1 Grundlegende Prinzipien Im ersten Abschnitt wollen wir einige Prinzipien der Mechanik nach Newton wiederholen, um genauer deren Grenzen verstehen zu können und andere Bewegungsgleichungen aus diesen herzuleiten. 1.1 Die Mechanik eines Massenpunktes nach Newton Die wesentliche Eigenschaft eines Massenpunktes – neben seiner Masse – ist dessen Position. Diese stellen wir in Form eines Vektors r ∈ R3 dar. Die Geschwindigkeit ist dann gegeben als v= dr , dt sowie der Impuls als p = mv. Die Mechanik eines Massenpunktes wird durch Newtons zweites Gesetz beschrieben. Dieses lautet in einem Inertialsystem: d d2 r F = p = m 2. dt dt Die Arbeit, die eine äußere Kraft F an dem Massenpunkt leistet, ist definiert als Z t2 W12 = F(t) · v(t) dt = m t1 Z t2 t1 d 1 m v · v dt = [ v 2 ]tt21 = (v22 − v12 ). dt 2 2 2 Entsprechend definieren wir die kinetische Energie T als T = m 2 v , sodass wir schreiben können W12 = T (t2 ) − T (t3 ). Manche Kräfte lassen sich als Gradient eines Potentiales V , schreiben, d.h. F = −∇V (r). Diese Kräfte nennen wir konservativ. Für diese ergibt sich W12 = V1 − V2 , woraus folgt T1 + V1 = T2 + V2 . Dies ist der Energieerhaltungssatz für einen Massenpunkt: Die Summe aus kinetischer und potentieller Energie T + V ist konstant. 1.2 Die Mechanik mehrerer Massenpunkte nach Newton Im Falle eines Systems von Massenpunkten können wir für jeden dieser Massenpunkte eine Bewegungsgleichung aufstellen: X (e) Fji + Fi = ṗi = mi r̈i , (1) j (e) wobei Fi für die externen Kräfte, die auf i wirken steht, und Fji für die Kraft zwischen j und i. Newtons drittes Axiom besagt nun, dass Fji = −Fij Auch für ein System mehrerer Massenpunkte gelten Erhaltungssätze der Energie und des Impulses. 1 1.3 Randbedingungen In gewisser Hinsicht könnte man meinen, mithilfe von Gl. (1) erhielte man für jedes interessante physikalische System eine Differentialgleichung, die die Dynamik des Systemes beschreibt. Eines der Probleme dieses Ansatzes ergibt sich für den Fall von Randbedingungen. Denn hier sind die Zwangskräfte, die wir in die Summe der Kräfte einfügen müssten, im Vorhinein nicht bekannt. Wir unterscheiden die folgenden Arten von Randbedingungen: holonome Randbedingungen: Die Randbedingung lässt sich darstellen in Form einer Gleichung f (r1 , r2 , . . . , t) = 0. rheonome/ skleronome Randbedingungen: Die Gleichung, die die Randbedingungen spezifiziert, ist explizit zeitabhängig (rheonom), oder zeitunabhängig (skleronom). Beispiel Ein Beispiel für holonome Randbedingungen liefert der starre Körper, bei dem die Abstände zwischen den Massenpunkten fest sind, d.h. 0 = (ri − rj )2 − c2ij . Nichtholonom ist beispielsweise die Randbedingung, die sich für eine kleine Kugel, die auf einer größeren liegt, ergibt, nämlich r2 − a2 ≥ 0 Um das Problem der Randbedingungen zu beheben, bietet sich die Wahl von generalisierten Koordinaten an. Betrachtet man ein System von N Massenpunkten, hat das System erst einmal 3N Freiheitsgrade. Kommen nun k holonome Zwangsbedingungen hinzu, haben wir 3N − k voneinander unabhängige Freiheitsgrade. Wir können das System also auch durch 3N − k Koordinaten q1 , q2 , . . . , q3N −k beschreiben. Die alten Koordinaten können wir dann durch Gleichungen folgender Form darstellen: r1 = r1 (q1 , q2 , . . . , q3N −k , t) .. . rN = rN (q1 , q2 , . . . , q3N −k , t) Diese Gleichungen enthalten dann implizit die Randbedingungen. Beispiel Für den Fall eines Massenpunktes auf einer Kugel mit Radius a haben wir die holonome Randbedingung r21 + r22 + r23 − a2 = 0. Die drei Koordinaten können also ersetzt werden durch zwei Winkel φ, θ, die die Position des Massenpunktes vollständig beschreiben und für die es eine Funktion sin θ cos φ r = a sin θ sin φ cos θ gibt. 2 Aufgaben I √ (1) Das Gravitationspotential einer Masse M lautet V (r) = −GM/ r · r. Berechne die auf eine Masse m wirkende Kraft. Stelle daraus eine Differentialgleichung für r auf. Ein Teilchen der Masse m habe an der Stelle (x0 , 0, 0)T die Geschwindigkeit v = (0, 0, 0). Berechne aus dem Energieerhaltungssatz v für m an der Position (x1 , 0, 0)T für 0 < x1 < x0 . (2) Der harmonische Oszillator (in einer Dimension) hat folgendes Potential: V (r) = k/2 · r21 . Bestimme die wirkende Kraft auf eine Masse m sowie deren Bewegungsgleichung. Zeige, dass folgende Funktion eine Lösung dieser Differentialgleichung ist: u sin(ω0 t + φ) 0 r(t) = . 0 Welchen Wert hat ω0 ? (3) Für eine differenzierbare Funktion f : Rn → Rm schreiben wir die partiellen Ableitungen der Komponenten in einer Matrix, der sogenannten Jacobi-Matrix auf: f1 (x1 , . . . , xn ) .. f (x1 , . . . , xn ) = . fm (x1 , . . . , xn ) Jf = ∂f1 ∂x1 ... .. . ∂fm ∂x1 ∂f1 ∂xn .. . ... ∂fm ∂xn . Nun gilt (dies ist die mehrdimensionale Kettenregel): Sind f : Rn → Rl und g : Rl → Rm differenzierbar, so ist dies auch deren Verkettung h = g ◦ f , g1 (f1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fl (x1 , . . . , xn )) .. h(x1 , . . . , xn ) = . gm (f1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fl (x1 , . . . , xn )) und es gilt Jh (p) = Jg (f (p)) · Jf (p) als Matrix-Matrix Multiplikation. Wende diesen Satz auf folgenden Fall an: Sei zu i = 1, . . . , N die Funktion g : R3N −k+1 → R3 die Koordinaten-Transformationsfunktion g(q1 , . . . , q3N −k , t) = ri (q1 , . . . , q3N −k , t). Ferner sei f eine Funktion f : R → R3N −k+1 , die in den ersten Komponenten die Zeitentwicklung der generalisierten Koordinaten enthalte und an letzter Stelle t: f (t) = (q1 (t), . . . , q3N −k (t), t). d d Stelle nun dt g ◦ f = dt ri (t) in Termen der partiellen Ableitungen der Koordinatentransformationsfunktion sowie der q̇k dar, sodass vi = n X d ∂ri ∂ri ri = q̇k + . dt ∂qk ∂t k=1 (4) Zwei Massenpunkte m und M sind durch ein Seil der Gesamtlä nge L und vernachlä ssigbarer Masse miteinander verbunden. Dieses lä uft durch ein Loch in einer horizontal ausgerichteten Tischplatte, in deren Ebene sich die Masse m reibungsfrei bewegen kann (beachte: die Masse m bewegt sich nicht notwendigerweise in gerader Linie zum Loch in der Tischplatte). Die Masse M fü hrt ihre Bewegung ausschließlich senkrecht zu dieser Ebene und parallel zur Richtung des Schwerefeldes der Erde durch, von Pendelbewegungen o.ä . ist abzusehen. Wie viele Freiheitsgrade hat das System? Welche holonomen Randbedingungen gelten? Durch welche generalisierten Koordinaten qi kann das System beschrieben werden? 3 2 Lagrangesche Mechanik 2.1 Das Prinzip von d’Alembert und Lagrange-Gleichungen Wir verwenden für eine erste Herleitung der Lagrange-Gleichungen das anschauliche Prinzip der infinitesimalen Verrückung δri . Diese Verrückung stellen wir uns als infinitesimal klein und den Randbedingungen fµ (r1 , . . . , t) gehorchend vor. Statischer Fall Zuerst betrachten wir den statischen Fall, indem sich die Kräfte und Zwangskräfte ausgleichen. Wir schreiben also (a) Fi = 0 = Fi + fi , (a) wobei fi die Zwangskräfte bezeichnet und Fi 0= X die wirkliche dynamische Kraft. Aus Fi = 0 folgt Fi δri = X i (a) (Fi + fi )δri i In vielen Fällen ist die virtuelle Arbeit der Zwangskräfte gleich Null, sodass aus obiger Formel das Prinzip der virtuellen Arbeit folgt: X (a) 0= Fi δri i Dynamischer Fall Ist ein System in Bewegung, so gilt nach dem Newtonschen Axiom Fi = ṗi ⇒ 0 = Fi − ṗi . Also können wir schreiben: 0= X (Fi − ṗi )δri = i X (a) (Fi − ṗi + fi )δri i Haben die Zwangskräfte wieder die Eigenschaft, keine virtuelle Arbeit zu verrichten, so folgt das Prinzip von d’Alembert: X (a) 0= (Fi − ṗi )δri i Ausgehend von dieser Gleichung wollen wir eine Bewegungsgleichung für die generalisierten Koordinaten herleiten. Da die Bedingungen fµ (r1 , . . . , t) = 0 unabhängig voneinander sind, kann man sie lokal nach den ri auflösen, d.h. es gibt Darstellungen ri = ri (q1 , . . . , qn , t). Daraus folgt für die Geschwindigkeiten vi : (mithilfe der mehrdimensionalen Kettenregel) vi = n X d ∂ri ∂ri ri = q̇k + dt ∂q ∂t k k=1 Daraus ergibt sich ∂vi ∂ri = , ∂ q̇k ∂qk sowie δri = X ∂ri j 4 ∂qj δqj , wobei im letzteren Term keine Variation der Zeit auftaucht, da sich die infinitesimalen Verrückungen nur auf die Ortskoordinaten beziehen. Mithilfe der sogenannten verallgemeinerten Kräfte Qj können wir die virtuelle Arbeit der Kräfte Fi schreiben als X (a) Fi δri = i X (a) ∂ri Fi ∂qj i,j δqj = X Qj δqj , mit Qj = X j (a) ∂ri Fi i ∂qj . Nun wandeln wir den zweiten Summanden (der mit ṗi ) in dem d’Alembertschen Prinzip um: X ṗi · δri = X i mi r̈i · δri i Einsetzen der infinitesimalen Verrückungen in den verallgemeinerten Koordinaten liefert X mi r̈i · δri = X i mi r̈i · i,j ∂ri δqj ∂qj Nun gilt nach der Kettenregel " # d ∂ri ∂ri d ∂ri mi ṙi · = mi r̈i · + mi ṙi · , dt ∂qj ∂qj dt ∂qj sodass wir erhalten " # ∂ri d ∂ri d ∂ri mi r̈i · = mi ṙi · − mi ṙi · . ∂qj dt ∂qj dt ∂qj Nach dem Satz von Schwartz können wir die Reihenfolge der Ableitungen im letzten Term vertauschen: d ∂ ∂ d ∂ ri = ri = vi , dt ∂qj ∂qj dt ∂qj woraus sich insgesamt ergibt ( X ṗi · δri = X i i,j ∂ri ∂qj Einsetzen des Termes für # ) ergibt ( X " d ∂ri ∂ mi ṙi · − mi ṙi · vi δqj dt ∂qj ∂qj ṗi · δri = X i i,j " # d ∂vi ∂vi mi vi · − mi vi · dt ∂ q̇j ∂qj ) δqj . Nun gilt v· Einsetzen liefert ( X i ṗi · δri = X i,j ∂v 1 ∂ 2 = v . ∂x 2 ∂x " # ) d mi ∂ 2 mi ∂ 2 vi − v δqj . dt 2 ∂ q̇j 2 ∂qj i Mithilfe der Abkürzung T = X mi i 5 2 vi2 erhalten wir ( X ṗi · δri = X i j und (" 0= X j d ∂T ∂T − dt ∂ q̇j ∂qj ) # ) δqj d ∂T ∂T − − Qj δqj dt ∂ q̇j ∂qj Im Gegensatz zu den virtuellen Verrückungen ri sind die virtuellen Verrückungen der ∂qj voneinander unabhängig, sodass wir schlussfolgern können, dass für alle j d ∂T ∂T − = Qj . dt ∂ q̇j ∂qj (a) Angenommen, die Kräfte Fi seien Potentialkräfte, d.h. (a) Fi = −∇i V für eine Potentialfunktion V (r1 , r2 , . . . ). Dann können wir die verallgemeinerten Kräfte schreiben als Qj = − X ∇i V · i ∂ri , ∂qj woraus folgt Qj = − ∂V . ∂qj Damit ergibt sich d ∂T ∂(T − V ) − = 0. dt ∂ q̇j ∂qj Da das Potential V nicht explizit von den Geschwindigkeiten (und damit auch nicht von q̇k ) abhängt, gilt ∂∂Vq̇j = 0 und mit der Abkürzung L = T − V erhalten wir die Lagrange-Gleichungen d ∂L ∂L − = 0. dt ∂ q̇j ∂qj 2.2 Einfache Anwendungen der Lagrange-Gleichungen Die bisherigen Herleitungen haben gezeigt, dass wir mithilfe der Lagrange-Funktion ein einfaches Werkzeug zur Verfügung haben, zu Problemen der klassischen Mechanik – u.a. welchen mit Randbedingungen – die Differentialgleichungen der Bewegung zu gewinnen. Um die Lagrange-Gleichungen auf ein konkretes Beispiel anzuwenden, müssen wir zuerst T und V in Termen der verallgemeinerten Koordinaten darstellen. In Bezug auf V ist dies leicht, denn wir können schreiben V (q1 , q2 , . . . ) = V (r1 (q1 , q2 , . . . ), r2 (q1 , q2 , . . . ), . . . ). Für T führen wir folgende Umformung durch: T = X mi i 2 v12 = X mi i 2 ( n X ∂ri ∂ri q̇k + ∂qk ∂t k=1 6 )2 = M0 + X j Mj q̇j + 1X Mjk q̇j q̇k . 2 j,k Ein Vergleich der Koeffizienten führt zu M0 = X mi ∂ri 2 Mjk = ∂t 2 i X i , Mj = X mi i ∂ri ∂ri ∂t ∂qj ∂ri ∂ri mi ∂qj ∂qk Wenn die Transformationsgleichungen die Zeit nicht explizit enthalten, sind nur die Terme Mjk von Null verschieden. 2.2.1 Teilchen auf einer Kugelschale Ein Teilchen der Masse m befindet sich auf einer Kugel mit Radius R und ist der Gravitationskraft (a) ausgesetzt, d.h. F1 = (0, 0, −mg). Die Zwangsbedingung lautet r2 − R2 = 0. Es bleiben also zwei Koordinaten q1 , q2 übrig, für die wir die Winkel q1 = θ, q2 = φ wählen. Dann ist die Transformationsgleichung sin θ cos φ r1 = R sin θ sin φ . cos θ Nach Definition ergibt sich für die verallgemeinerten Kräfte cos θ cos φ Q1 = (0, 0, −mg)T · R cos θ sin φ = Rmg sin θ, − sin θ Q2 = 0 Das sind Potentialkräfte Q1 = −∂V /∂θ, Q2 = −∂V /∂φ für V = Rmg cos θ. Außerdem ergibt sich für T , dass M0 = Mj = 0 und M11 = mR2 cos2 θ cos2 φ + cos2 θ sin2 φ + sin2 θ = mR2 , M22 = mR2 sin2 θ sin2 φ + sin2 θ cos2 φ = mR2 sin2 θ, M12 = mR2 (cos θ cos φ sin θ sin φ − cos θ sin φ sin θ cos φ) = 0, sodass wir insgesamt erhalten: T = m 2 2 R [q̇1 + q̇22 sin2 q1 ], 2 Nun berechnet man ∂L qi sowie ∂L q̇i L= m 2 2 R [q̇1 + q̇22 sin2 q1 ] − Rmg cos q1 2 zu ∂L = mR2 q̇22 sin q1 cos q1 + mgR sin q1 , ∂q1 ∂L ∂L = mR2 q̇1 , = mR2 q̇2 sin2 q1 ∂ q̇1 ∂ q̇2 ∂L =0 ∂q2 woraus die folgenden zwei Bewegungsgleichungen folgen: q̈1 − q̇22 cos q1 g + sin q1 = 0, R 7 mR2 d (q̇2 sin2 q1 ) = 0 dt Aufgaben II 1) Die Atwoodsche Fallmaschine Die Atwoodsche Fallmaschine besteht aus zwei Massen m1 und m2 , die durch ein Seil verbunden sind. Daher lässt sich der Zustand des Systemes (unter Berücksichtigung der Zwangsbedingung der Länge l des Seiles) durch die Koordinate x der Masse m1 beschreiben; die Masse m2 hat die x-Koordinate l − x, also ausführlich geschrieben x r1 (x) = 0 , 0 (a) (1) Welche äußeren Kräfte Fi l−x r2 (x) = y ∗ . 0 wirken (für i = 1, 2)? (2) Was sind die verallgemeinerten Kräfte Qi ? Durch welches Potential V können diese dargestellt werden? Fällt dir eine andere Rechtfertigung für dieses Potential ein? (3) Berechne die M s, T sowie L. Fällt dir eine andere Rechtfertigung für den Term von T ein? (4) Zeige, dass sich die folgende Bewegungsgleichung ergibt: ẍ = g m1 − m2 . m1 + m2 2) Masse an einem Faden Wir betrachten eine Masse m, die sich reibungsfrei auf einer Ebene bewegt. Sie sei an einem Faden befestigt, dessen Länge mit konstanter Geschwindigkeit c verkürzt wird. Also r = R0 − ct. Die generalisierte Koordinate für das System sei der Winkel φ, der zu den Koordinaten von m in folgender Beziehung steht: cos q r1 = (R0 − ct) · sin q 0 (1) Um welche Art von Randbedingungen handelt es sich? (2) Berechne T , L und so die Bewegungsgleichung für das System. 3) Zwei Massen an einem Faden Betrachte das in Aufgabe 4) auf S. 3 behandelte Problem. Betrachte nun als verallgemeinerte Koordinaten den Abstand ρ der Masse m zum Loch und den Winkel φ dieser Masse in der Tischebene. (1) Welche externen Kräfte wirken? (2) Zeige, dass die Lagrangefunktion wie folgt dargestellt werden kann: L= m 2 M 2 (ρ̇ + ρ2 φ̇2 ) + ρ̇ − M g(ρ − L) 2 2 (3∗ ) Stelle die Bewegungsgleichungen des Systems auf. 8 2.3 Die Lagrange-Gleichungen motiviert durch ein Extremalprinzip In diesem Abschnitt wollen wir zeigen, inwiefern die verallgemeinerte Bahnkurve, die dadurch ausgezeichnet ist, dass sie die Lagrange-Gleichungen löst, auch ein bestimmtes Funktional minimiert. Damit lernen wir ein wichtiges Prinzip – das Hamiltonsche Prinzip – an einem einfachen Beispiel kennen, dass sich auch an anderen Stellen der Physik als erfolgreich erwiesen hat. Beispielsweise liefert das Fermatsche Prinzip eine Grundlage für optische Gesetze analoger Struktur. Auch für Feldtheorien und Quantenmechanik ( Feymans Pfadintegrale) ist die Formulierung eines Extremalprinzipes wesentlich: Die Maxwellgleichungen sowie die Einsteinschen Feldgleichungen lassen sich auf ein Prinzip der kleinsten Wirkung zurückführen. Wesentliche Grundlage für die Formulierung des Extremalprinzipes der klassischen Mechanik ist die Variationsrechnung. Hier geht es unter anderem darum, eine reelle Funktion y(x) zu finden, die die Eigenschat hat, ein Funktional, d.h. eine Funktion, die eine Funktion auf eine Zahl abbildet, zu mini- oder zu maximieren. Beispielsweise könnte so ein Funktional wie folgt aussehen: Z x2 I[y] := dx f (y(x), y 0 (x), x). x1 Dabei sei f eine vorgegebene Funktion, die abhängig von y, seiner Ableitung und x ist. Gesucht ist nun diejenige Funktion y, die an den Punkten x1 , x2 vorgegebene Werte annimmt, also z.B. y(x1 ) = y1 , y(x2 ) = y2 , und für die das Funktional I ein Extremum annimmt. Dazu betrachten wir Z x2 I(α) = dx f (y(x, α), y 0 (x, α), x), y(x, α) = y(x) + αη(x) x1 für η(x) eine stetige Funktion mit η(x1 ) = η(x2 ) = 0. Man bildet dann das Differential δI := Nun ist dy 0 dα x2 dx x1 dy dα Z x2 dx x1 ∂f dy ∂f dy 0 + 0 ∂y dα ∂y dα . = (d/dx)(dy/dα), sodass mithilfe von partieller Integration Z Nun ist dI dα = α ∂f d dy =− ∂y 0 dx dα Z x2 dy d ∂f ∂f dy + 0 dα dx ∂y ∂y 0 dα dx x1 x2 x1 = η(x), weshalb die Randterme verschwinden. Also ist Z x2 δI = dx x1 ∂f d ∂f − ∂y dx ∂y 0 dy dα dα dy Nun soll I(α) extremal werden für alle η(x) = dα , d.h. δI = 0. Dazu muss der Integrand verschwinden, d.h. ∂f d ∂f 0= − . ∂y dx ∂y 0 Dies ist die Eulersche Differentialgleichung der Variationsrechnung. Wir können für f (y, y 0 , x) die Lagrange-Funktion L(q, q̇, t) einsetzen, um die Lagrange-Gleichung in einer Dimension zu erhalten. In n Dimensionen ergibt sich die entsprechende Lagrangegleichung für jede der Komponenten. 9 3 Hamiltonsche Mechanik In der Hamiltonschen Mechanik wird die Dynamik eines Systems ebenso in Termen der generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qn beschrieben. Haben wir die Lagrange-Funktion L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n ) eines Systems gegeben, so berechnet sich seine Hamiltonfunktion H als H= n X ∂L k=1 ∂ q̇k q̇k − L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n ). H ist zeitlich konstant, denn n X d d H= dt dt k=1 = n X ∂L ∂qk k=1 ∂L ∂ q̇k q̇k + q̇k + ∂L d q̈k − L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n ) ∂ q̇k dt ∂L d q̈k − L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n ) = 0 ∂ q̇k dt Anstelle der Ableitungen der generalisierten Koordinaten, q̇k wollen wir sog. kanonisch konjugierte Impulse verwenden, um den Phasenraum der möglichen Bahnen zu charakterisieren: pk := ∂L ∂ q̇k Wir nehmen dabei an, dass sich diese Darstellung der pi in Termen der qi und q̇i auch invertieren lässt zu einer Darstellung q̇k (q1 , . . . , qn , p1 , . . . , pk ). Unter Verwendung dieser nimmt der Hamiltonian folgende Gestalt an: (mit q = (q1 , . . . , qn )T , p = (p1 , . . . , pn )T , q̇k = (q̇1 , . . . , q̇n )T ) H= n X pk q̇k − L(q, q̇(q, p)). k=1 In der Lagrangefunktion sind dabei die q̇k zu ersetzen durch die kanonisch konjugierten Impulse. Es ist dann n n X ∂H ∂ q̇k X ∂L ∂ q˙k = q̇i + pk − = q̇i , ∂pi ∂pi k=1 ∂ q˙k ∂pi k=1 sowie ∂H ∂L =− = −ṗi . ∂qi ∂qi Das sind die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen. Beispiel Einfaches Nachrechnen für den Fall der Atwoodschen Fallmaschine ergibt p = (m1 + m2 )q̇, H= p2 − (m1 − m2 )gq, 2(m1 + m2 ) was auf die analoge Bewegungsgleichung wie im Lagrange-Formalismus führt. 10 Aufgaben III 1) Das Doppelpendel Das Doppelpendel besteht aus zwei Massen m1 und m2 , die untereinander angebracht sind. Erst einmal ist m1 am Ursprung mit einer masselosen Verbindungsstange der Länge l1 befestigt. Die Auslenkung gegenüber einem nach unten gerichteten Lot wollen wir bezeichnen als θ1 . An der Masse m1 ist eine weitere Verbindungsstange der Länge l2 befestigt, an der die Masse m2 sitzt. Die Auslenkung dieser Stange sei mit θ2 bezeichnet. Die Winkel θ1 und θ2 seien die generalisierten Koordinaten des Systems. Dann lassen sich die Transformationsgleichungen schreiben als l1 sin θ1 r1 = −l1 cos θ1 , 0 l1 sin θ1 + l2 sin θ2 r2 = −l1 cos θ1 − l2 cos θ2 . 0 Auf beide Massen wirke die Schwerkraft. Zeige, dass die Langrange-Funktion dann geschrieben werden kann als 1 1 2 2 L = (m1 +m2 )θ˙1 l12 + m2 θ˙2 l22 +m2 θ˙1 l1 θ˙2 l2 cos(θ1 −θ2 )+(m1 +m2 )gl1 cos(θ1 )+m2 gl2 cos(θ2 ). 2 2 Berechne daraus die Bewegungsgleichungen für das System. 2) Die schwingende Atwoodsche Maschine Eine schwingende Atwoodsche Maschine sei eine Atwoodsche Maschine mit den Massen m und M , bei der m in der Ebene schwingen kann. Diese Schwingung werde durch einen Winkel θ zum Lot gemessen. Als generalisierte Koordinaten wählen wir neben θ r, den Abstand von m zum Ursprung bzw. zur Befestigung. Zeige, dass die Lagrange-Funktion dann geschrieben werden kann als 1 1 L(r, θ) = M ṙ2 + m(ṙ2 + r2 θ̇2 ) − gr(M − m cos(θ)). 2 2 Berechne daraus die Bewegungsgleichungen. 11