Grußwort des Staatssekretärs Karl

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Grußwort des Staatssekretärs Karl-Winfried Seif
zum 5. Runden Tisch
Staatssekretär Karl-Winfried Seif
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zum 5. Runden Tisch der hessischen Lesben- und
Schwulengruppen.
Die Runden Tische haben sich zu einem Eckpfeiler der Zusammenarbeit zwischen
den hessischen Lesben- und Schwulengruppen und unserem Gleichstellungsreferat
entwickelt. Wir haben uns deshalb entschlossen, in diesem Punkt an die bewährte
Arbeitsweise anzuknüpfen. Frau Staatsministerin Mosiek-Urbahn kann heute leider
nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen. Ich darf Ihnen ihre Grüße und besten
Wünsche zum Gelingen der Veranstaltung übermitteln.
Die Hessische Landesregierung begrüßt den Wandel in der Einstellung der
Bevölkerungsmehrheit gegenüber homosexuellen Lebensweisen, der in den letzten
Jahren zu beobachten ist. Hier sind deutlich positive Veränderungen spürbar, die wir
im Sinne einer nachhaltig wirksamen Antidiskriminierungspolitik verstärken wollen.
Diese wachsende Aufgeschlossenheit in der Bevölkerung kann indes nicht darüber
hinwegtäuschen, daß noch vieles veränderungsbedürftig ist, um die Alltagsrealität
und Lebensqualität von Lesben und Schwulen zu verbessern - eine Tatsache, die
Politik und Gesellschaft gleichermaßen zum Handeln auffordert.
Die Hessische Landesregierung stellt sich dieser Verantwortung. Bei der politischen
Gestaltung und Umsetzung bedarf sie jedoch Ihrer Dialogbereitschaft, denn eine
fundierte Antidiskriminierungspolitik kann nicht allein per gesetzlicher Regelung oder
Verordnung von staatlicher Seite funktionieren. Sie muß versuchen, auch auf andere
Weise in den gesellschaftlichen Raum hinein zu wirken. Die Landesregierung setzt
dabei auf das freiwillige soziale und politische Engagement, das die Arbeit Ihrer
Gruppen und Initiativen kennzeichnet. Die ehrenamtliche Tätigkeit gestaltet in einer
Vielzahl von Lebensbereichen unsere Gesellschaft maßgeblich mit und trägt
konstruktiv dazu bei, eine aktive Bürgergesellschaft zu verwirklichen, in der die
Bürgerinnen und Bürger nicht allein auf staatliches Handeln vertrauen, sondern
selbst Initiative zeigen. Die Bereitschaft zu einer aktiven und kontinuierlichen
Beteiligung hängt indes maßgeblich von der politischen und sozialen Würdigung und
Resonanz ab, die dieses Engagement erfährt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir
auf dieser Grundlage gemeinsam voranschreiten könnten.
Wir wollen durch verschiedene Aktivitäten einen Beitrag zum Abbau von
antihomosexuellen Haltungen und Handlungen leisten und hierdurch Gegenakzente
zu Marginalisierung, Diskriminierung und Tabuisierung setzen. Doch wäre es
sicherlich verfehlt, die Erwartung an den Staat heran zu tragen, er möge die
Diskriminierung von Minderheiten abschaffen - ganz gleich, ob es sich dabei um
Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderungen oder aber um
Homosexuelle handelt. Der Einflußsphäre des Staates sind in diesem Bereich enge
Grenzen gezogen. Überdies besteht immer die Gefahr, daß staatliches Tätigwerden
jene Ansätze einer aktiven Bürgergesellschaft eher schwächt als stärkt.
Um die organisatorischen Voraussetzungen für eine zielgerichtete Sozialpolitik zu
schaffen, hat die neue Landesregierung alle Sozialbereiche wieder unter einem Dach
vereint. Neben einer Vielzahl weiterer Zuständigkeiten obliegt unserem Hause nun
auch die gewichtige Aufgabe der Förderung der Integration weiterer
gesellschaftlicher Minderheiten, wie der Migrantinnen und Migranten und der
Menschen mit Behinderungen. Ich hoffe, daß die Synergieeffekte, die hierdurch
entstehen, gerade auch den sogenannten Minderheiten innerhalb der Minderheit, wie
etwa den Lesben und Schwulen mit Behinderungen, zugute kommen werden. Daß
wir hierauf besonderen Wert legen, zeigt sich schon daran, daß wir stets dafür
sorgen, daß durch die Übersetzung in die Gebärdensprache auch gehörlose
Homosexuelle an den Runden Tischen teilnehmen können, wie auch daran, daß wir
das Thema "Homosexuelle mit Behinderungen" zu einem Schwerpunkt gemacht
haben.
Einen weiteren Schwerpunkt hat das Referat auf das Thema "Jugendliche und
Homosexualität" gelegt. Die lesbischen und schwulen Jugendgruppen leisten einen
unverzichtbaren Beitrag, wenn es darum geht, das Selbstbewußtsein junger Lesben
und Schwulen zu stärken. Ein selbstbewußtes Auftreten ist sehr wichtig angesichts
der alltäglichen Konfrontation mit einer heterosexuellen Umwelt und angesichts einer
Vielzahl von Diskriminierungserfahrungen, denen die Jugendlichen in ihrem sozialen
Umfeld begegnen. Die um ein vielfaches höhere Suizid- und Suizidversuchsrate
homosexueller Jugendlicher ist ein Beleg für die existentiellen Nöte, in denen sich
manche Jugendliche aufgrund ihrer sexuellen Identität befinden. Darüber hinaus ist
auch die gleichbleibend hohe Zahl von Neuinfektionen mit HIV in der Coming-OutPhase junger Schwuler ein Hinweis auf die Notwendigkeit unterstützender Angebote.
Für die AIDS-Hilfen ist die Stärkung schwulen Selbstbewußtseins die wichtigste
präventive Maßnahme - die sogenannte Primärprävention setzt mit Erfolg darauf,
daß Menschen, die selbstbewußt zu ihrer Sexualität stehen, am wenigsten von einer
HIV-Infektion bedroht sind. Ein selbstbewußter Umgang mit der eigenen sexuellen
Identität ist die wichtigste Voraussetzung für einen risikobewußten Umgang mit der
Sexualität - dies gilt insbesondere für homosexuelle Jugendliche, die in der Regel
wenig sexuelle Erfahrungen in ihre ersten Beziehungen einbringen.
Von großer Bedeutung ist es auch, die Träger der freien Jugendarbeit und andere
Akteure in diesem sozialen Spektrum für die besondere Situation von lesbischen und
schwulen Jugendlichen zu sensibilisieren und auf die Aus- und Fortbildung der dort
Beschäftigten Einfluß zu nehmen, damit den Jugendlichen der Prozeß der
Selbstfindung innerhalb der bereits bestehenden Strukturen erleichtert wird.
Eine Politik, die nachhaltig gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen
wirken soll, kann nicht allein auf Öffentlichkeitswirksamkeit setzen. Die Arbeit des
Ministeriums zielte deshalb in der Vergangenheit auch primär darauf ab, in die
staatlichen Strukturen hinein zu wirken und darüber hinaus gezielt auf Verbände und
soziale Träger und Trägerinnen zuzugehen, sie zu sensibilisieren und auf die
Beachtung der Besonderheiten der Lebenssituation von Lesben und Schwulen
hinzuwirken.
Im Rahmen der heutigen Veranstaltung laden wir sie dazu ein, in den verschiedenen
Arbeitsgruppen die bisherige Zusammenarbeit zwischen Ihnen und uns gemeinsam
zu reflektieren, Ihre Erfahrungen und Kompetenzen mit einzubringen und mit uns
über mögliche Perspektiven der Arbeit des Referates zu beraten.
Wie Ihnen auch hierdurch deutlich wird, setzen wir auf Ihre Dialogbereitschaft. Ich
möchte die hessischen Lesben- und Schwulengruppen daher herzlich einladen, auch
weiterhin an den Fachgesprächen und Runden Tischen teilzunehmen, die das
Hessische Sozialministerium in bewährter Form fortführen wird. Und ich freue mich
besonders, daß auch die Verbände und Institutionen in der Jugendarbeit sowie in der
Arbeit mit Menschen mit Behinderungen sich dem Dialog stellen und bereit sind, sich
dieses Themas anzunehmen. Die Runden Tische und Fachgespräche haben dank
Ihrer Kooperationsbereitschaft auch dazu beigetragen, die Vernetzung unter den
Gruppen zu fördern und die bestehenden Selbsthilfestrukturen zu stärken. Hierin
sehen wir ein vorrangiges Ziel unserer Politik in diesem Bereich, denn niemand
vermag Diskriminierungen effektiver entgegenzuwirken, als Sie es in Ihren Gruppen
und Initiativen tun.
Karl-Winfried Seif,
Staatssekretär im Hessischen Sozialministerium
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