Kapitel 10: Zwischenmolekulare Wechselwirkungen

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Kapitel 10:
Zwischenmolekulare Wechselwirkungen
Übersicht:
10.1 Die Bedeutung zwischenmolekularer
Wechselwirkungen
10.2 Multipolentwicklung der molekularen
Ladungsverteilung
10.3 Systematik langreichweitiger Wechselwirkungen
10.4 Elektrostatische Wechselwirkungen zwischen
permanenten Multipolmomenten
10.5 Induzierte Wechselwirkungen
10.6 Das Lennard-Jones-Potential
10.7 Einfang-Reaktionen: klassische Langevin-Theorie
Literatur:
A. Stone, Theory of Intermolecular Forces, Oxford University Press 2013
J.O. Hirschfelder, W.J. Mead, The Nature of Intermolecular Forces, Adv. Chem.
Phys. 12 (1967), 3
10.1 Die Bedeutung zwischenmolekularer Wechselwirkungen
Als zwischenmolekulare Wechselwirkungen bezeichnet man langreichweitige
elektrische Kräfte zwischen Molekülen, die von der uneinheitlichen Verteilung der
Ladung in den Molekülen herrühren.
Zwischenmolekulare Wechselwirkungen spielen eine wichtige Rolle in einer Reihe
von chemischen Zusammenhängen:
• Die Existenz kondensierter Phasen (Flüssigkeiten, Feststoffe) und das
Auftreten von Phasenübergängen
• Stoffeigenschaften wie Schmelz- und Siedepunkt; Verdampfungswärmen,
Viskosität und Oberflächenspannung von Flüssigkeiten; reales Verhalten
von Gasen, etc.
• Langreichweitige Wechselwirkungen innerhalb grosser (Bio-) Moleküle
prägen deren Tertiär- und Quartärstruktur
• Sie prägen auch die Dynamik chemischer Reaktionen im Eingangs- und
Ausgangskanal (d.h. am Beginn und am Ende des reaktiven Stosses). Die
Dynamik und Kinetik von Reaktionen ohne Aktivierungsbarriere wird i.A.
durch langreichweitige Wechselwirkungen vollständig dominiert (sog.
Einfangprozesse).
10.2 Multipolentwicklung der molekularen Ladungsverteilung
Auf fundamentalster Ebene bestehen Moleküle aus
positiv geladenen Atomkernen und negativ geladenen
Elektronen. Da die Verteilung der Ladungsträger im
Molekül nicht einheitlich ist, ergibt sich eine inhomogene
Ladungsverteilung im Molekül.
Um die Wechselwirkungen zwischen Molekülen
aufzuschlüsseln, wird die molekulare
Ladungsverteilung in eine Summe elektrischer
Ladungsverteilung in Cytosin:
rot: positive Partialladung,
Multipole zerlegt (Multipolentwicklung):
blau: negative Partialladung
+
=
+
+
-
+
+
+
+
Ladungsverteilung = Monopol + Dipol
+
+ Quadrupol
+
+
-+
-
+
Oktupol
+
....
+
....
Die Multipole charakterisieren die räumliche Verteilung der Ladungen im Molekül
Nur das erste von Null verschiedene Multipolmoment ist unabhängig von der Wahl
des Koordinatensystems. Als Koordinatenursprung für die koordinatenabhängigen Multipole wird konventionsgemäss der Molekülschwerpunkt gewählt.
10.2.1 Multipolmomente
Das Monopolmoment ist die gesamte Ladung q des Moleküls:
q=
X
i
qi =
K
X
j=1
Zj e
Ne
Ladung von N
Elektronen
Elementarladung
e=1.602.10-19 C
(10.2.1)
Summe über alle
Summe über K
Kerne und Elektronen
Kerne
Ladung von
Ladungszahl
Teilchen i
von Kern j
Das Dipolmoment (oder auch ) für zwei entgegengesetzte Ladungen ±q mit
Abstandsvektor ~r ist definiert als:
-
~r
+
(10.2.2)
Verallgemeinert auf N Ladungsträger mit Ladungen qi :
(10.2.3)
Das Dipolmoment ist ein Vektor und zeigt immer vom negativen zum positiven
Ladungszentrum. Einheit: [μ]=[Cm]=[D] (D ... Debye, 1 D = 3.336.10-30 Cm).
Eine Anordnung von zwei Paaren mit entgegengesetzten Punktladungen
erzeugt ein Quadrupolmoment Θ. Θ ist eine 3x3-Matrix (ein Tensor). [Θ]=[C m2].
2 2
3
2
3xi
ri
3xi yi
3xi zi
X
1
+
3yi2 ri2
3yi zi 5
⇥=
qi 4 3yi xi
2
i
3zi xi
3zi yi
3zi2 ri2
-+
+
-
+
mit ri2 = xi2 + yi2 + zi2
(10.2.4)
(ri ... Koordinate von Ladungsträger i)
Man sieht sofort, dass die Spur (die Summe der Diagonalelemente Θxx, Θyy und
Θzz) des Quadrupoltensors verschwindet:
def
Spur(⇥) = ⇥xx + ⇥y y + ⇥zz
1X
=
qi 3xi2 ri2 + 3yi2 ri2 + 3zi2 ri2
2
i
3X
=
qi xi2 + yi2 + zi2 ri2 = 0
2
i
(10.2.5)
10.2.2 Erlaubte permanente Multipolmomente in Abhängigkeit
der Symmetrie des Moleküls
Tiefe Symmetrie (max. 2-zählige Rotationsachse und/oder Spiegelebene): alle Multipolmomente Bsp: H2O, CH2Cl2, C2H5OH, praktisch alle biologischen Moleküle
lineare Moleküle:
a) ohne Inversionszentrum: alle Multipolmomente
Bsp.: HCl, HCN, NO, CO, ...
b) mit Inversionszentrum: nur 2m-Pol-Momente mit m gerade (m=2: Quadrupol,
m=4: Hexadekapol,...).
Bsp.: N2, O2, Cl2, HCCH, CO2, ...
Tetraedrische Moleküle: niedrigstes erlaubtes Moment: Oktupol (m=3)
Bsp.: CH4, CCl4, ...
Oktaedrische Moleküle: niedrigstes erlaubtes Moment: Hexadekapol (m=4)
Bsp.: SF6
Ikosaedrische Moleküle: niedrigstes erlaubtes Moment: 64-Pol (m=6)
Bsp.: C60
Einführung in die Physikalische Chemie
K1-2 Zwischenmolekulare Wechselwirkungen
Die zwischenmolekularen Kräfte werden in
elektrostatische
Die zwischenmolekularen
Kräfte werden inKräfte unterteilt:
induzierte - dispersive
Einführung in die Physikalische Chemie
elektrostatische - induzierte
- dispersive
K1-2 Zwischenmolekulare
Wechselwirkungen
10.3 Systematik
langreichweitiger Wechselwirkungen
Kräfte unterteilt:
Die zwischenmolekularen Kräfte werden in
elektrostatische - induzierte
- dispersive
Langreichweitige, nicht-kovalente Wechselwirkungen
zwischen
Molekülen
Kräfte unterteilt:
oder zwischen Teilen des selben
Moleküls, zwischen denen keine kovalente
Bindung besteht, können in drei Kategorien unterteilt werden:
•
Elektrostatische Wechselwirkungen: WW zwischen
permanenten (statischen) Multipolmomenten von Molekülen
•
Induzierte Wechselwirkungen: ein Molekül mit permanenten
Multipolmomenten induziert in einem anderen Molekül
elektrische Multipole. Die resultierende WW ist immer
anziehend.
•
Dispersionswechselwirkungen: WW durch Induktion von
temporären Multipolen in Molekülen, auch in Abwesenheit
statischer Felder. Temporäre Multipole entstehen in jedem
Atom oder Molekül durch Fluktuationen der
Ladungsverteilung, die durch die ständige Bewegung der
Kerne und Elektronen verursacht werden. Die temporären
Multipole induzieren wiederum Multipole in einem
naheliegenden Molekül, was zu einer schwachen
anziehenden WW führt.
Grundsätzliche Überlegungen am Beispiel der Coulomb-Wechselwirkung zwischen Ionen:
10.4 Wechselwirkungen zwischen permanenten Multipolmomenten
Die Wechselwirkungsenergie (das Wechselwirkungspotential V) zwischen den
permanenten Ladungsverteilungen zweier Moleküle kann in eine Summe von
Wechselwirkungen zwischen den permanenten Multipolmomenten
aufgeschlüsselt werden:
X Vn
(10.4.1)
V (R) =
n
Abstand zwischen
R
n
Multipolen
n=m1+m2+1 ist der Wechselwirkungindex für
die Wechselwirkung zweier Multipolmomente
mit Ordnungen 2m1 und 2m2, Vn ist der
Wechselwirkungskoeffizient.
+
=
+
+
-
+
+
+
=
+
+
-
+
....
+
-
+
+
-
m
Ordnung 2
Ladung (L, Monopol)
0
1
Dipol (D)
1
2
Quadrupol (Q)
2
4
-
+
-
Multipolmoment
+
....
Wechselwirkung
WW-Index n
L-L
1
L-D
2
L-Q
3
D-D
3
D-Q
4
Q-Q
5
Grundsätzlich sind die WW zwischen permanenten Multipolen stark von deren
Orientierung zueinander abhängig. Die Orientierungen werden jedoch durch
die thermische Bewegung (Rotation) der Moleküle ausgemittelt.
Wechselwirkungen zwischen permanenten Multipolen:
WW
Ladung-Ladung
Ladung-Dipol
Dipol-Dipol
Dipol-Quadrupol
Quad.-Quad.
Dispersion
typische
Abstandsabhängigkeit
Energie/
der pot. Energie
kJ mol
1/R
1/R
1/R
1/R
1/R
1/R
1/R
1/R
1/R
250
15
2
<1
<1
<<1
<<1
<<1
1
Bemerkung
zwischen starren polaren Molekülen
zwischen rotierenden polaren Molekülen
zwischen starren Molekülen
zwischen rotierenden Molekülen
zwischen starren Molekülen
zwischen rotierenden Molekülen
zum Vergleich, s. Abschn. 10.5
Bsp.: explizite Herleitung der Ionen-Dipol-Wechselwirkung → Tafel
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Paar-Wechselwirkungspotentiale zwischen permanenten
Multipolen zweier linearer Moleküle. Annahme: beide
Moleküle besitzen Ladung q, Dipolmoment μ(≣D) und
Quadrupolmoment Θ (s. Abb.). Falls eines der Moleküle
gewisse Multipolmomente nicht besitzt, fallen die
:
;
betreffenden Terme in den Formeln weg.
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WW-Typ
starre Orientierung
thermisch gemittelt
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q1 q2 1
V =
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Ladung-Ladung
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V 5R 6 &
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V =
4⇡✏0
R2
Ladung-Dipol
1 q12 µ22 + q22 µ21 1
hV i =
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2
4
3
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D
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Ladung-Quadrupol
1 q1 ⇥2 (3 cos2 ✓2
V =
2
1) q2 ⇥1 (3 cos2 ✓1
4⇡✏0
1 q12 ⇥22 + q22 ⇥21 1
1)! 1
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2
6
R3
U*!5 (4⇡✏0 ) kB T R
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!
Dipol-Dipol
Dipol-Quadrupol
V =
3
V =
2 · 4⇡✏0
µ1 µ2 2 cos ✓1 cos ✓2 sin ✓1 sin ✓2 cos
4⇡✏0
n
⇥
µi ⇥2 cos ✓1 (3 cos2 ✓2
⇥
2
µ2 ⇥1 cos ✓2 (3 cos ✓1
1)
m!^#1!:_!!f!oqD'",(@):"!N!q"'D,(@):Dp[!^S#$@,U-_!
1
R3
hV i =
2
µ21 µ22
1
3 (4⇡✏0 )2 kB T R6
!
1)
"a
⇤
2 sin ✓1 sin ✓2 cos ✓2 cos
⇤o 1
2 sin ✓1 sin ✓2 cos ✓1 cos
R4
hV i =
µ21 ⇥22 + µ22 ⇥21 1
(4⇡✏0 )2 kB T R8
Die thermisch gemittelten Ausdrücke sind temperaturabhängig, aber orientierungsunabhängig ! Θ1,2 ist das grösste Element des betr. Quadrupoltensors.
10.5 Induzierte Wechselwirkungen
Induzierte Dipolmomente: ein äusseres elektrisches Feld, beispielsweise
verursacht von einem anderen Molekül in der Nähe, verändert (polarisiert) die
Ladungsdichteverteilung und induziert so ein Dipolmoment D*:
(10.5.1)
Polarisierbarkeitsvolumen
äusseres elektr. Feld
α steht für die Polarisierbarkeit des Moleküls und gibt an,
wie leicht sich die Ladungsverteilung in einem Molekül
verschieben lässt ([α]=[C2J-1m2]) . Die Grösse α’ wird als
Polarisierbarkeitsvolumen bezeichnet ([α’]=[m3]):
↵
0
↵ =
(10.5.2)
4⇡✏0
polares
Molekül
apolares
Molekül mit
induziertem
Dipol
Die Polarisierbarkeit und das Polarisierbarkeitsvolumen ...
• ... sind umso grösser, je grösser das Molekül ist (die Ladungsverteilung lässt
sich leichter verschieben).
• ... sind i.A. richtungsabhängig, also tensorielle Grössen.
Die mit der Induktion von Multipolen verbundene Induktionsenergie setzt sich
zusammen aus dem Energiebeitrag, der aufgewendet werden muss, um die
Ladungsverteilung zu verschieben (Polarisationsenergie) und der
Wechselwirkungsenergie zwischen dem induzierten und dem induzierenden
Multipolmoment.
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Induktionsenergien für istotrop polarisierbare lineare
Moleküle. Die Formeln gelten für die Induktions-WW von zwei
Molekülen, die jeweils Ladung sowie zusätzlich permanente
Dipol- und Quadrupolmomente besitzen. Beachte: zusätzlich
existieren noch WW zw. den permanenten Multipolmomenten,
s. vorhergehender Abschnitt.
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WW-Typ
starre Orientierung
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A#$ ? R
thermisch gemittelt
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m!^#1!:_!!f!N!q"'D,(@):D![!^S#$@,U-_!
Ladunginduzierter Dipol
Vind =
1 q12 ↵02 + q22 ↵01 1
2
4⇡✏0
R4
!
hVind i =
1 q12 ↵02 + q22 ↵01 1
2
4⇡✏0
R4
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30F@6$!<@<$'.1!4'3!)0.54.$3!4.!30).4'($!U*!
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m!^#1!:_!!f!oqD'",(@):"!N!q"'D,(@):Dp[!^S#$@,U-_!
perman. Dipolinduzierter Dipol
Vind =
µ21 ↵02 3 cos2 ✓1 + 1 + µ22 ↵01 3 cos2 ✓2 + 1 1
2 · 4⇡✏0
R6
hVind i =
!
µ21 ↵02 + µ22 ↵01 1
4⇡✏0
R6
"a
Die totale Induktionsenergie besitzt die Form (vgl. mit Gl. (10.4.1)):
Vind (R) =
X V (n)
n
ind
R2n
(10.5.3)
mit dem Wechselwirkungsindex n=m1+m2+1 für die WW zwischen den induzierten
Multipolmomenten mit Ordnungen 2m1 und 2m2.
Bsp.:
•
Ladung-induzierter Dipol (“Langevin-Wechselwirkung”):
m1=0, m2=1 n=2 Vind(R) = Vind(2)/R4
•
Permanenter Dipol-induzierter Dipol: m1=1, m2=1 n=3 Vind(R) = Vind(3)/R6
•
Induzierter Dipol-induzierter Dipol (Dispersion): m1=1, m2=1 n=3 Vind(R) = Vind(3’)/R6
Dispersionwechselwirkungen (London-WW): Die ständige Bewegung der
Elektronen und Kerne in einem Molekül verursacht Fluktuationen in der
molekularen Ladungsverteilung und damit das Auftreten von transienten
Multipolmomenten, die Multipolmomente in anderen Molekülen induzieren
können. Die entsprechende Wechselwirkung ist immer stabilisierend und tritt
zwischen allen Typen von Molekülen (und Atomen) auf.
Die wichtigste Form der Dispersions-WW beruht auf der gegenseitigen
Induktion von Dipolmomenten (London-Formel):
Vdisp =
3 IE1 IE2 0 0 1
↵1 ↵2 6
2 IE1 + IE2
R
(10.5.4)
mit den Ionisationsenergien IE1 und IE2 der beteiligten Moleküle.
Dispersion wird auch als van-der-Waals (vdW)-Wechselwirkung bezeichnet.
Die Verwendung dieses Begriffs ist jedoch nicht einheitlich, manchmal ist
damit auch die Summe aller langreichweitigen WW gemeint.
10.6 Das Lennard-Jones-Potential
Die in der Praxis wichtigsten zwischenmolekularen Wechselwirkungen (thermisch
gemittelte Dipol-Dipol-WW, Dipol-induzierter Dipol-WW, Dispersions-WW)
skalieren alle mit R-6 !
Diese WW werden daher in der Praxis oft in einem effektiven Potential der Form
A
V (R) = 12
R
B
R6
zusammengefasst (Lennard-Jones-Potential).
(10.6.1)
Häufig findet man auch die alternative Formulierung:
Kollisionsabstand=Nulldurchgang des Potentials
"✓ ◆
12
V (R) = 4✏
R
Tiefe des Potentials
✓ ◆6 #
R
1/R12
(10.6.2)
Die Tiefe des Potentials ε entspricht dabei der
Bindungsenergie der beiden Moleküle.
Durch Vergleich von Gl. (10.6.1) und (10.6.2) erhält man:
(10.6.3)
A = 4✏ 12 , B = 4✏ 6
Der attraktive Term ist dadurch motiviert, dass thermisch
gemittelte Dipol-WW, induzierte Dipol-WW und Disper-ε
6
sions-WW alle mit 1/R variieren.
σ
R
Req
-1/R6
Der repulsive Term ist ein Versuch, das exponentielle Abklingen der
Elektronenwellenfunktionen mit dem Abstand zu modellieren. Er wird manchmal
durch eine Funktion der Form exp(-c.R) ersetzt.
Einige Faustregeln:
• Die Potentialtiefe ε skaliert mit der Polarität der Moleküle (permanente
elektrostatische WW ∝ R-6).
• Für nicht-polare Moleküle skaliert ε mit ihrer Grösse (Polarisierbarkeit →
Dispersions-WW).
10.7 Einfang-Reaktionen: klassische Langevin-Theorie
Existieren keine Barrieren
entlang dem Reaktionspfad auf
der Potentialfläche, so ist die
Zentrifugalbarriere der
limitierende Faktor. Die Reaktion
kann nur stattfinden, wenn die
Kollisionsenergie Ec grösser als
die Höhe der Barriere ist.
Effective potential VeffL(R)
Einfang-Prozesse sind chemische Reaktionen, die durch langreichweitige
Wechselwirkungen dominiert sind. Jeder erfolgreiche Stoss führt zur Reaktion:
die Reaktion findet mit 100%iger Wahrscheinlichkeit statt, sobald die
Reaktionspartner sich nahe genug gekommen sind.
Zentrifugalbarriere
Kollisionsenergie
VeffL(R
(Rmax
max))
ECK
0
Rmax
Internuclear distance R
Figure 1.2:
A schematic
of Vund
R fordie
an inter-particle
potential V that
Gemäss Gl. (9.2.9) hängt das effektive
Potential
Vplot
damit
Höhe der
ef f against
L(R)
≠s
scales asymptotically with R where s > 2. The maximum in the potential is known
Zentrifugalbarriere vom Kollisionsdrehimpuls
ab: and occurs at Rmax with a height of Vef f (Rmax). Also
as the "centrifugal barrier",
indicated is the asymptotic kinetic energy E
of an incoming system. A criterion for
K
1 L2
access to short-range is that EK |R=R
Ø 0, or equivalently, EK Ø Vef f (Rmax ).
VL (R) =
+
V
(R)
(10.7.1)
2 µR2
Der Kollisionsdrehimpuls hängt viawith
Gl. (9.2.7) mitC dem Stossparamter
zusammen:
DET b2 -~ = L = µv b
ET ≠ V (Rmax ) ≠ 2
= 0.
(1.10)
|L|
(10.7.2)
max
Rmax
b=bmax
Für eine gegebene Kollisionsenergie gibt es also einen maximalen
Kollisionsdrehimpuls Lmax und damit assoziierten maximalen Stossparamter bmax,
für den gilt:
VL (bmax ) = Ec
(10.7.3)
Der totale Stossquerschnitt (=Reaktionsquerschnitt) berechnet sich dann via:
2
= ⇡bmax
(10.7.4)
und die entsprechende Geschwindigkeitskonstante gemäss (s. Gl. (9.1.6))
mit v (Ec ) =
p
k = v (Ec )
(10.7.5)
2Ec /µ der Relativgeschwindigkeit bei der Kollisiensenergie Ec.
Viele Ionen-Molekül-Reaktionen sind Einfangprozesse, die diesem Schema
gehorchen. Ist das langreichweitige Potential V(R) durch die Ladung-induzierter
Dipol-(“Langevin”-) Wechselwirkung dominiert (s. Abschn. 10.5)
1 ↵0 e 2 1
V (R) =
(10.7.6)
4
2 4⇡"0 R
so erhält man aus den Bedingungen Gl. (10.7.3)-(10.7.5) den LangevinReaktionsquerschnitt und -Geschwindigkeitskonstante (s. Übung 9):
(10.7.7)
(10.7.8)
Beachte: Die Langevin-Geschwindigkeitskonstante ist unabhängig von der
Kollisionsenergie und damit von der Temperatur !
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