Teil V: Naturwahrnehmung und Naturverständnis

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Teil V: Naturwahrnehmung und Naturverständnis zum
Naturschutzgebiet Ohligser Heide
In den bisherigen Ausführungen wurden die Wahrnehmung und das Verständnis von Natur
zum einen aus der Perspektive der „Naturschützer“ behandelt und zum anderen auf einer theoretisch-abstrakten Ebene. Der folgende Teil stützt sich hingegen auf einen konkreten Raum
und berücksichtigt die Auffassungen anderer gesellschaftlicher Gruppen
Das Fallbeispiel NSG Ohligser Heide soll zeigen, inwieweit sich die Entwicklung, der aktuelle Stand sowie die theoretischen Konzepte des allgemeinen Naturschutzes in der Praxis und
vor Ort widerspiegeln. Auf der regionalen Ebene nehmen andere Faktoren Einfluß auf die
Wahrnehmung und Bewertung der Natur als auf der abstrakten. Wichtig ist dabei vor allem
der persönliche Bezug der Entscheidungsträger („Heimatverbundenheit“) zur Landschaft, zum
einen weil der Mensch allgemein Dinge, die er kennt, höher wertschätzt als solche, die er
nicht kennt (vgl. BLAB 1985: 136), und zum anderen weil persönliche, akute Bedürfnisse bei
der Wertsetzung von Bedeutung sind (vgl. ITTELSON u. a. 1977: 78f.).
Anhand einer empirischen Studie soll untersucht werden, wie andere gesellschaftliche
Gruppen das Naturschutzgebiet bzw. Naturschutzmaßnahmen wahrnehmen und bewerten.
Ziel ist es herauszufinden, ob bzw. inwieweit die Sicht der „Outsider“ von dem der Naturschützer abweicht, welchen Stellenwert der Naturschutz bei ihnen einnimmt und ob Interessenkonflikte auftreten. Auch dieser Ansatz wird sowohl aus der aktuellen als auch aus der
geschichtlichen Perspektive betrachtet. Die Grundlage beider Untersuchungen bildet eine
qualitative Inhaltsanalyse von Zeitungstexten (redaktionelle Artikel bzw. Leserbriefe).
Bei dem konkreten Untersuchungsraum handelt es sich um das NSG Ohligser Heide, weil es
mit seiner Landschafts- und Naturschutzgeschichte ein sehr anschauliches Fallbeispiel für den
deutschen Naturschutz bildet. Das Gebiet wurde bereits in den 30er Jahren unter Naturschutz
gestellt, um die im Schwinden begriffenen Reste der ehemals flächendeckenden, aber anthropogen entstandenen Heide- und Heidemoore zu erhalten. Trotzdem nahm der bis zu Anfang
dieses Jahrhunderts vorherrschende Landschaftstyp weiter ab, insbesondere weil weite Teile
der Flächen aufgeforstet und entwässert wurden. Seit ca. 20 Jahren bemüht man sich im
Rahmen einer „Renaturierung“ den verlorengegangenen Charakter der Landschaft zurückzugewinnen. Hinter der Renaturierung steht somit das im deutschen Naturschutz vorherrschende
historische Leitbild, wonach die Landschaft erhalten oder wiederhergestellt werden soll, die
Anfang des 19. Jahrhunderts dominierte. Zugleich ist die Renaturierung Ausdruck der umfassenden Landschaftspflege, die sich in den 70er Jahren im Naturschutz etablierte. Eine
geschichtliche Analyse zeigt somit, inwieweit sich die Naturwahrnehmung und das Naturverständnis auf den Raum bezogen verändert hat und wie stark die Naturschutzpraxis der
Theorie abwich bzw. bis heute abweicht.
Einen besonderen Faktor innerhalb der Ohligser Heide bildet das Heidebad, ein im Zentrum
des Naturschutzgebietes gelegenes Freibad, das weitere Renaturierungsmaßnahmen verhindert. Seit Anfang der 80er Jahre bemühen sich die „Naturschützer“ vergeblich darum, das
Freibad zu schließen. Immer wieder verhinderten Bürgerproteste und zuletzt ein 1995 durchgeführter kommunaler Bürgerentscheid die Beseitigung des Bades. Die öffentlich ausgetragene Kontroverse bildet die Grundlage zur Untersuchung der unterschiedlichen Naturwahrnehmung und des Naturverständnisses in der Bevölkerung. Die dabei dargelegten Positionen reflektieren nicht nur die jeweilige Einstellung einzelner Personen und Gruppen zum
Freibad, sondern auch ihre Einstellung zum Naturschutzgebiet Ohligser Heide bzw. zur
Renaturierung sowie zur Natur und zum Naturschutz.
15. Die Ohligser Heide
Die empirische Studie zur Wahrnehmung und Bewertung von Natur- und Naturschutzmaßnahmen bezieht sich auf einen konkreten Raum: Das Naturschutzgebiet Ohligser Heide. Es
bietet sich an, weil sich hier ein Großteil der in Teil I diskutierten Entwicklungen, Probleme
und Sichtweisen widerspiegelt:
• Es handelt sich um ein Naturschutzgebiet und damit entsprechend der deutschen Gesetzgebung um die höchste deutsche Schutzgebietskategorie.
• Die Landschaftsentwicklung des Raumes demonstriert deutlich die Bedeutung des
Menschen für das heutige Landschaftsbild sowie die Problematik des Schutzes einer
„Kulturlandschaft“.
• Anhand der Schutzbestrebungen und Schutzgebietsverordnungen - Teile des Gebietes
wurden bereits 1936 unter Schutz gestellt - zeigt sich einerseits, wie sich die Ansprüche an
den Naturschutz verändert haben und
• andererseits, welche Maßnahmen und Eingriffe innerhalb eines Naturschutzgebietes
möglich sind bzw. wie stark der gestalterische Einfluß des Menschen auf ein solches
Gebiet sein kann.
• Den in den letzten 20 Jahren durchgeführten „Renaturierungsmaßnahmen“ liegt das historische Leitbild zugrunde, d. h. es wird versucht, das Landschaftsbild zurückzugewinnen,
das um die Jahrhundertwende in diesem Raum vorherrschte.
• Durch seine Lage im Rheinisch-Westfälischen Ballungsraum ist das NSG verstärkten
Belastungen (Verkehr, Emissionen, Naherholungsdruck etc.) ausgesetzt.
• Innerhalb des NSG prallen verschiedene Nutzungsansprüche aufeinander, aus denen sich
mehrere Konfliktfelder ergeben: Hierzu gehören der Bereich Naturschutz-Forstwirtschaft letztere war trotz der Unterschutzstellung des Gebietes nahezu uneingeschränkt möglich sowie
• der bereits seit der Jahrhundertwende bestehende Konflikt zwischen Naturschutz und Naherholung.
• Im Zentrum des NSG liegt das umstrittene Freibad „Heide“, das aufgrund eines 1996
durchgeführten kommunalen Bürgerentscheides weiterhin erhalten bleibt. Anhand der
Kontroverse um das Freibad läßt sich die Frage nach der aktuellen Bedeutung von Naturund Naturschutzmaßnahmen in der Öffentlichkeit umfassend diskutieren.
Das Naturschutzgebiet mit seinen Problemen und die damit zusammenhängende naturschutzinterne Sichtweise sollen im folgenden näher erläutert werden.
Zunächst steht jedoch die Landschaftsentwicklung des Gebietes im Mittelpunkt, die zur
Entstehung der heute als schutzwürdig geltenden Heideformationen führte. Dabei muß der
Großraum betrachtet werden, in den das Naturschutzgebiet als kleinflächiger Ausschnitt
eingebettet ist.
15.1 Lage der Ohligser Heide
Die Ohligser Heide gehört politisch gesehen zur kreisfreien bergischen Großstadt Solingen,
im Regierungsbezirk Düsseldorf des Landes Nordrhein-Westfalen (s. Abb. 15). Sie befindet
sich somit mitten im Rheinisch-Westfälischen Ballungsraum167, d. h. in einer der am stärksten
verstädterten und industrialisierten Regionen Deutschlands. Benachbart liegen die beiden
Großstädte Wuppertal und Remscheid, im Westen schließen sich mit Köln und Düsseldorf die
Stadtregionen der Rheinschiene und im Norden das Ruhrgebiet an (vgl. OSTD RS, SG, W
1992: 11; KOSTÄDT 1977: 5).
Abb. 15: Die Lage des NSG
Ohligser Heide
(Entwurf/Kartographie: M. RAFFELSIEFER)
167
Der rheinisch-westfälische Ballungsraum bezieht sich hier in Übereinstimmung mit BIRKENHAUER (1984:
17) nicht allein auf das Ruhrgebiet, sondern auf den gesamten Bereich der „funktional und genetisch zusammengehörenden“ und zusammengewachsenen Verdichtungsräume des Rhein-Ruhr-Gebietes.
Das Untersuchungsgebiet „ist seiner geographischen Lage nach ein Mittler zwischen dem
Rheinland und dem Bergischen Land“ (BIEBER 1964: 6): Es liegt innerhalb der rechtsrheinischen Terrassenlandschaft und damit im Übergangsbereich zwischen der Rhein-Ebene und
den Hochflächen des Bergischen Landes. Naturräumlich gesehen gehört das Gebiet zur
Niederrheinischen Bucht, während es als Teil der Stadt Solingen politisch und geschichtlich
dem Bergischen Land zuzurechnen ist.
15.2 Naturraum
Das Naturschutzgebiet Ohligser Heide liegt auf der sog. Heideterrasse, die sich weitgehend
mit der rechtsrheinischen Mittelterrasse deckt (s. Abb. 16). Die Bezeichnung stammt von der
bis um die Jahrhundertwende zusammenhängenden und das Gelände flächendeckend einnehmenden Vegetationsform der Heide und Heidemoore.
Abb. 16: Die naturräumliche Gliederung am südlichen Niederrhein
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Niederrheinische Bucht
Bergische Heideterrasse
Köln-Bonner Rheinebene
(mit linksrheinischen Lößterraassenplatten)
Jülicher Börde
Ville
Zülpicher Börde
2.
2.1
2.2
Niederrheinisches Tiefland
Mittlere Niederrheinebene
Kempen-Aldekerker Platten/ Niersplatten
3.
3.1
3.2
Westfälische Tieflandsbucht
Westernhellweg
Emscherland
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
Bergisch-Sauerländisches Unterland
Bergisch-Sauerländisches Unterland
Bergische Hochflächen
Niedersauerland
Märkisches Oberland
5.
5.1
5.2
Mittelrheingebiet
Unteres Mittelrheingebiet
Niederwesterwald
6.
6.1
Osteifel
Mechernicher Voreifel
(Entwurf/Kartographie: M. Raffelsiefer,
nach: IRSIGER 1982: 1.5)
Im Laufe dieses Jahrhunderts verkleinerten sich die anthropogen entstandenen Heideflächen
u. a. aufgrund der Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Nutzung, durch Aufforstungen und Bebauung stetig. Heute existieren nur noch wenige Relikte der ehemaligen Vegetationseinheit. Sie
stehen überwiegend unter Naturschutz. Zu den Flächen, „die den ursprünglichen Landschaftscharakter zumindest teilweise noch bewahrt haben“ (KREMER/CASPARS 1982: 12) gehören
neben der Ohligser Heide noch die Stallberger Sümpfe, die Wahner Heide, der Thielenbruch,
das Further Moor sowie die Hildener Heide. Die beiden letztgenannten bilden zusammen mit
der Ohligser Heide den Nordabschluß der Heideterrasse. Abb. 17 demonstriert eindrucksvoll
den Rückgang der Heideflächen seit dem letzten Jahrhundert und zeigt die Lage der heute
noch vorhanden Heide-Relikte.
Abb. 17:
Vergleich der Heideflächen auf der Heideterrasse Anfang des
19. Jh. und 1989
1:
2:
3:
4:
5:
Hildener Heide
Ohligser Heide
Further Moor
Schlehbuscher Dünen
Dellbrücker Heide und
Thielenbruch
6: Wahner Heide
7: Stallberger Sümpfe
8: Hangelarer Heide
(nach PREUß. Uraufnahme
1845, Tranchot-Müffling Karte
1820,
Kartierung des Ökolog. AK
Wahner Heide 1987/89;
Quelle: INTERK. AK WAHNER
HEIDE 1989: 44)
Die naturräumlichen Gegebenheiten waren wesentliche Voraussetzung zur Entstehung der
ausgeprägten Heidelandschaft. Wie bereits in Kapitel 8.3 erläutert, spielen sowohl die Bodenals auch klimatischen Verhältnisse eine entscheidende Rolle für die Entstehung von Heidegesellschaften. Darüber hinaus hängt von ihnen ab, ob, wann und inwieweit der Mensch das
Gebiet besiedeln und/oder wirtschaftlich nutzen konnte.
15.2.1 Geologie
Die Heideterrasse gehört zu den Terrassen, die den antezedenten Rhein beim Austritt aus dem
Rheinischen Schiefergebirge in die Niederrheinische Bucht beidseitig begleiten. Es handelt
sich also um den Übergangsbereich zwischen zwei Großlandschaften: 1. der Niederrheinischen Bucht als südlichem Ausläufer des Norddeutschen Tieflandes und 2. dem Rheinischen
Schiefergebirge als nordwestlichem Teil der deutschen Mittelgebirge. Die Niederrheinische
Bucht ragt keilförmig in das Rheinische Schiefergebirge hinein und trennt das rechtsrheinische Bergische Land von der linksrheinischen Nordeifel (s. Abb. 18).
Abb. 18:
Die Terrassengliederung am südlichen
Niederrhein
Hochflutbett von Rhein und Maas
Niederterrassen
Krefelder Mittelterrassse
(Untere Mittelterrasse)
Untere Mittelterrasse
Obere Mittelterrasse
Jüngere Hauptterrasse
Ältere Hauptterrasse
vom Inlandeis zu Stauchwällen
aufgepreßte Rheinterrassen
vorpleistozäne Umrahmung der
Niederrheinischen Bucht
(Entwurf/Kartographie: M. RAFFELSIEFER;
nach KLOSTERMANN 1988: 46, Ausschnitt;
auf der Grundlage von BRAUN/QUITZOW 1961)
Die Entstehungsgeschichte des Rheinischen Schiefergebirges begann bereits im Devon, während die Ausgestaltung der Terrassenlandschaft als Teil der Niederrheinischen Tiefebene vor
allem in das Tertiär und Quartär fiel. Hierbei waren zwei Prozesse von Bedeutung:
1. tektonische Bewegungen, die den Anstieg bewirkten und damit die gegenwärtige Höhenlage der Terrassen bestimmen, und
2. der pleistozäne Wechsel von Warm- und Kaltzeiten, der alternierend zur Akkumulation und
Erosion von Rheinschottern führte und damit für die Mächtigkeit des Untergrundes und die
heutige Ausprägung der einzelnen Terrassen verantwortlich ist.
Das Rheinische Schiefergebirge bildet die Rumpffläche des im Karbon aufgefalteten und
anschließend abgetragenen Variskischen Gebirges. Der Untergrund besteht vorwiegend aus
devonischen und karbonischen Gesteinen, die vor ca. 400-350 Mio. Jahren aus devonischen
Flachmeerablagerungen hervorgegangen sind. In der Tertiärzeit, am Ende des Pliozäns,
begann sich das Rheinischen Schiefergebirges als Scholle herauszuheben. Die Hebung steigerte sich im Altpleistozän und erreichte während der Elstereiszeit und der Holsteinwarmzeit
ihren Höhepunkt. Seitdem klingt sie wieder ab.
Demgegenüber liegt die Niederrheinische Bucht in einem alten Senkungsraum als Teil einer
Kette von Gräben und Verwerfungen, die sich von der Nordsee über den Rhein- und Rhonegraben bis zum Mittelmeer erstreckt. Bereits im Mitteloligozän begann die Bucht einzusinken,
eine Tendenz, die sich durch die Heraushebung des Rheinischen Schiefergebirges als
entgegengesetzte Bewegung noch verstärkte. Am Ende der Hauptterrassenzeit (vor ca.
700.000 Jahren) wurde die Niederrheinische Bucht in die Hebung des Rheinischen Schiefergebirges mit einbezogen. Seither sinkt sie also nur noch in Relation zu ihm ab, steigt aber
tatsächlich an (vgl. WREDE/HILDEN 1988: 7-14; BRAUN 1982: 15; KLOSTERMANN 1988: 4048 u. a.).
Durch die pleistozäne Abfolge von Kalt- und Warmzeiten kam es zur Bildung von Flußterrassen, Moränenzügen sowie Löß- und Flugsanddecken. Während der Kaltzeiten bildete
der Rhein ein verwildertes Flußsystem. Dabei wurden erhebliche Mengen an Schottern und
Sedimenten akkumuliert. Mit dem Abklingen der Kaltzeiten und dem dadurch bedingten
Auftauen der Böden sowie dem Anstieg der Wassermengen konnte sich der Rhein in die
zuvor aufgeschotterten Flächen einschneiden und sie z. T. wieder ausräumen. Das heißt, der
Turnus von Kalt- und Warmzeiten löste einen Wechsel zwischen verstärkter flächenmäßiger
Akkumulation und linienhafter Erosion aus. Dieser Prozeß wurde durch die tektonische
Bewegung der Landschaft verstärkt: mit der Hebung des Gebietes konnte sich der Rhein
verstärkt in die Sedimentmassen einschneiden. Die nicht ausgeräumten Reste der ehemaligen
Akkumulationsflächen bilden heute die in unterschiedlichen Höhen gelegenen Rheinterrassen.168 Dort, wo der Rhein aus dem Mittelgebirge heraustritt, war die tektonische
Hebung am stärksten, infolgedessen stiegen hier die Terrassenschotter am weitesten auf, während sie nach Norden einfallen und etwa an der Niederländischen Grenze abtauchen.169
Im Bereich des Anstiegs zum Bergischen Land liegen die ältesten Terrassen, sie entstanden
noch im Jungtertiär. Etwa vor 700.000 Jahren endete die Hauptterrassenzeit. Das Rheinische
Schiefergebirge stieg stärker an und legte damit den Rheinverlauf etwa ab Bonn fest. Es kam
zur Eintiefung der Mittelterrassen. Die Untere Mittelterrasse korriliert dabei mit dem
168
169
Detailliertere Angaben zur Bildung der einzelnen Terrassen s. BRAUN/QUITZOW (1961: 15-19).
Neben der Hebung und der Akkumulations- bzw. Erosionstätigkeit des Rheins wird die Ausprägung der
Terrassenlandschaft auch durch zahlreiche Bruchstufen geprägt. Dabei handelt es sich um parallele, von NW
nach SO verlaufende Verwerfungen, an denen sich die beiden Großschollen treppenartig verschoben haben.
Die Bruchstufen sind häufig durch Erosions-Erscheinungen der Flüsse verwischt (vgl. BRAUN 1982; RULAND
1926: 408-410). Die Brüche bewirken auch die Schrägstellung der Terrassen (vgl. KAISER 1957: 29f.).
Drenthestadium der Saalevereisung.170 Die Niederterrasse wurde am Ende der letzten Eiszeit
akkumuliert. Im Holozän - wie auch in den Zwischeneiszeiten - entwickelte sich der Rhein zu
einem mäandrierenden Fluß, der sein Bett lediglich innerhalb seines Auenbereiches verlagerte
(vgl. LIEDTKE/MARCINEK 1994b: 314-318; KREMER/CASPARS 1982: 4f.; KNÜBEL 1935: 4
u. a.).
Die rechtsrheinische Mittelterrasse umfaßt mit einer durchschnittlichen Breite von 2-3 km und
einer Länge von ca. 50 km eine Fläche von ca. 190 km². Sie fällt leicht nach Norden von ca.
80 auf 60 m ü.NN ein. Gleichzeitig weist sie ein starkes Ost-West-Gefälle von 30-40 m auf
der Breite von nur 5 km auf. Zum Rhein hin bricht die Mittelterrasse mit einer deutlichen
Geländestufe von ca. 8-10 m Höhe zur Niederterrasse hin ab. Nach Osten steigt sie gestaffelt
und unruhig gestaltet zu den Hochflächen des Rheinischen Schiefergebirges hin an.171 In
diesem Bereich geht der Heidestreifen über die Mittelterrasse hinaus, so daß hier eine eindeutige Abgrenzung nicht möglich ist (KREMER/CASPERS 1982: 5f.). Die Mittelterrasse wurde
nicht einheitlich, sondern in mehreren Phasen über einen Zeitraum von fast 400.000 Jahren
aufgeschottert. Dementsprechend wird sie in eine Obere und eine Untere Mittelterrasse
unterteilt. Der Untergrund des Gebietes besteht überwiegend aus lockeren Sedimenten des
ehemaligen Rheinbettes (Sande und Kiese), die fast vollständig von pleistozänen Decksanden
überzogen sind. Letztere wurden während der letzten Eiszeit bei vorherrschenden Westwinden als Flugsande aus den Schottern der Niederterrasse ausgeblasen, bis zu 4 m hoch
akkumuliert und z. T. zu Dünen aufgeweht172 (vgl. ZIMMERMANN 1930: 13; BRAUN 1982: 15;
KREMER/CASPERS 1982: 11 u. a.). Auf den Hochflächen des Bergischen Landes geht der Sand
in Löß über.
Ohligs liegt im nördlichen Bereich der Mittelterrasse, in der Hildener Mittelterrasse, einer
Teileinheit der Hilden-Lintdorfer Sandterrasse (vgl. OSTD SG 1979: 1.13). Die Mittelterrasse
läßt sich hier in eine jüngere und eine ältere untergliedern. Aufgrund der ein bis zwei Meter
dicken Flugsandschicht sind die beiden Terrassenflächen allerdings optisch kaum noch
gegeneinander abzugrenzen. Sie bilden eine schiefe Ebene auf einer Höhe von ca. 70-90 m,
die am steilen Anstieg zur Hauptterrasse endet (vgl. B RAUN 1980: LE 8). Im Bereich des NSG
Ohligser Heide wurde ein Großteil des Flugsandes wieder abgetragen, wenn er nicht in Form
von relikthaften Dünen erhalten geblieben ist. Auch die Sande und Kiese der Mittelterrasse
sind nur noch an wenigen Stellen erhalten geblieben. Dafür liegt häufig der für die Ohligser
Heide charakteristische tertiäre Feinsand an der Oberfläche (vgl. BRAUN 1982: 15f.). An tiefer
gelegenen Stellen und in Senken, besonders am Fuß der Hauptterrasse, wirken die tertiären
Meeressande mit Schichten aus Rasenerz und tonigen Sanden wasserstauend. Diese Bereiche
bilden die Grundlage für die typische Heidemoorvegetation.
170
171
172
Zum Höhepunkt der Saalevereisung stieß das nordische Inlandeis bis in den Raum Krefeld vor und überfuhr
damit auch den gesamten Untersuchungsraum (vgl. THOME 1958).
Die starke Zerklüftung ist auf die rückschreitende Erosion der wasserreichen, zum Rhein hin steil abfallenden
bergischen Bäche und Flüsse zurückzuführen (vgl. KNÜBEL 1935: 6).
Damit steht die rechtsrheinische Mittelterrasse im auffälligen Gegensatz zu der lößbedeckten, fruchtbaren
linksrheinischen Mittelterrasse der Kölner Bucht (vgl. RULAND 1926: 439).
15.2.2 Hydrologische Verhältnisse
Die gesamte Heideterrasse entwässert praktisch ausschließlich in den Rhein. Steht ein festes
Gestein oder starkes Gefälle an, läuft das Wasser oberflächlich ab. In stark sandigen Bereichen versickert das Wasser und wird mit dem Grundwasser abgeführt, daher enden viele
Bäche im Bereich der Niederterrasse. Nur größere Bäche und Flüsse erreichen den Rhein. Der
nördliche Teil der Heideterrasse wird durch die Dhünn und die Wupper sowie die am Nordrand der Ohligser Heide vorbeilaufende Itter entwässert (vgl. KREMER/CASPARS 1982: 11;
KNÜBEL 1935: 17). Aufgrund der Terrassenkanten und Geländeunebenheiten schwankt die
Höhe des Grundwasserspiegels unterhalb der Oberfläche. Im Gegensatz zu den trockenen
Kanten und Erhebungen sind die Senken und der Hangfuß stark durchfeuchtet (vgl. K NÜBEL
1935: 18).
Die Ohligser Heide entwässert im wesentlichen durch den Heidebach, der mit seinen Zuläufen aus Quellmulden am Fuß der Hauptterrasse und durch Niederschläge gespeist wird (vgl.
HÖLTING 1982b: 12).
15.2.3 Boden
Ausgangsmaterial für die Bodenbildung auf der Heideterrasse sind die bunt zusammengesetzten oberoligozänen Sedimente (Feinsande, Sande und Kiese) sowie die mittelkörnigen
pleistozänen Flugsande. Bei den Bodenbildungsprozessen spielten vor allem das Ausgangsgestein (sandig-kiesige Lockermaterialien) ein große Rolle. Es hat unter den ozeanisch
geprägten Klima zur Podsolierung geführt. Daher kommen im Heidestreifen überwiegend
tiefgründige, nährstoffarme, schwach bis stark podsolige Bodentypen (ohne Ortssandstein)
vor, die in Mulden und Talrinnen von schwach basenhaltigen Gleyen unterbrochen werden. In
den Mulden treten z. T. wasserstauende Ortsteinschichten auf, über denen sich Flachmoore
bilden konnten. Der vorhandene Heide- und Kiefernbewuchs fördert durch seinen Rohhumus
die Bodenversauerung und damit die Podsolierung.
Zu den Randlagen des Bergischen Landes hin ist z. T. lehmiges Material in den sandigen
Untergrund eingelagert. Hier haben sich mehr oder minder podsolierte Braunerden ausbilden
können (vgl. KREMER/CASPERS 1982: 11; KNÜBEL 1935: 12; MIELAND 1980a: 11).
In Ohligs überwiegen lehmig-sandige Braunerden und Gleye (vgl. STADT SG 1987: 15f.).
Auf den trockeneren Bereichen der Mittelterrasse treten vorwiegend podsolige Sandbraunerden auf. Sie sind humusarm und sauer, haben eine ungünstige Sorptionsfähigkeit für Nährstoffe und Wasser und weisen von daher auch nur eine geringe Ertragfähigkeit auf (Bodenzahl
20-35). Trotz der schnellen Versickerung des Niederschlagswassers trocknen die Böden
aufgrund der hohen Niederschlagsmengen nur selten aus.
In Bereichen, wo das Grundwasser ca. 13-4 dm unter der Flur ansteht, haben sich in der
Ohligser Heide vor allem Gleye, bei niedrigerem Grundwasserstand im Westen Podsol- und
im Osten Braunerde-Gleye entwickelt. Sie sind mehr oder weniger ertragsarm, sauer, wasserdurchlässig und nur gering sorptionsfähig. Diese Eigenschaften bleiben auch nach einer Entwässerung erhalten. Reicht das Grundwasser bis an die Oberfläche, kommen basenreichere
Naßgleye und Anmoorgleye vor. In den wenigen lehmig-sandigen Bereichen, in denen Staunässe auftritt, finden sich Pseudogleye (vgl. BRAUN 1980: LE 8.3; LE 9).
15.2.4 Klima
Für die klimatischen Verhältnisse der Heideterrasse und der Ohligser Heide sind
1. der Großwettertyp,
2. der Anstieg zum rechtsrheinischen Schiefergebirge und die damit verbundene Abkühlung
und Erhöhung der Steigungsniederschläge sowie
3. das kleinräumige Relief entscheidend.
Westdeutschland zählt zum maritim-ozeanischen (atlantischen) Großwettertyp, der sich durch
relativ geringe Temperaturschwankungen und hohe, gleichmäßig übers Jahr verteilte Niederschläge (55 % im Sommer) auszeichnet (vgl. KREMER/CASPERS 1982: 9; HENDL 1994: 27).
Die Temperaturschwankungen sind auf der Heideterrasse relativ gering. Die Buchtlage
bewirkt vergleichsweise milde Winter- und ausgeglichene Sommertemperaturen
(KREMER/CASPERS 1982: 9). In Solingen beträgt die Jahresschwankung der mittleren
Monatstemperatur (Januar: 0,8 °C, Juli: 16,6 °C) lediglich 15,8 °C. Die durchschnittliche
Jahrestemperatur liegt bei 8,9 °C (OSTD SG 1979: 1.24). Die Temperaturen nähern sich somit
dem milden Klima des Rheintales an (vgl. HÖLTING 1982b: 11).
Die überwiegenden Westwinde - sie führen ca. 80 % der Niederschläge heran - sowie die
Lage der Heideterrasse auf der stark ansteigenden, windzugewandten Seite der Bergischen
Randhöhen bedingen auf nur wenigen km eine starke Zunahme der durchschnittlichen Niederschlagsmengen von unter 700 mm auf über 1100 mm jährlich (vgl. Abb. 19; vgl.
KREMER/CASPERS 1982: 10; HENDL 1994: 68f.; KNÜBEL 1935: 13f.). In der Ohligser Heide
betragen die Niederschläge durchschnittlich 860 mm/Jahr. Sie steigen nach Osten, im Stadtgebiet von Solingen (Höhe: 209 m) auf 1055 mm/Jahr an. An mehr als 200 Tagen/Jahr kommt
es zu Niederschlägen, an ca. 19 Tagen fällt Schnee (vgl. HENDL 1994: 77; STADT SG 1987:
18; HÖLTING 1982b: 12).
Mikroklimatisch sind in der Ohligser Heide die Feuchtgebiete von großer Bedeutung.
Aufgrund der hohen Wasserverdunstung kommt es zu einer verstärkten Nebelbildung und im
Sommer zur Schwüle (vgl. HÖLTING 1982b: 11).
Abb. 19:
Jahresniederschlagsmengen in der südlichen
Niederrheinischen Bucht
(Quelle: KREMER/CASPERS 1982: 10;
auf der Grundlage von BAND 1961)
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