14 dossier | TASPO Was kann helfen? In eine Schockstarre zu verfallen und abzuwarten, was passiert, bringt die Branche nicht voran. Ideen müssen her, wie sich der „neue“ Markt professionalisieren lässt. Wir stellen beispielhaft drei Aktivitäten vor, die aus der Menge hervorstechen und mit Hilfe von Kampagne, Kooperation und Markenbildung neue Wege gehen. Kampagnen »können helfen« Mit Kampagnen lässt sich ein stärkeres Bewusstsein für Blumen und Pflanzen erzeugen. Davon ist Frank Behrendt überzeugt, Vorstandsmitglied von fischerAppelt. Die Kölner PR-Agentur hat sich mit der Arbeit für Weber-Stephen einen Namen in der Branche gemacht. Nun entwickeln sie im Auftrag der Landgard generische Werbung für Pflanzen. Ansatzpunkt für die Kampagne sind die schönen Momente, die jeder Mensch verbindet mit Blumen und Pflanzen schöne Momente: den Heiratsantrag, den Geburtstagsglückwunsch, den Nachmittag in der Sonne auf dem bepflanzten Balkon, den schönen Garten im Urlaubsdomizil. „Mit unserer Kampagne ,1000 gute Gründe’ rücken wir diese Vielzahl positiver Assoziationen in den Fokus“, erklärt Behrendt. Um möglichst breit und effektiv zu streuen, werde mit der 360°-Kampagne die komplette kommunikative Klaviatur bespielt. Dazu zählen kontinuierliche Presse- und Medienarbeitsaktivitäten genauso wie aufmerksamkeitsstarke Live-Events. Ein Beispiel sei die Rosen-Verschenkaktion zum Valentinstag auf dem Alexanderplatz in Berlin. Passanten, die vergessen hatten, ihrer Liebsten an diesem Datum eine Freude zu machen, konnten sich am „1000 gute Gründe“-Mobil noch rechtzeitig eine Gratisrose sichern. Ein weiterer Schwerpunkt liege auf den Social Media-Kanälen, die ideal seien, um Positivassoziationen mit Blumen und Pflanzen mit anderen zu teilen. „Zum Beispiel über die Social Wall auf unserer Kampagnen-Website, auf der die Hashtag-Kommentare der „1000 gute Gründe“-Community zusammenlaufen.“ Wer heute eine Verbraucherkampagne im Konsumgüterbereich erfolgreich fahren wolle, müsse digital denken und die Menschen involvieren, sagt Behrendt. „Unsere 1000 gute Gründe Social Wall ist ein gutes Beispiel dafür. Hier kommt der Content mitten aus dem wahren Leben der Verbraucher, die ihre Positiverlebnisse teilen.“ Glaubwürdiger lasse sich nicht kommunizieren, denn hier werde nichts inszeniert oder künstlich produziert – es geht um die echte Schönheit von Blumen und Pflanzen wie sie die Menschen sehen und erleben. Zusätzlich werden noch eigene Impulse gesetzt. Für die verschiedenen Social-Media-Kanäle der Kampagne greife die Agentur zum Beispiel immer wieder tagesaktuelle News auf und setze sie in Positivkontext mit Blumen und Pflanzen. Zum Beispiel, wenn es um die schönste Nebensache der Welt, den Fußball geht. „Da funktionieren wir dann schon mal den DFB-Pokal als Blumenvase um und sorgen für Spaß im Netz. Das kommt an und bleibt hängen.“ Ausgabe TASPO dossier3/2015, Seite 14+15 30. Oktober 2015 | Nr. 3 Einen großen Unterschied zwischen einer Marke und generischer Werbung gebe es nicht. „Ganz gleich, ob Markenkommunikation oder generische Kampagne: gute Kommunikation lebt davon, Themen auf intelligente Art und Weise auf eine Meta-Ebene zu heben.“ Das sorge dann für die Rückkopplungseffekte, die dem Auftraggeber zur Profilierung nutzen. Verbraucher erwarten schließlich von einer Kommunikationskampagne echte und glaubwürdige Informationen mit einem Mehrwert für ihren Alltag. Sie wollen zum Beispiel wissen, wie ein Steak auf den Punkt gegrillt wird oder wann die beste Zeit zum Umtopfen ist. Gute Kommunikationsarbeit macht den Absender zum Enabler (deutsch: Befähiger), der genau dieses Wissen weitergibt. Das gilt für Markenkommunikation wie für generische Kampagnen in gleicher Weise. Es gebe aber einen Unterschied, sagt Behrendt. „Während wir bei Weber klar kommunizieren, dass es der Weber-Grill ist, der für den Verbraucher das bestmögliche Erlebnis garantiert, ist es bei generischer Werbung anders. Dort tun wir grundsätzlich etwas für das Image und den Verkauf von Blumen und Pflanzen – unabhängig davon, wer sie anbietet oder verkauft.“ Daher engagiert sich der Initiator einer generischen Kampagne vor allem für den Gesamtmarkt. Davon profitiert er – aber eben auch andere. Mit ihrem generischen Charakter sei die „1000 gute Gründe“-Kampagne per se ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Branchenpartner bereits heute zusammenkommen und erfolgreich an einem Strang ziehen. Landgard hat die Kampagne auf Initiative der Erzeuger, also der Produktionsebene, ins Leben gerufen. Diese stellen auch die Mittel für die Finanzierung. Landgard als Vermarkter ist Initiator und Absender. Der involvierte Handel zeigt sich mittlerweile mehr und mehr überzeugt von der Kampagne, was sich in den gerade veröffentlichten Kooperationen widerspiegelt. Das funktioniert, weil es sich um eine generische Kampagne handelt, von der die gesamte Branche profitiert. Zumal im Rahmen der ganzheitlichen 360°-Kommunikation auch der B2B-Bereich abgedeckt werde. „Schließlich ist uns wichtig, auch am Point of Sale, also da, wo Verbraucher schlussendlich ihre Kaufentscheidung treffen, visibel und überzeugend zu sein.“ So werden zum Beispiel verkaufsfördernde Materialien wie Pflanzenstecker oder Poster angeboten. Sie sind stringent im Corporate Design der Kampagne gestaltet und erinnern die Verbraucher daran, dass es Tag für Tag „1000 gute Gründe“ für Blumen und Pflanzen gibt. www.taspo.de Digital „denken und Menschen in„ volvieren Frank Behrendt FischerAppelt dossier 30. Oktober 2015 | Nr. 3 TASPO | 15 »Marken können helfen« Es braucht einzelne, starke Pflanzenmarken mit hohem Wiedererkennungswert, die als Zugpferd den Markt bereiten. Davon ist Marlis Gregg überzeugt, die mit ihrer Agentur PURE Public Relations unter anderem „Fridulin – die glückliche Erdbeere“ als Marke eingeführt und die Gemüsepflanzen von „La sélection du Chef “ zum TASPO Award 2014 für „Bestes Marketing“ geleitet hat. „Zeige mir Deine Pflanzen und ich sage Dir, wer Du bist“ unter diesem Motto sollte der Endverbraucher Pflanzensorten wieder beim Namen nennen können, sie wie einen guten Freund kennen und wissen, aus welchem Haus sie stammen, fordert die Marketing-Expertin. Eine erfolgreiche Markenkommunikation könne dies erreichen und so den Werteverlust der Pflanze stoppen. Rückt ihr Wert wieder in den Fokus, mache sich das auch an der Kasse in barer Münze bemerkbar. Moderne Konsumenten lassen sich zunehmend von Sinn, Sinnlichkeit und Nachhaltigkeit leiten, wie das Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln wissenschaftlich belegt. „Dem suchenden Endverbraucher zeigen, wie die Pflanze seine Sehnsucht erfüllen kann, genau das kann eine Marke leisten“, erläutert Gregg. Das emotionale Potenzial ist groß: Pflanzen können ein Stück Heimat sein, den Besitzer in seiner gesunden Ernährung unterstützen, Natur zum Anfassen bieten und vieles mehr. „Ein blühender Balkon oder früchtetragender Garten sind ganz persönliche Erfolge. Man will die ‚Früchte seiner Arbeit’ bewusst schätzen und genießen. Zugleich stecken in einer guten, gesunden Pflanze bereits viel Arbeit, das Wissen und die immense Erfahrung des Gärtners. All diese Botschaften kann die Marke transportieren.“ Einzelhandelsgärtnereien wissen stimmige Marketingkonzepte in der Regel geschickt zu nutzen. Größere Handelsketten hingegen könnten im Einzelfall um ihr eigenes Profil bangen und Pflanzenmarken als Konkurrenz betrachten. „Der Handel steht an einem Scheideweg: Holt er sich Umsätze über reine Preiskämpfe oder will er nachhaltig das Sortiment aufwerten und die Margen erhöhen?“, fragt Gregg. Markenbekanntheit und Markenimage stünden in direkter Beziehung zu Markenzufriedenheit, Markenvertrauen, Markenbindung und Markentreue – und das heißt für den Handel: Kundenbindung, Kundentreue, Umsatz und Profitabilität. Gerade innerhalb der Verkaufsflächen, auf denen Handelsketten buntes Chaos befürchten, könnten die Pflanzenmarken eine Bereicherung sein, im überbordenden Angebot Strukturen schaffen und für Orientierung sorgen, sagt die Marketing-Expertin. Gebraucht werden Mehrfachplatzierungen und wechselnde Highlights auf der Fläche. Wenn beispielsweise am Eingang „Fridulin, die glückliche Erdbeere“ lacht, Kunden in der Kochabteilung weitere Hinweise darauf finden und die Erdbeerpflanzen zudem eine hochwertige Präsentation auf der Fläche bekommen, weckt und leitet dies die Kaufwünsche. „Keiner würde zum Beispiel aktuell den ‚Weber-Grill verheimlichen oder als No-Name in seiner Abteilung verstecken – man profitiert von der starken Marke, bringt damit Dynamik in die generelle Nachfrage und den Grillmarkt insgesamt voran.“ Genau so funktioniere es auch bei Lebendem Grün. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Gregg, „wenn die Pflanze einen Namen hat und Kunden sich mit ihrem Charakter befassen – wenn sie wissen, mit wem sie es zu tun haben und über ihre Pflanze ebenso viel berichten können wie über ihren Lieblings-Verein.“ Natürlich könne bei Tausenden von Sorten nicht jede zur Marke werden. Es werden diejenigen bekannt werden, die herausragen. Doch um erfolgreiche Marken herum entstehen Nischen, in denen die anderen Marktteilnehmer gut leben können. Und wer ist in der Pflicht, sich um die Marken-Entwicklung zu kümmern? „Wie immer braucht es dazu Unternehmer, die diese Aufgabe mit Leidenschaft angehen und für ihre Botschaft brennen“, schildert Gregg. Diese Faszination trägt die Pflanze von der Produktionsfläche an den Verkaufspunkt und von dort auf die Fensterbänke und in die Gärten der Kunden, die sie dann täglich mit Genuss erleben – und genau dafür wieder und wieder kommen. Kooperationen »können helfen« Pflanzen „ wie einen guten Freund „ kennen Marlis Gregg Pure Public Relations Ausgabe TASPO dossier3/2015, Seite 14+15 Um mit einer guten Idee an den Markt zu kommen, braucht es kein tief greifendes Branchenwissen. Die Umsetzung kann auch mit Hilfe von Kooperationen funktionieren. Wie bei zwei Unternehmern, die sich für ihre Geschäftsidee zu evrgreen.de passende Partner aus der grünen Branche gesucht haben und aktuell wieder auf der Suche sind. Es muss doch auch anders gehen, dachte sich Philip Ehlers, als er eines morgens aufwachte und auf eine vertrocknete Palme schaute, die er aus einem Möbelhaus mitgenommen hatte. Und so kam es, dass ein gärtnerisch unbeleckter Jungunternehmer mit seinem gleichgesinnten Partner Jan Nieling einen Onlineshop für Zimmerpflanzen gründete, der Menschen dabei hilft, ihren eigenen grünen Daumen zu entdecken. Zielgruppe sind Frauen und Männer ab 25 Jahren, die sich ein grünes Zuhause ohne viel Aufwand wünschen und Pflanzen nicht als Wegwerfprodukt sehen. „Als wir angefangen haben, wurde uns gesagt: Wer Pflanzen im Fachhandel kauft, ist mindestens 45 Jahre alt, denn junge Menschen kaufen bei Ikea“, berichtet Ehlers. Dies widerlegten die beiden Unternehmer mit einem Markttest und legten allen Unkenrufen zum Trotz los. Mehr als 600 Menschen befragten die Gründer und fanden heraus, dass Zimmerpflanzen hauptsächlich aus drei Gründen nicht gedeihen: falsche Bewässerung, falscher Standort und fehlende Düngung. Sie bieten im Onlineshop deshalb robuste Pflanzen in Hydrokultur an, sortiert nach Lichtansprüchen. Das Paket beinhaltet nicht nur einen Übertopf in einer Farbe nach Wahl, sondern auch einen Nährstoffvorrat für ein Jahr. Wer eine Pflanze kauft, wird regelmäßig per E-Mail daran erinnert, dass gedüngt werden muss. „Unser Ansatz ist Convenience, unsere Kunden bekommen alles, was sie zum Erfolg brauchen, im Rundum-sorglos-Paket.“ Die große Herausforderung für die Unternehmensgründer war, den Onlinemarkt für Lebendiges Grün zu erschließen. „Viele wissen nicht, dass man Pflanzen online kaufen kann“, sagt Ehlers. Also wollten die Start-up-Gründer es mit ihrer Idee schaffen, in die klassischen Medien zu kommen. Witzige Produktnamen wie „Tante Pruseliese“ (Aglaonema), „Siegmund Freund“ (Ficus pumila) und „Mister Headbang“ (Dracaena) samt passenden Geschichten zu den Pflanzen machten es ihnen leicht, von den Redaktionen wahrgenommen zu werden. Und der Gründerpreis „Kopf schlägt Kapital“ der Stiftung Entrepreneurship, den evrgreen.de im Oktober 2013 gewann, sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit. Unter anderem berichteten Brigitte, das Magazin der Deutschen Bahn und RTL. Ehlers ist überzeugt, dass der Markt groß genug für weitere Pflanzen-Onlineshops ist. Durch seine Entwicklungsgesellschaft Redwood Service, mit der er Unternehmen bei der Umsetzung von digitalen Strategien unterstützt, hat er inzwischen einen guten Einblick in die Grüne Branche. „Noch ist der Onlineabsatz verschwindend klein, aber vor zehn Jahren glaubte auch niemand, dass man Schuhe im Internet verkaufen kann – bis Zalando kam.“ Es ist im Grunde eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Denn je mehr Wettbewerber es gibt, desto mehr Werbung werde gemacht und locke potenzielle Kunden an. „Und dann kommt es für uns darauf an, den besten Ruf zu haben.“ Deshalb setzt evrgreen.de nicht nur auf eine junge und hippe Erscheinung, sondern auch auf Qualität, Innovation und Service: Verkauft werden ausschließlich Pflanzen von deutschen Qualitätsgärtnereien. „Wir machen nicht auf billig, denn wir wollen eine Zielgruppe erreichen, die Wert auf Service und Qualität legt und weiß, dass dies seinen Preis hat.“ Über das Bewertungsportal Trusted Shop hat evrgreen.de eine Kundenzufriedenheit von 98 Prozent. Nachdem das Angebot auf Tillandsien, Bonsais sowie Wildstauden und Gräser für den Außenbereich ausgeweitet wurde, folgen nun Sukkulenten in speziell handgefertigten Design-Betontöpfen, die sich für vertikale Begrünung an die Wand hängen lassen. Weitere Pflanzen-Segmente sollen erschlossen werde, dafür sucht evrgreen.de gerade neue Kooperationspartner. Auch mit einer Innovation geht das Unternehmen demnächst an den Markt: In Zusammenarbeit mit Designern ist ein Hängesystem entstanden, mit dem die Pflanzen fast unsichtbar in der Luft schweben. Auch die Erwartungen hängen hoch. „Wir wollen die erste vom Endkunden wahrgenommene Pflanzenmarke sein“, wünscht sich Ehlers. Die wird es dann vermutlich nicht mehr nur im Internet geben, sondern auch im stationären Handel. Vielleicht sogar in eigenen Evrgreen-Läden in den Innenstädten. Damit junge Menschen sich eine „richtig grüne Bude“ ermöglichen können, wie sie Ehlers inzwischen hat – mit mehr als 20 gesunden Zimmerpflanzen. www.taspo.de