Rundschau - BIOspektrum

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Rundschau
592
Journal-Club
Bringt Kohlenstoff Pflanzen zum Blühen?
mit Lothar Jaenicke
Die Blühinduktion könnte
außer von den Temperatur- und
Lichtverhältnissen auch von
Nährstoffen abhängig sein.
Schon lange wird angenommen,
dass eine verbesserte Versorgung
des Apikalmeristems mit Kohlenstoff-Verbindungen die Blütenbildung fördert. L. CORBESIER, G. BERNIER und C. PERILLEUX (Plant Cell Physiol. 43,
684–688, 2002) wiesen nun eine tatsächliche Erhöhung des
organischen Kohlenstoff : Stickstoff (C : N)-Verhältnisses im
Phloemsaft nach Blühinduktion der Langtagpflanzen Sinapis
alba und Arabidopsis thaliana
nach. Sie kultivierten die Pflanzen im Kurztag und lösten die
Blütenbildung durch einen einzelnen Langtag aus. Anschließend verglichen sie den Gehalt
des Blattexsudates an Kohlenhydraten und Aminosäuren mit
dem von ausschließlich unter
Kurztagbedingungen gehaltenen Pflanzen.
In S. alba nahm das C : N-Verhältnis des Phloemsaftes in
Langtag-induzierten Pflanzen
im Vergleich mit den Kurztagkontrollen 12–16h nach der Induktion auf etwa das Doppelte
zu, nahm dann wieder ab und
zeigte einen zweiten Anstieg
nach 24–28h, also nach Ende des
Besseres Verständnis
der infektiösen
Endokarditis
Streptococcus sanguis ist eigentlich ein harmloses Mitglied der
Mundflora. Gelangt das Bakterium allerdings in den Blutkreislauf, kann es eine Endokarditis
mit lebensbedrohlichen Entzündungen der Herzklappen
hervorrufen. Bislang war praktisch nichts über die molekularen Hintergründe der Krankheitsentstehung bekannt. J.
BANKS et al., B. HENDERSON
(Microbial Pathogenesis 32 (2002)
105–116) zeigen nun, dass auf
Blutagar kultivierte S. sanguis
mehrere entzündungsfördernde
Proteine sezernieren. Im Test
mit menschlichen Monozyten
induzierten sie die Freisetzung
verschiedener proinflammatorischer Cytokine, wie Interleukin-(IL)-1β, IL-6, IL-8 und
Tumornekrosefaktor(TNF)α.
Interessanterweise war die Reaktion nach Zugabe von AntiCD14-Antikörpern signifikant
schwächer. Die S. sanguis-Proteine aktivieren Immunzellen
daher anscheinend, indem sie
an ihre CD14-Oberflächenmoleküle binden. Dieser Mechanismus ist eigentlich typisch für
Lipopolysaccharide und erst in
wenigen Fällen auch für Prote-
ine nachgewiesen. Möglicherweise liefern die neuen Erkenntnisse Ansatzpunkte für
Endokarditis-Therapien, die unterstützend zu der meist sehr
langwierigen Antibiotikabehandlung eingesetzt werden
können.
Langtages und während des darauffolgenden Kurztages.
In A. thaliana hatten die induzierten Pflanzen während des
Langtages und danach ebenfalls
ein signifikant höheres C : NVerhältnis des Phloemsaftes als
die Kontrollen. Im Gegensatz zu
S. alba war jedoch hier nur ein
Anstieg anstelle von zwei Maxima zu erkennen. In beiden Ar-
ten war das C : N-Verhältnis im
Langtag 2–4 mal höher als im
Kurztag.
Diese Änderung des Gleichgewichtes bei der Versorgung
des Apikalmeristems mit organischem C und N könnte beim
Übergang zur Blüte eine Signalfunktion haben.
Johanna Schmitt, Marburg
Cyanobakterien produzieren das
Pflanzenhormon Indol-3-Essigsäure
Bakterien der Gattungen Rhizobium, Azospirillum, Agrobacterium, Pseudomonas, Erwinia und
andere, die als Symbionten oder
Pathogene mit Pflanzen interagieren, bilden Indol-3-Essigsäure (IAA). Jetzt wiesen E.
SERGEEVA, A. LIAIMER und B.
BERGMAN (Planta 215, 229–238,
2002) dieses Phytohormon auch
in Cyanobakterien nach. Mit
Hilfe der Salkowski-Reaktion
fanden sie auxinartige Substanzen im Kulturmedium von 38%
der 16 untersuchten freilebenden Cyanobakterienstämme verschiedener Gattungen und im
Medium von 83% der 18 zur
Symbiose fähigen Nostoc-Isolate.
Es gab keinen Zusammenhang
zwischen einer positiven Salkowski-Reaktion und dem Morphologie-Typ bzw. der Fähigkeit
zur Stickstoff-Fixierung.
Wie ELISA-Tests mit Medium und Zellextrakten von 10 der
34 Stämme sowie GC-MS-Analyse mit 2 Stämmen zeigten,
handelte es sich bei der ins Medium ausgeschiedenen Substanz
tatsächlich um IAA. In allen Versuchen produzierten symbiontische Cyanobakterien mehr IAA
als ihre freilebenden Verwandten. Zugegebenes Tryptophan
erhöhte die IAA-Bildung und
könnte demnach als Vorstufe,
aber auch als Stickstoffquelle
dienen.
Das Genom einiger NostocStämme enthielt Homologe von
Schlüsselenzymen des Indol-3pyruvat-Weges zur Bildung von
IAA, insbesondere die Indolpyruvat-Decarboxylase (IpdC).
Gene des Indol-3-acetamidWeges wurden nicht gefunden.
Die Autoren vermuten bei den
Cyanobakterien eine konstitutive IAA-Synthese über den Indol-3-pyruvat-Weg, der auch bei
Pflanzen als der Haupt-Biosyntheseweg gilt.
Johanna Schmitt, Marburg
Petra Jacoby, Wittlich
BIOspektrum · 5/02 · 8. Jahrgang
Rundschau
Thymidylatsynthase kompakt
Die Thymidylat (dTMP)
Synthese geht nach Lehrbuch
und Lernen von Desoxyuridylat
(dUMP) aus, das mittels
5,10-Methylentetrahydrofolat
(CH2FH4) durch die Thymidylatsynthase (ThyA) methyliert
wird, wobei aus dem Transportfaktor FH2 wird, das in einem
anschließenden Schritt durch
die separate NADPH benötigende Dihydrofolatreduktase
(DHF) regeneriert und dann im
C1-Zyklus wieder aufgeladen
wird. Es gibt auch einen „Salvage“ (Rezyklisierungs)-Weg, bei
dem Thymidin der Nahrungskette wiederverwendet wird.
J.C. RABINOWITZ (A.S. DELK,
O.P. NAGLE JR., J.C. RABINOWITZ, J. Biol. Chem. 255 (1980)
4387–4390) hatte gefunden, dass
das Ribothymidin der tRNA von
Bakterien nicht mit S-Adenosylmethionin, sondern aus CH2FH4
gebildet wird, wobei ein Flavoprotein (FMN/FAD-P) eingebaut ist, sodass das Produkt aus
dem Cofaktor unmittelbar FH4
ist. Dies ist nun offenbar auch
ein Weg, wie in vielen Mikroorganismen das Problem gelöst
wird, also ohne DHF zu benötigen. Das Enzym ist die ThyX;
ihr Reaktionsweg lässt sich formulieren: dUMP + CH2FH4 +
FlavH2-P i dTMP + FH4 +
Flav-P. ThyX wurde von H.
MYLLYKALLIO et al., U. LIEBL
(Science 297 (2002) 105 – 107) aus
Helicobacter pylori über E. coli
exprimiert und isoliert, der
ThyA nicht enthält, wie ca. 25%
aller bisher sequenzierten pathogenen und nicht-symbiontischen Mikroorganismen-Genome einschließlich dem von Dictyostelium discoideum, Pyrococcus
abyssi, Thermotoga maritima und
der Mycobacterien. ThyA ist
Wie kommt Acrylamid
hier stets durch die alternative
ThyX ersetzt. Das gelbe Enzym
(31kDa in SDS, 111kDa in Lösung, also vermutlich homotetramer) tauscht H5 von dUMP
gegen CH3 aus (stöchiometrische 3H-Freisetzung). Dithionit
reduziert die 380/440nm-Banden in flavintypischer Weise.
Die Aktivität ist an einen SerinRest nächst dem Flavin-Cofaktor gekoppelt. ThyA und ThyX
haben kaum sequentielle und
strukturelle Ähnlichkeit. Sie
haben sich wohl unabhängig
entwickelt – ein interessantes
Problem, ob beide schon vor der
DNA da waren oder ob ThyX
jüngeren Datums ist und ThyA
gegebenenfalls lateral oder
nicht-ortholog ersetzt hat.
ins Fettgebackene?
Eine Schreckensmeldung
(der natürlich gleich widersprochen wurde: „Bei MacDonald
nicht!“): In Chips und anderem
in >120° heißem Fett „prozessierten“ Nahrungsmitteln ist
Acrylamid in mess- und wirkbaren Mengen enthalten, je höher
und je länger, desto mehr. Es gilt
wegen seiner Fähigkeit mit Nukleophilen, wie Proteinen und
Nukleinsäuren zu reagieren, als
mögliches Neurotoxin und Carcinogen. An sich nichts gerade
Neues, aber durch die heutige
Analytik besser nachzuweisen.
Acrolein entsteht bekanntlich
beim Erhitzen von Triglyceriden; die weitere Umwandlung
ist vermutlich eine Maillard-artige Umwandlung mit Bestandteilen der Nahrungsstoffe. (G.
WEISS, Science 297 (2002) 27).
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Was HAL recht ist, ist PAL billig
Methanogenese fördert CH4-Oxidation in Böden
Phenylalanin-AmmoniakLyase (PAL) ist das zentrale Enzym, das vom L-Phenylalanin zu
den E-Zimtsäure-Derivaten
durch β-trans-Elimination von
NH3 führt. Diese sind der
Grundstoff der Phenylpropanoide, von dem sich die Lignine,
Cumarole und Flavonoide ableiten. Eine ganz analoge Reaktion
katalysiert die Histidin-Ammoniak-Lyase (Histidase, HAL),
deren Produkt aus L-Histidin
entsprechend die E-Urocaninsäure ist. Ihren Mechanismus
hat J. RÉTEY in einer hier seinerzeit referierten Arbeit (Biochemistry 38 (1999): 5355 – 5361)
aufgeklärt: In einer raffinierten
autokatalytischen Cyclisierung
wird aus einer Sequenz ASG in
der Polypeptidkette zunächst
das als Cofaktor der FriedelCrafts(FC)-artigen Reaktion
dienende 3,5-Dihydro-5-methyliden-4H-imidazol-4-on (MIO)
gebildet. Dieser Vorgang ähnelt
der (ebenfalls hier vorgestellten)
Fluorophor-Bildung im Grünfluoreszenzprotein (GFP) der
Qualle Aequora victoriana (S.J.
REMINGTON, Science 273 (1996)
1392 – 1995). MIO lockert über
das aromatische System des Substrats das nicht-azide βH der Seitenkette, sodass es von einer Lewis-Base abstrahiert werden
kann.
Die Frage war, ob auch PAL
in gleicher Weise arbeitet – sie
wurde von D. RÖTHER, L. POPPE, G. MORLOCK, S. VIERGUTZ
und J. RÉTEY (Europ. J. Biochem.
269 (2002): 3065 –3075) indirekt
aber eindeutig mit „Ja“ beantwortet. Bereits die spektroskopische Analyse des Enzyms hat
erkennen lassen, dass auch hier
das Imidazolon MIO enthalten
ist. Es stammt aus der Triade
A202S203G204.
Mit der in E. coli exprimierten
PAL aus Petersilie wurden Mutanten in fraglichen Brennpunkten des katalytischen Zentrums,
wie es aus der Strukturanalyse
von M. BAEDEKER und G.E.
SCHULZ (FEBS Lett. 457 (1999)
57 – 60) zu erkennen ist, hergestellt. Wird die Bildung von MIO
(S203) erschwert, sinkt die katalytische Aktivität. Am stärksten
Ein großer Teil des Treibhausgases CH4 wird durch methanotrophe Bodenbakterien abgebaut. Dieser aerobe Prozess ist
nur in trockenen, gut durchlüfteten Substraten möglich. Anaerobe Böden mit Staunässe setzen
hingegen CH4 frei, da hier methanogene Bakterien geeignete
Lebensbedingungen finden. Allerdings sind meistens auch in
belüfteter Erde feuchte anaerobe Kleinstnischen vorhanden, in
denen Methanbildner existieren
können. Nach Untersuchungen
von A.E. WEST und S.K.
SCHMIDT (Microbial Ecol. 43
(2002) 408–415) stimulieren diese endogenen CH4-Quellen wesentlich den Abbau von CH4 aus
der Luft. Bodenproben, die 22
Tage lang einem anaeroben Milieu mit erhöhten H2- und CO2-
aber, wenn die Reste Y110, N260
und Q348 strukturerhaltend mutiert werden. In einem nach den
Strukturdaten der HAL konstruierten Homologie-Modell
der PAL stehen diese Reste in
der katalytischen Tasche, in der
sich das Substrat mit dem aromatischen Ring kopfwärts einlagert, sodass er in para-Position
unter den Einfluss des MIOReagens kommt. Zunächst protoniert die NH3+ -Gruppe des LPhenylalanins das am Rand der
Katalyse-Tasche stehende Y110
(entspricht Y53 der HAL); YH110
entsteht, das mit der COO–Gruppe des Substrats HBrücken-wechselwirkt und es in
die Tasche zieht, womit die
NH2-Gruppe an das als LewisBase fungierende Y251 (= E414)
heranrückt und deren H+ aufnimmt, sodass diese sich am passend stehenden βH restituieren
kann. Die trans-ständige NH3+Gruppe wird von N260 (= N195)
übernommen und die E-Doppelbindung gebildet. Durch
Rücknahme des H+ von YH110
stellt das intermediär N260-gebundene NH3 den Ausgangszustand wieder her, und die neue
Runde kann beginnen. Ein
durchaus überzeugender Vorgang, der auch bei höheren
NH4+-Konzentrationen reversibel ist, wie gezeigt wurde.
Das „Missing Link“ der
CoenzymA-Synthese
Das Schlussenzym der CoASynthese ist die janusköpfige
Synthase, die 4’-Phospho-pantethein (PPT) in zwei Stufen mit
zwei ATP über Dephospho-CoA
(dCoA) adenyliert und dann 3’phosphory1iert: PPT + ATP i
PPa + dCoA + ATP i CoA +
ADP. Das Doppelenzym (EC
2.7.7.3/2.7.1.24) wurde nun aus
der cDNA-Bibliothek von
Maus-Embryonen durch A.
ZHYVOLOUP et al., I.T. GOUT
(J. Biol. Chem. 277 (2002) 22107
– 22109) molekular in voller
Länge und Aktivität kloniert. Es
ist ein 563 Aminosäurereste
langes Protein von 60kDa in
Konzentrationen zur Förderung
der Methanogenese ausgesetzt
wurden, oxidierten anschließend
dreimal soviel atmosphärisches
CH4 wie normales Substrat. Dagegen nahm die CH4-Oxidation
in Proben, bei denen die Methanogenese nicht unterstützt
wurde, mit der Zeit ab. Methanotrophe Bodenbakterien scheinen somit auf die zusätzliche
CH4-Lieferung aus anaeroben
Mikrohabitaten angewiesen zu
sein, um ihren Stoffwechsel aufrecht erhalten zu können. In der
Natur fördert wohl die kurzzeitig verstärkte Nässe nach Regenfällen die bodeneigene CH4Produktion und kurbelt hierdurch indirekt auch den Abbau
von atmosphärischem CH4 an.
Petra Jacoby, Wirtlich
(AlF4)–-Komplexierung beweist: Acetat wird
in-line nicht zig-zag phosphoryliert
Die Acetat-Kinase wurde vor
60 Jahren von F. Lipmann entdeckt, vor 50 Jahren von S.
Ochoa isoliert und vor 30 Jahren
ihr Mechanismus als dreifacher
Verdrängungsvorgang mit einem
chemisch kompetenten (Histidin)Phosphoenzym als Zwischenstufe beschrieben. Fünf
Jahre später hat S. ROSEMAN (J.
Biol. Chem. 261 (1986) 2120 –
2125) aus den Transacylierungsreaktionen beim Zuckertransport auf einen einfachen, direkten Phosphattransfer geschlossen. Dies scheint nach der Untersuchung von R.D. MILES, A.
GORRELL und J.G. FERRY (J. Biol. Chem. 277 (2002) 22547 –
22552) auf Grund kinetischer
Studien am Enzym von Methanosarcina thermophila der Wirklichkeit zu entsprechen. Sie be-
nutzten als ÜbergangszustandsAnalogon den Phosphat-ähnlichen planaren Komplex
Mg[ADP(AlF4)Acetat], der bei
der Mischung der Komponenten
((AlF4)- entsteht in situ aus AlCl3
und NaF) gebildet wird. Präinkubation mit diesen inaktiviert
das Enzym; Butyrat verhindert
die Inaktivierung. ATP kann
durch andere NTPs ersetzt werden, und NDPs hemmen, ebenso wie eigentliches ADP. Fluoreszenz-Quenching zeigt einen
Anstieg der Bindeaffinität des
Enzyms für MgADP in Gegenwart von AlCl3, NaF und Acetat.
Dies, ebenso wie die zwingende
Anwesenheit von ADP und Acetat für die Hemmung, unterstützen den Direkt-Transfer-Mechanismus des γ-Phosphats von
ATP auf das Substrat.
zwei Domänen (PPTAT und
dCoAK). Sequenzvergleich,
Mutagenese-Analyse auf dem
Muster des analogen Bakterienenzyms und biochemische
Charakterisierung beweisen und
bestätigen, dass die Phosphopantethein-AdenylyltransferaseKinase ein bifunktionelles Enzym ist, das mindestens zwei
Komponenten der CoA-Biosynthese enthält.
BIOspektrum · 5/02 · 8. Jahrgang
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