Die Festung von Besançon

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Thema Die Festung von Besançon
Bauwelt 37 | 2007
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Bauwelt 37 | 2007
Die Altstadt von Besançon
wird vom Doubs umschlossen.
Im Süden nimmt die Zitadelle
den Bergrücken Saint-Etienne
ein. Sie wurde 1958 von der
Armee aufgegeben und ist
seither öffentlich zugänglich.
Links: ein Stadtplan aus der
Zeit von Vauban und ein Plan
von 1963. Er zeigt das Projekt
einer neuen Vorstadt, die sich
an Vauban anlehnt. Sie wurde
in der Form nicht realisiert.
Pläne: Musée des Plans-Reliefs, Paris; Stadtplanungsamt
Besançon
Die Festung von Besançon
Vauban und die Bewerbung zum Weltkulturerbe der UNESCO 2008
Text: Sebastian Redecke Fotos: Georges Fessy, Artedia
Als zentraler Ort für die Feierlichkeiten zu Vaubans 300. Todestag im Frühjahr dieses Jahres war die Stadt Besançon mit ihrer
elf Hektar einnehmenden Zitadelle, dem vorgelagerten Fort
Griffon und den Resten der Wehranlagen mit mehreren Türmen am Fluss Doubs ausgewählt worden. In Besançon fand
auch die Präsentation der Bewerbung um die Aufnahme von
insgesamt 14 ausgewählten Festungsanlagen, Wehrbauten
und neuen Städten von Vauban, die sich auf ganz Frankreich
verteilen, in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO statt.
Die Entscheidung über die Aufnahme wird im Juli nächsten
Jahres erwartet.
Jacques Chirac hatte vor dem Ende seiner Präsidentschaft
einer Bewerbung mit Vauban den Vorrang gegeben. Le Corbusier mit einer Auswahl von 22 Bauten, den der damalige Kulturminister bevorzugte, hatte das Nachsehen. Die Auswahl –
u. a. die Villa Savoye in Poissy, die Unité d’ habitation in
Marseille, Ronchamp und seine Bauten in Stuttgart und Indien – hatte die Fondation Le Corbusier zusammengestellt.
Die Aufnahme von Le Corbusier soll nun 2009 folgen. Im Juli
dieses Jahres wurde das historische Zentrum von Bordeaux in
die Liste aufgenommen.
Im Rahmen der Bewerbung erfuhr das Werk von Vauban eine
Neubetrachtung durch eine Reihe von Bauhistorikern. Dabei
zeigte sich in seinen Festungsanlagen und in der Gestalt und
Anordnung der integrierten Bauten eine Fülle an Konzepten,
aber auch eine Disziplin und Logik, die für Architekten faszinierend ist. Es sind jedoch bei weitem nicht die Festungsanlagen allein, die hier und dort mit den „angehängten“ Wachhäuschen ihren eleganten Abschluss finden, bei denen eine nähere
Betrachtung lohnt. Vauban baute in der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts in Serie und hatte dennoch entsprechend der Topografie und der besonderen Nutzungsanforderungen immer
wieder andere Entwurfskonzeptionen. Es gab kein Muster.
In seinem Château de Bazoches südlich von Auxerre
hielt er sich kaum auf. Auf seinen vielen Reisen machte er allerdings nur eine „tournée d‘inspection“, denn er besaß das Geschick, ein Netz von Ingenieuren überall im Land perfekt zu
koordinieren, die nach seinen Plänen die Baustellen leiteten.
Seine Zeit war auch begrenzt, da er sich gleichzeitig mit großer
Passion für ganz andere Dinge interessierte, zum Beispiel erfand er das Tüllenbajonett, und er gilt als Begründer des modernen Kasernenbaus. Er beschäftigte sich zudem in Studien
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Thema Die Festung von Besançon
Der wohl imposanteste Blick
auf die Zitadelle ist der von
Osten. 120 Meter über der
Stadt ragen die Mauern auf
dem Felsmassiv empor. Im
Juli gewann Kengo Kuma unterhalb der Mauern den Wettbewerb für das Kunst- und
Kulturzentrum von Besançon.
Abbildungen oben: Kengo
Kuma & Associates, Tokio
mit Zugbrückenmodellen oder der Kolonialisierung des Québec. Nach seinen Vorstellungen sollten dort im Jahr 2000 fünfzig Millionen Einwanderer leben. Er entwickelte auch Konzepte zur Modernisierung der Landwirtschaft und des Steuersystems. Unabhängig davon war er bereits seit jungen Jahren
in militärischen Diensten, nahm an Belagerungen teil und
wurde bei Kampfhandlungen mehrfach verletzt.
Betrachtet man den Umfang seines Werks, wird deutlich,
dass die Befestigungsanlagen von Besançon trotz der Dimension und Dominanz nur eines unter vielen wichtigen Projekten waren. Insgesamt baute Vauban 300 alte Anlagen aus, gut
drei Dutzend völlig neu, von der Zitadelle in Lille im Norden
über Fort Pâté, Fort Médoc sowie Saint-Martin-de-Ré im Westen, Villefrance-de-Conflent im Süden bis Mont-Dauphin in
den Alpen. Er baute auch in Flandern, Luxemburg und Rheinland-Pfalz, und in Frankreichs Neuer Welt, zum Beispiel Guayana, wurde zumindest nach dem Vorbild Vauban geplant.
Zu den Besonderheiten gehört, dass Vauban die Mauern
seiner Anlagen nicht mehr wie früher rund, sondern winklig
anlegen ließ, um das ganze Vorfeld der Festung durch flankierendes Feuer decken zu können. Das Grundelement war –
auch in Besançon – ein sich wiederholendes, mit einer Spitze
nach außen zeigendes Dreieck. Diese Spitze war für den Gegner schwer anzugreifen. Andere Dreiecke verschiedener Größe
standen in einem Graben weiter im Vorfeld, deckten einander
und wurden von rückwärts gedeckt. Beim Aufbau unterscheidet man bei Vauban drei Befestigungssysteme mit einer immer
komplexeren und weiträumigeren Anordnung der Bollwerke
und Gräben.
Die Liste für die UNESCO (Seite 33) umfasst auch kleinere
Bauten wie zum Beispiel den Wachturm in Camaret-sur-Mer,
der zur Überwachung der Reede von Brest errichtet wurde, und
die kleine Festungsstadt Neuf-Brisach am Rhein. Die Zitadelle
von Mont-Louis in den Pyrenäen wird noch immer vom Militär genutzt, in der Festungsstadt von Saint-Martin-de-Ré vor La
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Rochelle ist ein Gefängnis eingerichtet. Dies entspricht nicht
den UNESCO-Bestimmungen, die die freie Besichtigung der
Baudenkmale verlangen. Fachleute vermuten deswegen einen
Nachteil bei der Bewerbung. Die imposante Zitadelle von Lille
musste wegen der Nutzung durch das Militär ausscheiden. In
der Stadt sorgte dies für Unmut. In Besançon gibt es dieses Problem nicht. Man hat im Rahmen der Bewerbung sogar rechtzeitig mit einer „toilettage“ begonnen. Die teilweise zugewachsenen und verdeckten Mauern werden vom Grün befreit.
Die Präsenz von Vauban soll nach Bürgermeister Jean-Louis
Fousseret, der die Bewerbung als Präsident des „Re´seau des
Sites Majeurs de Vauban“ federführend leitet, beim Besuch der
Prüfungskommission deutlich zum Vorschein kommen.
In Besançon sollten noch zwei Planungen kurz Erwähnung finden, die mit Vaubans Präsenz in der Stadt in Beziehung stehen. In den frühen sechziger Jahren gab es von den
Architekten Novarina, Barrès, Jaboeuf und Robert das Projekt
der neuen Trabantensiedlung Planoise weit außerhalb im Südwesten der Stadt, das mit den geknickten Wohnscheiben formal die Zitadelle mit dem zentralen Fort Royal nachzeichnet.
Zu diesem Projekt, das in der Form nicht ausgeführt wurde,
konnte von der Stadt leider nur ein Übersichtsplan zur Verfügung gestellt werden (Seite 28). Er verdeutlicht, dass die Architekten der „modernen Stadt“ tatsächlich den Plan von Vauban
vor Augen hatten, einem Baumeister des Sonnenkönigs im
17. Jahrhundert!
Ein anderes Projekt ist von großer Aktualität. Anfang Juli
wurde der eingeladene Wettbewerb für ein Kunst- und Musikzentrum der Stadt und der Region entschieden. Der Neubau
soll zwar nicht innerhalb der Festung, wo viel Raum zur Verfügung gestanden hätte, aber direkt unterhalb des Felsens mit
Vaubans hoch hinaufragender Ostmauer ihren Platz finden.
Dort hat die Industrie ihre Standorte im engen Tal des Doubs
längst verlassen. Auch der Hafen existiert nicht mehr an dieser
Stelle. Besançon bekommt einen Kengo Kuma.
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