LWL-Klinik Münster Chronische Depression Station 16.2 www.lwl-klinik-muenster.de Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient, Sie haben sich für eine Behandlung auf unserer Station entschieden, weil Sie an einer lang andauernden Depression erkrankt sind oder immer wieder unter depressiven Episoden leiden. Womöglich haben Sie schon einige Therapieerfahrung gesammelt, ohne dass es zu einer nachhaltigen Verbesserung Ihrer Symptome gekommen ist. Wir haben für Patienten/-innen mit chronischer Depression ein spezielles Therapieprogramm entwickelt, das auf Ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten ist. In diesem Programm werden biologische (medikamentöse und andere Verfahren), psychotherapeutische und weitere Therapiebausteine (z. B. Ergo-, Bewegungs- und Körpertherapie) miteinander kombiniert. Im Folgenden wollen wir Sie mit den wesentlichen Bestandteilen der Therapie vertraut machen, um Ihnen den Einstieg in diese spezielle Behandlung zu erleichtern und eine möglichst effektive Therapie zu ermöglichen. Insbesondere möchten wir Ihnen die psychotherapeutischen Aspekte etwas genauer erläutern. Die erste Behandlungswoche dient Ihnen und uns als Orientierungs- und Diagnostikphase, an die sich die Hauptphase der Behandlung anschließt. In der letzten Phase der insgesamt etwa 10-wöchigen Behandlung, der Abschiedsphase, bereiten wir mit Ihnen Ihre ambulante Weiterbehandlung vor. Die grundsätzlichen Regelungen für das Miteinander auf der Station finden Sie in Ihrem Therapievertrag, den Sie zu Beginn der Behandlung mit uns abschließen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Behandlung. Prof. Dr. med. Reker Ärztlicher Direktor Nils-Jörg Norden Oberarzt Dr. rer. medic. Kremer Dipl. Psychologin Inhalt Spezielle Psychotherapie bei chronischer Depression Situationsanalyse Achtsamkeitsbasierte Therapie Körper- und Bewegungstherapie, Kiesler-Kreis Biologische Therapieverfahren Multidisziplinärer Therapieansatz Spezielle Psychotherapie bei chronischer Depression Die psychotherapeutische Behandlung auf unserer Station umfasst Techniken des CBASP („Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy“, Mc. Cullough, 2000). Hierbei handelt es sich um eine besondere Form der Verhaltenstherapie, die speziell auf Patienten/-innen mit einer chronischen Depression zugeschnitten ist. Neben verhaltenstherapeutischen Elementen beinhaltet CBASP weitere, unter anderem tiefenpsychologische Elemente. Eine Grundannahme von CBASP ist, dass Menschen, die unter einer chronischen Depression leiden, durch problematische Erfahrungen in ihrer Kindheit nur unzulänglich gelernt haben, in sozialen Situationen ihre Wünsche zu äußern und ihre Ziele zu erreichen. Auch können sie oft nicht richtig einschätzen, wie sie auf ihre Interaktionspartner wirken. Zudem haben sie häufig den Eindruck, an ihrem Zustand selbst nichts verändern zu können, was zu einem Gefühl von andauernder Hilflosigkeit führt. Die Behandlung mit CBASP soll den Patienten/-innen befähigen, diesen „Teufelskreis“ aus problematischen Lernerfahrungen, fehlerhafter Selbsteinschätzung und Hilflosigkeit schrittweise zu durchbrechen. Dazu lernen die Patienten/-innen, Konsequenzen des eigenen Ver- haltens zu erkennen und empathiefähiger im Umgang mit anderen zu werden. Auch werden Problemlösefertigkeiten im sozialen Miteinander trainiert sowie Bewältigungsstrategien im Alltag erprobt. Frühere ungünstige Erfahrungen sollen auf diese Weise durch neue, positive Beziehungserfahrungen zunehmend ersetzt werden. Darüber hinaus beinhaltet unser Therapieprogramm Behandlungselemente aus der achtsamkeitsbasierten Psychotherapie und Entspannungsverfahren (z. B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung). Situationsanalyse Auf unserer Station existieren zwei Psychotherapiegruppen. Sie nehmen an der Psychotherapiegruppe I teil. Ein zentrales Element in dieser Gruppe ist die Situationsanalyse, die Sie überwiegend im Rahmen der Gruppentherapie, aber auch in den Einzelgesprächen erlernen und im Laufe der Zeit selbständig durchführen. Die Situationsanalyse hat sich bei der Behandlung chronischer Depressionen als besonders effektiv erwiesen und nimmt deshalb einen großen Platz ein. Dabei lernen Sie, Ihr Leben allmählich zufriedenstellender zu bewältigen. Dazu gehört, dass Sie Ihr Leben als Abfolge von klar abgegrenzten Ereignissen betrachten und Bewertungskriterien definieren, wann solche Ereignisse (z. B. eine bestimmte zwischenmenschliche Situation) für Sie erfolgreich waren, und wann nicht. Das Nachdenken über „Probleme im Allgemeinen“ hilft nur wenig, sondern Problemlösen funktioniert dann am besten, wenn Sie sich ganz auf ein Problem konzentrieren – so lange, bis Sie eine adäquate Lösungsstrategie gefunden haben und diese anschließend in die Tat umsetzen. Die Situationsanalyse besteht aus zwei Phasen, der Explorationsphase und der Lösungsphase. • Das Ziel der Explorationsphase besteht darin, sich strukturiert vor Augen führen zu können, wie typische Denk- und Verhaltensmuster zu unerwünschten Ergebnissen und in der Folge zu depressiven Gefühlszuständen führen können. • In der anschließenden Lösungsphase, lernen Sie, dass..... . Sie selbst durch Ihr Verhalten die Umwelt beeinflussen und nicht allein Ihren äußeren Lebensumständen passiv ausgesetzt sind. . Sie durch ein verändertes Verhalten zu einem erwünschten Ergebnis im Kontakt mit Ihrer Umwelt gelangen können. . Sie durch ihr Verhalten so auf Ihre Umwelt einwirken können, dass unangenehme Gefühle ausbleiben können. . Sie durch Ihr Verhalten Ihr bisheriges Erleben von Scheitern beenden können. Abb. 1: Lernziele der Situationsanalyse Aktive Mitarbeit als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung Voraussetzung für die Teilnahme an der Situationsanalyse-Gruppe ist Ihre aktive Mitarbeit – nur wenn Sie aktiv mitarbeiten, kann die wertvolle Therapiezeit möglichst effektiv genutzt werden. Deshalb gehören auch „Hausaufgaben“ für Sie dazu: Im Vorfeld der Situationsanalyse erstellen Sie jeweils eine schriftliche Kurzbeschreibung einer konkreten, passenden Situation. Wie Sie eine solche Kurzbeschreibung erstellen, wird Ihnen vorab selbstverständlich erläutert. Achtsamkeit In der Psychologie besteht Konsens, dass fernöstliche Meditationstechniken eine anhaltende positive Wirkung auf die psychische Gesundheit haben: Menschen, die meditieren, sind ruhiger, können besser mit Stress umgehen und sind ausgeglichener. Die Durchführung von speziellen Achtsamkeitsübungen, die aus der Meditationspraxis entwickelt wurden, hat sich vor diesem Hintergrund bei der Behandlung langwieriger depressiver Erkrankungen bewährt. Bei depressiven Menschen kann schon eine geringe Zunahme von Traurigkeit dazu führen, dass einmal erlernte negative Denkmuster (z. B. Grübeln, Gedankenkreisen, depressive Gedankenketten, die oft während einer früheren Depressionsphase vorherrschten), wieder in Kraft treten: Dies führt dazu, dass sich die Depression verstärkt („kognitive Reaktivität“). Im Zusammenhang mit einer erhöhten Aktivität von Stresshormonen wird deshalb die Anfälligkeit für depressive Episoden von Mal zu Mal höher. Durch das Durchführen von Achtsamkeitsübungen ist es möglich, dem entgegenzuwirken, indem Sie lernen, Atmung, Körper und Gedanken aufmerksam wahrzunehmen, ohne diese direkt zu beurteilen oder verändern zu wollen (siehe Abb. 2). Dadurch können Sie eine bessere Akzeptanz der aktuellen Situation erlangen. Sie erkennen, dass Sie auch in stressigen oder kritischen Situationen wach und aufmerksam handeln können, ohne sich in der Situation zu verlieren, automatisch zu reagieren oder in negatives Grübeln zu verfallen. Dies wirkt dem oben beschriebenen depressionsfördernden Mechanismus entgegen. . . . . . Nicht wertend (bewertend) Geduld übend nicht nach etwas strebend loslassen können / annehmen können was jetzt ist unvoreingenommen sein und bleiben (Anfängergeist bewahren). Abb. 2: Innere Haltung der Achtsamkeit Zusammenfassend heißt Achtsamkeit, sich dessen bewusst zu sein, was gerade innen und außen passiert. Sie lernen, gelassen zu bleiben und auch in schwierigen Situationen nicht sofort in emotionalen Aufruhr zu geraten. Die Teilnahme an dem jeweils mittwochs stattfindenden Gruppenangebot zur Achtsamkeit ist deshalb für Sie verbindlich. Wir bieten Ihnen ein spezifisch auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittenes, achtsamkeitsbasiertes Therapieangebot an. Integratives bewegungstherapeutisches Angebot/ „Kiesler-Kreis“ In der Körper- und Bewegungstherapie lernen Sie – anders als bei den eher reflektierenden Situationsanalysen – in einem eher „spielerischen“ Rahmen verschiedene Verhaltensdimensionen auszuprobieren. Sie lernen in diesem Therapiebaustein, konkrete Kommunikations- und Verhaltensziele (z. B. selbstbewussteres Auftreten) anzugehen und sammeln in Bezug auf Körpersprache und Kommunikation unmittelbare Erfahrungen. Hierzu wird als Element aus CBASP der sog. „Kiesler-Kreis“ (s.u.) genutzt. Kiesler Kreis Der Mensch als soziales Wesen tritt immer wieder in Kontakt mit seinen Mitmenschen. Patienten/-innen, die schon länger an einer Depression erkrankt sind, haben jedoch oft Schwierigkeiten in solchen zwischenmenschlichen Situationen. In der Depressionsbehandlung ist es deshalb sinnvoll, eigene Verhaltensmuster in solchen Situationen zu beschreiben und einzuschätzen, inwieweit diese - - die Depression verstärken bzw. zur Depressionsentstehung beitragen Wir möchten Sie einladen zu erfahren, dass die bewusste Wahrnehmung und Veränderung solcher Verhaltensmuster dazu beitragen kann, allmählich aus der Depression hinauszufinden. Der Kiesler-Kreis ist ein Modell, das anschaulich beschreibt, wie wir in bestimmten Situationen auf unsere Umwelt wirken. Daraus lässt sich ableiten, welche Konsequenzen diese Wirkung bei unseren Kommunikationspartnern hat. Im Verlauf des therapeutischen Prozesses wird immer wieder reflektiert, ob es bei der Zuordnung eigener Verhaltensmuster im „Kiesler-Kreis“ zu Veränderungen gekommen ist. dominant-offen rücksichtslosdurchsetzend überkritisch belehrend bestrafend freundlichdominant feindselig/ Distanz klar deutlich bestimmend durchsetzend kontrollierend ablehnend, übergriffig unfreundlich, streitsüchtig kühl/kalt sicher spontan selbstbewusst freundlichdurchsetzend zurückgezogenteilnahmslos unterschwelligvorwurfsvoll gehemmt unbeteiligt ängstlich hilflos freundlichunterwürfig demütig hilflos wertschätzend hilfsbereit kooperativ herzlich warm unsicher schmeichlerisch freundlich untätig (übertrieben) lobend (über-) vertrauensvoll unterwürfig verschlossen Abb. 3: Kiesler - Kreis freundlich freundlich Nähe freundlich unterwürfig Biologische Therapieverfahren Bei der Behandlung von chronischen Depressionen geht es nicht um ein „entweder biologische Therapie oder Psychotherapie“. Vielmehr hat es sich erwiesen, dass eine individuell abgestimmte Kombination beider Ansätze am erfolgreichsten ist. Häufig haben Patienten/-innen mit chronischer Depression schon vielfältige Behandlungserfahrungen mit unterschiedlichen Medikamenten hinter sich, ohne dass es zu einer nachhaltigen Verbesserung der Symptome gekommen wäre. Deshalb empfehlen die wissenschaftlichen Therapie-Leitlinien insbesondere bei chronischen Verläufen ein kombiniertes Vorgehen. Das ärztliche Team der Station verfügt über besondere Kompetenz bezüglich der pharmakologischen Behandlung und anderweitiger biologischer Therapieverfahren (z. B. Wachtherapie, Elektrokrampftherapie) im Zusammenhang mit chronischen und bei sogenannten „therapieresistenten“ Verläufen. Da es sich um individuelle Therapiestrategien handelt, bei denen Ihre Vorerfahrungen, die Medikamentenverträglichkeit usw. zu berücksichtigen sind, werden Ihnen diese durch den ärztlichen Dienst ausführlich im Rahmen der Visite und der Sprechstunden erklärt. Multidisziplinärer Therapieansatz Das gesamte Behandlungsteam der Station 16.2 ist bestrebt, mit Ihnen gemeinsam an ihrer Genesung zu arbeiten: Während Ihrer gesamten Behandlungsdauer haben Sie einen festen Bezugstherapeuten, der Ihr Hauptansprechpartner sein wird. Die Situationsanalyse-Gruppe wird jeweils von einem Mitarbeiter des therapeutischen Dienstes und einer Pflegekraft zusammen geleitet. Der Stationsarzt ist für die medizinischen und pharmakologischen Belange zuständig. Zudem ist unser Sozialdienst als Ansprechpartner für alle psychosozialen Aspekte in die Behandlung involviert. Wir bemühen uns stetig, unsere Therapieangebote zu optimieren und weiterzuentwickeln, um eine möglichst effektive Therapie für unsere Patienten/-innen zu gewährleisten. Wir sind Ihnen daher für Rückmeldungen dankbar. Bin ich stark genug? Ja, ich habe die Kraft! Schaffe ich das überhaupt? Klar, ich hab noch viel vor! Ich kann nicht mehr. Doch, ich kann es schaffen! Einfach abwarten? Nein, ich handle heute! Wege aus der Krise – wir finden sie gemeinsam LWL-PsychiatrieVerbund Westfalen. Seelische Probleme verlangen persönliche Hilfe. Darum gibt es uns: Der LWL-PsychiatrieVerbund Westfalen bietet in über 100 Einrichtungen spezialisierte, wohnortnahe Behandlung und Betreuung – für den richtigen Weg aus der Krise. www.lwl-psychiatrieverbund.de Impressum LWL-Klinik Münster Friedrich-Wilhelm-Weber-Str. 30 48147 Münster Telefon: 0251 91555-0 Internet: www.lwl-klinik-muenster.de Redaktion: Dr. Sebastian Voß, Nils-Jörg Norden, Dr. Brigitta Kremer Layout: Kerstin Wichmann, Telgte Relaunch: Sibylle Kaufhold Bildnachweis: Sibylle Kaufhold, Jutta Westerkamp © 2014, LWL-Klinik Münster Ansprechpartner Bei Fragen sind wir gerne für Sie da: Nils-Jörg Norden Oberarzt (Stationen 16.1 und 16.2) der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie Tel.: 0251 91555-2246 E-Mail: [email protected] www.lwl-klinik-muenster.de