DIPLOMARBEIT Pulpanekrose nach Zahntrauma: Eine Nachuntersuchung der Daten von 200 Zähnen zur Erlangung des akademischen Grades „Doktor der Zahnheilkunde“, lat., doctor medicinae dentalis“ Cepic Samir Matr.Nr.: 0113067 An der medizinische Universität Graz, Abteilung für konservierende Zahnheilkunde, Auenburggerplatz 6A Unter der Betreuung von Univ. Prof. Dr. K. A. Ebeleseder 1 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe. Ich habe sämtliche Autoren- und Verlagsrechte der verwendeten Literaturquellen beachtet, nur die angegeben Quellen benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht. Graz, August 2009 Unterschrift: 2 Danksagung Diese Diplomarbeit möchte ich meinen Eltern widmen, da sie nicht nur mein Studium zum größten Teil finanziert haben, sondern auch ständig ein sehr großes Interesse an meiner Arbeit zeigten und mich so gut es ging unterstützten. Mein besonderer Dank gilt Univ. Prof. Dr. Kurt A. Ebeleseder Ganz besonders Bedanken möchte ich mich beim Prof. Dr. Ebeleseder für die tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung meiner Diplomarbeit, sowie für die Bereitstellung des interessanten Themas. Vielen Dank für engagierte und lehrreiche Betreuung, die oftmals über den Inhalt der Arbeit hinausging und nicht zu vergessen die Engelsgeduld die er mir erwiesen hat. Univ.-Prof. Dr. Peter Städtler Für die Möglichkeit und Einwilligung an seiner Abteilung die vorliegende Arbeit erstellen zu können. Cepic Amir und Saric Amila Meinem Bruder und meiner Freundin möchte ich dafür danken, dass sie mich fortlaufend unterstützt haben und nie aufgehört haben an mich zu glauben. 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung: Prävalenz und Folgen von Zahntraumata........................................................5 2. Ziel der Diplomarbeit.........................................................................................................6 3. Grundbausteine des Zahnes................................................................................................7 3.1 Anatomie der Zahnhartsubstanz...................................................................................7 3.1.1 Struktur des Enamelums .......................................................................................9 3.1.2 Struktur des Cementums.....................................................................................10 3.1.3 Struktur des Dentins ...........................................................................................13 3.2 Anatomie des Parodontiums ......................................................................................15 3.3 Anatomie des Endodonts............................................................................................17 4. Unterscheidung der Zahntraumata und deren Auswirkungen..........................................19 4.1 Verletzungsarten der Zahnhartsubstanz.....................................................................19 4.2 Verletzungsarten des Paradontiums...........................................................................20 4.3 Verletzungsarten des Endodonts................................................................................28 4.3.1 Pulpanekrose nach Zahntrauma..........................................................................29 4.3.2 Pulpaobliteration / Ersatzgewebsbildung nach Zahntrauma...............................31 4.3.4 Röntgenologische Beurteilung st.p. Zahntrauma................................................32 4.4 Grazer Zahlencode.....................................................................................................34 5. Material und Methode......................................................................................................36 6. Ergebnisse .......................................................................................................................42 7. Diskussion........................................................................................................................55 7.1 Methode......................................................................................................................56 7.2 Ergebnisse..................................................................................................................56 7.2.1 Sensibilitätsprobe................................................................................................57 7.2.2 Lokalisation und Häufigkeitsverteilung..............................................................57 7.2.3 Verteilung der einzelnen Verletzungsformen .....................................................59 7.2.4 Beurteilung der Pulpa und des apikalen Sekretes zum Zeitpunkt der Trepanation nach Farbe, Konsistenz und Geruch.............................................................................60 7.2.5 Indikationen zur Trepanationen und praktische Umsetzung...............................61 7.2.6 Coloration der Zähne ..........................................................................................62 7.2.7 Management bei der Trepanation........................................................................62 8. Schlussfolgerung..............................................................................................................63 9. Zusammenfassung............................................................................................................64 10. Summary........................................................................................................................65 11. Quellenverzeichnis.........................................................................................................66 11.1 Literatur...................................................................................................................66 11.2 Abbildungen............................................................................................................69 11.3 Tabellen...................................................................................................................70 4 1. Einleitung: Prävalenz und Folgen von Zahntraumata Verletzungen nach Trauma im Bereich des orofazialen Systems sind vor allem bei Kindern und Jugendlichen ein häufiges Ereignis, welches nicht zu vernachlässigen ist, wie man aus den Daten von Andreasen [1] entnehmen kann. Daten ergeben für Milchzahnverletzungen eine Häufigkeit von 30% und für Traumata bei bleibenden Zähnen eine Prävalenz von 22%. Womöglich kann man als Ursache unterschiedliche Verhaltensweisen und Neigungen heranziehen, welche eng mit der ElternKind-Beziehung verknüpft sind. Sportliche Aktivitäten und Unachtsamkeit gehören auch zu den häufigsten Ursachen. Jede Art des Zahntraumas ist mit Schmerzen und funktionellen Störungen verbunden. Die Therapie traumatisierter Zähne ist speziell bei Kindern und Jugendlichen problematisch, da Zahnentwicklung und Kieferwachstum noch nicht abgeschlossen sind. [2] Deshalb muss nach einer Verletzung oder nach dem Verlust von Milch- oder bleibenden Zähnen mit entsprechenden Folgen, wie Störungen im Kauorgan, Fehlentwicklungen, Beeinträchtigung der Phonetik, Problematik in der Sprachentwicklungsphase sowie der Ästhetik gerechnet werden. Nach Milchzahnverletzungen kann es durch unmittelbare Nähe, zwischen den Milchzahnwurzeln und den Zahnkeimanlagen der bleibenden Zähne zu einer Schädigung der Zahnkrone in Form von Verfärbungen des Zahnes, zu Störungen der Wurzelbildung, Zahnkeimverlagerungen und Durchbruchsstörungen an bleibenden Zähnen kommen.[14] Nach einer traumatischen Verletzung eines Zahnes kann es zu Wundheilungsvorgängen kommen. Hier versucht der Körper spontan, beschädigtes Gewebe (Pulpa, Parodontium) zu reparieren oder zu regenerieren. Diese Prozesse verlaufen nicht immer unproblematisch und es kann zu pathologischen Veränderungen wie z.B. Pulpanekrose, Wurzelresorption, periradikuläre Alternationen kommen, wo wir beim Thema dieser Diplomarbeit wären. 5 2. Ziel der Diplomarbeit Das Ziel der Studie war, die Umstände zu ergründen, die sich von Beginn des Traumas bis zur Erstbehandlung entwickeln. Diese sind vom hochgradigen klinischen Interesse für die Diagnostik, Behandlung und Prognose weiterer Traumaunfälle. 6 3. Grundbausteine des Zahnes 3.1 Anatomie der Zahnhartsubstanz Bei einem gesunden Gebiss ist von außen nur ein kleiner Teil des Zahns (Dens) sichtbar. Nur ein Teil des Zahnes, nämlich die Zahnkrone (Corona dentis) ragt aus dem Zahnfleisch heraus. Unterhalb der Gingiva liegt die meist wesentlich längere Zahnwurzel (Radix dentis), wobei Zähne je nach Zahnform eine, zwei oder mehrere Wurzeln haben können. Den Übergang zwischen der Zahnkrone und der Wurzel bezeichnet man als Zahnhals (Collum dentis), er ist von der marginalen Gingiva bedeckt. [3] Abbildung 1: Sagittaler Schnitt durch einen Zahn 33 7 3.1.1 Struktur des Enamelums Der sichtbare Teil des Zahns wird von außen durch den Zahnschmelz (Enamelum) geschützt. Der Zahnschmelz ist das härteste Material, welcher vom menschlichen Körper gebildet wird. Er besteht zu 95 % aus Mineralstoffen wie Kalzium und Phosphat. Der Schmelz verleiht den Zähnen ihren charakteristischen milchig-weißen Glanz. Unter dem Mikroskop sind viele kleine Kristalle erkennbar: Hydroxylapatit, ein Calziumphos­ phat, welche dem Zahnschmelz seine Härte verleiht. Hydroxylapatit besitzt aber keinen Schutz gegen Säuren. Schmelzprismen sind die größten Baueinheiten der Schmelzstruktur. Sie verlaufen flach wellenförmig sowohl horizontal als auch vertikal von der Schmelz-Dentin-Grenze bis nahe zur Schmelzoberfläche. Die oberste Schmelzschicht von etwa 20-30 μm besteht aus prismenfreiem Schmelz, der eine größere Resistenz gegen schwache Säureeinwirkung aufweist. [3] Die Schmelzprismen lassen sich in verschiedene Typen einteilen: 1. Pferdehuftyp = horse-shoe-type 2. Zylindrischer Typ = Bienenwabentyp 3. Schlüssellochtyp = key-hole-configuration Das enthaltene Wasser im Schmelz ist überwiegend in Form einer Hydratationsschale an die Apatitkristalle gebunden. Der Rest liegt in der organischen Matrix, die hauptsächlich aus Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden besteht. [4] Der Schmelz von Milchzähnen ist im Vergleich mit bleibenden Zähnen in geringerem Maße mineralisiert. [5] Die Anordnung der Kristallite ist weniger ausgeprägt, der Gehalt an Wasser ist höher, und der Schmelz weist eine größere Permeabilität auf. 8 3.1.2 Struktur des Cementums Intraossär überzieht eine dünne Schicht, der Zahnzement (Cementum), den Zahn. Zement kann sowohl auf der Wurzel als auch auf der Zahnkrone vorkommen. Zement kann sich auch in seiner Struktur unterscheiden. Es gibt unterschiedliche Zementformen. Sie können zellulär oder azellulär sein. Einige Formen haben eine fibrilläre kollagene Matrix, andere dagegen eine afibrilläre. Zement kann nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden: Nach der Lokalisation: Wurzelzement: Zement, das auf der Wurzeloberfläche vorkommt. Kronenzement: Zement, das sich auf dem Schmelz der Zahnkrone bildet. Nach der Zellularität: Zelluläres Zement: Zement, das Zementozyten in Lakunen innerhalb der Zementmatrix enthält. Azelluläres Zement: Zement ohne irgendwelche Zellen in seiner Matrix. Nach dem Vorkommen von Kollagenfibrillen in der Matrix: Fibrilläres Zement: Zement mit einer Matrix, die deutlich abgegrenzte Fibrillen aus Kollagen Typ I enthält. Afibrilläres Zement: Zement mit einer Matrix ohne erkennbare Fibrillen aus Kollagen Typ I. Stattdessen neigt die Matrix zu einer feinen, granulären Konsistenz. 9 Nach dem Ursprung der Matrixfasern (gilt nur für die fibrillären Kollagenformen): Fremdfaserzement: Zement, das hauptsächlich zementfremde (extrinsische) Fasern enthält, d.h. Sharpeysche Fasern, die in die primären Fasern des Desmodonts übergehen. Da die Fasern von desmodontalen Fibroblasten produziert worden sind, werden sie als "fremd" für das Zement angesehen. Diese Fasern sind mehr oder weniger senkrecht zur Zementoberfläche angeordnet und spielen eine Hauptrolle bei der Zahnverankerung. Eigenfaserzement: Zement, das hauptsächlich zementeigene (intrinsische) Fasern enthält, d.h. Fasern, die von Zementoblasten produziert worden sind und eine mehr oder weniger parallele Anordnung zur Zementoberfläche haben. Diese Zementform befindet sich vorrangig an Stellen, die eine Oberflächenresorption erfahren haben und nachfolgend repariert werden. Diese Zementform hat keine Bedeutung für die Zahnverankerung. Gemischtfaserzement: Zement, das eine Mischung aus Fremdfaserzement und Eigenfaserzement darstellt Die oben gegebenen Beschreibungskriterien können in verschiedenen Kombinationen benutzt werden, um einen spezifischen Zementtyp genauer zu beschreiben, z.B.: 1. Azellulär-afibrilläres Zement Dieser Zement besteht hauptsächlich aus einer mineralisierten Matrix ohne nachweisbare Kollagenfibrillen oder Zementozyten. Es wird ausschließlich von Zementoblasten produziert. Es wird typischerweise als Kronenzement an menschlichen Zähnen gefunden. 2. Azelluläres Fremdfaserzement Dieser Zementtyp hat eine Matrix von gut definierten Fibrillen aus Kollagen Typ I. Diese Fibrillen sind Teil der dicht gepackten Sharpeyschen Fasern, die in die primären Fasern des Desmodonts übergehen. Aufgrund der dichten Anordnung können die einzelnen Sharpey ´schen Fasern, die den Großteil der Matrix bilden, nicht länger als individuelle Fasern innerhalb der Zementschicht wahrgenommen werden. Dieser azelluläre Zement befindet 10 sich in den zervikalen zwei Wurzeldritteln bei menschlichen Zähnen. Es spielt eine Hauptrolle bei der Zahnverankerung. 3. Zelluläres Eigenfaserzement Dieser Zement enthält Zementozyten in einer Matrix, die beinahe ausschließlich aus Eigenfaserzement besteht. Es ist fast ausnahmslos an Stellen der Zementreparation lokalisiert. Es spielt keine Rolle bei der Zahnverankerung. Es kann jedoch von Fremdfaserzement oder Gemischtfaserzement, die beide eine neue Verankerung ermöglichen, überschichtet sein. 4. Zelluläres Gemischtfaserzement Es wird im apikalen Wurzeldrittel und in Furkationen (d.h. zwischen den Wurzeln) gefunden. An diesen Stellen ist die Zementbildungsrate gewöhnlich höher als in der zervikalen Region. Die mineralisierten zementfremden Kollagenfasern (Sharpeysche Fasern) haben einen unregelmäßigeren Verlauf als im azellulären Fremdfaserzement. Zementeigene Fasern befinden sich zwischen den zementfremden Fasern der Zementmatrix, so dass einzelne Sharpeysche Fasern leichter als im Fremdfaserzement erkennbar sind. Zementoblasten sind in selbst geschaffenen Hohlräumen (Lakunen) eingebettet, wo aus ihnen Zementozyten werden. Die Dicke des Wurzelzements nimmt mit dem Alter zu. Wurzelzement ist apikal dicker als zervikal. Die Dicke kann zwischen 0,05 und 0,6 mm schwanken. [6] 11 3.1.3 Struktur des Dentins Von Zahnschmelz und Zahnzement umhüllt, macht das Zahnbein (Dentin) den größten Teil des Zahns aus. Von seiner Struktur her ähnelt es Knochenmaterial und ist damit immer noch recht hart, aber deutlich weicher als der Schmelz. Das Dentin ist knochenähnlich und besteht zu ca. 70 % aus Hydroxylapatit (hauptsächlich Phosphat und Calcium) und zu 20 % aus organischen Bestandteilen (davon sind 90% Kollagen). Die restlichen 10 % sind Wasser. Der anorganische Anteil liegt in kristalliner Form vor. Die Kristalle sind kleiner und dünner als im Zahnschmelz und liegen nicht in Prismenform geordnet. Seinerseits umschließt das Dentin wiederum die Pulpa. An der Grenze zwischen Pulpahöhle und Dentin sitzen dentinbildende Zellen, die Odontoblasten. Sie produzieren lebenslang neues Dentin (Sekundärdentin) und verkleinern so im Lauf der Jahre die Höhle für die Zahnpulpa. Dadurch reduziert sich die Schmerzempfindlichkeit der Zähne im Alter automatisch. Die Odontoblastenkörper sitzen in der Pulpa und stehen mit deren freien Nervenendigungen in Kontakt. Ihre Fortsätze - die sogenannten Tomes'schen Fasern ragen in die feinen Kanälchen (Dentintubuli) hinein, die von der Pulpa radiär nach außen bis an die Schmelz-Dentin-Grenze verlaufen. In diesen Dentintubuli befindet sich Flüssigkeit, welche durch äußere Einflüsse in Bewegung gesetzt wird und Empfindungen in den freien Nervenendigungen der Pulpa auslöst. Da Pulpa und Dentin gemeinsam auf äußere Einflüsse reagieren, spricht man von einer Pulpa-Dentin-Einheit. [4] 12 Man unterscheidet: Primärdentin welches bis zum Ende des Wurzelwachstums gebildet wird. Sekundärdentin welches danach regulär gebildet wird. Tertiärdentin oder Reizdentin welches lokal als Abwehrbarriere auf ein Reiz, z.B. Karies gebildet wird. Abbildung 2: Pulpa-Dentin-Einheit Drei Dentinbildner (Odontoblasten), die am Rand der Pulpa liegen und ihre Zellfortsätze in die Dentinkanälchen (Dentintubuli) strecken. 1 = Dentin, 2 = Odontoblastenfortsatz, 3 = Dentinkanälchen, 4 = Zellkern eines Odontoblasten 13 3.2 Anatomie des Parodontiums Zum Zahnhalteapparat gehören alle Anteile, die zur Verankerung der Zähne beitragen. Außerdem bewirkt der Aufbau des Zahnhalteapparates die Dämpfung der auf die Zähne einwirkenden Kräfte. Sie fangen den Druck auf, dem die Zähne während des Kauens ausgesetzt sind. Dadurch wird vermieden, dass der Druck direkt auf den Knochen übertragen wird und es zur Knochenresorption kommt. [7] Die Zahnwurzeln befinden sich in den Zahnfächern, den Alveolen. Der Anteil des Oberkiefer- bzw. des Unterkieferknochens, der die Zahnfächer enthält, wird daher als Alveolarfortsatz bezeichnet. Die Gewebeanteile, die die Zähne in den Alveolen befestigen und den Zahnhalteapparat bilden, sind: 1. Alveolarfortsatz (Processus alveolaris), 2. Wurzelzement (Zementum), 3. Wurzelhaut (Desmodont oder Periodontium), 4. Zahnfleisch (Gingiva) Der Wurzelzement (siehe Aufbau des Cementums) bedeckt das Dentin der Zahnwurzel, vom Zahnhals bis zur Wurzelspitze. Am Wurzelzement sind die Fasern der Wurzelhaut, die zum Alveolarknochen ziehen, verwachsen. Es dient somit in erster Linie dazu, den Zahn in der Alveole zu verankern. Das Periodontium füllt den Raum zwischen der Oberfläche des Zements und den umgebenden Alveolarfortsätzen. Es besteht aus dichtem, straffem Bindegewebe sowie Fibroblasten, Zementozyten, Osteoblasten, Osteoklasten und einem Gefäß-Nervensystem. Beim Bindegewebe handelt es sich vorwiegend um Kollagen. Die Fasern – auch als Sharpey-Fasern bezeichnet – sind einerseits im Zement, andererseits im Alveolarknochen befestigt. Die einzelnen Zähne sind also nicht mit dem Alveolarknochen verwachsen, sondern durch Bindegewebsfasern in der Alveole hängend befestigt. Druck welcher beim Beissen und Kauen entsteht wird in Zugbelastung umgeformt. Diese Zugbelastung stellt einen physiologischen Reiz für den Alveolarknochen dar. Fehlt diese Zugbelastung, so bildet sich der Alveolarknochen zurück. 14 Neben den Sharpey’schen Fasern enthält die Wurzelhaut ein dichtes Blutgefäßnetz, was zum einen die Zellen des Wurzelzements und die Bindegewebszellen der Wurzelhaut ernährt, zum anderen dämpfen die Blutgefäße den Kaudruck. Außerdem befinden sich in der Wurzelhaut Nervenfasern, die das Druck- und Berührungsgefühl der Zähne vermitteln. [7] Durch diese Nervenfasern können selbst kleinste Dinge, die sich zwischen den Zähnen befinden, wahrgenommen werden. Diese Reize werden an das Gehirn weitergeleitet, wodurch der Kaudruck der Kaumuskulatur gesteuert wird. Dadurch kann im Sinne einer Schutzfunktion der Biss auf einen harten Gegenstand etc. reflexartig unterbrochen werden. Übermäßige Druckbelastungen auf den Zahn und den Zahnhalteapparat werden so vermieden. Die Knochenfächer (Alveolen) für die Zähne befinden sich in den Alveolarfortsätzen der Kiefer. Der Knochen beginnt bei einem gesunden Zahnhalteapparat etwa 1 bis 2 mm apikal der Grenze zwischen Wurzelzement und Schmelz. Zur Mundhöhle hin wird der Zahnhalteapparat durch das Zahnfleisch (Sulcus Gingivae) ersetzt. Das Zahnfleisch ist ein spezieller Teil der Mundschleimhaut, der den Kiefer und einen Teil des Zahns umgibt und mit ihm durch den Epithelansatz verbunden ist. Diese Verbindung verschließt die Körperoberfläche an dieser Stelle vor Bakterien und anderen Mikroorganismen. 15 3.3 Anatomie des Endodonts Die Pulpa besteht aus lockerem und stark vaskularisiertem Bindegewebe. Sie wird fast allseitig von Dentin umschlossen. Das Pulpagewebe ist für die Vitalität und das Reaktionsvermögen des Dentins und des gesamten Zahnes verantwortlich. Das Pulpagewebe enthält Zellen, eine intrazelluläre Grundsubstanz, retikuläre und kollagene Fasern, sowie Gefäße und Nerven. Die größte Zellpopulation der Pulpa sind Fibroblasten. Außerdem kommen Mesenchymalzellen noch spezifische (Ersatzzellen) vor. Odontoblasten Schließlich treten und in undifferenzierte der Pulpa freie Bindegwebszellen (Makrophagen, Monozyten, Histiozyten und Lymphozyten) auf, die der immunologischen Abwehr dienen. [7] Topographisch lässt sich die Pulpa in eine Randzone und eine Pulpakernzone gliedern, wobei die Randzone wiederum in drei Zonen unterteilt werden kann: → die Odontoblastenschicht → die zellkernarme Subodontoblastenschicht, auch Weil´sche Zone genannt → die zellkernreiche Schicht → Raschkow-Plexus, starke Verzweigung des zentralen Nervenbündels Die Odontoblasten liegen an der inneren Dentinoberfläche und erscheinen als variabel dicke Zelllage, angeordnet in einer Pseudoschichtung. Ihr Fortsatz (Tomes´Faser) durchzieht das gesamte Dentin vom pulpanahen Prädentin bis an die Schmelz-Dentin- bzw. Dentin-Zement-Grenze. Gehen während der Funktionsperiode Odontoblasten zu Grunde, werden sie von undifferenzierten Mesenchymalzellen ersetzt. Die Weil´sche Zone ist eine zellkernarme Zone welche sich unter der Odontoblastenschicht befindet, in der sich hauptsächlich Nerven- und Kapillarplexus (Raschkoff´scher Plexus) befinden. Diese Schicht zeigt einen hohen Grad an Aktivität für die Dentinbildung, Reizaufnahme und Reizweiterleitung, sowie der Abwehr. 16 Die zellkernreiche Zone besteht hauptsächlich aus zahlreichen dicht gelagerten bipolaren Zellen welche einerseits zu den Odontoblasten, andererseits zum Inneren der Pulpa ziehen. Ein Teil der bipolaren Zellen sind Fibroblasten in ruhendem oder aktivem Funktionszustand, ein anderer Teil repräsentiert die undifferenzierten Ersatzzellen der Odontoblasten. Durch das Foramen apikale, welche die engste Stelle des Pulpenkavums darstellt, steht die Pulpa mit dem Paradont in Verbindung. Blutgefässe, Lymphgefäße und Nervenfasern treten hier ein und aus. Direkter Kontakt zwischen Pulpa und Desmodont erfolgt durch kleinere Gefäße und zahlreiche Seitenkanäle der Wurzel. Die Aufgabe der Pulpa besteht in der lebenslangen Bildung von Dentin, der Ernährung und einer Schmerzempfindung auf thermische, chemische, osmotische und mechanische Reize. [8] Abbildung 3: Darstellung eines Zahnes samt Hartsubstanz, Endodont und Parodont 17 4. Unterscheidung der Zahntraumata und deren Auswirkungen 4.1 Verletzungsarten der Zahnhartsubstanz ♦ Infraktion: Eine unvollständige Fraktur, die den Zahn nur peripher bis zur SchmelzDentingrenze erfasst. Da es sich um eine inkomplette Fraktur handelt, ist hier kein Verlust der Zahnsubstanz bemerkbar. Die Pulpa kann irritiert sein, trägt aber keine bleibenden Schäden davon. ♦ Unkomplizierte Kronenfraktur: Schmelzfraktur oder Schmelz-Dentin-Fraktur ohne Eröffnung der Pulpa. Bei einer Schmelz-Dentin-Fraktur ist die Pulpa empfindlich auf Druck- und Temperaturänderungen. Das heißt, der Patient empfindet einen Luftzug als sehr schmerzhaft, was natürlich auf die freiliegenden Dentinkanälchen zurückzuführen ist. Hier schützt sich die Pulpa durch einen fortlaufendem Flüssigkeitsstrom nach peripher und hält die Bakterien eine zeitlang davon ab, in die Dentinkanälchen einzudringen. Die Prognose ist sehr gut, lediglich der Sensibilitätstest kann vorübergehend negativ ausfallen und eventuell auch eine leichte Verfärbung kann auftreten. Eine Abgrenzung zu einer begleitenden Konkussion ist nicht immer möglich. ♦ Komplizierte Kronenfraktur: Reine Schmelz-Dentin-Fraktur mit eröffneter Pulpa. Hier ist neben den Dentinkanälchen auch das Pulpakavum offen. Beide stellen eine Gefahr für die Intoxikation mit Bakterien dar. Eine eröffnete Pulpa kann sich entzünden und nekrotisch werden. Die Entzündung kann von der Pulpa auf den periapikalen Bereich des Zahnes übergreifen. Patienten klagen über Spontanschmerz sowie Temperatur und extreme Berührungsempfindlichkeit. Oft wird erhöhte Mobilität und eine Blutung aus der Wunde beobachtet. 18 ♦ Kronen-Wurzelfraktur: Verläuft peripher zum Teil im Schmelz, zum Teil im Wurzelzement. Der Frakturspalt zieht von bukkal entlang des Wurzelkanals nach apikal, biegt dann nach palatinal um und endet im zervikalen Wurzeldrittel. Die Fraktur läuft zumeist nicht spitz zur Wurzeloberfläche hin aus, sondern endet in einer kurzen, nach koronal zurückführenden Stufe. ♦ Wurzelfraktur: Verläuft peripher zur Gänze im Wurzelzement. Die Wurzelfrakturen werden eingeteilt in intraalveolär und (partiell) extraalveolär. 4.2 Verletzungsarten des Paradontiums Für die Diagnostik, Behandlung und Prognose von Traumata stellt die Klassifikation einen wichtigen Punkt dar. Daher teilt man Zahntraumen folgendermaßen ein: ▪ Konkussion ▪ Lockerung (Subluxation) ▪ Extrusion ▪ Laterale Dislokation ▪ Intrusion ▪ Avulsion ▪ Alveolarfortsatzfraktur 19 Tabelle 1: Wahrscheinlichkeit (in %) einer Pulpanekrose nach traumatischer Dislokation Dislokalisationstyp Apex offen Apex geschlossen Konkussion PN 0 vital 2 PCO 98 PN 4 vital 6 PCO 90 Subluxation / Lockerung 0 10 90 9 16 75 Extrusion 8 61 31 65 18 17 Laterale Dislokation 10 71 19 79 12 9 Keine Daten bekannt Alveolarfortsatzfraktu r Intrusion Avulsion/Replantation 65 25 12 100 0 0 55-80 20-45 0 100 0 0 20 Unter Konkussion versteht man Erschütterung eines Zahnes nach einem Unfall wie zum Beispiel Stoss beim Trinken aus einer Flasche. Diese führt weder zu erhöhter Lockerung noch zu einer Dislokation perkussionsempfindlich. des Zahnes. Klinisch ist der Zahn lediglich Radiologisch zeigen sich keinerlei Besonderheiten. Die Verletzung spielt sich im Parodotium ab, wo kleinere Ödeme und Blutungen sowie Schäden der neurovaskulären Versorgung der Pulpa auftreten können. Radiologisch beim wurzelunreifen Zahn ändert sich nicht viel, mit der Ausnahme, dass es in einem kleineren Prozentsatz zu einer Ersatzgewebsbildung der Pulpa kommt. Beim ausgereiften Zahn werden jedoch Pulpanekrosen beobachtet und diese müssen auch nach belanglosen Traumata durch Nachkontrolle entdeckt werden. Tabelle 2: Klinische und röntgenologische Befunde bei einer Konkussionsverletzung Konkussion Anamnese Typische Prellung, leichter Schlag (z. B. Stoss beim Trinken aus der Verletzung Flasche) Ödem Bei Inspektion Dislokation Paradonts - Mobilität - CO2 –Sensibilität - (selten neg. für Klopfschmerz wenige Tage) ++ Röntgen unauffällig des unauffällig Radiographisch Unauffällig 21 Unter Lockerung (Subluxation) versteht man eine erhöhte Beweglichkeit des verletzten Zahnes ohne Dislokation, z.B. nach einem relativ langsamen Aufprall des Gesichtes beim Gehen oder Laufen, sprich ein stumpfer Schlag. Hier beobachtet man keine oder geringe Extrusion, da der Zahn durch das Hämatom aus der Alveole gedrängt wird. Sichtbar wird die Blutung aus dem Parodontalspalt, der radiologisch unauffällig oder geringgradig verbreitert ist. Der Prozentsatz der Pulpanekrose ist höher als bei Konkussion. Tabelle 3: Klinische und röntgenologische Befunde bei einer Subluxationsverletzung Subluxation Anamnese Stumpfer Schlag, relativ langsamer Aufprall Gesichtes des (Gehen, Verletzung Laufen) Teilweise Dislokation Parodonts Keine oder Ruptur Extrusion des geringe (Hämatom drängt den Zahn aus der Weiter Symptome Alveole) Sulkusblutung Mobilität + CO2 – Sensibilität + bis - Klopfschmerz + Röntgen Unauffällig bis verbreitert Parodontalspalt 22 Für die laterale Dislokation ist die Hebelwirkung auf die Krone verantwortlich wie zum Beispiel ein Faustschlag. Die Zahnkrone ist durch den Unfall nach palatinal verlagert und die bukkale Wand ist meist frakturiert und der Apex kann oft verstibulär in der Umschlagsfalte palpiert werden. Das apikale Desmodont ist palatinal-apikal zerrissen und palatinal-zervikal komprimiert und der Gefäß-Nerven-Strang ist am Foramen apikale zerrissen. Im Röntgen beobachtet man einen leeren Alveolarfundus bei exzentrischem Strahlengang. Tabelle 4: Klinische und röntgenologische Befunde bei einer lateralen Luxationsverletzung Laterale Luxation / Dislokation Anamnese Stumpfer Schlag mit Hebelwirkung auf die Krone (z.B. Faustschlag) Jugendliche Verletzung und Erwachsene palatinal-apikale Ruptur des Parodonts palatinal-koronale Quetschung des Paradonts u.U Fraktur der bukkalen Alveolarwand und Verklemmung der Wurzelspitze u.U. Ruptur der Pulpa & Papillen Quetschung der palatinalen Gingiva, Ruptur der bukkalen Gingiva Dislokation ++, Aufbissstörung Mobilität - CO2 – - Sensibilität Klopfschmerz - Röntgen Leeres Alveolarende bei exzent. Strahleneingang 23 Intrusion wird oft beim Tempotrauma beobachten wie zum Beispiel Autounfall, Fahrradsturz oder beim Skifahren. Hier wird der Zahn in den Kieferknochen hineingeschlagen und erscheint somit verkürzt. Neben grossflächigen Quetschungen des Paradontiums werden auch die meisten Strukturen im Bereich des Foramen apicale zerstört. Wurzelreife Zähne erleiden mit Sicherheit eine Pulpanekrose, wohingegen die Prognose beim unvollständigen Wurzelwachstum besser ist ca. (63%). [9][10] Tabelle 5: Klinische und röntgenologische Befunde bei Intrusion Intrusion Anamnese Verletzung Tempotrauma ( Autounfall, Fahrradsturz, Wasserrutsche) Kinder und Jugendliche Totale Ruptur und Quetschung des Paradonts, Auftreibung und Quetschung der Alveole, u. U Fraktur der vestibulären Lamelle, Zertrümmerung der Wurzelspitze, Ruptur der Pulpa, Papillen und Quetschung Dislokation und Ruptur der Gingiva + (oft nur unauffällig verkürzt) Weitere Typische Symptome Abweichung der Gingiva vom Zahnumfang, Mobilität CO2 anatomische geringgradige alveoläre Blutung – - Sensibilität Klopfschmerz - Röntgen Oft unauffällig! Eventuell deutliche Apikalverschiebung 24 Bei der Extrusion erfährt der Zahn eine axiale Verlagerung nach koronal und wird partiell aus der Alveole herausgeschoben. Er erscheint elongiert und seine Mobilität ist deutlich erhöht. Es blutet aus dem Parodontalspalt und dieser ist radiologisch erweitert. Innerhalb der Alveole sind die Fasern des Halteapparts und der Anschluss der Pulpa vollständig zerrissen. Tabelle 6: Klinische und röntgenologische Befunde bei einer Extrusionsverletzung Extrusion Anamnese Stumpfer Schlang, junger sehr Patient, unvollendetes Wurzelwachstum, Verletzung kurzwurzeliger Zahn Subtotale Ruptur des Paradonts, Zerrung oder Dislokation Aufbiss der Pulpa, eventuell Ruptur der Papille + (nach inzisal; Zahn bleibt von selbst nicht in Weitere Symptome reponierter Stellung) Starke Sulkusblutung Mobilität ++ CO2 – Sensibilität - Klopfschmerz - Röntgen Deutlich erweiterter Parodontalspalt 25 Unter Avulsion versteht man das Herausschlagen des Zahnes aus seiner Alveole. Das Paradont erfährt eine totale Ruptur und die Pulpa einen apikalen Abriss. An sich ist dies nicht so ein großes Trauma, eher die extraorale Lagerung und der Zeitpunkt der Replantation des Zahnes sind entscheidend für die Prognose. Tabelle 7: Klinische und röntgenologische Befunde bei Avulsion Totalluxation – Avulsion Anamnese Stumpfer Schlag oder Tempotrauma, sehr junger Patient, unvollständiges Wurzelwachstum, kurzwurzeliger Verletzung Zahn. Totale Ruptur des Parodonts, Abriss der Pulpa, u. U. Ruptur der Papille oder vertikaler Riss Dislokation der Gingiva. Vollständig Röntgen Leere Alveole Zahn 21 Zahn 21 26 Unter Alveolarfortsatzfrakturen versteht man Frakturen des zahntragenden Anteils des Kieferknochens. Bei den Alveolarfortsatzfrakturen unterscheiden wir, partielle Alveolarfortsatzfraktur (Bruch der vestibulären oder oralen Alveolenwand) vollständige Alveolarfortsatzfraktur (Fraktur der vestibulären und oralen Alveolenwand) ohne Dislokation und vollständige Alveolarfortsatzfraktur mit Dislokation. Tabelle 8: Klinische und röntgenologische Befunde bei der Alveolarknochenfraktur Fraktur des Alveolarknochens Anamnese Starker, breitflächiger Aufprall in Höhe des apikalen Wurzeldrittels ( z. B. UK trifft mit der Mentolabialfalte gegen den Verletzung Lenkradoberrand) meistens Erwachsene Fraktur des ganzen Alveolarknochens in Höhe des apikalen Wurzeldrittels, oft kombiniert mit Wurzelfraktur in derselben Höhe. Dislokation der apikalen Wurzelabschnitte Alveolen und aus den Verklemmung im Bruchspalt. Abriss der Pulpen aller dislozierten Zähne, Gingivaabriss und Papillenruptur. Totale vertikaler endständige Ruptur des frakturseitigen Parodonts des ersten Dislokation nicht-dislozierten Zahnes (fakultativ). ++ Mobilität - bis ++ (Kieferabschnitt bewegt sich in CO2 einem Stück) - - Sensibilität Klopfschmerz - Röntgen Unscharfe Frakturlinie im Bereich des apikalen Alveolenende Wurzeldrittels, wie bei leeres lateraler Luxation. 27 4.3 Verletzungsarten des Endodonts Die Pulpa wird sowohl bei Frakturen als auch bei Dislokationen traumatisch beansprucht. Folgende Verletzungen können an einer Pulpa vorliegen: ♦ Indirekte Eröffnung: Dentin-Fraktur, nur die Dentinkanälchen sind eröffnet, Pulpakavum intakt. ♦ Direkte Eröffnung: Punkt oder breitflächige Eröffnung der Pulpa bei Kronen- und Kronenwurzelfrakturen. ♦ Innere Eröffnung bei Wurzelfrakturen zum Parodont. ♦ Apikles Trauma: Quetschung, Zerrung, Abriss. Eine Dentinfraktur wird als endodontische Wunde angesehen, selbst wenn die Pulpa nicht eröffnet wird. Der Grund liegt bei den zahnreichen Dentinkanälchen bis zu 50.000/mm 2. Bei einer gesund funktionierenden Pulpa ist es kein Problem die bakterielle Besiedelung von außen abzuwehren, weil kontinuierlich Dentinliquor nach außen abgegeben wird. [11] Wird die Pulpa zugleich traumatisiert, kann es zum Umkehr des Flüssigkeitsstromes kommen und damit können die Bakterien rasch ins Zahninnere gelangen. Anschliessend ergibt sich einen Konkurrenzsituation mit den reparativen Aktivitäten in der Pulpa und den Bakterien, bei der auch die Bakterien die Oberhand behalten können. Folge ist die Pulpanekrose und weitere entzündliche Prozesse. [25] 28 4.3.1 Pulpanekrose nach Zahntrauma Pulpanekrose: Wird die Zirkulation der Pulpa durch Dehnung, Quetschung oder Abriss unterbrochen, können die Odontoblasten nur eine begrenzte Zeit überleben. Erfolgt dann keine Ernährung der Zellen, z.B. durch Reposition in die Alveole beim unreifen Zahn oder durch Lagerung eines Zahnes nach Avulsion in einem Spezialnährmedium (Zahnrettungsbox Dentosafe®), reduziert sich die Chance auf eine Regeneration oder Reparation der Pulpa. [12] Diese Ischämie führt zum Zelluntergang. Die Folge ist eine Pulpanekrose und anschließende Parodontitis apicalis. Es wird nicht nur die Pulpa geschädigt sondern auch die Wurzeloberfläche wird bei unbehandelter Pulpanekrose in Mitleidenschaft gezogen, d.h. infizierte Pulpanekrose und schweres Parodontaltrauma (Avulsion, Intrusion , lat. Luxation) sowie freigelegte Dentinkanälchen lassen bakterielle Toxine vom Endodont ins Parodont diffundieren und führen zu Aktivierung von Osteoklasten im Parodont und somit zu einer raschen Zerstörung von Zahnhartsubstanz und Alveolarknochen. Die bakterielle Besiedelung des Pulpagewebes führt zu nekrotischen Einschmelzungen. Diese Gebiete werden mit der Zeit größer, bis schließlich die ganze Pulpa nekrotisch (abgestorben) ist. Für die Diagnostik der Pulpanekrose werden 4 Diagnosekriterien zur Hilfe genommen: Röntgenologische Beurteilung Sensibilitätstest Verfärbung Klinische Zeichen (Druckschmerz, Klopfschmerz, Fistel) 29 Sensibilitätsprüfung Für die Sensibilitätsprüfung stehen Kohlensäureschnee, elektrische Pulpatestung und Laser -Doppler - Methode zur Verfügung. Jede dieser Methoden kann zu falsch positiven Ergebnissen führen, wie z.B. ängstliche Patienten, unabsichtliche Druckausübung auf einen druckempfindlichen Zahn, zufällige Mittestung gesunder Zähne. Die Aussagekraft von Sensibilitätstest ist also beschränkt. Zähne mit Pulpaobliteration reagieren häufig nicht, und müssen trotzdem als vital klassifiziert werden. Eine sichere Methode der Vitalitätsprüfung ist die Probetrepanation, ist die Pulpa vital, so reagiert der Patient mit Schmerzen, sobald die Präparation das Dentin erreicht hat. Pulpaschmerz Je mehr sich der Pulpazustand der totalen Nekrose nähert, desto geringer wird im Allgemeinen der Pulpaschmerz. Eine Pulpanekrose bleibt solange schmerzfrei, bis der pathologische Prozess das periapikale Gewebe erreicht hat. Verfärbung Häufig weisen Zähne mit einer Pulpanekrose eine deutlich erkennbare Verfärbung der klinischen Krone auf. Die zunächst rötliche, später bläuliche oder gräuliche Verfärbung entsteht durch Blutfarbstoffe beim nekrotischen Zerfall des Pulpagewebes. Diese Erkenntnis ist nicht mit einem bleibenden Vitalitätsverlust gleichzusetzen, da eine Entfärbung bei gleichzeitiger Wiederkehr der Sensibilität beobachtet wird. Solche Zähne weisen oft einen Gelb ton auf. Ausbreitung in das periapikale Gewebe Nach Ausbreitung der Erkrankung ins periapikale Gewebe steht nicht mehr das Krankheitsbild der Pulpanekrose im Vordergrund sondern die Symptomatik der apikalen Parodontitis. Dabei ist zu beachten, dass eine apikale Parodontitis oft asymptomatisch verläuft. Lediglich in etwa 25-30 % der Fälle treten klinische Symptome auf. 30 4.3.2 Pulpaobliteration / Ersatzgewebsbildung nach Zahntrauma Wenn die Pulpa den Gefäßanschluss wiederfindet oder dieser lediglich temporär unterbrochen ist, bedeutet dies noch nicht, dass es auch zu einer Restitutio ad integrum der Pulpa kommt. In vielen Fällen kommt es zu einer Umwandlung der Pulpa in Ersatzgewebe aufgrund der aktiven Leistung vitaler noch vorhandener Odontoblasten, die zu Hartgewebsbildung veranlasst werden. [13] [14] 3-12 Monate nach dem Unfall zeigt sich radiologisch eine Verengung des Wurzelkanals durch Hartgewebsapposition auf den Wänden des Wurzelkanals bis hin zur vollständigen Obliteration. [15] Die Pulpaobliteration ist die häufigste endodontische posttraumatische Veränderung. Die Häufigkeit ihres Auftretens richtet sich nach dem Verletzungstyp und dem Alter des Patienten. Stärkere Dislokation und jüngeres Alter begünstigen eine Pulpaobliteration. Extrusionstraumata, die besonders bei Kindern beobachtet werden, führen daher häufig zur Pulpaobliteration. Nach Trauma wandern Progenitorzellen aus dem Parodont und dem benachbarten Alveolarknochen in das Kanallumen und bilden dort Hartsubstanz (Knochen und Zement). Ob die Pulpaobliteration eine reine Stoffwechselstörung der Odontoblasten repräsentiert oder auch infektiös bedingt wird, ist noch umstritten. Das gehäufte Auftreten bei Kindern spricht für die infektiöse Genese, weil hier größere Dentintubuli zur Aufnahme von Bakterien zur Verfügung stehen. Ergo 15 bis 30% aller Zähne mit Pulpaobliteration eine apikale Parodontitis entwickeln. [16] 31 4.3.4 Röntgenologische Beurteilung st.p. Zahntrauma ► Externe entzündliche Wurzelresorption Die externe entzündliche Wurzelresorption entsteht durch eine infizierte Pulpanekrose bei gleichzeitigem Vorliegen eines schweren Parodontaltraumas (Avulsion, Intrusion, laterale Dislokation). Die bei dem Trauma freigelegten Dentinkanälchen ermöglichen eine bakterielle Diffusion vom Endodont ins Parodont, wodurch eine progrediente Resorption entsteht, welche innerhalb einiger Monate die gesamte Wurzel auflösen kann. Röntgenologisch lässt sich schon nach 3 Wochen ein mottenfrassähnliches Muster erkennen (kleine unregelmäßige Dellen an der Wurzeloberfläche). Der gegenüberliegende Alveolarknochen wird zum Teil auch resorbiert. Da das Parodont entzündlich angegriffen ist, ist der Zahn stark gelockert. Dieses Phänomen der Resorption ist den Osteo- bzw. Dentinoklasten anzurechnen. Sie folgen einem inflammatorischen Stimulus, der von einer bakteriell infizierten Pulpanekrose ausgeht Prognostisch ist noch zu sagen, dass diese Zähne aufgrund der dünnen Wurzelwände ein hohes Frakturrisiko im mittleren und koronalen Wurzeldrittel aufweisen. ► Apikale Parodontitis Bei der akuten apikalen Parodontitis erreichen die Bakterien das apikale Parodont, wo es reaktiv zu einer akuten Entzündung kommt. Die veränderten Lebensbedingungen im Wurzelkanal, eine gute Immunlage des Patienten, ein enges Foramen apikale etc. können eine solche akute Exazerbation hintanhalten, aber nie endgültig verhindern, sodass diese manchmal erst nach Jahren auftritt. Der Zahn wird durch die apikale Exsudation vom Patienten als verlängert empfunden und reagiert aufbiss- bzw. klopfempfindlich. “Beherdeter Zahn”: Mit diesem Ausdruck, der auch heute noch im allgemeinmedizinischen Sprachalltag verwendet wird, ist zumeist eine chronische apikale Parodontitis als Reaktion auf eine infizierte Pulpanekrose gemeint. Histologisch liegt ein 32 entzündliches Granulationsgewebe vor (“apikales Granulom”), das von einem Leukozytenwall umgeben und unter Umständen zentral eingeschmolzen ist. Auch epitheliale Auskleidungen im Sinne einer Zyste kommen vor. Der hierfür nötige Raum wird durch eine entzündliche Osteolyse geschaffen und ist das röntgenologische Leitsymptom (periapikale Aufhellung). Art und Schweregrad möglicher Spätfolgen nach einem Zahntrauma sind eng mit dem Ausmaß der pulpalen Schädigung, dem Umfang der parodontalen Verletzung und der einsetzenden Infektion des Wurzelkanalsystems verknüpft. Eine nicht sachgerechte Primärtherapie erhöht das Risiko späterer Komplikationen. Bei schwerwiegenden Dislokationsverletzungen (Intrusion und Avulsion) stehen infektionsbedingte externe Resorptionen und Ersatzresorptionen im Vordergrund. Nach lateraler Dislokation von Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum resultiert häufiger eine infizierte Pulpanekrose, die in eine apikale Parodontitis münden kann. ► Internes Granulom auch pulpales Granulom, Rosaflecken-Krankheit, engl.: internal tooth granuloma; chronisch entzündetes Zahnnervgewebe innerhalb der intakten (geschlossenen) Pulpenkammer. Durch langsame Vergrößerung und dadurch bedingter Resorption des Zahnhartgewebes (Dentin) schimmert das Granulom als sich langsam vergrößernder Fleck nach außen durch, welches im englischen als "pink spot (disease)" bezeichnet wird, wenn sich das Granulom innerhalb der Kronenpulpa befindet. Sehr selten auftretend; erste Erkennung meist im Röntgenbild als Zufallsbefund. Wird die meist noch lebende (vitale) erkrankte Pulpa nicht entfernt, kann die Resorption bis zur Zerstörung der Wurzel fortschreiten. Auslösende Ursachen sind bisher nicht bekannt. Die Behandlung besteht in der Regel in einer Entfernung der Pulpa (Vitalextirpation) und anschließender Wurzelkanalfüllung. [17] 33 4.4 Grazer Zahlencode Auf der Grazer Klinik Zahn,- Mund- und Kieferheilkunde wurde von Prof. K.A. Ebeleseder ein Zahlencode entwickelt, der für eine raschere Diagnose und Behandlung sorgen soll. Oft fehlt die Zeit um eine Diagnose aufzuzeichnen, da man so schnell wie möglich dem Patienten helfen will. [18] Der Grazer-Zahlencode fragt nicht nach der Hauptverletzung des Zahnes, sondern berücksichtigt, welche Gewebe nach einem Zahnunfall tatsächlich und wie stark verletzt sind. Grundsätzlich können 5 Gewebe unabhängig voneinander verletzt sein: die Zahnhartsubstanz, parodontales Ligament, Endodont, Alveolarknochen und Gingiva. Diese müssen für jeden verletzten Zahn diagnostiziert werden und falls erforderlich auch separat behandelt werden. Sechs Regeln für die korrekte Diagnose in der Zahntraumatologie: Regel 1: Keine Syndrombeschreibung á la „ komplizierte Kronenfraktur“ Einfache Wortwahl bringt viel mehr dazu es richtig zu dokumentieren Regel 2: Das ganze Verletzungsfeld einschließlich der beiden benachbarten Zähne untersuchen und die Antagonisten nicht vergessen. Regel 3: Jeder Zahn wird nach 5 Aspekten untersucht. H = Zahnhartsubstanz E = Endodont P = Parodontales Ligament A = Alveolarknochen G = Gingiva Regel 4: Keine Wortschlangen verwenden, sondern tabellarische Auflistung aller Befunde. Regel 5: Erstellen von Röntgenbildern vor Beginn der Behandlung. 34 Regel 6: Wenn möglich, Fotos vor und während der Behandlung Verwendung der HEPAG - Klassifikation mit Hilfe einer Tabelle [18] 5 = unverletzt, 4 = leicht verletzt, 3 = Routinebehandlung ausreichend, 2 = Spezialbehandlung nötig, 1 = fragwürdige Prognose, 0 = Verlust von Gewebe Z H E P A G 23 5 5 5 5 5 22 4 5 4 5 3 21 3 X 3 3 3 11 1+3 X 2 5 3 12 3 2 5 5 5 13 5 5 5 5 5 Tabelle 9: HEPAG In Worten ausgedrückt hieße diese Diagnose: 22 Schmelzfraktur, leichte Lockerung ohne Stellungsänderung, vital 23 Dentinfraktur, Dislokation nach palatinal mit Bruch der bukkalen Knochenlamelle, beide Papillen rupturiert, Gingivariss, CO2 - negativ 11 Dentinfraktur und Wurzelfraktur, stark beweglich, CO2 - negativ 12 Dentinfraktur, nicht gelockert, vorbestehende Aufhellung im Röntgen ohne WB 35 5. Material und Methode Im Rahmen dieser Studie wurden 200 Patientenakten der Zahntrauma - Ambulanz an der Abteilung für Zahnerhaltungskunde der Univ. Klink für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Graz retrospektiv untersucht. Aus dem Zeitrahmen von 1997-2003 wurden zufällig Akten ausgesucht, in welchen ein Parodontaltrauma und darauffolgend eine Pulpanekrose dokumentiert war. Die Erstversorgung, Behandlung und Dokumentation war von Prof. Dr. K. A. Ebeleseder durchgeführt worden. Mit Hilfe dieser Eintragungen in den Krankengeschichten und anhand der Anfangsröntgen, Zwischenkontrollröntgen und Abschlussröntgen wurden folgende Fragen bezüglich des Zahnunfalls gestellt: Welches Geschlecht war häufiger betroffen? Welche Zähne erlitten am häufigsten eine Verletzung? Wie alt waren die Patienten zum Zeitpunkt des Unfalls? Wie alt waren sie zum Zeitpunkt der Trepanation? Durchschnittlicher Zeitraum vom Zeitpunkt des Unfalls bis zur Trepanation. Um welche Art des Traumas der Zahnhartsubstanz und Parodonts handelt es sich? Welche Zeichen einer Pulpanekrose kann man mittels Röntgen, Sensibilität, Verfärbung, Schmerz-Anamnese und klinischen Zeichen erfassen? Wie sah die Pulpa aus? Gibt es etwas über den Geruch und Farbe der Pulpa zu berichten? Gibt es was über den apikalen Sekret zu berichten? Welche Farbe hatten die Zähne st.p. Trauma? Welches Instrumentarium wurde für das Messröntgen verwendet? 36 Für die vereinfachte Datenerhebung, haben wir uns ein Datenblatt erstellt mit dem wir alle Informationen aus den Patientenkarteien erhoben haben. Tabelle 10:Datenblatte für die Diagnostik und Anamnese Datenblatt Name / Karteinummer Geschlecht Zahn Gb. TT.MM.JJ Unfall TT.MM.JJ. Trep TT.MM.JJ. Art d. Traumas (H) 5 = keine mech. Schädigung d. Krone 4 = reine Schmelzfraktur 3 = Dentinfraktur (Eck/Schneidkantabbr) 2 = Kronen-Totalabbruch in Gingivahöhe 1 = Wurzelfrakturen in allen Abschnitten 0 = fehlender Zahn 7 = Kronenwurzelfraktur Art d. Traumas (P) 0 = keine Paro Schädigung Intr = Intrusion Extr = Extrusion LL = laterale Luxation A = Avulsion K = Konkussion Art d. Traumas (P) S = Subluxation AFF =Alveolarfortsatzfrakt. Zeichen PN / Rö ° = angedeutete Aufhellung °l = angedeut. Laterale Aufhellung O = deutliche Aufhellung ig = internes Granulom eer = xt. entzündl. Resorp 0 = keine Aufhellung x = keine Angaben pe = Parodontalspalt Erweiterung Zeichen PN / Sensibilität .+ = positiv . - = negativ .+/- = reduziert. pos x = keine Angaben Zeichen PN / schmerz. Anamnese gs() = Gesichtsschmerz(Reiz) k = klopfend, pochend ds = Druckschmerz im Vestibulum x = keine Angaben Zeichen PN / Verfärbung gb = gelb gy = grey rt- = rötlich rt+ = tiefrot br = braun sw = schwärzlich ws = weiss x = keine Angaben lchs = lachsfärbig Zeichen PN / weitere klini.Zeichen f = Fistel schw = Schwellung x = keine Angaben Pulpa / Konsistenz k = kompakt (vitalähnlich, solid) sch = schmierig, zerfließend f = flüssig res = resorbiert x = keine Angaben Geruch s = stechend st = stinkend mo = modrig n = neutral x = keine Angaben apikales Sekret 0 = keines bl = reichlich Blut; - o. + e = Eiter x = keine Angaben Kns = Knochensequester MRÖ / Sonde R = Reamer F = Feile K = KerrF P = Point A = andere Ø (mm / 100) Länge (mm) 37 Ergebnis (die zu korrigierenden mm) Kanalkonfiguration g = gerade k = durchgeh. gekrümmt ak = apikal gekrümmt a = andere 2c = 2 konvergierende 2g = 2 getrennte Abbildung 4: Beispiel einer Datenerhebung 38 39 40 6. Ergebnisse An der Univ. Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Graz wurden 200 Zähne von 134 Patienten untersucht, welche ein Frontzahntrauma mit Pulpanekrose im Behandlungszeitraum von 1997-2003 erlitten hatten. Die Verteilung des Patientenguts lag bei 54 weiblichen und 80 männlichen Patienten (Abbildung 5.1). Das Durchschnittsalter betrug 19,5 Jahre, die Durchschnittsdauer bis zur Ersttrepanation lag bei 4 Monaten (Abbildung 5.2). Geschlechtsverteilung bei 134 Patienten 54 80 weiblich männlich Abbildung 5.1:Geschlechtsverteilung Durchschnittsalter und Durchschnittsadauer bis zur Ersttrepanation in Jahren (n = 200) 0,3 19,2 Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Unfalls Durchschnittsdauer vom Unfall bis zur Trepanation Abbildung 5.2: Durchschnittsalter und Dauer bis zur Ersttrepanation 41 In Abbildung 5.3 wird gezeigt, welche Zähne am häufiger betroffen waren. In erster Linie handelte es sich um 11 und 21, wobei der Zahn 21 sich hervorhebt. Zahn 21: 74 Fälle, dies entspricht 37% Zahn 11: 66 Fälle, dies entspricht 33% Verhältnis 1 Quadrant zu 2 Quadrant: 88 (43%) zu 94 (47%). Dieses bedeutet, dass Unfälle häufiger im 2. Quadranten auftraten. Angaben der betroffenen Zähne in % OK & UK ( n = 200 ) 40 37 33 35 30 25 20 15 10 8,5 10 5 0,5 0,5 14 13 12 11 21 34 33 32 31 41 0 0 1 0,5 22 23 24 42 43 44 0 0 0 0 5 1,5 3 1 3,5 10 15 20 25 30 35 40 Abbildung 5.3: Traumalokalisation im OK und UK 42 Abbildung 5.4 zeigt, dass bei insgesamt 200 untersuchten Zähnen der Oberkiefer (182 Fälle) deutlich mehr Traumen aufweist als der Unterkiefer (18 Fälle), einem Verhältnis von ca. 10:1 entsprechend. Häufigkeit der TraumenimOKundUK ( n=200) 182 18 Häufigkeit UK Häufigkeit OK Abbildung 5.4: Verteilung der Traumen im OK und UK Die röntgenologische Beurteilung von 200 Zähnen wird in Abbildung 5.5 dargestellt. 87 (43,5%) der röntgenologisch untersuchten Zähne hatten angedeutete Aufhellungen, 68 (34%) hatten deutliche röntgenologische Aufhellung, 19 (9,5%) waren röntgenologisch unauffällig, 15 (7,5%) hatten eine externe entzündliche Resorption und 6 (3%) Zähne wiesen einen erweiterten Parodontalspalt auf. Röntgenbeurteilung ( n = 200 ) 6 15 19 0 =keine Aufhellung ° =angedeutete Aufhellung °l =angedeut. Laterale Aufhellung O =deutliche Aufhellung eer =externe entz. Resorption pe =erweiterter Parodontalspalt 68 87 5 Abbildung 5.5: Röntgenbeurteilung 43 Abbildung 5.6 stellt die am häufigsten vorkommenden Hartsubstanzverletzungen nach Traumen dar. Hierfür wurde wieder der Grazer Zahlen-Code verwendet (siehe Kapitel 4.4). Von insgesamt 200 Zähnen mit Pulpanekrose, hatten 98 keine mechanische Schädigung der Krone, jedoch waren bei 64 Fällen Dentinfrakturen bzw. Eck,- Schneidekantenfrakturen auftreten. 21 Fälle wiesen reine Schmelzfrakturen auf, nur 3 Zähne hatten einen KronenTotalabbruch in Gingivahöhe und 12 Zähne eine Wurzelfraktur. A rt de s Traum as ("H " H artsubstanz) ( n = 200 ) 100 98 Anzahl 64 21 5 = ke in e m e c h . S c h ä d ig u n g d . K r o n e 4 = r e in e S c h me lz f r a ktu r 3 = De n tin f r a ktu r ( Ec k/S c h n e id ka n ta b b r ) 2 = K ro n e n - To ta la b b r u c h in G in g iv a h ö h e 0 = f e h le n d e r Z a h n u n d v e rz ö g e r te Re p la n ta tio n 1 0 2= W u rz e lf ra ktu r im ko r o n a le n 1 /3 1 0 3= W u rz e lf ra ktu r im mittle re n Dr itte l 1 0 4= W u rz e lf ra ktu r im a p ika le n 1 /3 9 10 3 2 2 1 1 5 4 3 2 0 102 103 104 Art de s Tra um a s ( Gr a z e r Za hle nc ode ) Abbildung 5.6: Verletzungen der Zahnhartsubstanz 44 Abbildung 5.7 stellt die am häufigsten vorkommenden Verletzungen des Parodontiums nach Traumen dar. Von insgesamt 200 Zähne mit Pulpanekrose hatten 48 der Fälle eine Subluxation, 44 eine Avulsion, 28 eine laterale Luxation. Nur 24 Zähne hatten keine parodontalen Verletzungen erlitten. Teilt man jedoch die Verletzungen nach Schweregrad ein, kommt folgendes Ergebnis zustande: 68 zeigen ein schweres Parodontaltrauma (Avulsion, Intrusion). 52 zeigen ein mittleres Parodontaltrauma (Lateral Luxation, Extrusion, AFF). 56 zeigen ein moderates Parodontaltrauma (Konkussion, Subluxation). 24 wiesen keine parodontale Schädigung auf. Art de s Traum as ("P" Parodont) ( n = 200 ) 100 48 44 28 24 12 12 8 10 2 Intr /AF F Ext r 0 K LL AF F A S 1 Intr Anzahl der Verletzungen 22 Intrus ion S ublux ation A v uls ionA lv eolarf ort.f r Lat. Konkus s ion keine Ex trus ion komb Lux ation Sc h ädigung Intr/A FF Trau maart Abbildung 5.7: Verletzung des Parodontiums 45 Mittels Kälteschneetest wurde bei der Erstuntersuchung (st.p. Trauma) die Zahnvitalität ermittelt (Abbildung 5.8). 126 (63%)der untersuchten Zähne zeigten sich devital. Einen positiven Sensibilitätstest wiesen 46 (23%) der untersuchten Zähne auf, davon reagierten 20 (10%) verzögert vital. 28 Zähne (14%) wurden nicht auf die Sensibilität untersucht, da die radiologische Befundung und klinischen Zeichen eine eindeutige Pulpanekrose bestätigte. Sensibilität zum Zeitpunkt des Traumas Erstuntersuchung ( n = 200 ) 140 126 120 Anzahl 100 80 60 26 20 28 40 20 R1 0 + positiv negativ +/x reduziert positiv keine Testung wg. eindeutiger PN Sensibilität Abbildung 5.8: Sensibilitätsuntersuchung 46 Die Abbildung 5.9 zeigt, dass bei 122 farblich beurteilten Pulpen; 49 (40.1%) die Farbe weiß, 27 (22,1%) die Farbe braun, 25 (20%) die Farbe rot (hellrot, dunkelrot, rot, rosa) festgestellt wurde. Deutlich weniger zeigten Pulpen eine graue 8 (6,5%), eine gelbe 5 (4%) und eine schwarzgangränöse 5(4%) Färbung. Bei 3 Pulpen fand sich eine rot-braune Farbe. ( n =a1tio 22 )n F a rb e d e r P u lp a n a c h d e r E x s tirp 100 49 27 11 11 8 A n z a h l 10 5 5 3 2 1 1 gb gy rt- rt+ br sw ws lc hs rt rtb gelb grauhellrot dunk elrot braun s c hwarz weis sros a rot rotbraun F a rb e Abbildung 5.9: Farbe der Pulpa bei der Exstirpation 47 In der Abb. 6.12 wird gezeigt wie viele der 200 untersuchten Zähne sichere Zeichen der Pulpanekrose aufweisen konnten. Dafür wurden 4 Kriterien zur Hilfe genommen: Röntgenologische Befundung Sensibilität Parodontaltrauma klinische Zeichen (wie z.B. Fistelung, Verfärbung, Schmerzanamnese) Folgende Ergebnisse resultierten: 34 (17%) der Fälle wiesen alle vier Zeichen einer Pulpanekrose auf, 114 (57%) wiesen drei Zeichen einer Pulpanekrose auf, 50 (25%) der Fälle hatten zwei Zeichen einer Pulpanekrose und nur bei 3 (1%) der Fälle trat lediglich ein Zeichen der Pulpanekrose auf. Sichere Zeichen einer PN( n = 200 ) 1 = 1 von 4 positiv 2 = 2 von 4 positiv 3 = 3 von 4 positiv 4 = 4 von 4 positiv 17% ;34 1% ;3 25% ;50 57% ;114 Abbildung 5.10: Pulpanekrose 48 Im Anschluss an die Exstirpation wurden 121 Pulpen nach der Geruchsart beurteilt (Abbildung 5.11). Folgendes Ergebnis resultierte: 83 (68,5 %. ) geruchlos bzw. neutral, 23 (19%) stechend, (Als „stechend“ bezeichnete der Untersucher einen aggressiven Geruch, als Folge dessen er sich bei der Geruchsprobe unwillkürlich abwenden musste) 13 (10,7%) stinkend, 2 (1,6%) modrig bzw. kellerartig. Pulpageruch- st.p. Exstirpation ( n=121) 83 100 23 13 Anzahl 10 2 1 s st stechend n stinkend mo geruchlos modrig Geruchsarten Abbildung 5.11: Pulpageruch st.p. Exstirpation Abbildung 5.12 beschreibt die Konsistenz der Pulpa nach der Exstirpation. Die meisten Pulpen hatten eine kompakte Konsistenz 43 (39,4%) d.h. sie wurden in einem Stück exstirpiert, schmierig-zerfliessend zeigten sich 34 (31,1%), total resorbiert bzw. leer 25 (22,9%) und 7 (6,4%) waren flüssig-tropfenförmig. Pulpakonsistenz- st.p. Exstirpation ( n=109) 43 45 34 40 35 25 30 A nzahl 25 20 15 7 10 5 0 k kompakt sch schmierig f flüssig res resorbiert K onsistenzart Abbildung 5.12: Konsistenz der Pulpa st.p. Trepanation 49 Abbildung 5.13 zeigt welche apikalen Sekrete nach Trepanation von 200 Zähnen vorgefunden worden sind. Bei 149 (74,5%) Fällen entleerte sich kein apikales Sekret. Bei 33 (16,5%) der Fälle kam es zu reinen Blutungen und in 12 (6%) Fällen zu Pusentleerung. Letzt genannte in Kombinationen –also Eiter und Blut- traten bloß zwei Mal (1%) auf. Apikales Sekret ( n = 200 ) 1000 Anzahl 149 100 17 12 12 10 4 3 K n o c h e n s e q u B lu tu n g g e s ta rk e ri n g e B lu tu n g re S e k k e in B lu tu E ite r g t E ite r+ B lu tu n g 1 e st e r 2 Abbildung 5.13: Apikales Sekret Abbildung 5.14 zeigt Zahn-Verfärbungen st.p. Trauma bei der Erstuntersuchung. Bei nur 20 Zähnen wurde eine Verfärbung diagnostiziert. Davon wiesen 5 Zähne gräuliche, 4 Zähne bräunliche, 3 rötlich und dunkelrote, und jeweils 1 Zahn rot-gräuliche, dunkelrote, gelbe und hellrote Verfärbungen auf. Color- Zahnverfärbung ( n= 20) 1 1 3 3 rötl bräunlich gelb hellrötl 4 gräulich extremopak 1 dunkelrot rötl/gräulich/tiefblau rötl/gräulich 1 5 1 Abbildung 5.14: Zahnverfärbung st.p. Trauma 50 Abbildung 5.15 zeigt klinische Zeichen st.p. Trauma bei 200 Zähnen, welche zum Zeitpunkt der zur Trepanation führenden Untersuchung angegeben wurden. 175 (87,5%) Zähne waren klinisch unauffällig, woraus resultiert, dass nur 1/8 (12,5%) der untersuchten Zähne klinische Zeichen aufwiesen. Dabei wurden 14 Fisteln, 7 Schwellungen, eine Kombination von Fistel und Schwellung und 2 Knochensequester diagnostiziert. weiterführende klin. Zeichen( n=200) 2 14 7 1 1 =Fistel ellung 2 =Schw ellung 3 =Fistel &Schw 4 =keineAngaben 5 =Knochensequester dd 175 Abbildung 5.15: klinische Zeichen Spontane Angaben von Beschwerden wurden während der Anamnese und Diagnose erhoben (Abbildung 5.16). 175 (87,5%) Patienten gaben keine spontanen Beschwerden an. 11 Patienten klagten über Druckschmerzen im Vestibulum, 7 über Klopfschmerzen und 4 verspürten einen ins Gesicht ausstrahlenden Schmerz. Ein Patient hatte sowohl Klopf- als auch Gesichtsschmerz, ein anderer Gesichts- und Druckschmerz. Bei einem Patienten wurde eine extraorale Rötung festgestellt. SpontaneAngabenvonBeschwerden ( n= 200) 1000 175 Anzahl 100 11 7 10 4 1 1 gs Gesichtsschm erz k Klopfschm erz ds Druckschm erz 1 x gs+k Rötung k.A gs+k Rötung 1 gs+ds kom b. gs+ds klinische Symptomatik Abbildung 5.16: Spontane Angaben von Beschwerden 51 Abbildungen 5.16 und 5.17 zeigen wie häufig welche Durchmesser und Arten von Sonden für das Messröntgen verwendet wurden. Die häufigste Verwendung fanden Durchmesser 0,80 mm (17,5%) und 0,60 mm (12%). Dabei verwendete man in 50% der Fälle Feilen, Reamer zu 24% und Points zu 9,5%. Die amhäufigsten verwendenten Sonden fürs MRÖ in 1/100 mm 40 35 35 Anzahl 30 24 25 20 14 15 14 17 16 14 16 8 10 5 22 4 1 1 20 25 7 5 2 0 30 35 40 45 50 55 60 65 70 80 90 100 110 120 Sondendurchmesser in mm Abbildung 5.16: Am häufigsten verwendeten Durchmesser fürs MRÖ Am häufigsten für das MRÖ verwendete endodontische Instrumente ( n = 200 ) 100 48 33 19 Reamer Feile Point andere Abbildung 5.17: Am häufigsten verwendete endodontische Instrumente fürs MRÖ 52 Abbildung 5.18: zeigt, dass die meisten Kanäle einen geraden Verlauf hatten (156), 30 waren durchgehend gekrümmt und 14 wiesen eine apikale Krümmung auf Kanalkonfiguration ( n=200) 3 0 14 g e ra d e d u rch g e h e n dg e krü m m t a p ika lg e krü m m t 15 6 Abbildung 5.18: Kanalkonfiguration Abbildung 5.19 zeigt das Verhältnis zwischen exakter Längenbestimmung zu Nachkorrektur bei der Ersttrepanation. Von 200 Zähnen wurde bei 117 (58,5%) taktil die exakte Kanallänge bestimmt und bei 83 (41,5%) Zähnen führte man eine Nachkorrektur durch. Von den 83 Zähnen hatten 45 eine leichte Überinstrumentierung bis max. 2mm und bei 38 war die Messlänge zu kurz. Der arithmetische Mittelwert der Nachkorrektur lag bei 0,98mm. Exakte Längenbestimmung vs Korrektur ( n = 200 ) 140 120 117 Anzahl 100 83 80 60 45 40 38 20 3 2 0,987951807 0 Summe d. Treffer Summe d. Korrektur Anzahl d. Überkorr. Anzahl d. Unterkorr. Max. d. Überkorr. in mm Max. d. Unterkorr. in mm arithm. Ø d. Nachkorr. in mm Abbildung 5.19: Darstellung der exakten Längenbestimmung vs. Korrektur 53 7. Diskussion 7.1 Methode Im Rahmen dieser Studie wurde ein Patientenkollektiv von 134 Patienten mit 200 pulpanekrotischen Zähnen zufällig aus 5000 Patientenakten ausgewählt, da für diese Arbeit, welche im Rahmen einer Lehrveranstaltung gemacht wurde, nur begrenzte zeitliche Ressourcen zur Verfügung standen und sich so der Zeitaufwand in einem angemessenen Rahmen zu bewegen hatte. Da bei der Erstversorgung möglichst rasches Handeln im Vordergrund stand, wurde bei der Röntgenaufnahme kein standardisiertes Verfahren angewandt, mit dessen Hilfe es möglich gewesen wäre, alle Aufnahmen von gleicher Qualität und Durchführung zu erhalten. Daher waren wir auf die vorliegenden, von den RöntgenassistentInnen individuell unterschiedlich angefertigten, Röntgenbilder angewiesen. Bei einigen Fällen kam der erschwerende Umstand hinzu, dass aufgrund von organisatorischen Umstellungen die analoge Bildgebung einer digitalen weichen musste und sich daraus logischerweise Diskrepanzen in der Bildqualität ergaben. Für die Datenerhebung wurde zwar ein standardisiertes Formular (s. Tabelle 10) verwendet, das eine große Anzahl an Informationen erfasste, jedoch mussten immer wieder individuell auftretende Symptome zusätzlich aufgezeichnet werden. Die Diagnoseerhebung und die weiterführende Behandlung wurde stets von demselben behandelnden Zahnarzt - Prof. Dr. Ebeleseder – durchgeführt, was sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Als wichtigster Nachteil sei eine gewisse Subjektivität der Beurteilung der vorhandenen Traumata erwähnt wie z.B. die Unterscheidung von Konkussion zu Subluxation. Der Vorteil desselben behandelten Zahnarztes liegt in der relativen Konstanz der Diagnosestellung unabhängig von der zugrundeliegenden Definition eines Zahntraumas. 54 7.2 Ergebnisse 7.2.1 Sensibilitätsprobe Nach einem erlittenen Frontzahntrauma ist die Sensibilitätsprüfung im Rahmen der Diagnostik zur Beurteilung der Vitalität eines Zahnes unerlässlich. Reagiert ein Zahn schmerzhaft auf einen Reiz (Temperatur), so ist davon auszugehen, dass der Zahn vital ist, da seine Innervation funktionell intakt ist. Ein falsch-positives Ergebnis kann zustande kommen durch falsche Aussage des Patienten (z.B. Angstzustände), oder falsche Testung des behandelnden Arztes (z.B. Testung des Nachbarzahnes). Bei einem negativen Ergebnis kann man von einer Pulpanekrose ausgehen, wenn noch zusätzliche Indizien dafür sprechen wie z.B. eindeutig-sichtbare Osteolyse am Röntgenbild, rotbraune Verfärbung des Zahnes oder Fistelbildung. Falsch-negative Ergebnisse können hier durch eine infizierte Nekrose mit vitalen Pulpaanteilen in einzelnen Kanälen, von denen eine Regeneration ausgeht, oder einer Wurzelkanalobliteration entstehen [vgl.16]. In unserer Studie wiesen 126 Fälle eine negative Reaktion auf den Vitalitätstest auf. 28 Fälle erfüllten alle Kriterien zur Diagnose einer eindeutigen Pulpanekrose. Die restlichen 46 Fälle hatten eine positive bzw. reduziert-positive Reizantwort. Dennoch entwickelten sich bei diesen 46 Zähnen im laufe der Zeit – sie wurden engmaschig kontrolliert (alle 3 Wochen) - eine Pulpanekrose. Dies lässt sich einerseits durch die bereits oben angeführten falsch-positiven Ergebnisse und andererseits durch unzureichende Regeneration und Revaskularisation der Pulpa erklären. 55 7.2.2 Lokalisation und Häufigkeitsverteilung In der vorliegenden Studie fand sich eine Geschlechtsverteilung der Zahntraumen von Männern zu Frauen entsprechend 80 zu 54, Männer sind demnach 50% häufiger betroffen als Frauen. Ursachen hierfür sind z.B. Kampfsportarten bzw. Sportarten mit erhöhtem Körpereinsatz. [19] Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 19,5 Jahre, 2 Jahre mehr als das Durchschnittsalter bei anderen Studien. [20] Von den 200 traumatisierten Zähnen entfielen 91% der Fälle auf den Oberkiefer und die verbleibenden 9% auf den Unterkiefer. Auch die Studie von Schnyder et. al. beschreibt, dass Overjet-Patienten prädisponiert sind am Oberkiefer insbesondere den zentralen Inzisivi Verletzungen zu erleiden und auch der Schweregrad der Verletzung hiervon abhängt. [19] Die häufigste Lokalisation mit 37% betraf den Zahn 21, dicht gefolgt von Zahn 11 mit 33% und entspricht ähnlichen Werten, wie sie bereits bei einer vorangegangenen Studie gefunden wurden. [21] Es wirft sich die Frage auf, warum der Zahn 21 häufiger betroffen sein könnte als sein Nachbarzahn 11. Mögliche Ursachen hierfür könnten eine rechts gegenüber links besser entwickelte, instinktive Abwehrhaltung, sowie das Zahntrauma begünstigende Faktoren wie z.B. fehlender Weichteilschutz, Zahnangulation, usw. Weiterführende Studien müssten sich mit der Ursachenforschung ausführlich beschäftigen. 56 7.2.3 Verteilung der einzelnen Verletzungsformen Bezogen auf die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Studie dominieren bei Verletzungen des Zahnhalteapparates in erster Linie Subluxation mit 24% dicht gefolgt von Avulsion 22% und lateraler Luxation 14%. In Hinblick auf die Verletzungen der Zahnhartsubstanz trugen 49% der Fälle keine mechanische Schädigung der Zahnkrone davon und 32% der Fälle wiesen eine Dentinfraktur bzw. einen SchmelzDentinkantenabbruch auf. In der vorliegenden Studie, wurden alle möglichen Verletzungsformen des Zahnes in Parodont- und Hartsubstanzverletzungen gegliedert. Währenddessen findet man in vergleichbaren Studien der Literatur eine Zusammenfassung dieser Verletzungsmuster. Daher ist es schwierig, einen bündigen Vergleich mit der vorliegenden Untersuchung zu ziehen. Kronenfrakturen (34% der Fälle) stellen die häufigsten Verletzungen der Hartsubstanz im bleibenden Gebiss dar, im Rahmen von Zahntraumen kam es jedoch noch häufiger zu überhaupt keiner mechanischen Schädigung der Zahnhartsubstanz (bei 49% der Fälle), aber bei 88% zu posttraumatischen Schäden des Parodonts. Eine mögliche Erklärung dafür liegt in dem unreifen Entwicklungsgrad des Alveolarfortsatzes (Parodontiums) der erfassten jugendlichen Patienten. Da alle 200 Fälle eine Pulpanekrose entwickelten, wissen wir laut Literatur, dass eine Dislokation – welche bei 88% der Fälle zu diagnostizieren war - einen wesentlichen Faktor für das Auftreten dieser Pulpanekrose darstellt. Krastl [21] bzw. Andreasen FM [9] beschreiben, dass das Risiko einer Pulpanekrose nach Dislokationsverletzungen bei abgeschlossenem Wachstum bei Kontussion 4% und bei Subluxation 15% beträgt. Bei Intrusion findet man ein deutlich höheres Nekroserisiko von 100%, bei lateraler Dislokation 77% und bei Extrusion 55%. Jede nicht revaskularisierte Pulpa ist als infiziert zu betrachten. Pohl et .al. beschreiben, dass die Revaskularisierung der Pulpa eine wesentliche Rolle für die Heilung spielt. Wird die Revaskularisierung der Pulpa durch Dehnung, Quetschung oder Abriss unterbrochen, so können die Odontoblasten nur eine begrenzte Zeit überleben. Erfolgt keine Ernährung der Zellen, reduziert sich die Chance auf eine Regeneration oder Reparation der Pulpa. Der Infarkt der Pulpa führt zum Zelluntergang. Folgen sind eine Pulpanekrose und anschliessend eine Parodontitis apikalis. [23] 57 7.2.4 Beurteilung der Pulpa und des apikalen Sekretes zum Zeitpunkt der Trepanation nach Farbe, Konsistenz und Geruch Nach eingehender Literatursuche handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um die erste Untersuchung dieser Art. Die meisten der dokumentierten Fälle über den Zustand der Pulpa nach Exstirpation wiesen eine weisslich gefärbte, geruchsneutrale und kompakte Pulpa auf, welches sich durch die rasche, posttraumatische, antibiotische Behandlung erklären lässt, die womöglich einer Infektion der Pulpa durch residente Bakterien zu wenig Zeit ließ. Rötlich bis bräunlich - gräuliche Farbe gepaart mit mäßigem bis stechendem Gestank, sowie einer schmierig-zerfliessenden Konsistenz waren Zeichen einer septischhämorrhagischen Pulpanekrose, welche womöglich durch zu späte, antibiotische Behandlung des Zahntraumas entstanden ist. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass das vorliegende Datenmaterial unvollständig ist und sich somit diese und weitere Aussagen nicht mit Sicherheit untermauern lassen. Weiterführende mikrobiologische Untersuchungen der exstirpierten Pulpa mit genauer Analyse könnten auf diese Frage eine adäquate Antwort erbringen. In der Literatur wird beschrieben, dass Antibiose nur beschränkt geeignet sei, um eine möglich mikrobiologische Invasion der Pulpa und des Desmodonts zu begrenzen. Grundsätzlich sollte jeder parodontal verunfallte Zahn über einen Zeitraum von 4-6 Tagen antibiotisch behandelt werden. Tetrazykline vor Ort verringern die Zahl der Mikroorganismen und besitzen gleichzeitig eine hemmende Wirkung auf die Osteoklasten. [23] Deshalb wird vor einer Replantation im Bad in einer Tetrazyklinlösung empfohlen. Bei 149 Zähnen fand sich kein apikales Sekret. Bei den restlichen 51 Zähnen waren bei 33 Fällen Blutungen unterschiedlicher Stärke nachweisbar und nur 14 Fälle wiesen ein eitriges bzw. gemischt eitrig-blutiges Sekret auf. Angesichts der geringen Anzahl wurde auf eine weitergehende Untersuchung verzichtet. 58 7.2.5 Indikationen zur Trepanationen und praktische Umsetzung Die Indikation zur Trepanation ist gegeben, wenn eine infektiöse Pulpanekrose vorliegt. Klinisch wird die Pulpanekrose anhand der negativen Sensibilität, Verfärbung, röntgenologische Befundung und klinischen Zeichen diagnostiziert (vgl. Abschnitt 4.3.1 sowie [16]). Im klinischen Alltag steht man zumeist vor dem Problem, dass nicht alle Kriterien zur sicheren Diagnose einer Pulpanekrose gegeben sind und somit unter Umständen auch Zähne trepaniert werden, bei denen dies theoretisch nicht indiziert wäre. In der vorliegenden Studie wurde der überwiegende Teil der Fälle anhand von drei (57%) oder weniger (Summe 26%) erfüllten Kriterien zur Diagnose einer Pulpanekrose behandelt. Nur 17% wiesen alle Zeichen einer Pulpanekrose auf. Die Indikation zur Trepanation bei drei erfüllten Kriterien ergab sich durch eine langfristige Verlaufskontrolle über mehrere Monate ohne signifikante Verbesserung des Befundes. Dies erklärt unter Umständen auch die lange Zeit bis zur Trepanation von durchschnittlich ~ 4 Monaten mit einer kürzesten Beobachtungszeit von 1 Tag und dem längsten Beobachtungsintervall von ~ 25 Monaten. Bei 3 Fällen wurde nur ein einziges Zeichen für eine Pulpanekrose gefunden und dennoch wurden die Zähne therapiert. 59 7.2.6 Coloration der Zähne Das Auftreten einer Discoloration an traumatisierten Zähnen ist ein bekanntes Phänomen laut Andreasen FM [15] und Auslander [24]. Die häufig nach einem Trauma beobachtete rötliche Verfärbung der Zahnkrone ist Ausdruck geschädigter pulpaler Strukturen mit Extravasation und Einlagerung von Blutbestandteilen in die Dentintubuli. Unter der Vorraussetzung, dass die Pulpa überlebt, kann die Farbveränderung reversibel sein. Kommt es zur Infektion der nicht oder nur bedingt abwehrfähigen Pulpa, kann das bei der Hämolyse freigesetzte Eisen mit von Bakterien gebildetem Schwefelwasserstoff zu schwarzem Eisensulfid reagieren, woraus eine Graufärbung der Zahnkrone resultiert. In der vorliegenden Studie konnten wir Discolorationen bei traumatisierten Zähnen nicht so oft beobachten. Nur 1/10 (bei 20 Fällen) aller Fälle haben eine Verfärbung der Zahnkrone gezeigt. In unserem Fall wies die Subluxation die meisten Verfärbungen auf, in einer Farbpalette von rot über dunkelrot bis hin zu bräunlich, während wir zum Beispiel bei der Intrusion gar keine Farbveränderung feststellen konnten. 7.2.7 Management bei der Trepanation Bei 156 Fällen fand sich bei der Trepanation eine gerade Wurzel, bei 14 Fällen trafen wir auf eine apikal gekrümmte und bei 30 Fällen auf eine durchgehend gekrümmte Wurzel. Zur Behandlung wurden am häufigsten Sonden mit einem Durchmesser von 0,80mm (35 Fälle) bzw. 0,60mm (24 Fälle) verwandt. Zum Einsatz kamen Sonden mit einer Durchmesser von mindestens 0,20mm und maximal 1,20mm, wobei bei 117 Zähnen keine weitere Nachkorrektur notwendig war und bei 45 eine Überinstrumentierung und bei 38 eine Unterinstrumentierung bestand. Bei den nach zukorrigierenden Zähnen musste durchschnittlich um ~1mm nachgebessert werden, wobei sich das Maximum der Überinstrumentierung bei 3mm und das Maximum der Unterinstrumentierung bei 2mm befand. 60 8. Schlussfolgerung Es sei anzumerken, dass sich jeder behandelnde Zahnarzt Zeit für die korrekte Anamneseund Diagnosestellung nehmen sollte. Daher wäre es wichtig, sich über den genauen Unfallhergang zu informieren und den Zahnstatus aufzuzeichnen. Klinische Zeichen (wie z.B. Schwellung, Schmerz, Fistelung), röntgenologische Befundung, Verfärbung der betroffenen Zähne sowie die Vitalität sollten dazu dienen, den richtigen Therapiezeitpunkt zu wählen. Eine Therapie ist indiziert, wenn mehrere der oben genannten Faktoren zutreffen. In der vorliegenden Studie haben wir beobachtet, dass die Zähne bei 2 oder 3 der 4 möglichen Kriterien bereits trepaniert wurden. Voreilige Schlüsse über eine Trepanation sollten minimiert werden, jedoch ist ein regelmäßiges Recall für die Therapie entscheidend. Am ersten Unfalltag ist eine antibiotische Abdeckung über einen Zeitraum von 7-10 Tagen wichtig, wie die Studie von Filippi et. al. [23+26] zeigt. Hier werden Tetrazykline verwendet, da sie die Zahl der Mikroorganismen reduzieren und gleichzeitig eine hemmende Wirkung auf die Osteoklasten haben. [27] An der Grazer Zahnklinik werden die Patienten mit Ospexin® 1000mg (Wirkstoff Cefalexin) für 1 Woche antibiotisch abgedeckt. Die Medikation mit Ospexin lieferte vergleichbar gute Ergebnisse, wie der von Filippi et. al. beschriebener Einsatz von Tetrazyklinen, was sich bei der Beurteilung der Pulpa nach Konsistenz, Farbe, Geruch und klinischen Zeichen widerspiegelte. Nach der Exstirpation wiesen die meisten Pulpen eine weiße Färbung, einen neutralen Geruch und eine feste Konsistenz, sowie in den meisten Fällen einen fehlenden apikalen Abfluss und reduzierte klinische Zeichen auf, was sich auf die Wirksamkeit der Antibiotika zurückführen ließe. 61 9. Zusammenfassung Das Ziel dieser Studie war, die ganzen endodontischen Umstände zu verstehen, die sich von Beginn des Traumas bis zur Erstbehandlung entwickeln. Sie ist von hochgradigem klinischem Interesse für die Diagnostik, Behandlung und Prognose weiterer Traumaunfälle. Dafür wurde ein Gut von 200 Zähnen untersucht. Mit Hilfe der Eintragungen in den Krankengeschichten und anhand der Anfangsröntgen, Zwischenkontrollröntgen und Abschlussröntgen, sowie mit einem selbsterstellten Datenblatt wurden die dafür notwendigen Informationen erfasst. Fragen wie das Alter des Patienten zum Zeitpunkt des Traumas und der Trepanation, Geschlecht, häufigste Verletzungen, röntgenologische Befundung, Art des Traumas, Pulpakonsistenz, Geruch, Farbe, Sensibilität, klinische Zeichen wurden beantwortet. Die meisten Patienten waren männlichen Geschlechts mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren. Die evaluierten Zahntraumen betrafen am häufigsten den Oberkiefer mit besonderer Lokalisation am Zahn 21. Die durchschnittliche Dauer bis zur Trepanation betrug 2-4 Monate, abhängig vom Behandlungsbedarf. Die Indikation zur Trepanation ist gegeben, wenn eine infektiöse Pulpanekrose vorliegt. Klinisch wird die Pulpanekrose anhand der negativen Sensibilität, Verfärbung, röntgenologische Befundung und klinischen Zeichen diagnostiziert. Im klinischen Alltag steht man zumeist vor dem Problem, dass nicht alle Kriterien zur sicheren Diagnose einer Pulpanekrose gegeben sind und somit unter Umständen auch Zähne trepaniert werden, bei denen dies theoretisch nicht indiziert wäre. In der vorliegenden Studie wiesen nur 17% der Zähne alle Zeichen einer Pulpanekrose auf. Man konnte beobachten, dass zu 88% Dislokationsverletzungen vorlagen und diese aufgrund der fehlenden Revaskularisierung mit eventueller Bakterieninvasion zur Pulpanekrose gekommen sein dürften. Durch sofortige antibiotische Maßnahmen konnten klinische und röntgenologische Zeichen minimiert werden. Die möglichst rasche Erstbehandlung und die gewählte Methode zur Versorgung traumatisierter Zähne ist für den Behandler eine Herausforderung, von der die Vitalität, die Ästhetik, die Funktion und die Zufriedenheit der Patienten abhängen. 62 10. Summary The objective of this study was to comprehend all the endodontic circumstances that devel­ op between the trauma and the initial treatment. This is of profound interest for clinical diagnostics, treatment and prognosis of further trauma casualties. For this, a survey of 200 teeth from 134 patients was conducted. With the assistance of medical history entries, initial, intermediate and terminal x-rays, as well as self-compiled data charts, the necessary information was recorded. Thereby, ques­ tions such as the age of the patient at the time of the trauma, trepanation, gender, most fre­ quent injuries, radiological appraisal, the nature of the trauma, pulp consistency, odour, colour, sensitivity and clinical signs were answered. The majority of the patients were male and had an average age of 19. The evaluated dental traumas mostly affected the maxilla, especially tooth 21. The period until trepanation averaged between 2 and 4 months, depending on the necessity of the treatment. An infected pulp necrosis is an indication that trepanation is necessary. A pulp necrosis can be diagnosed through negative sensitivity, colouration, radiological appraisal and clinical signs. In clinical daily practise, one is mostly confronted with the problem that not all of the above mentioned criteria for a certain diagnosis of pulp necrosis have been found, and thereby trepanation of a tooth may be unnecessary. This study shows that only 17% of the teeth used displayed all the signs of a pulp necrosis. It was ascertained that 88% of the teeth suffered dislocation injuries and a pulp necrosis developed due to lacking revascularisation and eventual bacterial invasion. Clinical and radiological signs could be minimised through immediate antibiotic treatment. Vitality, aesthetic, function and the patient’s satisfaction rely on prompt initial treatment and it’s a challenge to select the correct method of therapy. 63 11. Quellenverzeichnis 11.1 Literatur [1] Andreasen J O: Traumatologie der Zähne. 2 Auflage Schlütersche Verlagsanstallt, Hannover 1988, S. 19–48. [2] Herforth A: Traumatische Schädigungen der Frontzähne bei Kindern und Jugendli­ chen im Alter von 7 bis 15 Jahren. Habilitationsschriften der Zahn-, Mund- und Kieferheil­ kunde. Quintessenz, Berlin,1982, S: 7–9. [3] Hennessen G, Machotta T: Gesundheit heute, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. Aufbau und Funktion der Zähne. http://www.gesundheit-heute.de/gh/ebene3.html? id=1420 [4] Gängler P. Konservierende Zahnheilkunde und Paradontologie, 1. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1985, S. 81-102. [5] Wilson PR, Beynon AD: Mineralization differences between human deciduous and permanent enamel measured by quantitative microradiography. Arch Oral Biol, 1989; 34: 85-8. 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