Calov und Calixt - Synkretistischer Streit - Evangelisch

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Calov und Calixt - Lutherische Theologie im Kampf
Eine Untersuchung zur Frage des konfessionellen „Burgfriedens“,
am Beispiel des Synkretismus-Streites im 17. Jh. dargestellt1
Man kann davon ausgehen, dass heute kaum jemand weiß, dass und warum es im 17. Jahrhundert einen Synkretistischen Streit gegeben hat. Erst recht gilt das für die Hauptakteure
dieser Auseinandersetzung: Georg Calixt (1586-1656), Abraham Calov (1612-1686) und die
damals verfasste Lehrerklärung des „Consensus Repetitus Fidei vere Lutheranae“ (= Erneuerte Übereinstimmung; künftig: ConsRep). Abraham Calov, der Wittenberger Wortführer in
diesem Kampf, hat bei Historikern keine gute Presse. Über ihn sagte Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) bissig, dass zwar viele Christen sein wollten, „freilich nicht Wittenbergischlutherische Christen, freilich nicht Christen von Calovs Gnaden“.2 Calovs Biograf aus dem
19. Jh., August Tholuck (1799-1877), belegt ihn mit einer Reihe auserlesener Schimpfnamen, z.B. „lutherischer Erztheologe“, „heißblütiger Zionswächter“, „lutherischer Großinquisitor“, „Mann von Stahl und Eisen“.3
Der heutige Ruf des ConsRep ist nicht viel besser als der von Calov. Der amerikanische Kirchenhistoriker Philip Schaff bezeichnet ihn als „Missglücktes Bekenntnis gegen den
Synkretismus (1655)“ und meint dazu: „Diese neue Bekenntnisschrift ging weit über die Konkordienformel hinaus und hätte, wenn sie angenommen worden wäre, jedes unabhängige
Denken und jeden theologischen Fortschrift im Luthertum künftig ausgeschlossen.“4 Es überrascht nicht, dass Calov und der Consensus Repetitus bis in die jüngste Vergangenheit im
Vergleich zu Georg Calixt kaum Interesse gefunden haben.5 Über Calixt wurde im 19. Jh.
eine zweibändige Biografie veröffentlicht. Hinzu kommen einige wissenschaftliche Studien
und eine moderne Auswahlausgabe seiner Werke. Das liegt daran, dass dem Wortführer
und geistigen Kopf des Synkretismus, Georg Calixt, im 19. und 20 Jh. unter Unionsanhängern und Ökumenikern viele Sympathien entgegen gebracht worden sind.
In meinem Vortrag will ich versuchen, auf sechs Fragen zu antworten:
1.
Was meint der Begriff „Synkretismus“?
2.
Wovon wurde Georg Calixt vor dem Streit geprägt?
3.
Wie ist der Synkretistische Streit verlaufen?
4.
Wie ist der „Consensus Repetitus“ aufgebaut?
5.
Wie sieht der Inhalt des „Consensus Repetitus“ aus?
6.
Wie funktioniert die Polemik im „Consensus Repetitus“?
1
Originaltitel: Lutheran Orthodoxy Under Fire; An Exploratory Study of the Syncretistic Controversy and the
Consensus Repetitus Fidei Verae Lutheranae; aus: Lutheran Synod Quarterly 47 (2007), Nr. 4; siehe auch:
www.blts.edu/wp-content/uploads/2011/6TRS-Consensus-Repetitus.pdf
2
Lessing, Gesammelte Werke, hg. von Raul Rilla, Berlin 1956, Bd. 8, S. 170 (zit. nach: Johannes Wallmann,
Abraham Calov – theologischer Widerpart des Großen Kurfürsten, in: 700 Jahre Wittenberg – Stadt, Universität,
Reformation, hg. von Stefan Oehmig, Weimar 1995, S. 303).
3
August Tholuck, Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs im Verlaufe des 17. Jahrhundert , Gotha
1852, S. 189.202.209.229. Und: Ders., Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts…, Halle 1853, S. 143.
4
Philipp Schaff, The Creeds of Christendom with a History and Critical Notes, 4. Auflage, New York und London 1919, Bd. 1, S. 349.352.
5
Einmal abgesehen von Theodor Wotschkes Werk „Calovs Historia syncretistica“, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 36 (1916), S. 425-458; außerdem hat Wotschke einige Briefe Calovs ediert. - In neuerer Zeit vgl.: Jörg
Baur, Die Pflicht des geschichtlichen Gedenkens, Anlässlich des Geburtstages von A. Calov, in: Luth. Monatshefte 1962, S. 230-232.- Oder: Heinz Stämmler, Die Auseinandersetzung der kursächsischen Theologen mit
dem Helmstedter Synkretismus, Eine Studie zum „Consensus Repetitus fidei vere Lutheranae“ (1655), in: Texte
und Studien zum Protestantismus des 16.-18. Jh., Waltrop 2005, Bd. 4. – Georg Calixt, Werke in Auswahl, hg.
von Inge Mager, 8 Bände, Göttingen 1978-1982.
1.
Was meint der Begriff „Synkretismus“?
Es empfiehlt sich mit der Definition anzufangen, was Synkretismus ist und wie er sich entwickelt hat. Klemens Loeffler schreibt in der Katholischen Enzyklopädie:
„Synkretismus kommt vom griechischen Wort synkretizein (nicht von synkerannynai = zusammenmischen). Eine schöne Erklärung gibt Plutarch in einer kleinen
Schrift über brüderliche Liebe.6 Er sagt dort, dass die Bewohner von Kreta oft in Streitigkeiten untereinander verstrickt waren, aber sofort versöhnlich gestimmt wurden,
wenn sich ein äußerer Feind näherte. ‚Und das ist ihr sog. Synkretismus.‘ Im 16 Jahrhundert wurde dieser Begriff bekannt durch die „Adagia“ des Erasmus. Er fand Verwendung, wenn man den Zusammenhalt die Sektierer (Dissenter) beschreiben wollte,
statt ihrer Meinungsverschiedenheiten, besonders im Blick auf ihre theologischen Unterschiede. Später, als man den Begriff irrtümlich von synkerannynai herleiteten wollten, benutzte man ihn, um eine Mischung aus ungleichen oder nicht zusammenpassenden Dingen oder Ideen zu bezeichnen.“7
Dieser spätere (eigentlich unrichtige) Gebrauch des Begriffs Synkretismus war der Grund,
weshalb er auf Calixt und seine Anhänger angewendet wurde. Der Streit um den Synkretismus ist durch Georg Calixt ausgelöst worden. Er war der Erste, der sich für Toleranz und
Interkommunion (gemeinsames Abendmahl) stark machte, wenigstens unter den christlichen
Kirchen. Desiderius Erasmus (1469-1536) war 1533 in seiner Schrift „De sarcienda ecclesiae
concordia“ [= Von der lieblichen Vereinigung der Kirchen] für gegenseitige Toleranz zwischen römischen Katholiken und Protestanten eingetreten. Diesem Gedanken folgten seine
Schüler, vor allem Georg Cassander (1513-1566). Schließlich entstand unter den reformierten Theologen Franz Junius (1545-1602) und David Paraeus (1548-1622) eine Bewegung,
die man „Reformierte Irenik [= Friedfertigkeit]“ nannte. Die Irenik machte es sich zur Aufgabe,
eine innerprotestantische Aussöhnung zu erreichen.8 Eine solche Wiedervereinigung der
Christenheit wünschten übrigens auch die strengsten orthodoxen Lutheraner, allerdings auf
der Grundlage einer vollständigen Einigung in der Lehre.
Das Besondere an Calixt war, dass er als Protestant die Einigung der ganzen Christenheit suchte, einschließlich der Katholiken. Und doch war er von Haus aus Lutheraner. Er
war überzeugt, dass die lutherische Kirche (z.B. in Braunschweig) das Bekenntnis in der
reinsten Form habe (wenn auch nicht völlig rein) und dass eine Union der Kirchen auf einer
Einigung in der Lehre aufbauen müsse.9 Im Gegensatz zu anderen Lutheranern hielt er allerdings das Konkordienbuch von 1580 - oder sogar das Augsburger Bekenntnis - nicht für
geeignet als Grundlagen einer solchen Einigung.
Calixt wurde von orthodoxen Lutheranern als „Synkretist“ bezeichnet, weil er behauptete, dass das Apostolische Glaubensbekenntnis bereits alle fundamentalen Lehren enthalte,
d.h. alles, was zum Heil nötig ist. Das Apostolikum sollte deshalb als einziger Maßstab bei
der Aussöhnung der Konfessionen dienen. Er plädiert für einen „Consensus antiquitatis“ [=
Übereinstimmung des Altertums; künftig: ConsAnt], d.h. für einen Konsensus der Kirchenvä6
Plutarch, Opera moralia, hg. von Reiske, Bd. VII,910.
Klemens Löffler, Art. Synkretismus, in: The Catholic Encyclopedia, hg. von Charles Herbermann u.a., New
York 1912, Bd. 14, S. 383.
8
Theologisch waren die reformierten Ireniker der Überzeugung, dass zwischen Reformierten und Lutheranern
eine grundlegende Übereinstimmung herrsche. Die lutherische Reformation sei auf halben Weg im Katholizismus stecken geblieben. Politisch standen die Reformierten durch den Religionsfrieden von 1555, der nur die CAAnhänger schützte, relativ schlecht da und waren unter Druck. Diese Gründe führten dazu, dass die Reformierten
immer wieder von den Lutheranern die gegenseitige Anerkennung forderten, um die römischen Katholizismus
geeint entgegentreten zu können.
9
Vgl. Consilia Theologica Witenbergensia, Das ist: Wittenbergische Geistliche Ratschläge…, Frankfurt/M.
1664, Teil 1, S. 928.930.
7
ter und Konzile in den ersten fünf Jahrhunderten10, der als einzig korrekte Auslegung des
Apostolikums anzusehen sei. Dieser Konsensus sollte dazu dienen, den zeitlosen apostolischen Glauben einzuschärfen, falsche Lehren abzuwehren und als gemeinsame Grundlage
für gegenseitige Toleranz und eine Aussöhnung der Konfessionen dienen.11
Diese Idee ist der Schlüssel zu Calixts Unionstheologie und das Zentrum der Polemik
im ConsRep gegen ihn. Viele Lutheraner widersprachen Calixts Vorstellungen, weil er sich
mit ihnen über die lutherischen Bekenntnisse hinwegsetzte und auch die Tradition höher als
die Bibel einstufte. Vor allem beachtete er nicht, dass das Apostolikum keineswegs alle
christlichen Fundamentallehren enthält. Es sagt z.B. nichts zur Rechtfertigung.12 Lutheraner
glauben auch nicht, dass alles, was das Konkordienbuch - oder gar das Augsburger Bekenntnis - lehrt, fundamental ist. Aber sie glauben, dass auch die nichtfundamentalen Lehren
der Bekenntnisse wesentlich sind für die Einigkeit der Kirche.13
Der ConsRep verurteilt z.B. nicht etwa alle Nichtlutheraner, sondern nur falsche Lehrer
und falsche Lehren.14 Calixt betont dagegen, dass alle, die das Apostolikum bekennen, „Kirche“ sind. Im Gegensatz dazu waren die kursächsischen Lutheraner der Überzeugung, dass
die Lutherische Kirche zwar die wahre Kirche ist, dass aber auch Katholiken und Reformierte
Christen sein und selig werden können, wenn sie an den fundamentalen christlichen Wahrheiten festhalten.15 Kurz gesagt: Calixts Lehre beschränkt die zum Heil nötige Lehre auf das
Apostolikum. Sie macht die Zustimmung zum Apostolikum und dessen Auslegung im
ConsAnt zum Kennzeichen für die wahre Kirche und zur alleinigen Basis für Kirchengemeinschaft.
2.
Wovon wurde Georg Calixt vor dem Streit geprägt?
Weil Calixt der geistige Urheber und Wortführer der Synkretistischen Bewegung gewesen ist,
lohnt es sich einen Blick auf seinen Lebensweg zu werfen, um zu sehen, welche Faktoren zu
seiner Unionstheologie geführt haben.
Georg Calixt wurde am 14.12.1596 in Medelby/Schleswig geboren. Sein Vater Johannes Calixt war Pastor und bekannt als Erasmianer und Melanchthon-Verehrer. Der Vater
weckte in dem Jungen die Liebe zur Antike. Um den Sohn vor dem Einfluss der Gnesiolutheraner16 und der Konkordienformel zu schützen (besonders vor der Ubiquitätslehre), unterrichtete ihn der Vater bis zum 12. Lebensjahr selbst.17 Nach vier Jahren an der humanistisch
orientierten Lateinschule in Flensburg, sandte ihn sein Vater 1603 an die Universität Helmstedt.
10
Man spricht deshalb auch vom „Consensus quinque-saecularis“ (J. Dorsch). Vgl. dazu: Johannes Wallmann,
Zwischen Reformation und Humanismus, in: Theologie und Frömmigkeit im Zeitalter des Barock, Gesammelte
Aufsätze, Tübingen 1995, S. 75.
11
Heinrich Schmid, Geschichte der synkretistischen Streitigkeiten in der Zeit Georg Calixts, Erlangen 1846, S.
147f.160.200. Wilhelm Gass, Georg Calixt und der Syncretismus, Breslau 1846, S.63. – Calixt war der Überzeugung, dass alle fundamentalen Lehren in ihrer letztgültigen Form für alle Zeit und ohne Notwendigkeit weiterer
Erklärungen im Apostolikum enthalten sind. Alle Irrlehren sind nur erkenntnismäßige (cognizant) Leugnungen
der Glaubensartikel. Calixt erstrebte eine brüderliche Toleranz zwischen den Konfessionen und hoffte auf eine
schließliche Aussöhnung der Christenheit, auch wenn sie gegenwärtig noch nicht realisierbar war.
12
Zum Verständnis des orthodox-lutherischen Konzepts von fundamentalen und nicht fundamentalen Lehren,
vgl. Nicolaus Hunnius, Diaskepsis Theologica (Nachdruck: Malone, TX. 1999).
13
Vgl. dazu allg.: Heinrich Stallmann, Fundamentales und Nichtfundamentales in der Bibel, in: Theol. Handreichung 1995/4.
14
Consilia Theologica Witenbergensia, I,928f.
15
Ebd. I,828; Hermann Schüssler, Georg Calixt, Theologie und Kirchenpolitik, Eine Studien zu Ökumenizität
des Luthertums, Wiesbaden 1961, S. 144.
16
Als Gnesiolutheraner bezeichnete man im 16. Jh. die Anhänger Luthers, im Gegensatz zu den MelanchthonAnhängerns (sog. Philippisten).
17
Johannes Wallmann, Georg Calixt, in: TRE 7,552.
Diese theologische Fakultät war nicht der Konkordienformel verpflichtet und huldigte
einer Philippistisch-humanistischen Tradition. Das dort geltende „Corpus Doctrinam Julianum“ verlangte nur die Unterschrift unter die altkirchlichen Bekenntnisse, unter die CA und
ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und die Katechismen Luthers; außerdem unter
den „Kurzen Bericht“ und unter das Werk „De formalis caute et citra scandalae…“ des Urbanus Rhegius (1489-1541).18 Als Herzog Heinrich Julius (+ 1613) 1589 in Braunschweig an
die Macht kam, wurde Annahme des Konkordienbuches nicht weiter gefördert.19
In Helmstedt geriet Calixt unter den Einfluss von Johann Caselius (1533-1613), den
man den „letzten deutschen Humanisten“ nannte, und von Cornelius Martini (1568-1621),
der die Aristotelische Metaphysik im deutschen Luthertum wieder belebte. Die Helmstedter
Atmosphäre förderte bei Calixt einen Sinn für Geschichte und eine Liebe zum Ideal der Antike.20 Gegner des Aristotelismus waren in Helmstedt Daniel Hoffmann (1538-1611), ein Anhänger des Ramismus21, und Balthasar Meisner (1587-1626), der argumentierte, dass Logik
in der Theologie nicht nötig sei. Im Gegensatz zu diesen beiden wurde Calixt ein Anhänger
von Martini und selbst ein guter Aristotelist. Er lernte Theologie vor allem bei Cornelius Martini, der von der Norm der frühen lutherischen Orthodoxie deutlich abwich, besonders in der
Christologie. Man hat später Calixt gelegentlich als „Autodidakten“ bezeichnet, der nie orthodoxe Theologie gehört habe.22 Zusätzlich beschäftigte er sich mit Philosophie. Er widmete
sich vor allem der Geschichte der Kirche und der Kirchenväter, was für sein späteres Projekt
wichtig wurde.
Zwischen 1609 und 1613 unternahm Calixt zwei große Reisen. Dabei begegnete er
sowohl dem Jesuiten Martin Becanus (1563-1624) als auch den reformierten Irenikern David
Paraeus (1548-1622) und Casaubonus (1559-1614). Vor allem die Betonung der Antike
durch den letzteren macht großen Eindruck auf Calixt.23 Seine Disputation mit dem Jesuiten
Augustinus Turrianus (1566-1644) lenkte die Aufmerksamkeit von Herzog Friedrich Ulrich
(1591-1634) auf Calixt. Der Herzog ernannte ihn noch im gleichen Jahr zum Professor in
Helmstedt.
Der neue Professor war einigen in Braunschweig sofort suspekt. Seine Dissertation
von 1616, von Balthasar Mentzer (1565-1627) betreut, wurde als zu philosophisch und historisch beanstandet, mit zu wenig biblischen Beweisen.24 Seine Anthropologie und die Darstellung der Rechtfertigung in seiner „Epitome theologiae“ (1619) wurde von Mentzer 1620 als
zu „papistisch“ (katholisch) kritisiert.25 In Jena unternahm man sogar 1625 den Versuch einer
Widerlegung Calixts.26 Das Misstrauen, mit dem man Calixt zu Haus wie anderswo begegnete, scheint der Grund dafür gewesen zu sein, dass er einige Werke als Professor in seinem
„Apparatus theologicus“ veröffentlichte (1628). Eine erwähnenswerte Ausnahme bildet die
„Epitome theologiae“, welche seine Studenten veröffentlichten. Schließlich sammelte Calixt
einen Kreis von Gleichgesinnten um sich. Zu ihm gehörten: Conrad Horneius (1590-1649),
18
Emil Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jh., Tübingen 1955, Bd. 6/1, S. 91-93. – J. Wallmann (Zwischen Reformation und Humanismus, S. 64) macht darauf aufmerksam, dass die Ablehnung der Konkordienformel durch Herzog Julius von Braunschweig weniger dadurch bestimmt war, dass es die lutherischen
Theologen in Braunschweig (z.B. M. Chemnitz) verboten hatten, seinen Sohn nach römischem Ritus zu ordinieren, sondern dadurch, dass das Konkordienwerk vom sächsischen Kurfürsten August vorangetrieben wurde, den
Julius als Rivalen empfand.
19
Wallmann, aaO., S. 66.
20
Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Das Ringen um Einheit der Kirchen im Jh. der Reformation, Stuttgart 1957,
S. 235.
21
Nach Petrus Ramus (1515-1572), ein französischer Gegner des Aristotelismus.
22
Wallmann, in: TRE 7,552.
23
Kantzenbach, aaO., S. 235.
24
Wallmann, aaO., S. 553.
25
Jörg Baur, Die Helmstedter Lesart des Rechtfertigungsartikels und deren rechtgläubige Kritiker, in: Zur Rechtfertigungslehre in der Lutherischen Orthodoxie, hg. von Udo Sträter, Leipzig 2003, S. 82.
26
Ernst Koch, Das konfessionelle Zeitalter – Katholizismus, Luthertum, Calvinismus (1563-1675), Leipzig
2000, S. 304.
Herman Conring (1606-1681), Gerard Titius (1620-1681) und Justus Gesenius27 (16011673).
Immerhin war Calixt anfangs noch der Überzeugung, dass sowohl Katholiken als aus
Reformierte fundamentale Irrtümer vertreten und dass eine Wiedervereinigung der Kirche
nur durch Rückkehr zur Lutherischen Kirche möglich sein sollte. Diese Position nahm er ein,
bis er in den 1620-er Jahren seine Unionstheologie entwickelte.28 Sein Melanchthonischer
Traditionalismus, seine Liebe zu Antike, seine intellektuelle Aufgeschlossenheit (openess) –
diese Dinge haben ihn zwar nicht direkt zu seiner Unionstheologie geführt, aber doch den
Boden dafür bereitet, dass diese sich entwickeln konnte.
Auch der 30-jährige Krieg (1618-1648) spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung
der Irenik-Ideen und bei den Plänen für eine Kirchenunion. Die Kalvinisten wurden einerseits
durch die katholischen Habsburger und das französische Königshaus (Valois) verfolgt, andererseits von Lutheranern darauf hingewiesen, dass der rechtliche Schutz des Augsburger
Religionsfriedens von 1555 nicht für sie Geltung habe. Deshalb suchten Kalvinisten - wie
etwa der Brandenburgische Hofprediger Peter Bergius (1587-1658) – eine Einigung unter
den Protestanten, um eine gemeinsame Front gegen den Katholizismus zu bilden. Am
Nächsten kam Bergius diesem Ziel, als der 1631 die kursächsischen Theologen für ein Kolloquium in Leipzig gewann und erreichte, dass Kursachsen seinen prokaiserlichen (prohabsburgischen) Kurs zeitweise aufgab.29 Der Grad der Übereinstimmung, der bei diesem
fast harmonisch verlaufenden Kolloquium erreicht wurde, beruhte vor allem darauf, dass
Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) mit seinem Restitutionsedikt30 die sächsischen Lutheraner
vor die generelle Frage ihrer Existenzberechtigung im Reich gestellt hatte. Sie mussten befürchten, ihren bisher anerkannten Status zu verlieren. Am Ende des Leipziger Kolloquiums
wurde ein Manifest verabschiedet, das eine gemeinsame politische Front von Lutheranern
und Reformierten gegen die Habsburger möglich machte. Aber sobald die Lutheraner wieder
die Oberhand gegenüber den Katholiken gewannen,31 kehrten sie zu ihrer antikalvinistischen
Politik zurück. Dieser Krieg mit seinen Zerstörungen, der vor allem durch die konfessionelle
Spaltung des Landes hervorgerufen worden war, ging an Calixt nicht spurlos vorüber. Er
begann, über eine Einigung der Kirche auf der Basis der Fundamentallehren nachzudenken.32
Mitten im 30-jährigen Krieg, aber noch vor dem Leipziger Kolloqium, gab Calixt 1629
zwei Schriften heraus: Augustins (354-430) „De doctrina Christiana“ [Über die christliche
Lehre] und das „Commonitorium“ [Erinnerung] des Vincent von Lerinum (+ ca. 450). Calixt
schrieb dazu eine Vorrede, in der er erstmals seine Idee vom „Consensus antiquitatis“ [=
Übereinstimmung des Altertums] vorstellte.33 1633 lud Herzog Ernst von Gotha Calixt ein, bei
der Reorganisation des Herzogtums Franken zu helfen. Hier macht er erstmals im Sinne der
Irenik praktischen Gebrauch von seinem „Consensus antiquitatis“, indem er dazu aufrief,
auch Katholiken als wahre Christen zu tolerieren.34
27
Er war Oberhofprediger in Hannover und kommt in unseren Gesangbüchern vor (Wenn meine Sünd mich
kränken). Nicht zu verwechseln mit dem AT-ler Wilhelm Gesenius (1786-1842), von dem das bekannte hebräische Wörterbuch stammt.
28
Schüssler, aaO., S. 44f.51f.
29
Bodo Nischan, Reformed Irenicism and the Leipzig Colloquy, in: Lutherans and Calvinist in the Age of Confessionalism, Ashgate 1999, XIII,1-26.
30
Das kaiserliche Edikt vom März 1629 sollte die geistlichen Besitzstände nach dem Stand von 1552 wieder
herstellen (also hinter den Augsburger Religionsfrieden zurückgehen).
31
Besonders durch das erfolgreiche Eingreifen des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf auf Seiten der lutherischen
Reichsstände (seit 1631).
32
Schüssler, aaO., S. 45; J. Wallmann, Kirchengeschichte Deutschland seit der Reformation, 5. Aufl., Tübingen
2000, S. 99; J. Wallmann, Zwischen Reformation und Humanismus, S. 74.
33
Wallmann, TRE 7,553f. Johann Dorsch benutzte dafür als Erster den Ausdruck “Consensus quinquesaecularis”, nicht Calixt selbst.
34
Wallmann, TRE, S. 554.
Wenig später lud er alle katholischen Universitäten zu Gesprächen über Religionsfragen ein. 1642 plädierte er erneut für Religionsgespräche, indem er ein Werk von und über
Georg Cassander an die Universitäten in Mainz und Köln sandte. Als die Antwort ablehnend
ausfiel, schrieb Calixt 1644/45 seine „Responsum maledicis theologorum Mogunitorum“ [=
Antwort an die verfluchten Theologen von Mainz], in der er seinen Plan für eine Kirchenunion
vorstellte.35 Der erste öffentliche Angriff gegen Calixt und sein Modell vom ConsAnt stammte
von Statius Buscher (1584-1641), der in seiner Schrift „Cryptocalvinismus novae Theologiae
Helmstadiensis“ [= Der verborgene Kalvinismus der neuen Helmstädter Theologen] Calixt
vorwarf, das „Corpus doctrinae Julium“ (die Braunschweigische Bekenntnisgrundlage) verlassen zu haben.
Fassen wir kurz zusammen:
(1) Calixts Erziehung, die Freiheit von konfessioneller Bindung, seine humanistische
Ausbildung und sein historisches Interesse bewirkten bei ihm eine große Neigung
zur Toleranz.
(2) Seine Reisen erbrachten manche persönlichen Kontakte und als Folge davon eine
freundlichere Einstellung gegenüber Reformierten und Katholiken als sie sonst damals unter Lutheranern zu finden war. Die genannten Faktoren brachten nicht seine
Unionspläne hervor, aber sie begünstigten diese.
(3) Eine wichtige Rolle spielte für Calixt der 30-jährige Krieg. Er förderte irenisches
Denken und brachte Calixt dazu, über fundamentale Lehren und die Einigung der
Kirchen nachzudenken.
Bleibt die Frage: Woher stammte Calixts spezielle Unionstheologie? Die Antwort lautet: von
Cassander und deDominis. Hermann Schüssler hat nachgewiesen, dass die von Calixt entwickelte Unionstheologie letztlich weder von der lutherischen Konfessionstradition noch von
der reformierten Irenik beeinflusst worden ist, sondern von der alten katholischen Kirchenidee, welche er bei Cassander und Marcus Antonius deDominis (1560-1624) kennen
lernte.36 Cassander war der Überzeugung, dass das Apostolikum alle fundamentalen Lehren
enthält und dass durch Schrift und Tradition der Alten Kirche auftretende theologische Kontroversen gelöst werden sollten.37 DeDominis entwickelte diese Ideen weiter, indem er die
Kirche der ersten fünf Jahrhunderte als „wahre Form“ der katholischen Kirche bezeichnete.
Als besten Weg zur Erreichung einer Kirchenunion schlug er das Zurücgehen auf die Fundamentallehren, wie sie im Apostolikum enthalten sind. Auch Abraham Calov registrierte in
seiner Vorrede zum ConsRep (1666) die Verbindung zwischen Calixts Unionstheologie und
Cassander bzw. DeDominis.38 H. Schüssler erklärt zutreffend:
„In Auseinandersetzung mit Ideen von Cassander und deDominis hat Calixt in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts dann die Gedanken entwickelt, die zu seiner neuen
Sicht der Trennung und der Einheit geführt haben. Bereits 1617 kennt er den ersten Teil
der ‚Respublica Ecclesiastica‘ [von deDominis], der in diesem Jahr erschien. 1622 kommt
der dritte Teil mit dem VII. Buch heraus, das die Ausführungen zur Kircheneinheit enthält.
In seinen nächsten größeren Schriften hat Calixt das Werk benutzt. Gelegentlich lässt
sich sogar bis in formale Einzelheiten hinein eine Abhängigkeit nachweisen. Vor allem
zeigt er aber in seiner neuen Konzeption von der kirchlichen Einheit eine deutliche inhaltliche Beeinflussung durch deDominis. Falls er vorher mit Cassanders Ideen noch nicht
bekannt war, wurde er durch deDominis jetzt darauf aufmerksam.“39
35
Wallmann, TRE, S. 555.
Schüssler, aaO., S. 49.
37
Ruth Rouse/Stephan Ch. Neill, A History of the Exumenical Movement 1517-1948, London ²1967, S. 38.
38
Consensus Repetitus…, Wittenberg 1666, S. 2.
39
Schüssler, aaO., S. 51f.
36
3. Wie ist der Synkretistische Streit verlaufen?
Im Synkretistischen Streit kann man drei Phasen unterscheiden:
1. Phase (1645-1656): vom Kolloqium in Thorn bis zum Tod von Calixt;
2. Phase (1661-1669): von den Kolloquien in Hessen-Kassel und Berlin bis zum Verbot
der Kanzelpolemik durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (16201688);
3. Phase (1675-1686): von Calovs Wiederaufnahme der Kontroverse bis zu Calovs
Tod.40 In dieser letzten Phase versuchte Calov, mehr Zustimmung für den ConsRep
zu finden, und er begann mit seiner Polemik gegen Johann Musäus (1613-1681) in
Jena.
Phase I (1645-1656):
Das „Colloquium charitativum“ [= Das liebreiche Religionsgespräch] oder Kolloquium von
Thron (28.8.-21.11.1645) wurde vom Polnischen König Wladislaw IV. (1595-1648) einberufen mit der Absicht, die Protestanten zurück in die Katholische Kirche zu führen.41 Als Calixt
von dem Kolloquium hörte, war er sofort von dem Unternehmen begeistert und bemühte
sich, dafür als Teilnehmer berufen zu werden. Das erregte den Unwillen von Coelestin
Myslenta (1588-1653) und Abraham Calov, die sich beide in Preußen gegen die Versuche
des Großen Kurfürsten (Friedrich Wilhelm) zur Wehr setzten, den Kalvinismus zu fördern.42
Der Stadtrat von Danzig, das damals zu Polen gehörte, erklärte sich bereit, Calixt als seinen
Delegierten zum Kolloquium zu entsenden, aber A. Calov wusste das zu verhindern. Er war
zu der Zeit Pastor und Schulrektor in Danzig. Die polnischen Lutheraner wählten schließlich
den Wittenberger Professor Johann Hülsemann (1602-1661) als einen ihrer Vertreter. Hülsemann wurde neben Calov zum Wortführer der Lutheraner in Thorn.
Auch der Kurfürst von Brandenburg war gebeten worden, Theologen nach Thorn zu
entsenden, weil er gleichzeitig in Preußen regierte und damit als Vasall des polnischen König
galt. Das brandenburgische Herrscherhaus der Hohenzollern war nicht bereit, den Lutheranern im eigenen Land mit Toleranz zu begegnen – wie es sogar vom reformierten Hofprediger Bergius vorgeschlagen wurde -, sondern man war darauf aus, das Luthertum zu schwächen, wo es nur ging.43 Es verwundert daher nicht, dass Kurfürst Friedrich Wilhelm in Calixt
und den mehr moderaten (gemäßigten) Lutheranern geeignete Verbündete sah. Der Große
Kurfürst lud deshalb – auf Vorschlag von Bergius – Calixt ein, anstelle von Coelestin Myslenta (1588-1653) am Kolloquium teilzunehmen. Er hoffte, so die Position der orthodoxen Lutheraner zu unterminieren.44 Schließlich wählte er als Vertreter der lutherischen Universität
Königsberg drei ihm genehme Männer aus: Levin Pouchen (1594-1648), Michael Behm
(1612-1650) und Christian Dreier (1610-1688).45 Hinzu kamen Friedrich Reichel und Bergius
als reformierte Berater des Kurfürsten.
In Thorn warb Calixt für seine Unionsidee, aber Calov und Hülsemann setzten sich dagegen zur Wehr, indem sie ihn nicht als Lutheraner anerkannten. Daraufhin machte Calixt
gemeinsame Sache mit den Reformierten und half ihnen die „Declaratio Thornensis“ (=
Thorner Erklärung) zu erstellen. Calov nannte sie die „Calixtinische Professio“ [= Calixts Bekenntnis], weil man auf Schritt und Tritt sehen konnte, wie Calixt dabei die Feder geführt hatte.46
40
Paul Tschackert, Syncretism, Synkretistic Controversies, in: The New Schaff-Herzog Religious Encyclopedia,
hg. Von Samuel M. Jackson, Grand Rapids 1949/50, Bd. 11, S. 219 (deutsche Ausgabe: Realenzyklopädie, 3.
Aufl., hg. von Herzog).
41
Schüssler, aaO., S. 122.
42
Tschackert, aaO., S. 219.
43
Nischan, aaO., S. XII:402-4.
44
Koch, aaO., S. 305.
45
Schüssler, aaO., S. 124.
46
Schüssler, aaO:, S. 128f; Gaß, aaO., II,161; J. Wallmann, Kirchengeschichte Deutschlands, S. 99.
Die lutherische Stellungnahme, die sich kritisch damit auseinandersetzte, durfte hingegen nicht einmal verlesen werden. Die lutherischen Theologen lehnten es in Thorn übrigens
ab, mit Katholiken, Reformierten und Herrnhutern gemeinsam zu beten – weil sie ganz offensichtlich nicht einig waren.47 Am Ende kam bei dem Kolloquium kaum mehr heraus, als
dass für die orthodoxe Polemik gegen Calixt eine Bühne geschaffen wurde.
Der eigentliche lutherische Angriff gegen Calixt und seine Anhänger begann 1646 in
Königsberg mit der Affäre um Johann Latermann. Er war ein Schüler und Anhänger von
Calixt, der ihn in Thorn begleitet hatte. Der Große Kurfürst hatte Latermann nach dem Thorner Kolloquium zum Professor der Theologie in Königsberg ernannt. Latermanns Habiltationsschrift vom März 1646 „De aeterna Dei praedestinatione“ [= Über ewige Erwählung Gottes] spaltete die Fakultät. Man holte Gutachten anderer lutherischer Universitäten ein, weil
Latermann eine lehrmäßige Einigung mit den Reformierten für möglich hielt und behauptete,
keines der konfessionellen Bekenntnisse sei frei von Irrtum.48 In Königsberg fand Latermann
Unterstützung bei Dreier, Pouchen und Behm. Auf der anderen Seite warf ihm Colestin
Myslenta zehn Irrtümer vor: Leugnung der Erbsünde, Synergismus, kalvinistische Erklärung
der Erwählung, Leugnung der Hauptbeweise für die Trinität, Überbetonung der guten Werke
und Höherbewertung der Tradition gegenüber der Heiligen Schrift.49 1648 gab Myslenta die
„Censurae theologorum orthodoxorum“ [= Eine Beurteilung, was orthodox lutherisch ist] heraus, auf die C. Horneius in Helmstedt umgehend mit einer Wiederlegung antwortete.
Am 29.12.1646 wandten sich die (sächsischen) Fakultäten von Wittenberg, Leipzig und
Jena mit einer „Admonitio“ [= Ermahnung] an die Helmstedter Universität. Sie forderten darin, zur lutherischen Lehre von den guten Werken zurück zu kehren und die Einheit und
Reinheit der lutherischen Kirche wieder herzustellen.50 Die Ermahnung war durch den sächsischen Kurfürst Johann Georg I. (1585-1656) veranlasst worden. Er war durch seinen
Oberhofprediger Jakob Weller (1602-1664) darauf aufmerksam gemacht worden, dass Horneius in einer Disputation die Notwendigkeit von guten Werken für die Seligkeit behauptet
hatte.51 Calixt antwortete darauf mit einem scharfen Brief an Prof. Hülsemann (Wittenberg),
in dem er die Vorwürfe zurückwies und daran erinnerte, dass die Konkordienformel in Braunschweig nicht bindend sei.
Nachdem er sich mit der Sache befasst hatte, forderte der Kurfürst im Januar 1648
seine Theologen auf, die Helmstedter Irrtümer Punkt für Punkt zu widerlegen.52 Unter dem
16.6.1649 wandte sich Kurfürst Johann Georg persönlich an die drei Braunschweiger Herzöge, die für die Universität Helmstedt zuständig waren. Er beschuldigte Calixt des vielfachen
Irrtums und der Spaltung der Lutherischen Kirche. Er bat die Helmstedter Theologen, von
weiterer Polemik Abstand zu nehmen und lud die Fürsten ein zu einer Allianz der evangelischen Länder mit dem Ziel, sich durch klare Verhaltensregeln gegen Spaltungen zu schützen.53 Im Gegensatz dazu veranlassten die Braunschweiger Herzöge Horneius - mit Hilfe
von Calixt - eine Verteidigung gegen die Königsberger Schrift „Censurae theologorum orthodoxiae“ zu schreiben, in der sie sich zur Autorität der Alten Kirche, zu den Werken, zur Trinität und zum Vorwurf des Synkretismus äußerten.54 Tschackert fasst die Reaktion des sächsischen Kurfürsten wie folgt zusammen:
„Jetzt lieferte Calixt eine Verteidigung (Apologie), die sich an Johann Georgs Adresse
richtete. Die Braunschweiger Herzöge antworteten (1650) dem Kurfürsten gemeinsam und boten an, ihre Theologen von weiterer Polemik zurück zu halten, unter der
Bedingung, dass das Gleiche auf der anderen Seite auch passiere. Sie schlugen vor,
47
Zur kirchlichen Chronik, in: Der Lutheraner 64 (1908), S. 111. + WLQ-Artikel!!
Schüssler, aaO. S. 135.
49
Gaß 2,163.
50
Koch, aaO., S. 304.
51
Schüssler, aaO., S. 136.
52
Ebd., 140.
53
Tschackert, aaO., 11,220.
54
Ebd.
48
einen Konvent einzuberufen, der um des Friedens willen Ratschläge gegen Spaltungen geben sollte. Sie deuteten aber auch Widerstand gegen das beabsichtigte Direktorat an, wenn dieses eine zwangsweise Unterordnung einschließen sollte.“55
Johann Georg reagierte darauf 1650 mit der Berufung von Abraham Calov als Professor
nach Wittenberg. Dieser hatte im Jahr zuvor zwei Schriften gegen Calixt herausgegeben:
„Institutionum theologicarum ‚ta prolegomena‘ cum examine novae theologiae Calixtinae“ [=
Voraussetzungen der Theologie, einschließlich einer Prüfung der neuen Theologie Calixts]
und „Consideratio novae theologiae Helmstadio regiomontanorum syncretistarum“ [Betrachtung der neuen Helmstädter Theologie…]. Schon diese Berufung Calovs ließ ein weiteres
Anwachsen der Polemik befürchten.
Calixt selbst nahm an den folgenden Auseinandersetzungen nicht mehr teil, nachdem
er 1651 seine „Widerlegung Wellers“ veröffentlicht hatte. Im Jahr 1650 beauftragte der sächsische Kurfürst seine Theologen eine Konferenz einzuberufen, bei der die Helmstädter Angelegenheit diskutiert werden sollte. Für diesen Zweck wurden bis 1652 94 Irrtümer der
Helmstädter zusammengetragen.56 Diese Konferenz kam aber nicht zustande, weil sich die
ernestinischen Herzöge (in Thüringen) und die Theologen der Universität Jena verweigerten.
Sie wollten die Spaltung nicht noch größer werden lassen und befürchteten, dass man in
Kursachsen Braunschweig vom Luthertum ausschließen wollte.57 Die Kursachsen ließen sich
jedoch dadurch nicht aufhalten.
1655 bat das Dresdner Oberkonsistorium um ein neues Bekenntnis gegen den Synkretismus. Zwischen Februar und März 1655 schrieben die Wittenberger und Leipziger Theologen jeweils einen Entwurf. Aus beiden entstand dann der ConsRep.58 Es wird heute allgemein angenommen, dass Calov den Text des ConsRep letztlich verfasst habe.59 Der ConsRep hat keine weiteren Unterschriften erhalten (außer den kursächsischen) und ist nicht unter die lutherischen Bekenntnisschriften aufgenommen worden.60 Das lag daran, dass die
Jenaer Theologen eine mittlere Position zwischen Helmstedern und Kursachsen einnahmen.
Der ConsRep wurde auch nicht vor 1664 gedruckt herausgegeben, bedingt durch die Haltung der ernestinischen Sachsen (Jena). Nach dem Tod von Calixt und Kurfürst Johann
Georg (im Jahr 1656) hielten viele der Streit für erledigt.61
Phase II (1661-1669):
Die zweite Phase des Synkretistischen Streites beginnt mit den Kolloquien von HessenKassel und Berlin. Durch den Westfälischen Frieden (1648/49) gelangte die lutherische Universität Rinteln unter die Herrschaft des reformierten Landgrafen Wilhelm VI. (von HessenKassel, 1629-1663), der ein Schwager des Großen Kurfürsten (in Brandenburg) war. Um
seinem Land etwas Gutes zu tun, strebte Wilhelm VI. eine kirchliche Union von Lutheranern
und Reformierten an. Zu diesem Zweck lud er vom 1.-9.6.1661 die reformierte Fakultät der
Universität Marburg (seit 1653 wieder eröffnet) und die lutherische Fakultät Rinteln zu einem
„Colloquium irenicum“ [= Friedvolles Gespräch] ein.62 Sebastian Curtis sowie Johannes Hei55
Ebd.
Schüssler, aaO., S. 147.
57
Tschackert, aaO., S. 220.
58
Schüssler, aaO., S.147f.
59
In wissenschaftlichen Untersuchungen wird heute generell Calov als Autor des ConsRep angesehen. Das hängt
damit zusammen, dass er der Hauptgegner des lutherischen Synkretismus gewesen ist. Weil sowohl in Helmstedt
als auch in Jena Kritik am ConsRep geübt wurde, stellte man dieses Dokument gern als Werk des „übereifrigen
Streiters“ Calov dar, nicht als Werk der kursächsischen Theologen insgesamt. Aber Heinz Stämmler hat exzellent nachgewiesen, dass Johann Hülsemann der Hauptverfasser des ConsRep gewesen ist (Heinz Stämmler, Die
Auseinandersetzung der kursächsischen Theologen mit dem Helmstedter Synkretismus, in: Texte und Studien
zum Protestantismus des 16.d. 4, Waltrop 2005, S. 89.93-96.113). Vgl. dazu: Schaff, aaO., 1,351; Calixt, Werke
in Auswahl, Bd. 1, S. 32.
60
Koch, aaO., S. 306; - Wallmann, Kirchengeschichte, S. 100.
61
Koch, aaO., S. 304.
62
Gaß, aaO., 2,171.
56
nius waren die reformierten Wortführer und Johannes Heinichen sowie Peter Musäus (16201674, ein Bruder von Johann Musäus in Jena) die lutherischen. Diskutiert wurden folgende
Themen: Taufe, Abendmahl, die Person Christi und die Erwählung. Die Wittenberger Fakultät kritisierte das Kolloquium scharf, als sie davon erfuhr. Man gab 1662 eine Schrift heraus
mit dem Titel: „Epicrisis Theol. Fac. Witeberg - De colloquio Casselano RintelinoMarpurgensium“ [= Entscheidung der Wittenberger Fakultät – Über das Rinteln-Marburger
Kolloquium in Kassel]. Dieser polemischen Abhandlung folgten weitere.
Vom 8.9.1662-29.6.1663 veranstaltete der (brandenburgische) Große Kurfürst Friedrich Wilhelm in Berlin ebenfalls ein reformiert-lutherisches Kolloquium, an dem auch Paul
Gerhardt (1607-1676) teilnahm. Aber die Gespräche erbrachten kaum Ergebnisse. Daraufhin
erließ Friedrich Wilhelm am 16.9.1664 ein neues Edikt, in dem er konfessionelle Polemik
unter Androhung der Amtsentlassung verbot.63 Viele lutherische Pastoren – wie auch Paul
Gerhardt - weigerten sich, dem Edikt Folge zu leisten, und wurden aus dem kirchlichen Amt
entlassen.
Zur gleichen Zeit veröffentlichten die kursächsischen Theologen 1664 in Frankfurt/M.
ihre „Consilia theologica Witebergensia“ [= Wittenberger theologische Beschlüsse]. Sie enthielten eine Zusammenstellung der Auffassungen der Wittenberger Fakultät, bei denen jeweils ihre Rechtgläubigkeit auf Luther zurückgeführt wurde. Der ConsRep, der schon 1655 in
Kursachsen verabschiedet worden war, wurde in diesem Band erstmals veröffentlicht.64
Ernst Henke hat festgestellt, dass es im 17. Jh. drei Druckausgaben des ConsRep gegeben
hat:65 Die erste in Latein und Deutsch war die in den „Consilia“ von 1664. Dabei ist der deutsche Text ausführlicher, mehr eine Erläuterung zum knappen lateinischen Text, für die Laien
bestimmt. Danach ist der ConsRep auch einzeln gedruckt worden. Die zweite Druckausgabe
wurde 1666 durch Abraham Calov in Wittenberg besorgt. In ihr ist der deutsche Text ganz
weggelassen und der lateinische Text enthält einige orthografische und grammatische Verbesserungen. Die 1666-er Ausgabe enthält einen ausführlichen Titel, ein Inhaltsverzeichnis
und ein Vorwort, in dem die Universität Rinteln wegen Synkretismus angeklagt wird.
Diese Veröffentlichung veranlasste Friedrich Ulrich Calixt (1622-1701), den Sohn von
Georg Calixt, seinen Vater zu verteidigen und den ConsRep zurückzuweisen. Als Antwort
darauf begannen Ägidius Strauch, ein Schüler Calovs, und der Wittenberger Prof. Deutschmann (1625-1707), ein Schwiegersohn von Calov, erneut mit der Polemik gegen den
Synkretismus. Derselbe Ä. Strauch besorgte dann 1668 auch die dritte Ausgabe des ConsRep. Diese Ausgabe enthielt noch einmal einige Veränderungen des Textes. Schließlich
brachte Ernst Henke den ConsRep dann 1846 noch einmal in Marburg heraus.
Neben der Polemik des Calixt-Sohnes war es vor allem Hermann Conring, der mit seinem Werk „Pietas academiae Juliae“ [= Die Frömmigkeit der Julianischen Akademie] die
Helmstedter Position am besten verteidigte. Er wies vor allem darauf hin, dass der ConsRep
dazu führen konnte, den Braunschweigern den Schutz des Westfälischen Friedens (1648) zu
entziehen.66 Um die Spaltung zu überwinden, veranlasste Herzog Friedrich Wilhelm von
Sachsen-Altenburg (+ 1702?) den sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. (1613-1680), mit
seinen Theologen zu reden. Diese antworteten am 22.4.1669 mit einem Bericht.67 Doch das
Schisma konnte nicht überwunden werden und die Polemik setzte sich fort. Wenig später
forderte Ernst der Fromme (Sachsen-Gotha) Ph. J. Spener (1635-1705) auf, eine Lösung
des Streites zu suchen. Doch das verbreitete Misstrauen verhinderte eine Heilung des Bruches.68
63
Tschackert, aaO., 11,221.
Koch, aaO., S. 304; Wallmann, TRE 7,566.
65
E.L.T. Henke, Inest theologorum Saxonicorum consensus repetitus fidei vere lutheranae, Marburg 1846, S. Vf.
66
Tschackert, aaO., 11,222.
67
Ebd.
68
Ebd.
64
Phase III (1675-1686?):
Abraham Calov eröffnete die dritte Phase des Synkretistischen Streites 1675 mit seiner
Schrift „E diaboli excrementa Calixtinas sordes exqirire“ [= Ein teuflischer Auswurf Calixtinischen Schmutzes untersucht]. Der Große Kurfürst (Brandenburg) hatte zuvor Ägidius
Strauch, der inzwischen Pastor in Danzig war, bei einer Seereise nach Hamburg an der
Pommerschen Küste kidnappen und für drei Jahre ins Gefängnis stecken lassen. Diese Aktion hatte zweifellos Öl ins Feuer gegossen.69 Weil der sächsische Kurfürst keine Polemiken
ohne Genehmigung mehr erlaubte, begann Calov nun unter Pseudonymen zu veröffentlichen. Calov brachte es trotzdem fertig, sich neue Feinde zu machen. Er geriet in Streit mit
seinem Wittenberger Kollegen Johannes Meisner (1615-1684). Seinen Zorn zog sich aber
vor allem Johannes Musäus zu, Professor an der Universität Jena, der behauptete, dass die
Angelegenheit des Synkretismus als erledigt zu betrachten sei. Calov forderte daraufhin die
Jenaer Fakultät ultimativ auf, den Synkretismus öffentlich zu verwerfen.70 Am 12.1.1680 erneuerte Kurfürst Johann Georg III. (1647-1691) sein Verbot von Polemik und bestrafte den
Drucker, der Calovs „De Syncretismo Musaei“ [= Über den Synkretismus von Musäus) herausgebracht hatte.71
Calovs Lage verschlechterte sich, weil sich der neue sächsische Kurfürst Johann
Georg III. nun mit dem brandenburgischen Großen Kurfürsten verbündete. Unter großen
Schwierigkeiten gelang es Calov, seine „Historia syncretistica“ [= Geschichte des Synkretismus] 1682 in Frankfurt/M. zu veröffentlichen. Dieses Werk ist bis heute eine Fundgrube an
Informationen zu dem ganzen Streit. Der sächsische Kurfürst ließ die „Historia“ bald konfiszieren, so dass 1685 eine zweite Ausgabe gedruckt werden musste. Calovs Tod im Jahr
1686 markiert das Ende der letzten Phase des Synkretistischen Streites.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Synkretistische Streit die wichtigste und
am längsten andauernde Kontroverse in der Zeit der lutherischen Orthodoxie war. Es sind
sowohl theologische als auch politische Einflüsse festzustellen: Politisch gingen die brandenburgischen Hohenzollern eine Verbindung mit dem Synkretismus ein. Dem sächsischen
Herrscherhaus (Wettin) gelang es nicht, die Lutheraner auf eine gemeinsame Position gegenüber dem Synkretismus einigen. So wurde das Luthertum durch diesen Streit weiter zerrissen. Sein rechtlicher Status geriet in Gefahr, besonders in Braunschweig. Dem ConsRep
blieb die Anerkennung außerhalb Sachsens versagt, weil die Universität Jena in Bezug auf
den Synkretismus eine vermittelnde Position einnahm.
4. Wie ist der „Consensus Repetitus“ aufgebaut?
Schauen wir uns nun den Aufbau des ConsRep an. Die Erstausgabe von 1664 enthält
zwei Einführungsartikel, 13 Hauptartikel und einen Schlussartikel. 1666 fügte Calov noch
eine Vorrede und ein Inhaltverzeichnis hinzu. Die Artikel wurden von ihm in 88 Paragraphen
(Punkte) unterteilt, deren Zählung bei jedem Artikel neu beginnt. Die Ausgabe von E. Henke
(1846) zählt die Paragraphen durchgehend. Das ist zwar benutzerfreundlicher, verstellt aber
den Blick auf die beabsichtigte Struktur der Artikel.
Der ConsRep versucht in seinen Artikeln die Struktur des Augsburger Bekenntnisses
(CA) nachzuahmen. Am Anfang jedes Artikels wird auf den entsprechenden Artikel der CA
verwiesen: z.B. „Articulus XVIII. Augustanae Confessionis de Libero Arbitrio“ [= Artikel 18 der
Augsburgischen Konfession über den freien Willen].72 Meisten wird in der Artikelüberschrift
auf weitere CA-Artikel verwiesen. Weil es keine einheitliche Methode gibt, nach der der
69
Wallmann, A. Calov – theologischer Widerpart, S. 311.
Tschackert, aaO., 11,223.
71
Ebd.
72
Consilia Theologica 1,989.
70
ConsRep zitiert wird, tue ich das der Einfachheit halber nach den Artikel-Nummern, die der
ConsRep selbst angibt.
Gegenüber der CA bestehen vier Unterschiede im Aufbau:
(1) Es gibt keine fortlaufende Zählung der Artikel des ConsRep, bedingt durch seine Bezugnahme auf die CA. (Dies wird im Folgenden noch klarer).
(2) Beim ConsRep stehen am Anfang zwei Einleitungsartikel, die so in der CA nicht vorhanden sind.
(3) Artikel der CA, die im Synkretistischen Streit keine Rolle spielten, werden im ConsRep
einfach übergangen.
(4) Wenn möglich werden Artikel, die in der CA später kommen, im ConsRep schon mit
früher vorkommenden Artikeln kombiniert. Das ist ein Verfahren, was auch schon in
der Apologie zur CA angewendet wurde. So führt zum Beispiel das Inhaltsverzeichnis
von 1666 den Artikel XII „De Poenitentia“ [= Von der Buße] unmittelbar vor dem Artikel
XVI „De Magistratu Politico“ an [= Von der politischen Obrigkeit]. Dies geschieht, weil
der XIII. Artikel schon in Kombination mit dem IX. Artikel behandelt wurde und die Artikel XIV+XV im Zusammenhang mit dem Synkretismus nicht relevant waren…73
Den thematisch orientierten Aufbau des ConsRep erkennt man am besten, wenn man die
jeweils behandelten CA-Artikel im Blick behält:
 Erster Einleitungsartikel: Über die Grundlagen der ganzen Diskussion
 Zweiter Einleitungsartikel: Über die Heilige Schrift
 I. Von Gott (CA I)
 II. Von Christus (CA II, XIX)
 IV. Von der Rechtfertigung und den guten Werken (CA IV, VI, XXVIII)
 V. Vom Wort Gottes, von Gesetz und Evangelium (CA V)
 VII. Von der Kirche (CA VII, VIII, XXVIII)
 IX. Von den Sakramenten allgemein und speziell von der Taufe (CA IX, XIII)
 X. Vom Abendmahl und seinem Missbrauch, von der päpstl. Messe (CA X, XIII,
XXIV)
 XII. Von der Buße (CA XII)
 XVI. Von der politischen Obrigkeit (CA XVI)
 XVII. Vom Jüngsten Gericht (CA XVII)
 XVIII. Vom freien Willen (CA XVIII)
 XXI. Vom Dienst der Heiligen (CA XXI)
//
Jeder einzelne Artikel des ConsRep hat eine bestimmte Struktur - wie das auch in der CA
der Fall ist -, aber eine eigenständige Struktur. Der CA-Artikel I „Von Gott“ enthält zuerst eine
positive Darlegung der Lehre und dann eine Verwerfung falscher Lehren (mit „Damnant“ eingeleitet).74 Beim ConsRep folgt auf die ersten beiden Teile noch ein dritter (manchmal auch
vierter) Teil, der die Namen von falschen Lehrern nennt und ihre Auffassung mit ausführlichen Zitaten belegt. Beim Artikel I „Von Gott“ z.B. werden im dritten Teil z.B. Georg Calixt
und Horneius genannt und Zitate aus ihren Schriften angeführt.75
Schließlich sind im Zusammenhang mit dem Aufbau des ConsRep noch die Marginalien (Randglossen) zu erwähnen, die seit der Ausgabe von 1664 beigegeben sind. Sie ver73
Consensus Repetitus, Index Capitum (Inhaltsverzeichnis).
Die Bekenntnisschriften der Ev.-Luth. Kirche, Göttingen 1992 (BSLK), S. 51.
75
Consilia Theologica 1,936f.
74
weisen auf Parallelen aus den lutherischen Bekenntnisschriften. So wird beim § 1 des ersten
Einleitungsartikels auf das Konkordienbuch von 1580 und auf den CA Art. VII verwiesen.
Angeführt werden in den Marginalien neben den altkirchlichen Bekenntnissen, der CA, der
Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln und Katechismen Luthers auch die Konkordienformel und der „Catalogus Testimoniorum“ [= Zitate rechtlehrender Kirchenväter, BSLK S.
1101ff]. Gelegentlich kommen hier auch andere Quellen zu Wort (wie z.B. die Konzilsbeschlüsse von Antiochien und Ephesus (4./5. Jahrhundert).76
Zusammenfassend kann man Folgendes beobachten:
(1) Der Aufbau des ConsRep folgt dem Konzept der CA. Dadurch soll offensichtlich der
Eindruck unterstrichen werde, dass Calixt und seine Anhänger mit der CA im Konflikt stehen.
(2) Der ConsRep verhält sich allerdings einzigartig, indem er nicht nur falsche Lehren
verwirft, sondern auch falsche Lehrer beim Namen nennt und ausführlich zitiert. Damit geht
der ConsRep klar über die Methode der Konkordienformel hinaus, die die Gegner nicht namentlich benennt oder selbst zu Wort kommen lässt.
(3) Die in den Marginalien genannten Parallelstellen aus den lutherischen Bekenntnisschriften sollen zeigen, dass sich die Synkretisten von der CA und den anderen Bekenntnissen entfernt haben, auf die sie doch verpflichtet worden sind. Zitate aus der Konkordienformel sollen beweisen, wie groß die Kluft zwischen deren Unterzeichnern und den Synkretisten ist.
(4) Der Aufbau des ConsRep zeigt, dass die lutherischen Bekenntnisse einen sehr
wichtigen Platz im Denken und in der theologischen Polemik der mittleren Phase der Orthodoxie (Silbernes Zeitalter) eingenommen haben.
5. Wie sieht der Inhalt des „Consensus Repetitus“ aus?
An dieser Stelle kann nur ein knapper Überblick über den Inhalt gegeben werden. Darum
nenne ich im Folgenden immer nur kurz das Thema des Artikels und liste anschließend die
speziellen Verwerfungen auf, die darin genannt werde. Um dem Leser die Orientierung zu
erleichtern, geben wir bei jedem Artikel anfangs jeweils die Paragraphennummern an (entsprechend der fortlaufenden Zählung nach der Ausgabe von 1846).

§ 1-4: Im ersten Einleitungsartikel definiert der ConsRep das „totius negotii
fundamentum“ [= das ganze Fundament der Auseinandersetzung] oder die grundlegenden Voraussetzungen dieses Bekenntnisses und die Wurzel des Streites mit den Synkretisten.77 [1] Als Erstes hält der ConsRep fest, dass die Lutherische Kirche die „vera Dei
ecclesia“ [= die wahre Kirche Gottes] ist, in der das Evangelium recht gelehrt und die
Sakramente recht verwaltet werden. Aus diesem Grund wird die Auffassung zurückgewiesen, dass die Lutherische Kirche nur mit etwas weniger Irrtum behaftet sei als die Katholiken und Kalvinisten. [2] Als Zweites wird betont, dass nur falsche Lehren und Lehrer
verworfen werden. Das „rejicimus“ [= wir weisen zurück] dieses Bekenntnisses richtet
sich nicht gegen ganze Kirchen oder gegen Leute, die aus Einfalt irren und nicht die
Wahrheit des Wortes Gottes verlästern. [3] Nicht alles, was für das Heil nötig ist, findet
sich im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Man soll auch nicht alle, die nur die Artikel
des Apostolikums glauben, als Brüder und Erben des Himmels ansehen. [4] Im Apostolikum sind nicht alle Irrlehren erfasst. Deshalb sind andere Bekenntnisse nötig.78

§ 5-8: Der zweite Einleitungsartikel befasst sich mit der Heiligen Schrift. Dabei
wird zurückgewiesen, dass das Zeugnis der Kirche nötig sei, um die Schrift zu verstehen;
76
Ebd., 938.950.955.
Ebd., 928.
78
Ebd., 928-930.
77
dass nicht alles, was in der Schrift enthalten ist, göttliche Offenbarung ist; dass eine
kirchliche Tradition zusätzlich zur Schrift nötig ist; dass die Schrift der Interpretation durch
eine kirchliche Norm (d.h. den „Consensus antiquitatis“) bedarf; und dass die kirchliche
Tradition als zweites Erkenntnisprinzip neben Schrift dient.79

§ 10-16: Der erste reguläre Artikel befasst sich mit der Lehre von Gott. Er
weist folgende Auffassungen als falsch zurück: dass die Existenz Gottes und seiner Eigenschaften kein Glaubensartikel sei; dass es nur nötig sei zu glauben, es gäbe einen
Gott in drei Personen; und dass unnötig sei, an die göttlichen Eigenschaften und Relationen [innerhalb der Trinität] zu glauben; dass das Geheimnis der Trinität den Patriarchen
und Propheten nur durch spezielle Offenbarungen (d.h. außerhalb der Heiligen Schrift)
von Gott bekannt gemacht worden sei; dass das Alte Testament nicht klar die Trinität lehre; dass nur die Gaben Gottes in einem Gläubigen vorhanden sind, nicht aber sein Wesen; dass die Gottheit Christi und des Heiligen Geistes nicht aus Stellen bewiesen werden dürfe, die von der Erscheinung Gottes als Engel reden; dass Juden und Türken sich
nicht des Götzendienstes schuldig machen [mit ihrer Ablehnung der Trinität].80

§ 17-29: Artikel II (+XIX) befassen sich mit der Erbsünde, ihren Ursachen und
dem Ebenbild Gottes. Hier wird zurückgewiesen: dass die Gottebenbildlichkeit nicht zum
natürlichen [ursprünglichen?] Status des Menschen gehöre; dass die ursprüngliche Gerechtigkeit unserer ersten Eltern übernatürlich ist und nicht angeboren; dass die menschliche Natur rebellisch erschaffen worden sei; dass der Leib unserer ersten Eltern nur
durch eine übernatürliche Gabe unsterblich gemacht worden sei; dass Gott indirekt die
Ursache für die Sünde sei; dass die Seelen nicht durch Fortpflanzung entstehen, sondern
jedesmal ex nihilo neu geschaffen würden (sog. Kreatianismus81); dass man nicht nach
der Ursache der Erbsünde suchen, sondern sie moralisch begründen solle; dass die Erbsünde der Kinder vor allem eine „carentia iustitia“ [= Mangel an Gerechtigkeit] sei; dass
die Erbsünde nur ein Mangel [an Vollkommenheit] sei; dass die Erbsünde meine, nach
dem Fall sei die natürlich Kraft des Menschen erhalten geblieben und nur seine übernatürlichen Kräfte seien verloren gegangen; dass die Begierde nicht Sünde sei; dass es für
das Heil ausreichend sei zu wissen, dass die Erbsünde nur meint: der Mensch, wie er
geboren wird, ausgeschlossen ist vom Himmel und geht verloren; und dass die Erbsünde
nicht den Tod verdient, sofern nicht Tatsünden hinzukommen.82

§ 23-41: Im dritten Artikel geht es um Christus. Dabei wird zurück gewiesen:
dass die Gläubigen des Alten Testaments die Lehre von Christus und seinem Werk als
Gott-Mensch zu unserem Heil weder gekannt noch geglaubt hätten; dass die Gläubigen
des Alten Testaments nicht an die Gottheit Christi geglaubt hätten und unsicher gewesen
seien, ob er Gott oder ein Engel oder ein Mensch sei; dass Christus vor seiner Inkarnation nirgends in seiner eigenen Person erschienen sei und nur an zwei Stellen als „Engel“
bezeichnet werde (Jes 9,6; Mal 3,1); dass der Sohn, der aus Maria, der „pura sancta
semper virgine“ [= der immer bleibenden Jungfrau], geboren wurde, sich selbst Krankheit, Leiden und Tod untergeordnet habe, als er Mensch wurde; dass der menschlichen
Natur Christi keine Mitteilung [der Eigenschaften] und keine Allgegenwart eigen sei; das
Christus nach seiner menschlichen Natur nicht in den Gläubigen wohne; dass die Macht,
den Tod durch ein Wort zu überwinden nicht durch Christi menschliche, sondern nur
durch die göttliche Natur bewirkt worden sei; dass das Werk der Erlösung allein durch die
göttliche Natur Christi bewirkt worden sei; dass die göttlichen Eigenschaften der menschlichen Natur nicht durch die personale Vereinigung mitgeteilt worden seien; dass Christi
menschliche Natur nach der Himmelfahrt auf Erden nicht mehr anwesend sein könne;
79
Ebd., 932-936.
Ebd., 936-938.
81
Nicht zu verwechseln mit „Kreationismus“, der sich für die biblische Schöpfungslehre (gegen die Evolutionstheorie) einsetzt.
82
Ebd., 938-948.
80
dass das universale Verdienst Christi nicht der erste und Hauptartikel des Glaubens sei;
dass Christus nicht mit seinem Leib in die Hölle hinabgestiegen sei.83

§ 42-57: Der Artikel IV (+VI+XX) hat die Rechtfertigung und die guten Werke
zum Thema. Dabei werden folgende Auffassungen zurückgewiesen: dass die Differenzen zwischen Katholiken und Lutheranern über die Rechtfertigung leicht beizulegen seien; dass „iustificari“ in 1Kor 6,1184 und Tit 3,7 nicht im forensischen Sinn zu verstehen
sei, sondern die Bitte um Vergebung zur Rechtfertigung selbst dazu gehörten; dass gute
Werke, die Absicht nicht mehr zu sündigen und der Gehorsam gegenüber den Geboten
nötig seien, um die Rechtfertigung zu empfangen; dass nur die vor der Rechtfertigung
getanen Werke von der Rechtfertigung ausgeschlossen seien; das der Glaube insofern
für die Rechtfertigung nötig sei, als er aktiv tätig ist; dass die Rechtfertigung aus Sündenvergebung und Heiligung durch den Geist bestehe; dass das Achten auf Rechtfertigung
und Liebe gegenüber dem Bruder nötig sei, wenn man ein gerettetes Kind Gottes sein
wolle; dass die Ursache für die Erwählung nicht allein die Gnade Gottes und das Verdienst Christi sei, sondern auch etwas im Menschen; dass die tätige Liebe zu Gott sowie
zum Nächsten und der Gehorsam gegenüber den Geboten die „causa sine qua non“ [=
der unerlässlicher Grund] dafür sei, das Erbe der ewigen Seligkeit zu empfangen; dass
es nicht drei Momente im rechtfertigenden Glauben gäbe [d.h. Erkenntnis, Zustimmung,
Zuversicht]; dass man durch Eifer in der Heiligung das Recht auf ewiges Leben erwerben
könne; dass ein Mensch bis zu seinem Ende seines Heils nicht gewiss sein könne; dass
der Wille, Gott zu lieben und seine Gebote zu halten, für die Rechtfertigung erforderlich
sei; dass jemand an die Gnade Gottes und das Verdienst Christi glauben könne und
trotzdem in seinem Gewissen ungerechtfertigt leben könne; dass die Lutherische Kirche
gute Werke verbiete und damit die Tür für Gottlosigkeit öffnet, wenn sie sagt: gute Werke
und praktische Frömmigkeit sind nicht notwendig für die Rechtfertigung oder das Heil.85

§ 58: In Artikel V geht es um das Wort Gottes sowie um Gesetz und Evangelium. Dabei wird die Vermischung von Gesetz und Evangelium zurück abgewiesen.86

§ 59-61: Artikel VII (+VIII+XXVIII) befasst sich mit dem Thema Kirche. Es wird
die Behauptung zurückgewiesen, dass nicht nur Lutheraner und Griechisch-Orthodoxe
zur christlichen Kirche gehören, sondern auch Katholiken und Reformierte, nämlich in der
Hinsicht, dass alles, was sie trennt, [als unwesentlich] übergangen werden könnte; dass
alles das als „katholisch“ gelten könne, was alle Christen akzeptieren könnten; dass verschiedene Beschlüsse des Konzil von Trient - die im Widerspruch zu den lutherischen
Bekenntnissen stehen - toleriert und entschuldigt werden könnten.87

§ 62-66: Artikel IX (+XIII) behandelt die Sakramente im Allgemeinen und speziell die Taufe. Zurückgewiesen werden: dass uns die Heilige Schrift über die Zahl der
Sakramente im Unklaren lasse; dass die Sakramente „ex opere operato“ [= allein durch
den bloßen Vollzug, ohne Glauben] wirken würden; dass die Vergebung, welche die Taufe verleiht, sich mehr in Gottes Gedanken vollziehe als durch Wasser und Wort [d.h. dass
sie nur eine nachträgliche Bestätigung der Sündenvergebung sind]; dass Kinder keine
eigenen Glauben hätten; dass Kalvinisten nichts lehrten, was dem CA-Artikel von der
Taufe widerspräche.88

§ 67-74: Artikel X (+XXII+XIV) beschäftigt sich mit dem heiligen Abendmahl
und seinem Missbrauch, besonders in der katholischen Messe. Dabei wird Folgendes zurückgewiesen: dass das Kap. Joh 6 auf das Abendmahl anzuwenden sei89; dass Lutheraner, Katholiken und Kalvinisten darin übereinstimmen würden, dass „verum ac reale“ [=
83
Ebd., 948-956.
Das ist offensichtlich ein Druckfehler. Die 2. Aufl. hat 1Kor 7,11. Henke schläft 1Kor 6,2 vor.
85
Consilia, aaO., 956-967.
86
Ebd., 967f.
87
Ebd., 968-972.
88
Ebd., 972-976.
89
Vgl. dazu ausführlicher: Theodor Reuter, Johannes 6,51-58 und das heilige Abendmahl, in: Theol. Handreichung 2002/2.
84
wahrhaftig und tatsächlich] der Leib Christi beim Abendmahl dargereicht werde; dass daher Uneinigkeit nur über die Art und Weise der Präsenz bestehe; dass man unter Katholiken das Abendmahl in römischer Weise empfangen könne und unter Kalvinisten in kalvinistischer Weise; das die [lutherische] Lehre von der Ubiquität [= Allgegenwart] des
Leibes Christi absurder sei als katholische und reformiert Lehren; dass der Leib Christi
aufgrund einer besonderen göttlichen Kraftwirkung gegenwärtig sei, aber nicht aufgrund
der personalen Vereinigung von menschlicher und göttlicher Natur in Christus; dass das
Brotbrechen und Weintrinken der Gläubigen von Christus als Zeichen seiner Passion
eingesetzt worden sei; dass das Abendmahl ein Gedächtnismahl sei (sacrificium memorativum); dass Katholiken, die an den Heilslehren grundsätzlich festhalten, Glieder am
Leib Christi und Bürger des Himmelreiches seien, selbst wenn sie an vielen Irrtümern –
vor allem in Bezug auf die Messe – festhalten.90

§ 75-77: Die Buße ist das Thema im Artikel XII. Hier wird zurückgewiesen:
wenn die beiden Teile der Beichte nicht klar unterschieden werden, d.h. die Reue und
der Glaube (contritio et fides); dass der Mensch, der noch nicht bekehrt ist, doch bei seine Bekehrung von Anfang an mitwirken müsse; dass auch diejenigen, die sagen, dass
ein Wiedergeborenen nicht mehr abfallen könnte, Glieder auf Leib Christi und Bürger des
Himmelreichs seien.91

§ 78+79: Artikel XVI behandelt die politische Obrigkeit. Zurückgewiesen wird
dabei: dass eine von der Obrigkeit geforderte unbedingte Unterschrift (= quia) unter die
Bekenntnisse in eine bedingte (= quatenus) uminterpretiert werden könne; dass die Verfasser der lutherischen Bekenntnisschriften Dinge als heilsnotwendig dargestellt hätten,
die Gott nicht selbst als solche offenbart habe.92

§ 80-82: In Artikel XVII geht es um das Jüngste Gericht. Abgewiesen werden
folgende Meinungen: dass niemand Seligkeit oder Verdammnis vor dem Jüngsten Tag
empfangen könne; dass ungetauft sterbende Kinder in der Ewigkeit nur die [unmittelbare]
Gottesschau entbehren würden, aber nicht zusätzlich bestraft würden; dass ewiges Leben und Grade der Seligkeit bzw. Belohnung nicht zu unterscheiden seien.93

§ 83-86: Artikel XVIII behandelt den freien Willen. Hier wird zurückgewiesen:
dass der Mensch von Beginn seiner Bekehrung an mitwirken müsse; dass die Reformatoren - in der Absicht, die Gnade Gottes zu verteidigen - den freien Willen zu stark abgelehnt hätten; dass der natürliche Mensch in einigen Dingen natürliche Fähigkeiten habe,
z.B. sich Gott zuzuwenden und selbst zu retten; dass der Mensch mehr durch Unterlassung [einer Hinwendung zu Gott] seine Bekehrung hemme, als aktiv der Bekehrung zu
widerstrebe; das man allein auf der Basis natürlicher Kraft moralisch gute Werke tun
könne und dass die Werke der Heiden nicht generell mit Sünde gleichzusetzen sind.94

§ 87+88: Im Artikel XXI geht es um den Dienst der Heiligen. Zurückgewiesen
wird, dass – wenn die verstorbenen Heiligen die Anrufung wie Lebende verstehen können – sie dann auch angerufen werden könnten, um für uns zu beten; dass Katholiken
für Kinder Gottes gehalten werden sollten, weil sie sich keines Götzendienstes schuldig
machen.95//
Obwohl Philip Schaff in seinem Buch alles andere als eine wohlwollende Wertung des
ConsRep vorlegt, lohnt es sich doch seine treffende Zusammenfassung des Inhalts hier zu
zitieren:
„Die erste grundsätzliche Einleitung verwirft Calixts Zugeständnis, dass die Lutherische Kirche unvollkommen (imperfection) sei und die Anerkennung der Katholiken
90
Consilia, aaO., 976-983.
Ebd., 984f.
92
Ebd., 985-987.
93
Ebd., 987-989.
94
Ebd., 989-992.
95
Ebd., 992-994.
91
und Kalvinisten als Christen und Brüder sowie die Behauptung, neben der Heiligen
Schrift sei eine christliche Tradition unerlässlich. Die folgenden Lehren werden zurückgewiesen, nicht nur als zweifelhafte, irrige oder gefährliche Meinungen (was einige auch sind), sondern als glatte Irrlehren: dass die Lehre von der Dreieinigkeit nicht
im Alten Testament offenbart sei; dass der Heilige Geist in den Gläubigen nicht seinem Wesen nach wohne, sondern nur als Gabe; dass die Theologie die Existenz Gottes nicht zu beweisen brauche, weil sie schon durch die Philosophie sicher belegt sei;
dass Juden und Moslems keine Götzendiener sind; dass die Erbsünde nur eine
‚carentia justitiae“ [= ein Mangel an Gerechtigkeit] sei; dass die Seelen von Gott [bei
der Geburt eines Kindes jedes Mal neu ex nihilo] geschaffen würden; dass Christi
Leib nicht allgegenwärtig sein könne; dass die Heiligung immer wieder in die Rechtfertigung hinein gezogen wird; dass die wahre Kirche auch Kalvinisten, Papisten und
Griechisch-Orthodoxe einschließe; das Kinder keinen Glauben hätten; dass Joh 6
speziell vom Abendmahl handele; dass der Mensch in seiner Bekehrung aktiv sein
müsse; dass die Bekenntnisschriften nur bedingt (quatenus) unterschrieben werden
könnten; dass die Bekenntnisse manches für heilsnotwendig ausgäben, was Gott
nicht als solches festgelegt habe; dass ungetauft verstorbene Kinder nur die selige
Gottessschau entbehren müssen; dass gute Werke nötig seien, um das ewige Leben
zu erhalten. – Am Schluss des ConsRep steht ein Gebet, dass Gott all diese Neuerungen und Schäden von der orthodoxen (lutherischen) Kirche abwenden und diesen
wiederholten Konsensus schützen möge.“96
Zusammenfassend kann man sagen:
(1) Die Zahl der Artikel des ConsRep entspricht nicht genau der CA. Das liegt daran, dass
bestimmte CA-Artikel (XI, XIV, XXII, XXV, XXVI, XXVII) im Streit mit Calixt nicht relevant waren.
(2) Der ConsRep liefert eine umfassende Widerlegung der bei Calixt und seinen Anhängern festgestellten Abweichungen vom Konkordienbuch, unter besonderer Berücksichtigung der CA. Dies geschieht, indem der Nachweis dafür in jedem einzelnen Punkt
der Auseinandersetzung geführt wird. (Aus Zeitgründen kann das hier nicht ausführlich
vorgeführt werden.) Vor allem betont der ConsRep, dass keine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Lutheranern, Katholiken und Reformierten besteht, die als Basis für eine Einigung (Union) dienen könnte.
(3) Bemerkenswert ist, dass der ConsRep den grundlegenden Konflikt in den Voraussetzungen zwischen Orthodoxen und Synkretisten herausarbeitet (erster Einleitungsartikel).
(4) Der ConsRep verdammt nur falsche Lehren und Lehrer [d.h. nicht alle Glieder anderer
Konfessionen]. An einigen Stellen klingt es so, als wenn man Katholiken und Reformierten abspricht, Gottes gerettete Kinder zu sein. Aber diese Stellen müssen aber im
Licht des ersten Einführungsartikels interpretiert werden.
(5) Den meisten Raum nehmen im ConsRep folgende Artikel ein: Rechtfertigung und gute
Werke (15 §§), Erbsünde (13 §§), Christus (12 §§) und das Abendmahl (8 §§). Es
überrascht vielleicht, dass die Soteriologie - und speziell die Rechtfertigung – eine
solch breite Verteidigung im Zeitalter der lutherischen Orthodoxie nötig hatte. Dieser
Versuch, die Rechtfertigungslehre [vor Verfälschungen] zu schützen, sollte positiv gesehen werden und das übliche Vorurteil gegenüber der sog. „tote und erstarrte Orthodoxie“ in Frage stellen. Denn daran zeigt sich, dass nicht nur die CA, sondern das Herz
des lutherischen Glaubens auf dem Spiel stand. Dies erklärt auch einiges an Heftigkeit
in der Polemik Calovs.
(6) Der ConsRep geht an einigen Punkten über das hinaus, was die CA bzw. die Konkordienformel (FC) ausdrücklich erwähnen. Die lutherischen Bekenntnisschriften enthalten
z.B. keinen speziellen Artikel über die Heilige Schrift oder über die Art der Zustimmung
96
Schaff, aaO., I,352.
zu den Bekenntnissen [Unterschrift quia oder quatenus]. Aber letztlich sagt der ConsRep damit doch nichts anderes als das, was die FC in ihrem „Summarischen Begriff“
zur Heiligen Schrift sagt und was die Intention ihrer Verfasser gewesen ist.97
Das Konkordienbuch verpflichtet die Christen nicht zu betonen, dass im Alten Testament die
Trinität oder die Gottheit Christi zum Zweck der Erlösung ausdrücklich geglaubt worden sind.
Doch solche Überlegungen des ConsRep waren nicht neu. Schon Luther hatte die Überzeugung, dass die Trinität im Alten Testament klar gelehrt wird und dass die Pariarchen und
Propheten die Sache so verstanden haben, obwohl das viele Juden [zu Luthers Zeit] bestritten.98 Auch Johann Gerhard (1582-1637) lehrt, dass es heilsnotwendig gewesen sei, im Alten Testament an die Trinität zu glauben.99
Die lutherischen Bekenntnisse lehren auch nicht ausdrücklich, dass auf die Trennung
von Leib und Seele durch den Tod unmittelbar die Seligkeit oder Verdammnis folgt (d.h. vor
dem Jüngsten Tag). Das ist eine neue Lehre unter Lutheranern.100
An zwei Punkten geht der ConRep deutlich über die Normen des Luthertums hinaus:
[1] In der Verteidigung des sog. Kreatianismus [d.h. der jeweiligen Neuerschaffung der Seele
bei einer Geburt], und [2] bei der Betonung der Ubiquität, ohne die Multivoli-Präsenz zu erwähnen [= Gegenwart der Person Christi an verschiedenen Orten gleichzeitig - seinem Willen entsprechend].
[Zu 1:] Viele Lutheraner lehnen es ab, über den Ursprung der Seele etwas zu dogmatisieren,
aber einige vertreten den sog. Kreatianismus. Im Unterschied dazu lehrt die FC (wie
auch der ConsRep) relativ klar, dass die Erbsünde durch körperliche Fortpflanzung
weitergegeben wird. Das kann im Sinne einer Art von Traduzianismus verstanden
werden.101 Auf jeden Fall legen es die Marginalien aus den Schmalkaldischen Artikeln und der FC nahe, dass der ConsRep der Überzeugung ist, es handle sich dabei
um eine Auffassung der Bekenntnisse oder zumindest um eine logische Schlussfolgerung daraus.
[Zu 2:] Weder die Schwäbische Ubiquität [Brenz?] noch die Niedersächsische MultivoliPräsenz werden in der FC bestätigt. Der ConsRep kann so verstanden werden, dass
er mehr Betonung auf die Ubiquität gelegt haben möchte, im Gegensatz zur MultivoliPräsenz. Das ist aber nicht ganz klar.
6. Wie funktioniert die Polemik im „Consensus Repetitus“?
Abschließend soll noch kurz ein Blick auf Art der Polemik im ConsRep geworfen werden. Der
Zweck des ConsRep ist ein dreifacher: [1] Er versucht zu zeigen, dass der Synkretismus
nicht im Einklang mit dem Konkordienbuch steht und dass eine tiefe Kluft zwischen Synkretisten und Lutheranern besteht. [2] Der ConsRep will nachweisen, dass die Synkretisten den
Bekenntnisschriften widersprechen, auf die sie verpflichtet worden sind. [3] Das Hauptziel ist
es zu zeigen, dass sich die Synkretisten von der CA entfernt haben und deshalb nicht mehr
zum Luthertum gehören können. Dieses Ziel wird in der Ausgabe von 1664 auf dem Titelblatt
ausdrücklich namhaft gemacht.102
97
BSLK, S. 767-769.
Luther, Sämtliche Werke, hg. von J. G. Walch, 2. Aufl., St. Louis 1881ff (= Walch²): Bd. 1,708; 13,2687;
2,940; 3,1891.
99
Johann Gerhard, Loci Theologici, hg. von Eduard Preuss, Berlin 1863, Bd.1, S. 373.
100
J. Gerhard, aaO., 8,95f.
101
BLSK, S. 847.853f.
102
Consilia Theologica 1, 928.
98
Der Titel „Consensus Repetitus“ nimmt Bezug auf die Konkordienformel. Er will deutlich machen, dass es nicht um ein neues Bekenntnis geht, sondern um eine Erklärung oder
einen Kommentar zur CA und zu den anderen Bekenntnisschriften. Auf diese Weise konnte
von Seiten der Orthodoxen argumentiert werden, dass man niemandem ein neues Bekenntnis aufnötigen wolle.
Im ConsRep steckt aber auch politisches Potential. Wenn Calixt und seine Anhänger
im Widerspruch zur CA stehen, können sie nicht länger zur lutherischen Konfessionspartei
gehören. Mit anderen Worten: Wenn z.B. die Kirche von Braunschweig nicht mehr auf der
CA steht, sie aber auch nicht katholisch oder reformiert geworden ist, dann steht sie nicht
mehr unter dem rechtlichen Schutz des Westfälischen Friedens von 1648.103 Ob das nach
dem 30-jährigen Krieg wirklich eine reale Gefahr gewesen ist oder nicht, darüber kann man
streiten. Auf jeden Fall wurde die Unterschrift unter den ConsRep von den Wittenbergern
und Leipzigern als Markenzeichen für ein authentisches Luthertums propagiert.
Die Hauptzielscheibe des ConsRep von 1664 sind die Synkretisten. Allen voran Georg
Calixt, aber auch seine Anhänger: Conrad Horneius, Christian Dreier, Johannes Latermann
und Friedrich Ulrich Calixt. Diese werden im ConsRep namentlich genannt.104 Auch einzelne
Lehren der Katholiken und Reformierten gerieten in die Schusslinie, weil die Synkretisten
behaupteten, sie gehörten zu den Fundamentallehren. Im erweiterten Titel der ConsensusAusgabe von 1666 wird die Universität Rinteln ausdrücklich unter die verworfenen Synkretisten eingereiht. 1668 wurde außerdem noch der Calixt-Sohn Friedrich Ulrich einbezogen.
Die Form der Polemik des ConsRep ist vielfältig und gut durchdacht. Bevor in den
Hauptartikeln mit der Widerlegung begonnen wird, werden zwei einführende Artikel vorausgeschickt, die die Voraussetzungen des Synkretismus aufs Korn nehmen, wie er von Calixt
erfunden wurde. Im ersten Einführungsartikel wird festgestellt, dass die Lutherische Kirche
die „wahre Kirche Gottes“ ist und dass das Apostolicum nicht alles enthält, was zum Heil
nötig ist.105
Der zweite Einführungsartikel bekennt sich zur Inspiration, Suffizienz [= Genügsamkeit]
und Klarheit der Heiligen Schrift. Er weist zurück, dass man zum Verstehen der Schrift die
Auslegung durch eine katholische Tradition nötig sei. Diese kann auch nicht die Basis für
eine Wiedervereinigung der Konfessionen bilden. Die Konkordienformel formuliert unter dem
„status controversiae“ [= Differenzpunkt] jeweils den konkreten Streitpunkt zu einem Thema.
Der ConsRep unterscheidet sich davon, indem er in seinen beiden Einführungsartikeln die
zentralen Voraussetzungen der Synkretisten und ihre Abweichung von der CA benennt und
auflistet. Das zeigt z.B. die Überschrift zum ersten Einführungsartikel: „Articulus, Prooemialis
Prior, continens Totius negotii fundamentum“ (= Erster einführender Artikel, enthaltend die
ganz Grundlage des Streites].106 Dieses Verfahren unterscheidet den ConsRep von den lutherischen Bekenntnisschriften.
Wir haben bisher gesehen, wie Aufbau, Inhalt und Einführungsartikel des ConsRep dazu dienen, die Abweichungen der Synkretisten von der CA nachzuweisen. Am besten lässt
sich zeigen, wie die Polemik des ConsRep funktioniert, wenn man dies an einem Beispiel
demonstriert. Ich wähle dazu den 5. Paragraphen des IV. Artikels „Von der Rechtfertigung
und den guten Werken“ aus. In den Marginalien dazu sind vermerkt: CA IV; Apologie (S.
184) und Epitome III (der FC).
Anhand dieses Artikels ergeben sich folgende Beobachtungen:
103
Tschackert, aaO., 11,222.
Consilia Theologica 1,928f.931.935.938.
105
Ebd. 1,229f.
106
Ebd., 1,229.
104
1) Die Überschrift des Artikels nimmt Bezug auf die entsprechenden CA-Artikel und erweckt damit den Eindruck, dass das, was in diesem Artikel verworfen wird, auch der
CA widerspricht.
2) Dieser Paragraph bekennt und lehrt, dass unsere Rechtfertigung von Gott kommt. Gott
vergibt uns unsere Sünde aus reiner Gnade, ohne alle vorherige, gegenwärtige oder
folgende Werke, Verdienste oder Würdigkeit. Weiter wird festgehalten, dass Gott aufgrund der Verdienste Christi vergibt und Gerechtigkeit zurechnet. Obwohl ein Glaubender [auch] Heiligung, Liebe, Tugenden und gute Werke hat, dürfen diese nicht in
den Artikel von der Rechtfertigung hineingezogen werden. Beachte, dass das einleitende „profitemur et docemus“ [= wir bekennen und lehren], dem „wir glauben, lehren
und bekennen“ der Konkordienformel nachgebildet ist. Warum der ConsRep nicht einfach diesen Ausdruck der FC unverändert übernimmt, ist unklar.
3) Dieser Paragraph weist die Auffassung zurück, dass nur die vorhergehenden Werke
von der Rechtfertigung ausgeschlossen sind. Zu beachten ist auch, dass nicht ein Einzelner oder ganze Kirchenkörper zurückgewiesen (rejicimus) werden, sondern nur falsche Lehren und Lehrer [wie im ersten Einführungsartikel bereits gesagt]. Dieser Punkt
ist typisch für die Polemik des gesamten ConsRep - mit Ausnahme des X. Artikels
[Vom Abendmahl], wo zum „rejicimus“ noch „improbamus [missbilligen] und „damnamus“ [verdammen] hinzugefügt werden.107
4) In den Marginalien sind die relevanten Stellen aus dem Konkordienbuch angeführt, um
zu zeigen, dass das, was der ConsRep verwirft auch dort verworfen ist. Aber an diesem Punkt wird das, was der ConsRep verwirft, nicht voll durch CA, Apologie und Konkordienformel abgedeckt. In CA VI heißt es einfach:
„Weiter wird gelehrt, dass wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht
erlangen mögen durch unser Verdienst, Werk und Genugtun, sondern dass wir Vergebung der Sünde bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnade, um Christi
willen, durch den Glauben…“108
Dieses Zitat macht zugegebenermaßen keine Aussagen über Werke vor und nach
der Rechtfertigung. Die CA unterscheidet solche Werke nicht, weil sie auf der anderen Seite durch die Rede vom „Verdienst, Werk oder Genugtun“ schon alle menschlichen Werke von der Rechtfertigung ausschließt. Die Bezugnahme auf die CA soll
zeigen, dass sich die Synkretisten von ihr abgewendet haben und deshalb den Namen Lutheraner nicht mehr verdienen. Der Hinweis auf die Apologie demonstriert,
dass die Helmstedter nicht mit ihren eigenen Bekenntnissen übereinstimmen. Und
der Bezug auf die Konkordienformel macht dem Leser deutlich, dass keine Einigkeit
zwischen Orthodoxen und Synkretisten besteht. Wenn die Polemik nicht weiter geht
als bis zu diesem Punkt, kann man folgern, dass sich die Anhänger der verworfenen
Lehre vom lutherischen Bekenntnis entfernt haben. Aber die Polemik des ConsRep
reicht weiter.
5) Der ConsRep geht so weit, den Namen des jeweiligen Irrlehrers zu nennen und seine
Schuld anhand seiner eigenen Schriften zu beweisen, so dass die Verwerfung nicht
unbegründet bleibt. In dem von mir angeführten Beispiel werden speziell den Namen
Conrad Horneius und Christian Dreier genannt. Das zu verwerfende Zitat stammt aus
der Horneius-Schrift „Iterata assertion de necessitate fidei per caritatem operantis“ § 37
[= Weitere Darlegung über die Notwendigkeit des Glaubens, der in der Liebe tätig ist].
Dort heißt es:
„Wahr ist es auch und evident aus der Schrift, dass ein Mensch gerechtfertigt wird
ohne Werke, vgl. Röm 3,28: Darum halten wir dafür, dass der Mensch gerechtfertigt
wird durch den Glauben ohne Werke, nämlich ohne Werke, die zuvor getan worden
sind. Ebenso auch Paulus, der in Gal 2,16 einschränkt: Nicht durch Werke des Gesetzes, denn durch des Gesetzes Werk wird kein Mensch gerecht…“
107
108
Ebd., 977f.
CA V, zit. nach BSLK, S. 56.
Der ConsRep hält fest, dass Horneius diesen Beweis in den §§ 51, 53, 69 und 110 bestätigt und auch in seiner „Repetitio doctrinae verae de necessitate bonorum operum“, Seite
36. Von Chr. Dreier wird dessen „Gründliche Erörterung“ (S. 545) als zusätzlicher Beleg
angeführt.109 Festzuhalten bleibt, dass die Polemik des ConsRep darin einzigartig unter
den lutherischen Bekenntnissen ist, dass sie Namen nennt und die Beschuldigungen mit
Zitaten ausführlich belegt.
Nicht alles in Bezug auf Polemik lässt sich an dem angeführten Beispiel zeigen. Zu
nennen ist auch noch Folgendes:
[1] Generell belegt der ConsRep seine Position mit Schriftaussagen, in einigen Fällen auch
seine Verwerfungen. Schriftzitate kommen im ConsRep häufiger vor als in der CA. Die zitierten Stellen stammen meist aus dem Neuen Testament. Der ConsRep macht aber mehr als andere lutherische Bekenntnisse – auch Gebrauch vom Alten Testament. Das ist
nicht verwunderlich, weil es ja in ihm unter anderem darum geht, ob die Trinität und Gottheit Christi schon im AT gelehrt wird oder nicht. Außerdem war A. Calov Professor für Altes Testament. Die AT-Zitate beschränken sich aber nicht auf die Themen Trinität und
Gottheit Christi. Die Bücher Genesis, Psalmen und Jesaja kommen am häufigsten vor,
aber auch die übrigen Bücher Mose, Samuel, Hiob, Jeremia, Hesekiel, Daniel, Hosea und
Micha sind vertreten.
[2] Der ConsRep zitiert in seinen Artikeln immer wieder die lutherischen Bekenntnisschriften.
Es werden angeführt das Athanasianum, die CA, die Apologie, Luthers Kleiner Katechismus und die Schmalkaldischen Artikel.110 Diese Bekenntnisse werden offensichtlich deshalb angeführt, weil auch die Helmstedter theoretisch an sie gebunden waren [was bei der
Konkordienformel bekanntlich nicht der Fall war]. So wollte man ihnen das Abweichen von
ihren eigenen Bekenntnissen vor Augen führen.
[3] Der ConsRep zitiert als Unterstützung für die eigene Position auch Luther, Melanchthon,
die Kirchenväter Augustinus, Hieronymus, Ambrosius und Justin.111 Man verwirft andererseits Vinzenz von Lerins als pelagianischen Irrlehrer und trifft damit zugleich Calixts „Consensus Antiquitatis“, der sich auf Lerins Definition von „katholisch“ berufen hatte.112 Zitate
aus dem Heidelberger Katechismus sollen zeigen, dass Lutheraner und Reformierte in
der Tauflehre nicht übereinstimmen.113
7. Schlussbetrachtung
Ich habe versucht zu zeigen, dass die Unionstheologie von Georg Calixt durch seine Erziehung, Ausbildung und Reisen ermöglicht worden ist. Diese schufen in ihm eine Haltung der
intellektuellen Aufgeschlossenheit und Liebe zum antiken Ideal, welche durch den 30jährigen Krieg noch gefördert wurde. Letzten Endes ist Calixt aber vor allem durch die katholischen Theologen Cassander und deDominis in seiner Haltung geprägt worden.
Wir haben uns Inhalt und Aufbau des ConsRep angesehen und das Verfahren, wie die
polemische Auseinandersetzung geübt wird. Die Polemik dient einem dreifachen Zweck. Es
soll gezeigt werden: [1] welche theologische Kluft zwischen Synkretisten und Lutheranern
besteht, [2] dass sich die Synkretisten von den Bekenntnissen entfernt haben, die sie selbst
unterschrieben haben, und [3] dass sich die Synkretisten von der CA entfernt haben und
deshalb nicht mehr zum Luthertum gehören können.
109
Es war mir leider nicht möglich zu prüfen, ob das Zitat von Horneius in seinem Zusammenhang richtig interpretiert ist.
110
Consilia, aaO., 1,937.940.960f.965.970.972.976.
111
Ebd., 1,951.965.969.985.
112
Ebd., S. 935.
113
Ebd., S. 976.
Am Schluss darf man fragen, welche Wirkung der Synkretistischen Kontroverse und
des ConsRep gehabt haben? Was ich dargestellt habe, ist weit von einer umfassenden Antwort entfernt. Es konnten nur ein paar Grundlinien und Beobachtungen aufgezeigt werden.
Der berühmte Dresdner Superintendent und Initiator zum Bau der Frauenkirche, Valentin Ernst Löscher (1673-1749), hat 50 Jahre nach Calovs Tod dazu gesagt:
„In meinem Buch ‚Timotheus verinus‘ (Teil I,1) habe ich darauf hingewiesen, dass einer der Keime des kommenden Pietismus die mangelnde Wachsamkeit gegenüber
dem synkretistischen Modell Calixts war. Ich habe die Tatsache beklagt, dass [die
Jenaer Professoren] Dr. Glassius114 und Dr. Musäus Calixts Irrtümer für harmlos gehalten haben.“115
Mit dieser Beobachtung weist Löscher wohl mit Recht auf eine der Wurzeln des Pietismus
hin und erklärt sie als Auswirkung des Synkretistischen Streites. Vor allem aber macht seine
Aussage darauf aufmerksam, dass noch viel Forschungsbedarf in Bezug auf die Lutherische
Orthodoxie und den Synkretistischen Streit besteht.
Dr. Timothy Schmeling, Mankato (USA)
(Vortrag gehalten am 28.9.2013 beim Festakt anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Luth. Theol.
Seminars in Leipzig; der Verfasser ist Professor am Bethany-College in Mankato/Minnesota der Evangelical Lutheran Synod; Übersetzung: Gottfried Herrmann)
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114
Salomos Glassius (1593-1656), seit 1638 Prof. in Jena und Nachfolger von Johann Gerhard.
Valentin Ernst Löscher, The Complete Timotheus Verinus, Engl. Übersetzung von James Langebartels und
Robert Koester, Bd. 2, Milwaukee 1998, S. 39.
115
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