Berufen zu Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

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Berufen zu Gerechtigkeit und Barmherzigkeit
Armin Hoffmann, 05.02.2017
Predigttext: 2. Mose 3,1-14
Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian
Liebe Gemeinde,
So alltäglich, beginnt der Predigttext für den heutigen Sonntag – ein Abschnitt aus dem 2. Buch
Mose. Diesem Satz voraus geht eine ganz ungewöhnliche Kindheits-und Jugendgeschichte
dieses Schafhüters.
Als ausgesetztes Kind israelitischer Eltern war Mose eines Tages von der Pharaonentochter,
die am Nilufer badete, gefunden worden. Diese nahm ihn mit in den Palast des Pharao.
Während seine Landsleute als Sklaven unter unsäglichen Qualen dem ägyptischen Pharao zu
Diensten stehen mussten, um dessen großmannsüchtigen Baupläne zu verwirklichen und
Residenzen aus dem Boden zu stampfen, genoss Mose in behüteter Umgebung eine höfische
Erziehung. Wie ein junger Prinz geht Mose eines Tages unter den Sklaven spazieren und
erschlägt – empört über die Unterdrückung seines Volkes - einen ägyptischen Aufseher, der
sich an einem der Israeliten vergriffen hatte. Dafür erntet er aber sogar bei seinen eigenen
Leuten nur Misstrauen und muss fliehen in die Weiten der östlichen Steppengebiete. An einer
Oase, auf die er stößt, kommt es dann zu einer heftigen Szene: sieben Mädchen wollen am
Brunnen Wasser für das Vieh ihres Vaters holen, werden aber von Hirten verdrängt. Da springt
Mose den Mädchen bei. Der Vater der Mädchen wundert sich, dass seine Töchter so früh nach
Hause kommen. Er erfährt von dem Mann, der ihnen geholfen hatte, und lässt Mose zum Essen
holen. Da Mose nichts Besseres vorhat, bleibt er im Haus des Jitro und heiratet eine seiner
Töchter, die Zippora- und hütet fortan dessen Schafe.
Aber Hören wir weiter den Text aus 2. Mose 3, die Verse 1-14
Und er trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Gottesberg, den Horeb.
2 Da erschien ihm der Bote des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch.
Und er sah hin, und sieh, der Dornbusch stand in Flammen, aber der Dornbusch wurde
nicht verzehrt.
3 Da dachte Mose: Ich will hingehen und diese große Erscheinung ansehen. Warum
verbrennt der Dornbusch nicht?
4 Und der HERR sah, dass er kam, um zu schauen. Und Gott rief ihn aus dem Dornbusch
und sprach: Mose, Mose! Und er sprach: Hier bin ich.
5 Und Gott sprach: Komm nicht näher. Nimm deine Sandalen von den Füssen, denn der
Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.
6 Dann sprach er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und
der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Angesicht, denn er fürchtete sich, zu Gott hin zu
blicken.
7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr
Schreien über ihre Antreiber habe ich gehört, ich kenne seine Schmerzen. 8 So bin ich
herabgestiegen, um es aus der Hand Ägyptens zu erretten und aus jenem Land
hinaufzuführen in ein schönes und weites Land, in ein Land, wo Milch und Honig fließen,
in das Gebiet der Kanaaniter und der Hethiter und der Amoriter und der Perissiter und
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der Chiwwiter und der Jebusiter.
9 Sieh, das Schreien der Israeliten ist zu mir gedrungen, und ich habe auch gesehen, wie
die Ägypter sie quälen.
10 Und nun geh, ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, heraus aus
Ägypten.
11 Mose aber sagte zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten
aus Ägypten herausführen könnte?
12 Da sprach er: Ich werde mit dir sein, und dies sei dir das Zeichen, dass ich dich
gesandt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr an diesem
Berg Gott dienen.
13 Mose aber sagte zu Gott: Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage: Der Gott
eurer Vorfahren hat mich zu euch gesandt, und sie sagen zu mir: Was ist sein Name?
was soll ich ihnen dann sagen?
14 Da sprach Gott zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und er sprach: So sollst
du zu den Israeliten sprechen: Ich-werde-sein hat mich zu euch gesandt.
Liebe Gemeinde,
inmitten der alltäglichen Arbeit erlebt Mose Ungewöhnliches, eine merkwürdige Situation, in der
ihm Gott in den Weg tritt.
An den letzten Sonntagen, in der Ephanias-Zeit haben wir uns mehrmals damit beschäftigt, wie
Gott sich den Menschen offenbart, wie er in ihr Leben tritt, wie er seine Menschen zu
ungewöhnlichem Handeln herausfordert.
Bei jeder Gottesbegegnung, die wir uns näher angesehen haben, erkannten wir , dass Gott sich
durch Menschenzugewandheit, Liebe und Barmherzigkeit auszeichnet- und dass dies auch in
der Antwort des Menschen auf seinen Ruf, in dessen Handeln deutlich wird: Der Mensch wird
zu vertrauendem, beherzten, barmherzigen Handeln gerufen; Es kommt darauf an, in einer
dunklen, unbarmherzigen Welt ein helles Zeichen der Liebe, der Hoffnung und des Glaubens
aufzurichten
Aber sehen wir uns die Berufungsgeschichte des Mose erst einmal näher an:
Auf dem Weg mit seinen Tieren zu Futterplätzen erlebt er in der Mittagshitze der Wüste einen
eigenartigen Vorgang. Er sieht in der Gluthitze einen brennenden Dornbusch, der aber nicht
verbrennt. Was für ein Symbol! Die Hitze lässt die Luft über dem heißen Sand flirren. Alles
scheint zu brennen – nicht zuletzt der eigene Kopf. Mose scheint ein wacher aufmerksamer
Mensch zu sein, der wenig furchtsam den Dingen auf den Grund gehen will.
Da erfährt er die Anrede Gottes: „Mose“ und antwortet: „Hier bin ich.“ Die Wüsten-Einöde wird
zu einem heiligen Ort, an dem ein Mensch, die Stimme des Allmächtigen vernimmt. Dass dieser
die Schuhe auszieht und das Angesicht bedeckt versteht sich von selbst.
Der, der hier ganz unmissverständlich eine Beziehung zu Mose beginnt, ist dem Mose
eigentlich unbekannt. Er hat wahrscheinlich bis dahin kaum realisiert, wiesehr der Gott seiner
Väter bereits in sein Leben eingegriffen, den kleinen Mose bewahrt, den erwachsenwerdenden Mose beschützt und gesegnet hat.
Aber an diese Lebensgeschichte knüpft Gott an: Er ist der Gott seiner Väter, der Gott seines
Volkes.
Er hat das Elend seiner Menschen gesehen; er hat ihr Klagen gehört; ihre Leiden gehen ihm zu
Herzen. Gott hat ein brennendes Interesse an der Rettung des bedrohten Lebens seiner
Menschen und braucht dazu einen wie Mose. So mündet Gottes Rede in die Beauftragung des
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Mose, das Volk Gottes aus der Knechtschaft in Ägypten zu retten.
Und Mose? Zusätzlich zur Frage „Wer bist Du, Gott, beschäftigt ihn auch die Frage „Wer bin
ich? dass Du mir diesen Auftrag erteilst; kann ich dem überhaupt genügen.“ Mose scheint ein
Mensch mit sehr wachen Sinnen und Wahrnehmung zu sein, ein Mensch der Situationen
angemessen beurteilen kann und Entscheidungen aus dem herzen heraus zu treffen vermag,
furchtlos für andere eintritt – aber dabei eben auch Fehltritte macht; und Mose begreift, dass mit
dieser Auftragserteilung, Gottes guten Willen für sein Volk in die Tat umzusetzen, die Befreiung
aus der Knechtschaft zu erwirken, auch Gottes Liebe und Erbarmen für ihn, Mose,
eingeschlossen sein muss, damit er Kraft für diesen Weg ins Ungewisse erhält.
Er muss wissen, wer dieser Gott für ihn persönlich sein will, wie er ihn ansprechen kann, und
vor allem,
mit welchem Namen Gott fortan für sein Volk ansprechbar sein wird, damit die gerade
begonnene Beziehung nicht abbricht, dass sie wiederhergestellt, erneuert werden kann,
dass sie auch von den anderen Volksgenossen erfahren werden kann- und dass die anderen
dem Mose seine Berufung abnehmen, glauben können.
Gott, der der Gott der Geschichte mit den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob ist und auf den
sich viele von und vor ihnen berufen haben, der antwortet auf die Frage nach seinem Namen
mit den Worten:
„Ich bin, der ich bin, der ‚ich bin da‘.“ – „ich werde sein, der ich sein werde.“ – „ich werde für
dich wirksam sein.“
In direkter, ansprechbarer und erfahrbarer Weise will Gott bei seinen Menschen sein, will die
Beziehung zu ihnen halten; sie können sich auf ihn berufen, ihm vertrauen, seiner ständigen
Gegenwart gewiss sein: Ich bin der ich bin da.
Sie sollen gewiss sein: Er hat sich an sein Volk gebunden: er existierte in seiner Zuwendung
schon gestern, er existiert heute und er wird morgen existieren. Er ist der rettende Gott, der im
Leben der Menschen und besonders in aussichtlosen Situationen seine Hilfe erweist.
Können Menschen -auch nach Mose- so von Gott angesprochen und berufen sein, eine solche
Beziehung zu Gott erleben und aufrechterhalten? Von ihm zu einem Handeln aufgerufen
werden, das Gottes Barmherzigkeit und Liebe zu den Menschen bezeugt, ihnen Gutes, heil und
Segen für ihr Leben bringt,
sie von alten, menschenverachtenden Wegen abbringt und neue Perspektiven der Freiheit,
Gerechtigkeit und Liebe eröffnet?
Wir haben gesehen, dass Jesus Christus genau diese Berufung in einzigartiger Weise gelebt
hat und von vielen bezeugt immer wieder für andere erfahrbar gemacht hat.
Wie innig seine Beziehung zu dem Gott seiner Väter, dem „Ich bin da“war, haben viele
gesehen.
Aber auch Petrus beispielsweise hat diese Erfahrung gemacht, von dem wir am letzten Sonntag
hörten, wie er auf Jesu Aufforderung, ihm über das Wasser zu folgen, vertrauensvoll einging
und erlebte, dass Jesus ihm die rettende Hand hinstreckte, als das Vertrauen in den Wirren des
Sturmes verlorengegangen war. Petrus erlebte, Gott beruft oft dazu sich noch ein Stück weiter
über das Gewohnte, Bekannte hinaus zu wagen.
Um der Menschen willen, die er retten und bewahren will, damit sie sein Reich der
Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit sichtbar machen und erleben, lässt sich der Gott der
Väter Israels, der Gott des Mose, der Vater Jesu Christi, immer wieder darauf ein, Menschen zu
berufen auf besondere Wege, und so für Gottes Sache einzutreten.
Ein Mensch, der so im Auftrag Gottes handelt, kann nicht Menschenverachtung, Ausgrenzung
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und Abschottung propagieren, wird nicht ignorant sein gegenüber Verfolgten, Versklavten,
Entrechteten Schutzsuchenden. Den werden die Armut und der Hunger seiner Zeitgenossen
umtreiben, der wird nach Güte, Gelassenheit und Barmherzigkeit streben und entsprechende
Lösungen suchen.
Viele Christen in den U.S.A. fühlen sich derzeit zu besonderem Wachsein gegenüber dem
Handeln der Regierung, zum Beten und zur Bereitschaft sich für Gottes Sache einzusetzen
herausgefordert.
Der sozialkritische christliche Vordenker, der US-Amerikaner Jim Wallis, schreibt z.B. kürzlich in
einem10-Punkte Statement zur aktuellen Lage: „Wir werden den Glauben vertiefen: Diese
Zeiten verlangen von uns einen moralischen Kompass. Es reicht nicht, einfach zu glauben. Es
braucht tätige Praxis. Nötig ist Mut, aber auch Demut. Lesen und studieren wir die Worte von
Jesus. Folgen wir einem multiethnischen und global orientierten Glauben. Wie der Prophet
Micha sagt: Praktiziere Gerechtigkeit, liebe die Güte und folge Gott in Demut.“ Und er führt
dann aus, wie das konkret in der jetzigen Situation aussehen könnte, nämlich: „die Wahrheit
betonen, dem weißen Nationalismus wehren, die Nachbarn vor Hassreden schützen, Fremde
willkommen heißen, die religöse Freiheit verteidigen, gegen die Frauenfeindlichkeit kämpfen,
grundlegende Werte verteidigen und vor allem aufeinander hören und aufeinander eingehen.“
Ich denke damit drückt er aus was dieser Gott, der durch Jesus von Nazareth neu mit uns
Menschen in Beziehung getreten ist, mit uns Menschen vorhat. Im Neuen Testament, in den
Evangelien, können wir erfahren: Gott will uns in ein sinnvolles Leben führen in dem Frieden,
Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung eine Schlüsselrolle einnehmen. Diejenigen,
die sich auf diesen Gott besinnen, sollten dies als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen.
Der „Ich bin da“ will mitten in unserem privaten Leben dabei sein – auch da, wo durch
Schicksalsschläge unsere Lebensgrundlagen bedroht sind. Er will Mut machen und trösten und
die Schuld und Angst von unseren Schultern nehmen. Nicht Hass und Ausgrenzung machen
das christliche Leben wertvoll, sondern Zuwendung und Verantwortung im vielfältigen
Miteinander.
Gemeinsam mit anderen Christen wagen wir also weiter den wachsamen aber auch furchtlosen
Blick in die Welt, die Wahrnehmung des Nächsten und des Fernen
Und seien wir im Alltag jederzeit bereit zu einer möglichen besonderen Beauftragung durch ihn,
den Höchsten, der uns so nahe ist, wie unser Atem. Amen
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