rationelle Diagnostik und Therapie Peters - Hermanns - Klapp INDIVIDUELLE MEDIZIN Für Patienten aus fernen Ländern und anderen Kulturen VIELMEHRWERT Inhalt Inhalt Seite Vorwort .................................................................................................... 3 I Migranten als Mitbürger und Patienten.................................... 5 1. Definition: Migration ...................................................................... 5 2. Gründe für Migration ..................................................................... 5 3. Ausländer in Deutschland ............................................................... 6 4. Wie werden Erkrankungen in fremden Kulturen erlebt? ......................... 7 5. Morbidität von Migranten ............................................................... 8 5.1 Folter und Trauma ......................................................................... 10 II Behandlung von Migranten in der Praxis ................................. 12 1. Das Verständigungsproblem ........................................................... 13 2. Die Rezeption und das Wartezimmer................................................. 15 3. Datenschutz ................................................................................ 15 4. Die Praxis als Helfer bei Behördenadressen........................................ 16 5. Anamnese und Untersuchung ......................................................... 18 6. Der „fremdländische“ Schmerz ........................................................ 22 7. Behandlung von Frauen und Mädchen aus fremden Kulturkreisen........... 24 Fehlende sexuelle Aufklärung – Anamnese und Untersuchung – Fragen an die Patientin – Angaben im Rahmen der Anamnese 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung ......... 26 Formen der Genitalverstümmelung nach WHO, UNICEF u. UNFPA – Behandlung beschnittener Patientinnen in der Praxis – Anamnese – Gynäkologische Untersuchung – Akute u. chron. Komplikationen als Folgen der Genitalverstümmelung – Korrektur der Beschneidung – Präventionsgespräche u. Aufklärung der Patientinnen – Strafrechtliche Aspekte III Häufige und seltene Infektionskrankheiten von A-Z ................ 32 1. Krankheiten durch unsauberes Wasser oder Nahrungsmittel.................. 32 Amöbenruhr – Bakterienruhr Shigellose – Cholera – Gastroenteritis durch verschiedene Erreger 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser ................................................. 35 Ankylostomiasis – Hakenwurminfektion – Lambliasis, Giardiasis – Schistosomiasis Bilharziose – Typhus (auch Typhus abdominalis genannt – engl. Typhoid fever) – Paratyphus A, B und C 3. Wurminfektionen .......................................................................... 39 Humanpathogene Helminthen – Trichuriasis 4. Nematoden mit einer Lungenwanderung ........................................... 41 Ascariais – Strongyloidiasis 1 Inhalt 5. Gewebsnematoden ohne Filarienerkrankungen .................................. 42 Dracunculiasis, Guinea worm, Medinawurm – Toxokariasis – Anisarkiasis Heringswurm 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen.......................... 44 Chickungunya – Fieber – Hautinfektionen: Leishmaniosen (Orientbeule, Kutane L. – Mukokutane L. – Kala Azar, Viscerale L.) – Malaria (M. tertiana – M. quartana – M. tropica) – Rickettsiosen (Epidemisches Fleckfieber – Endemisches Fleckfieber – Zeckenbissfieber – Rickettsien-Pocken – Wolhynisches Fieber – Ehrlichiosen – Q-Fieber – Schlafkrankheit – Trypanosomiasis 7. Erkrankungen durch Tierbisse – Tollwut ............................................. 50 8. Sexuell übertragbare Erkrankungen .................................................. 51 IV Tropenmedizinische Institutionen ............................................ 53 V Literatur – Internet ................................................................... 55 Herausgeber/Autoren – Impressum ............................................................. 59 2 Vorwort Vorwort Unter „Individueller Medizin“ verstehen die Autoren in dieser Broschüre den ärztlichen Umgang (Kommunikation) mit und die Behandlung von Menschen, die aus unterschiedlichen Herkunftsländern und fremden Kulturkreisen nach Deutschland zuwandern oder hierher zurückkehren. Versicherte und Nicht-Versicherte Migranten Jeder 10. gesetzlich Versicherte ist ausländischer Herkunft. Zu den versicherten Zuwanderern kommen zwischen 500.000 bis zu (geschätzte Dunkelziffer) 1.000.000 illegal in Deutschland lebende Personen, die keiner Krankenversicherung angehören. Bedingt durch die Zuwanderung durch weltweite Krisen- und Kriegsgebiete steigt diese Zahl weiterhin. Diese Gruppe wird zu großen Teilen durch Dienste der beiden großen Kirchen kostenlos medizinisch versorgt oder soziale Vereinigungen sowie staatliche Sozialdienste übernehmen u. U. die Arztkosten (zu loben sind besonders wegen ihrer Aktivitäten im Bundesgebiet die DIAKONIE und die MALTHESER). Drei Hauptprobleme bei der Behandlung von Migranten 1. Verständigungsprobleme – mangelnde Sprachkenntnisse Das größte Problem sind die sprachliche Verständigung und der Mangel an Dolmetschern, die Ärzten bei der Anamnese-Aufnahme helfen können. Zwar leisten sich zahlreiche Universitätskliniken und Krankenhäuser in Großstädten schon Dolmetscherdienste, oft auch preisgünstiger aus sog. „Gemeindedolmetschdiensten“, aber mittlere und kleine Kliniken sind wegen der finanziellen Belastung dazu oft nicht in der Lage und niedergelassene Ärzte erst recht nicht. Zurzeit gibt es keine finanziellen Zuschüsse durch die Krankenkassen. Die Probleme der sprachlichen Verständigung führen aber oft zu einem falschen Verständnis anamnestischer Angaben, und medikamentöse Therapien sind dabei bestenfalls oft wirkungslos wegen falsch verstandener Anwendung. Eine Einwilligung in eine Behandlung (Einverständniserklärung) wäre somit rechtlich auch nicht gültig 2. Verständnisprobleme – andere religiöse, kulturelle und soziale Gegebenheiten Das zweite Problem ist das Verständnis für die Patienten in ihrem kulturellen Umfeld mit anderen Werten, familiären Bindungen und religiösen Vorstellungen. Hier sind es sowohl religiöse, kulturelle wie gerade auch soziale Hindernisse, die diese Patienten/ Patientinnen die Angebote des deutschen Gesundheitssystems falsch oder gar nicht verstehen lassen. 3. Die Morbidität von Migranten – seltene Erkrankungen Der dritte Problembereich sind die oft fehlenden Kenntnisse von Ärzten über die häufigsten Erkrankungen in den Heimatländern der Migranten und gerade über die dort herrschenden Infektionskrankheiten und deren Erreger. Wie umfassend und in Europa oft unbekannt das Gebiet von Infektionskrankheiten ferner Länder sein kann, soll der kurze Überblick von besonderen Infektionskrankheiten, die Migranten und auch Touristen mit nach Deutschland bringen können, zeigen. Bei Problemen der Diagnostik und/oder Therapie raten die Autoren zu schnellen Kontakten mit Tropenmedizinischen Abteilungen oder Instituten. 3 Vorwort Zunehmend kommen auch Migranten als Asylbewerber nach schwerer Gewalt und Folter im Heimatland zu uns und bedürfen gezielter Behandlung und Beratung. Das Phänomen Schmerz Schmerz ist ein wichtiges Symptom, dessen Schilderung bei Zuwandern wesentlich emotionaler ausfällt und keineswegs zentriert, sondern eher diffus angegeben und auf ganze Organbereiche bezogen wird. Diese Tatsache ist für Diagnostik und Therapie von Bedeutung, denn diese Patienten sind keineswegs wehleidiger oder morbider, nur kulturbedingt ANDERS in ihrer Schmerzerfahrung und –äußerung. Beschneidung von Mädchen und Frauen Die vermehrte Zuwanderung hat auch dieses – meist afrikanische Problem – in unsere Praxen gebracht. Die Autoren wollen Hilfen zum Umgang mit diesen Patientinnen geben, die meist neben den schwerwiegenden körperlichen Schäden – die oftmals operativer Korrekturen bedürfen – auch in der Folge der Beschneidung starken psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Eine institutionalisierte Migrantenmedizin ist erforderlich Für diese Probleme der Behandlung von Migranten will die vorliegende Broschüre sensibilisieren und zu einem besseren Verständnis zwischen Patienten und Arzt führen. Diese Broschüre beschäftigt sich deshalb primär mit dem Umgang/der Kommunikation mit Migranten/Migrantinnen als Patienten und – mit Ausnahme seltener Infektionskrankheiten – nicht mit der Diagnostik und Therapie von möglichen Krankheiten. In vielen europäischen Ländern hat die Migrantenmedizin schon im Medizinstudium einen festen Platz. Auch Deutschland braucht bei den vielen Zuwanderern eine institutionalisierte Migrantenmedizin. Die Autoren Die Autoren, ein Tropenmediziner mit Einsätzen in Afrika, China, zwei Gynäkologinnen aus Klinik und Praxis und ein Allgemeinmediziner sind Experten im Umgang, der Kommunikation und medizinischen Behandlung von Migranten und Migrantinnen. Kommunikations- und Fallbeispiele Die Autoren führen mehrere Beispiele zur Sensibilisierung der Leser aus eigener Erfahrung, aus geführten Gesprächen mit Patienten und Angehörigen und aus Internetrecherchen auf. Die Quellen sind angegeben; Beispiele der Autoren dieser Broschüre sind nur mit deren Namenskürzel gekennzeichnet. Das Buch kann auch als eBOOK aus dem geschlossenen Bereich bei ratiopharm herunter geladen werden unter: www.ratiopharm.de im geschlossenen Bereich: Campus für Fachkreise, Bibliothek, Medizin & Therapie, eBooks Es grüßen Sie Ihre ratiopharm GmbH aus Ulm 4 I Migranten als Mitbürger und Patienten 1. Definition: Migration – 2. Gründe für eine Migration I Migranten als Mitbürger und Patienten Die in der Bevölkerung häufige anzutreffende negative Gleichsetzung von: Migranten = Asylanten – Flüchtlinge – Sozial-/Wirtschaftsflüchtlinge trifft für die überwiegende Mehrzahl von Zuwanderern nicht zu. Diese Betrachtung vernachlässigt in oberflächlicher Weise die zahlreichen Gründe für eine Migration. Eine Übersicht von Migrationsgründen zeigt dies deutlich. Auch die Politik denkt positiv. Im letzten Bundestagswahlkampf haben CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Grüne und die Linke in mehrsprachigen Flyern und Migranten-Plakaten und mit speziellen Wahlkampf-Kompetenzteams um die Stimmen von Zuwanderern und ihren Nachkommen gekämpft. 1. Definition: Migration ... „Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt. Von internationaler Migration spricht man dann, wenn dies über Staatsgrenzen hinweg geschieht.“ – Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/57302/definition) ... „Zu den Menschen mit Migrationshintergrund (im weiteren Sinn) zählen „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil...“ – Statistisches Bundesamt http://www.bamf.de/DE/Service/Left/Glossary/_function/glossar.html?lv2=1364186&lv3= 3198544 ... „Migration ist die auf einen längerfristigen Aufenthalt angelegte räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Individuen, Familien, Gruppen oder auch ganzen Bevölkerungen. ..“– Jochen Oltmer: Migration. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. (http://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/53946.html) 2. Gründe für eine Migration Im Online Lexikon der Universität Oldenburg in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa werden sehr übersichtlich verschiedene Erscheinungsformen räumlicher Bevölkerungsbewegungen aufgeführt (s. ausgewählte Ausschnitte): Arbeitswanderung (Aufnahme unselbstständiger Erwerbstätigkeit, u. a. billige Schwarzarbeit) Bildungs- und Ausbildungswanderung (Erwerb schulischer, akademischer oder beruflicher Qualifikationen) Dienstmädchen- und Hausarbeiterinnenwanderung (haushaltsnahe Dienstleistungen, häufig gekennzeichnet durch relativ enge Bindung an eine Arbeitgeberfamilie) Elitenwanderung (politischer, administrativer, militärischer, akademischer oder wirtschaftlicher Hintergrund) Gesellenwanderung (Wissens- und Technologietransfer durch Migration im Handwerk) Heirats- und Liebeswanderung (Wechsel des geographischen und sozialen Raumes wegen Heirat oder einer Liebesbeziehung) 5 I Migranten als Mitbürger und Patienten 3. Ausländer in Deutschland Militärische Migration (aufgrund der Entsendung im Rahmen eines militärischen Apparates) Nomadismus/Migration als Struktur (Permanente oder wiederholte Bevölkerungsbewegung zur Nutzung natürlicher, ökonomischer und sozialer Ressourcen) Sklaven- und Menschenhandel (zur Realisierung von Zwangsarbeit, d. h. jeder Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendwelcher Strafen verlangt wird) Wanderarbeit, Arbeitswanderung (Wanderarbeitskräfte vor allem im Baugewerbe) Wohlstandswanderung (finanziell weitgehend unabhängiger Personen aus vornehmlich klimatischen oder gesundheitlichen Erwägungen (Rentner- und Seniorenwanderung, ,lifestyle migration‘) Zwangswanderung (alternativlos aus politischen, ethno-nationalen, rassistischen oder religiösen Gründen – Flucht, Vertreibung, Deportation, Umsiedlung) – Fälle von Gewaltanwendungen und Folter als Grund für Asylsuche nehmen zu s.a. Seite 12. 3. Ausländer in Deutschland Nach Statistiken (aus 2012/13) leben insgesamt z.Zt. ca. 81,5 Millionen Menschen in Deutschland. Davon sind 73,9 Millionen Deutsche 7,6 Millionen Ausländer. Ca. 4 Mio. davon sind moslemischen Glaubens – meist Türken – und diese verteilen sich in absteigender Zahl auf die Herkunftsländer Türkei, Arabische Welt, Bosnien, Albanische Siedlungsgebiete, Iran, Indonesien, und Indo-Pakistan. In den einzelnen Bundesländern sind die Migrantenanteile (bezogen auf 2012) sehr unterschiedlich: Baden-Württemberg Bayern 26,7% 20% Niedersachsen 17,8% Nordrhein-Westfalen 24,7% Berlin 25,8% Rheinland-Pfalz 19,6% Bremen 28,7% Saarland 18,3% Hamburg 27,5% Schleswig-Holstein 12,8% Hessen 25,9% Neue Bundesländer/ohne Berlin 4,8% In 2014 wurden bis jetzt 37.820 Asylanträge gestellt, dabei steht Serbien an erster Stelle mit 14,1% vor Syrien mit 13% gefolgt von Afghanistan mit 7,6%. Die Zahl der illegalen in Deutschland lebenden Ausländer wird auf 0,5 – 1 Million geschätzt. Die Zahl der meist nicht krankenversicherten sog. „Schwarzarbeiter“ aus Osteuropa – mit wechselnden Aufenthalten/Arbeitsstellen in Deutschland, hat in der letzten Zeit stark zugenommen und stellt die medizinische Versorgung – so wird es z. B. für die Großstadt München berichtet – vor große Herausforderungen. 6 I Migranten als Mitbürger und Patienten 4. Wie werden Krankheiten in fremden Kulturen erlebt? 4. Wie werden Krankheiten in fremden Kulturen erlebt? Wie ein Mensch seine Krankheit erlebt und mit ihr umgeht, ist zum einen vom Geschlecht abhängig, aber besonders von der Kultur aus der er kommt. In Westeuropa und Nordamerika wird Krankheit als Schwächung des Körpers meist ohne Verschulden des Betroffenen angesehen und bei auftretenden Schmerzzuständen kann die Patientin/ der Patient meist genau auf den Schmerzpunkt oder das Areal zeigen und häufig wird das darunter liegende Organ vom Patienten als Auslöser von Erkrankung und/oder Schmerz vermutet. Krankheiten als ganzheitlicher Zustand Bei den meisten Migranten aus islamischen Regionen oder aus Afrika ist Krankheit kein organzentriertes Problem, sondern ein ganzheitlicher Zustand. Diese ganzheitliche Auffassung von Krankheit findet sich dann auch in den anamnestischen Aussagen der Patienten wieder: „Mein Kind alles krank“ oder „Ich, ganze Bauch kaputt, brennt“. Wie ein Detektiv wird der Arzt in diesen Fällen der möglichen Erkrankung nachforschen müssen, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Hierzu ist eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher dringend erforderlich. Muslimische Patienten z. B. beschreiben ihre Beschwerden auch oft in sog. Organchiffren, die – da bei uns unbekannt – missverstanden werden. Besonders die Organe Leber und Lunge haben, aufgenommen in Redewendungen, eine sehr vielseitige Bedeutung; sie stehen für Krankheit und Schmerzen, aber auch für Trauer. Aussagen wie „Meine Leber fällt“ oder „Mein Nabel sitzt nicht mehr richtig“ sind heute noch angewendete Begriffe früherer Volksmedizin und für deutsche Ärzte und Pflegepersonal unverständlich. Der Patient verwendet den Begriff „Fallen“ eines Organs oder „ein Organ sitzt nicht mehr richtig“ in der Vorstellung, dass seine augenblicklichen Beschwerden durch gestörte Funktionen im Organ und daher nicht mehr vorhandene „Balance“ im Körper ausgelöst sind. Diese unterschiedliche Vermittlung der Beschwerden führt dazu, dass nach einer Umfrage 61% der türkischen Patienten den Schweregrad ihrer Beschwerden anders einschätzen als ihr behandelnder Arzt (s. Yildirim-Fahlbusch, Y. Dtsch Arztebl 2003; 100(18): A-1179/B-993/C-928) Viele von Migranten geäußerte Beschwerden stehen im Zusammenhang mit psychosomatischen oder psychiatrischen Erkrankungen, deren Diagnostik durch Sprachprobleme sehr erschwert wird. Kulturgebundene Syndrome Kulturgebundene Syndrome (engl. Culture-bound syndrome, kurz: CBS) sind Verhaltensmuster, die auf bestimmte kulturelle Regionen und/oder Gemeinschaften beschränkt sind. Organveränderungen oder Laborwertveränderungen finden sich nicht. In den westlichen Industrieländen werden zu CBS z. B. Anorexia nervosa und Bulimie gezählt. Einige Beispiele kulturgebundener Syndrome: Koro (in Süd- und Ostasien) Intensive Furcht, dass der Penis oder bei Frauen Vulva und Mamillen in den Körper hineingezogen werden und ggf. den Tod verursachen Frigophobie: (Südostasien) Eine übertriebene oder irrationale Furcht vor Kälte. Latah (Malysia, Indonesien) Eine psychische Störung, die erwachsene Frauen betrifft. Es handelt sich um dissoziative Anfälle, die durch heftiges Erschrecken ausgelöst werden und zwischen 15 Minuten und Stunden dauern. Während des Anfalls imitieren die Betroffenen Anwesende, äußern sich vulgär oder führen obszöne Gesten aus. Nach dem Anfall erinnern sie nichts. Latahs werden als nicht verantwortlich für ihre Handlungen während eines Anfalls betrachtet. 7 I Migranten als Mitbürger und Patienten 5. Morbidität von Migranten Weitere Beispiele in DSM IV Anhang F – erschienen im Hogrebe Verlag, Göttingen ... „Kulturspezifische Störungen erscheinen kurios und zuweilen sogar amüsant, doch in der Psychiatrie sorgen sie für Kontroversen. „Sie sind sehr umstritten, weil sie letztlich die Theorie bedrohen, dass seelische Krankheiten biologisch bedingt sind“, sagt Atwood Gaines, Anthropologe und Psychiater an der Case Western Reserve University in Cleveland. ... Wie etwa lässt sich damit die Beobachtung medizinischer Anthropologen deuten, dass manche seelische Krankheiten „ansteckend“ zu sein scheinen? Koro ist berüchtigt dafür, dass es in Epidemien auftritt, so wie jene Ende der sechziger Jahre in Singapur. „Plötzlich tauchten in den Krankenhäusern scharenweise Männer auf, die ihre Penisse festhielten“, sagt Ronald Simons, einer der bekanntesten Experten für kulturspezifische Störungen. Damals kursierte das Gerücht, Muslime hätten Schweinefleisch vergiftet, und das löse Koro aus. Interessanterweise ist das Schrumpfpenis-Syndrom heute selten geworden. Doch dafür beobachten Psychiater ein anderes bizarres Verhalten in Südostasien: Frigophobie, krankhafte Angst vor Kälte. Frigophobe Chinesen hüllen sich noch an den stickigsten Sommertagen in Wolldecken, Mützen und Handschuhe. Die Experten rätseln über die Ursache, vermuten, wechselnde soziale Umstände verursachten wechselnde Syndrome. Das Individuum scheint dabei manchmal nur ein hilfloses Opfer des kulturellen Umfelds zu sein …“ (Quelle Ute Eberle, Zeit) Keine medizinischen Krankheitsursachen, sondern ein bisschen Magie Hierzu zählen angenommene Krankheitsursachen in anderen Kulturen durch sog. Schadenzauber, böse Geister, Ahnen, „böser Blick“ von Menschen, die einem Schaden bringen wollen. Besonders in afrikanischen Kulturen ist ein magisches Denken weit verbreitet. Die Ahnen sind real und leben innerhalb der Gemeinschaft. Dazu gibt es Geister und belebte Strukturen wie heilige Bäume, Felsen, Flüsse, Berge. Diese Strukturen werden mit dem englischen Wort „shrine“ bezeichnet. Es steht dort ein Schild am Straßenrand und weist auf diese Strukturen der Naturreligion hin. 5. Morbidität von Migranten Wer Patienten aus fernen Ländern behandelt, sollte wissen, welche Erkrankungen in den Heimatländern vorherrschend sind und nicht unbedingt in Deutschland Deutschlang gängig sind. Migranten bringen andere Erkrankungen mit in die Praxis als Fernreisende, die aus dem selben Land zurückkommen. Auf dem 10. SYMPOSIUM INTERNATIONALE GESUNDHEIT – REISE- UND IMPFMEDIZIN im Auswärtigen Amt wird u. a. darauf hingewiesen: „Bei unklaren Symptomen sollte man Immigranten aus Tropen und Subtropen deshalb an einen Tropenmediziner überweisen. So wird häufig das Familiäre Mittelmeerfieber bei Immigranten aus den Vorderen Orient lange Zeit nicht diagnostiziert. Zu beachten sind auch genetische Unterschiede im Stoffwechsel: So ist bei der Therapie eines Bluthochdrucks daran zu denken, dass Afrikaner im Allgemeinen niedrigere Plasmarenin- und Angiotensin II-Spiegel haben als andere ethnische Grupen, ACE-Hemmer sind deshalb weniger effektiv. Man muss auch beachten, dass Infektionskrankheiten bei Bewohnern endemischer Gebiete einen anderen Verlauf nehmen können. Dies ist dadurch bedingt, dass Bewohner von Endemiegebieten eine Immunität entwickelt haben, so ist z. B. die Malaria in Afrika südlich der Sahara typischerweise eine Kinderkrankheit, ältere Kinder entwickeln eine Teilimmunität, die bedingt, dass Plasmodien im Blut zirkulieren können, ohne dass Krankheitssymptome auftreten. 8 I Migranten als Mitbürger und Patienten 5. Morbidität von Migranten Wer Immigranten betreut, benötigt also Kenntnisse über die Krankheiten im Herkunftsland der Immigranten – bei Herkunft aus den Tropen heißt das: tropenmedizinische Kenntnisse.“ Die Autoren haben den Forschungsbericht 9 (2011) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Netz zur Morbidität und Mortalität von Migranten in Deutschland und andere recherchierte Informationen zu einer Übersicht modifiziert und kurz zusammengefasst: an infektiösen und parasitären Erkrankungen leiden bzw. sterben Migrantinnen und Migranten häufiger als Nicht-Migranten. Besonders bei afrikanischen Patienten treten verschiedene seltene Infektionskrankheiten und Parasitosen auf. Deshalb haben die Autoren eine Übersicht seltener Infektionskrankheiten aufgenommen. Bei den Besuchern der Wallfahrt nach Mekka, Hadij, z. B. muss mit Infektionen (Meningitis, Cholera und Salmonellosen).gerechnet werden – trotz der Impfbemühungen und Hygienemaßnahmen der saudischen Behörden häufiger chronische Hepatitis durch Prävalenz in den Herkunftsländern Tuberkulose tritt überdurchschnittlich bei Migranten auf. Zuwanderer ziehen sich häufig im Herkunftsland eine Primärinfektion zu. die Bevölkerung in weniger entwickelten Ländern ist häufiger mit dem Bakterium „Helicobacter pylori“ infiziert als in höher entwickelten Ländern. Eine derartige Infektion ist häufig mit Magen-Krebserkrankungen assoziiert. Bei Migranten und deren Nachkommen aus der Türkei sowie aus Ost-Europa wurde auch in Deutschland festgestellt, dass diese im Vergleich zu Deutschen eine erhöhte Prävalenz an diesem Bakterium aufweisen. Daher muss bei diesen Migrantengruppen mit einer erhöhten Verbreitung von Gastritis und Krebserkrankungen des Magens gerechnet werden. Verschlechterung chron. Erkrankungen, die auch bei uns vorkommen, durch unzureichende medizinische Versorgung im Herkunftsland. Eine weitere Erkrankung kommt gehäuft bei Türken vor, chron. Aphten, genannt Morbus Behcet. Es ist eine Gefäßentzündung aus dem rheumatischen Formenkreis. Sie kommt vor in der Türkei und den Regionen an der Seidenstraße in Asien. Die Erkrankung ist schon seit den Zeiten von Hippokrates bekannt. Befallen werden alle Hautanteile, Schleimhäute, auch die Augen. Die chron. Augenentzündungen können zur Erblindung führen. Genetisch vererbbare Erkrankungen mit höherer Krankheitshäufigkeit in den Herkunftsländern z.B Hämoglobinopatien auffallend sind eine höhere Müttersterblichkeit bei Ausländerinnen und höhere Sterberaten bei Kleinkindern. Dies wird u. a. mit auf die geringe Beteiligung an den Vorsorge-Untersuchungen zurück geführt. Bedingt durch Heiraten innerhalb des Familienverbandes (Cousinenheirat) kommen häufig Missbildungen und andere genetische Erkrankungen innerhalb der Familien vor. Hier muss speziell nachgefragt werden, welche Erkrankungen in der Familie vorkommen, auch Missbildungen müssen erfragt werden. In einigen Dörfern der Türkei gibt es jetzt Aufklärungskampagnen gegen die Cousinenheirat zur Vermeidung von Erbkrankheiten und Mißbildungen in den Dörfern. Psychische Belastungen im Aufnahmeland – im Aufnahmeland stehen Migranten unter erhöhten Stressbelastungen, durch ungewohnte klimatische und kulturelle Bedingungen – hinzu kommen soziale Probleme (finanzielle Sorgen, keine Arbeit, beengte Wohnverhältnisse, Verständigungs- und Kommunikationsprobleme, Schwierigkeiten innerhalb der Familie, Streit mit Nachbarn) Zustand n. schwerer Gewaltanwendung oder Folter s. Seite unten. Seltenere Erkrankungen bei Migranten Seltener als bei Deutschen finden sich bei Migranten: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Sterbefälle infolge einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Dies wird mit „protektiven“ Ernährungsgewohnheiten, vor allem hinsichtlich der Fettsäure-Auswahl begründet. In den Mittelmeer-Anrai9 I Migranten als Mitbürger und Patienten 5. Morbidität von Migranten – 5.1. Folter und Trauma ner-Staaten werden mehr ungesättigte pflanzliche Fette verzehrt, während in West- und Mitteleuropa es eher der Verzehr gesättigter tierischer Fette ist. Prof. Dr. med Oliver Razum – (Epidemiologie & International Public Health Fakultät für Gesundheitswissenschaften Universität Bielefeld) stellt fest: ... „Neuerkrankungen und Sterblichkeit der Migranten an ischämischer Herzerkrankung, der häufigsten Todesursache in Deutschland, bleiben zunächst auf dem niedrigen Niveau z. B. eines südeuropäischen Herkunftslandes. Dies ist auf die meist lange Latenzzeit zwischen einem Anstieg der Risikofaktoren und dem Auftreten der Erkrankung zurückzuführen. Zuwanderer der ersten Generation können daher noch viele Jahre nach der Migration ein niedrigeres Herzinfarkt-Risiko und Sterblichkeit haben als die Bevölkerung des Zuwanderungslandes. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer – oder in den nachfolgenden Generationen, die im Zuwanderungsland aufwachsen – passen sich die Migranten zunehmend an den „westlichen“ Lebensstil an. Dadurch steigt ihr Risiko eines Herzinfarktes mit der Zeit an – entsprechend der „Risikofaktor“-Komponente des gesundheitlichen Übergangs. Dieser Anstieg des Risikos kommt zu dem vorbestehenden höheren Risiken von Migranten für andere chronische Erkrankungen hinzu. Beispiele sind Magenkrebs und Schlaganfall. Sie treten gehäuft unter Menschen auf, die ihre Kindheit in Armut und unter schlechten hygienischen Bedingungen verbracht haben. Dies konnten wir anhand der Krebshäufigkeit und der Schlaganfall-Sterblichkeit türkischer Migranten in Deutschland belegen. Diese „mitgebrachten“ Krankheitsrisiken sind eine negative Seite des gesundheitlichen Übergangs, den Migranten durchlaufen...“ 5.1. Folter und Trauma Mit der zunehmenden Zahl von Asylbewerbern aus Kriegsgebieten (z. B. Libyen, Syrien, Ägypten, Irak, Afganistan) kommen auch Opfer von Gewalt und Folter nach Deutschland. Eine Hilfe bei der Diagnostik kann die Broschüre des Schweizer Roten Kreuzes sein. Mit Informationen (siehe: http://www.torturevictims.ch/de/folter-trauma-therapie) werden Haus­ ärztinnen und Hausärzte sowie weitere Fachpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen des Schweizer Roten Kreuzes als auch weitere Berufsgruppen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen für die Situation der traumatisierten Flüchtlinge sensibilisiert, und es werden Hintergrundwissen und praktische Hinweise für die Behandlung und Betreuung von gefolterten Migranten gegeben: ... „Die folgenden, primär somatischen Symptome entsprechen Beschwerden, die in der ärztlichen Sprechstunde besonders häufig vorgetragen werden respektive beobachtet werden können: Rückenschmerzen (erhöhter Muskeltonus mit multiplen Kontrakturen/Myogelosen, Triggerpunkten und Insertionstendinosen) Frakturen (Extremitäten, Schädel, Schlüsselbein) Nervenläsionen (Plexus, periphere Nerven) Chronische, belastungsabhängige Schmerzen der Füße, Beine sowie des Rückens nach Falakka Venenthrombosen (nach Venenläsionen durch Schläge, Dehydratation sowie Immobilität in der Haft) Chronisches Kompartmentsyndrom (nach schwerer Muskeltraumatisierung) Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerzen, Zustände nach Schädelfraktur, Hirnerschütterung oder Hirnkontusion), Trommelfellperforationen, Tinnitus Narben (von Schnitten, stumpfer Gewalt, Rissquetschwunden, Stichverletzungen, Verbrühungen, Verbrennungen durch Zigaretten sowie Elektrofolter) 10 I Migranten als Mitbürger und Patienten 5.1. Folter und Trauma Gastrointestinale Beschwerden (Magengeschwüre bei Mangelernährung oder Hungerstreik, chronische Magenbeschwerden, Reizdarm, anale Schmerzen sowie chronische Schmerzzustände des Beckenbodens) Bei Frauen nach sexueller Folter: unerwünschte Schwangerschaften, chronische Entzündungen, Zyklusunregelmäßigkeiten und chronische Schmerzzustände des Beckenbodens Bei Männern nach sexueller Folter: chronische Infekte (Epididymitiden, Prostatitiden) und chronische Schmerzzustände Unterernährung und Essstörung (als Fortsetzung eines Hungerstreiks oder als Verkörperlichung des Gefangenendaseins) Selten: Infekte (Tuberkulose, HIV) Zahnschäden und fehlende Zähne (durch Gewalteinwirkung oder Mangel-/Fehlernährung)... Psychiatrische Beschwerdebilder Ausgehend vom zeitlichen Auftreten der Symptome sowie vom Verlauf werden die allgemeinen psychotraumatischen Belastungssyndrome als akut, subakut, chronisch oder verzögert bezeichnet: Akute Belastungsreaktion Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Verzögerte posttraumatische Belastungsstörung Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung Anpassungsstörungen wie z. B. abnorme Trauerreaktionen Affektive Störungen und Depressionen Angststörungen Suchtmittel- und Medikamentenabhängigkeit ...“ 11 II Behandlung von Migranten in der Praxis II Behandlung von Migranten in der Praxis Die meisten Migranten kennen aus ihren Heimatländern kein straff organisiertes Gesundheitssystem mit Klinikambulanzen, Vorsorgeuntersuchungen, Haus- und Fachärzten, Rehabilitationseinrichtungen, häuslicher Krankenpflege, Pflegeheimen, Altersheimen und tun sich daher mit den vielen Angeboten und den Fragen der Bürokratie unseres Gesundheitssystems sehr schwer. Zuwanderer brauchen Hilfen und Unterstützung in unserem Gesundheitsystem Scham wegen fehlender Sprachkenntnisse, nur geringes Wissen über den eigenen Körper und seine Funktionen und die oft gravierenden neuen sozialen Probleme hier in Deutschland führen oft zu einer verzögerten oder mangelhaften Nutzung ärztlicher Hilfe. Dies führt u. a. zu Verschlechterungen bestehender Krankheiten, zu neuen Erkrankungen und besonders zu psychischen Erkrankungen. Im stationären Bereich existieren seit einigen Jahren die ersten Versuche sprachliche und kulturelle Unterschiede nicht nur zu erkennen, sondern auch darauf helfend im Sinne der Patienten zu reagieren. So z. B. die Zahl der Dolmetscherdienste in Kliniken hat deutlich zugenommen und wird weiter ausgebaut in großen Krankenhäusern behilft man sich oft mit ausländischem Klinikpersonal: Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, Labormitarbeiter etc., die als Dolmetscher herangezogen werden. Das Personal wird vorher befragt, ob es übersetzen würde und dann in eine Kartei – für alle Stationen zugänglich – eingetragen Vorträge zu Gesundheitsthemen in den Sprachen der Zuwanderer (z. B. zu Schwangerschaft und Geburt und häufigen Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus, gesunde Ernährung) anzubieten Im ambulanten Bereich ist die Problematik zwar auch bekannt, aber getan wird dafür bisher sehr wenig. Dies liegt u. a. an der Situation des Arztes meist als „Einzelkämpfer“ im Vergleich zum Klinikbereich und an finanziellen Problemen. So ist z. B. ein erforderlicher Dolmetscherdienst von den niedergelassenen Ärzte zu bezahlen, ohne Erstattungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen. Dabei sollten auch die Kassen wissen, dass eine „verständliche“ Anamnese zu schnellerer und kostengünstigerer Diagnostik führt und im Hinblick auf die Therapie zu einer guten Compliance. Ein Nachdenken über Dolmetscher-Pauschalen oder die Einrichtung von Dolmetscherdiensten durch die Krankenkassen – mit zumindest anteiliger Kostenübernahme – wäre sinnvoll. Migranten nutzen unser Gesundheitswesens anders als die Einheimischen: Migranten (besonders Frauen) kommen fast immer in Begleitung ihrer Verwandten zum Arzt, weil sie sich in deren Gemeinschaft „sicherer“ fühlen und ggf. auch einen Verwandten zum Dolmetschen dabei haben. Migranten gehen wegen ihrer Sprachprobleme seltener zum niedergelassenen Arzt, dafür werden häufiger Klinikambulanzen aufgesucht und dies meist in den Abendstunden sowie am Wochenende. Ein Grund dafür liegt oft darin, dass der „gute Übersetzer“ in der Familie meist der Familienvater/Ehemann ist und dieser als Begleitung erst nach der Arbeitzeit oder an Wochenende zur Verfügung steht, dann aber haben die Praxen geschlossen. Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und Erwachsen, Impfschutz und Vorsorgeuntersuchungen hinsichtlich Zahngesundheit werden seltener als von Deutschen in Anspruch genommen. In den Herkunftsländern der Migranten sind Vorsorge-Untersuchungen meist nicht bekannt und daher fehlt eine Vorsorgementalität. Am stärksten nehmen Osteuropäer/Aussiedler die Vorsorgeangebote wahr. Die Schwangerschaftsvorsorge allerdings wird in der letzten Zeit von allen Migranten stärker angenommen. 12 II Behandlung von Migranten in der Praxis 1. Das Verständigungsproblem ambulante Pflegedienste sind in den meisten Herkunftsländern der Migranten nicht bekannt und werden daher in Deutschland auch nicht entsprechend angenommen. Hinzu kommt, dass bei vielen Migranten die FAMILIE einen sehr hohen Stellenwert hat und daher meist die Pflege eines Angehörigen nicht an Dritte vergeben wird, zumal sich oft der Pflegebedürftige gegen fremde Hilfen wehrt. Die Migranten wählen die Praxis aus Migranten, die in eine Region ziehen, wählen sich die Praxis ihrer Behandlung aus. Dies geschieht meist durch Mundpropaganda. Praxen, die Helferinnen aus den Herkunftsländern oder Kulturbereichen der Zuwanderer beschäftigen, sind dabei im Vorteil und werden oft wegen der dadurch einfacheren sprachlichen Verständigung innerhalb kurzer Zeit zu Mittelpunkt-Praxen für diese Patientengruppen. Grundvoraussetzungen für eine optimale Behandlung (Diagnostik und Therapie) von Patientinnen/Patienten aus fernen Ländern und fremden Kulturen ist die primäre Bereitschaft der Praxis (Arzt und Helferinnen), sich auf den sicher nicht einfachen und sicher zeitaufwendigen Umgang mit Migranten einzustellen und dafür auch zusätzliche Kenntnisse – auch medizinische Kenntnisse z. B. aus dem Bereich der Tropenmedizin – zu erwerben. Einige Migranten kommen mit einem starken Integrationswillen und wollen sich möglichst schnell sprachlich integrieren. Fallbeispiel: Eine 30jährige Iranerin kommt mit ihrem Ehemann aus dem Iran nach Norddeutschland und erhält hier Asyl. Während der Ehemann eine Arbeit findet, besucht die inzwischen schwangere Frau mehrere verschiedene Deutschkurse hintereinander und kauft sich ein Lexikon (Persisch-Deutsch) um z. B. beim Arzt die eigenen gesundheitlichen Probleme mindestens als WORT im Lexikon zeigen zu können. Soviel Eigeninitiative wird nicht oft beobachtet. (Quelle: pmh) 1. Das Verständigungsproblem Wie wichtig das Sprachverständnis auch schon in Deutschland ist, wissen die Ärzte genau, die z. B. als Nicht-Norddeutscher in Schleswig-Holstein oder als Nicht-Bayer im Bayrischen Wald gearbeitet haben. Die Landbevölkerung in diesen Bundesländern spricht besondere Dialekte, die oft für dort nicht aufgewachsen Personen kaum zu verstehen sind. Hier hilft allerdings in der Regel immer das einheimische Praxis- oder Klinikpersonal. Fallbeispiel: Ein Kollege aus Kiel versuchte, den Unmut seiner Helferinnen über die sprachlichen Schwierigkeiten mit Patienten aus fernen Ländern durch eine einfache Anweisung an die Helferinnen zu mildern: „Seht Euch am Wochenende Bayerisches Mundarttheater im Fernsehen an. Montag reden wir darüber, was Ihr davon verstanden habt..“! Die Helferinnen waren danach deutlich duldsamer gestimmt. (Quelle: pmh) Die „richtige“ Sprache finden Bei vielen Patienten ist die gesprochen Sprache leicht zu erkennen oder durch das Herkunftsland zu ermittelten. Wie gering teilweise die Kenntnisse über Fremdsprachen der Migranten sind, fanden die Autoren in einer Aufstellung im Ärzteverzeichnis einer großen norddeutschen KV über Ärzte mit Fremdsprachenkenntnissen: für Brasilien wurde als Sprache „Brasilianisch“ angegeben – tatsächlich ist es aber Portugiesisch für Indien wurde als Sprache „Indisch“ angegeben. – Die Staatssprache in Indien aber ist Hindi. Dieses ist ein ursprünglicher Dialekt in Nordindien, ähnlich dem Urdu in Pakistan. Beide 13 II Behandlung von Migranten in der Praxis 1. Das Verständigungsproblem Dialekte wurden von den Briten als Kolonialmacht in der Verwaltung und beim Militär verwendet. Bei Afrikanischen Patienten kommt es darauf an, aus welcher ehemaligen Kolonie in Afrika sie kommen. Es gab englische, französische, portugiesische und spanische Kolonien in Afrika. Dazu kommt noch als weitere Sprache in Nordafrika Arabisch dazu. Viele Afrikaner – abhängig von ihrem sozialen Status im Heimatsland – sind sehr sprachbegabt, da sie in ihrer Heimat mehrere Sprachen beherrschen müssen, die Sprache der ehemaligen Kolonialherren und die Stammessprachen. Dolmetscher-Angebote Sozialbehörden, Kirchen und gesellschaftliche Verbände bieten recht zahlreich und kostengünstige Dolmetscherdienste an. Der Dolmetscherdienst Bremen z. B. ist aus einer gemeinsamen Initiative seitens des Gesundheitsamtes Bremen, Refugio e.V. Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge und Folterüberlebende und dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales entstanden. Das Dolmetscherhonorar beträgt 24,– Euro pro Stunde. Die Fahrtkosten betragen innerhalb des Stadtgebietes Bremen pauschal 16,– Euro. Im Internet finden Sie natürlich in Städten mehr Angebote als auf dem Land. Beispielhaft haben die Autoren für Sie einige Adressen ausgesucht: zz Baden-Baden und den Landkreis Rastatt http://www.diakonie-bad-ra.de/pagemaster/ o6pol1nhv1ywmz3sw1ld1lfyjdkt16.pdf zz Berlin http://www.engagiert-in-deutschland.de/toro/resource/html?locale=de#!entity.1371 zz Berlin Website z.Zt. im Umbau, Infos hier: Müllenhoffstr. 17, 10967 Berlin, Tel. 0 30/44 31 90 90 zz Bremen http://www.gesundheitsamt.bremen.de/sixcms/media.php/13/2_nb_Migration_ Dolmetscherdienst.pdf zz Erfurt http://www.integration-migration-thueringen.de/zentrum/dokumente/flyerdolmetscher.pdf zz Kehl http://www.kehl.de/stadt/verwaltung/dolmetscherpool.php zz Landkreis Marburg-Biedenkopf http://marburg-biedenkopf.de/buergerservice/pressearchiv/ dolmetscherservice-fuer-das-sozial-und-gesundheitswesen.html zz München http://www.bayzent.de/dolmetscher-service/informationen/ zz Regensburg http://www.migramed-regensburg.de/dolmetscher zz Reutlingen https://www.reutlingen.de/dolmetscherpool zz Stuttgart http://www.caritas-stuttgart.de/hilfe-beratung/migranten-und-fluechtlinge/ migranten-und-fluechtlinge Besonders sinnvoll für Migranten sind „Sprachmittler“, die gleichzeitig die Funktion der Informations- und Kulturvermittlung übernehmen. Es gibt dazu diverse Modelle. Die bekanntesten sind das Modell der Gemeinde-Dolmetscher (Berlin, Hannover, München etc.) und das Modell des hausinternen Dolmetscherdienstes z. B. im Städtischen Klinikum München. Berufsmäßig tätige Dolmetscher sind zur Schweigepflicht verpflichtet. So kommen Sie (vielleicht) zu einem eigenen Dolmetscher-Dienst In Wohngebieten mit hohem Anteil von Zuwanderern könnten Ärzte alleine, aber besser mehrere Ärzte unterschiedlicher Fachgruppen gemeinsam den Aufbau eines Dolmetscherdienst initiieren und dazu geeignete sprachbegabte und intelligente Migranten aus ihrem Patientenstamm – ggf. auch durch einen kleinen finanziellen Anreiz – fragen, ob sie mithelfen würden. Beim Hinzuziehen eines nicht berufsmäßig tätigen Dolmetschers (z. B. Angehörige, Arbeitskollegen, Nachbarn oder Freunde) gibt es für den Arzt das grundsätzliche Problem der Schweigepflicht, denn der Arzt muss in dem Gespräch u. a. medizinische Patientendaten auch dem Dolmetscher eröffnen. Der Arzt sollte für diese Fälle von dem Patienten von der ärztlichen Schweigepflicht unter Zeugen (Arzthelferin) oder andere schriftlich entbunden werden. Der Nicht-Berufsdolmetscher sollte vom Arzt daraufhin hingewiesen werden, dass alles, was er im Rahmen der Übersetzung erfährt, nicht an Dritte weitergegeben werden darf. Auch dies sollte mind. in der Patientenkurve vermerkt werden. 14 II Behandlung von Migranten in der Praxis 2. Die Rezeption und das Wartezimmer – 3. Datenschutz Dies mag ein Schutz für den Arzt sein, falls der Übersetzer außerhalb der Praxis zum „Schwätzer“ wird. Keine geeigneten Dolmetscher Ältere Kinder von Migranten sind zum Übersetzen nicht geeignet. Sie versuchen häufig den Erwachsenen zu gefallen und fabulieren dann bei der Übersetzung. Besonders Probleme/Erkrankungen gynäkologischer Art einer Patientin können nicht vom 14jährigen Sohn, vom Schwager, Nachbarn oder einem Arbeitskollegen übersetzt werden, denn dies würde die Intimsphäre der Patienten stark belasten. Fallbeispiel: Eine türkische Patientin mit starkem Husten und Schnupfen kommt mit einem gut deutsch sprechenden Türken in die Praxis. Von Helferinnen und Arzt wird der Begleiter als Ehemann angesehen. Als der Arzt mit der Untersuchung der Frau (Freimachen des Brustkorbes, Abhorchen des Thorax) beginnen will, wird der Mann ganz unruhig und verlässt fluchtartig das Sprechzimmer. Auf Frage des Arztes erklärt der Mann, er sei nicht der Ehemann, sondern nur ein Arbeitskollege des Ehemannes, den dieser seiner Frau als Dolmetscher mitgeschickt habe. Hinweis: Bei einem Paar sollte immer nach dem Verwandtschaftsverhältnis gefragt werden, bevor Untersuchungen begonnen werden. (Quelle: mp). 2. Die Rezeption und das Wartezimmer Eine positive Einstellung des Praxispersonals allgemein zu Ausländern ist sehr wichtig, denn die Helferinnen an der Rezeption sind quasi das „Fenster“ der Praxis. Von ihnen hängt ab, wie Migranten bei der Anmeldung in der Praxis behandelt werden und wie auch andere Patienten im Wartezimmer mit Zuwanderen umgehen. Häufig kommen Ausländer in kleinen Gruppen in eine Arztpraxis. Es sind Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen dabei. Dieses irritiert das teilweise deutsche Praxispersonal und weitere Patienten. Ausländer werden häufig als zu laut in der Praxis bezeichnet und die laute Sprache besonders der Afrikaner irritiert. Sie unterhalten sich im Wartezimmer laut und teilweise fröhlich und können dabei deutsche Patienten, die still warten, irritieren. Einheimische Patienten, die von ihrem Arzt daraufhin gewiesen werden, dass er neben ihnen auch wegen seiner besonderen medizinischen Kenntnisse viele Ausländer aus fernen Ländern behandelt, fühlen sich informiert und finden dies interessant. Wer viele Migranten behandelt, sollte im Wartezimmer auch Zeitschriften in deren Sprache ausliegen haben. Dies signalisiert, man erwartet sie und denkt an sie. 3. Datenschutz Datenschutz bezieht sich auch auf die Zone am Tresen bei der Anmeldung. Einen Sicherheitsabstand vom Tresen wie in der Bank gibt es in den meisten Arztpraxen nicht. Mehrere Patienten drängen sich am und über den Tresen und reden auf die Helferinnen ein. Hier fehlt teilweise in den Praxen das Gespür der Helferinnen. Es werden Befunde zu laut weitergegeben und auch die Aufnahmedaten der Patienten zu laut abgefragt oder bestätigt. Sicher findet sich ein Raum in der Praxis, in dem die Aufnahmedaten abgefragt werden, ohne dass das ganze Wartezimmer mithört. 15 II Behandlung von Migranten in der Praxis 4. Die Praxis als Helfer bei wichtigen Adressen 4. Die Praxis als Helfer bei wichtigen Adressen Die Wohlfahrtsverbände, das Rote Kreuz und die Kirchen bieten Zuwanderern in geringer Anzahl Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Clubs an. Die meisten Einrichtungen wenden sich an türkisch sprechende Mitbürger. Bevorzugt finden sich die Angebote in den Großstädten. Der Ordner für Migranten Praxen mit einem größeren Anteil von Migranten sollten sich auch als Beratungs- oder Informationsstelle darstellen. Am einfachsten ist das Anlegen von wichtigen Adressen und Telefonnrn. aus der Region im Praxiscomputer und Ausdrucke auch in einem Ordner, um den Patienten ggf. Fotokopien der jeweiligen Adressen geben zu können. Ein Verzeichnis dieser Art signalisiert dem Patienten, dass sein Arzt an den sozialen Problemen seiner Patienten interessiert ist und sich informiert. Folgende Adressen – die zu Teilen auch für einheimische Patienten wichtig sind – schlagen die Autoren vor: AIDS-Beratung Altenpflegerin Ambulanter Pflegedienst Anonyme Alkoholiker Anlaufstelle für Suizidgefährdete Apotheken Arbeiter-Samariter-Bund Arbeitsamt Ausländerberatungsstellen Autogenes Training Behindertengruppen Caritas Diakoniestation Dolmetscher Drogenberatung Essen auf Rädern Fachärzte Familienpflegerin Frauenhäuser Fürsorge Gemeindeschwester Gesundheitsamt Häusliche Krankenpflege Innere Mission Johanniter-Orden Jugendamt Kindergärten Kirchliche Stellen Krankengymnasten Krankenhäuser Krankentransport Logopäden Malteser-Hilfsdienst Notarzt Physiotherapeuten Pro Familia Psychiatrischer Notdienst Rehabilitationseinrichtungen Rettungswagen Sanitätshäuser spezielle Selbsthilfegruppen Sozialarbeiter Sozialbehörde Suchthilfestellen Schmerzambulanz Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Telefonseelsorge Tropenmedizinische Beratungsstelle Internetadressen Das Internet bietet Migranten viele Hilfen, auch teilweise in ihrer Heimatsprache an. Über z. B. die Suchmaschine google und dann mit den Suchbegriffen: Migranten Beratung oder Migrationsberatung oder Kontakt und Beratungsstellen für Migranten und Flüchtlinge 16 II Behandlung von Migranten in der Praxis 4. Die Praxis als Helfer bei wichtigen Adressen und dahinter Angabe des Praxisortes werden in der Regel zahlreiche Beratungsstellen (z. B. staatliche, kirchlich oder von anderen Trägern) angegeben. Liegt die Praxis in einem kleineren Dorf, sollte die nächst gelegene Kleinstadt angegeben werden. Die mit dieser Suche erfahrenen Adressen sollten in den Ordner für Migranten aufgenommen werden. Die Autoren haben einige große offizielle Internetportale recheriert: Frauengesundheitsportal www.frauengesundheitsportal.de Das Portal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet qualitätsgesicherte und verlässliche Informationen rund um das Thema Frauengesundheit und dient als Wegweiser zu weiteren Informationsquellen. Zum Thema „Migration“ werden folgende Informationsbereiche angeboten: Lebenssituation: Informationen zu den unterschiedlichen Lebenslagen von Migrantinnen sowie zur Integration und interkulturellen Öffnung. Gesundheit und Versorgung: Informationen, die sich in unterschiedlichen Sprachen an Migrantinnen und auch männliche Migranten wenden, sowie Ratgeber zu gesundheitlichen Fragen und regionale Wegweiser, die den Zugang zu medizinischen und gesundheitlichen Angeboten erleichtern. Gewalt und sexuelle Ausbeutung: Informationen zu Gewalt im Zusammenhang mit Prostitution und sexuelle Ausbeutung oder bestimmte Formen familiärer Gewalt wie z. B. die zwangsweise Verheiratung junger Frauen. Asyl und Aufenthaltsstatus: Informationen zu Hilfsangeboten, zu rechtlichen und humanitären Fragen und Organisationen, die in diesem Bereich agieren. Die Migrantinnen finden hier zu den obigen Themen zahlreiche weitere Informationsstellen besonders auch mit Hinweis auf die einzelnen Bundesländer. Dies gilt auch als Info-Quelle für das Praxispersonal zur Beratung der Patientinnen, die nicht unbedingt einen eigenen PC nutzen können. Familien-Wegweiser.de Internetangebot vom Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend http://www.familien-wegweiser.de/wegweiser/stichwortverzeichnis,did=93528.html Im Portal finden sich zahlreiche wichtige Hinweise für Migranten Den Menschen im Blick. Schützen. Integrieren Website des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – www.bamf.de Als Kompetenzzentrum für Migration und Integration in Deutschland ist das Bundesamt nicht nur zuständig für die Durchführung von Asylverfahren und den Flüchtlingsschutz, sondern auch Motor der bundesweiten Förderung der Integration. Zur Bandbreite der Aufgaben gehört auch die Migrationsforschung. Angebote für Folteropfer und psychosoziale Beratungsstellen für Flüchtlinge Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) http://www.igfm.de/?id=124 Auf dieser Seite sind mehrere Einrichtungen in Deutschland speziell für Folteropfer und traumatisierte Flüchtlinge, die der IGFM bekannt sind, zusammengefasst. 17 II Behandlung von Migranten in der Praxis 5. Anamnese und Untersuchung 5. Anamnese und Untersuchung Anamnese Bei Verständigungsproblemen und ggf. auch noch fehlender Hilfe eines Übersetzer ist die Erhebung einer Anamnese schwierig bis manchmal unmöglich. Hilfen zur Anamneseerhebung – erstellt im Rahmen der tip doc REIHE vom Setzer Verlag, Stuttgart finden sich im Internet unter http://tipdoc.de/hauptseiten/download.html im pdf-Format zum kostenlosen Download. Der Arzt findet hier folgende Sprachen: Arabisch – Chinesisch – Englisch – Farsi – Franzözisch – Griechisch – Italienisch – Japanisch – Koreanisch – Kurdisch – Polnisch – Portugiesisch – Russisch – Serbisch – Spanisch – Türkisch Hier ein kleiner Ausschnitt in türkischer Sprache R kalp • Herz R felç • Schlaganfall R yüksek tansiyon • Bluthochdruck R tromboz • Thrombose R şeker hastalığı • Zucker R kalkanbezi • Schilddrüse R mide • Magen R safra • Galle R karaciğer • Leber R hepatit • Hepatitis R bağırsak • Darm R hemoroit • Hämorrhoiden R göğüs • Brust R rahim • Gebärmutter R kürtaj • Ausschabung R apandisit • Blinddarm R sezeryen • Kaiserschnitt R böbrek • Niere R sidik torbası • Blase R prostat • Prostata R akciğer • Lunge R astım • Asthma R kaslar • Muskeln R kemikler • Knochen R bel kemiği • Wirbelsäule R bronşit • Bronchitis R sinir • Nerven R artroz • Arthrose R romatizma • Rheuma R kemik kırığı • Knochenbruch R cilt • Haut R eklemler • Gelenke R ışın tedavisi • Bestrahlung R kemoterapi • Chemotherapie R tümör • Tumor Auf der oben angegebenen Internetseite findet der Arzt auch Therapiepläne. In der tip doc Reihe, die u. a. auch für Touristen auf Fernreisen gestaltet ist, erscheinen auch Bücher (Umfang 80 – 100 Seiten) mit zahllosen bebilderten Begriffen aus Praxis und Pflege zu Beschwerden, Untersuchung und Behandlung und mit mehrsprachigen Untertiteln. Durch die Bilder ist die Verständigung deutlich erleichtert. Auf der nächsten Seite sehen Sie einen Ausschnitt aus dem Buch: tıp doc professional – türkisch-russisch-deutsch von Heiligensetzer, Buchfink, Herschlein, Huber, Schaffert, Zink Wer viele Migranten behandelt, sollte überlegen, ob er mit Hilfe eines Dolmetschers nicht einen eigenen, individuellen auf sein Fachgebiet bezogenen Anamnesebogen (in der Sprache seiner häufigsten Migranten) erarbeitet. Am einfachsten ist es für die Patienten, wenn sie keine Begriffe eintragen müssen, sondern nur auswählen und ankreuzen müssen (z. B. bei der Frage: Welche Erkrankungen hatten Sie? – wird eine Liste der häufigsten Erkrankungen angeboten). Nachfolgend haben wir nach Gesprächen mit Kollegen Begriffe zusammengetragen, die ein Anamnesebogen beinhalten sollte: Familienanamnese (vererbbare Erkrankungen, Schmerzerkrankungen, spez. Malignome) allgemeine und chron. Erkrankungen – ggf. Operationen? Tumoren – ggf. Operation?, Zytostatika-Behandlung?, Bestrahlung? Endoskopische, radiologische, szintigraphische Untersuchungen – Befunde? Medikamentenanamnese (V.a. auch Selbstmedikation und Bedarfmedikamente) Allgemein Befinden, Vegetativum, Gewichtsveränderungen, Schlaf, B-Symptomatik (Unerklärliches Fieber > 38 °C – massiver Nachtschweiß z. B. nasse Haare, durchnässte Schlafbekleidung – ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10% des Körpergewichtes innerhalb von 6 Monaten Kopf Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hörminderung Hals Schluckbeschwerden, Lymphknoten Kardiopulmonal Körperliche Leistungsfähigkeit, Angina pectoris, Nykturie, Ödeme, Dyspnoe, Orthopnoe, häufig Husten, Auswurf 18 II Behandlung von Migranten in der Praxis 5. Anamnese und Untersuchung Gastrointestinal Appetit, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Diarrhoe, Stuhlbeimengungen Urogenital Miktionsbeschwerden, Miktionsverhalten, Nykturie, Farbveränderungen des Urins, Fragen zur Periode Skelettsystem Arthralgien, Gelenkschwellungen, Bewegungseinschränkungen Neurologisch Bewußtlosigkeit, Schwindel, Kräfteverlust, Gefühlsstörungen Haut Jucken, Ausschlag, Verfärbungen, Temperaturveränderungen Allergien Medikamente, Pollen Gewerbegifte Berufs- und Freizeitexposition Genußmittelanamnese Alkohol?, Nikotin?, Drogen? 19 II Behandlung von Migranten in der Praxis II von Migranten in der Praxis 5. Behandlung Anamnese und Untersuchung 5. Anamnese und Untersuchung Viele Migranten, die nicht zwangsweise ihre Heimat verlassen mussten, reisen, wenn möglich, Viele Migranten, die nichtum zwangsweise ihreFamilien Heimat verlassen mussten, reisen,inwenn möglich, häufig in ihr Heimatland, Verwandte und zu besuchen. Dies sollte der Anamnese häufig in ihr Heimatland, Verwandte und Familien zu besuchen. Dies sollte in der Anamnese abgefragt werden, um dasum Risiko neu mitgebrachter Krankheiten auszuschließen. abgefragt werden, um das Risiko neu mitgebrachter Krankheiten auszuschließen. Wie wichtig eine sinnvolle Anamnese ist, um Fehldiagnostik und Fehltherapien zu vermeiden, Wie wichtig eine sinnvolle Anamnese ist, um Fehldiagnostik und Fehltherapien zu vermeiden, zeigt die Information des Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover. Danach nehmen Migranten zeigt Information des der Ethno-Medizinischen Zentrums Hannover. Danach ca. nehmen Migranten – alsodie rund 10% Prozent Gesamtbevölkerung Deutschlands – immerhin 30 Prozent aller – also rund 10%Magen-Darm-Medikamente Prozent der Gesamtbevölkerung verschriebenen ein!!! Deutschlands – immerhin ca. 30 Prozent aller verschriebenen Magen-Darm-Medikamente ein!!! Untersuchung Untersuchung Unter dieser Überschrift werden hier keine medizinischen Empfehlungen gegeben, sondern Unter zum dieser Überschrift werden hier keine Empfehlungen Tipps Umgang mit Migranten vor und beimedizinischen Untersuchungen. Ausgedehnte gegeben, Hinweise sondern zur UnTipps zum Umgang mit Migranten vorfinden und bei tersuchung von Mädchen und Frauen SieUntersuchungen. auf Seite 26. Ausgedehnte Hinweise zur Untersuchung von Mädchen und Frauen finden Sie auf Seite 26. Dr. Melek Karagöz-Perst aus der Cnopf’sche Kinderklinik (http://www.asbh-stiftung.de/ MelekKaragöz-Perst Karagöz-Perst der Cnopf’sche Kinderklinik Dr. Melek aus aus der Cnopf’sche Kinderklinik in Nürndownloads/karagoez-perst-tuerkische-patienten.pdf) hat (http://www.asbh-stiftung.de) wichtige(http://www.asbh-stiftung.de/ Hinweise zur Untersuchung downloads/karagoez-perst-tuerkische-patienten.pdf) hat wichtige Untersuchung und Behandlung türkischen Patienten zusammengetragen, die Hinweise Ärzten undzur Helferinnen helberg hat wichtigevon Hinweise zur Untersuchung und Behandlung von türkischen Patienten zusamund können, Behandlung türkischen Patientenhelfen zusammengetragen, die Ärzten und Helferinnen helfen ihre Patienten verstehen. Wir zitieren denPatienten nächsten teilweise damengetragen, die von Ärzten undzu Helferinnen können,inihre zuAbsätzen verstehen. Wir zitieren fenden können, ihreAbsätzen Patienten zu verstehen. raus. in nächsten teilweise daraus.Wir zitieren in den nächsten Absätzen teilweise daraus. Männliche Migranten gehen noch wesentlich seltener zum Arzt als weibliche Migrantinnen und Männliche Migranten noch wesentlich zumÄhnlich Arzt alswie weibliche Migrantinnen und einige waren in ihrem gehen Herkunftsland noch nieseltener beim Arzt. die Migrantinnen suchen einige warenprimär in ihrem Herkunftsland noch nie beim Arzt. Ähnlich wie die Migrantinnen suchen die Männer einen gleichgeschlechtlichen – also männlichen – Arzt auf. Die Vorstellung, diedie Männer einenUrologin gleichgeschlechtlichen also männlichen – Arztmacht auf. Die Vorstellung, in Praxisprimär z. B. einer oder Radiologin–überwiesen zu werden, ihnen arge Proin die Praxis z. B. einer Urologin oder Radiologin überwiesen zu werden, macht ihnen arge Probleme. bleme. Auch Männer haben im Islam körperliche Tabubereiche. Diese sind aber wesentlich geringer als Auch Männer haben im Islam körperliche Tabubereiche. Diese und sindKnie. aber wesentlich als bei Frauen: Streng genommen nur der Bereich zwischen Nabel Diese Regelgeringer wird auch bei Frauen: Streng genommen nursind. der Bereich zwischen Nabel und Knie. Diese Regel wird auch befolgt, wenn Männer unter sich befolgt, wenn Männer unter sich sind. Diese Schamhaftigkeit sollte in der Praxis beachtet werden. Bevor der Arzt zu einer UntersuDiese Schamhaftigkeit sollte in der Praxis beachtet werden.Patient Bevor mit der einer Arzt zu einerzugedeckt Untersuchungen kommt z. B. Sonographie, sollte der ausgezogene Decke chungenund kommt z. B. Sonographie, der ausgezogene werden dies möglichst nicht von sollte der jüngsten Helferin. Patient mit einer Decke zugedeckt werden und dies möglichst nicht von der jüngsten Helferin. Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist z. B. in der Türkei miteinander vertrauter. Der Hausarzt erkunDas Arzt-Patienten-Verhältnis ist z. B. inder derweiteren Türkei miteinander vertrauter. Der Hausarzt Gesten erkundigt sich stets auch nach dem Befinden Familienangehörigen. Körperliche digt Seiten sich stets nach dem Befinden weiteren Körperliche Gesten von desauch Arztes sind in der Türkeider häufig. Auf Familienangehörigen. der gefühlsmäßigen Ebene sind türkische von Seitenoftdes Arzteszusind in der Türkei der gefühlsmäßigen EbeneArt, sind türkische Patienten leichter erreichen, als auf häufig. der reinAuf Sachlichen und so wird diese wie hierzuPatienten oft leichter zu unzureichend erreichen, als empfunden. auf der rein Sachlichen und so wird diese Art, wie hierzulande üblich, häufig als lande üblich, häufig als unzureichend empfunden. Auch bei der Behandlung von Kindern kann es zu Problemen kommen. Kommt eine türkische Auch beimit dereinem Behandlung von Kindern es zu Problemen kommen. Kommt Familie hochfiebrigen Kind inkann die Sprechstunde, so sucht der Arzt nacheine der türkische GrunderFamilie mitder einem hochfiebrigen Kind die Sprechstunde, so sucht der Arztein nach der Grunderkrankung, Ursache des Fiebers. DieinEltern erwarten jedoch nur schnell fiebersenkendes krankung, der das Ursache des Fiebers. Eltern erwarten jedoch nur schnell einder fiebersenkendes Mittel, da sie Symptom für die Die eigentliche Krankheit halten. Für sie gilt Arzt als unsiMittel,wenn da sie Symptom für die eigentliche Krankheit Für sie giltund derAufklärung Arzt als unsicher, er das weitere Untersuchungen durchführt. Hier isthalten. Kommunikation ercher, wenn er weitere Untersuchungen durchführt. Hier ist Kommunikation und Aufklärung erforderlich. forderlich. Viele Migranten kommen in die Sprechstunde mit mehreren Angehörigen oder Freunden. Vielegibt Migranten in etwas die Sprechstunde mitoftmals mehreren Angehörigen oder dabei. Freunden. Dies ihnen in kommen der Fremde Sicherheit und ist auch ein Übersetzer Dies gibt in der Fremde Sicherheit und oftmalsPatienten ist auch ein Übersetzer Sollte derihnen Familienvater dabeietwas sein, ist es bei islamischen sinnvoll, zuerstdabei. den Vater Sollte der Familienvater sein, ist es bei islamischen Patienten sinnvoll, zuerst den Vater als Familienoberhaupt zudabei begrüßen. als Familienoberhaupt zuAngehörigen begrüßen. bei Untersuchungen, wenn es der Patient/die Patientin genereller Einbezug von genereller Einbezug vonbei Angehörigen bei Untersuchungen, Patient/die Patientin wünscht. Der Vater ist der Untersuchung von Töchternwenn oder es derder Ehefrau grundsätzlich wünscht. Der ist meist bei der Untersuchung von Töchtern oder der Ehefrau grundsätzlich nicht dabei. ErVater verlässt freiwillig den Raum. nicht dabei. ErDritter verlässt meist den Raum. Anwesenheit z. B. bei freiwillig Untersuchungen von minderjährigen Kindern Anwesenheit Dritter z. B. beiPatientinnen Untersuchungen von minderjährigen Kindern auf Wunsch von weiblichen Anwesenheit Dritter bei der Untersuchung auf Wunsch von weiblichen Patientinnen Anwesenheit Dritter bei der Untersuchung 20 20 II Behandlung von Migranten in der Praxis 5. Anamnese und Untersuchung Nach der Untersuchung folgt die Diagnose und dann die Therapie. Hier sind verständliche Informationen für den Patienten unbedingt erforderlich: Beratung zu den verordneten Medikamenten und ihren unterschiedlichen Darreichungsformen Beratung zu Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente Beratung zum Erreichen einer guten Compliance Hinweise zu einer Mitwirkung des Patienten an seiner Genesung. Gute Verständigung erspart viel Diagnostik und Therapie Die Verständigungsprobleme führen in einigen Fällen zu einer ausgedehnten Diagnostik und zu einem Mehr an Verordnung von Medikamenten. Dolmetscherdienste könnten Kosten mindern! Was die Patienten erwarten... Für viele türkische Patienten gehört zu einer vernünftigen Diagnostik das Röntgen und eine Behandlung ohne verordnete Medikamente (Rezept muss sein!) wird nicht als gute Therapie gesehen. Nichtmedikamentöse Therapievorschläge werden kaum akzeptiert, denn Medikamente werden oft als „die Zaubermittel“ angesehen, die sicher gesund machen können. Verschreibt der Arzt kein Medikament, wechseln die Patienten oft schnell zum nächsten Doktor, um dort ein Medikament zu erhalten. Röntgen als „der Blick in den Körper“ wird als das beste Diagnosemittel angesehen, weil das Röntgen eben „alles sieht“. Psychische Erkrankungen Statistische Daten zu psychischen Erkrankungen von Migranten finden sich leider nur spärlich. Nach Kirkcaldy et al. (Migration und Gesundheit. Psychosoziale Determinaten – in Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 49 (9) S. 873–883) ... „können eine Reihe psychischer Störungen in Verbindung mit Migration auftreten. Dazu zählen Depressionen, psychosomatische Beschwerden, Somatisierung und posttraumatische Belastung. Gründe für ein vermehrtes Auftreten können sein: Migration als kritisches Lebensereignis, das die bis dahin erworbenen Anpassungsfähigkeiten, Bewältigungs- und Problemlösungsstrategien überlasten kann Stress durch die risikoreiche Reise in das Zielland, der sich u. a. in Angstzuständen oder depressiven oder dissoziativen Symptomen äußern kann Stress durch Entwurzelung, Trennung von Familie, Partner und traditionellen Werten Stress durch den Akkulturationsprozess (Unsicherheiten hinsichtlich der Lebensbedingungen, Wohnverhältnisse, Stigmatisierung etc.) Stress durch besondere wirtschaftliche und berufliche Belastungen Stress durch soziale Isolation (demgegenüber stellen daher Familien- und Freundesnetzwerke eine wichtige Ressource zur Bewältigung des Stresses dar) Stress durch Störungen des Eltern-Kind-Verhältnisses, wenn die Aufrechterhaltung kultureller Traditionen „erzwungen“ wird...“ Die entsprechende Diagnostik sollte nicht vergessen werden. 21 II Behandlung von Migranten in der Praxis 6. Der „fremdländische“ Schmerz 6. Der „fremdländische“ Schmerz Nach der aktuellen Definition der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes ist Schmerz ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktuellen oder potenziellen Gewebsschädigungen verbunden ist oder mit dem Begriff einer solchen Schädigung beschrieben wird. Nicht nur Männer und Frauen empfinden Schmerzen unterschiedlich stark, sondern auch Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Die wesentlichen Folgen aus dieser Definition sind: Schmerzen müssen nicht mit Gewebsschädigungen verbunden sein Schmerzen sind immer eine Kombination aus sensorischen (Sinnes-) und emotionalen (Gefühls-)Faktoren Schmerzen, die ein Patient äußert, sind real, ein Warnsignal des Körpers und müssen ernst genommen und abgeklärt werden, auch wenn es aktuell keine oder keine schlüssigen objektivierbaren somatischen Pathologien gibt. Männer und Frauen empfinden den Schmerz unterschiedlich stark. Frauen haben eine niedrigere Schmerzschwelle als Männer, aber eine höhere Toleranzschwelle. Nach Prof. Kati Thieme (Schmerzforscherin der Universität Marburg) bedeutet dies, dass Männer Schmerzen erst später spüren, ihn aber nicht so lange und intensiv aushalten können. Auch Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen unterscheiden sich in der Schmerzempfindung und -äußerung deutlich. Jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen, einzigartigen Schmerz und geht auch damit sehr individuell um! Ärzte, die Migranten behandeln, müssen sich auf die sehr individuellen Äußerungen und die Bewältigungen von Schmerzen ihrer fremdländischen Patienten einstellen. Die Autoren haben in dieser kleinen Broschüre zahlreiche Beispiele aufgeführt und geben für Ärzte, die das Thema: Kulturelle Perspektiven von Schmerz vertiefen möchten, im Teil Internetund Literaturhinweise zahlreiche Hinweise. Schmerzäußerung von A–Z Nordeuropäer und Nordamerikaner suchen bei Schmerzen in der Regel einen Arzt auf (rationelle Schmerzbewältigung). Iren ziehen sich sich zurück, denn es ist in Irland unfein, Schmerzen nach außen zu äußern (willentliche Schmerzbewältigung). Streng gläubige Juden halten Schmerz für ein Zeichen Gottes und erdulden den Schmerz (religiöse Schmerzbewältigung). Menschen aus stark familienorientierten Gesellschaften z. B. aus den Mittelmeerstaaten und Afrika vertrauen sich – lange bevor sie einen Arzt aufsuchen – erst einmal ihrer Familie an und hoffen hier auf Hilfe. Diese Menschen äußern Schmerzen intensiver und emotionaler und lauter, damit die Familie Anteil nimmt. Dabei haben sie keineswegs etwa eine niedrigere Schmerztoleranz, sondern nur eine andere Art, den Schmerz auszudrücken (familiäre Schmerzbewältigung). Philippinos fügen sich fatalistisch in ihren Schmerz. Organchiffren: Islamische Patienten beschreiben ihre Beschwerden oft in Organchiffren, die – da bei uns unbekannt – missverstanden werden. Insbesondere Leber und Lunge haben, in Redewendungen eingebettet, eine sehr vielseitige Bedeutung im Sinne von Trauer, Krankheit und Schmerzen. Auch die Vorstellung, dass Organe fallen, das heißt, nicht mehr an der richtigen Stelle sitzen, ist bis heute als volksmedizinische Überlieferung erhalten: Cigerlerim döküldü – meine Leber fällt, oder mide düsmesi – der Magen fällt 22 II Behandlung von Migranten in der Praxis 6. Der „fremdländische“ Schmerz Hinter dem „Fallen von Organen“ steckt die Vorstellung, dass Beschwerden deshalb auftreten, weil ein Organ nicht mehr an der richtigen Stelle sitzt, die Ordnung, die Balance im Körper nicht mehr stimmt. Ein Migrationshintergrund in der Anamnese eines Patienten kann zu einem anderen Krankheitsverständnis führen. Klagt ein türkischer Patient, – Ich habe meinen Kopf erkältet! – Dann will er damit sagen: Ich bin durchgedreht, ich habe ein psychisches Problem. – Meine Gallenblase ist geplatz! – Dann will er damit sagen: Ich habe mich erschrocken, ich hatte Angst. Er weist damit auf ein psychisches Problem hin. Ganzkörper-Syndrome: Wenn der Patient als Ort der Schmerzen: Magen sagt, kann es tatsächlich der Magen sein, es kann aber auch die gesamte Region des Abdomen sein. Es empfiehlt sich dann den Patienten zeigen zu lassen, wo genau der Schmerz sitzt. Einige Beschwerden sind typisch für Italiener und Türken. Hierfür gibt es spezielle Namen: Mamma mia Syndrom: Das Mamma mia Syndrom findet sich bei Italienern mit starken Schmerzen. Sie schreien, weinen, rufen nach der Mamma und wälzen sich manchmal theatralisch auf dem Boden vor Schmerzen. Mittelmeer-Syndrom – Türkenbauch: Mit diesen Begriffen wird eine Symptomatik bezeichnet, die sich auf das Schmerzerleben und Schmerzverhalten der Patienten bezieht. Neben einem sehr starken Schmerzausdruck und oft lauten Krankheitsäußerungen steht vor allem die Schmerzausbreitung über den gesamten Körper bzw. eine diffuse Symptompräsentation im Blickpunkt der Symptomatik. Diese Art der Schmerzausbreitung nennen Mediziner „Ganzkörper-Schmerz“ oder „Ganzkörper-Syndrom“. Ein „Ganzkörper-Schmerz“ ist in den meisten Fällen eine chron. Schmerzstörung und keineswegs eine kulturelle Besonderheit. Patienten aus zahlreichen fremdländischen Kulturen überfordern einen deutschen Arzt auf seine typische Frage: Wo haben Sie Schmerzen? mit ihrer Antwort: Mir tut alles weh, überall habe ich Schmerzen. Ich bin krank! Erst weitere Fragen bringen den Arzt hier langsam zum Schmerzpunkt/-areal. Das Mittelmeer-Syndrom findet sich häufig bei türkischen Frauen. Die Patientin kommt in die Praxis und sagt: „alles kaputt“ und zeigt auf ihren Bauch, denn meistens werden die Beschwerden in den Bauch projiziert. Bei einer genaueren Anamnese lässt sich keine spezifische Organerkrankung feststellen. Auch endoskopische Untersuchungen und Labor bringen keine Lösung. Dieses Krankheitsbild darf nicht verwechselt werden mit dem familiären Mittelmeerfieber, speziell der hereditären Polyserositis, als Spätfolge kann es zu einer Amyloidose kommen. Diese Patienten werden häufig einer Abdomenoperation unterzogen, da sie starke Schmerzen im Abdomen angeben. Bei der Laparotomie kann aber kein pathologischer Befund festgestellt werden kann. Die Krankheit kommt vor bei Juden und im gesamten Vorderen Orient. Sie darf nicht verwechselt werden mit einer Brucellose oder Rickettziose. Die Erkrankung kann jetzt durch molekulare genetische Untersuchungen festgestellt werden. Sie wird rezessiv autosomal vererbt und kommt gehäuft in einigen Familien vor. Diese genetischen Untersuchungen können z. B. im Tropeninstitut Hamburg erfolgen. Auch Afrikaner klagen häufig über einen Ganzkörper-Schmerz, für den sich keine Ursache finden lässt. Manchmal sind es auch nur starke Kopfschmerzen, den die Patienten als einen Schmerz mit einer Bewegung unter der Kopfhaut wie bei einem Wurm beschreiben. Für eine Parasitose findet sich aber kein Anhalt. Auch kommen keine Parasiten in der Kopfhaut vor. Es handelt sich hier um ein psychosomatisches Syndrom. Frauen mit Rückenschmerzen ohne radiologischen Befund leiden nach mehreren Studien häufig an Depressionen. 23 II Behandlung von Migranten in der Praxis 7. Behandlung von Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen Nicht vergessen werden darf, dass psychosoziale Einflüsse schmerzverstärkend und chronifizierend wirken können. Die vermehrte Zuwendung bei Schmerzverhalten ist ein sekundärer Krankheitsgewinn (J. Lalouschek). 7. Behandlung von Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen Alle Frauen, besonders aber Musliminnen legen großen Wert auf eine abgegrenzte Intimsphäre. Streng religiöse Musliminnen zeigen nur Hände, Gesicht und Füße. Schon die Haare sind ein entsprechend erotisches Signal, deren Anblick nur dem Ehemann und bestenfalls noch der direkten Familie und anderen Frauen gegenüber gestattet ist. Die Bedeckung der Haare durch ein Tuch wird aber von den Frauen selbst auch als Schutz vor begehrlichen Blicken verstanden. Frauen, die diese religiöse Vorschrift hinterfragen, benehmen sich meist in der Kleidung nicht mehr so „schamhaft“, schon um sich nicht von ihren deutschen oder europäischen Freundinnen zu unterscheiden. Fehlende sexuelle Aufklärung Das Wissen junger Migrantinnen über die einfachen Funktionen des eigenen Körpers sind oft sehr gering oder sogar fehlerhaft. Fallbeispiel: Wenn ich meine Periode nicht jede Monat habe. Das heißt einen Monat habe ich die und den anderen nicht, ist das normal und warum passiert das? Warum tun meine Brüste weh und mein Unterleib? (Quelle: CK) Noch größer sind Lücken bei der Kenntnis über Sexualität und speziell Verhütung. Ausländische Teenager haben in der Regel fast alles, was sie über Sexualität wissen, von ihren Klassenkameraden, aus dem Schulunterricht, aus Zeitschriften (z. B. BRAVO – Dr. Sommer; auch im Netz: http://www.bravo.de/dr-sommer), Büchern und dem Internet. Fallbeispiel: Eine junge Türkin kommt in die Praxis. Diagnose: Schwangerschaft. Glaubhaft erklärt sie, noch nie mit ihrem Freund geschlafen zu haben. Bei der Untersuchung war das Jungfernhäutchen auch unversehrt. Des Rätsels Lösung: Beim Petting mit dem Freund hatte dieser an der Scheide seiner Freundin ejakuliert und die Spermien hatten auch ohne Geschlechtsverkehr den Weg bis zum Eileiter der jungen Patientin gefunden. Die Ärztin rät – trotz der Seltenheit dieses Falles – ihren Patientinnen grundsätzlich, beim Petting ein Kondom zu verwenden! Quelle: Modifiziert n. einem Artikel: in Berliner Zeitung (1999) – Dr. Ute Kling-Mondon In den Familien der Zuwanderer wird lt. Boos Nüning und Karakasoglu sowie Klapp unterschiedlich häufig (wenig) über Sexualität gesprochen – abhängig vom Herkunftsland: Italiener Griechen/Jugoslawen Türken 62% 33% 8% Sexuelle Aufklärung ist in den meisten türkischen Familien aus Scham nicht üblich und der Respekt vor den Älteren lässt die Jüngeren gar nicht erst fragen. 24 II Behandlung von Migranten in der Praxis 7. Behandlung von Frauen und Mädchen aus anderen Kulturkreisen Fallbeispiel: Ayse, 14 Jahre Die 14-Jährige kommt nachmittags mit ihrer Freundin in die Mädchensprechstunde. Drei Wochen zuvor war sie zu einem Projekttag mit der Klasse in der Praxis und hat sich deshalb getraut zu kommen. Sie habe mit ihrem kleinen Bruder (6 Jahre) im Bett gekuschelt, der habe auch schon öfter nachts, wenn er schlecht geträumt hatte, bei ihr im Bett gelegen, und nun ist sie nicht sicher, ob sie davon schwanger werden könnte.(Quelle: CK) Oft melden auch Nachbarn, wenn sich junge Mädchen mit Jungen auf der Straße zeigen – die Familie muss bei entsprechend konservativer Haltung darauf bedacht sein, dass die weiblichen Mitglieder, die die Träger der „Ehre“ sind, keinerlei Anlass zu „Verdacht“ geben: Fallbeispiel: Serpil, 16 Jahre Die 16-jährige Serpil wird von ihrer Mutter gebracht, weil sie von Nachbarn gesehen wurde, wie sie am Nachmittag mit Jungen auf der Straße stand. Die Mutter fürchtet, dass sie Sex hatte und verlangt die Untersuchung des Hymen. Die türkische Arzthelferin ist bei der Untersuchung dabei und berichtet der Familie nachher genau, wie die Ärztin bei Serpil mit dem Wattestäbchen entlang dem „offenbar“ (selbstverständlich) unverletzten Hymen fuhr. (Quelle:Kling-Mondon) Die Ablehnung einer solchen Untersuchung, wie es manche Gynäkologen tun, um das System nicht zu unterstützen, kann dazu führen, dass ein solches Mädchen jemandem als Untersucher in die Hände fällt, der einen solchen Befund nicht oder falsch interpretiert Auch in scheinbar gut integrierten Familien kommen manchmal „alte Muster“ zum Tragen: Fallbeispiel: Arzu, 16 Jahre Die in Deutschland geborene Türkin mit verheimlichter Schwangerschaft nach Vergewaltigung kommt im 6. Monat nach Suizidversuch erstmals zum Facharzt. Mutter und Tochter sind in Todesangst vor dem Vater bzw. Bruder, erwarten von der Klinik 3 Wochen später die sofortige Sectio und Freigabe zur Adoption. Das Mädchen sieht deutlich schwanger aus, doch der Vater scheint bis zur ihm verheimlichten Geburt in der 35. SSW (Sectio bei IUGR) mit der Vorstellung eines „Tumors“, der dann operiert werden musste, zufrieden zu sein. Offenbar musste er nicht handeln, solange er nichts merken musste. Das Kind wurde zur Adoption freigegeben. Eine längere ambulante Psychotherapie konnte das Mädchen auffangen und stabilisieren. (Quelle: CK) Verhütung ist manchmal schwer zu praktizieren – vielleicht wäre hier eine der neuen kleinen IUDs (Intrauterinpessare) von Vorteil: Fallbeispiel: Hatice, 17 Jahre Die 17-jährige Hatice hat heimlich einen (deutschen) Freund, mit dem sie auch schlafen möchte. Sie braucht sichere Verhütung und will die Pille. Die kann sie allerdings nicht mit nach Hause nehmen, weil der Vater u. a. alle Taschen kontrolliert. Sie hat vor, die Pille beim Freund zu „deponieren“. (Quelle: CK) Anamnese und Untersuchung Verständigung: Wenn die Fremdsprache(n) der Patientin geklärt ist, in der ein problemloses Gespräch möglich ist, kann ggf.eine entsprechende Dolmetscherin herangezogen werden kann. Als Dolmetscher scheiden meist männliche Übersetzer, aber auch Personen aus dem familiären (Kinder, Ehemann, Schwiegereltern), Freundes- oder Bekanntenkreis (Arbeitskolleginnen) in 25 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung der Regel aus wegen der sehr intimen und individuellen Erzählungen der Patientin. Dies wäre nur nach Rücksprache und auf Wunsch der Patientin möglich. Die Hinweise auf Fragenkataloge drucken wir ab, damit die Fragen mit einer Dolmetscherin/ Übersetzungshelferin durchgesprochen werden. Es ist sinnvoll, auch diese Fragen mit den Übersetzungen in die Fremdsprachen, die die Patienten betreffen, schriftlich (mit den Spalten DEUTSCH – FREMDSPRACHE) im Praxiscomputer zu speichern: Fragen an die Patientin im Rahmen eines ersten Kontaktgespräches nach dem Herkunftsland, nach der Religionszugehörigkeit nach Vorerkrankungen Für Fragen nach dem Grund der Migration und ggf. nach der sozialen Situation im Herkunftsland und jetzt hier in Deutschland ist oft nicht die Zeit vorhanden und es muss bedacht werden, dass diese Fragen auch als diskriminierend empfunden werden können. Im Rahmen der Anamnese sind weitere Angaben wichtig Alter bei der ersten Menstruation Regelmäßige Periode? – Zeitlicher Abstand zwischen den Blutungen? Dauer der Blutung in Tagen Gab es in letzter Zeit Veränderungen, die Sie bemerkten? Haben Sie gelegentlich Blutungen zwischen den Menstruationen? Haben Sie Blutungen bei oder im Anschluss an Geschlechtsverkehr? Schmerzen oder Krämpfe während der Periode? Wann war Ihre letzte Menstruation? Rat an die Patientin: in einen Jahreskalender jede Periode mit Blutungsdauer einzutragen.) Haben Sie regelmäßig Geschlechtsverkehr? Schmerzen beim Verkehr? Benutzen Sie Mittel zur Empfängnisverhütung? – Welche? Wie lange schon? Sind Sie mit dem Mittel zufrieden? Haben Sie auch andere Mittel schon mal benutzt? Bestand schon eine Schwangerschaft? – Wie war der Verlauf? Wie war der Geburtsverlauf? Gab es bei Ihnen eine Fehlgeburt? Wurden Sie schon einmal wegen einer Geschlechtskrankheit behandelt? – Wann? Mit welchen Medikamenten? Wurden Sie gynäkologisch operiert? Warum? Wurden Sie bestrahlt? – Warum, in welchem Bereich? (modifiziert nach der Broschüre der International Health Foundation: Beim Frauenarzt) 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung Man rechnet weltweit mit ca. 150 Millionen Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung betroffen sind – in Europa etwa 500.000. Die meisten Fälle finden sich in etwa 30 Ländern Afrikas, ferner in einigen Ländern Asiens und des Nahen Ostens. Nach einer Übersicht der Organisation Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen (http://www.intact-ev.de/) findet sich die Prävalenz weiblicher Genitalverstümmelung u. a. am häufigsten in Somalia, Guinea, Sierra Leone, Djibuti, Ägypten, Sudan, Eritrea, Mali, Äthiopien, Gambia, Burkina Faso, Mauretanien. Die Ergebnisse stammen aus einer wissenschaftlichen Studie und beziehen sich meist auf die Altersspanne zwischen 15 und 59 Jahren. 26 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung Die Weltgesundheitsorganisation, UNICEF und UNFPA unterscheiden vier Formen der weiblichen Genitalverstümmelung: Typ I: Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und/oder Klitorisvorhaut (Klitoridektomie) Typ II: Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und der kleinen Schamlippen, mit oder ohne Entfernung der großen Schamlippe (Exzision) Typ III: Verengung der vaginalen Öffnung mit Herstellung eines bedeckenden, narbigen Hautverschlusses durch das Entfernen und Zusammenheften oder -nähen der kleinen und/oder großen Schamlippen, mit oder ohne Entfernen der Klitoris (Infibulation) Typ IV: Alle anderen Eingriffe, die die weiblichen Genitalien verletzen und keinem medizinischen Zwecke dienen, z. B.: Einstechen, Durchbohren, Einschneiden, Ausschaben und Ausbrennen oder Verätzen Die Langzeitfolgen eines solchen Eingriffs, der ohne Anästhesie und mit unsterilen und oft rostigen Werkzeugen meist bei Mädchen im Alter von 4–14 Jahren in brutaler Weise vorgenommen wird, sind beträchtlich: Gynäkologische und Harnwegsinfektionen, ausgeprägte Schmerzen, Schlafstörungen, Probleme im Alltag, sexuelle Probleme und Zerreißungen von Gewebe bei der Geburt bei in Europa lebenden Frauen zeigt eine französische Studie. Durch Migration ist die weibliche Genitalverstümmelung heute auch in den meisten Zuwanderungsländern ein Problem. So leben nach neuesten Schätzungen 30.000 betroffene Mädchen und Frauen allein in Deutschland. Im Rahmen einer Anamnese einer Patientin aus Afrika erscheint also die Frage nach Beschneidung von Bedeutung. Das Thema ist in Deutschland also bekannt und Organisationen versuchen, es in den entsprechenden Ländern vor Ort anzusprechen. ratiopharm unterstützte eine Aktion der WHO gegen Beschneidung Vor einigen Jahren wurden im Rahmen einer von ratiopharm finanziell unterstützten Aktion der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gespräche über die gravierenden bis tödlichen, immer aber verstümmelnden Folgeschäden der Beschneidungen direkt vor Ort in den afrikanischen Ländern mit den leitenden Stammesältesten geführt. Mit diesem Projekt Tostan („Durchbruch“) ging Unicef im Senegal mit Unterstützung von ratiopharm gegen die Beschneidung, begleitet durch die prominente Schauspielerin und Unicef-Botschafterin Katja Riemann, vor. Vor allem durch Aufklärung im Schulunterricht sollen die erzielten Erfolge gegen die Beschneidung auch langfristig gesichert werden. „Wichtig ist, dass das Verbot der Beschneidung auch von der Bevölkerung gelebt wird, deshalb ist Tostan weiterhin auf Unterstützung angewiesen“, sagte Katja Riemann Behandlung beschnittener Patientinnen in der Praxis Für den Arzt gibt es Empfehlungen der Bundessärztekammer (BÄK) – s. Strafrechtliche Aspekte – zum sensiblen Umgang mit diesen Patientinnen. Manchmal werden Beschneidungen in Krankenhäusern wie eine exotische Krankheit angesehen und die Patientinnen wenig sensibel behandelt. Da in der Regel eine Genitalverstümmelung immer starke körperliche und seelische Traumata auslöst und auch immer zu Distanz und Vertrauensverlust zu Bezugspersonen und nicht selten eben auch Ärzten und Pflegepersonal führt, ist nicht nur eine ärztliche, sondern eine psychosoziale Betreuung z. B. durch Kontaktherstellung zu unterstützenden Organisationen (Terre des Femmes, Pro Familia etc.) erforderlich. 27 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung Anamnese: Die ärztliche Beratung setzt Kenntnis und interkulturelles Verständnis voraus. Möglicher Gesprächseinstieg: „Als Arzt/Ärztin weiß ich, dass viele Frauen und Mädchen aus (afrikanischen, asiatischen) Ländern als Kinder beschnitten werden. Gab es bei Ihnen solche Eingriffe im Bereich der Vulva?“ Bei Frauenärzt/innen kann dies noch eingeleitet werden durch den Zusatz „Um bei der Untersuchung besonders behutsam sein zu können, frage ich: ...“ Dabei sollte der Begriff „Beschneidung“ Verwendung finden und keinesfalls Begriffe wie „Verstümmelung“ oder „Genitalverstümmelung“. Einfühlsam sollte weiter erkundet werden (Gespräch: Arzt-Patienten-ggf. Dolmetscherin), warum die Patientin die Praxis aufsucht – (einige der folgenden Probleme kennt die Patientin eventuell gar nicht; dies muss sie dann nach der Untersuchung „vorsichtig“ erfahren) z. B. nach dem Alter der Patientin, als die Beschneidung durchgeführt wurde akute oder chronische Schmerzen Probleme beim Wasserlassen oder bei der Menstruation Infektionen im Genitalbereich kann der Geschlechtsverkehr (schmerzfrei) durchgeführt werden? besteht der Wunsch nach problemlosen/schmerzlosen Geschlechtsverkehr, ggf. auch durch operative Eingriffe Wunsch nach Schwangerschaft besteht eine Schwangerschaft und muss durch den durch die Beschneidung engen Scheidenausgang eine erweiternde Operation ausgeführt werden Falls die Patientin hierzu keine Auskunft geben möchte, sollte man dies respektieren. Möglicherweise setzen Verständnis und Gesprächsangebot, begleitet durch evtl. ausliegendes InfoMaterial über Anlaufstellen, einen Prozess in Gang, im Laufe dessen die Patientin sich später anvertrauen kann. Die gynäkologische Untersuchung sollte ggf. erst zu einem Folge-Termin durchgeführt werden, wenn ein Vertrauensverhältnis besteht, welches sich durch eine sensible Anamnese aufgebaut hat. Hier sollte die oft besonders ausgeprägte Scham bei Untersuchung durch männliche Ärzte, wo immer möglich, beachtet werden. Zur Zeit fehlt ein breiter Konsens bei Gynäkologen, wie solche Frauen behandelt werden sollten und wie man ihnen im Rahmen von Korrekturoperation helfen könnte. Nach einer Umfrage von Terre des Femmes, UNICEF und dem Berufsverband der Gynäkologen wünschen sich immerhin ca. 90% der Befragten im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen Informationen über „Beschneidung bei Frauen“. Akute und chronische Komplikationen als Folgen der Genitalverstümmelungen In ihren Ausführungen zum Thema weist die BÄK auf zahlreiche Komplikationen als Folgen der weiblichen Genitalverstümmelungen hin: 28 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung a) Akute Komplikationen Psychisches Akut-Trauma Infektion – Lokalinfektion – Abszessbildung – Allgemeininfektion – Septischer Schock – HIV-Infektion – Tetanus – Gangrän Probleme beim Wasserlassen – Urinretention – Ödem der Urethra – Dysurie Verletzung – Verletzung benachbarter Organe – Frakturen (Femur, Clavicula, Humerus) Blutung – Hämorrhagie – Schock – Anämie – Tod b) Chronische somatische Komplikationen Sexualität/Menstruation – Dyspareunie/Apareunie – Vaginalstenose – Infertilität/Sterilität – Dysmenorrhoe – Menorrhagie – Chronische Vaginitis, Endometritis, Adnexitis Probleme beim Wasserlassen – Rezidivierende Harnwegsinfektion – Prolongiertes Wasserlassen – Inkontinenz – Vaginalkristalle Komplikationen des Narbengewebes – Abszessbildung – Keloidbildung/Dermoidzysten/Neurinome – Hämatokolpos Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt – Vaginaluntersuchung erschwert – Katheterapplikation nicht möglich – Messung des fetalen Skalp-ph unmöglich – Austreibungsphase verlängert – Perinealrisse – Postpartale Hämorrhagie – Perineale Wundinfektion – Vesico-/rektovaginale Fistelbildung – Perinatale Mortalität erhöht Weitere Informationen gibt eine Broschüre (pdf) des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen“ (http://www.bmfsfj. de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,did=3590.html) Korrektur der Beschneidung – Öffnung der Infibulation (De-Infibulation) In Fällen, in denen Patientin den Wunsch nach einer Korrektur-Operation haben, aber auch bei Probleme oder Schmerzen beim Wasserlassen erschwertem (schmerzhafter) Geschlechtsverkehr Keloidbildung des Narbengewebes schwerer Dysmenorrhoe rezidivierenden Infektionen Einschlusszysten Geburt ist ein Eingriff medizinisch indiziert. Die Wahl der Anästhesie sollte mit der Patientin ausführlich besprochen werden, damit keine weitere Traumatisierung erfolgt. Präventionsgespräche in Deutschland erforderlich Wie notwendig auch in Deutschland Präventionsgespräche mit Migranten-Müttern von Töchtern zur Vermeidung einer Beschneidung sind, zeigen die Berichte von Gynäkologen an die Autoren. Nicht selten bringen afrikanische Mütter ihre Töchter aus Deutschland zurück in die Heimat, damit sie dort beschnitten werden, wie es in ihrer Kultur üblich ist. 29 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung Aufklärung der Patientinnen Zur Aufklärung der Patientinnen in der Praxis gibt es spezielle Flyer in verschiedenen Sprachen von der Organisation Terre des Femmes (http://www.terre-des-femmes-muenchen.de/). Unterstützung erhalten Betroffene von Genitalverstümmelung nach Mitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u. a. über das bundesweite Hilfstelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der kostenlosen Telefonnummer 08000–116 016. Neben den betroffenen Frauen können sich auch Angehörige, Freunde und Menschen aus dem sozialen Umfeld sowie Fachkräfte an das Hilfetelefon wenden. Das barrierefreie, anonyme und mehrsprachige Angebot steht rund um die Uhr zur Verfügung. Strafrechtliche Aspekte In Deutschland ist eine genitale Beschneidung oder Verstümmelung bei Mädchen und Frauen nach den Vorschriften zur Körperverletzung nach den Strafgesetzbuch §§ 223 ff. (StGB) strafbar. Wer eine Beschneidung/Verstümmelung weiblicher Genitalien vornimmt, an ihr teilnimmt oder zu ihr anstiftet macht sich zumindest einer Körperverletzung nach § 223 StGB strafbar. Da dabei in der Regel ein gefährliches Werkzeug, z. B. ein Messer, Skalpell zum Einsatz kommt, liegt meist der Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB vor. Hierbei handelt es sich um ein sog. Offizialdelikt; bei Vorliegen von Verdachtsmomenten muss daher von Amts wegen ermittelt werden. Seit Ende Sept. 2013 gilt zu diesen Vorschriften im StGB ein gesonderter Straftatbestand; nämlich § 226 a StGB – Verstümmelung weiblicher Genitalien: STGB § 226 a Verstümmelung weiblicher Genitalien (1) Wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Damit ist dieser Sachverhalt als Verbrechen qualifiziert worden. Wenn Eltern, die mit ihrer Tochter/ihren Töchtern in der Bundesrepublik leben und zum Zwecke einer Beschneidung ihrer minderjährigen Tochter in ihr Heimatland oder ein anderes Land mit Beschneidungsmöglichkeiten reisen, kann zusätzlich eine Strafbarkeit wegen Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB) vorliegen. Auch eine Einwilligung des Mädchens oder der Frau für die operative Behandlung ändert nichts an der Strafbarkeit. Denn eine derartige Einwilligung verstößt gegen die guten Sitten, vgl. dazu § 228 StGB. Dies gilt auch, wenn man sich auf religiöse Anschauungen beruft. Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit, § 4 Abs. 1 u. 2 GG, hat in solchen Fällen gegenüber dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. § 2 Abs. 2 GG, zurückzutreten. Ein Problem aber ist und wird bleiben, dass betroffene Mädchen sicher nicht ihre Eltern nach Rückkehr aus dem Heimatland hier in Deutschland anzeigen werden! Für behandelnde Ärzte sind dazu noch die Empfehlungen der BÄK zum Umgang mit Patientinnen nach einer Genitalverstümmelung von Bedeutung; Stand 25.11.2005, Ergänzung 18.01.2013: 30 II Behandlung von Migranten in der Praxis 8. Behandlung von Mädchen und Frauen nach Genitalbeschneidung Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung (female genital mutilation) (BÄK 25.11.2005) http://www.fgz.co.at/fileadmin/hochgeladene_dateien/bilder/themen/Gewalt/empfehlungen.pdf dazu ergänzt um Kapitel 10 Schweigepflichtentbindung durch Beschluss des Vorstandes der am 18.01.2013 http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Empfehlungen_Genitalverstuemmelungen_ 20135.pdf 10) Regelung zur Schweigepflichtsentbindung Gemäß Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) können Ärzte bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung eine Einschaltung des Jugendamtes auch ohne Schweigepflichtsentbindung veranlassen, wenn eine Erörterung der Situation mit den Personensorgeberechtigten nicht möglich ist oder erfolglos bleibt; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Unabhängig hiervon kann im Fall eines rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB[2] eine Einschaltung Dritter ohne Schweigepflichtsentbindung erfolgen. Wenn ein Arzt bei einer Behandlung eines Kindes Verletzungen feststellt, die den Verdacht einer Kindesmisshandlung rechtfertigen, ist der Arzt berechtigt, das Jugendamt sowie auch Ermittlungsbehörden zu informieren. Die Garantenpflicht des Arztes für die Gesundheit des Kindes ist höher zu bewerten als seine Schweigepflicht (KG Berlin, 27.06.2013, AZ: 20 U 19/12). 31 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 1. Krankheiten durch unsauberes Wasser und/oder durch unsaubere Nahrungsmittel Amöbiasis – Amöbenruhr III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Die folgende Aufstellung erläutert kurzgefasst häufige und auch seltenere Infektionskrankheiten, die von Migranten aus ihren Heimatländern, aber auch vereinzelt von Touristen nach Fernreisen in die Praxis des niedergelassenen Arztes mitgebracht werden. Viele Ärzte sind sehr unsicher bei der Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten aus fernen Ländern. Unsere Tabelle will Hilfen geben und bei Problemfällen den Rat: Bei unklarem Krankheitsbild nach Migration oder Fernreisen die Hilfe von Tropenmedizinern und ggf. Infektiologen einholen. Bei der Auflistung der einzelnen Infektionen steht wie bei allen Erkrankungen das Symptom oder Syndrom an erster Stelle. In Verbindung mit der Anamnese zum Herkunftsland/Reiseland der Patientin/des Patienten erleichtern die Angaben zum Vorkommen der Infektionen dem Arzt eine gezieltere Diagnostik und Diagnosefindung. Die Hinweise unter Prophylaxe wenden sich an Migranten, die ggf. immer mal wieder in ihre Heimatländer reisen, und auch Touristen. 1. Krankheiten durch unsauberes Wasser und/oder durch unsaubere Nahrungsmittel Amöbiasis – Amöbenruhr Symptome: Bei der mit 90% häufigsten Form durch die Entamoeba dispar kommt es nur zur Festsetzung der Protozoen im Darmlumen und meist nicht einmal zu Durchfällen. Auslöser schwerer Verläufe mit starken Bauchschmerzen, Tenesmen, Diarrhoen und Darmblutungen und von Abszessen ist in etwa 10% der Fälle die Entamoeba histolytica sensu stricto. Durch die Darmwand können die beweglichen Amöben in den Blutstrom gelangen und sich in der Leber festsetzen. Ein Leberabszess ist eine lebensgefährliche Erkrankung. Er beginnt plötzlich mit hohem Fieber, Schmerzen rechts am Rippenbogen und zunehmenden Krankheitsgefühl. Wird nicht rechtzeitig eine Therapie eingeleitet, kann es zur Perforation in die Bauchhöhle kommen und dies kann zum Tod führen. Eine weitere Komplikation ist ein toxisches Megacolon. Eine lokal begrenzte Form ist das Amöbom, eine tumorähnliche Entzündung im Colon. Weitere extraintestinale Amöbeninfektionen können vorkommen im Gehirn, im weiblichen Genitale, dem Perikard und in der Haut. Vorkommen: Die Amöbiasis/Amöbenruhr ist neben Malaria und Bilharziose (Schistosomiasis) eine der bedeutendsten Parasitosen in den tropischen und den subtropischen Regionen der Erde, an der ungefähr 50 Millionen Menschen im Jahr erkranken. In Deutschland spielt die Amöbiasis auch als eine importierte Reisekrankheit aus den beschriebenen Gebieten eine Rolle; dies ist insbesondere von Bedeutung, da der Amöbenleberabszeß eine lebensbedrohliche Erkrankung ist. Erreger: Unterschieden werden 2 Formen, die morphologisch nicht zu unterscheiden sind Entamoeba dispar, häufigste und harmloseste Form Entamoeba histolytica sensu stricto, Auslöser schwerer Krankheitsverläufe und der Abszesse. Nur der Mensch und einige Affenarten sind die natürlichen Wirte Übertragungsweg – Inkubationszeit: Fäkal-oral, Erreger in Wasser und Nahrungsmitteln (rohes Gemüse, ungeschältes Obst) oder kontaminierte Gegenstände. Auch durch Analverkehr. Aufgenommen werden die Zysten. Ein Amöbenabszess kann Jahre nach der Erstinfektion auftreten. Inkubationszeit: 1 bis 4 Wochen. 32 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Cholera 1. Krankheiten durch unsauberes Wasser und/oder durch unsaubere Nahrungsmittel Diagnostik: Mikroskopische Stuhl-Untersuchungen möglichst frisch – Antikörpernachweis im Blut gegen die Parasiten – eine Polymerasekettenreaktion (PCR) weist das genetische Material der Amöben (DNA) im Stuhl nach – Organbefall ggf. mittels Sonografie oder einer CT nachweisbar. Es empfiehlt sich, ggf. schon bei Verdacht auf eine Amöbenruhr den Patienten in einer tropenmedizinische Ambulanz oder Klinik vorzustellen, da nur dort alle Untersuchungsmethoden erfolgen können. Therapie: Gegen die vegetativen Formen von E. histolytika wirkt Metronidazol. Gegen die Amöbenzysten wirkt ein luminales Amöbizid wie Diloxanide. Der Amöben-Leberabszess ist ein medizinischer Notfall und muss immer in einer tropenmedizinische Klinik behandelt werden. Eine versuchte chirurgische Therapie kann das Ergebnis verschlimmern. Metronidazol kann als Kurzinfusion gegeben werden in Kombination mit Chloroquin. Große Amöbenzysten in der Leber können gezielt punktiert werden. In der Regel schrumpfen sie schnell unter der wirksamen Therapie. Noch vorhandene Zysten im Darm können mit Diloxanid Furoat behandelt werden. Prophylaxe: Besonders wichtig ist die Nahrungsmittelhygiene. Nur abgekochtes Wasser verwenden. Eine Impfung gibt es nicht. Shigellosenruhr Die Erkrankung ist meldepflichtig! Symptome: Akuter Beginn mit starken blutig schleimigen Durchfällen und Schmerzen beim Stuhlgang. Fieber ist häufig dabei und ein starkes Krankheitsgefühl. Als Komplikationen treten reaktive Arthritiden auf. Ein hämolytisch-urämisches Syndrom kann bei Kindern auftreten. Es kommt häufig zu kleinen Gruppeninfektionen. Vorkommen: Weltweit, aber gehäuft in warmen Klimazonen. Der Mensch ist das alleinige Erreger-Reservoir. Erreger: Shigellen, z. B. S. boydii, S.dyenteriae, S. flexneri, S.sonnei Übertragungsweg – Inkubationszeit: als Schmierinfektion fäkal-oral. Inkubationszeit: 1 – 7 Tage. Diagnostik: Nachweis der Erreger in Stuhlproben. Therapie: Die Therapie ist symptomatisch. Antibiotika nur bei sicherem Nachweis der Erreger. Ein Antibiogramm sollte erfolgen, da viele Keime in Entwicklungsländern Resistenzen zeigen. Rasch wirken TMZ, Chinolone, Ampicillin, Cephalosporine und Tetrazyklin. Prophylaxe: Hand-Hygiene, Trinkwasser aus verschlossenen Flaschen oder abgekochtes Wasser, Verzicht auf Salate, ungeschältes Obst und Gemüse, nur Gekochtes oder Gebratenes. Z.Zt. kein Impfstoff vorhanden. Cholera Die Erkrankung ist meldepflichtig! Hinweis: In einigen afrikanischen Ländern wird der Nachweis einer Choleraimpfung aus seuchenhygienischen Gründen gefordert. Die Angst vor dieser Seuche ist nicht mehr begründet. 33 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 1. Krankheiten durch unsauberes Wasser und/oder durch unsaubere Nahrungsmittel Gastroenteritis Symptome: Bedingt durch das Cholera Toxin kommt es zu starken wässrigen Stühlen, Erbrechen und einem Kreislaufzusammenbruch durch den großen Flüssigkeitsverlust. Fieber ist selten. Komplikationen sind Exsikkose und Nierenversagen. Vorkommen: Choleraerreger finden sich im Wasser. Im asiatischen Raum, in Afrika und Südamerika kommt die Cholera immer wieder vor. Haiti war vor dem Erdbeben 2010 frei von Cholera, die Infektion wurde eingeschleppt durch Ausländer, wahrscheinlich UNO-Soldaten aus Nepal, diese hatten Choleraerreger unbemerkt ausgeschieden. In Südamerika sind Infektionen durch infizierte Meerestiere eingeschleppt worden. Bei mangelnder Hygiene des Abwassers können Infektionen ausbrechen. Infektionen können nach Europa eingeschleppt werden durch Migranten und Reisende, die eine Infektion unbemerkt durchgemacht haben und noch Erreger im Stuhl ausscheiden. Erreger: Bakterien Vibrio cholerae Übertragungsweg – Inkubationszeit: oral durch kontaminiertes Trinkwasser und durch unsaubere Nahrung. Inkubationszeit: 12 Stunden bis 5Tage. Diagnostik: Mikroskopischer Nachweis von Cholera-Vibrionen im Stuhl und bakteriologisch Nachweis der Erreger. Therapie: Das Wichtigste bei der Therapie ist die Isolation der Erkrankten und rasche Flüssigkeitszufuhr.Wer noch trinken kann, soll eine orale Salzlösung trinken, ansonsten Infusionen von Salzlösungen. Die orale Salzlösung kann selbst hergestellt werden aus Salz und Zucker. Die Antibiotika Doxycyclin oder Cotrimoxazol führen nur zum Verschwinden der Erreger aus dem Stuhl und verkürzen die Dauer der Erkrankung. Prophylaxe: Der zu injizierende Impfstoff hat nur eine geringe Schutzwirkung, aber es gibt jetzt orale Impfstoffe. Zur Vorbeugung sollte eine orale Lösung wie Oralpädon oder Elotrans mitgenommen werden. Diese kann auch selbst aus abgekochtem Wasser, Kochsalz und Zucker hergestellt werden. Der Trank sollte nicht zu salzig sein. Gastroenteritis durch verschiedene Erreger Symptome des einfachen Durchfalls: starke Durchfälle, selten mit Blut und Erbrechen, selten Fieber. Dauer meist nur 1 Woche. Die folgenden Erkrankungen sind vom einfachen sog. Reisedurchfall zu trennen, der nach 7 Tagen vorbei ist. Eine bakterielle Gastroenteritis kann je nach Erreger einige Wochen anhalten. Lambliasis oder Giardiasis – siehe Seite 38 Yersinien-Infektionen Die Erkrankungen sind meldepflichtig! Symptome: Yersinia enterocolitica: Durchfall, Lymphadenitis mesenterica. Oft auch als Gastroenteritis. Oft folgt eine reaktive Arthritis, (bevorzugt bei HLA-B27-positiven Patienten), die Wochen bis Monate nach der Erstinfektion auftritt. Häufig bei Kleinkindern mit blutigen Diarrhoen, Fieber und Abdominalschmerzen. 34 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Ankylostomiasis Hakenwurminfektion 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser Yersinia pestis: Septische Verläufe sind möglich. Das klin. Bild ist oft einer Appendizitis ähnlich (häufig auch in der Sono Nachweis einer Raumforderung um die Appendix), daher erfolgt manchmal eine Appendektomie. Aus entfernten Lymphknoten dann die korrekte Diagnosestellung. Vorkommen: in kühlerem Klima, Yersinia pseudotuberculosis häufiger in Osteuropa und Russland, in Europa Yersinia enterocolitica. Die Pest – eine Zoonose bei Ratten – ist eine gefährliche Infektion, die weiterhin in Malaysia, Afrika und den USA vorkommt. Erreger: Yersiniosen sind bakterielle Infektionen durch Yersinia enterocolica Yersinia pseudotuberculosis Yersinia pestis (septisches Krankheitsbild) Yersinien sind nicht nur im körperwarmen Milieu lebensfähig, sondern auch bei Kühlschranktemperaturen (4–8 °C). Übertragungswege- Inkubationszeiten: Yersinia enterocolica und Yersinia pseudotuberculosis: verunreinigtes Wasser, Milch, Nahrungsmittel Yersinia pestis: Flohbiss, Inhalationen Inkubationszeit: von Infektion bis Manifestation der Yersiniose etwa 10 Tage. Diagnostik: Yersinia enterocolica und Yersinia pseudotuberculosis: Stuhlkultur Yersinia pestis: Aspiration aus Lymphknoten Die Pest ist eine gefährliche Infektion. Der Umgang mit Pesterregern ist hochgefährlich und erfordert ein Hochsicherheitslabor der Schutzstufe 3 (BSL 3) – (s. unter Literatur Riehm J.M. et al.). Kommt weiterhin vor in Asien. Sie ist eine Zoonose bei Ratten. Sie wird übertragen durch Flöhe. Die Beulenpest ist lokal begrenzt auf Lymphknoten. Die Lungenpest ist eine hochinfektiöse Pneumonie durch Yersinien. Sie kann von Mensch zu Mensch übertragen werden. Der Tod kann innerhalb von Stunden eintreten. Verdacht, Erkrankung und Tod sind meldepflichtig. Therapie: Yersinia enterocolica und Yersinia pseudotuberculosis: oft spontane Heilung; ggf. bei schweren Verläufen mit Sepsis, bei Verdacht Fluorchinolone und Cephalosporine, um mögliche Resistenzen abzudecken. Yersinia pestis: Doxycyclin, Streptomycin Prophylaxe: Yersinia enterocolica und Yersinia pseudotuberculosis: besondere Hygiene, abgekochtes Wasser Yersinia pestis: besondere Hygiene, abgekochtes Wasser, Rattenbekämpfung 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser Ankylostomiasis Hakenwurminfektion Symptome: Bei wiederholtem Kontakt mit den Würmern treten starkes Hautjucken, (aber nicht alle Menschen spüren das Eindringen über die Haut beim ersten Mal) und -entzündungen, Atemwegsbeschwerden, Oberbauchschmerzen auf und bei massivem Befall auch Gewichtsabnahme und eine hypochrome Anämie. Durch die blutsaugende Eigenschaft der Hakenwürmer kann der Blutverlust gravierend sein. 35 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser Lambliasis, Giardiasis Besonders wichtig ist eine schnelle Diagnostik bei VD der Erkrankung bei Kindern, da der Infekt bei Kindern zu Entwicklungstörungen führen kann. Eine Lungeninfiltration wird als Löffler Syndrom bezeichnet. Sie ist verbunden mit einer deutlichen Eosinophilie. Vorkommen: Es gibt 2 verschiedene Arten: Ancylostoma duodenale (Grubenwurm) vorwiegend in Nordafrika – Necator americanus: vor allem in Zentral- und Südamerika, Westafrika und Südostasien. Der Mensch ist der einzige Wirt, aber auch tierpathogene Hakenwürmer der Hunde können den Menschen infizieren. Erreger: Hakenwürmer gehören zu den Fadenwürmern (Nematoden). Es gibt 2 verschiedene Arten: Ancylostoma duodenal und Necator americanus. Übertragungsweg – Inkubationszeit: Larven im Boden und Wasser dringen durch die Haut in den Körper ein, können aber auch mit Wasser direkt verschluckt werden. Mit dem Blutstrom gelangen sie in die Lungen, reifen dort heran und dringen über Bronchien und Trachea wieder hinaus und werden dann verschluckt. Diagnostik: Makroskopisch können die beiden Arten der Hakenwürmer unterschieden werden, bei den mit dem Stuhl ausgeschiedenen Eiern allerdings ist eine Trennung der Arten nicht möglich. Therapie Die Therapie kann erfolgen mit Mebendazol oder Albendazol. Mebendazol ist ein Arzneistoff, der gegen eine Vielzahl von Wurmarten wirkt und die Würmer abtötet. Die Behandlung dauert drei Tage. Prophylaxe: Vermeiden von Barfußlaufen auf ggf. mit Hunde-/Katzenkot kontaminierten Sandflächen. Die eigenen Hunde und Katzen fernhalten von Stränden, Sandkästen und regelmäßige Entwurmung durchführen. Lambliasis, Giardiasis Die Erkrankung ist meldepflichtig! Symptome: Je nach Ausmaß der Infektion kommt es zu übel riechenden breiigen Stühlen mit Blähungen, krampfartigen Bauchschmerzen und Völlegefühl. Die Stuhlentleerungen sind häufig mit krampfartigen Bauchschmerzen verbunden. Die Infektion kann monatelang anhalten. Es kann dabei zu einem Malabsorptionssyndrom kommen mit Vitamin-B 12-Mangel. Vorkommen: weltweit, besonders aber in den warmen Regionen. Erreger: Giardia lamblia ist ein begeißeltes Protozoon. Nach peroraler Aufnahme von Zysten entwickelt sich der Erreger im oberen Dünndarm. Während der Darmpassage wandeln sich die Trophozoiten in die infektiösen Zysten um. Übertragungsweg – Inkubationszeit: Epidemisches Auftreten bei Kontamination von Trinkwasser oder landwirtschaftlich genutzter Wasserreservoire. Inkubationszeit 3–42 Tage. Diagnostik: Erreger-Nachweis mit Spezialfärbungen im Stuhl. Gelingt das nicht, bei dringendem Verdacht Duodenalsaft oder Gallensaft untersuchen. Therapie erfolgt mit Nitroimidazol Präparaten. Es kann auch Nitazoxanid verwendet werden Prophylaxe: gute Nahrungsmittelhygiene, Vermeidung von Düngung mit menschlichem Stuhl. Dieses gilt auch für Kleingärtner in Europa. 36 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Bilharziose (Schistosomiasis) 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser Bilharziose (Schistosomiasis) Historisches: Der Name stammt von dem deutschen Arzt Bilharz, der diese Infektion in Ägypten kennengelernt hatte. Die Erreger der Schistosomiasis sind seit tausenden von Jahren an den Menschen adaptiert. In ägyptischen über dreitausend Jahre alten Mumien fand man verkalkte Eier von Schistosoma haematobium. Die Infektion erfolgt fast immer in der Kindheit. Deshalb müssen in Endemiegebieten besonders die Kinder untersucht werden. Da der blutige Harn keine weiteren Beschwerden macht, fühlen sich die Kinder auch nicht krank, sondern sehen es oft als ein Mannbarkeitszeichen an. Spätere Reinfektionen möglich. In China unter Mao Tsetung wurde eine Kampagne gegen die im südlichen China endemische Schistosomiasis durchgeführt. Es wurden die Flüsse und Bäche begradigt, der Bewuchs am Rand, eine Wasserkresse entfernt. In den Dörfern wurden Latrinen gebaut, die alle Dorfbewohner unter Strafandrohung auch benutzen mussten. Keiner durfte mehr seine Notdurft in den Feldern erledigen. Durch diese Methode konnte die Schistosomiasis in Südchina deutlich reduziert werden und die Todesraten in den Dörfern sanken. Symptome: Die akute Infektion kann allergische Reaktionen der Haut hervorrufen durch die eingedrungenen Zerkarien. Fieber besteht bei der Infektion praktisch nicht, sofern keine Komplikationen vorhanden sind ein Typhus-ähnliches Krankheitsbild hervorrufen. Wenn viele Erreger in den Körper eindringen, kann ein fieberhaftes Krankheitsbild entstehen, das Katayma Fieber mit Eosinophilie. Die Eier produzieren Enzyme, die es ihnen erlauben, die Wand von Blase und Darm zu durchdringen. Folge: Blutiger Stuhl und Hämaturie. Spätfolgen Hydronephrose, Pyelonephritis. In der Leber enstehen Fibrosen und blutende Ulzerationen im Darm. Durch die Eier in der Mukosa können Fremdkörpergranulome entstehen. Vorkommen: Infektion durch Schistosoma mansoni kommt in Afrika, im Nahen Osten und Südamerika vor. Durch Schistosoma haematobium in Ägypten und West- und Ostafrika. Es muss immer nach Wasserkontakt gefragt werden in Flüssen und Seen in Afrika. Die asiatischen Formen kommen vor in China, den Philippinen, Indonesien, Laos und Kambodscha. Bekannt sind die Fälle von Bilharziose-Infektionen von Reisenden am Lake Malawi. Sie hatten sich in einem Resort am Ufer des Sees aufgehalten und sich dort infiziert. Erreger: Schistosoma haematobium oder Schistosoma mansoni Die wichtigste Art in Afrika ist Schistosoma haematobium. Es befällt den Urogenitaltrakt des Menschen und den Darmtrakt. Die Larven (Zerkarien) dringen durch die Haut, gelangen über das Blutgefäßsystem in Lunge und Leber. Nach Ausreifung Wanderung der Würmer wieder über das venöse Blutsystem in Harnblase und Darm. Hier Produktion der Eier. Übertragungsweg – Inkubationszeit: beim Baden; Hautkontakt mit Süßwaser. Inkubationszeit: 3–7 Wochen. Diagnostik: Durch Eier-Nachweis in Urin und Stuhl; auch durch eine Biopsie der Darm- oder Blasenschleimhaut – aber meist ist das Bild der Eigranulome in der Schleimhautwand der Blase bei der Zystoskopie so typisch, dass auf eine Biopsie verzichtet werden kann wegen der Blutungsgefahr. 37 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 2. Krankheiten bei Kontakt mit Wasser Paratyphus A, B und C Frühestes nach 4 – 11 Wochen nach erfolgter Infektion können Eier im Stuhl oder Urin nachgewiesen werden. Zurückkehrende Fernreisende sollten, wenn sie in einem Bilharziose Endemiedegebiet so leichtsinnig waren und Wasserkontakt hatten, deshalb immer nach 1 Monat nochmals genau untersucht werden. Therapie Praziquantel (ein Zufallsprodukt auf der Suche nach einem Sedativum in den frühen 80er Jahren) ist das stärkste Mittel gegen die verschiedensten Parasiten. Es ist in der Regel eine Eintages-Therapie. Um aber eine sichere Eliminierung aller Parasiten zu erzielen, wird eine Therapie über 3 Tage empfohlen. Die Dosis erfolgt nach dem Gewicht des Patienten. Die Heilungsrate liegt über 90 %. Prophylaxe: Fernreisende und Migranten sollten Hautkontakt mit stehenden oder kaum fließenden Süßwasser in Endemiegebieten vermeiden. Typhus (Typhus abdominalis; engl. Typhoid fever) Paratyphus A, B und C Die Erkrankungen sind meldepflichtig! Hinweis: Die auftretenden Symptome bei Typhus und Paratyphus unterscheiden sich deutlich von anderen Salmonellenerkrankungen, obwohl sie alle durch Bakterien der Gattung Salmonella entstehen. Sowohl Typhus und Paratyphus können den gesamten Körper betreffen. Die anderen Salmonelleninfektionen führen meist nur zu Magen-Darm-Erkrankungen mit Durchfall. Symptome: Zu Beginn kann ein flüchtiges Exanthem auftreten mit kleinen Roseolen an der Bauchhaut, die aber nur auf weißer Haut gut zu sehen sind. Im klassischen Fall des Bauchtyphus besteht anhaltendes hohes Fieber bis 40 Grad Celsius, Trübung des Bewußtseins, Schüttelfrost, Bauchschmerzen. Eher eine Obstipation als Durchfälle. Die Krankheit ähnelt stark einer Malaria. Der Name Typhus bedeutet wie benebelt im Kopf. Nach der vierten Krankheitswoche tritt in der Regel die Entfieberung ein, der Patient fühlt sich deutlich besser. Die überstandene Infektion hinterläßt eine Immunität. Bei einer Typhusinfektion können Ulzera mit Perforationen des Darmes auftreten. Es kann zu septischen Verläufen kommen mit multiplen Komplikationen. Dauerausscheider von Salmonella typhi, die nach einer erfolgten Therapie oder Infektion übrig bleiben können, sind eine große Gefahrenquelle für die Weiterverbreitung der Infektion, dazu kommen noch asymptomatisch Erkrankte, die nichts von der Infektion wissen. Die Erreger können sich in der Gallenblase anreichern und von dort ausgeschieden werden. Die Patienten fühlen sich nicht mehr krank und gefährden bei mangelnder Hygiene ihre Umwelt. Nachgewiesene Typhusdauerausscheider in Deutschland werden aus seuchenhygienischen Gründen von bestimmten Berufen und deren Ausübung ausgeschlossen. Sie und ihre Famlienangehörigen müssen sich dauernder Untersuchungen durch das Gesundheitsamt unterziehen. In der Literatur bekannt ist der Fall der „Typhoid Mary“, einer Köchin in New York. Sie wanderte von Familie zu Familie und hinterließ Todesfälle an Typhus in den Familien, bis sie keine Arbeit als Köchin mehr bekam. Vorkommen: In Europa selten, aber weltweit in Entwicklungsländern in Asien und Afrika. Wegen der dort meist fehlenden genauen Diagnose ist die Dunkelziffer hoch. Erreger: Salmonella typhi ist ein bewegliches gramnegatives Bakterium, der einzige Wirt ist der Mensch. Der Erreger bleibt außerhalb von Menschen lange Zeit infektionstüchtig. 38 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Paratyphus A, B und C 3. Wurminfektionen Die Erreger vermehren sich besonders in mononukleären Zellen von Milz, Leber, Lymphknoten und den Peyerschen Plaques im Darm. Übertragungsweg – Inkubationszeit: fäkal-oral, über kontaminiertes Wasser oder Nahrungsmittel z. B. Austern. Inkubationszeit: Tage bis Wochen. Diagnostik: Im fieberhaften Stadium kann die Diagnose nur durch Blutkulturen gestellt werden, nicht durch eine Stuhlkultur. Therapie: Chinolone, Ampicillin, Clotrimoxazol Prophylaxe: orale Schutzimpfung nur gegen Typhus. Werden Regeln der Hygiene nicht beachtet, kann es trotz Impfung zur Infektion kommen. Die Schutzdauer kann bis zu 3 Jahre reichen. Wichtig ist eine Trinkwasserhygiene mit Abkochen des Wasser. Paratyphus A, B und C Symptome: Diese Infektionen verlaufen in der Regel mit milderen Symptomen. Kleinkinder können die Erreger bis zu einem Jahr nach der akuten Infektion noch ausscheiden. Eine dauerhafte Immunität wird nicht erworben. Vorkommen: In Europa selten, aber weltweit in Entwicklungsländern in Asien und Afrika. Erreger: gramnegatives Bakterium Salmonella paratyphi, der einzige Wirt ist der Mensch. Der Erreger bleibt außerhalb von Menschen lange Zeit infektionstüchtig. Übertragungsweg – Inkubationszeit: Besonders häufig kontaminiert sind Eier, Geflügel, Muscheln, Fisch, ungekochte Milch Diagnostik: Im fieberhaften Stadium kann die Diagnose nur durch Blutkulturen gestellt werden, nicht durch eine Stuhlkultur. Therapie: Als Mittel der Wahl gelten Ciprofloxazin, Cefotaxim und Ceftriazon. In den Entwicklungsländern wird noch häufig Chloramphenicol eingesetzt. In Deutschland kommt dieses nicht mehr zur Anwendung. Bei Dauerausscheidern wird häufig eine Cholezystektomie durchgeführt. Wenn möglich sollte bei jeder Typhusinfektion ein Antibiogramm erfolgen. Antibiotikaresistenzen haben besonders in Indien zugenommen. Dort sind alle Antibiotika frei erhältlich. Prophylaxe: Wichtig ist eine Trinkwasserhygiene mit Abkochen des Wasser. 3. Wurminfektionen Für Wurminfektionen kommt eine Vielzahl von Parasiten in Frage und gerade in Entwicklungsländern gibt es häufig Mehrfachinfektionen. Humanpathogene Helminthen gehören zu den folgenden Gruppen: Nematoden (Fadenwürmer) z. B. Spul-, Maden-, oder Peitschenwurm. Die meisten humanpathogenen Würmer finden sich unter den Nematoden. Trematoden (Saugwürmer, Egel) Endoparasiten mit Saugnäpfen zur Anhaftung (z. B. Schistosoma) beim Menschen und auch vielen Haustieren. Zestoden (Bandwürmer) Kopf mit Haftorganen, dann zahlreiche nacheinander folgende Glieder, mit Eiern. 39 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 3. Wurminfektionen Trichuriasis Diese Würmer können auf drei verschiedene Arten in den menschlichen Wirt gelangen: 1. oral aufgenommen 2. durch die Haut aktiv eingedrungen 3. über den Stich von Krankheitsüberträgern wie Mücken oder Zecken in den Körper Unterschiedliche Entwicklungszyklen, Übertragungswege und wirtsabhängige Faktoren der Helminthen führen zu unterschiedlichen Krankheitsbildern. Es kann von einem symptomlosen Befall bis zu schweren Organmanifestationen reichen. Kinder sind besonders betroffen. Typisch ist hier ein dicker Bauch, der vorsteht bei Kindern und Kleinkindern, der „worm belly“ genannt wird. In Indien wird hier kein Wurmnachweis versucht, sondern sofort eine wirksame Therapie mit einem Wurmmittel begonnen. Manche Ärzte sagten dort, das sei wie bei Hunden: eine regelmäßige Entwurmung ist erforderlich. Der Erfolg hat aber gezeigt, dass diese Methode nur wirksam ist bis zur nächsten Infektion. Hinweis: Die Zeitspanne, von Beginn der Infektion an bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Vermehrungsprodukte (Eier oder Larven) des Erregers nachweisbar sind, wird als Präpatenz bezeichnet. Nachfolgend sind häufige und für bestimmte Regionen typische Wurminfektionen aufgeführt. Trichuriasis Symptome: Meist symptomloser Verlauf. Wenn sehr viele Würmer den Darm besiedeln und die Darmwand geschädigt wird, treten Schmerzen im Oberbauch auf, ferner Erbrechen und schleimige Durchfälle, oft von Krämpfen begleitet. Folge des Wurmbefall sind auch Mangelernährung und Anämie. Bei Kindern ist ein dysenteritisches Syndrom mit Colitis und Superinfektionen möglich. Multiple Reinfektionen können zu Teilimmunität in Endemiegebieten führen. Vorkommen: weltweit, besonders in warmen Klimazonen beim Menschen und Affen. Erreger: Der Peitschenwurm (Trichuris trichiura), 3 – 5 cm groß, gehört zu den Fadenwürmern (Nematoden) und ist Erreger der Trichuriasis. Nach oraler Aufnahme der Eier schlüpfen im Dünndarm Larven, die sich im Colon nach 2–3 Monaten zu adulten Würmern entwickeln u. bis zu 2 Jahre leben. Nach 70 bis 90 Tagen beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Täglich werden mit dem Stuhl bis zu 20.000 Eier ausgeschieden. Übertragungsweg – Inkubationsweg: Die Übertragung erfolgt mit kontaminierter Nahrung, nicht von Mensch zu Mensch. Larven im Boden können lange infektiös bleiben und tragen die Infektion weiter. Inkubationzeit: Erste Symptome einige Wochen nach Infektion, Präpatenzzeit 2 1/2–3 Monate. Diagnostik: Die charakteristischen Eier lassen sich im Stuhl nachweisen, aber erst zwei Monate nach der Infektion. Therapie: Mebendazol, Behandlung über 3 Tage. Prophylaxe: Anwendung bekannter Hygienemaßnahmen 40 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Strongyloidiasis 4. Nematoden mit einer Lungenwanderung 4. Nematoden mit einer Lungenwanderung Ascariais Symptome: Infektion meist symptomlos. Bei der Lungenwanderung pulmonale Beschwerden wie Husten, Atemnot, Asthmaähnliche Symptome, Löffler-Syndrom mit eosinophilen Lungeninfiltraten. Die pulmonalen Beschwerden sind die Folge der Einwanderung der Larven in die Lunge. Weitere Symptome sind Fieber, Übelkeit und Erbrechen, Leibschmerzen. Vorkommen: weltweit, tritt verstärkt in tropischen Regionen und in Ländern mit mangelhafter hygienischer Infrastruktur auf. In Europa sind vor allem Flüchtlinge und Einwanderer betroffen. Mit ca. 1 Milliarde Infizierter weltweit die häufigste Wurminfektion. Tierpathogene Nematoden von Hunden können eine typische Hautinfektion hervorrufen, das Larva migrans Syndrom, der Hautmaulwurf, meistens an den Füßen oder am Gesäß. Der Patient ist am Strand barfuß gelaufen oder hat sich mit nacktem Gesäß in den feuchten Sand gesetzt. Es sieht aus, als würde ein Wurm unter der Haut wandern. Es entsteht Juckreiz. Die Erkrankung ist selbstlimitierend, da die Larve im menschlichen Körper als falschem Wirt abstirbt. Erreger: Ascaris lumbricoides, Spulwurm oder Ascaris suum (Schweinespulwurm) Übertragungsweg – Inkubationszeit: Durch Verzehr von mit Erde beschmutzten Lebensmitteln, z. B. Gemüse oder Trinkwasser. Auch anal-oraler Infektionsweg. Kinder können beim Spielen am Boden infiziert werden. Diagnostik: Nachweis der typischen Eier erfolgt im Stuhl, aber immer erst ca. 7–9 Wochen nach Infektion erstmals Wurmeier im Stuhl. Erfassung einer Eosinophilie während der pulmonalen Larveneinwanderung. Therapie: Die Therapie der Hautveränderungen durch vorsichtige Vereisung mit Chloaethylspray oder Salbe mit Mebendazol (muss in Apotheke extra hergestellt werden). Zur Behandlung der intestinalen Wurmerkrankung: Albendazol oder Mebendazol (Breitspektrum-Anthelmintikum). Eine Wiederholung nach 4 – 6 Wochen ist empfehlenswert. Prophylaxe: Allgemeine Hygiene (Händewaschen vor dem Essen, Obst und Gemüse gründlich waschen, wenn möglich sogar kochen). Keine Verwendung von menschlichen Fäkalien oder Klärschlamm als Dünger. Strongyloidiasis Symptome: Juckende Dermatitis durch sekundäre bakterielle Verunreinigung der von den Larven durchbohrten Hautstellen. Hämorrhagien und entzündliche Reaktionen in der Lunge (Bronchitis, Pneumonien) durch Wanderlarven. Die Symptomatik im Darm ist vom jeweiligen Immunsystem abhängig. Bei geschwächtem Immunsystem finden sich Larven auch in den Mesenterialgefäßen, der Darmwand und in den Gallenwegen (Ikterus). Bei starkem Befall Abmagerung, Anämie, Ileus. Vorkommen: Vor allem in feuchtwarmen Regionen der Erde z. B. Afrika. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 80 Millionen Menschen schon mit Zwergfadenwürmern, vor allem mit Strongyloides stercoralis, infiziert sind. Neben dem Menschen sind Primaten, Hunde und Katzen auch Wirte für die Erreger. Erreger: Strongyloides stercoralis (ein Zwergfadenwurm) gehört zur Gattung Strongyloides. 41 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 5. Gewebsnematoden ohne Filarienerkrankungen Dracunculiasis (Guinea worm, Medinawurm) Übertragungsweg – Inkubationszeit: Der Erreger dringt durch die Haut ins venöse Blut. Inkubationszeit: Zeit zwischen der Infektion mit dem Erreger und Auftreten der ersten Eier (Präpatenzzeit) min. 17 Tage. Diagnostik: Mikroskopischer Nachweis der Larven im Stuhl oder anderen Sekreten. Da die Larven schnell schlüpfen, findet man nur selten Eier von Strongyloides stercoralis. Therapie: Mebendazol oder Tiabendazol Prophylaxe: Einschränkung der perkutanen Infektion durch feste Schuhe. Vorsicht bei ggf. Kontakt zu Abwässern und Kot. 5. Gewebsnematoden ohne Filarienerkrankungen Dracunculiasis (Guinea worm, Medinawurm) Ob das stimmt? Es wird behauptet, dass das Zeichen des Aesulapstabes mit der sich ringelnden Schlange keine Schlange darstellt, sondern einen Medinawurm, der sich um einen Stab zur Extraktion windet. Die WHO versucht, die Infektion in Afrika durch entsprechende Baumaßnahmen an den Wasserstellen (bei denen kein Fußkontakt mit der Wasserquelle möglich ist) und Aufklärung der Bevölkerung über das Filtern des Wassers auszurotten. In Ghana ist dies schon fast gelungen, es wurden kaum noch neue Infektionen im Norden des Landes festgestellt. Symptome: Nach einer Inkubationszeit bis zu 1 Jahr entwickelt sich an den Beinen eine schmerzende, juckende Blase. Meist versucht der Patient diese Blase mit Wasser zu kühlen. Das muss verhindert werden, weil sonst der Wurm beginnt die infektiösen Larven durch die Haut abzugeben. Manchmal sieht man auf Röntgenaufnahmen von Beinen in Afrika einen verkalkten Wurm in der Muskulatur. Vorkommen: in der Sahara und im Subsahara Afrika, besonders im Norden von Ghana. Erreger: dracunculus medinensis (Medianawurm) Der Medinawurm ist an den Menschen seit Jahrhunderten adaptiert. Übertragungsweg – Inkubationszeit: Der Mediawurm entwickelt seine Larven in einem Wasserfloh und der infizierte Wasserfloh wird durch das Trinken von Wasser aus unsauberen Quellen aufgenommen. Die Larven wandern über den Darm in die Peritonealhöhle. Die Männchen sterben nach der Befruchtung der Weibchen. Diese wandern in das subkutane Gewebe der unteren Extremitäten ein. Die Weibchen können bis zu 1 Meter lang werden. Der Wurm perforiert die Haut der Beine nach Kontakt mit kaltem Wasser und gibt Larven in das Wasser ab. Inkubationszeit: bis zu 1 Jahr Diagnostik: Die Diagnose wird klinisch gestellt. Therapie: Die Therapie ist uralt. An der Stelle, an der der Wurm aus der Haut heraustritt, wird das Ende vorsichtig gefasst und langsam aufgerollt auf ein Holzstäbchen. Der lange Wurm darf dabei nicht abreißen. So gelingt es nach einiger Zeit den gesamten Wurm aus der Muskulatur zu extrahieren. Eine Therapie mit einem Anthelminthikum kann die Prozedur verkürzen. Prophylaxe: Abkochen des Trinkwassers ist in den ariden Zonen Afrikas kaum möglich, da das Feuerholz fehlt, Wasser filtern durch ein Tuch. 42 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Anisarkiasis (Heringswurm Kabeljauwurm, Tilapiawurm) 5. Gewebsnematoden ohne Filarienerkrankungen Toxokariasis canis (selten catis) Symptome: Befallen werden können verschiedene Organe des Menschen. Davon hängt die Klinik ab. Die Infektion kann symptomarm sein oder von selbst sich zurückbilden. Die Erkrankung betrifft typischerweise Kinder mit Fieber, Husten, Gewichtsabnahme, Erosionen und juckende Knoten an der Haut. Selten auch Infiltrate in der Lunge. Vorkommen – Übertragungsweg: Die Infektion kommt weltweit vor und erfolgt oral durch Eier der Larven der tierpathogenen Toxocara canis Würmer. Zur Zeit werden in Europa als Endemiegebiete Polen und Rumänien angegeben. Über Kontakt mit dem Kot von Hunden (selten auch Katzen; Erreger: Toxocara catis) werden die Larven vom Menschen aufgenommen. Dies besonders in Ländern mit vielen freilaufenden Hunden (und Katzen). Diagnostik: Immundiagnostik. Blutbild (deutliche Eosinophilie!) Therapie: Albendazol, Tiabendazol und Ivermectin. Augensymptome (bei Kinder etwa zwischen 7–8 Jahren peripheres Netzhautgranulom) sollten von Augenärzten behandelt werden. Prophylaxe: Vermeidung des Kontaktes zu streunernden Hunden, zu Welpen (4. Woche – 4. Monat) und zu trächtigen und säugenden Hündinnen. Bei eigenen Hunden Entwurmungen durchführen! Anisarkiasis (Heringswurm Kabeljauwurm, Tilapiawurm) Symptome: Möglich ist ein sehr akutes Krankheitsbild mit Erbrechen, Gewichtsverlust, generellem Schwächegefühl und Abdominalschmerzen bis zum Verdacht auf akutes Abdomen. Komplikationen: Darmverschluss oder Darmdurchbruch. Die Beschwerden dauern meist über die Lebenszeit der Larven an (ca. drei Wochen). Vorkommen – Übertragungsweg – Inkubationszeit: Durch Konsum von rohem Seefisch, der in Ländern Asiens, Nordamerikas und des pazifischen Raums als Delikatesse gilt. Inkubationszeit: zwölf bis 24 Stunden nach der Infektion mit den Anisakis-Larven. Erreger: Die Erreger sind Fadenwürmer, Verwandte der Spulwürmer, die im Fisch parasitieren. Man unterscheidet nach Art der befallenen Fische den Kabeljauwurm, Heringswurm und Tilapiawurm (Zuchtfisch aus dem natürlichen Vulkansee Lake Toba in Indonesien). Diagnostik: Immundiagnostik in Speziallaboren. Direkt im Stuhl sind die Anisakiasis-Erreger hingegen nicht identifizierbar. Häufig werden die Larven ausgehustet und lassen sich im Speichel nachweisen. Therapie: Gabe von Anti-Wurmmitteln. Bei Krankheitsverläufen Entfernung der Larven durch Endoskopie. Prophylaxe: Vorsicht beim Genuss oder besser Verzicht von rohem Fisch in den Ländern, in denen die Erreger vorkommen können. In Europa müssen Heringe etc. vor dem Einlegen tiefgefroren werden (bei Temperaturen unter minus 20 Grad Celsius) für mindestens 10 bis 24 Stunden, bevor sie dann roh gegessen werden können. Das Tiefgefrieren tötet die Larven sicher ab. 43 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Leishmaniosen 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Chickungunya – Fieber Symptome: Die Klinik ist ähnlich der Dengue Virus Infektion bzw. Gelbfieber. Im Unterschied zu Dengue halten die Schmerzen lang an, bis zu Monaten nach der Infektion wie bei einer rheumatischen Erkrankung. Die Trias: Fieber, starke Arthralgien, die den Betroffene vor Schmerzen gebückt gehen lassen (Chickungunya bedeutet in einer afrikanischen Sprache „gebeugter Mensch“) und Exanthem ist typisch für diese Arbovirose. Bei Patienten mit geschwächtem Immunstatus kommen auch Todesfälle vor. Vorkommen: Indien, Südostasien; in Afrika südlich der Sahara. Zahlreiche Infektionen fanden sich 2005 auf der Insel Reunion im Indischen Ozean. Durch Reisende war diese Infektion bis nach Italien eingeschleppt worden. Dort traten in der Nähe von Ravenna 2007 Infektionen mit Chickengunya auf bei Personen, die Italien nie verlassen hatten. Es war somit eine Infektion durch einheimische Mücken in Italien erfolgt. Erreger: Das Chickungunya-Virus gehört zur Gattung Alphavirus und zur Gruppe der Arboviren, das sind Viren, die durch Arthropoden (Gliederfüßler) übertragen werden (engl. arthropod-borne virus(es). Übertragungsweg – Inkubationszeit: Das Chickungunya-Fieber ist eine Viruserkrankung, die durch Stechmücken (Tigermücke) übertragen wird, deren Speichel das Virus beinhaltet. Inkubationszeit: etwa 4 bis 7 Tage. Diagnostik: Druckschmerzhaftigkeit der Handgelenke. Blutbild: Lymphopenie, Thrombozytopenie, Anämie. ASAT, ALAT erhöht. Direkter Nachweis von Virus-RNA kann durch PCR oder Virusanzucht in der Zellkultur erfolgen. Therapie: Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Nur symptomatische Therapie mit Analgetika und Antipyretika. Prophylaxe: Das Virus und seine Varianten sind empfindlich gegenüber Hitze (über 58 °C), Seife und Desinfektionsmitteln. Ein vom U.S.-Militär entwickelter Impfstoff soll sich zur Zeit erst in klinischer Erprobung befinden. Hautinfektionen Leishmaniosen Vorkommen: Die Infektion kommt vor in Indien, Zentralasien und dem Mittleren und Vorderen Orient. Regional auch in Afrika wie Äthiopien und Kenya. Die Kala Azar Infektionen haben zugenommen im Mittelmeerraum bis nach Spanien und Südfrankreich. In Spanien z. B. ist der überwiegende Teil der streunernden Hunde durch Leishmanien infiziert. Diese infizierten Hunde verlieren ihr Fell und können an der Infektion sterben. Erreger: Leishmanien sind Protozoen, die unterschiedlichen Spezien angehören. Die Erreger werden durch Mückenstiche übertragen. Übertragungswege – Inkubationszeit: Stich durch die Sand- oder Schmetterlingsmücke; die Mücken stechen meist abends. Inkubationszeit: 2–4 Monate. Minimum etwa 10 Tage; Maximum 9 Monate. Prophylaxe: Vorsicht vor streunernden Hunden und durch bedeckende Kleidung Vermeidung von Stichen. 44 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Malaria 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Unterschieden werden 3 Formen: 1. Orientbeule Kutane Leishmaniosen Symptome: An der Hautstelle, bevorzugt im Gesicht, entsteht ein kleiner Abszess. Die Hautläsion zeigt einen derben roten Wall und eine zentrale Nekrose. Sie kann spontan innerhalb von Monaten abheilen mit Hinterlassung einer Narbe. Die Leishmaniasen der Neuen Welt in Mittel- und Südamerika ulzerieren stärker und bilden größere Läsionen. An Orientbeule denken bei Migranten aus dem Vorderen Orient und Afghanistan! 2. Mukokutane Leishmaniose Symptome: Geht mit Zerstörung der Nase und des Rachens einher. Sie kommt vor in Brasilien im Amazonasgebiet. Die chronischen Hautentzündungen heilen nur langsam. Diagnostik – Therapie: Die Diagnose wird meistens klinisch gestellt. Der Erregernachweis bleibt Speziallabors überlassen. Die einfache Orientbeule bedarf keiner spezifischen Therapie, sie heilt mit einer Narbe ab. Die ausgedehnten Mukokutanen Formen in Südamerika bedürfen einer spezifischen Therapie. 3. Viscerale Leishmaniase, Kala Azar Symptome: Wie bei einem Typhus hohes Fieber, starkes Krankheitsgefühl, Leber und Milz sind vergrößert, es kommt zu einer Anämie. Diese Trias: Hepatosplenomegalie, Anämie, hohes Fieber, deutet auf eine viszerale Leishmaniase hin. Zusätzliche Infektionen wie Pneumonie können das Krankheitsbild verschlimmern. Ohne eine rechtzeitige Therapie ist die Letaliät hoch. Diagnostik: Die Diagnose wird gesichert durch den Erregernachweis im Knochenmark oder Biopsien von Lymphknoten. Therapie der Kala-Azar und der mukokutane Leishmaniose: Antimonpräparate, Amphotericin B. Antimonpräparate sind in Deutschland nicht mehr im Handel vorhanden. Sie müssen importiert werden. Neuere Substanzen sind Miltefosine und Paromomycin. Sie haben weniger Nebenwirkungen als die Antimonpräparate. Bei klinischem Ansprechen sollte das Fieber innerhalb von 7–10 Tagen zurückgehen. Bei einer gleichzeitigen HIV Infektion muss eine antiretrovirale Therapie erfolgen. In Indien muss mit Resistenzen der Erreger gerechnet werden. Besonders bei einer gleichzeitigen HIV Infektion muss mit einem Rückfall gerechnet werden. Die Therapie ist erfahrenen Zentren vorbehalten. Malaria Vorkommen: Malaria ist die häufigste Infektion in den Ländern der Tropen. Autochthone Malariafälle sind aus Europa verschwunden bis auf vereinzelte Infektionen in Griechenland, auch in der Türkei kommt regional eine Malaria vor. Migranten, die ihre Kindheit in einem Malariaendemiegebiet verbracht haben, können atypische Verläufe zeigen. Bedingt durch eine Teilimmunität kommt es manchmal nicht zu hohem Fieber und keinem Fieberrhythmus. Afrikaner merken eine Malariainfektion an klinischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und dunklem Urin. Da sie bei solchen Erscheinungen häufig zu einem Malariamedikament greifen, gibt es dann abgeschwächte klinische Verläufe, die nicht mehr typisch verlaufen. Dadurch darf sich der Arzt nicht täuschen lassen. In einem Malariaendemiegebiet können Patienten Malariaparasiten im Blut haben, ohne Fieber und andere klinische Erscheinun45 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Malaria gen einer Malaria. Dieses trifft besonders auf Kinder zu. Die Teilimmunität der Afrikaner geht nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Europa verloren. Sie können dann erkranken wie ein nichtimmuner Europäer. Erreger: Die Zählung der Fiebertage erfolgt nach der lateinischen Regel. Dieser Fieberrhythmus der Malaria war schon Hippokrates bekannt. Bei der Malaria unterscheidet man verschiedene Form, je nach dem Erreger: Malaria tertia: Plasmodium vivax/ovale(tertiana) Malaria quartana: Plasmodium malariae Malaria tropica: Plasmodium falciparum (hier gibt es keinen regelmäßigen Fieberrhythmus) Sie werden alle übertragen durch Stechmücken, die in der Nacht aktiv sind. Nur die weiblichen Mücken saugen Blut. Eine Teilimmunität wird nur erlangt nach häufigem Kontakt mit Malaria in der Kindheit. Dieses passiert durch die hohe Mortalität der Malaria in der Kindheit in den meisten Ländern der Tropen. Nach einem längeren Aufenthalt außerhalb der Tropen geht diese Teilimmunität wieder verloren. Es gibt 3 Malariaformen: Malaria tertiana Fieber im Dreitagesrhythmus nach der lateinischen Zählweise. Diese Form der Malaria kam auch in Europa vor, auch in Deutschland. Die Erreger überwintern in den Mücken. Sie kommen im Frühjahr zurück. Die Vermehrung der Parasiten im Blut und der Zerfall der befallenen Erythrozyten bedingt die Regelmäßigkeit der Fieberanfälle im Dreitages- oder Viertages-Rhythmus. Inkubationszeit: Frühestens 7 Tage nach dem Stich einer Mücke mit Malariaparasiten kommt es zu den ersten klinischen Zeichen der Infektion. Die Malaria tertiana kommt auch zusammen mit der Malaria tropica vor, klinisch steht sie dabei mehr im Hintergrund, da die Tropica Infektion klinisch überwiegt. Die Malaria tertiana kann unbehandelt noch nach bis zu 5 Jahren zu einem Rückfall führen. Malaria quartana Fieber im Rhythmus von 4 Tagen. Seltenste Form der Malaria. Es kann im Verlauf der Infektion zu einer Glomerulonephritis oder einem nephrotischen Syndrom kommen. Es sind Rückfälle noch nach Jahren möglich. Malaria tropica Symptome: Die unkomplizierte Malaria tropica kann mit zeitweiligen regelmäßigen Fieberschüben auftreten, ja sogar afebriel zu Beginn sein. Es können auch Diarrhoeen dabei auftreten und das Bild der Malaria überdecken. Das Fieber geht manchmal in eine Continua über. Im Verlauf kann es zu Organkomplikationen kommen, die zu einer zerebralen Malaria mit einem Koma führen können. Eine respiratorische Insuffizienz ist häufig wie bei einer schweren Pneumonie. Der Tod tritt ein durch ein Multiorganversagen. Auch Afrikaner können eine schwere Malaria bekommen nach Verlust der Teilimmunität. Diese lässt sich nicht messen. Nach 2 Jahren in Deutschland kann die Teilimmunität verloren sein. Plasmodium knowlesi Natürlicher Wirt sind Affen in Malaysia und anderen Regionen in Südostasien. Der Erreger kann im Ausstrich mit dem Erreger plasmodium malariae verwechselt werden. Die Klinik ist aber die der Malaria tropica. 46 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Malaria 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Diagnostik – Therapie: Bei jedem Migranten mit hohem Fieber muss eine Blutuntersuchung auf Malariaparasiten erfolgen. Es ist wichtig, dass das Ergebnis noch am selben Tag vorliegen muss. Der Patient sollte möglichst stationär eingewiesen werden. Eine Malariadiagnostik muss in jedem Akutkrankenhaus in Deutschland möglich sein. Auch nach rechtzeitiger Behandlung einer Malaria tropica kann es zu Rückfällen kommen. Die Therapie sollte unter intensivmedizinischen Bedingungen erfolgen. Wenn möglich sollte ein erfahrener Tropenmediziner hinzugezogen werden. Durch einen Transport eines schwerkranken Malariapatienten in eine entfernte Tropenklinik kann sich der Zustand des Patienten verschlechtern, wie die Erfahrungen am Tropenkrankenhaus Hamburg gezeigt haben. Serologische Untersuchungen auf Malaria sind ungeeignet zur Akutdiagnose, hier muss immer die Blutuntersuchung auf Malariaparasiten erfolgen. Auch die kommerziellen Schnelltests auf Malariaparasiten können falsch negative und falsch positive Reaktionen zeigen. Zur Mitnahme für Reisende sind diese nicht geeignet. Wichtig für die Therapie ist die Angabe, aus welchem Land der Tropen der Migrant mit der Malaria eingereist ist. Wenn dort eine Chloroquinresistenz zu erwarten ist, soll die Therapie mit Mefloquin oder Chinin erfolgen. Auch Artemisinin i.v. ist geeignet. Bei schwerkranken Patienten sollte die Therapie immer intravenös erfolgen. Eine Überwässerung muss wegen der Gefahr eines Lungenödems vermieden werden. Ein einmaliger negativer Parasitenbefund schließt eine Malariainfektion nicht aus. Er muss unbedingt wiederholt werden. Bei der Malaria tertiana muss eine Nachbehandlung mit Primaqunine erfolgen, um Rückfälle zu vermeiden. Bei Afrikanern sollte vor der Gabe von Primaquine ein Glucose 6 phosphat Dehydrogenase Mangel ausgeschlossen werden. Chloroquinresistenzen bei Malaria tertina wurden nur selten beobachtet. Zur Therapie der Malaria siehe weitere Infos: dtg.org Leitlinien zur Malariabehandlung WHO Kriterien einer schwere Malaria: cerebrale M. mit Koma respiratorische Insuffizienz schwere normochrome Anämie Nierenversagen Hyperparasitämie > 2 % der Erythrozyten befallen Lungenödem Hypoglygämie Kreislaufkollaps spontane Blutungen rez. generalisierte Krämpfe Azidose Hämoglobinurie 47 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Rickettsiosen engl. Typhus fevers Rickettsiosen engl. Typhus fevers Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung und Tod Für alle Rickettsiosen gilt: Symptome: Charakteristisch bei Rickettsiosen sind Kopfschmerzen, Fieber, Gelenkschmerzen, Lymphadenitis, Exanthem, Eschar (wie ein Verbrennungsschorf), ggf. Funktionsstörungen von Leber und Nieren. Vorkommen – Übertragungsweg – Inkubationszeit: Rikettsien sind weltweit verbreitet. Die Übertragung erfolgt durch die Erreger in Sekret und Exkrementen von Läusen, Zecken, Flöhen und Milben auf den Menschen. Inkubationszeit: ca. 14 Tage. Erreger: intrazelluläar lebende gramnegative Stäbchenbakterien Diagnostik: Immunfluoreszenz Nachweis der Erreger, PCR. Häufige Diagnose durch die Klinik und das geographische Auftreten. Therapie: Tetrazyklin, Doxyciclin, bei Kindern Erythromycin Prophylaxe: Persönliche Hygiene, Entlausung, Bekämpfung der Nagerpopulation Eine Reihe von unterschiedlichen Krankheitsbildern werden durch verschiedene Rickettsien ausgelöst. Epidemisches Fleckfieber, louse born typhus Vorkommen: Ansammlungen von Menschen unter hygienisch schlechten Bedingungen begünstigen die Infektion, besonders im Winter. Heute teilweise endemisch in kühleren Höhenlagen der Tropen (Zentral- und Ostafrika, Zentral- und Südamerika, Asien). Erreger: Erreger R. Prowazekii Endemisches Fleckfieber Vorkommen: Mittel- und Südamerika, Asien und Zentralafrika Erreger: R. Typhi Zeckenbissfieber, Mittelmeerfieber, Boutoneuse-Fieber Vorkommen: Verschiedene Rickettsienarten im Mittelmeerraum, Afrika und Australien. Symptome: Am Eintrittsort der Erreger findet sich eine ulzerierende zentral nekrotisierende Primärläsion, tache noir mit einer Lymphadenitis. Ferner: Fieber, grippe-ähnliche Symptome, Exanthem zentripetal ausbreitend, eher geringe Letalität. Erreger: R. conori Rickettsien-Pocken Symptome: Ausbildung einer Eschar (nekrotisches Gewebe, das während der Abheilung von Hautverletzungen abgestoßen wird), wie ein schwarzer Verbrennungsschorf, Exanthem wie bei Varizellen, Photophobie, eher milder Verlauf Wolhynisches Fieber (trench fever, Fünf-Tage-Fieber) Zuerst aufgetreten in der Region Wolhynien in der heutigen Ukraine während des Ersten Weltkrieges. Symptome: Rezidivierende Fieberschübe im Viertagerhythmus, Allgemeinsymptome. Späte Rezidive möglich, auch Endokarditis. Erreger: Bartonella quintana, daher der Name Fünf-Tage-Fieber 48 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Schlafkrankheit – Afrikanische Trypanosomiasis 6. Arbovirosen – Durch Insekten übertragene Infektiosen Ehrlichiosis Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien, Exanthem, Komplikationen sind Nierenversagen, Enzephalopathie Vorkommen: in den USA und Länder der Tropen und Japan und Malaysia, Erreger: gehören zur Gruppe der Rikettsien und werden nur durch Zecken übertragen. Q – Fieber Zoonose bei Schafen, Ziegen, Rinder – gefährdet sind Tierhalter und Veterinäre. Oft Berufserkrankung bei Veterinären und Tierzüchtern Symptome: Fieber. Pneumonie häufig, Endokarditis, häufig chron. Verläufe Verdacht bei Exposition, sog. atypischer Pneumonie, retrobulbäre Kopfschmerzen, unregelmäßiges Fieber. Vorkommen – Übertragung: in Europa, Nordafrika und Türkei – Übertragung durch Aerosole beim Lämmern und bei Kontakt mit tierischer Plazenta, auch durch kontaminierte Milch und Zecken. Schlafkrankheit – Afrikanische Trypanosomiasis Symptome: Nach dem Stich kommt es zu einer schmerzhaften Hautreaktion, dem Schanker. Die Erreger dringen über den Blutstrom in das CNS ein. Der Schanker ist eine etwa kirschkern-große, rötliche und schmerzhafte Schwellung der Haut. Da in tropischen Gebieten Insektenstiche öfter vorkommen, wird dieser Schwellung meist keine Bedeutung beigemessen. Es kann Jahre bis zum völligen Ausbrechen der Infektion dauern. In den ersten Jahren kommt es zu Myalgien, Kopfschmerzen, Fieber und Juckreiz. Typisch für die Infektion sind vergrößerte Lymphknoten am Hals, besonders am Nacken. Es kann ein Exanthem auftreten, das aber nur auf heller Haut zu sehen ist. Die Milz ist vergrößert. Meningoenzephalitisches Stadium mit Lähmungen, Krämpfen, Lethargie bis zu schwerer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Daher der Name Schlafkrankheit. Unbehandelt folgt dann der Tod im Koma. Vorkommen: 2 Arten von Erregern kommen in Afrika vor, T.p. gambiense und T.p. rhodesiense. Die Überträger finden sich in der Savanne und dort wo Büsche gerodet wurden. In Ost- und Zentralafrika treten eher akute Infektionen durch T. brucei rhodesiense auf, während in West- und Südafrika meist chronische Krankheitsverläufe, bedingt durch T. brucei gambiense, beobachtet werden. Erreger: Die Erreger sind gegeißelte Blutparasiten, es gibt 2 Erregerarten: T.p. gambiense und T.p. rhodesiense. Die Übergänge zwischen beiden Erregerarten und der jeweiligen klinischen Verlaufsform sind jedoch oftmals regional nicht scharf abgrenzbar. Neben dem Menschen sind auch Rinder befallen. Übertragungsweg – Inkubationszeit: Übertragen wird die Schlafkrankheit durch den Stich der Tse-tse-Fliege. Sie sind relativ groß im Vergleich zu anderen Fliegen. Der Stich ist schmerzhaft. Inkubationszeit: bei T.p. rhodesiense 1–3 Wochen – bei T.p. gambiense Wochen oder Monate Diagnostik: Nachweis der Parasiten im Blut, Liquor oder LK Punktat. Färbung wie bei Malaria. Serologisch im ELISA und IIF Nachweis spez. Antikörper. Im Liquor ist das Eiweiß erhöht. 49 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 7. Erkrankungen durch Tierbisse Tollwut – Rabies Therapie: möglichst stationär, da die Medikamente mit hohen Nebenwirkungen behaftet sind. Medikamente: Eflornithine, Melarsoprol, Pentamidine, Suramin, sind in Deutschland nicht im Handel. Prävention: Besonders Vorsicht in den Tierparks, Verwendung von Insektenschutz. Vorsicht vor großen Fliegen. Arme und Beine bedecken. Chagas Krankheit – Amerikanische Trypanosomiasis, Symptome: Nach dem Stich kommt es zu einer entzündlichen Reaktion der Haut, am Auge oft mit einer einseitigen Schwellung. LK am Hals vergrößert. Bei Kindern kann es zu einer Meningoenzephalitis und Myokarditis kommen. Das Latenzstadium kann Jahrzehnte andauern. Es kommt zu einer Myokarditis und Kardiomyopathie, einer kongestiven Herzinsuffizienz. Im Darmtrakt bilden sich Megabildungen des Ösophagus und Colon. In der Lunge können Megabildungen der Trachea und Bronchien entstehen. Die Letalität der kongenitalen Trypanosomiasis ist sehr hoch. Erreger T.p. cruzi Übertragungsweg – Inkubationszeit: Übertragung durch Raubwanzen, diese halten sich in primitiven Hütten auf in den Ritzen in Wänden und Dächern. Sie kommen vor in Mittel- und Südamerika bis Argentinien und Chile. Nachts suchen die Wanzen die schlafenden Menschen auf, um Blut zu saugen. Während des Saugaktes sondern sie Kot ab, der die Parasiten enthält. Durch Kratzen wird der infektiöse Kot verbreitet in menschliche Haut- und Schleimhäute. Viele Fälle sind subklinisch. Scharf begrenztes Hautexanthem, Hepatosplenomegalie, Herzrhythmustörungen oder Herzinsuffizienz. Spätmanifestationen finden sich nach 10–30 Jahren. Xenodiagnose durch Infektion von Versuchstieren, parasitenfreie Raubwanzen wurden auf der Haut des Erkrankten fixiert. Ist der Patient infiziert, können nach etwa 4 Wochen in den Raubwanzen die Parasiten nachgewiesen werden. Diagnose: Es muss versucht werden, die Parasiten direkt nachzuweisen. In der chronischen Phase kann man versuchen, die Diagnose durch immunologische Methoden zu verifizieren. Dabei kann man aber nicht zwischen akut und chronisch unterscheiden. Therapie: Mittel der Wahl ist ein Nitrofurylidin Derivat, Benznidazol, ein Imidazol Abkömmling. Die Therapie muss wegen der Nebenwirkungen stationär erfolgen. Medikamente in Deutschland nicht im Handel. Prävention: Verbesserung der Wohnsituation mit Insektiziden und in der Wohnung, Moskitonetz zum Schlafen. 7. Erkrankungen durch Tierbisse Tollwut – Rabies Die nach Deutschland importierten Fälle hatten sich alle im Ausland infiziert. Die Fuchstollwut ist in Europa so gut wie verschwunden nach Impfungen der Wildtiere durch Impfköder. Bei Wildtieren äußert sich die Infektion durch aggressives Verhalten, häufiges Beißen und Gangunsicherheit. 50 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z Tollwut – Rabies 8. Sexuell übertragbare Erkrankungen Symptome: Typische Zeichen einer Infektion sind Unruhe, Speichelfluss, Photophobie, Reizbarkeit, Scheu vor Wasser und Luftzug. Besonders gefährlich sind Bissverletzungen im Gesichtsbereich, das trifft speziell auf Kinder zu, da sie kleiner sind als Erwachsene. Berichte über eine Spontanheilung haben sich nicht verifizieren lassen. Durch Maßnahmen der Intensivmedizin kann die Infektion nur verzögert, nicht aber aufgehalten werden. Dieses ist nur durch eine rasche Impfung möglich. Es muss eine Serie von Impfinjektionen in einem Zeitintervall erfolgen, um eine Schutzwirkung zu erzielen. Impfstoffe, die auf Mäusegehirn oder Schafhirn gezüchtet wurden, sollten nicht mehr verwendet werden wegen der geringen Schutzrate und der hohen Nebenwirkungen. Nur auf Zellkulturen gezüchtete Impfstoffe sollen noch verwendet werden. Spezifische Immunglobuline, sofern vohanden, können zu Beginn gegeben werden. Bei Migranten ist es denkbar, dass sie erst nach der Einreise erkranken, häufig wird der Biss des Tieres vergessen. Ohne eine vorausgegangene Impfung ist diese Infektion absolut tödlich. Der Tod tritt ein unter Lähmungen, Delir und Koma. Erreger – Übertragungsweg – Inkubationszeit: Das Virus wird durch den Speichel der Tiere übertragen. Inkubationszeit: Tage bis Monate Diagnostik: Diagnosestellung anhand der klinischer Symptome. Anamnestisch sollte nach einem Tierkontakt in einem Tollwutgebiet gefragt werden, z. B. ob der Kranke von einem Tier gebissen oder nur abgeleckt wurde und wie sich das Tier verhalten hat. Im weiteren Krankheitsverlauf kann der Erreger im Speichel, Nasen- oder Rachenabstrich oder in der Gehirnflüssigkeit nachgewiesen werden. Auch Gewebeproben der behaarten Haut im Nacken eignen sich zum Erregernachweis, da sich das Tollwutvirus auch in den Haarbalgdrüsen vermehrt. Therapie: Impfung – eine Bisswunde muss chirurgisch gereinigt und desinfiziert werden. Sofern möglich soll das verdächtige Tier gefangen und tierärztlich untersucht werden. Bei nichtgeimpften Personen ist der Nachweis von Rabiesantikörpern ein sicherer Hinweis auf eine Infektion. Bei nicht eindeutiger Anamnese müssen andere neurologische Erkrankungen als Differentialdiagnose in Erwägung gezogen werden. 8. Sexuell übertragbare Erkrankungen Nach der HIV-Epidemie in den 1980er Jahren und einem Rückgang der sexuell übertragbaren Krankheiten spricht die Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Krankheiten (DSTIG) inzwischen wieder von einem Comeback der Geschlechtskrankheiten. Die Neuinfektionen mit HIV mit etwa 3000 Fällen bundesweit pro Jahr – und seit Jahren konstant – sind die niedrigsten in der Welt. In den letzten zehn Jahren treten sexuell übertragbare Infektionen jedoch wieder gehäuft auf. Für die anamnestischen Angaben und damit eine Diagnostik ist das Wissen um Inkubationszeiten bedeutsam. Geschlechtskrankheit können schnell nachgewiesen werden. 51 III Häufige Infektionskrankheiten von Migranten von A–Z 8. Sexuell übertragbare Erkrankungen Erkrankung Chlamydieninfektion Gonorrhoe (Tripper) Hepatitis B Hepatitis C Herpes genitalis HIV – Infektion/AIDS Tollwut – Rabies Inkubationszeit 4–30 Tage 2–4 Tage zwischen Infektion und Auftreten der ersten Symptome ca. 2–3 Monate zwischen Infektion und Auftreten der ersten Symptome ca. 6–9 Wochen. 3–10 Tage Das Robert Koch Institut (RKI) informiert: ... „Spezifische Antikörper gegen HIV können in der Regel 2–10 Wochen nach erfolgter Infektion erstmalig nachgewiesen werden. Bei fehlendem Antikörpernachweis 12 Wochen nach einem vermuteten Infektionsrisiko kann eine Infektion mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden. 6 Tage bis 6 Wochen, meist aber 2 bis 3 Wochen nach der Infektion tritt bei einem Teil der Infizierten ein unspezifisches akutes Krankheitsbild eines viralen Infektes auf. 3 Wochen bis zu einem Jahr Humanes Papilloma Virus (HPV) (Feigwarzen) Lymphogranuloma 7–12 Tage venerum Syphilis (Lues, harter 10–90 Tage Schanker) Die Kombination einer Geschlechtskrankheit und einer HIV-Infektion ist in besonderen Ländern sehr häufig z. B. in Ostafrika, Thailand und den Philippinen. Diese Länder werden z. Zt. bevorzugt von „Sextouristen“ besucht, so dass dem Arzt das Reiseziel seines Patienten oft bei der Diagnostik sehr hilfreich ist! Bei Verdacht auf eine HIV-Infektion muss allerdings beachtet werden, dass der HIV-Test erst später positiv wird. Nachkontrollen im Abstand von Monaten sind erforderlich. Auf jeden Fall sollte ein ungeschützter Sexualverkehr mit Einheimischen besonders in Ostafrika, Thailand und den Philippinen vermieden werden. Kondome schützen nicht nur vor HIV-Infektionen, sondern verringern auch das Risiko einer Ansteckung mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Hinweis: Fetthaltige Gleitmittel oder Spermizide können Latex angreifen und somit zum Einoder Zerreißen eines Kondoms führen. Dies ist auch durch Zäpfchen und Cremes, die zur Behandlung im weiblichen Genitalbereich eingesetzt wurden, möglich. Bei Anwendung von Latexkondomen sollten nur wasserlösliche oder fettfreie Gleitmittel verwendet werden. Die Anwendungsbeschreibungen von Zäpfchen oder Salben sollten gelesen werden! 52 IV Tropenmedizinische Institutionen IV Tropenmedizinische Institutionen Die folgende Auflistung mit Tefefon- und Faxnrn. sollen im Bedarfsfalle eine schnelle Kontaktaufnahme erleichtern: Berlin Institut für Tropenmedizin Berlin (Charite) Spandauer Damm 130, 14050 Berlin Telefon: +49 30 301 166 Fax: +49 30 450-55 39 06 Universitätsklinikum Rudolf Virchow (Infektiologie Charite) Standort Wedding II. Medizinische Abteilung Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Telefon: +49 30 450 55 30 52 Fax: + 49 30 450-55 39 06 Bonn Institut für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn Siegmund-Freud-Straße 25, 53127 Bonn Telefon: +49 228 287-56 73 Fax: +49 228 287-95 73 Dresden Institut für Tropenmedizin Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt Friedrichstraße 41, 01067 Dresden Telefon: +49 351 48 03 801 Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt Zentrum für Infektions-, Reise- und Tropenmedizin Industriestraße 40, 01129 Dresden Telefon: +49 351 856 21 54-2153 Fax: + 49 351 856 21 55 Düsseldorf Tropenmedizinische Ambulanz Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf Telefon: +49 2 11 81 17 031 Fax: +49 211 811 87 52 Hamburg Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359 Hamburg Telefon: +49 40/42 818-0 Fax: +49 40/42 81 84 00 Info: Reisemedizinische Beratung Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359 Hamburg Telefon: 0900-1234 999 (1,80 Euro/Min.) Fax: + 49 40 428 18-340 53 IV Tropenmedizinische Institutionen Heidelberg Department für Infektiologie, Sektion Klinische Tropenmedizin Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg Telefon: +49 6221/56 22 999 Fax: +49 6221/56 54 02 Kiel Zentrum f. angewandte Tropenmedizin u. Infektionsepidemiologie Schiffahrtsmedizinisches Institut der Marine Kopperpahler Allee 120, 24119 Kronshagen (bei Kiel) Telefon: +49 431/-54 09/-17 07/-15 65/-14 53 Fax: +49 431/-54 09/-15 33 Fax: +49 211/81 18 752 Bereitschaftsdienst (ab 16:00 Uhr): +49 431-3 84-0 Leipzig Universitätsklinikum Leipzig Zentrum für Innere Medizin, Med. Klinik IV Fachbereich Infektions- und Tropenmedizin Philipp-Rosenthal-Str. 27, 04103 Leipzig Telefon: +49 341/97 24 971 Fax: +49 341/97 24 979 Zentrum für Reise- und Tropenmedizin Leipzig Städtisches Klinikum St. Georg II. Klinik für Innere Medizin Delitzscher Straße 141, 04129 Leipzig Telefon: +49 341/90 92 619 Fax: +49 341/90 92 629 München Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Universität München Leopoldstraße 5, 80802 München Telefon: +49 89 2180–135 00 Fax: +49 89 33 61 12 Infektions-, Tropenmedizin und Immunschwächeerkrankungen am Krankenhaus München-Schwabing Kölner Platz 1, 80804 München Telefon: + 49 89 30 68-26 01 Fax: +49 89 30 68-39 10 Potsdam Ernst von Bergmann Klinikum, Klinik für Infektiologie und Gastroenterologie, Abteilung für Infektiologie, Infektionsambulanz Charlottenstr. 72, 14467 Potsdam Telefon: +49 331 24 16 273 Fax: +49 331 24 16 220 Rostock Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten Klinik und Poliklinik für Innere Medizin der Universität Rostock Ernst-Heydemann-Straße 6, 18057 Rostock Telefon: +49 381 494-75 11 Fax: +49 381 494-75 09 54 V Literatur und Internet Literatur Tübingen Institut für Tropenmedizin Tübingen Kompetenzzentrum für Baden-Württemberg Wilhelmstraße 27, 72074 Tübingen Telefon: +49 7071 298 23 65 Fax: +49 7071 20 64 99 Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus Paul-Lechler-Straße 24, 72074 Tübingen Telefon: +49 7071/20 60 Fax: +49 7071/2 23 59 Ulm Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik Abteilung Innere Medizin III Sektion Infektiologie und Klinische Immunologie Robert-Koch-Straße 8, 89081 Ulm Oberer Eselsberg Telefon: +49 731 500 45 551 Fax: +49 731 500 45 555 Würzburg Missionarärztliche Klinik Salvatorstraße 7, 97067 Würzburg Telefon: +49 931 791-28 21 Fax: +49 931 791-28 26 V Literatur und Internet Literatur Andro, A. – Cambois, C. – Lesclingand, M. Long-term consequences of female genital mutilation in a European context: Self perceived health of FGM women compared to non-FGM women Soc Sci Med 2014 Feb 6;106C:177–184 epub Con Bose, A. – Terpstra, J. Muslimische Patienten Pflegen Praxisbuch für Betreuung und Kommunikation Springer Verlag, Heidelberg, 2012 Burchard, Gerd-Dieter (Hrsg) Erkrankungen bei Immigranten Diagnostik, Therapie, Begutachtung Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1998 Faduno Korn Geboren im Großen Regen: Mein Leben zwischen Afrika und Deutschland (Buch über das Leben der Autorin in Somalia und die stattfindenen Beschneidungen) Rowohlt Verlag, Reinbeck, 2004 Fahlbusch, Yildirim Türkische Migranten: Kulturelle Missverständnisse Dtsch Arztebl 2003; 100(18): A-1179/B-993/C-928 55 V Literatur und Internet Internet Greifeld, K. Medizinethnologie – Eine Einführung Dietrich Reimer Verlag, Berlin, 2013 Hinz, S. – Keller, A. – Reith, C. Migration und Gesund Beiträge des BKK-Innovationspreises Gesundheit 2003 Mabuse Verlag, Frankfurt a. Main, 2004 Innere Medizin MLP – Duale Reihe – 2. Auflage 2009 Thieme Verlag, Stuttgart, 2009 Maier, T. – Schnyder, U. (Hrsg) Psychotherapie mit Folter- und Kriegsopfern Huber, Bern 2007 Meyer, Christian G. Tropenmedizin – Infektionskrankheiten Ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg, 2000 Moser, C., Nyfeler, D., Verwey, M. (Hrsg.) Traumatisierug von Flüchtlingen und Asyl Suchenden. Einfluss des politischen, sozialen und medizinischen Kontextes Seismo Verlag, Zürich, 2001 Pfleiderer, B. – Bichmann, W. Krankheit und Kultur Einführung in die Ethnomedizin Dietrich Reimer Verlag, Berlin, 1985 Riehm, Julia M. – et al. Zeitschrift: Flugmedizin, Tropenmedizin, Reisemedizin Zum Umgang mit Pesterregern Thieme Verlag 1, 2014 S. 24–29 Internet Allgemeine Informationen Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit www.dtg.org Centrum für Reisemedizin, Düsseldorf www.crm.de Hansaallee 299 D-40549 Düsseldorf Tel.: 02 11-904 29-0 Fax: 02 11-904 29-99 Christine Klapp Mädchen aus fremden Kulturkreisen in Frauenarzt http://www.frauenarzt.de/1/2008PDF/08-04/2008-05-klapp.pdf Kultur- und sprachsensible Versorgung von Migrantinnen und Migranten Rheinisches Ärzteblatt http://www.aekno.de/page.asp?pageId=10722 &noredir=True 56 V Literatur und Internet Internet V Literatur und Internet Internet Beschneidung von Mädchen und Frauen Bundesärztekammer: Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Beschneidung von Mädchen Frauen Genitalverstümmelung (female und genital mutilation) Bundesärztekammer: Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Empfehlungen_Genitalverstuemmelungen_ Genitalverstümmelung (female genital mutilation) 20135.pdf http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Empfehlungen_Genitalverstuemmelungen_ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 20135.pdf Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen Bundesministerium für für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Eine Informationsschrift Ärztinnen und Ärzte... Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,did=3590.html Eine Informationsschrift für Ärztinnen und Ärzte... Kenterich, H. – Utz-Billing, I http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,did=3590.html Weibliche Genitalverstümmelung – Lebenslanges Leiden Kenterich, H. – Utz-Billing, I Deutsches Ärzteblatt – http://www.aerzteblatt .de/archiv/50783/Weibliche-GenitalverstuemmeWeibliche Genitalverstümmelung – Lebenslanges Leiden lung-Lebenslanges-Leiden Deutsches Ärzteblatt – http://www.aerzteblatt .de/archiv/50783/Weibliche-Genitalverstuemme Migranten – Migration lung-Lebenslanges-Leiden Bundeszentrale für politische Bildung – Migration http://www.bpb.de/gesellschaft/migra Migranten – Migration tion/57302/definition Bundeszentrale für politische Bildung – Migration http://www.bpb.de/gesellschaft/migraMalteser Migrantenmedizin tion/57302/definition Berlin – http://www.malteser-migranten-medizin.de/ Malteser Migrantenmedizin München – http://www.malteser-migranten-medizin.de/?id=101251 Berlin – http://www.malteser-migranten-medizin.de/ Oltmer, Jochen: Migration. München – http://www.malteser-migranten-medizin.de/?id=101251 In: Online-Lexikon zur Kultur u. Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. Oltmer, Jochen: Migration. http://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/53946.html In: Online-Lexikon zur Kultur u. Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2012. Statistisches Bundesamt – Migration http://www.bamf.de/DE/Service/Left/Glossahttp://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/53946.html ry/_function/glossar.html?lv2=1364186&lv 3=3198544 Statistisches Bundesamt – Migration http://www.bamf.de/DE/Service/Left/Glossa Migranten und Gesundheit ry/_function/glossar.html?lv2=1364186&lv 3=3198544 Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung des Bundes – Migration und Migranten und Gesundheit Gesundheit Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung Bundes – Migration und (ROBERT KOCH INSTITUT – Statistisches Bundesamt) –des 2008 Gesundheit http://www.gbe-bund.de/gbe10/owards.prc_show_pdf?p_id=11713&p_sprache=D (ROBERT KOCH INSTITUT – Statistisches Bundesamt) – 2008 Knipper, M. – Bilgin, Y. http://www.gbe-bund.de/gbe10/owards.prc_show_pdf?p_id=11713&p_sprache=D Migration und Gesundheit – Konrad Adenauer Stiftung, 2009 Knipper, M. – Bilgin, Y. http://www.kas.de/wf/doc/kas_16451-544-1-30.pdf Migration und Gesundheit – Konrad Adenauer Stiftung, 2009 Dr. Frank Kressing – „Krankheit und Tod im Islam“ http://www.kas.de/wf/doc/kas_16451-544-1-30.pdf Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm Dr. Frank Kressing – „Krankheit und Tod im Islam“ http://www.uni-ulm.de/uploads/media/Krankheit_Tod_Islam.pdf https://www.uni-ulm.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Krankheit_Tod_Islam.pdf Institut fürhttps://www.yumpu.com/de/document/view/28268095/krankheit-sterben-und-tod-imGeschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm und auch Johanna Jalouschek http://www.uni-ulm.de/uploads/media/Krankheit_Tod_Islam.pdf islam-win-witten Medizinische und kulturelle Perspektiven von Schmerz Johanna Jalouschek Arbeitspapier zum Forschungsprojekt „Schmerzdarstellung und Krankheitserzählung“ http://www.univie.ac.at/linguistics/personal/florian/Schmerzprojekt/downloads/Lalouschek_ Medizinische und kulturelle Perspektiven von Schmerz Arbeitspapier zum Forschungsprojekt „Schmerzdarstellung und Krankheitserzählung“ 2007_Arbeitspapier_SchmerzMedizinischKulturell.pdf http://www.univie.ac.at/linguistics/personal/florian/Schmerzprojekt/downloads/Lalouschek_ Unterschiede in der Inanspruchnahme klinischer Notfallambulanzen durch deutsche 2007_Arbeitspapier_SchmerzMedizinischKulturell.pdf Patienten/innen und Migranten/innen – http://www.ash-berlin.eu/hsl/freedocs/275/berlinerUnterschiede in der Inanspruchnahme klinischer Notfallambulanzen durch deutsche notfallambulanzstudie.pdf): Patienten/innen und Migranten/innen – http://www.ash-berlin.eu/hsl/freedocs/275/berlinernotfallambulanzstudie.pdf): 57 V Literatur und Internet Internet Sprachführer – Übersetzungshilfen in verschiedenen Sprachen Anamnesebögen Der Setzer Verlag bietet in seiner tıp Doc-Reihe fremdsprachige Anamnesebögen im pdf-Format für die Sprachen: Arabisch – Chinesisch – Englisch – Farsisch – Französisch – Griechisch – Italienisch – Japanisch – Koreanisch – Kurdisch – Polnisch – Portugiesisch – Russisch – Serbisch – Spanisch – Türkisch http://tipdoc.de/hauptseiten/download.html Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker Broschüren auf Türkisch und Russisch unter www.bapk.de zum Download BKK-Gesundheitswegweiser für Migranten Broschüre „Gesundheit Hand in Hand“ (in 14 Sprachen zum kostenlosen Bestellen oder unter http://www.bkk-bv-gesundheit.de/bkk-promig/fileadmin/template/download/Gesundheitswegweiser/Wegweiser_Deutsch.pdf) Diabetes – Faltblatt zum Diabetes in türkischer Sprache zum Download http://www.hamburg.de/contentblob/116894/data/diabetes-tuerkisch.pdf Gesundheitswörterbuch – Deutsch – Russisch – Farsi Diakonie Flüchtlingsdienst Integrationszentrum St. Pölin – Österreich http://cms.arztnoe.at/ cms/dokumente/1013370_320394/58af9bec/Gesundheitswoerterbuch%20D%20-%20Farsi%20-%20 Russisch.pdf Gesundheitswörterbuch – Deutsch/Bosnisch/Serbisch/Kroatisch Gesundes Tulln Verein zur Prävention und Rehabilitation von Krankheiten – Tulln an der Donau – Österreich http://www.gesundes-tulln.at/images/GT/pdf/gesundheitswoerterbuch_2010.pdf Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. Fremdsprachige Gesundheitsinformationen – Thematisch sortierte Internetlinks zu fremdsprachigen Gesundheitsinformationen. Die Materialien können direkt aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt werden. http://mige.ix-tech.de/index.php?id=241 Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Kostenlose Broschüren zu Krebs in türkischer Sprache und in anderen Sprachen – Links und Bestellhinweise: https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/broschueren/tuerkische-broschueren.php 58 Autoren Autoren Dr. Manfred Peters Geboren am 1941 in Stolberg/Rheinland, Medizinstudium an der Universitäten Hamburg und Innsbruck in Österreich. 1971 Staatsexamen in Hamburg und Approbation. 1977 Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin mit dem Teilgebiet Lungen- und Bronchialheilkunde. Neben der Weiterbildung wissenschaftliche Arbeit im Forschungsinstitut Borstel (mit tierexperimentellen Studien an atypischen Mykobakterien wie M. intracellulare im Hinblick auf eine neue Kombinations-Chemotherapie der Tuberkulose und Lepra). 1971 Diplom für Tropenmedizin und medizinische Parasitologie am Tropeninstitut Hamburg. 1978 Spezialausbildung am Armed Forces Institute of Pathology in Washington, D.C. im Walter Reed Medical Center. Danach Mitglied in einem Trainingsprogramm über Hansen Disease (Lepra) im US Public Health Service Hospital in Carville, Louisiana, USA. Anschließend Consultant im Gesundheitsministerium in Tripolis, Libyen für Tuberkulose und Lepra. Von 1978 – 1981 als Facharzt tätig an der Klinischen Abteilung des Bernhard-Nocht-Institutes in Hamburg . In dieser Zeit Arbeit in Indien als Leiter einer klinischen Studie zur Behandlung von Leprapatienten an kirchlichen Krankenhäusern in Südindien, Bombay und Calcutta. Anschließend weitere Arbeit an einem Leprakrankenhaus in Karatschi, Pakistan. Von April 1984 bis Oktober 2004 in Hamburg niedergelassen als Internist/Pneumologie und Tropenmedizin. Seit dem Aufkommen der HIV-Infektionen in den frühen 80. Jahren als Schwerpunktpraxis für HIV-Patienten in Hamburg anerkannt. Schließung der Praxis 2004 Danach Auslandaufenthalte als Seniorexperte des SES (Senior Experten Service Bonn) und Schulungsleiter: 2004 in Ghana tätig für das Tropeninstitut Hamburg in einer Tuberkulosestudie am Kumasi Centre for Collaborative Research an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology, 2006 für die Organisation Ärzte für die Dritte Welt in Calcutta, Indien in Ambulanzen gearbeitet. 2007 Januar bis April als German Rotary Voluntary Doctor in Akwatia, Ghana 2007 in einem Krankenhaus für TCM in der Provinz Shandong in der PR China zur Ausbildung einheimischer Ärzte in der modernen Therapie von obstruktiven Lungenerkrankungen. 2009 in Moldova in Soroca an einem Tuberkulose Krankenhaus zur Anleitung des einheimischen Personals bei Neuinfektionen an Tuberkulose und Behandlung von resistenten Tbc Fällen. 2010 Arbeit für Medecins Sans Frontieres in Norduganda. Diese Region nahe dem Sudan – von einer Rebellenarmee verwüstet – hatte viele neue Tb Fälle sowie Patienten mit resistenter Tb. 2012 erneut in der PR China in verschiedenen Krankenhäusern in der Provinz Shandong und Ghanzou zur Schulung der einheimischen Ärzte in der Behandlung von COPD, Asthma bronchiale und Tuberkulose. Wintersemester 2011–2012 Dozent für Klinische Medizin für Medizinstudenten am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Dr. Peter Hermanns Geboren 1945 in Neumünster. Studium der Medizin in Hamburg. Hier 1981 Niederlassung als Allgemeinmediziner in einem Bezirk mit vielen türkischen Patienten. 1986/87 Lehrauftrag für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Marburg. Ab 1995 Niederlassung in München bis 1999. Mehrere Jahre als Deputierter der Gesundheitsbehörde in der Hansestadt Hamburg politisch tätig und u. a. an der Auswahl zur Besetzung von Chefarztstellen des Landesbetriebs Hamburger Krankenhäuser beteiligt. 59 Autoren Langjährige Tätigkeit als Medizinjournalist für Printmedien mit zahlreichen Buchveröffentlichungen; Mitarbeit bei Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seit 1985 Geschäftsführer der Agentur medical text Dr. Hermanns in München und des medizinischen Online-Dienstes www.medical-text.de, der sich mit speziellen Inhalten an Ärzte in Praxis und Klinik wendet. Die Agentur hat zahlreiche Bücher zu Abrechnung, Praxis-Organisation, Diagnostik, Therapie, Praxis- und Klinik-Marketing für Verlage und Pharmafirmen konzipiert und herausgegeben. Im Springer Verlag, Heidelberg sind 2014 Kommentarwerke zu GOÄ, UV-GOÄ, IGeL-Leistungen und zur Alternativen Medizin erschienen. Dr. med. Christine Klapp 1979 Staatsexamen Humanmedizin + Approbation 1978–1988 Assistenzärztin in Gynäkologie und Geburtshilfe, Weiterbildung „Psychotherapie“ Wetzlar + Uni-Frauenklinik Gießen Seit 1988 Berlin: „Arztstunde zur Sexualerziehung“ als Mitglied der ÄGGF e.V. (Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. Gynäkologische Prävention in Schulen u. Frauengruppen) Seit 1993 Wiss. Angestellte Charité Virchow Klinikum. Gynäkologisch-geburtshilfliche und psychosomatische Sprechstunde (Facharzt Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) Seit 2000 Oberärztin an der Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsmedizin Berlin, Charité Virchow Klinikum. Schwerpunkte u. a. Schwangerschaftsdiabetes; „Breaking Bad News“-Seminare etc. Seit 2005 Mitarbeit im Projekt „Mädchen-Sprechstunde“ (Allgemeine Gesprächsführung, Migrantinnen , Essstörungen, Gewalt etc.). Seit 2012 NZFH (Familienministerium) gefördertes Projekt „Babylotse plus“, Risiko-Screening und Unterstützung für psychosozial belastete Familien Impressum medical text Dr. Hermanns, München 2015 Jede Vervielfältigung oder Verwertung dieses Werkes oder von Teilen daraus außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils gültigen Fassung ist ohne Zustimmung der Agentur medical text Dr. Hermanns unzulässig und unterliegt den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Konzeption: medical text Dr. Hermanns, München Kaiserstraße 54, 80801 München Telefon 0 89/170 94 4 83 E-Mail: [email protected] Satz: FotoSatz Pfeifer GmbH, Gräfelfing – Titel: ap35 gmbH, Ulm Druck: le ROUX Druckerei, 89155 Erbach 60