen.
Wie bereits erwähnt (4.4), hatten zwar alle Patienten mit gestörten Stuhlgewohnheiten etwas
niedrigere ARD-Werte als die entsprechende Gruppe ohne dieselbe Störung, die Unterschiede
waren innerhalb der Vergleichsgruppenpaare jedoch so gering, vor allem aber die Streubreiten
so groß, daß für kein Vergleichsgruppenpaar signifikante Unterschiede bezüglich der ARDWerte festgestellt werden konnten.
Besonders am Beispiel der Kontinenz, bei der ein enger direkter Zusammenhang mit dem
analen Ruhedruck zu erwarten gewesen wäre, wird dies deutlich: Die Patienten ohne
wesentliche Störungen der Kontinenz hatten zwar höhere durchschnittliche ARD-Werte als
Patienten mit höhergradigen Kontinenzstörungen (72 cm H2O vs. 61 cm H2O), ein Blick auf
die Standardabweichungen dieser Werte zeigt aber, daß die meisten Patienten mit
Kontinenzstörungen (Bereich der Standardabweichung von 46-76 cm H2O) ARD-Werte
aufwiesen, die ebensogut von Patienten ohne Störungen der Kontinenz hätten sein können
(Standardabweichung von 46-98 cm H2O).
Diese große Streuung der Werte hat vermutlich zwei Gründe: Zunächst kann eine gewisse
Ungenauigkeit der Methode nicht ausgeschlossen werden, zumal ja nur an einem Punkt im
Analkanal (der vorher durch Bestimmung eines anorektalen Druckprofils ermittelten Zone mit
dem höchsten Druck) Messungen vorgenommen wurden. Es muß eingeräumt werden, daß im
durch Verrutschen der Sonde aus der optimalen Position zu niedrige ARD-Werte gemessen
werden konnten. Die daraus resultierende Erkenntnis, daß durch eine punktuelle
Druckmessung im Analkanal – sei es des ARD, sei es des MKD – keine vollständige
Charakterisierung des Schließmuskelverhältnisse abgeleitet werden kann, führte zu
Weiterentwicklungen der von uns benutzten Perfusionsmanometrie mit offener Katheterspitze
bis hin zu der bereits unter 2.3.2 erwähnten Methode der 3D-Volumen-Vektormanometrie.
Die zweite, u.E. entscheidendere Erklärung dafür, daß keine eindeutige Korrelation zwischen
erniedrigten ARD und definierten Störungen der Stuhlgewohnheiten gefunden werden konnte,
ergibt sich, wenn man nun Tabelle 8 nicht senkrecht liest, sondern – z.B. für die Patienten mit
und ohne höhergradige Störungen der Kontinenz – einmal alle anorektalen
Manometrieparameter nebeneinander betrachtet. Man erkennt, daß ausnahmslos alle
manometrischen Ergebnisse bei den Patienten mit Kontinenzstörungen ungünstiger ausfallen:
Der RARR ist häufiger negativ, ARD und MKD durchschnittlich niedriger, MTRD höher und
MTRV und Compliance wiederum niedriger als in der Vergleichsgruppe. Diese Beobachtung
läßt sich nahezu gleichförmig auch für alle anderen Störungen der Stuhlgewohnheiten
machen. Da sich in den manometrischen Parametern die einzelnen funktionellen Anteile des
Kontinenzorganes widerspiegeln, muß angenommen werden, daß die gleichzeitige Minderung
aller funktionellen Leistungen des Kontinenzorganes, nicht die punktuelle Schädigung eines
59
seiner Anteile der charakteristische Schädigungsmechanismus ist, der Störungen der
Stuhlgewohnheiten nach anteriorer Resektion verursacht. Eine eindeutige monokausale
Beziehung zwischen einem manometrischen Parameter und einer Störung einer
Stuhlgewohnheit wäre von diesem Standpunkt aus deshalb gar nicht zu erwarten und
vermutlich auch mit einer technisch aufwendigeren Meßmethode nicht zu erreichen gewesen.
Auch andere Autoren berichteten über eine mangelnde Korrelation zwischen Minderung des
analen Ruhedrucks und Störungen der Stuhlgewohnheiten (insbesondere der Kontinenz), so
Lewis u.a. [35], Nakahara u.a. [42], Rasmussen u.a. [49] und Williams u.a. [66].
Rasmussen [49] verglich 41 Patienten mit Inkontinenz unterschiedlicher Ursache (idiopathisch, traumatisch und neurologisch, jedoch ohne Patienten mit AR) mit einem Kontrollkollektiv hinsichtlich anorektaler Manometrieergebnisse. Er kam zu dem Schluß, daß die
Messung des ARD allein keine ausreichende Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Patienten
mit und ohne Kontinenzstörungen bietet. Durch die Bildung der Differenz aus ARD und verschiedenen im Rektum bestimmten Drücken (Druck bei erstem, konstantem und imperativem
Stuhldranggefühl), erhielt er jedoch anorektale Druckgradienten, die sehr viel besser die Kontinenzsituation des Patienten wiedergaben.
Diesen Weg ging auch Williamson [67] aus der Arbeitsgruppe von Lewis, der nachweisen
konnte, daß für die klinischen Ergebnisse nach AR nicht so sehr erniedrigte ARD-Werte
alleine, sondern vor allem auch darauf agierende erhöhte neorektale Drücke verantwortlich
sind. Auf diese Bedeutung rektaler Druckwerte für die Kontinenz wird nochmals ausführlicher unter 5.4.4 eingegangen werden.
Die bisher aufgeführten Ergebnisse sind wichtig vor dem Hintergrund der oftmals
wiederholten Forderung [22],[28],[59], durch präoperative Messungen des ARD Patienten mit
einem erhöhten Risiko einer postoperativen Inkontinenz ausfindig zu machen und
gegebenenfalls bei diesen von der AR abzusehen. Wir halten eine solche Schlußfolgerung für
nicht zu rechtfertigen, da es nicht einsichtig ist, warum präoperative ARD-Werte Aussagen
über die nach Operation zu erwartende Kontinenz erlauben sollten, wenn, wie aus unserer
Studie und anderen Arbeiten hervorgeht, noch nicht einmal postoperative ARD-Messungen
ausreichende Angaben zur Bewertung der Kontinenzsituation liefern.
Wie irreführend die Annahme ist, daß man von präoperativ gemessenen ARD-Werten auf die
entsprechenden postoperativen Werte schließen könnte, zeigt zudem eine Studie, die Church
u.a. [4] an 134 Patienten mit ileo-pouch-analer Anastomose (bei Kolitis ulzerosa bzw.
Polyposis familiaris) und an 16 Patienten mit koloanaler Anastomose (bei tiefen
Rektumkarzinomen) durchführten. Sie bestimmten für jeden Patienten prä- und postoperative
ARD-Werte und daraus den jeweiligen, operationsbedingten ARD-Abfall.
Es zeigte sich, daß bei Patienten mit höheren präoperativen Ausgangsdrücken ein größerer
mittlerer Druckverlust auftrat als bei den Patienten mit präoperativ niedrigen Drücken. Bei
letzteren Patienten waren operationsbegleitende Druckminderungen weniger ausgeprägt, in
einzelnen Fällen erfuhren sie sogar einen Anstieg des ARD nach der Operation. Die Autoren
sprechen in diesem Zusammenhang vom „paradox of preoperative anal resting pressure“ und
folgern, daß auch Patienten mit niedrigen analen Ruhedruckwerten eine sphinktererhaltende
Operation dann nicht verweigert werden sollte, wenn sie präoperativ kontinent sind.
60
5.4.3 Maximaler Kneifdruck
Der maximale Kneifdruck (MKD) war der manometrische Parameter, der in unserer Arbeit
für die Funktionstüchtigkeit des äußeren, willkürlichen Schließmuskels stand. Dabei soll nicht
übersehen werden, daß der während der aktiven Kontraktion gemessene Druckwert sich
immer aus der Summe der Aktivitäten von äußerem und inneren Schließmuskel
zusammensetzt. Manche Autoren, wie Horgan [22] oder Varma [57] berechnen deshalb eine
Druckdifferenz zwischen analem Ruhedruck und Kontraktionsdruck, die sie als die
eigentliche Leistung des äußeren Schließmuskels ansehen. Wir halten eine solche Rechnung
für problematisch, da nicht bekannt ist, ob der innere Sphinkter, der in Ruhe fast vollständig
für den Druck im Analkanal verantwortlich ist, im gleichen Maße während der Kontraktion
an der Druckentwicklung mitwirkt. Denkbar wäre ebenso eine schrittweise Inhibition des
inneren Sphinkters bei zunehmender willkürlicher Kontraktion. Aus diesem Grund
beschränkten wir uns auf die Feststellung eines „maximalen Kneifdrucks“, in dem Wissen,
daß die hierbei gemessenen Werte zwar nicht vollständig, aber in jedem Falle maßgeblich
durch die Kraft des äußeren Schließmuskels bestimmt waren.
Über die Beeinflussung des MKD im Gefolge der AR herrscht in der Literatur Uneinigkeit.
Horgan [22] fand zwischen prä- und postoperativen MKD-Werten zwar eine signifikante
Druckabnahme, diese war jedoch nicht mehr nachweisbar, wenn er, wie erwähnt, die
Differenz aus MKD und ARD berechnete, also die während der willkürlichen Kontraktion
(„Kneifen“) zu beobachtenden Drucksteigerung („squeeze increment“). Er folgerte daraus,
daß die zu beobachtende Erniedrigung des MKD nach Operation ihren Grund in der
gleichzeitigen ARD-Erniedrigung hatte und daß der äußere Schließmuskel durch die AR nicht
in seiner Funktion beeinträchtigt wird.
Jehle u.a. [24] fanden dagegen Abweichungen zwischen prä- und postoperativen MKDWerten, die die Differenzen zwischen den entsprechenden ARD-Werten bei weitem
überstiegen, so daß sie eine Schädigung auch des äußeren Sphinkters durch die AR annehmen
mußten. Lewis u.a. [34] fanden keine Unterschiede zwischen postoperativen MKD und denen
einer Kontrollgruppe. Nakahara u.a. [42] und Pedersen u.a. [46] fanden wiederum erniedrigte
ARD- und MKD-Werte, betonen aber deren fehlende Bedeutung für die Kontinenzsituation.
Vassilakis u.a. [59] fanden ebenfalls erniedrigte MKD-Werte nach AR. Sie machten dafür
eine Schädigung der Nervenversorgung sowohl des inneren als auch des äußeren Sphinkters
durch Zug, Durchtrennung oder thermische Einwirkung während der Operation verantwortlich und sehen die nach Operation auftretenden Kontinenzstörungen deshalb auch in
direktem Zusammenhang mit der Schädigung beider Sphinkteren.
Williams [66] schließlich, der die Aktivität des äußeren Sphinkters nicht manometrisch,
sondern elektromyographisch bewertete, konnte bei seinen Patienten, auch bezüglich des
Reflexverhaltens, keine Aktivitätsunterschiede des äußeren Sphinkters im Vergleich zu einer
gesunden Kontrollgruppe finden.
Eine Aussage darüber, ob die AR grundsätzlich zu einer Minderung der Kontraktionsfähigkeit
des äußeren Schließmuskel führt, war wegen der fehlenden präoperativen Werte in unserer
Arbeit nicht möglich. Signifikante Abweichungen bei den MKD-Werten ergaben sich nur
zwischen Patientengruppen mit unterschiedlichen Anastomosenarten (4.3.2), während
Unterschiede zwischen den MKD-Werten bei Patientengruppen unterschiedlicher
Anastomosenhöhe bzw. stattgehabter/nicht stattgehabter Nachbestrahlung „unterschwellig“,
d.h. statistisch unsignifikant blieben.
61
Stellte man die MKD-Werte von Patientengruppen unterschiedlich gestörter
Stuhlgewohnheiten einander gegenüber (Tabelle 8), konnte nur für die Stuhldrangkontrolle
und die Stuhlkonsistenz ein Zusammenhang mit dem MKD postuliert werden. Andere
Störungen der Stuhlgewohnheiten, insbesondere die Kontinenzleistung selbst, zeigten
dagegen wenig oder nur unsignifikante Zusammenhänge mit dem MKD.
Während es ohne weiteres nachvollziehbar ist, daß ein verminderter MKD an Störungen der
Stuhldrangkontrolle beteiligt sein kann, erstaunt es zunächst, daß auch die Stuhlkonsistenz
damit im Zusammenhang stehen soll, wobei bei harten und normal geformten Stühlen
deutlich höhere MKD-Werte gemessen wurden als bei ungeformten Stühlen. Da ein Einfluß
des MKD auf die Stuhlkonsistenz nicht angenommen werden kann, muß man sich umgekehrt
fragen, ob nicht
die Stuhlkonsistenz ihrerseits Einfluß auf die willkürliche
Schließmuskelleistung genommen haben könnte. Tatsächlich scheint dies möglich zu sein,
wenn man eine Art „negativer Rückkoppelung“ voraussetzt: Die Kontraktionskraft des
äußeren Schließmuskels ist ja nicht nur der willkürlichen Steuerung unterworfen, sondern
vielmehr auch auf die willkürliche Inanspruchnahme angewiesen. So könnte bei Patienten, bei
denen das Zusammenspiel von Schließmuskel- und Reservoirorgan durch den stattgehabten
Eingriff und die postoperative Bestrahlung gestört ist, und bei denen zudem ungeformte
Stühle die Aufrechterhaltung der Kontinenz erschweren, ein „Verlernen“ der unter 2.2.7
beschriebenen Aktivierung des äußeren Schließmuskels bei Erhöhung des intrarektalen
Druckes eintreten, wenn der Patient wiederholt die Erfahrung macht, daß die Kontraktion des
Schließmuskels keine Gewähr für den sicheren Verschluß des Kontinenzorganes bietet. In der
Folge nimmt die Kraft des nun untrainierten äußeren Schließmuskels weiter ab, was
wiederum die Unsicherheit des Patienten im Umgang mit Kontinenz und willentlich
gesteuerter Defäkation verstärkt.
Als praktische Konsequenz ergibt sich aus diesen Überlegungen die Forderung, postoperativ
mehr als bisher für die Stärkung des äußeren Schließmuskels zu tun. Eine Voraussetzung
dafür könnte die baldige Normalisierung der Stuhlgewohnheiten nach der Operation sein,
zudem sollte frühzeitig ein Beckenbodentraining, möglichst im Sinne einer „Biofeedback-Behandlung“ [7] zum Einsatz kommen.
5.4.4 Maximaler tolerierter Rektumdruck
Rektale Druckwerte, einschließlich des maximalen tolerierten Rektumdrucks (MTRD)
wurden von vielen Autoren nur in Zusammenhang mit der Compliance ermittelt, so bei
Carmona [3], Jehle [25], Jostarndt [27],[28], Nakahara [42] und Pedersen [46]. Bei Batignani
[1], Suzuki [54] und Varma [58] wird der MTRD immerhin einer gesonderten Erwähnung für
würdig befunden, wobei auch diese Autoren den MTRD vor allem zur Berechnung der Compliance einsetzten.
Wir meinen, wie unter 5.4.6 ausführlich erörtert werden wird, daß diese Sichtweise die
Bedeutung des MTRD für die Stuhlgewohnheiten nicht adäquat wiedergibt. Sicherlich ist es
richtig, daß von Patienten, deren rektales Volumen herabgesetzt ist (erkennbar an einer
Verminderung des MTRV), höhere rektale Druckwerte toleriert werden müssen. Dies zeigte
sich in unserer Untersuchung in signifikanter Weise bei nachbestrahlten Patienten (4.3.3),
weniger deutlich aber auch in fast allen anderen Fällen, wo verminderte Rektumvolumina
gegenüber einer Vergleichsgruppe sichtbar wurden. Die Erhöhung des MTRD ist in diesen
Fällen jedoch nicht Ursache, sondern Folge der gestörten Funktion des Kontinenzorganes:
Eben weil das Fassungsvermögen des Rektums vermindert ist, lernt der Patient, höhere
Rektumdrücke zu tolerieren.
62
Sieht man diese höhere Toleranz für rektale Drücke als Adaptationsleistung des Patienten, so
wird auch verständlich, warum bei Suzuki u.a. [54] mit größerem Abstand von der Operation
höhere MTRD-Werte gemessen werden konnten.
In unserer Arbeit war der MTRD der einzige manometrische Parameter, für den eine
signifikante Beziehung zur Kontinenz nachweisbar wurde (Tabelle 9). Der Mechanismus, der
bei den betroffenen Patienten nach AR zu Inkontinenz führte, muß unserer Ansicht nach wie
folgt beschrieben werden: Die Resektion des Rektums führt – mit individuellen
Unterschieden und zum Teil abhängig von der Anastomosenhöhe und einer möglichen
postoperativen Bestrahlung – zu kleineren rektalen Volumina. Diese haben zur Ursache, daß
die vollständige Füllung des Rektums schneller und häufiger erreicht wird, worauf sich das
Rektum höhere rektale Druckwerte zu tolerieren lernt. Dieser Anstieg des rektalen Druckes
vermindert den anorektalen Druckgradienten; wenn der im Rektum vorhandene Druck den
Druck im Analkanal übersteigt, wird Rektuminhalt durch den Analkanal gepresst und der
Patient ist inkontinent.
Bemerkenswert ist dabei, daß im Falle höhergradig inkontinenter Patienten der
durchschnittliche MTRD wesentlich höher lag als der durchschnittliche ARD sowohl der
inkontinenten, als auch der kontinenten Patienten (Tabelle 8 und 9). Dies kann, neben der
Tatsache, daß die ARD-Werte kontinenter und inkontinenter Patienten nur insignifikant
voneinander abwichen, als Hinweis dafür gesehen werden, daß die Steigerung des rektalen
Druckes, und nicht so sehr eine Minderung der Schließmuskelleistungen die Hauptursache für
die zu beobachtenden Fälle von Inkontinenz war.
Zur Beurteilung des physiologischen Status des Kontinenzorganes nach AR scheint deshalb
die Ermittlung des MTRD – möglichst in Verbindung mit dem ARD zur Berechnung eines
anorektalen Druckgradienten – wichtig. Die Kenntnis des anorektalen Druckgradienten
wiederum scheint, wie die Studien von Rasmussen u.a. [49] und Williamson u.a. [67]
nahelegen (siehe5.4.6), besser als einer der beiden Werte allein Aussagen über die
Kontinenzsituation des Patienten zuzulassen.
5.4.5 Maximales toleriertes Rektumvolumen
Das maximale tolerierte Rektumvolumen (MTRV) nimmt unter den von uns ermittelten
manometrischen Werten in zweierlei Hinsicht eine Schlüsselposition ein. Dies zum einen, da
es zu den beiden wichtigsten Funktionen des Kontinenzorganes, zur Speicher- und zur
Verschlußfähigkeit in Zusammenhang steht. Der Zusammenhang zur Speicherfähigkeit ist
dabei direkt (ein hohes MTRV entspricht einer hohen Speicherkapazität, der Zusammenhang
zur Verschlußfähigkeit dagegen indirekt (über die oben aufgezeigte Beeinflussung des MTRD
und damit des anorektalen Druckgradienten).
Auf der anderen Seite ist eine Beeinflussung des MTRV nicht nur (wie dies etwa für eine
mögliche Schädigung des Schließmuskelapparates gilt) ein Nebeneffekt der AR. Vielmehr ist
das Substrat des MTRV, das physiologische Rektum nämlich, immer direkt durch die AR
betroffen, so daß seine Beeinflussung zwar von Fall zu Fall verschieden (etwa wegen
unterschiedlich hoher Anastomosen und damit verschieden langer erhaltener Rektumreste),
nie aber ganz vermeidbar sein wird.
Durch den geringeren Durchmesser der bei der AR nach unten gezogenen und in das
Neorektum integrierten Dickdarmabschnitte, aber auch durch die relative Enge der kolorektalen Anastomosenregion, erklärt sich die geringere Volumenkapazität des postoperativen
63
Neorektums, die sowohl Vassilakis u.a. [59] als auch Williams u.a. [66] im Vergleich zu den
MTRV nichtoperierter Kontrollgruppen nachwiesen. Andere Untersucher zeigten, daß das
MTRV von der Anastomosenhöhe über der AK, also von der Länge des verbliebenen distalen
Rektumstumpfes abhängig war (Batignani u.a. [1] und Lewis [34]), und daß das MTRV
unmittelbar nach der Operation am niedrigsten war, um im Verlauf der ersten postoperativen
Monate anzusteigen und sich auf einem – wenn auch deutlich unter dem präoperativem
Ausgangsniveau liegenden – etwas höheren Niveau zu stabilisieren (Nakahara u.a. [42] und
Suzuki u.a. [54]).
Varma u.a. [58] belegte schließlich die Minderung des MTRV durch den Einfluß einer
Bestrahlung des kleinen Beckens.
Untersucher, die die Frage nach der Abhängigkeit postoperativer Stuhlgewohnheiten vom
MTRV stellten, fanden eine reziproke Abhängigkeit zwischen MTRV und Stuhlfrequenz
(Batignani u.a. [1] und Vassilakis u.a. [59]), oder konnten niedrigere MTRV mit „urgency and
minor faecal leakage“ (Lewis u.a. [34]) oder „incomplete continence“ (Williams u.a. [66]) in
Verbindung bringen.
Auch in unserer Untersuchung bestätigte sich die Abhängigkeit des MTRV von der
stattgehabten Bestrahlung, während sich für verschiedene Anastomosenhöhen nur
tendenzielle Unterschiede finden ließen. Diese Ergebnisse, auch die von uns gefundenen
Unterschiede zwischen der Patientengruppe mit Handnaht und mit Doppelklammernaht
wurden bereits unter den entsprechenden Abschnitten erörtert.
Der Vergleich von Patienten mit unterschiedlich stark gestörten Stuhlgewohnheiten
hinsichtlich ihres MTRV (Tabelle 9) erbrachte dagegen nur bei der Frage nach Störungen der
Stuhldrangkontrolle signifikante Unterschiede, wobei Patienten mit gestörter
Stuhldrangkontrolle niedrigere MTRV aufwiesen. Der zugrunde liegende Pathomechanismus
kann dabei wie folgt erklärt werden:
Durch die – nicht kontinuierlich, sondern schubweise erfolgende – Füllung des Neorektums
aus höheren Dickdarmabschnitten kommt es schnell zum Erreichen des MTRV und zu einem
imperativen Stuhldranggefühl; gelingt es dem Patienten nun nicht, durch Kontraktion des
äußeren Schließmuskels die Kontinenz zumindest so lange wahren, bis die nächste Toilette
erreicht ist, oder ein reflektorisch gesteuerter retropulsiver Transport der Fäzes zurück in die
höheren Darmabschnitte einsetzen kann, resultiert Inkontinenz
Bei der von uns postulierten „Schlüsselposition“ des MTRV für die Stuhlgewohnheiten nach
AR muß jedoch die Frage gestellt werden, warum nicht auch andere Störungen der
Stuhlgewohnheiten in statistisch signifikanter Weise mit verminderten MTRV-Werten in
Verbindung zu bringen waren. Bei der Betrachtung der diesbezüglichen Ergebnisse (Tabelle
9) fällt auf,, daß wieder für alle Patienten mit gestörten Stuhlgewohnheiten niedrigere
Durchschnittswerte gemessen werden konnten, daß aber auch hier relativ geringe
Unterschiede bei den durchschnittlichen Werten in den Vergleichsgruppen relativ großen
Varianzen der Werte (erkennbar an den großen Standardabweichungen) gegenüberstanden.
Bei der Diskussion ähnlich großer Varianzen beim ARD (5.4.2) wurde bereits darauf
hingewiesen, daß diese nicht etwa bedeuten, daß die manometrischen Funktionsergebnisse
ohne Zusammenhang mit den Stuhlgewohnheiten sind, sondern daß sie vielmehr die
Kompensationsfähigkeit des Kontinenzorganes wiedergeben. Dadurch erklärt sich sowohl,
daß niedrige MTRV-Werte nicht notwendigerweise zu einer Störung der Stuhlgewohnheiten
führen müssen (weil etwa die Verschlußfähigkeit des Schließmuskelapparates ausreicht, um
64
in den Phasen mit Rektumfüllung und steigenden intrarektalem Druckes die Kontinenz zu
wahren), als auch, daß im umgekehrten Falle Störungen einzelner Stuhlgewohnheiten schon
bei vergleichsweise geringer Minderung des MTRV auftreten können, wenn gleichzeitig
andere Funktionen des Kontinenzorganes eingeschränkt sind.
Aus diesem Grunde muß angenommen werden, daß auch Patienten mit einer Störung der
Stuhlgewohnheiten, für die keine signifikanten Unterschiede bei den MTRV im Vergleich zur
Gruppe ohne die jeweilige Störung gefunden werden konnten, von einem höheren MTRV
profitieren würden.
Die Forderung vieler Autoren – unter Beachtung der Radikalitätskriterien – einen
möglichst großen Teil des distalen Rektums zu erhalten [1],[29],[34] findet deshalb auch
unsererseits Unterstützung. Weiterhin führt die besondere Rolle, die dem MTRV innerhalb
der funktionellen Parameter der Kontinenzfunktion zukommt, zu der Überlegung, durch die
Bildung eines Kolonpouches das Reservoirvolumen des Rektums zu vergrößern
[34],[59],[67]. Inzwischen liegen mehrere unabhängige Studien vor [8],[18],[23],[61],[63] die
die positiven Auswirkungen auf die funktionellen Ergebnisse der AR belegen. Eine weitere
Variante der Pouchoperation besteht in der von von Flüe vorgeschlagenen Schaffung eines
ileozökalen Resorvoirs; auch er vermeldet, zumindest in einer Pilotstudie [9], ausgezeichnete
funktionelle Ergebnisse bei niedriger Komplikationsrate. Vom funktionellen Standpunkt
sollte deshalb die Möglichkeit der „Pouchoperation“ besonders bei Patienten mit tiefsitzenden
Tumoren erwogen werden.
5.4.6 Die rektale Compliance
Die rektale Compliance berechnete sich in unserer Arbeit, wie auch bei anderen Untersuchern
[1],[25],[46],[58] gemäß der Formel:
compliance = Δ MTRV / Δ MTRD
Diese Definition der Compliance erschien uns zunächst als die zweckmäßigste Möglichkeit,
zu einer Beschreibung der Volumen/Druck-Beziehungen im Rektum zu gelangen, wobei auch
andere Formen der Berechnung der Compliance in der Fachliteratur beschrieben werden. So
berechnen andere Autoren die Compliance als die Steigung der Volumen-Druck-Kurve des
Rektums bei einer definierten Füllung eines Ballons mit Luft [27] oder sie nutzen den
„geraden Teil“ der Druck-Volumen-Kurve bei der Füllung bis zum MTRV [42],[59].
Wir meinen, daß sich diese Methoden tatsächlich nicht so sehr voneinander unterscheiden,
wie es zunächst den Anschein hat, da sich zeigte (Abbildung 6) daß die (idealisierte) DruckVolumen-Kurve einen bis zum MTRV weitgehend linearen Verlauf hatte. Problematischer als
die Definition der Compliance erscheint uns dagegen die Anwendung des Begriffes auf das
Rektum an sich; um die Gründe hierfür aufzuzeigen, soll zunächst im Denkmodell erörtert
werden, was bei der Füllung eines annähernd idealelastischen Ballons, wie des von uns
verwendeten Latexkondoms, im Rektum tatsächlich vor sich geht:
Würde dabei wirklich die Compliance, also die Dehnbarkeit des Rektums bestimmt werden,
müßte man davon ausgehen, daß die Wände des Rektums zu Beginn des Versuches zu allen
Seiten eng am Ballon anliegen (das tatsächliche Volumen des Rektums in diesem Augenblick
wäre also gleich Null), und daß sich die Rektumwände mit Aufblasen des Ballons solange
dehnen, bis das vorher definierte Volumen – oder das maximal tolerierte Rektumvolumen
65
erreicht ist. Der gemessene Druck wäre dabei in jedem Augenblick abhängig von der
Wandspannung und Dehnbarkeit des Rektums.
Wir sind zu der Auffassung gelangt, daß dieses Modell auf das Rektum nicht zutrifft.
Vielmehr liegt der Ballon zunächst in einem leeren, „schlaffen“ Rektum. Mit zunehmender
Füllung dehnt er sich zunächst nach allen Seiten gleich aus, bis er sein Durchmesser dem des
Rektums entspricht und er an den seitlichen Wänden anliegt. Hat er sie erreicht, besteht durch
Dehnung der Rektumwände wenig Möglichkeit, das Ballonvolumen zu vergrößern; er weicht
nach oben und unten aus, so lange bis entweder das definierte Insufflationsvolumen erreicht
ist, oder eine weitere Ausdehnung (durch Erreichen des bereits stuhlgefüllten Sigmas) nicht
mehr möglich ist. Der an allen Seiten anliegende Ballon erzeugt nun einen zunehmenden
Druck auf die Rektumwände und die im Beckenboden gelegenen Füllungsrezeptoren, wobei
der maximal tolerierte Druck von der Sensibilität und Schmerzempfindlichkeit des Patienten,
aber auch von der Verschlußfähigkeit seines Schließmuskelapparates abhängt. Nur für diese
„Endstrecke“ der Rektumdistension entspricht der gemessene Druck dem Druck, der benötigt
wird, um die Rektumwand zu dehnen, während der weitaus größte Teil der Druckentwicklung
dazu diente, das im Rektum zur Verfügung stehende Volumen optimal auszufüllen.
Diese Überlegungen führen uns zu dem Schluß, daß der Begriff der Compliance zur
Beschreibung der Reservoirfähigkeit des Rektums, auch des Neorektums nach AR,
ungeeignet ist. Weder MTRV noch MTRD hängen maßgeblich von der Dehnbarkeit des
Rektums ab. Schlüsselbegriff der Reservoirkapazität des Rektums ist vielmehr das maximale
tolerierte Rektumvolumen, da es alleine das Fassungsvermögen des Rektum definiert.
Dennoch sind maximales toleriertes Rektumvolumen und maximaler tolerierter Rektumdruck
in enger Beziehung zueinander: Ein Patient mit niedrigerem rektalen Fassungsvermögen
erreicht schneller das MTRV; wenn überhaupt eine Adaptation an diese geringe
Reservoirkapazität stattfinden kann, dann dadurch, daß der Patient lernt, zunehmend höhere
MTRD zu tolerieren. Erst dann verschwindet der in den ersten Tagen nach AR fast
permanente Stuhldrang; andererseits ist es nur über eine andauernde Erhöhung des intra(neo)-rektalen Druck und dadurch bedingte Aufweitung des Neorektums zu erklären, wenn
einige Autoren, wie Carmona u.a. [3] Schweiger u.a. [51] und Nakahara u.a. [54] eine
Zunahme auch des MTRV nach der Operation feststellen.
Unter diesem Aspekt bekommen aber die Ergebnisse für die rektale Compliance (Tabelle 9)
eine neue Bedeutung: da der maximale tolerierte Rektumdruck in indirekter Abhängigkeit
vom maximalen tolerierten Rektumvolumen steht (weil niedrigere MTRV höhere MTRD
bedingen) und da, wie aus der Formel ersichtlich ist, Compliance und MTRV zueinander in
direktem, Compliance und MTRD jedoch in reziprokem Verhältnis stehen, ist es nicht
verwunderlich, wenn sich die Compliance-Werte in unserer Arbeit für einige
Vergleichsgruppen (Anastomosenhöhe, Inkontinenzgrad und Stuhldrangkontrolle) deutlicher
unterschieden, als die entsprechenden MTRD- oder MTRV-Werte für sich genommen: Es war
hier zu einer Art „Kontrastverstärkung“ gekommen.
Hinterfragt man jedoch, warum z.B. ein höherer Grad an Inkontinenz mit einer niedrigeren
Compliance einhergeht, so ist man gezwungen, den Begriff wieder „in seine Komponenten zu
zerlegen“. Man entdeckt, daß es hier vor allem die höheren MTRD-Werte sind, die aufgrund
des dadurch verminderten anorektalen Druckgradienten das Risiko von ungewollten
Stuhlverlusten erhöhen (siehe oben).
Umgekehrt lassen sich die signifikant niedrigeren Compliance-Werte der Patienten mit
verkürzter Stuhldrangkontrolle nur dadurch erklären, daß man auf die hier ebenfalls
66
signifikant erniedrigten MTRV-Werte verweist, da durch das niedrigere rektale Volumen die
Rektumfüllung schneller eintritt und dem Patienten dadurch weniger Spielraum zwischen dem
ersten Auftreten eines rektalen Füllungsgefühls und der Defäkation bleibt (wobei dann
allerdings die Leistungsfähigkeit des Schließmuskelapparates darüber entscheidet, ob die
Toilette noch „sicher“ erreicht wird).
Diese beiden Beispiele sollen zeigen, daß die Berechnung der Compliance keinen
zusätzlichen Informationsgewinn erbringt. Da sie zudem einem Modell von den kapazitiven
Fähigkeiten des Rektums entspricht, welches eher auf die Harnblase zutrifft, halten wir ihre
Bestimmung im Zusammenhang mit der rektalen Reservoirkapazität für obsolet und ziehen
statt dessen die Messung des MTRV als Parameter der rektalen Reservoirkapazität vor.
67
6
Schlußfolgerungen
1. Störungen der Stuhlgewohnheiten treten nach AR häufig auf. Sie äußern sich in
verschiedenen Stadien der Inkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz und verkürzter
Stuhldrangkontrollzeit, aber auch – in absteigender Häufigkeit – in unsicherer
Diskrimination des Darminhaltes, veränderter Konsistenz der Stühle, Stuhlschmieren,
Tenesmen in Zusammenhang mit der Defäkation und verminderter Wahrnehmung des
Stuhldranggefühls.
2. Aus präoperativ vorhandenen Störungen der Stuhlgewohnheiten kann keine generelle
Empfehlung zum Verzicht auf eine sphinktererhaltende Operation abgeleitet werden, da
solche Störungen oftmals in Verbindung mit dem Grundleiden stehen und durch die
Operation sogar gebessert werden können. Anale Vorerkrankungen im Sinne
höhergradiger Hämorrhoiden, postoperative Wundheilungsstörungen und zusätzliche
Operationen im Dickdarmbereich könnten dagegen zwar mit einer erhöhten Häufigkeit von
Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR einhergehen, dennoch ist auch hier eine
Voraussage, in welchen konkreten Fällen Störungen der Stuhlgewohnheiten bei den
betroffenen Patienten auftreten, nicht möglich. Es kann deshalb lediglich die Forderung
ausgesprochen werden, durch geeignete chirurgische Technik postoperative
Heilungsstörungen auf ein Mindestmaß zu beschränken bzw. bei Patienten, die durch anale
Vorerkrankungen oder intestinale Zweiterkrankungen belastet sind, geeignete Maßnahmen
zur Optimierung der Funktionen des Kontinenzorganes auszuschöpfen.
3. Häufigeres Auftreten von Störungen der Stuhlgewohnheiten und Minderung manometrisch
meßbarer Leistungen des Kontinenzorganes kann nach unseren Ergebnissen bei tiefer
gelegener Anastomose sowie postoperativer Bestrahlung erwartet werden. In beiden Fällen
scheint ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Schädigungsmechanismen, nicht eine
einzelne Schädigung ursächlich zu sein. Eine Aussage über den Einfluß der Art der
Anastomosennaht auf unsere Ergebnisse ist dagegen wegen vielfältiger
Wechselbeziehungen nur eingeschränkt möglich, insgesamt scheint die Nahttechnik jedoch
nur eine untergeordnete Rolle für das funktionelle Ergebnis der AR zu spielen.
4. Die Bedeutung einzelner anorektaler manometrischer Parameter für die Stuhlgewohnheiten
der Patienten kann nur in deren komplexen Zusammenspiel erklärt werden. Die Minderung
einer isolierten manometrisch meßbaren Leistung allein konnte in keinem Falle mit der
Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit in Verbindung gebracht werden. In allen
Fällen, in denen für eine manometrische Größe signifikante Unterschiede zwischen
Patientengruppen mit gestörten und ungestörten Stuhlgewohnheiten festgestellt werden
konnten, waren solche Unterschiede auch für andere manometrische Größen feststellbar –
wenn auch statistisch „unterschwellig“. Es muß deshalb eine synergistisch wirkende
Leistungsminderungen verschiedener Komponenten des Kontinenzorganes angenommen
werden. Dies heißt andererseits, daß die von uns verwandten manometrischen
Meßparameter zwar zur Charakterisierung des funktionellen Status des Kontinenzorganes
insgesamt eingesetzt werden können, daß aber Voraussagen über zu erwartende Störungen
von Stuhlgewohnheiten aufgrund einzelner manometrischer Werte nicht möglich sind..
5. Zur Erreichung möglichst ungestörter Stuhlgewohnheiten nach AR können folgende
Empfehlungen gegeben werden:
68
• Unter Wahrung der Radikalitätsprinzipien sollte ein möglichst langer distaler
Rektumstumpf erhalten bleiben. Dies wird durch die Anlage einer möglichst hohen
Anastomose erreicht. Bei Patienten, bei denen die Lage des Tumors ein tiefes Absetzen des
Rektums erforderlich macht, ist die Bildung eines Kolonpouch zu erwägen.
• In die Entscheidung für oder gegen eine postoperative Bestrahlung muß eine mögliche
Verschlechterung der Stuhlgewohnheiten des Patienten und deren mögliche Auswirkungen
auf die verbliebene Lebensqualität einbezogen werden, solange nicht bewiesen ist, daß
durch die postoperative Bestrahlung tatsächlich eine Verbesserung der Prognose zu
erwarten ist..
•
Da die Funktionsminderungen, die nach AR zu Störungen der Stuhlgewohnheiten führen,
stets komplexer Natur sind, ist es sinnvoll, bei Patienten, die von Störungen der
Stuhlgewohnheiten nach AR bedroht oder betroffen sind, alle Maßnahmen, von denen
eine günstige Auswirkung auf die Stuhlgewohnheiten zu erwarten sind, auszuschöpfen.
Dazu gehören neben den bereits angesprochenen Maßnahmen (Erhaltung eines möglichst
langen Rektumstumpfes, Bildung eines Kolonpouch, Verzicht auf postoperative
Bestrahlung) vor allem die Regulation der Stuhlkonsistenz mit diätetischen und
medikamentösen Mitteln sowie die Optimierung der Leistungen des äußeren
Schließmuskels durch aktive Beübung. Durch diese Maßnahmen sind günstige Effekte auf
eventuell gestörte Stuhlgewohnheiten auch dann zu erwarten, wenn die vordergründig
auslösende Schädigung des Kontinenzorganes an anderer Stelle vermutet wird, da
anscheinend – innerhalb gewisser Grenzen – die geminderte Leistung eines Anteiles des
Kontinenzorganes durch das optimale Funktionieren anderer Anteile (bzw. optimaler
„Rahmenbedingungen“, zu denen auch die Konsistenz der Fäzes zählt) kompensiert
werden kann.
Dem Patienten mit Karzinom des Rektums wird durch die rechtzeitig durchgeführte anteriore
Resektion das Weiterleben trotz Tumorerkrankung ermöglicht. Die weitere Lebensqualität
dieser Patienten ist zu nicht unerheblichem Teil davon abhängig, ob es gelingt, Störungen der
Stuhlgewohnheiten, die durch diesen Eingriff in das komplexe menschliche Kontinenzorgan
entstehen können, zu vermeiden oder zu minimieren. Indem die vielfältigen möglichen
Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR, ihre möglichen Ursachen im therapeutischen
Vorgehen und ihr mögliches pathophysiologisches Substrat sowie Möglichkeiten zur
Minimierung ihrer Auswirkungen aufgezeigt wurden, sollte diese Arbeit einen Beitrag zur
Verbesserung der Lebensqualität nach anteriorer Resektion des Rektums leisten.
69
7
Zusammenfassung
Im Rahmen einer Nachuntersuchung wurden 88 Patienten, die sich im Zeitraum von
01.02.1988 bis zum 30.11.1992 einer anterioren Resektion (AR) unterzogen hatten, zu ihren
prä- und postoperativen Stuhlgewohnheiten, zu anorektalen Begleiterkrankungen und zu
postoperativen Komplikationen befragt.
Bei 57 dieser Patienten wurden zusätzlich anorektale manometrische Parameter, im einzelnen
der anale Ruhedruck (ARD), der maximale Kneifdruck (MKD), der rektoanalen
Relaxationsreflex (RARR), der maximale tolerierte Rektumdruck (MTRD), das maximale
tolerierte Rektumvolumen (MTRV) und die daraus abgeleitete rektale Compliance ermittelt.
Durch statistische Tests wurde überprüft, inwieweit Vergleichsgruppen hinsichtlich
unterschiedlicher Anastomosenhöhen und Anastomosentechniken sowie hinsichtlich
stattgehabter und nicht stattgehabter postoperativer Bestrahlung Unterschiede in der
Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten bzw. Unterschiede bei den manometrischen
Meßwerten zeigten. Weiterhin wurde überprüft, ob es möglich war, einzelnen anorektalen
Parametern bestimmte Störungen der Stuhlgewohnheiten statistisch zuzuordnen.
Soweit von den Patienten bereits präoperativ vorhandene Störungen der Stuhlgewohnheiten
geklagt wurden, war bemerkenswert, daß postoperativ zumeist eine Besserung oder keine
Veränderung der Beschwerden, und nur in seltenen Fällen eine weitere Verschlechterung
beobachtet wurde. Wir erklärten dies damit, daß solche Beschwerden möglicherweise durch
den Tumor selbst, bzw. seine Raumforderung im Rektum, ausgelöst waren, und schlossen
daraus, daß bei mittelgradigen präoperativen Veränderungen der Stuhlgewohnheiten eine
sphinktererhaltende Operation durchaus sinnvoll sein kann, wenn sich ein Zusammenhang
zwischen dem Auftreten der Störung und dem Tumorleiden herstellen läßt.
Bei Patienten mit höhergradigen Hämorrhoidalleiden, mit Wundheilungsstörungen im
Bereich des kleinen Beckens, mit intestinalen Begleiterkrankungen und Zweitoperationen
traten Störungen der Stuhlgewohnheiten nach AR relativ häufig auf. Diese Patienten sollten
deshalb auf die Möglichkeit postoperativ gestörter Stuhlgewohnheiten aufmerksam gemacht
werden. Dies gilt nur eingeschränkt für Patienten mit postoperativer Stenose der
Anastomosenregion, da diese nach unseren Ergebnissen nur selten zu klinischen Symptomen
führten.
Die Auswertung der Patientenbefragung ergab, daß ein großer Teil der Patienten, die sich
einer AR unterziehen mußten, von Störungen der Stuhlgewohnheiten betroffen war. So traten
bei vielen Patienten Inkontinenz unterschiedlichen Ausmaßes, erhöhte Stuhlfrequenzen,
Verkürzung der Stuhldrangkontrollzeiten, Stuhlschmieren, unsichere Diskrimination des
Darminhaltes, unsichere Wahrnehmung des Stuhldranggefühles und Darmkrämpfe im
Zusammenhang mit der Defäkation auf. Ebenso wurden von vielen Patienten Probleme mit
hartem, vor allem aber mit ungeformtem Stuhl angegeben. Die zum Teil unerwartet große
Häufigkeit von Störungen der Stuhlgewohnheiten in unserem Krankengut, vor allem auch im
Vergleich zu Angaben aus der Literatur, führten wir auf das unselektierte Krankengut, den
hohen Anteil nachbestrahlter Patienten und die z.T. äußerst unterschiedlichen Definitionen
der zur Diskussion stehenden Begriffe zurück. Neben den Störungen der Stuhlgewohnheiten,
die sich direkt durch strukturelle und funktionelle Einflüsse der AR auf das Kontinenzorgan
erklären ließen, fiel in unserer Studie die relativ häufige Angabe von Veränderungen der
Konsistenz der Fäzes, meist im Sinne ungeformter Stühle auf. Wir postulierten deshalb einen
Einfluß der AR (bzw. der adiuvanten Bestrahlung) auch auf die Funktion höherer
70
Darmabschnitte und stellten mit Hinblick auf die häufig ungünstigeren manometrischen
Werte von Patienten mit ungeformten Stühlen die Vermutung auf, daß für die Adaptation des
postoperativen Kontinenzorganes eine gewisse Konsistenz der Fäzes Voraussetzung ist.
Patienten mit Anastomosen kleiner oder gleich 10 cm über der AKL litten signifikant häufiger
unter Inkontinenz, erhöhter Stuhlfrequenz, verkürzter Stuhldrangkontrolle und ungeformten
Stühlen als Patienten mit höheren Anastomosen. Bei der manometrischen Untersuchung war
für die Patientengruppe mit tieferen Anastomosenhöhen der RARR signifikant häufiger nicht
nachweisbar, der ARD und die Compliance waren signifikant niedriger, der MTRD dagegen
höher als bei der Vergleichsgruppe. Aus dem Vorhandensein sowohl ungünstigerer analer als
auch rektaler Manometriewerte schlossen wir, daß bei tieferen Anastomosen komplexe
Schäden, sowohl die Verschluß- als auch die Reservoirfunktion des Kontinenzorganes
betreffend, häufiger auftreten. Als mögliche Schädigungsmechanismen identifizierten wir den
Verlust eines Großteils des Rektums als Speicherorgan, den Verlust wichtiger nervalen
Verbindungen und ebenso direkte und indirekte Schädigungen des Schließmuskelapparates
und der versorgenden Nerven. Häufigeres Auftreten von ungeformten Stühlen bei Patienten
mit tieferen Anastomosen sahen wir als Hinweis darauf, daß die Funktionen höherer
Darmabschnitte, verantwortlich für Passagegeschwindigkeit und Eindickung der Fäzes,
möglicherweise mit der Länge des verbliebenen Rektums in Beziehung stehen könnten. Wir
folgerten, daß unter funktionellen Gesichtspunkten die Erhaltung eines möglichst großen
Anteil des distalen Rektums anzustreben sei und, wenn die Lokalisation des Tumors eine sehr
tiefe Anastomose erforderlich macht, die Möglichkeit der Bildung eines Kolonpouch zur
Reservoirvergrößerung erwogen werden sollte.
Zwischen Patienten mit Handnaht und Patienten mit Klammernaht-Anastomose konnte
bezüglich Störungen der Stuhlgewohnheiten nur für die Stuhlfrequenz eine signifikante
Abweichung der Häufigkeiten festgestellt werden, sie war bei den KlammernahtAnastomosen häufiger erhöht. Bei den manometrischen Ergebnissen fand sich als einziger
Unterschied zwischen den Patienten mit Hand- und Klammernaht-Anastomosen
durchschnittlich niedrigere MTRV- Werte bei den Patienten mit Klammernaht-Anastomosen.
Die Frage, inwieweit diese Unterschiede tatsächlich den unterschiedlichen Nahttechniken
angelastet werden konnten, ließ sich durch unsere Arbeit nicht beantworten, zumal sich
zeigte, daß die Patienten mit Klammernaht-Anastomosen auch häufig niedrigere
Anastomosenhöhen aufwiesen und sich häufiger postoperative Bestrahlungen unterzogen
hatten. Wir vermuteten deshalb, daß die tatsächlichen funktionellen Unterschiede zwischen
hand- und maschinengenähten Anastomosen allenfalls geringgradig einzuschätzen sind und
daß eine Bevorzugung der einen oder anderen Methode aus funktioneller Sicht derzeit nicht
gerechtfertigt wäre.
Im Vergleich zwischen Patienten mit und ohne postoperative Bestrahlung waren Inkontinenz,
erhöhte Stuhlfrequenz und verkürzte Stuhldrangkontrolle ebenso wie Angaben zu
ungeformten Stühlen signifikant häufiger bei Patienten mit stattgehabter postoperativer
Bestrahlung. Zudem waren in letztgenannter Patientengruppe die durchschnittlichen ARD-,
MTRV-, und Compliance-Werte signifikant niedriger, die MTRV- Werte höher als in der
Vergleichsgruppe. Wir sahen die weitaus ungünstigeren Ergebnisse in der Gruppe der
nachbestrahlten Patienten als Folge strahlenbedingter Schäden der Rektumwand, vor allem
der dort vorhandenen nervösen Plexus. Darüber hinaus vermuteten wir direkte Schäden an der
vaskulären Versorgung des Schließmuskelapparates und Strahlenschäden auch an höheren
Darmabschnitten, verbunden mit einer häufigeren Neigung zu ungeformten Stühlen. Ein
komplexes Zusammenspiel dieser Schädigungsmechanismen
mit Auswirkung auf
71
verschiedene Leistungen des Kontinenzorganes machten wir auch hier, wie im Falle der tiefen
Anastomosen, für die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen
verantwortlich. Wir folgerten, daß in Fällen unsicherer onkologischer Indikation in die
Entscheidung für oder gegen eine postoperative Bestrahlung die mögliche Minderung der
Lebensqualität durch strahlenbedingte Störungen der Stuhlgewohnheiten einbezogen werden
sollte.
Die Gegenüberstellung der manometrischen Durchschnittswerte von Patientengruppen mit
nicht oder nur geringgradig gestörten Stuhlgewohnheiten einerseits und höhergradig gestörten
Stuhlgewohnheiten andererseits ergab folgende statistisch signifikanten Unterschiede: Der
RARR war häufiger positiv bei Patienten mit guter Stuhldrangkontrolle gegenüber solchen
mit verkürzter Stuhldrangkontrollzeit. Für den ARD ließen sich in keinem Fall signifikante
Unterschiede zwischen Vergleichsgruppen mit unterschiedlich stark gestörten
Stuhlgewohnheiten zeigen. Die MKD waren höher bei der Patientengruppe mit guter
Stuhldrangkontrolle und der Gruppe mit den geformten Fäzes im Vergleich zu dem
entsprechenden Gruppen. Niedrigere Durchschnittswerten beim MTRD fanden sich bei
Patienten ohne oder mit nur geringgradiger Inkontinenz. Beim MTRV ließen sich dagegen
höhere Werte in der Patientengruppe mit guter Stuhldrangkontrolle im Vergleich zur
Patientengruppe mit verkürzter Stuhldrangkontrolle finden. Höhere Werte der rektalen
Compliance gegenüber den jeweiligen Vergleichsgruppen erreichten schließlich Patienten mit
nicht oder nur geringgradig gestörter Kontinenzleistung und mit unverkürzter
Stuhldrangkontrolle, ebenso wie Patienten mit geformten Fäzes gegenüber Patienten mit
ungeformten Fäzes. Es wurde deutlich, daß es einen monokausalen Zusammenhang zwischen
einer einzelnen manometrischen Größe und einer gestörten Stuhlgewohnheit nicht gab.
Einerseits waren die Streubreiten der einzelnen Werte, auch bei Vergleichsgruppen mit
signifikanten Unterschieden der Durchschnittswerte eines manometrischen Parameters, so
groß, daß ein Patient mit einer Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit durchaus einen
manometrischen Wert aufweisen konnte, der günstiger als der Durchschnittswert der Gruppe
ohne die betreffende Störung war. Andererseits fiel auf, daß in jedem Fall, in dem wir für
einen manometrischen Parameter signifikante Unterschiede der Durchschnittswerte zwischen
zwei Vergleichsgruppen fanden, zumeist auch alle anderen Manometrieparameter in der
Vergleichsgruppe mit der gestörten Stuhlgewohnheit den jeweils ungünstigeren Wert
aufwiesen, wenn auch dieser Unterschied in den weitaus meisten Fällen statistisch
unsignifikant blieb. Wir erklärten uns die großen Streubreiten aller manometrischen Werte,
neben anzunehmender methodischer Ungenauigkeiten, vor allem aus dem komplexen
Zusammenspiel aller Funktionen des Kontinenzorganes und den komplexen
Schädigungsmechanismen im Gefolge der AR. Dieses bewirkt, daß nicht eine gestörte
Funktion des Kontinenzorganes allein eine Störung einer Stuhlgewohnheit verursacht,
sondern immer auch andere Funktionen des Kontinenzorganes gestört sein müssen, wenn eine
Störung des Kontinenzorganes manifest werden soll. Die gestörte Leistung eines Teils des
Kontinenzorganes (repräsentiert durch den entsprechenden Manometrieparameter), für die ein
Einfluß auf eine bestimmte Stuhlgewohnheit angenommen werden kann, muß dann nicht zur
Störung führen, wenn andere Leistungen des Kontinenzorganes (die sich in anderen
manometrischen Parametern manifestieren) die partielle Minderleistung kompensieren.
Andererseits kann die Störung einer bestimmten Stuhlgewohnheit auftreten, obwohl ein für
diese Störung als wichtig erkannter Parameter im mittleren oder für günstig befundenen
Wertebereich lag, wenn bei anderen Parametern, die ebenfalls für die betreffende
Stuhlgewohnheit wichtige Funktionen repräsentierten, ungünstige Werte gemessen wurden.
Wir schlossen daraus, daß anorektale manometrische Untersuchungen bei Erkrankungen und
chirurgischen Maßnahmen, die wie die AR das ganze Kontinenzorgan betreffen, immer in
72
ihrer Gesamtheit, gewissermaßen als “Funktionsstatus” des Kontinenzorganes betrachtet
werden sollten, ohne daß aus einzelnen Manometrieergebnissen Rückschlüsse auf bestimmte
Störungen der Stuhlgewohnheiten gezogen werden sollten. Aus der komplexen Verflechtung
der einzelnen Leistungen des Kontinenzorganes folgerten wir weiterhin, daß im Falle
drohender oder manifester Störungen der Stuhlgewohnheiten bei Patienten nach AR alle
Maßnahmen, die zur Besserung einzelner Funktionen des Kontinenzorganes führen könnten,
unternommen werden sollten. Diese sollten neben der Bildung eines möglichst großen (neo-)
rektalen Reservoirs durch geeignete operative Maßnahmen die Vermeidung zusätzlicher
Schäden durch schonende Operationstechnik, gegebenenfalls den Verzicht auf postoperative
Bestrahlung, aber auch Regulierung der Konsistenz der Fäzes im Sinne einer baldmöglichen
postoperativen Rückkehr zu geformten Stühlen und intensives Beckenbodentraining zur
Erhöhung der aktiven Verschlußfähigkeit des Kontinenzorganes umfassen.
73
8
Anhang
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77
Fragebogen
Name:
Zurück am:
Telefonnummer:
(Bitte für eventuelle Rückfragen angeben)
Zur Erklärung: Der folgende Fragebogen hat zwei Teile. Es werden einerseits Fragen nach
analen Vorerkrankungen, einer eventuellen Bestrahlung und Besonderheiten im Heilungsverlauf nach Ihrer Operation, andererseits zu Ihren Stuhlgewohnheiten gestellt.
Damit hoffen wir mehr darüber zu erfahren, wieviel Nutzen Ihnen die Operation tatsächlich
gebracht hat. Der Arzt, der den Patienten operiert hat, ist ja im Allgemeinen nicht derjenige,
der ihn weiterbehandelt. Deshalb wählen wir diesen Weg, um den Nutzen (oder Schaden), der
Ihnen aus Ihrer Operation entstanden ist, besser einschätzen zu können.
Teil A Besonderheiten
Traten nach der Operation besondere Schwierigkeiten auf?
a.)
b.)
c.)
d.)
e.)
Nein
()
eine Darmnaht platze oder war undicht
()
es bildete sich eine Eiterhöhle (Abszeß) im kleinen Becken
()
es bildete sich eine Fistel am After
()
Sonstiges (bitte kurz beschreiben)...................................................................................
.........................................................................................................................................
Wurden Sie nach der Operation bestrahlt?
a.)
b.)
Nein
Ja
()
()
Leiden/litten Sie unter Erkrankungen des Afters (Hämorrhoiden, Fisteln, Marisken)?
Vor der Erkrankung /
()
Jetzt
()
a.)
Nein
b.)
Ja (welche?) ......................................................................................................................
...........................................................................................................................................
78
Teil B Zu den Stuhlgewohnheiten
Verlieren/verloren Sie gegen Ihren Willen Darmluft, ungeformten oder gar festen Stuhl, und
wenn ja, wie oft?
Vor der Erkrankung /
Jetzt
a.)
Nein
()
()
b.)
Weniger als einmal wöchentlich
()
()
c.)
Mehr als einmal wöchentlich
()
()
d.)
Täglich
()
()
und wofür traf/trifft das zu?
a.)
b.)
c.)
d.)
Traf/trifft nicht zu
Für Darmwinde
Für ungeformten Stuhl
Für festen Stuhl
Vor der Erkrankung /
()
()
()
()
Jetzt
()
()
()
()
Wie häufig mußten/müssen Sie die Toilette aufsuchen?
a.)
b.)
c.)
d.)
1-2 mal täglich
3-5 mal täglich
6-10 mal täglich
Öfter
Vor der Erkrankung /
()
()
()
()
Jetzt
()
()
()
()
Was passierte/passiert, wenn Sie Stuhldrang verspüren?
a.)
b.)
c.)
Vor der Erkrankung /
Ich konnte/kann es gut
zurückhalten und selbst bestimmen, ()
wann ich zur Toilette gehe
Ich mußte/muß versuchen, noch
schnell die nächste Toilette zu
erreichen, bevor es zu spät ist
Jetzt
()
()
()
Meistens war/ist es dann schon zu ()
spät, um eine Malheur zu verhindern
()
79
Hatten/haben Sie schon einmal „Stuhlschmieren“ (das ist, wenn man die Unterwäsche
verschmutzt, ohne daß es im eigentlichen Sinne zum Einkoten kommt) bemerkt?
a.)
b.)
c.)
Nein
Gelegentlich
Täglich
Vor der Erkrankung /
()
()
()
Jetzt
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Können/konnten Sie immer sicher zwischen Stuhlgang und Blähungen unterscheiden?
a.)
b.)
c.)
Vor der Erkrankung /
Ja
()
Gelegentlich (bei Durchfall oder
„Streß“) war/bin ich mir unsicher ()
Nein, ich konnte/kann nicht zwischen
Stuhl und Blähungen unterscheiden ()
Jetzt
()
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Besaßen/besitzen Sie ein sicheres Stuhldranggefühl (das heißt ein Völlegefühl des Darmes,
das Ihnen sicher sagt, wann Sie die Toilette aufsuchen müssen)?
a.)
b.)
c.)
Ja
Gelegentlich nicht
Nein
Vor der Erkrankung /
()
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()
Jetzt
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Litten/Leiden Sie unter Darmkrämpfen statt oder in Zusammenhang mit dem Stuhldrang?
a.)
b.)
c.)
Nein
Gelegentlich
Ja
Vor der Erkrankung /
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Jetzt
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Wie war/ist die Beschaffenheit Ihres Stuhles (im „Normalfall“, nicht in Ausnahmefällen)?
a.)
b.)
c.)
d.)
Fest/geformt
Hart
Breiig
flüssig/durchfallartig
Vor der Erkrankung /
()
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()
Jetzt
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Um einen reibungslosen Rücklauf des Fragebogens zu garantieren, bitten wir Sie, den
beigefügten (und bereits frankierten) Antwortumschlag zu verwenden. Bitte geben Sie den
Fragebogen nicht in der Poliklinik ab.
Wir danken Ihnen für Ihre Mitarbeit
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Danksagung
Mein Dank gilt Herrn Prof. em. Dr. med. Rudolf Häring, ehem. Leiter der Abteilung für
Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der chirurgischen Klinik und Poliklinik im Klinikum
Steglitz, für die freundliche Überlassung des Themas. Weiterhin danke ich Herrn Dr. J.
Boese-Landgraf, Chefarzt der Chirurgischen Klinik im Städtischen Krankenhaus Chemnitz,
unter dessen Leitung ich die vorliegende Arbeit zum Abschluß bringen durfte. Mein
besonderer Dank gilt Herrn Dr. med. Eric Lorenz, leitender Oberarzt der Chirurgischen
Abteilung im Behringkrankenhaus Zehlendorf, der mich in die Methode der anorektalen
Manometrie einführte und in allen Phasen der Durchführung der Studie ermunterte, beriet und
betreute.
Die Mitarbeiterinnen der chirurgischen Poliklinik und der Forschungslabors hatten stets ein
offenes Ohr bei organisatorischen und technischen Problemen. Bei ihnen möchte ich mich
ebenfalls herzlich bedanken.
Schließlich sei den vielen Patienten gedankt, die der zusätzlichen Belastung durch Befragung
und Untersuchung zustimmten. Ohne ihren freiwilligen und uneigennützigen Beitrag wäre
diese Studie nicht durchführbar gewesen.
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Lebenslauf
Name:
Brüggemann-Wenzel
Geburtsname:
Wenzel
Vorname:
Martin
Geburtsdatum:
13. Juni 1962
Geburtsort:
Schweinfurt
Vater:
Richard Wenzel, Bankkaufmann
Mutter:
Edda Wenzel, Hausfrau
Familienstand:
verheiratet
Staatsangehörigkeit:
deutsch
Konfession:
evangelisch
Schulbildung
1968 - 1972
Grundschule, Sennfeld/Unterfranken
1972 - 1981
Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, Schweinfurt
Mai 1981
Allgemeine Hochschulreife
Zivildienst
März 1982 - Juni 1983
Zivildienst im Rettungsdienst beim Bayerischen Roten Kreuz,
Kreisverband Schweinfurt
Studium
Okt. 1984 - Sept. 1987
Beginn des Studiums der Humanmedizin an der Universität
Triest in Italien
Okt. 1987 - Mai 1992
Nach Anerkennung der ärztlichen Vorprüfung Weiterführung
des Studiums an der Freien Universität Berlin, Abschluß durch
Ablegung des dritten Abschnittes der ärztlichen Prüfung am
20. Mai 1992
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Bisherige berufliche Laufbahn
13. Sept. 1993 - 31. Jan. 1994
Arzt im Praktikum in der Abteilung für Pädiatrie im
Krankenhaus Rudolstadt.
01. Febr. 1994 - 12. März 1995
Arzt im Praktikum in der Abteilung für Innere Medizin
im Krankenhaus Rudolstadt
01. Apr. 1995 - 30. Sept. 1995
Assistenzarzt im „ITZ Etzelbach-Weißenburg“, Klinik
für onkologische Rehabilitation
01. Okt. 1995 - 31. Dez. 1995
Assistenzarzt im „ITZ Etzelbach
rheumatologische Akutklinik
01. Mai 1996 -30. Apr. 1997
Assistenzarzt in der Rehaklinik „Bergfried“ Saalfeld,
Klinik für Herzkreislauferkrankungen, Diabetologie und
Stoffwechselerkrankungen
seit dem 01. Juli 1997
Assistenzarzt in der Klinik Bad Blankenburg,
Rehabilitationsklinik für Abhängigkeitserkrankungen
Weißenburg“,
Für die weitere berufliche Laufbahn strebe ich den Facharzt für Allgemeinmedizin an.
Privates
Seit 27.01.1995 verheiratet mit Frau Katharina Brüggemann, Magistra Artium der
Kunstgeschichte und Geschichte aus Oberhausen/Rheinland; zwei gemeinsame Kinder.
Rudolstadt, den 24. Mai 1998
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