Name: Adrian Haack Martikelnummer: Heimatuniversität: Leibniz Universität Hannover Programm: Erasmus Zeitraum: März-Juni 2011 Gastuniversität: Collegium Civitas Stadt: Warschau Erfahrungsbericht Einleitung Mein Name ist Adrian Haack, ich studiere Politikwissenschaften an der Leibniz Universität Hannover und habe das 6. Fachsemester an einem Erasmus-Austausch nach Warschau am Collegium Civitas teilgenommen. Der folgende Erfahrungsbericht enthält allgemeine Informationen über die Stadt, die Gastuniversität und organisatorische Hinweise. Leben in Warschau Warschau hat eine schöne Altstadt, der Kulturpalast ist beeindruckend (wenn auch nicht schön) und es gibt einige großartige Parkanlagen und interessante Museen – das war es. Als ich Ende Februar (das Klima ist spührbar kälter) in Warschau eingetroffen bin war ich etwas enttäuscht. Die Stadt ist laut, dreckig, hecktisch und grau. Die Menschen lächeln im Winter nicht und die sozialen Probleme des Landes sind auf der Straße deutlich sichtbar. Zu einem touristischen Besuch würde ich auch nach dem Aufenthalt niemandem raten. Man muss die Vorzüge der Stadt wirklich suchen, doch wenn man diese gefunden hat, dann steht einer guten Zeit in Warschau eigentlich nichts mehr im Wege. Wiegesagt hat die Stadt großartige Parks (Pole Mokotowski, Park Lazienkowski) die im Frühling und Sommer wunderschön sind. Man sollte sich gründlich überlegen, ob man zum Wintersemester nach Warschau geht. Ich war im Sommersemester (bzw. in Polen Frühlingssemester) hier und hab von den anderen Studenten eher negative Erfahrungsberichte gehört, wie Warschau im Winter sei. (Park Lazienkowski) Das Nachtleben ist sehr vielfältig und entgegen einiger Gerüchte aus meiner Sicht auch ungefährlich. Was das Feiern angeht sind die Polen beinahe südländisch und ich habe es sehr genossen bei ausgelassener Stimmung die Menschen besser kennenzulernen, auch das gehört meiner Ansicht nach zu einem interkulturellen Austausch dazu. Ein Muss ist dabei "Jakonski Jakonski" in der Altstadt. Preislich sind die Lokale (Bars, Discos usw.) in Warschau 20-40% preiswerter als in Hannover. Ein Bier (500ml) oder der Eintritt für einen Club beläuft sich in der Regel auf 10Pln, was 2,5€ entspricht. Warschau ist natürlich nicht Polen. Bahnreisen sind in Polen im Vergleich zu Deutschland sehr preiswert und Warschau liegt relativ zentral in Polen. Man sollte auf jeden Fall das ein oder andere Wochenende eine weitere Stadt besuchen. Ich selbst war in Torun, Krakau, Breslau und Danzig und war von all diesen Städten begeistert. Wer einen breitrern Eindruck von Polen bekommen möchte, dem kann ich dies nur empfehlen. Ich habe mich geärgert, dass ich erst so spät angefangen habe zu reisen, denn ob nun Krakau, Danzig oder Breslau, wer ein Wochenende dort war kann sich auch gut ein Zweites vorstellen. Was sich ebenfalls lohnt ist eine Fahrt ins Umland von Warschau, wer eine knappe Stunde aus Warschau hinausfährt ist in einer völlig anderen Welt. Der Ländliche Raum ist mit dem in Deutschland nicht zu vergleichen, man fühlt sich wie auf einer Zeitreise, wenn man Bauern mit Pferdepflug auf den Feldern sieht. Collegium Civitas Wer ins Ausland geht darf nicht erwarten, dass alles so ist wie Zuhause. Das Collegium Civitas hat letztlich keine Bibliothek, Räume und Zeiten von Veranstaltungen können sich laufend ändern und es steht den Studenten ein einziger Drucker zur Verfügung. Mehr Negatives gibt es über das Collegium nicht zu sagen. Die angebotenen Studiengänge am CC sind Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaften und schwerpunktmäßig Internationale Beziehungen. Ich selbst studiere Politikwissenschaften, wobei das eigentlich kaum einen Unterschied macht, da die Lehrveranstaltungen fließend ineinander übergehen bzw. auf all diese Studiengänge ausgerichtet sind. Anstatt Modulen gibt es obligatorische Kurse für den jeweiligen Studiengang (3 CP), Wahlkurse (4 CP) und Schlüsselkompetenzen (2 CP). Aus dieser Auswahl kann man sich seinen Stundenplan frei aussuchen und auf Wunsch auch noch Sprachkurse besuchen. -Die Lehrveranstaltungen sind sehr abwechslungsreich und meistens sehr interessant. Ich hatte einen Tanzkurs, einen Kurs über das islamische Rechtssystem, die multikulturelle Gesellschaft der USA, Geschichtskurse über die Weltgeschichte seit 1949, die Europäische Union und den ersten Weltkrieg, und ein sehr interaktives Seminar über Verhandlungstechinken. -Das Lehrpersonal ist sehr gut und spricht perfektes Englisch. Die Vorlesungen von Professor Stola und Doktor Pukas kann ich besonders empfehlen. -Die Räumlichkeiten sind erstklassig. -Noten werden zwar nicht verschenkt, sind aber fair. -Das Unigebäude ist der Kulturpalast (12. Stock). Das höchste Gebäude der Stadt direkt im Stadtzentrum. Wenn man dies mit Deutschland vergleichen möchte, dann hat man im Grunde Vorlesungen im Brandenburger Tor. -Neben den normalen Veranstaltungen gibt es oft Sonderaktionen (bsp.: eine Gastvorlesung des Enkels von Gandhi, Planspiele oder auch Festlichkeiten) (Kulturpalast/ Collegium Civitas) Ich habe im CC viel gelernt und hatte wirklich gute Lehrveranstaltungen dort, doch die Einrichtung selbst hat mich noch mehr beeindruckt. Das CC ist eher klein und hat eine familiäre Atmosphäre, nach zwei Wochen kennt man die Hälfte seiner Mitstudenten und man wird ausgesprochen herzlich integriet. Das Erasmus-Programm soll Menschen aus verschiedensten Nationen zusammenbringen und wer danach sucht ist im CC genau richtig. In den englischen Vorlesungen gibt es vielleicht 10% Polen und der Rest setzt sich aus der gesamten Welt zusammen. Ich war der einzige Deutsche am CC zu dieser Zeit und bin froh, dass ich Freundschaften quer über den Globus schließen konnte. Besonders bewusst wurde mir diese Internationalität des Collegium Civitas, als ich auf einer Feier mit einem Afghanen und US-Americaner, Israeli und Iraner, Russen und Estonen, Inda und Pakistaner war. Ob nun akademische Aspekte und sozial/ inernationale Aspekte für einen selbst im Vordergrund stehen, in beiden Fällen ist man am CC genau richtig. Ich würde mich jederzeit wieder für das CC entscheiden. Organisation (Anfahrt, Unterbringung, Bewerbung, Alltag) Wer sich entscheidet den Austausch nach Warschau zu machen sollte sehr sorgfältig im Vorraus planen. Selbst wenn etwar sicher scheint sollte man immer mit einem Plan B nach Warschau reisen. Was nicht funktioniert ist mit einer deutschen Erwartungshaltung nach Polen zu fahren. Man muss eine innere Gelassenheit entwickeln, ansonsten hat man durchgehend schlechte Laune. Der Busfahrer hat keine Tickets für seinen Bus, Toiletten haben in der Regel keine Vorrichtung um sich die Hände abzutrocknen, Bahnhöfe in Deutschland sind moderner als der Flughafen von Warschau, Öffnungszeiten sind in Polen grobe Richtwerte und wer normalerweise 20 Minuten fürs Einkaufen benötigt sollte sich eine Dreiviertelstunde Zeit nehmen. All das ist Teil der Austauscherfahrung. Unterkunft: Das CC hat weder Plätze in einem der Studentenwohnheime, noch eine Art Erasmus-WG. Man muss auf irgendeine Weise Jemanden finden, der einem hilft. Das International Office des CC leitet einen gerne an einen Mackler weiter, der leistet wohl auch gute Arbeit kostet jedoch. Mir 'half' jemand vom Erasmus-Team vor Ort, was an dieser Stelle unkommentiert bleiben soll. Letztlich hat fast das gesamte Team dieses Semester gewechselt. Wiegesagt, man sollte einen Plan B zur Hand haben, denn 'Keine Sorge, das läuft, es ist alles schon organisiert' heißt in Polen ersteinmal noch nichts und wer darauf vertraut, der kann eigentlich schonmal ein Hostel reservieren. In Zentrumsnähe kann man in der Regel nur in Plattenbauten leben, wenn man moderer untergebracht sein möchte muss man ein wenig Fahrzeit in Kauf nehmen. Im Vergleich zu Hannover sind die Mieten im Schnitt 50-100€ teurer. Ich habe drei Tram-Stationen vom Kulturpalast entfernt gewohnt und für 20m 320€ bezahlt, was in Warschau ein relativ fairer Preis ist. Bewerbung: Die Bewerbung an der Hochschule war eigentlich relativ unkompliziert. Auf der Internetseite des Collegium Civitas findet man alle nötigen Informationen. Besondere Auswahlkriterien gibt es meines Wissens auch nicht. Im Zweifel kann man Fragen auch immer an das International Office des CC mailen, die helfen einem zeitnah und zielführend weiter. Ein großer Vorteil des CC im Vergleich zu vielen anderen Gastuniversitäten ist, dass man komplett auf Englisch studieren kann und sich keine Sorgen zu machen braucht, wenn man die Sprache des Gastlandes nicht beherrscht. Alltag/Anfahrt: Die ersten Tage sollte man sich eine polnische Handynummer anschaffen. Eine Prepaid Sim-Karte bekommt man für sehr wenig Geld an jedem Kiosk. Mit Studentenausweis und einem Passfoto kann man sich eine Dauerkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel anschaffen, anders als in Deutschland gibt es diese nicht umsonst von der Uni, wobei öffentliche Verkehrsmittel in Warschau extrem günstig sind. Ich hatte vorab eine Konto bei der Deutschen Bank eröffnet, da diese vor Ort Filialen hat. Letztlich ist der Wechselkurs der Deutschen Bank jedoch unverschämt und die polnischen Mitarbeiter können nicht auf die Daten der deutschen Kunden zugreifen, folglich ist es sehr teuer und man hat keinerlei Kundenservice. Man kann einfach hohe Barbeträge bei einer polnischen Bank zu einem fairen Wechselkurs abheben und sich mit den 5€ Gebühren anfreunden. Desweiteren ist es für EU-Bürger auch kein Problem ein Girokonto bei einer polnischen Bank zu eröffnen. Einen 'Billigflieger' nach Warschau habe ich nicht gefunden, was jedoch auch nicht wirklich nötig ist. Der Berlin-Warschau Express ist sehr zu empfehlen. Für 30-40€ ist man in weniger als 6 Stunden in Warschau, was preislich und zeitlich sehr gut ist. Fazit Generell kann ich ein Auslandssemester nur empfehlen, unabhänig davon wohin man geht ist es einfach eine großartige Erfahrung und eine Möglichkeit für die wir als Studenten wirklich dankbar sein können. Wer kein Auslandsemester macht, der verpasst wirklich etwas. Mein Fazit für Warschau und das Collegium Civitas fällt etwas getrennt aus. Das Collegium Civitas hat auf ganzer Linie überzeugt. Ich habe eine andere Art des Studienaufbaus kennengelernt, eine neue Sichtweise auf Lehrstoff bekommen und hatte stehts das Gefühl, dass die Dozenten mit Leidenschaft unterrichten. Man studiert über den Dächern der Stadt und ist dabei einer von rund 150 Studenten, was eine sehr persönliche Betreuung mit sich bringt. Wie erwähnt ist die interkulturelle Erfahrung durch die globale Studentenschaft etwas ganz besonderes, was ich so vorher nicht erwartet habe und rückblickend vielleicht sogar das beste am Austausch war. Ein weiterer Pluspunkt sind die Sprachkenntisse die man durch den Austausch verfestigt. Meine Lehrveranstaltungen waren ausschließlich auf Englisch und keiner meiner Mitstudenten konnte Deutsch. Ich war also gezwungen die gesamte Zeit Englisch zu reden und wenn es mal kompliziert wurde bestand auch nicht die Möglichkeit zeitweise ins Deutsche umzuschwenken. Nach der Zeit hier fühlt man sich absolut sicher in Englisch zu kommunizieren. In den ersten Tagen ist die Sprachumstellung noch sehr ungewohnt, doch man wird mit jedem Erfolgserlebnis sicherer. Eine Studienleistung auf Englisch verfassen, in Englisch flirten oder eine mündliche Prüfung auf Englisch – all das bringt mehr als jeder Srachkurs. Warschau ist eine schlechter Ort zum Leben und meine Zeit hier wurde eigentlich nur durch die Freunde die ich hier gefunden habe zu einem positiven Erlebnis. Die Stadt selbst hat eine geringe Lebensqualität und ist nicht umsonst weitesgehend frei von Touristen. Rückblickend bereue ich die Wahl jedoch nicht, denn ich schaue nun mit völlig anderen Augen auf Niedersachsen. Viele Dinge die ich für selbstverständlich gehalten habe weiß ich jetzt erst zu schätzen und vielleicht stimmt es, dass man erst in die Ferne muss um zu wissen wo das eigene Zuhause ist.