Theoretische Physik 1 (Theoretische Mechanik) SS08, Studienziel Bachelor (170 12/13/14) Dozent: J. von Delft Übungen: B. Kubala Übungsblatt 11 Abgabe: 30.06.08 Punkte der Hausaufgaben mit * und ** : Σ11 = 17 Punkte Beispielaufgaben (mittel) Aufgabe 26 : Überkippen eines Würfels Ein homogener Würfel der Kantenlänge a und Masse m gleite zunächst mit konstanter Geschwindigkeit v0 (in x-Richtung) auf einem glatten, reibungsfreien horizontalen Tisch. Vier der Kanten des Würfels seien parallel zur Geschwindigkeit. Eine zur Bewegungsrichtung senkrecht (in zRichtung) verlaufende Schwelle von vernachlässigbarer Höhe stoppe plötzlich die vordere, untere Kante des Würfels, so dass der Würfel nach vorne kippe, und sich im weiteren Zeitverlauf um die Schwelle als “Rotationsachse” dreht. Für die Kollision machen wir folgende Annahmen: (i) Die Kollision des Würfels mit der Schwelle ist inelastisch (d.h. mechanische Energie ist beim Stoß nicht erhalten). (ii) Die von der Schwelle auf den Würfel ausgeübten Kräfte verursachen keine Drehmomente (verschwindender Hebelarm), folglich ändert sich der Drehimpuls um die Rotationsachse nicht (“Drehimpulserhaltung beim Stoss”). (iii) Die Schwerkraft kann für die Dauer des Stoßes ignoriert werden (wie schon in Annahme (ii) geschehen); sie muss aber bei der darauffolgenden Kippbewegung berücksichtigt werden. v1 v0 v0 Schwelle (a) Bestimmen Sie den Trägheitstensor und die Hauptträgheitsmomente des Würfels bezüglich des Schwerpunkts. (b) In welche Richtungen (relativ zu den Flächen des Würfels) kann eine Hauptachse dieses Trägheitstensors zeigen? (c) Zeigen Sie mittels des Steinerschen Satzes, dass das Trägheitsmoment für Drehungen um die durch den Kollisionspunkt verlaufende Rotationsachse durch I = (2/3)ma2 gegeben ist. (d) Im Laufe der Kippbewegung beschreibt der Schwerpunkt des Würfels eine kreisförmige Bewegung um die Rotationsachse. Verwenden Sie Drehimpulserhaltung beim Stoß, um die Winkelgeschwindigkeit ω1 unmittelbar nach dem Stoß zu bestimmen (als Funktion von v0 und a). (e) Finden Sie nun auch die Geschwindigkeit v1 des Schwerpunkts unmittelbar nach dem Stoß. (Hinweis: v1 ist proportional zu ω1 .) Um welchen Betrag vermindert sich die kinetische Energie des Schwerpunkts beim Stoß? (f) Nutzen Sie Energie-Erhaltung während der auf den Stoß folgenden Kippbewegung, um die Grenzgeschwindigkeit v0 = vg zu bestimmen, die die Fälle des Zurückfallens und des Überkippens des Würfels trennt. Aufgabe 27 : Eulersche Gleichungen (mittel) Betrachten Sie einen Quader dessen körperfestes Koordinatensystem (x1 , x2 , x3 ) so gewählt ist, dass Ursprung und Schwerpunkt des Quaders zusammenfallen und die Koordinatenachsen parallel zu den Quaderachsen verlaufen. Die Kantenlängen des Quaders seien 2a in x1 -Richtung, 4a in x2 -Richtung und 6a in x3 -Richtung. Die Hauptträgheitsmomente werden im Folgenden mit I1 , I2 , und I3 bezeichnet (Ii ist Trägheitsmoment zur Achse xi ). Auf den Körper sollen keine Drehmomente wirken. Zum Zeitpunkt t = 0 drehe sich der Quader mit einer Winkelgeschwindigkeit ω0 um eine Achse, die in der (x1 , x3 )-Ebene liegt, und die mit der x1 -Achse einen Winkel α mit cos α = 5/8 einschließt. Für diesen Fall kann man die Bewegung der Drehachse im Körper explizit bestimmen. Gehen Sie dazu in den folgenden Schritten vor: (a) Berechnen Sie die Hauptträgheitsmomente I1 , I2 , und I3 . Ergebnis: I1 = 13 ma2 , 3 I2 = 10 ma2 , 3 5 I3 = ma2 . 3 x3 ω0 (b) Stellen Sie die (drei) Eulerschen Gleichungen auf. (c) Zeigen Sie durch Zusammenfassen der zweiten und dritten Gleichung (für ω̇2 und ω̇3 ), dass 3ω22 +4ω32 = const, also 6a dass die Projektion der Drehachse auf die (x2 , x3 )-Ebene eine Ellipse beschreibt. Unter Verwendung der Anfangsbedingung können Sie deshalb schliessen, dass man mit einem Parameter φ die Bewegung von ω2 und ω3 folgen2a dermaßen beschreiben kann: √ √ 13 39 ω0 sin φ, ω3 = ω0 cos φ. ω2 = 4 8 (d) Zeigen Sie mit den Eulerschen Gleichungen, dass dann gilt: α x2 4a x1 5 ω1 = − √ φ̇. 2 3 (e) Schließen Sie aus der bislang noch nicht verwendeten 1. Eulerschen Gleichung und den Anfangsbedingungen, dass φ die folgende Differentialgleichung erfüllt: √ 3 ω0 cos φ. φ̇ = − 4 (f) Lösen Sie diese Differentialgleichung und geben Sie damit die Lösungen für ω1 (t), ω2 (t), und ω3 (t) an. Testfragen Diese Fragen prüfen, ob Sie einfache, grundlegende Konzepte der Vorlesung verstanden haben. Sie sollten sie ohne längeres Nachdenken oder Nachschlagen in ein paar Minuten beantworten können. (a) Was besagt der Satz von Steiner? (b) Welche Form hat der Trägheitstensor im Hauptachsensystem? (c) Erläutern Sie die in den Eulerschen Gleichungen auftretenden Größen (auf welches Koordinatensystem sind sie bezogen?). Hausaufgaben Hausaufgabe 31 : Drehmomente an Zylindern Zwei homogene, massive Zylinder der Massen m1/2 und Radien R1/2 seien mit zwei Fäden umwickelt. Die Achse des Zylinders 1 ist reibungsfrei horizontal gelagert. Zylinder 2 fällt im Schwerefeld senkrecht nach unten, wobei seine Achse parallel zu Zylinder 1 bleibt (siehe Skizze). (a) (*) Geben Sie die Änderung der Drehimpulse der Zylinder an, die durch die entlang des Fadens wirkende Kraft F verursacht wird. Drücken Sie die Drehimpulse durch die zeitliche Änderung der Drehwinkel der jeweiligen Zylinder aus. (b) (*) Was ist der Zusammenhang zwischen der Position des Zylinders 2 und den Drehwinkeln. Finden Sie die Änderung des Gesamtimpulses des Systems. Wie schnell fällt der Zylinder nach unten? Hausaufgabe 32 : Hauptachsentransformation Wir betrachten ein dreiatomiges Molekül mit Atomen der Masse m1 = M, m2 = 35 M, m3 = 31 M mit Koordinaten 0 −l 2l ~r1 = −l , ~r2 = l , ~r3 = l . 0 0 0 (a) (**) Berechnen Sie alle 9 Komponenten des Trägheitstensors im gegebenen Koordinatensystem. (b) (*) Finden Sie die Hauptträgheitsmomente. (c) (**) Geben Sie explizit (in Matrixform) die Hauptachsentransformation an, die den Trägheitstensor diagonalisiert. Hausaufgabe 33 : Freier Kreisel im Lagrangeformalismus Wir betrachten einen freien symmetrischen Kreisel mit Hauptträgheitsmomenten I1 = I2 6= I3 relativ zum Schwerpunkt. Der Ursprung des körperfesten Koordinatensystems (mit Einheitsvektoren ê1 , ê2 , ê3 entlang der Hauptachsen) sei im Schwerpunkt des Kreisels. Der Schwerpunkt liege fest im Ursprung des raumfesten Koordinatensystems (mit Einheitsvektoren êx , êy , êz ), dessen z~ = Lêz ). Achse parallel zum erhaltenen Drehimpuls des Kreisels sei (L Die Projektionen der körperfesten Einheitsvektoren auf die z-Achse lauten ausgedrückt durch die Eulerwinkel (siehe Vorlesung Gl. (SK 8.6 a-c)): êz · ê1 = sin θ sin ψ , êz · ê2 = sin θ cos ψ , êz · ê3 = cos θ . Die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit im körperfesten System können durch die Eulerwinkel ausgedrückt werden (siehe Vorlesung Gl. (SK 8.5 a-c)): ω1 = φ̇ sin θ sin ψ + θ̇ cos ψ , ω2 = φ̇ sin θ cos ψ − θ̇ sin ψ , ω3 = φ̇ cos θ + ψ̇ . (a) (**) Finden Sie die kinetische Energie der Rotationsbewegung und damit die Lagrangefunktion L(θ, φ̇, θ̇, ψ̇). (b) (*) Die Lagrangefunktion hängt nicht von den Variablen φ und ψ ab. Finden Sie aus den Euler-Lagrangegleichungen die entsprechenden Erhaltungsgrößen pφ und pψ . ~ kann auf zwei Arten dargestellt werden: im körperfesten Koordina(c) (**) Der Drehimpuls L ~ = Iˆ· ω und im raumfesten Systems als L ~ = Lêz . Dies nutzen wir, um eine tensystem durch L physikalische Deutung der Erhaltungsgrößen pφ und pψ zu finden. ~ im raum- und im körperfesten System betrachten, dass Zeigen Sie, indem Sie ê3 · L ~ = pψ = L cos θ . ê3 · L ~ im raum- und im körperfesten System betrachten, dass Zeigen Sie weiter, indem Sie êz · L ~ = pφ = L . êz · L (d) (**) Folgern Sie aus obigen Ergebnissen, dass θ erhalten ist. Drücken Sie φ̇ und ψ̇ durch I1 , I3 , L und θ aus. Sie haben damit das Verhalten aller Winkel durch erhaltene Größen angegeben, d.h. das Problem ist komplett gelöst. (e) (*) Zeigen Sie, dass ~ ω in eine Komponente parallel zu êz und eine Komponente parallel zu ê3 zerlegt werden kann. Die Vektoren êz , ê3 und ω ~ liegen also in einer Ebene. (f) (**) Diskutieren Sie die Bewegung des freien Kreisels anhand einer Skizze, in der Sie die gefundenen Ergebnisse darstellen.