Augenärztliche Rehabilitation - Kampik / Grehn - Beck-Shop

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Augenärztliche Rehabilitation
von
Anselm Kampik, Franz Grehn
. 167 Abbildungen, 18 Tabellen
Augenärztliche Rehabilitation – Kampik / Grehn
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Thieme 2005
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 140371 1
Inhaltsverzeichnis: Augenärztliche Rehabilitation – Kampik / Grehn
102
11 Oberflächenstörungen des Auges
F. E. Kruse, B. Seitz, C. Cursiefen
Der Begriff ¹Augenoberflächeª fasst die anatomischen Strukturen Bindehaut, Hornhaut, Lider und
Tränendrüse mit den Nervenstrukturen zu einer funktionellen Einheit zusammen. Die Integrität dieses Systems ist eine wichtige Voraussetzung für die visuelle Funktion des Auges.
Grundlage für eine adäquate Therapie von Augenoberflächenstörungen ist deren differenzialdiagnostische Einordnung (Kruse et al. 2003). Aufgrund ihrer besonderen klinischen Bedeutung werden
in diesem Kapitel insbesondere Rehabilitationsmaûnahmen bei Wundheilungsstörungen geschildert.
Voraussetzung für die adäquate Behandlung derartiger Erkrankungen ist die Identifikation der zugrunde liegenden Ursachen. Die wichtigsten Gründe für Wundheilungsstörungen sind Abb. 11.1 beschrieben.
Neurotrophisch
Traumatisch
Infektišs
Immunologisch
Herpes
Diabetes
TrigeminuslŠsion
rezidivierende Erosio
organisches Material
SŠurenverŠtzungen
LaugenverŠtzungen
Bakterien
Pilze
Viren
Akanthamšben
Kollagenosen
Steven-JohnsonSyndrom
Pemphigoid
Ulcus Mooren
Abb.11.1
Die häufigsten Ursachen von Wundheilungsstörungen der Augenoberfläche.
Kampik, Grehn, Augenärztliche Rehabilitation (ISBN 3131403713),
2005 Georg Thieme Verlag KG
Konservative Therapie von Wundheilungsstörungen
Konservative Therapie von
Wundheilungsstörungen
Tränensubstitution
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die
Funktion der Augenoberfläche ist deren Benetzung. Daher müssen zur Planung der Therapie zunächst die einzelnen Komponenten des Tränensystems, d. h. die Verteilung des Tränenfilmes
sowie dessen Stabilität (Lipidphase), Menge (wässrige Phase) und Muzingehalt analysiert und die jeweils fehlenden Komponenten ergänzt werden.
Zur Substitution des Tränenfilmes stehen verschiedene Tränenersatzmittel zur Verfügung. In
ihnen kommen die in der Tab. 11.1 aufgeführten
Hilfsstoffe zum Einsatz.
Wundheilungsstörungen sind häufig mit einem
¹Trockenen Augeª, in der Regel einem Mangel der
wässrigen Phase assoziiert. In diesem Kontext ist
zunächst zu prüfen, ob die Lidfunktion in Ordnung
ist und ob die Tränenpünktchen verschlossen werden müssen. Ist dies nicht der Fall, sollten Tränenersatzmittel hochfrequent angewendet werden.
Insbesondere bei Wundheilungsstörungen kann
eine topische Behandlung mit kommerziell erhältlichen Tränenersatzmitteln mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen. Diese beziehen sich
insbesondere auf die adversen Wirkungen von
Konservierungsmitteln auf das Epithel. So führen
beispielsweise Benzalkoniumchlorid oder Chlorbutanol zu einer Exfoliation von Epithelzellen und
somit zu einem Verlust mikroskopisch sichtbarer
Tabelle 11.1 Übersicht über die in Tränenersatzmitteln
vorkommenden Hilfsstoffe
· Synthetische Polymere
± Polyvinylalkohol
± Polyvinylpyrolidon
± Polyacrylat (Carbomer)
· Cellulosederivate
±
±
±
±
Methylcellulose
Hydroxypropylmethylcellulose
Hydroxyethylcellulose
Carboxymethylcellulose
· Pantothensäure
· Hyaluronsäure
103
Mikrovilli (Doughty 1992). Zusätzlich erhöhen viele Konservierungsstoffe die Apoptoserate in Bindehaut und Hornhautepithelzellen (Debasch et al.
1999). Daher sollten bei Wundheilungsstörungen
nur unkonservierte Tränenersatzmittel verwendet
werden.
Dexpanthenol
Bei Dexpanthenol handelt es sich um den Alkohol
der Pantothensäure, die zu den Vitaminen des
Vitamin-B-Komplexes gehört. Dexpanthenol wird
im Körper zu Pantothensäure umgebaut. Im Gegensatz zu den meisten anderen Inhaltsstoffen
von Benetzungsmitteln handelt es sich bei der
Pantothensäure um eine für die Funktion des Zellstoffwechsels wichtige Substanz. Sie kann intrazellulär zur Synthese von Coenzym A genutzt werden, welches nach Umwandlung zu AcetylCoenzym-A, z. B. über den Zitronensäurezyklus,
zur ATP-Synthese benötigt wird. In tierexperimentellen Untersuchungen aus den 50er-Jahren konnte gezeigt werden, dass Pantothensäure die Regeneration des Hornhautepithels im Tierexperiment
fördert (Haselmann et al. 1952).
Hyaluronsäure
Hyaluronsäure (Natriumhyaluronat) ist ein natürlich vorkommendes Polymer, das als Bestandteil
der extrazellulären Grundsubstanz in vielen Geweben enthalten ist, im Auge zum Beispiel im
Glaskörper und in der Vorderkammer. Es besteht
aus Disacchariden (b-D-Glucuronyl-N-acetyl-b-Dglucosamid) mit einem relativ hohen Molekulargewicht von 1 ” 106 kDa. Groûe Verbreitung erfuhr
die Hyaluronsäure in den letzten Jahren als Viskoelastikum für die Vorderabschnittschirurgie, insbesondere die Kataraktchirurgie. Hier bestätigte
sich die sehr gute Verträglichkeit der Hyaluronsäure auch mit intraokularen Geweben. Hyaluronsäure besitzt mehrere Charakteristika, die ihre
Anwendung bei Benetzungsstörungen der Augenoberfläche als sinnvoll erachten lassen. Hyaluronsäure kann Wasser binden und verfügt über mukoadhäsive Eigenschaften, die die Verteilung auf
der Augenoberfläche fördern (Seattone et al.
1989). Daneben stimuliert Hyaluronsäure offensichtlich auch die epitheliale Wundheilung. In
Zellkulturstudien konnte dazu gezeigt werden,
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11 Oberflächenstörungen des Auges
dass Hyaluronsäure mit einem Molekulargewicht
von mehr als 86 kDa die Wanderung von Epithelzellen signifikant beschleunigt (Miyauchi et al.
1990). Darüber hinaus konnten Nishida und Mitarbeiter zeigen, dass Hyaluronsäure den Effekt von
Fibronektin auf die Zellwanderung verstärkt (Nishida et al. 1991).
Biologische Faktoren
Wachstumsfaktoren
Wachstumsfaktoren dienen der Kommunikation
zwischen den einzelnen Zellen und sie regulieren
sowohl die Zellwanderung als auch die Zellteilung.
Deutliche Fortschritte in der Herstellungstechnologie von Wachstumsfaktoren haben es inzwischen möglich gemacht, dass gentechnisch produziertes Material seinen Eingang in die klinischtherapeutische Medizin gefunden hat. Die Augenoberfläche ist wegen ihrer guten Erreichbarkeit
ein besonders gutes Modellsystem für die Anwendung biologischer Wirkprinzipien und daher sind
in der Vergangenheit viele Versuche mit Wachstumsfaktoren durchgeführt worden, die bisher jedoch nur begrenzten Erfolg gezeigt haben. Der am
besten untersuchte Wachstumsfaktor ist der epidermale Wachstumsfaktor (EGF), ein aus 53 Aminosäuren bestehendes Polypeptid. Dieses Protein
ist in der Zellkultur auch für Hornhautepithelzellen eines der wirksamsten Mitogene. Lokal applizierter, rekombinanter, menschlicher EGF zeigte
in einer Konzentration von 500 g/ml im Tierexperiment eine deutliche Stimulation der Wundheilung (Kitazwa et al. 1990). Jedoch waren die Ergebnisse beim Menschen weniger überzeugend: In
einer groûen Untersuchung an 104 Patienten kam
es nicht zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der Wundheilung (Daniele et al. 1979).
Ermutigender sind die Ergebnisse mit dem Nervenwachstumsfaktor (NGF). Dieses Polypeptid
gehört zu den am frühesten entdeckten Wachstumsfaktoren und hat in der Zellkultur nur eine
verhältnismäûig schwache Wirkung auf Migration
und Proliferation von Epithelzellen (Kruse et al.
1993). Demgegenüber hat die topische Applikation
von murinem NGF einen erstaunlichen Effekt auf
die Wundheilung beim neurotrophen Hornhautulkus, wie Lambiase und Mitarbeiter zeigen konnten
(Lambiase et al. 1998). In dieser Studie konnte ein-
drücklich demonstriert werden, dass die wiederholte Applikation von Nervenwachstumsfaktoren
die Heilung therapieresistenter Hornhautulzera
stimuliert und bei diesem normalerweise ungünstig verlaufenden Krankheitsbild zur kompletten
Remission führt. Leider verzögert sich die Einführung eines entsprechenden medizinischen Präparates wegen Patentstreitigkeiten seit Jahren.
Autologes Serum
Die Therapie von Wundheilungsstörungen im Speziellen und von Augenoberflächenstörungen im
Allgemeinen ist durch die Einführung von autologem Serum als Augentropfen signifikant verbessert worden. Diese Therapie geht auf eine Idee
von Robert Fox zurück, der im Jahre 1984 über die
Behandlung von Patienten mit Sjögren-Syndrom
mit autologem Serum berichtete (Fox et al. 1984).
Zur Therapie von Epitheldefekten wurde autologes
Serum zunächst von Tsubota und Mitarbeitern eingesetzt, die 1999 über 16 Augen berichteten, die
mit 20 %igem autologem Serum erfolgreich behandelt wurden (Tsubota 1999). Wir konnten diese
Ergebnisse an 70 Patienten bestätigen, wobei bei
81% ein kompletter Epithelschluss nach 14 Tagen
erzielt werden konnte (Ferreira de Souza et al.
2001). Unsere Untersuchung unterschied sich von
denen von Tsubota oder Fox darin, dass wir
100 %iges autologes Serum anwendeten (Abb.
11.2 a u. b). Mit dieser Methode haben wir auch bei
Wundheilungsstörungen nach Keratoplastik (und
dort auch bei Patienten, bei denen die Keratoplastik wegen eines Hornhautulkus durchgeführt wurde, exzellente Ergebnisse erzielt. Die Wirkungsweise von autologen Serumtropfen ist bisher
nicht bekannt. Verschiedene Autoren haben auf
Wachstumsfaktoren, Vitamin A oder Fibronektin
als physiologisch relevante Inhaltsstoffe des Serums verwiesen (Tsubota et al. 1999, Herminghaus
et al. 2004).
In der Literatur finden sich verschiedene Vorschläge zur Zubereitung von Serumaugentropfen,
die bisher bezüglich der Wirksamkeit der jeweiligen Präparation nicht miteinander verglichen wurden. Wichtig erscheint, dass bei der Zubereitung
der Serumaugentropfen die Röhrchen nach der
Blutabnahme einige Zeit bei Raumtemperatur stehen gelassen werden, um die Blutgerinnung abzuwarten. Anschlieûend muss eine Zentrifugation
durchgeführt werden, wobei die Angaben in der Li-
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Konservative Therapie von Wundheilungsstörungen
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Abb.11.2 a, b a Therapieresistenter
Epitheldefekt
(Fluoreszein + Blaulicht) nach phototherapeutischer Excimer-Laser-Keratektomie bei gittriger Dystrophie.
b 3 Tage nach Ansetzen von autologen Serumaugentropfen ist das Epithel komplett geschlossen.
teratur zwischen 500 und 6000 Umdrehungen/
min schwanken. In einer experimentellen Studie
haben Herminghaus und Mitarbeiter zeigen können, dass Zellkulturen in Serum, das bei höheren
Umdrehungen zentrifugiert wurde, besser proliferierten als in Serum, welches bei niedrigeren Umdrehungen zentrifugiert wurde (Herminghaus et
al. 2004). Gleichfalls umstritten ist, ob und wie
das Serum verdünnt werden soll. Auch hierzu zeigen die Zellkulturversuche von Herminghaus und
Mitarbeiter, das bei einer Verdünnung auf 25% die
besten Wachstumsraten resultieren. Demgegenüber bestätigen unsere klinischen Erfahrungen,
dass eine Anwendung unverdünnter Serumaugentropfen die Wundheilung ebenfalls zuverlässig fördert (Abb. 11.2 a u. b). Dabei ist unseres Erachtens
zu bedenken, dass die Serumaugentropfen auf der
Augenoberfläche durch die Tränenflüssigkeit verdünnt werden und wie alle topischen Medikamente nur eine relativ kurze Verweildauer auf der Augenoberfläche haben.
einer sterilen Transferpipette in sterile Tropfenflaschen überführt. Die abgenommene
Menge Blut reicht für mehrere Flaschen.
· Lagerung: Die erste Serumflasche sollte kühl
aufbewahrt werden (Kühlschrank bei 48). Die
zweite Augentropfenflasche kann in einer
handelsüblichen Gefriertruhe/Gefrierschrank
bei ca. ± 168 eingefroren werden und ein halbes Jahr gelagert werden.
· Haltbarkeit: Eine Flasche sollte nicht länger als
2 Wochen verwendet werden.
Vorschlag zur Herstellung von Serumaugentropfen
· Blutabnahme: Es werden 4 Serumröhrchen
Blut vom Patienten abgenommen.
· Die Röhrchen werden ca. 30 min bei Raumtemperatur stehen gelassen, um eine Gerinnung zu erreichen.
· Zentrifugation: Die Zentrifugation kann wahlweise bei Umdrehungen zwischen 500 und
6000 U/min 14 min durchgeführt werden.
· Überführen des Serums. Das Serum wird aus
dem Überstand im Zentrifugenröhrchen mit
Tsubota und Mitarbeiter (1999) haben die Haltbarkeit von Seruminhaltsstoffen untersucht und festgestellt, dass Serumaugentropfen bei Raumtemperatur mindestens 3 Wochen und bei Lagerung im
Gefrierschrank mindestens 3 Monate haltbar sind.
Prinzipiell besteht jedoch die Gefahr einer mikrobiellen Kontamination von Serumaugentropfen, da
die Tropfen unkonserviert abgefüllt werden. Obwohl eine Zulassung der Herstellung von autolog
verwendeten Serumaugentropfen nach § 13 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG)
zur Zeit der Drucklegung dieses Artikels nicht erforderlich war, sollte die Herstellung der Tropfen gut
dokumentiert werden. Okuläre Infektionen sind
trotz des in letzter Zeit sehr häufigen Gebrauches
von autologem Serum für die Therapie von Wundheilungsstörungen bisher nicht beschrieben worden. Trotzdem müssen die Patienten vor Beginn
der Therapie darüber aufgeklärt werden, dass es
sich nicht um ein zugelassenes Medikament handelt und der Gebrauch muss sehr viel engmaschiger
kontrolliert werden, als dies bei der Anwendung
herkömmlicher Medikamente der Fall wäre.
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11 Oberflächenstörungen des Auges
Operative Therapie von
Wundheilungsstörungen
Grundlage der operativen Therapie von Wundheilungsstörungen ist ebenso wie die der konservativen Therapie eine adäquate differenzialdiagnostische Einordnung, wobei die wichtigsten Ursachen
für eine Wundheilungsstörung in Abb. 11.1 beschrieben sind. Dabei richtet sich die operative
Therapie nach der zugrunde liegenden Störung.
Hierbei können vereinfacht 3 rekonstruktive Verfahren unterschieden werden:
1. Eine temporäre oder permanente laterale Tarsorrhaphie kann eine sehr wirksame Therapie
für bisher therapierefraktäre persistierende
Epitheldefekte sein.
2. Als weiterführende chirurgische Maûnahme bei
Epitheldefekten und Wundheilungsstörungen
sowie auch bei neurotrophischen Störungen
bietet sich eine Amnionmembrantransplantation an. Das Krankheitsbild der Limbusinsuffizienz (s. u.) erfordert eine sehr viel aufwändigere
operative Therapie.
3. Hierbei kommt entweder eine autologe oder
eine homologe Limbustransplantation bzw. die
Transplantation ex vivo expandierter Stammzellen infrage.
Tarsorrhaphie
Bei einer Tarsorrhaphie wird zwischen einer temporären und einer permanenten Tarsorrhaphie
unterschieden. Insbesondere die temporäre Tarsorrhaphie, die mit einer durch die beiden Tarsusblätter gestochenen 4 ± 0 Seidennaht durchgeführt
werden kann, eignet sich sehr gut als zusätzliche
Maûnahme für Wundheilungsstörungen, insbesondere im Kontext nach bereits durchgeführter
Oberflächenrekonstruktion und nach Keratoplastikµchaud. Die permanente Tarsorrhaphie sollte,
wie in der Literatur umfangreich beschrieben,
durch Spaltung des Tarsus und Vernähung durchgeführt werden.
Amnionmembrantransplantation
Die Verwendung gefrierkonservierter humaner
Amnionmembran hat die bisherigen Techniken
zur Wiederherstellung der Augenoberfläche berei-
chert. Die erste dokumentierte Transplantation
menschlicher Amnionmembran am Auge wurde
1940 durch De Rötth beschrieben (De Rötth, 1940).
Er verwendete Membranen, um konjunktivale Vernarbungen, insbesondere Symblephera, nach
schweren Verätzungen zu therapieren. In ähnlicher
Weise wurde chemisch-thermisch konservierte
Amnionmembran von Sorsby und Mitarbeitern
zur Rekonstruktion der Bindehaut verwendet
(Sorsby et al. 1946, 1947). Grundlage der Wiederentdeckung der Amnionmembrantransplantation
und insbesondere der Nutzbarmachung dieser Methode für die Oberflächenchirurgie ist die Bewahrung der biologischen Eigenschaften der Amnionmembran. Zu diesem Zweck muss die Membran in
einem speziellen Prozess gefrierkonserviert werden.
Präparation der Amnionmembran
für die Transplantation
Die Technik der Gefrierkonservierung wurde erstmalig von Kim und Tseng beschrieben (Kim u.
Tseng 1995). Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei welchem durch Einfrieren in 50 %igem Glycerin die biologischen Eigenschaften der Amnionmembran bewahrt werden. Gleichzeitig führt der
Vorgang, wie wir gezeigt haben, dazu, dass sowohl
die Epithelzellen auf der Oberfläche der Membran
als auch die Stromazellen unter der Basalmembran
devitalisiert werden und keine Proliferationsfähigkeit mehr besitzen (Kruse et al. 2000).
Zunächst muss eine geeignete Spenderin für
eine Amnionmembranspende ausgewählt werden.
Dabei kann nur Gewebe von gesunden Spenderinnen nach Kaiserschnittgeburt verwendet werden,
da die Membran nach Spontangeburt in der Regel
kontaminiert ist. Mütter mit Fieber oder genitalen
Infektionen und vorzeitigem Blasensprung sind
ebenso auszuschlieûen wie Spenderinnen, bei denen einer der serologischen Tests, die in Analogie
zur Auswahl von Hornhautgewebe für eine Keratoplastik durchgeführt werden müssen (HIV, Hepatitis, CMV, Lues), positiv ist.
Für die Präparation wird nur sterile, aus dem gynäkologischen OP feucht transferierte Plazenta
verwendet. Die Amnionmembran muss dann zunächst von der Plazenta getrennt und abpräpariert
werden. Das entsprechende Vorgehen wurde an
anderer Stelle ausführlich beschrieben (Kruse u.
Ebner 2002). Die präparierten Amnionstücke wer-
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Operative Therapie von Wundheilungsstörungen
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Abb.11.3 a, b a Therapieresistenter
Epitheldefekt
über konservativ therapiertem Hornhautinfiltrat bei
pseudophaker bullöser Keratopathie bei Fuchs-Endotheldystrophie. b 1. Tag nach zweilagiger Amnionmembrantransplantation: Die tiefe Schicht wird als
Transplantat in den Ulkusgrund eingenäht und dient als
neue Basalmembran (Leitschiene), die oberflächliche
Schlicht dient als natürliche Kontaktlinse mit Wachstumsfaktoren.
den in einer Lösung, die 86 %iges Glycerin und Zellkulturmedium im Verhältnis von 1 : 1 enthält und
der Antibiotika und Antimiotika zugesetzt sind,
bis zur weiteren Verwendung eingefroren.
geachtet werden, dass eine freie Zone zwischen
Epithelrand des Ulkus und der Amnionmembran
verbleibt und dass die Membran nicht über dem
Epithel befestigt wird. In den meisten Publikationen wird die Amnionmembran mit der Epithelseite nach oben, also mit der stromalen Seite, zur Augenoberfläche orientiert. In einer Modifikation des
Verfahrens haben wir eine mehrschichtige Technik
beschrieben, um tiefe Ulzera mit kleinen Membranstückchen zu füllen (Kruse et al. 1999 a,
1999 b). Dabei wird, wie bei der einschichtigen
Amnionmembrantransplantation, zunächst das
Ulkus mit einem Instrument, wie beispielsweise
mit einem Hockey-Messer oder einem stumpfen
Tupfer, gereinigt und dann das Epithel auf der
Bowman-Lamelle soweit zurückgeschoben, dass
eine ca. 2 ± 3 mm freie Zone ohne Epithel entsteht.
Dann werden kleine Amnionmembranstückchen
präpariert und das Ulkus so weit gefüllt, bis die
Ebene der Bowman-Membran erreicht ist. Das gesamte mit Amnionmembranstückchen ausgefüllte
Ulkus wird dann mit einer Deckmembran abgedeckt, die bis zum Epithel, aber nicht über das Epithel, reichen sollte. Diese Membran wird dann mit
10 ± 0 Einzelknopfnähten befestigt (Abb. 11.3, 11.4).
Bei der Verwendung von Amnionmembran als
Verband wird das Gewebe verwendet, um eine epitheliale Regeneration zu begünstigen (Kruse et al.
1999 b). Dieses Verfahren eignet sich sowohl zur
Beschleunigung der Wundheilung nach Keratoplastik als auch nach schweren Verätzungen und
Verbrennungen sowie zur Akuttherapie des Stevens-Johnson-Syndroms und pathogenetisch ähn-
Chirurgisches Vorgehen
Die therapeutische Verwendung gefrierkonservierter Amnionmembran zur Rekonstruktion der Augenoberflächen lässt sich prinzipiell 2 verschiedenen Verfahren zuordnen. Dabei handelt es sich
zum einen um die Transplantation von Amnionmembran, bei der das Epithel der Hornhautoberfläche über die Amnionmembran wächst (Abb.
11.3) und andererseits um die Verwendung der
Amnionmembran als Verband, bei der die Amnionmembran auf das Epithel der Oberfläche genäht
wird, um eine bessere Wundheilung zu erreichen.
Die Mehrzahl der bisher beschriebenen Operationstechniken beruht auf der Transplantation
von Amnionmembran, wobei diese als Leitschiene
für das Epithel der Augenoberfläche dient. Diese
Methode wurde zur Hornhautepithelrekonstruktion zunächst von Lee und Tseng bei Epitheldefekten und Hornhautulzera beschrieben (Lee u. Tseng
1997). Prinzipiell wird dabei der Epitheldefekt mit
einer Membran abgedeckt, wobei bei der Operation darauf geachtet werden muss, dass das verbliebene Epithel am Rand des Ulkus auf die Membran wachsen kann und nicht unter die Membran
wächst (Kruse et al. 1998). Wie wir mehrfach beschrieben haben, sollte daher intraoperativ darauf
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11 Oberflächenstörungen des Auges
Abb.11.4 a, b a Parazentraler therapieresistenter Epitheldefekt auf einem Hornhauttransplantat bei Goldenhar-Syndrom.
b 6 Wochen postoperativ sind die Fäden des Amniontranplantates entfernt und das Epithel ist geschlossen.
licher blasenbildender Erkrankungen (Meller et al.
2000). Intraoperativ wird die Membran im Gegensatz zur Transplantation über dem Hornhaut- oder
Bindehautepithel am Limbus oder im Fornix verankert, wofür zweckmäûigerweise eine Mäandernaht oder mehrere U-Nähte verwendet werden.
Diese können unseres Erachtens am besten mit
9 ± 0 Seide oder 8 ± 0 Vicryl bzw. mit 10 ± 0 Nylon
durchgeführt werden. Im Gegensatz zur Amnionmembrantransplantation, bei der das Transplantat
für eine lange Zeit (zwischen Wochen und Monaten) auf dem Auge bleibt, löst sich die Membran
bei der Verbandsapplikation in der Regel nach wenigen Tagen, spätestens aber nach 2 Wochen von
der Augenoberfläche ab. Um eine Stabilisierung
der Membran zu erreichen und ein vorzeitiges Ablösen zu verhindern, sollte die Membran mit einer
Verbandskontaktlinse abgedeckt werden. Zweckmäûig ist auch der Gebrauch einer Illig-Schale
oder eine temporäre Tarsorrhaphie.
pression weniger stark differenziert sind als Hornhautepithelzellen. Der Fortschritt in der Zellbiologie hat in den letzten Jahren zu einer schrittweisen
Bestätigung dieses Modells geführt, insbesondere
durch die Entwicklung neuerer molekularbiologischer Marker für die Zelldifferenzierung. Auf der
Basis des Stammzellmodells wurde zunächst eine
zum damaligen Zeitpunkt neue Krankheitsentität
beschrieben, die Limbusinsuffizienz.
Das Krankheitsbild der Limbusinsuffizienz
Die Limbustransplantation zur
Rekonstruktion der Augenoberfläche
Das Krankheitsbild der Limbusinsuffizienz ist
durch die Abwesenheit oder Fehlfunktion von epithelialen Stammzellen auf der Hornhautoberfläche
charakterisiert. Durch den Verlust der Stammzellen kommt es zum Einwachsen von Bindehautepithel, welches in seinem vaskularisierten Zustand
Becherzellen enthält. Somit ist das Vorhandensein
von Becherzellen, welches entweder histologisch
oder durch eine Impressionszytologie nachgewiesen werden kann, das entscheidende Kriterium
für eine Limbusinsuffizienz.
Die Limbustransplantation beruht auf einer zellbiologischen Modellvorstellung, nach der die
Stammzellen des Hornhautepithels im basalen
Epithel des Limbus corneae lokalisiert sind. Diese
von Schermer, Galvin und Sun 1986 formulierte
Hypothese stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der rekonstruktiven Chirurgie der Augenoberfläche dar (Schermer et al. 1986). Sie beruhte ursprünglich auf der Beobachtung, dass basale
Limbusepithelzellen hinsichtlich ihrer Keratinex-
Kriterien für eine Limbusinsuffizienz:
· histologisch,
· Anwesenheit von Becherzellen im Hornhautepithel (PAS-Färbung),
· Abwesenheit von hornhautepitheltypischen
Strukturproteinen (Keratin K3 und K12),
· biomikroskopisch,
· verzögerte Anfärbbarkeit mit Fluoreszein,
· unregelmäûiges, glanzloses Hornhautepithel,
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Tabelle 11.2 ¾tiologie der Limbusinsuffizienz
Primäre
Limbusinsuffizienz
Sekundäre
Limbusinsuffizienz
· kongenitale Aniridie
· Erythrokeratodermie
· Verätzungen (Laugen
Typ Burns
· Keratitis bei multipler endokriner
Insuffizienz
oder Säuren)
· Verbrennungen
· Kontaktlinsenkeratopathie
· wiederholte limbus-
chirurgische Eingriffe
· Stevens-JohnsonSyndrom
· narbenbildendes
Pemphigoid
· mikrobielle Keratitis
· Bestrahlung
· Chemotherapie
· Hornhautneovaskularisation,
· subepitheliale Hornhauttrübung,
· stromale Hornhauttrübung.
Klinisch wichtigstes Kriterium ist die verzögerte
Anfärbbarkeit mit Fluoreszein. Dies ist dadurch bedingt, dass die Epithelzellen der Bindehaut einen
schlechteren interzellulären Zusammenhalt haben
als das Hornhautepithel und somit eine Permeabilität für Fluoreszeinmoleküle besteht. Wichtigstes
histologisches Kriterium ist wie beschrieben das
Vorhandensein von Becherzellen. Vor einer limbuschirurgischen Maûnahme sollte dieses durch
Impressionszytologie oder Biopsie bestätigt werden.
Die verschiedenen Krankheitsbilder, die mit einer Limbusinsuffizienz einhergehen, können hinsichtlich ihrer ¾tiologie, wie in Tab. 11.2 beschrieben, unterteilt werden.
Vorgehen bei partieller Limbusinsuffizienz
Für die Wahl eines chirurgischen Verfahrens bei
Limbusinsuffizienz ist der Unterschied zwischen
partieller und totaler Limbusinsuffizienz wichtig.
Bei einer partiellen Limbusinsuffizienz kommt es
durch einen in der Regel exogenen Faktor zum Beispiel durch eine Verätzung zu einer segmentalen
Stammzellproblematik, die mit einer ebenso segmentalen Einwanderung von Bindehautgewebe
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verbunden ist. Ist die optische Achse dabei frei
von pathologischen Veränderungen und hat der
Patient keine Beschwerden, besteht keine Indikation zur chirurgischen Intervention. Häufig schreitet die partielle Limbusinsuffizienz jedoch fort und
die konjunktivalisierten Areale vergröûern sich.
Dua und Mitarbeiter haben für diese Patienten
eine mechanische Entfernung des eingewachsenen
Bindehautepithels vorgeschlagen (Dua u. Forrester
1987, 1990, Dua 1998). Dabei wird das pathologische Epithel mit einem Hockey-Messer hinter
dem Limbus zurückgeschoben. Das pathophysiologische Konzept dieser Intervention ist, dass ein
Limbusdefekt durch eine Repopulation des Limbus
mit Stammzellen (oder einer ähnlichen Art von
Progenitorzellen) heilt. Durch das operative Zurückdrängen des sektoriell einwachsenden Bindehautepithels werden die limbale Wundheilung
und damit die Wiederherstellung der proliferativen Barriere gegen das Bindehautepithel ermöglicht.
Autologe Limbustransplantation
Insbesondere bei einseitigen Limbusinsuffizienzen
kann stammzellhaltiges Limbusgewebe von einem
gesunden Partnerauge übertragen werden. Diese
Methode wurde zuerst 1989 von Kenyon und
Tseng erstmalig beschrieben (Kenyon u. Tseng
1989). Sie hat gegenüber der Transplantation von
Fremdgewebe den unschätzbaren Vorteil, dass keine immunologischen Transplantatreaktionen auftreten und somit auch keine immunsuppressive
Therapie erforderlich ist. Bei der Operation wird
am limbusinsuffizienten Auge eine Peritomie
durchgeführt und dann der fibrovaskuläre Pannus
entfernt. Vor Aufbringen des Transplantates kann
die Hornhautoberfläche noch geglättet werden,
um die optische Abbildungsqualität zu verbessern.
Bei der Transplantatentnahme vom unverletzten
Auge sollten nicht mehr als 50 % des Limbus entnommen werden. Zweckmäûigerweise werden
von der oberen und unteren Limbuszirkumferenz
2 Transplantate mit einer Ausdehnung von jeweils
3 Uhrzeiten gewonnen. Bei der Präparation der
Transplantate soll zusätzlich zu den Stammzellen
auch das direkt darunter liegende Stroma mit
transplantiert werden, da die Funktion der Stammzellen im wesentlich von den Fibroblasten im
Limbusstroma abhängig zu sein scheint (Alpek u.
Foster 1999; Li u. Tseng 1995).
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11 Oberflächenstörungen des Auges
Seit der Erstbeschreibung dieser Methode sind
mehr als ein dutzend Verlaufsbeobachtungen erschienen, wobei die Nachbeobachtungszeit zwischen wenigen Monaten und 5 Jahren schwankt.
In Anbetracht der heterogenen Zusammensetzung
des Patientengutes bezüglich des Ausmaûes des
Stammzellschadens, der ¾tiologie der Limbusinsuffizienz sowie des Operationszeitpunktes wurden zusammenfassend gute bis exzellente Ergebnisse erzielt. Gute Voraussetzungen für einen
Operationserfolg bilden weitgehend reizfreie
Augen mit einem auf die Oberfläche begrenzten
Schaden. Schlechter ist die Prognose bei stark entzündeten Augen, z. B. in der Frühphase nach Verätzung. Eine kritische Würdigung der meisten zur
Thematik der autologen Limbustransplantation erschienen Arbeiten bietet eine Übersichtsarbeit
(Kruse u. Reinhard 2001).
Homologe Limbustransplantation
Die homologe Limbustransplantation dient zur Rekonstruktion bei primärer Limbusinsuffizienz oder
bei bilateralem sekundären Stammzellschaden. In
den letzten 10 Jahren wurden verschiedene chirurgische Verfahren vorgeschlagen, bei denen stammzellhaltiges Gewebe von einem oder mehreren
Spendern auf das limbusinsuffiziente Auge übertragen wird. Einen guten Überblick über die Nomenklatur der wichtigsten Techniken geben Holland und Schwartz (Holland u. Schwarz 1996,
2000). Bei dem ursprünglich von Tsai und Tseng
beschriebenen Verfahren zur homologen Limbustransplantation wird das Spendergewebe mithilfe
von 2 Trepanen von einem ganzen Spenderbulbus
gewonnen, wobei der kleinere Trepan den zentralen Rand in der peripheren Hornhaut des ringförmigen Transplantates und der gröûere Trepan den
peripheren Rand in der Sklera kennzeichnet (Tsai
u. Tseng 1994). Dieses Verfahren kann unter Verwendung eines intakten Spenderbulbus durchgeführt werden und hat den Nachteil, dass das zwischen den Trepanen gelegene und dann lamellär
präparierte Transplantat nur einen Teil der Limbuszirkumferenz bedeckt. Um diesen relativen
Mangel an Stammzellen auszugleichen, haben
Holland und Schwartz die Verwendung von 2 Korneoskleralscheiben, die bei einer konventionellen
Keratoplastik übrig bleiben, vorgeschlagen (Holland u. Schwarz 1996, 2000, Crosdale et al. 1999).
Diese Methode wurde von den Autoren als kerato-
limbale Transplantation bezeichnet und stellt die
wohl am häufigsten durchgeführte chirurgische
Variante dar. Je nach Ausgangsbefund und Dicke
des Wirtsgewebes können die Korneoskleralringe
in ganzer Dicke aufgenäht oder horizontal geteilt
werden. Dieses Verfahren eignet sich auch für die
Verwendung HLA-typisierter Transplantate, insbesondere wenn simultan eine perforierende Keratoplastik und eine Limbustransplantation durchgeführt werden muss.
Ebenso wie zur autologen Limbustransplantation gibt es auch zur homologen Limbustransplantation inzwischen eine Menge von sehr heterogenen Studien (Kruse u. Reinhard 2001). Ihnen ist
gemein, dass untypisierte Transplantate die Notwendigkeit zur systemischen Immunsuppression
mit sich bringen. Diese kann mit Cyclosporin, Mycophenolatmophetil, FK506 oder anderen Substanzen durchgeführt werden. Bemerkenswert ist
eine sehr hohe Rate von z. T. ernsthaften Nebenwirkungen, die das Grundproblem der Limbustransplantation ausmacht. Es muss im jeweiligen Fall
ganz individuell entschieden und klar abgewogen
werden, ob die Chance einer Sehverbesserung das
Risiko einer systemischen Nebenwirkung durch
die unter Umständen jahrelang notwendige Immunsuppression aufwiegt. Bei erfolgreicher Immunsuppression sind die Ergebnisse der homologen Limbustransplantation sehr heterogen. Eine
Übersicht findet sich wiederum bei Kruse und
Reinhard (Kruse u. Reinhard 2001). Die Erfolgsergebnisse schwanken zwischen den erstaunlich guten japanischen Ergebnissen mit mehr als 50 %
Transplantatüberlebensrate und den ernüchternden europäischen Ergebnissen mit z. T. unter 20 %
Transplantatüberlebensrate. Dabei ist die Prognose
bei jahrelang zurückliegender, relativ ruhiger Verätzung erheblich besser als beispielsweise bei
einem aktiven Stevens-Johnson-Syndrom. Als
Grundregel kann dabei gelten, dass, je aktiver der
Entzündungszustand und je schwieriger der Patient vor Operation medikamentös zu führen ist,
desto ungünstiger ist auch das Ergebnis nach Limbustransplantation.
Ex-vivo-Expansion kornealer Stammzellen
Die oben skizzierten Probleme mit der homologen
Limbustransplantation lassen den Wunsch nach
dem Transfer isolierter Stammzellen entstehen.
War ein dementsprechendes Verfahren noch vor
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2005 Georg Thieme Verlag KG
Operative Therapie von Wundheilungsstörungen
Abb.11.5 Fibrinmatrix als Träger für die Stammzellexpansion.
10 Jahren eine Fiktion, so ist es mittlerweile Wirklichkeit und wird im klinischen Alltag eingesetzt.
Grundlage dieser Entwicklung waren signifikante
Fortschritte im Verständnis der Stammzellbiologie
und die Applikation moderner zellbiologischer
Verfahren im Rahmen des Tissue-Engineering. Die
erste klinische Transplantation kornealer Stammzellen wurde von Pellegrini und Mitarbeitern beschrieben (Pellegrini et al. 1997). Die entsprechende Technik beruht auf einer Modellvorstellung,
nach der der undifferenzierte Charakter von
Stammzellen durch eine Parallelkultur mit embryonalen Fibroblasten, den sog. 3T3-Zellen gewährleistet werden kann. Demzufolge wurde zunächst eine ca. 1 ± 2 mm2 groûe limbale Biopsie
von einem gesunden Auge entnommen. Die Limbusepithelzellen wurden dann mittels Enzymbehandlung isoliert und in einer gemeinsamen Zellkultur mit 3T3-Fibroblasten wachsen gelassen.
Am Ende der Kultur standen genügend Limbusepithelzellen für die Transplantation auf die Augenoberfläche zur Verfügung.
Ein technisches Problem bei der Limbustransplantation stellt ein geeignetes Substrat dar, welches einerseits das Wachstum der Zellen in der
Kultur ermöglicht, andererseits chirurgisch manipulierbar ist, und schlieûlich nach der Transplantation rückstandslos aufgelöst wird. Pellegrini und
Mitarbeiter haben als Substrat Fibronektin gewählt, welches als Trägermaterial für die Stammzellkultur benutzt wird (Abb. 11.5). Die klinische
Anwendung dieser Stammzellexpansionskulturen
mithilfe von 3T3-Zellen auf Fibronektinmembran
ist mit einer Beobachtungszeit von 2 Jahren bisher
sehr Erfolg versprechend.
111
Die zweite gegenwärtig evaluierte Gruppe von
Transplantationsverfahren zur Ex-vivo-Expansion
limbaler Stammzellen ist das von Tseng und Mitarbeitern beschriebene Verfahren unter Verwendung
von Amnionmembran (Koizumi et al. 2000, 2001,
Schwalb et al. 2000, Tsai et al. 2000). Dabei werden
ebenfalls epitheliale Stammzellen im Rahmen einer Limbusbiopsie gewonnen. Diese kann dann
entweder direkt auf die Amnionmembran verbracht werden, von wo aus die Zellen in einem
mit Zellkulturmedium bedeckten Schälchen auswachsen oder die Zellen können nach enzymatischer Dissoziation auf die Amnionmembran
ausgesät werden. Beiden Verfahren liegt die Hypothese zugrunde, dass die Amnionmembran ebenfalls den undifferenzierten Charakter der Stammzellen in der Kultur und nach Transplantation auf
die Augenoberfläche erhalten kann. Meller und
Kruse haben eine detaillierte Übersicht der zugrunde liegenden Arbeitshypothesen und der
Durchführung dieser Technik zusammengestellt
(Meller u. Kruse 2001).
Eigene erste Ergebnisse zeigen, dass die Ex-vivoExpansion kornealer Stammzellen für die Rekonstruktion von Augenoberflächenerkrankungen im
Rahmen der Limbusinsuffizienz sehr gut geeignet
ist. Diese Methodik bietet in Zukunft die Perspektive, dass transplantierte Zellen während der Kultur
genetisch modifiziert und möglicherweise hinsichtlich ihrer immunologischen Charakteristika
verändert werden können. Dementsprechend
könnte die Ex-vivo-Expansion kornealer Stammzellen die bisherigen Probleme der homologen
Limbustransplantation, die durch die Immunsuppression entstehen, umgehen.
Fazit
Wundheilungsstörungen der Augenoberfläche
gehören zu den gröûten therapeutischen Herausforderungen in der Augenheilkunde. Bei
der Beurteilung eines Patienten muss zunächst
der Benetzungsstatus und die Lidfunktion analysiert werden und je nach Situation eine Tränensubstitution bzw. eine Lidkorrektur durchgeführt werden.
Konservative Optionen beinhalten die Anwendung von Tränenersatzmitteln, insbesondere von Präparationen, die Hyaluron- und
Pantothensäure enthalten, sowie die Applikation von aus Patientenserum gewonnenen
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112
11 Oberflächenstörungen des Auges
Tropfen. Eine interessante Perspektive bietet
die Applikation rekombinanter Wachstumsfaktoren.
Bei den operativen Maûnahmen ist eine
Tarsorrhaphie zur Behandlung von Wundheilungsstörungen häufig eine sehr erfolgreiche
Maûnahme. Je nach Ursache der Wundheilungsstörung kann dann eine Amnionmembrantransplantation entweder im Sinne einer
Basalmembrantransplantation oder als Verband durchgeführt werden. Die wenigen Patienten mit einer Limbusinsuffizienz stellen
eine besondere Herausforderung dar. Hier
kann bei einer segmentalen Störung die sequentielle Keratektomie nach Dua angewandt
werden. Bei einseitiger kompletter Limbusinsuffizienz bietet die autologe Limbustransplantation vom unverletzten Partnerauge eine
Möglichkeit zur funktionellen und visuellen Rehabilitation. Die verschiedenen Verfahren der
homologen Limbustransplantation haben den
Nachteil, dass die Patienten immunsupprimiert werden müssen, was mit Nebenwirkungen einhergeht. Die verschiedenen Verfahren
der homologen Limbustransplantation sind jedoch häufig die einzige Möglichkeit, insbesondere bei beidseitig erworbenen Zuständen,
diese Funktion zu verbessern. Eine Methode,
die momentan in die Klinik eingeführt wird,
ist die Ex-vivo-Expansion kornealer Stammzellen, mit der möglicherweise einige der Nachteile der Gewebetransplantation ausgeglichen
werden können. Die Weiterentwicklung zellbiologischer Methoden und des Tissue-Engineering lassen in der Zukunft eine Weiterentwicklung der Verfahren zur Therapie von
Wundheilungsstörungen erwarten.
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