„Türen auf oder Türen zu? Die Arbeit mit gewalttätigen und missbrauchenden Männern und Burschen im Spannungsfeld des Opferschutzes“ Vortrag am 3.11.2011 / Mag. Schölzhorn Martin Ambivalenz Opfer Täter Ohnmacht Identifikation Betroffenheit Hilfe Vertrauen Macht Abwehr/Ablehnung Wut Strafe/Vergeltung Misstrauen Zitat von Pfitzner Jürgen aus einem Kongressbericht der deutschen Kinderschutzzentren aus dem Jahr 1998: „…Es trifft sicher zu, dass Erwachsene, die Kinder sexuell missbrauchen, deren Würde und Rechte verletzen. Kinderschutz, egal in welchem Bereich, kann aber nur dann Erfolg haben, wenn er nicht dieses Verhalten reproduziert. Gleiches mit Gleichem zu vergelten befriedigt vielleicht kurzfristig aufgewühlte Gefühle, ist aber faktisch ein Beitrag zur Spirale der Gewalt. Die gesellschaftliche Reaktion auf Erwachsene, die Kinder sexuell missbrauchen, vermittelt durch Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe, der Medizin, der Strafverfolgung, muss ein Beziehungsangebot an diese Erwachsenen enthalten und muss sich durch Beziehungs- und Konfliktkompetenz auszeichnen, die der missbrauchende und/oder misshandelnde Erwachsene nicht, nicht mehr oder noch nicht besitzt.“ Täterarbeit mit „Freiwilligen“ Täterarbeit bei „eingeschränkter Freiwilligkeit“ Täterarbeit im Bereich des Strafrechts (AUS: Modelle, Grundlagen & Standards Täterarbeit – ein Beitrag zum Opferschutz. Wien 1999/ Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie) Arbeit mit gewalttätigen Männern und Burschen (Gewaltkonzept der Männerberatung Mannsbilder / 2000 /Auszug) „Analyse“ der Gewalttätigkeit Entscheidung zur Gewalt Time- Out- Techniken Gewaltbereitschaft Aggression trainieren Gewaltkreislauf Gewalt – Aggression Gewalt Abwertung Körperliche Grenzverletzung + Androhung Schlagen, Stoßen, Treten, Festhalten, ... Grenzverletzung mit Worten, Blicken u.a. Handlungen Beleidigen, Demütigen, Psychoterror Aggression Wut Lateinisch: aggredere aktiv herangehen, anpacken, sich selbst vertreten Gefühl unmittelbar und unbewusst Gewaltkreislauf „Tunnel“ Gewalt-Tat Entscheidung Ohnmacht Auslöser Erleichterung Entsetzen Scham Reue Ent-Schuldigen nicht Merken Alles OK! Verschweigen Vergessen Sexueller Missbrauch liegt dann vor, wenn Erwachsene sexuelle Handlungen an Kindern und Jugendlichen zum Zweck der eigenen sexuellen Befriedigung vornehmen, indem sie sich über den Willen des Kindes oder Jugendlichen hinwegsetzen oder dessen Schwäche, Abhängigkeit und/oder mangelnde Einsichtfähigkeit ausnützen. (Bayerische Staatregierung 1994) Geschlechterverteilung der Täter und der Opfer (nach BKA 2006) 100 Anteil unter den angezeigten Missbrauchsf ällen (% ) 80 60 40 20 0 männliche Täter weibliche Täter männliche Opfer weibliche Opfer TÄTERTYPEN (nach Groth 1978, 1982) Regredierte Missbrauchstäter Fixierte Missbrauchstäter Soziopathische Täter (nach Hare 1993) Fixierte versus regredierte Täter (nach Deegener 1995) Fixierte Missbrauchstäter Regredierte Missbrauchstäter - primäre sexuelle Orientierung auf Kinder - pädophile Interessen beginnen in der Adoleszenz - kein überwältigender Stress, keine subjektiv erlebte Verzweiflung - überdauernde sexuelle Interessen, zwanghaftes Verhalten - vorgeplante, vorsätzliche Taten - primäre sexuelle Orientierung auf Gleichaltrige - pädophile Interessen entstehen im Erwachsenenalter - gewöhnlich offensichtlicher, überwältigender Stress - der sexuelle Missbrauch kann episodisch auftreten - die anfängliche Tat kann impulsiv und nicht vorsätzlich geplant sein - Substitution: der Täter ersetzt konflikt hafte Beziehungen zu Erwachsenen durch die Verstrickung mit dem Kind; das Opfer ist ein Pseudo-Erwachsenen Substitut - Identifikation: der Täter identifiziert sich stark mit dem Opfer und gleicht sein Verhalten dem Niveau des Kindes an und/oder kann gegenüber dem Opfer eine Pseudo-Elternrolle einnehmen - Jungen sind die primären Opfer - Mädchen sind die primären Opfer - geringer oder gar kein sexueller Kontakt zu Gleichaltrigen; der Täter lebt gewöhnlich allein oder in einer Ehe aus Zweckmäßigkeit - sexuelle Kontakte mit Kindern bestehen neben sexuellen Kontakten zu Gleichaltrigen; der Täter ist gewöhnlich verheiratet - gewöhnlich kein Alkohol- und Drogenmissbrauch in der Vorgeschichte - die Tat steht in mehr Fällen in Beziehung zu Alkoholmissbrauch - unreife Persönlichkeit; geringe/schlechte soziosexuelle Beziehungen zur Peergruppe - eher traditioneller Lebensstil, aber unterentwickelte Beziehungen zur Peergruppe - die Tat ist „Ergebnis“ der Lebensgeschichte - die Tat ist ein Versuch, spezifische Stressereignisse zu bewältigen Modell der vier Vorbedingungen (Finkelhor 1984) „Faktoren, die eine Person erfüllen muss, um sexuellen Missbrauch zu begehen“ Motivation zum Missbrauch Überwindung interner Hemmungen Überwindung externer Hindernisse Überwindung des Widerstandes des Kindes Die Arbeit mit missbrauchenden Männern und Burschen= Teamarbeit Rekonstruktion des Deliktszenarios, Arbeit an der Verleugnung => Ziel: Tateinsicht und Verantwortungsübernahme Opferempathie => Ziel: Empathiefähigkeit Biographiearbeit => Ziel: Einsicht in motivationale Zusammenhänge im Leben Durcharbeiten des Deliktes / Bereuen, Betrauern => Ziel: Bereuen, Betrauern, Gewissensarbeit Reintegration der Sexualität => Ziel: Kindliche Sexualität und Erwachsenensexualität unterscheiden können Kindliche Sexualität im Vergleich zu erwachsener Sexualität Während erwachsene Sexualität auf körperliche Vereinigung und sexuell befriedigende Höhepunkte zielt, streben Kinder keine sexuellen Höhepunkte an. Sie teilen miteinander die sexuelle Neugier und das Kribbeln der Erregung, aber keine Ekstase. Kinder wollen keine erwachsene Sexualität praktizieren, diese aber durchaus mit anderen Kindern zusammen imitieren. Antrieb dafür ist nicht das Begehren, sondern die spielerische Neugier, wie Geschlechtsverkehr wohl funktioniert. Kinder haben keine festen „Sexualpartner“, sondern richten ihr Interesse auf die Menschen, die ihnen nahe sind. Sexuelle Übergriffe unter Kindern „Ein sexueller Übergriff unter Kindern liegt dann vor, wenn sexuelle Handlungen durch das übergriffige Kind erzwungen werden bzw. das betroffene Kind sie unfreiwillig duldet oder sich unfreiwillig daran beteiligt. Häufig wird dabei ein Machtgefälle zwischen den beteiligten Kindern ausgenutzt, indem z.B. durch Versprechungen, Anerkennung, Drohung oder körperliche Gewalt Druck ausgeübt wird (Freund & Riedel-Breidenstein, 2004).“ Begrifflichkeiten Begriff des „sexuellen Missbrauchs“ sollte im Zusammenhang mit Kindern unter 14 Jahren nicht verwendet werden. Sexueller Missbrauch setzt als Straftatbestand ein Maß an Eigenverantwortlichkeit voraus, das Kindern nicht unterstellt werden kann. Im Zusammenhang mit Kindern sollte von sexuellen Übergriffen bzw. sexuellen Grenzverletzungen gesprochen werden „Normales“ Verhalten oder sexuelle Grenzverletzung ? Experimentieren Im gegenseitigen Einvernehmen Konfliktsituationen Ausloten der Grenzen des anderen Kindes Körper erforschen – Versuch, die den eigenen und eigenen Interessen den der anderen durchzusetzen Aggression dient der Grenzsetzung Grenzverletzungen Die Grenze des anderen Kindes wird missachtet Die eigene Überlegenheit wird dazu benutzt, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Machtgefälle Unfreiwilligkeit Leitlinien in der Arbeit mit übergriffigen Buben und Burschen • Der empathische Kontakt und eine klare Haltung gegenüber dem gewalttätigen Verhalten sind Vorbedingung für eine erfolgreiche Arbeit mit übergriffigen Buben und Burschen • Keine zu „harte“ oder zu „weiche“ Intervention /die Chance der „einfühlsamen“ Konfrontation • Kontaktlosigkeit zu eigenen Gefühlen ist eine der Ursachen sexueller Gewalt • Eigene Bewertung muss zurückgestellt werden. Es erschwert den Aufbau einer Beziehung zum Burschen, wenn die eigene Haltung in der Phase der Kontaktaufnahme vom Berater/von der Beraterin kommuniziert wird • Auf Gewalt darf nicht mit Gewalt geantwortet werden. Übergriffige Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf menschliche Begegnung • Buben und Burschen können ohne Unterstützung von außen keinen realistischen Blick auf ihre Taten bekommen und diese nicht integrieren ANGEBOTE Beratung Jugendliche Professionelle Eltern Andere Bezugspersonen Täter Prozessbegleitung Therapeutische Spielgruppe Kinder Jugendliche PsychoKinder Bezugsperson Prävention therapie Kindergarten Schule Kinder Jugendliche Resümee: Der gesellschaftliche Auftrag an die Täterarbeit lautet, die Öffentlichkeit vor Rückfalltaten zu schützen. Aus Expertensicht sollten die betroffenen Täter darüber hinaus eine umfassende Behandlung bzw. Beratung erwarten dürfen. Und dies sollte meines Erachtens auch in Tirol möglich sein. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!