Abstracts Gastroenterologie 2008 – Standards und Perspektiven Kiel 5. Juli 2008 Osnabrück Samstag, 12. April 2008 9.00 – 15.40 Uhr Veranstaltungsort: Stadthalle Osnabrück Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. B. Högemann, Osnabrück Prof. Dr. M. K. Müller, Osnabrück Osnabrück 12. April 2008 Essen 1. März 2008 Gießen 17. Mai 2008 Berlin 28. Juni 2008 Jena 27. September 2008 Bamberg 21. Juni 2008 Freiburg 11. Oktober 2008 Programm 9.00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. M.K. Müller und Prof. Dr. B. Högemann, Osnabrück Vorsitz der Vormittagssitzungen: Prof. Dr. B. Högemann, Osnabrück PD Dr. T.W. Spahn, Osnabrück 1. Sitzung: Innovative Endoskopie 9.10 Uhr Update – Fortschritte in der Diagnostik des oberen und mittleren Gastrointestinaltrakts PD Dr. O. Pech, Wiesbaden 9.30 Uhr Alternativen zur Koloskopie PD Dr. S. Faiss, Hamburg 2. Sitzung: Magen – Seltene Dünndarmkrankheiten 9.50 Uhr Aktuelle Therapie des Magenkarzinoms Dr. K. Schütte, Magdeburg 10.10 Uhr Neue diagnostische Tools beim Morbus Whipple und der Sprue Prof. Dr. B. Lembcke, Gladbeck 10.30–10.50 Uhr Kaffeepause 3. Sitzung: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen 10.50 Uhr Was ist der Stellenwert von Probiotika bei der Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa? PD Dr. T.W. Spahn, Osnabrück 11.10 Uhr Aktueller Stand zur Therapie der CED mit Biologicals Prof. Dr. T. Kucharzik, Lüneburg 11.30 Uhr Diagnostik und Therapie von Fisteln bei CED Prof. Dr. D. Ludwig, Lübeck 4. Sitzung: Pankreas 11.50 Uhr Hereditäre Pankreatitis: epidemiologische Bedeutung und diagnostische Verfahren Prof. Dr. V. Keim, Leipzig 1 12.10 Uhr Internistische Therapiekonzepte für das Pankreaskarzinom Prof. Dr. J. Mössner, Leipzig 12.30–13.30 Uhr Mittagspause Vorsitz der Nachmittagssitzungen: Prof. Dr. M.K. Müller, Osnabrück Dr. M. Schadowski, Osnabrück 5. Sitzung: Leber und Galle 13.30 Uhr Diagnostik und Therapie autoimmuner Leber- und Gallenwegserkrankungen Prof. Dr. C.P. Strassburg, Hannover 13.50 Uhr Update – Therapie der Hepatitis B und C Prof. Dr. S. Rossol, Frankfurt am Main 14.10 Uhr Management von Aszites und hepatorenalem Syndrom Dr. M. Schadowski, Osnabrück 6. Sitzung: Kolon 14.30 Uhr Präventive Koloskopie: eine kritische Bestandsaufnahme Prof. Dr. J.F. Riemann, Ludwigshafen 14.50 Uhr Therapie der Obstipation – eine evidenzbasierte Übersicht Prof. Dr. M. Karaus, Göttingen 15.10 Uhr Chemotherapie beim Kolonkarzinom: Fortschritte durch Biologicals? Prof. Dr. R. Porschen, Bremen 15.30 Uhr Schlusswort und Verabschiedung Prof. Dr. B. Högemann und Prof. Dr. M.K. Müller, Osnabrück Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 65–66 2 Update – Fortschritte in der Diagnostik des oberen und mittleren Gastrointestinaltrakts O. Pech Innere Medizin 2, HSK Dr. Horst Schmidt Klinik, Wiesbaden Der obere Gastrointestinaltrakt Ösophaguskapsel In einer verblindeten Studie mit 90 Patienten (66 Screeningpatienten mit Refluxkrankheit, 24 Überwachungspatienten mit bekanntem Barrett-Ösophagus) lag die Sensitivität der Ösophaguskapsel für die Detektion eines Barrett-Ösophagus bei 67% und die Spezifität bei 84%. Der positive prädiktive Wert war 22% und der negative prädiktive Wert 98%. Die Sensitivität bei Long- und Short-Segment-Barrett war vergleichbar (1). Virtuelle Chromoendoskopie In einer Arbeit aus Japan wurden 58 Patienten mit Barrett-Ösophagus (davon 4 mit Barrett-Frühkarzinom) mittels Magnifikation und Narrow-Band-Imaging (NBI) untersucht. Charakteristikum für eine Barrett-Mukosa war eine zerebriforme Oberflächenstruktur. Die Mukosa und die Kapillaren im Bereich der Karzinome waren irregulär (2). Eine große prospektive randomisierte Studie mit „cross-over“-Design aus unserer Arbeitsgruppe untersuchte die Wertigkeit der Essigsäurefärbung und des FICE bei der Detektion von HGIN oder Barrett-Frühkarzinomen. 57 Patienten wurden eingeschlossen. Die Sensitivität beider Methoden war mit 87% identisch, und auch der PPV war vergleichbar (39% mit Essig und 37% mit FICE). In den Quadranten-PE wurde nur bei einem Patienten eine zusätzliche Läsion mit HGIN detektiert. Somit scheint FICE ähnlich effektiv bei der Detektion von frühen Neoplasien im BarrettÖsophagus zu sein (3). Die Amsterdamer Arbeitsgruppe um Herrn Bergman untersuchte das „Tri-ModalImaging“ mittels HR-Endoskopie, Autofluoreszenz und NBI bei 84 Patienten mit Barrett-Ösophagus. Alle mittels HR-Endoskopie und Autofluoreszenz detektierten Läsionen wurden mittels NBI inspiziert und anschließend biopsiert. Durch die Autofluoreszenz wurden alle 16 Patienten mit früher Neoplasie identifiziert, die auch 3 schon bei der HR-Endoskopie entdeckt worden waren. Zusätzlich wurden bei weiteren 11 Patienten Neoplasien detektiert. Bei 3 Patienten wurde nur mittels Quadranten-PE eine Neoplasie detektiert. Die falsch-positive Rate der Autofluoreszenz lag bei 81%, diese konnte jedoch durch anschließende Inspektion mit NBI auf 26% reduziert werden (4). Eine weitere aktuelle Arbeit der Amsterdamer vergleicht HR-Endoskopie, Indigokarmin-Chromoendoskopie, Essigsäurefärbung und NBI bei Patienten mit Barrett-Ösophagus. Anhand von Bildern von 22 Läsionen, die mit den jeweils 4 Techniken aufgenommen wurden, beurteilten Experten und Nichtexperten die Mukosa- und Gefäßstruktur und bestimmten die Dignität der Läsion. Das Ergebnis war ernüchternd: Alle Verfahren brachten keine signifikante Verbesserung gegenüber der HR-Endoskopie, und die Übereinstimmung unter den Teilnehmern in der Beurteilung war unzureichend (5). Low-grade intraepitheliale Neoplasie (LGIN) In einer retrospektiven Analyse wurden 50 Patienten mit der Diagnose einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie im Barrett-Ösophagus, welche durch den ambulanten, nicht spezialisierten Pathologen gestellt wurde, eingeschlossen. Im Rahmen der Studie wurden die histologischen Präparate 2 auf dem Gebiet des Barrett-Ösophagus spezialisierten Pathologen zur Zweitbegutachtung vorgelegt. Die Diagnose der niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie wurde hiernach in 25 Fällen (50%) revidiert: In 3 Fällen wurde ein Barrett-Karzinom diagnostiziert, in einem Fall eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie (HGIN), sowie in 21 Fällen BarrettSchleimhaut mit reaktiven Veränderungen. Eine Analyse der InterobserverVariabilität zeigte eine gute Übereinstimmung der Diagnosen der spezialisierten Pathologen (Kappa-Wert spezialisierten Pathologen 0,69), allerdings und allgemeinem war die Übereinstimmung Pathologen als sehr von schlecht einzustufen (Kappa-Wert -0,17). Das Fazit aus dieser Arbeit ist, dass bei der histologischen Diagnose einer LGIN immer Vorsicht geboten ist, und eine Bestätigung durch einen erfahrenen Pathologen eingeholt werden sollte (6). Endomikroskopie Ein neues, sondenbasiertes Endomikroskopiesystem wurde von der Münchner Arbeitsgruppe untersucht: 34 Patienten mit Verdacht auf Malignom im oberen GI-Trakt wurden eingeschlossen. Die Genauigkeit, mit der eine Neoplasie 4 diagnostiziert werden konnte lag bei 73,9% für Pathologen und 81,5% für Gastroenterologen. Die Übereinstimmung zwischen den Endomikroskopiebildern und den histologischen Diagnosen war exzellent (Kappa-Wert 0,8) (7). Auch die Diagnose von Plattenepithel-Frühkarzinomen kann mittels Endomikroskopie mit einer hohen Genauigkeit gestellt werden. In einer Studie aus unserer Arbeitsgruppe wurden 21 Patienten mit bekanntem Plattenepithel-Frühkarzinom eingeschlossen. Nach Lugolfärbung erfolgte die Untersuchung der 43 entfärbten und suspekten Läsionen mittels Endomikroskopie. 27 der 43 Läsionen waren in der Histologie maligne. Alle Plattenepithel-Frühkarzinome wurden mittels Endomikroskopie korrekt diagnostiziert. 2 benigne Läsionen wurden fälschlicherweise als neoplastisch eingeschätzt. Die Genauigkeit lag bei 95%, Sensitivität und Spezifität bei 100% und 87%. Auch die Intra- und Interobserver-Übereinstimmung war sehr hoch (Kappa-Wert 0,95 und 0,79) (8). Endosonografie Eine kürzlich publizierte Arbeit von Kutup et al. aus der Hamburger Arbeitsgruppe an 214 Patienten mit Ösophaguskarzinom, welche sich ohne neoadjuvante Therapie einer Ösophagusresektion unterzogen, berichtete jedoch deutlich schlechtere Ergebnisse: Bei nur 65,9% der Patienten konnte das lokale Tumorstadium korrekt eingeschätzt werden. Bei 22,9% kam es zu einem Over- und bei 11,2% zu einem Understaging. Nur einer der 7 Patienten mit T4-Stadium wurde endosonografisch korrekt diagnostiziert, alle anderen Ösophaguskarzinome bei 6 Patienten wurden als T3 kategorisiert. Patienten, die vor EUS eine Dilatation oder Bougierung des Tumors benötigten, wurden signifikant häufiger falsch als fortgeschrittener Tumor eingeschätzt, als solche, die keine Stenosebehandlung benötigten (9). Eine weitere Arbeit aus den USA berichtete ebenfalls über schlechtere Ergebnisse beim Staging von Patienten mit Ösophaguskarzinom mittels EUS. Shimpi et al. schätzten das lokoregionäre Tumorstadium in 76% der Patienten korrekt ein, im Gegensatz zu den Hamburger Ergebnissen sahen die Autoren in ihrer Serie jedoch keinen Unterschied bei den Patienten, die eine Stenosebehandlung erhielten. Selbst die Patienten, bei denen nach Dilatation eine Passage mit dem EUS-Gerät nicht möglich war, wurden in 80% korrekt klassifiziert (10). 5 Der mittlere Gastrointestinaltrakt Neues bei der Kapsel Eine prospektive randomisierte Studie verglich beide verfügbare Kapselsysteme. 40 Patienten mit mittlerer GI-Blutung wurden eingeschlossen. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied bei der Detektionsrate, allerdings erreichte die PillCam SB bei 7/40 Patienten nicht das Zökum innerhalb der Aufnahmezeit (11). Es ist bekannt, dass die Ausbeute der Kapselendoskopie bei dem alleinigen Symptom Bauchschmerz oder Diarrhö keine relevante Aussage treffen kann. In einer Multizenterstudie wurde untersucht, ob die genannten Symptome in Kombination mit einem „Plus-Symptom“ (Gewichtsverlust, Entzündungszeichen, chronische Anämie, Verdacht auf MGI-Blutung) die Ausbeute der Kapsel erhöhen. Insgesamt konnten bei der Konstellation relevante Befunde in 36% bzw. 40% erheben. Das „Plus-Symptom“ Entzündungszeichen im Labor war mit dem besten diagnostischen Outcome verbunden (12). Doppelballon-Enteroskopie 3 retrospektive Studien berichten über die diagnostische Ausbeute der DoppelballonEnteroskopie (DBE). In der Studie aus Stuttgart wurden 82 Patienten mit mittlerer GI-Blutung (n = 57) und anderen Indikationen (n = 25) untersucht. Die diagnostische Ausbeute lag bei 62%, eine therapeutische Konsequenz ergab sich bei 57% (13). Eine italienische Serie untersuchte die DBE bei 100 Patienten. Auch hier war die Hauptindikation die vermutete mittlere GI-Blutung (n = 71). Die diagnostische Ausbeute der DBE lag hier bei 69% (14). Die größte der 3 Serien mit insgesamt 378 Patienten kommt aus China. Die diagnostische Ausbeute lag bei 65%, und bei 84% der Patienten mit positivem Ergebnis ergab sich auch eine therapeutische Konsequenz. Die Erfolgsrate der Therapie lag bei 91% (15). Einen Überblick über das Spektrum der Interventionen, der Erfolgs- und Komplikationsrate gibt eine Untersuchung unserer Arbeitsgruppe. Zwischen 2003 und 2006 wurden bei 353 Patienten 635 DBE durchgeführt. Auch hier lag die Hauptindikation bei der MGI-Blutung (60%), und die diagnostische Ausbeute lag bei 75%. Eine endoskopische Therapie mit DBE wurde bei 59% durchgeführt. Insgesamt wurden 178 therapeutische Prozeduren durchgeführt (APC, n = 102; Injektionstherapie, n = 2; APC und Injektion, n = 6; Polypektomie, n = 46; Dilatationen, n = 18 6 und Fremdkörperextraktion, n = 3). In 3% der Fälle konnte die geplante Therapie nicht erfolgreich durchgeführt werden, und die Komplikationsrate lag bei 3% (16). Eine gute Übersicht über die Komplikationen der DBE gibt eine aktuelle Auswertung des DBE-Registers in Deutschland von der Osnabrücker und Wiesbadener Gruppe. Bei 3894 DBE (2685 oral, 1209 anal) mit 1086 Interventionen traten 48 Komplikationen auf (1,2%). Die am häufigsten vorkommende Komplikation war die Pankreatitis bei 9 Patienten mit einem tödlichen Ausgang (Pankreatitis-Rate 0,34%). Perforationen wurden bei 8 Patienten beobachtet (6/8 nach Polypektomie), ebenfalls bei einem Patienten mit tödlichem Ausgang. Bei 6 Patienten traten schwere Blutungen mit Interventionsbedarf auf (4 bei Polypektomie, 2 nach Biopsie) (17). Literatur: 1. Lin OS, Schembre DB, Mergener K, Spaulding W, Lomah N, Ayub K, Brandabur JJ, Bredfeldt J, Drennan F, Gluck M, Jiranek GC, McCormick SE, Patterson D, Kozarek RA. Blinded comparison of esophageal capsule endoscopy versus conventional endoscopy for a diagnosis of Barrett's esophagus in patients with chronic gastroesophageal reflux. Gastrointest Endosc 2007; 65 (4): 577–583. 2. Goda K, Tajiri H, Ikegami M, Urashima M, Nakayoshi T, Kaise M. Usefulness of magnifying endoscopy with narrow band imaging for the detection of specialized intestinal metaplasia in columnar-lined esophagus and Barrett's adenocarcinoma. Gastrointest Endosc 2007; 65 (1): 36–46. 3. Pohl J, May A, Rabenstein T, Pech O, Nguyen-Tat M, Fisseler-Eckhoff A, Ell C. Comparison of computed virtual chromoendoscopy and conventional chromoendoscopy with acetic acid for detection of neoplasia in Barrett’s esophagus. Endoscopy 2007; 39: 594–598. 4. Curvers WL, Singh R, Song LM, Wolfsen HC, Ragunath K, Wang K, Wallace MB, Fockens P, Bergman JJ. Endoscopic tri-modal imaging for detection of early neoplasia in Barrett's oesophagus: a multi-centre feasibility study using high-resolution endoscopy, autofluorescence imaging and narrow band imaging incorporated in one endoscopy system. Gut 2008; 57 (2): 167–172. 5. Curvers W, Baak L, Kiesslich R, Van Oijen A, Rabenstein T, Ragunath K, Rey JF, Scholten P, Seitz U, Ten Kate F, Fockens P, Bergman J. Chromoendoscopy and narrow-band imaging compared with high-resolution magnification endoscopy in Barrett's esophagus. Gastroenterology 2008; 134 (3): 670–679. 7 6. Pech O, Vieth M, Schmitz D, Gossner L, May A, Seitz G, Stolte M, Ell C. Conclusions from the histological diagnosis of low grade intraepithelial neoplasia in Barrett’s oesophagus. Scand J Gastroenterol 2007, 42: 682–688. 7. Meining A, Saur D, Bajbouj M, Becker V, Peltier E, Höfler H, von Weyhern CH, Schmid RM, Prinz C. In vivo histopathology for detection of gastrointestinal neoplasia with a portable, confocal miniprobe: an examiner blinded analysis. Clin Gastroenterol Hepatol 2007; 5 (11): 1261–1267. 8. Pech O, Rabenstein T, Manner H, Petrone MC, Pohl J, Vieth M, Stolte M, Ell C. Confocal laser endomicroscopy for in vivo diagnosis of early squamous cell carcinoma in the esophagus. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6: 89–94. 9. Kutup A, Link BC, Schurr PG, Strate T, Kaifi JT, Bubenheim M, Seewald S, Yekebas EF, Soehendra N, Izbicki JR. Quality control of endoscopic ultrasound in preoperative staging of esophageal cancer. Endoscopy 2007; 39 (8): 715–719. 10. Shimpi RA, George J, Jowell P, Gress FG. Staging of esophageal cancer by EUS: staging accuracy revisited. Gastrointest Endosc 2007; 66 (3): 475–482. 11. Hartmann D, Eickhoff A, Damian U, Riemann JF. Diagnosis of small-bowel pathology using paired capsule endoscopy with two different devices: a randomized study. Endoscopy 2007; 39 (12): 1041–1045. 12. May A, Manner H, Schneider M, Ipsen A, Ell C. Prospective multicenter trial of capsule endoscopy in patients with chronic abdominal pain, diarrhea and other signs and symptoms (CEDAP-Plus Study). Endoscopy 2007; 39 (7): 606–612. 13. Schäfer C, Rothfuss K, Kreichgauer HP, Stange EF. Efficacy of double-balloon enteroscopy in the evaluation and treatment of bleeding and non-bleeding small bowel disease. Z Gastroenterol 2007; 45 (3): 237–243. 14. Cazzato IA, Cammarota G, Nista EC, Cesaro P, Sparano L, Bonomo V, Gasbarrini GB, Gasbarrini A. Diagnostic and therapeutic impact of doubleballoon enteroscopy (DBE) in a series of 100 patients with suspected small bowel diseases. Dig Liver Dis 2007; 39 (5): 483–487. 15. Zhong J, Ma T, Zhang C, Sun B, Chen S, Cao Y, Wu Y. A retrospective study of the application on double-balloon enteroscopy in 378 patients with suspected small-bowel diseases. Endoscopy 2007; 39 (3): 208–215. 16. May A, Nachbar L, Pohl J, Ell C. Endoscopic interventions in the small bowel using double balloon enteroscopy: feasibility and limitations. Am J Gastroenterol 2007; 102 (3): 527–535. 17. Möschler O, May AD, Müller MK, Ell C. Complications in double-balloonenteroscopy: Results of the German DBE Register. Z Gastroenterol 2008; 46 (3): 266–270. 8 Alternativen zur Koloskopie S. Faiss III. Medizinische Abteilung, Asklepios Klinik Barmbek, Hamburg Das kolorektale Karzinom ist die zweithäufigste Ursache der Krebssterblichkeit in der westlichen Welt. Die Chancen auf eine effektive Krebsvorsorge bzw. -früherkennung sind größer als bei allen anderen malignen Tumoren des Menschen, insbesondere aufgrund einer üblicherweise langsamen Entwicklung des kolorektalen Karzinoms über Vorstadien in Form von Adenomen. Screeningmethoden werden bei beschwerdefreien Individuen mit durchschnittlichem Risiko für ein kolorektales Karzinom sowie bei Risikogruppen mit einem höheren Risikopotenzial angewandt. Das Ziel ist die Erfassung von kolorektalen Adenomen oder Krebsfrühstadien, um durch therapeutische Interventionen (Polypektomie) die Prognose gegenüber dem Spontanverlauf zu verbessern. Adenome gelten dabei als Vorläufer für die überwiegende Mehrzahl der kolorektalen Karzinome, wobei der Entartungsprozess viele Jahre in Anspruch nimmt. Die amerikanische National Polyp Study zeigte, dass durch die endoskopische Abtragung von Adenomen die Krebsinzidenz um 90% im historischen Vergleich zu Kollektiven mit belassenen Polypen und um 76% im Vergleich zur Normalbevölkerung gesenkt werden kann. Die Koloskopie ist dabei nicht nur das sensitivste Verfahren zur Detektion kolorektaler Karzinome, sondern auch deren adenomatösen Vorstufen und gilt daher als diagnostisches und therapeutisches Standardverfahren. In den letzten Jahren sind verschiedene neuartige bildgebende Verfahren entwickelt worden, die zukünftig eine Alternative zur klassischen endoskopischen Koloskopie vor allem als Screeningmethode darstellen könnten. Im Folgenden wird daher speziell auf die virtuelle Koloskopie, die endoskopische Darstellung des Kolons mithilfe einer Kolonkapsel und auf neuartige Koloskope im Hinblick auf zukünftige Screeningverfahren eingegangen. Virtuelle Koloskopie Die virtuelle Koloskopie, auch CT- oder MR-Kolonografie genannt, ist ein neueres High-Tech-Verfahren, um das Innere des Darms zu betrachten und auf Veränderungen zu untersuchen. Dazu sind rechnergestützte Untersuchungsmethoden wie die Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) 9 nötig, deren digitale Schnittbilder von speziellen Computerprogrammen in eine dreidimensionale Ansicht des Darms umgewandelt werden. Vorteile der virtuellen Koloskopie: • Die virtuelle Spiegelung ist für manche Patienten angenehmer als die klassische endoskopische Darmspiegelung. Befragungen bei Patienten, welche der beiden Untersuchungen sie als belastender empfanden, ergaben jedoch, dass etwa die Hälfte eine virtuelle, die andere Hälfte eine klassische Koloskopie bevorzugen (Kinner et al., 2007). • Nach bisherigen Erkenntnissen ist die Methode ähnlich zuverlässig, um Darmpolypen oder Darmkrebs ab einer Größe von ca. 8 mm aufzuspüren. Bei Polypen unter 7 mm sinkt jedoch die Spezifität im Vergleich zur Koloskopie auf 50–80% bei einer Spezifität von 80% (Rockey et al., 2005; Cotton et al.). In einigen Studien beträgt die Rate falsch-positiver Befunde bis zu 50% (Pickhardt et al., 2003). • Die Untersuchung kann in der Regel ohne Beruhigungsmittel durchgeführt werden. • Die virtuelle Koloskopie könnte dazu führen, dass die Menschen aufgeschlossener gegenüber Früherkennungsmaßnahmen gegen Darmkrebs werden. Nachteile der virtuellen Koloskopie: • Bei Polypen unter 8 mm und bei flachen Polypen (sog. flat adenomas) ist die Methode weniger zuverlässig als die klassische, endoskopische Darmspiegelung; diese Polypen könnten übersehen werden (Rockey et al., 2005; Pickhardt et al., 2003; Cotton et al.). • Entzündliche Veränderungen der Darmwand werden nicht oder nur unzureichend erkannt. • Der Arzt kann während der Untersuchung keine Gewebeprobe (Biopsie) entnehmen. Bei Veränderungen im Darm, die verdächtig sind, muss in jedem Fall zusätzlich eine normale Darmspiegelung erfolgen. • Darmpolypen können nicht wie bei der konventionellen Darmspiegelung in einer Sitzung abgetragen werden. • Der Darm muss bislang wie bei der konventionellen Endoskopie gereinigt werden. Versuche mit einer entsprechenden Stuhlmarkierung (sog. fecal tagging) die 10 Darmvorbereitung zu umgehen haben bislang nicht zu überzeugenden Erfolgen geführt (Kühle et al., 2007). • Wird die virtuelle Koloskopie mit dem Computertomographen durchgeführt, sind die Patienten einer gewissen Strahlendosis (mittlere effektive Dosis: 3–12 mSv) ausgesetzt (Luboldt et al., 2003). • Da es sich bei der virtuellen Koloskopie um ein neues Verfahren handelt, übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten zumeist nicht. Private Versicherungen dagegen sind häufiger bereit, diese Leistung auf individuelle Anfrage zu erstatten. Virtuelle oder klassische Koloskopie? Für eine sichere Vorsorge und Früherkennung von Darmkrebs und Darmpolypen gilt unverändert die endoskopische Darmspiegelung als aussagekräftigste Methode, zumal auch sehr kleine, flache oder entzündliche Veränderungen erkannt werden, und entdeckte Polypen während der Untersuchung sofort entfernt werden können. Eine gute Indikation zur virtuellen Koloskopie besteht jedoch bei einer z. B. durch Stenosen bedingten, inkompletten konventionellen Koloskopie. Kolonkapsel In Analogie zur Dünndarmkapselendoskopie wurde auch ein Kapselendoskop zur Kolondiagnostik entwickelt (PillCam, Given Imaging, Israel). Eine erste Pilotstudie an 41 Patienten wurde zur Beurteilung der Sicherheit, Machbarkeit und Durchführung der Kolonkapselendoskopie im Vergleich zur Koloskopie durchgeführt (Schoofs et al., 2006). Dabei wurden in eine unizentrische Vergleichsstudie Patienten eingeschlossen, die zur Screeningkoloskopie überwiesen worden waren oder bei denen der Verdacht auf Polypen oder ein kolorektales Karzinom bestand. Die Kolonkapsel wurde am Morgen des Untersuchungstages nach einer üblichen Koloskopievorbereitung geschluckt, nach ihrem Ausscheiden wurde dann die konventionelle Vergleichskoloskopie durchgeführt. Signifikante Befunde wurden definiert als Polypen > 3 mm oder 3 oder mehr Polypen beliebiger Größe. Die konventionelle Koloskopie- und die Kolonkapselendoskopie-Auswertung wurden von verschiedenen Ärzten vorgenommen. Bei allen 41 Patienten erfolgte eine komplette konventionelle Koloskopie. 4 Patienten wurden wegen technischer Probleme ausgeschlossen und 1 Patient konnte die Kolonkapsel nicht schlucken; deshalb wurden 36 Patienten in die Auswertung einbezogen. Bei 6 Patienten war die Kapsel nach 10 Stunden nicht 11 ausgeschieden worden. Deshalb wurde sie endoskopisch entfernt. Von 25 Patienten mit positiven Befunden in der Koloskopie entdeckte die Kolonkapsel 19 (76%) und von 13 Patienten mit signifikanten Läsionen erfasste sie 13 (77%). Die Kolonkapsel detektierte 7 Läsionen, die bei der Koloskopie nicht gesehen worden waren. 2 maligne Tumoren wurden durch beide Untersuchungen erfasst. Die Gesamtsensitivität der Kolonkapselendoskopie bei der Detektion signifikanter Läsionen betrug 77%, die Spezifität 70%, der positive prädiktive Wert 59%, der negative prädiktive Wert 84%. In einer weiteren multizentrischen, prospektiven Studie an insgesamt 91 Patienten betrug die Detektionsrate von signifikanten Kolonläsionen (Kolonpolypen > 6 mm oder 3 oder mehr Polypen jeglicher Größe) mit der Kapselkoloskopie 70% (Eliakim et al., 2006). Insgesamt hatten 45 Patienten Kolonpolypen jedweder Größe. Mit der Kapselkoloskopie konnten bei 34/45 dieser Patienten (76%) Kolonpolypen nachgewiesen werden. Die Rate der falsch-positiven Ergebnisse im Vergleich zur Koloskopie betrug jedoch 33%. In beiden Studien traten keine unerwünschten Nebenwirkungen der Kolonkapselendoskopie auf. Insgesamt ergaben diese ersten beiden Studien, dass die Kolonkapselendoskopie im Vergleich zur konventionellen Koloskopie eine vielversprechende Genauigkeit aufweist. Diese neue nicht-invasive Technik verdient eine weitere Evaluation und Verbesserung als eine potenzielle Screeningmethode. Neuartige Koloskope Eine weitere Innovation stellt die Entwicklung sogenannter „self-propelling endoscopes" dar. Diese Endoskope (z. B. Aer-O-Scope, GI View Ltd., Ramat Gan, Israel) sind pneumatische Endoskope, die Handling-unabhängig (skill-independent), sich selbst vorantreibend (self-propelling) und selbstständig steuernd (selfnavigating) den Weg im Kolon bis hin zum Zökum zurücklegen. In einer ersten Machbarkeitsstudie konnte in einem Schweinemodell das Zökum in 84% der Fälle in im Mittel 8,9 min erreicht werden. Eine anschließende konventionelle Koloskopie zeigte außer einzelnen petechialen Schleimhauteinblutungen keine Mukosaeinrisse oder Perforationen (Pfeffer et al., 2006). Eine erste Studie an 12 gesunden Probanden bestätigte die Machbarkeit der Koloskopie und deren Sicherheit mit diesem neuen Instrument. Bei 10/12 (83%) Probanden konnte das Zökum erreicht werden. In 2 Fällen wurde die rechte Flexur erreicht. Die Zeit bis zum Erreichen des Zökums betrug im Mittel 14 min. 12 2 Probanden verlangten während der Untersuchung eine Analgesie, bei allen anderen Probanden konnte die Untersuchung mit dem Aer-O-Scope ohne Gabe von Sedativa oder Analgetika durchgeführt werden (Vucelic et al., 2006). Möglicherweise kann durch solche oder ähnliche gerätetechnischen Innovationen (z. B. NeoGuide, Eickhoff et al., 2007 oder Invendo, Rösch et al., 2007) eine Reduktion der untersucherabhängigen Lernkurve und eine Verbesserung des Patientenkomforts unsedierter Patienten während der Koloskopie erreicht werden. Weitere Ergebnisse größerer Studien bleiben aber abzuwarten. Literatur: 1. Eickhoff A, van Dam J, Jakobs R, Kudis V, Hartmann D, Damian U, Weickert U, Schilling D, Riemann JF. Computer-assisted colonoscopy (the NeoGuide Endoscopy System): results of the first human clinical trial ("PACE study"). Am J Gastroenterol 2007; 102 (2): 261–266. 2. Eliakim R, Fireman Z, Gralnek IM, Yassin K, Waterman M, Kopelman Y, Lachter J, Koslowsky B Adler, SN. Evaluation of the PillCam colon capsule in the detection of colonic pathology: results of the first multicenter, prospective, comparative study. Endoscopy 2006; 38: 963–970. 3. Kinner S, Kuehle CA, Langhorst J, Ladd SC, Nuefer M, Zoepf T, Barkhausen J, Gerken G, Lauenstein TC. MR colonography vs. optical colonoscopy: comparison of patients' acceptance in a screening population. Eur Radiol 2007; 17 (9): 2286–2293. 4. Kuehle CA, Langhorst J, Ladd SC, Zoepf T, Nuefer M, Grabellus F, Barkhausen J, Gerken G, Lauenstein TC. Magnetic resonance colonography without bowel cleansing: a prospective cross sectional study in a screening population. Gut 2007; 56 (8): 1079–1085. 5. Luboldt W, Hoepffner N, Holzer K. Multidetector CT of the colon. Eur Radiol 2003; 13 Suppl 5: M50–M70. 6. Pickhardt PJ, Choi JR, Hwang I, Butler JA, Puckett ML et al. Computed tomographic virtual colonoscopy to screen for colorectal neoplasia in asymptomatic adults. N Engl J Med 2003; 349 (23): 2191–2200. 7. Pfeffer J, Grinshpon R, Rex D, Levin B, Rösch T, Arber N, Halpern Z. The AerO-Scope: proof of the concept of a pneumatic, skill-independent, self-propelling, self-navigating colonoscope in a pig model. Endoscopy 2006; 38: 144–148. 8. Rockey DC, Paulson E, Niedzwiecki D, Davis W et al. Analysis of air contrast barium enema, computed tomographic colonography, and colonoscopy: prospective comparison. Lancet 2005; 365 (9456): 305–311. 13 9. Rösch T, Eickhoff A, Fritscher-Ravens A, Eliakim R, Arber N. The new scopes – broadening the colonoscopy marketplace. Digestion 2007; 76 (1): 42–50. 10. Schoofs N, Deviere J, van Gossum A. PillCam colon capsule endoscopy compared with colonoscopy for colorectal tumor diagnosis: a prospective pilot study. Endoscopy 2006; 38: 971–977. 11. Vucelic B, Rex D, Pulanic R, Pfefer J, Hrstic I, Levin B, Halpern Z, Arber N. The Aer-O-Scope: proof of concept of a pneumatic, skill-independent, selfpropelling, self-navigating colonoscope. Gastroenterology 2006; 130: 672–677. 14 Aktuelle Therapie des Magenkarzinoms K. Schütte, P. Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Magdeburg Einleitung In Deutschland wird jährlich bei ca. 20.000 Menschen die Diagnose eines Magenkarzinoms gestellt. Weltweit nimmt diese Tumorentität noch immer einen der ersten Plätze auf der Rangliste der häufigsten Krebstodesursachen ein. Die Prognose der Patienten mit Magenkarzinom wird wesentlich vom Tumorstadium bei Diagnosestellung bestimmt. Während ein lokal begrenzter Tumor durch eine chirurgische Therapie oder – in ausgewählten Fällen – durch eine endoskopische Mukosaresektion optimal behandelt werden kann, liegt bei den meisten Patienten entweder wegen eines lokal fortgeschrittenen Tumors oder wegen Fernmetastasen ein Erkrankungsstadium vor, in dem eine kurative Resektion nicht möglich ist. Dann stellt neben palliativen chirurgischen oder endoskopischen Maßnahmen eine systemische palliative Chemotherapie häufig die einzige Behandlungsoption dar. In den letzten Jahren konnten durch große Phase-III-Studien entscheidende Fortschritte in der Therapie des Magenkarzinoms erzielt werden. Diese betreffen nicht nur die resezierenden Therapieverfahren, sondern auch die perioperative und neoadjuvante Therapie sowie die palliative Chemotherapie, die durch die sog. „molecular targeted“-Therapien erweitert werden konnten. Angesichts dieser zunehmenden Therapieoptionen soll hier ein Überblick über die aktuellen Therapiekonzepte gegeben werden. Resezierende Therapie Tumoren vom intestinalen Typ, die nicht größer als 2 cm im Durchmesser sind, nicht exulzeriert, histologisch gut differenziert (G1 oder G2) und auf die Mukosa beschränkt sind, können einer endoskopischen Mukosaresektion zugeführt werden. Karzinome vom diffusen Typ eignen sich seltener für diese spezialisierte Therapie. Da bereits bei einem Befall der Submukosa gehäuft Lymphknotenmetastasen auftreten, sollten diese Karzinome durch eine Gastrektomie mit erweiterter Lymphadenektomie behandelt werden. 15 Perioperative Chemotherapie Die Ergebnisse der MAGIC-Studie, die den Effekt einer Behandlung mit jeweils 3 Zyklen einer Chemotherapie nach dem ECF-Protokoll vor und nach chirurgischer Resektion mit einer alleinigen chirurgischen Therapie bei Patienten mit resektablem Magenkarzinom verglichen hat, haben in Europa zu einem Paradigmenwechsel für die Therapie des Magenkarzinoms im UICC-Stadium II oder III geführt. Trotz einiger studienimmanenter Schwächen konnte hier die Wirksamkeit der perioperativen Chemotherapie eindeutig belegt werden und wurde in einer Studie aus Frankreich schließlich bestätigt. Palliative Therapie Bei Vorliegen von Fernmetastasen ist eine palliative systemische Chemotherapie einer besten supportiven Therapie nachweislich – auch für ältere Patienten – überlegen. Als Standardtherapieschemata gelten Kombinationen aus einem Platinderivat mit einem Fluorpyrimidin. Die 2008 publizierte REAL-2-Studie konnte dabei die Gleichwertigkeit von Oxaliplatin und Cisplatin sowie von infusionalem 5-FU und Capecitabin belegen und hat so zu deutlich erweiterten Therapieoptionen geführt. Zusätzlich konnte die Wirksamkeit von Taxanen bei der Behandlung von Magenkarzinomen in mehreren Phase-II- und schließlich auch in einer großen Phase-III-(V-325)-Studie gezeigt werden. Die Kombination von Docetaxel mit Cisplatin und 5-FU zeigte sich gegenüber einer Zweierkombination aus Cisplatin und 5-FU nicht nur in der Effektivität überlegen, sondern führte trotz relativ ausgeprägter hämatologischer Toxizität auch zu einer besseren Lebensqualität im Vergleich zu den Patienten, die die Zweierkombination erhalten hatten. Ein als Standard zu empfehlendes Therapieschema ist jedoch noch nicht etabliert. Ebenso kann keine allgemeine Empfehlung zur Zweitlinientherapie ausgesprochen werden. Hier kommen auch Schemata zur Anwendung, die bereits in der Therapie kolorektaler Karzinome etabliert sind. Ebenfalls finden zusätzlich die sogenannten „Biologicals“ zunehmend Berücksichtigung. Im Wesentlichen wurden hier Inhibitoren des EGFR- (Cetuximab) und des VEGF-Pathways (Bevacizumab) untersucht. In Phase-II-Studien zeigten sich hier für diese Substanzen als Add-on zu Platin- und Irinotecan-haltigen Schemata vielversprechende Responseraten mit verbesserten medianen Überlebensraten. 16 Ausblick Die Entwicklung effizienter Screening- und Früherkennungsverfahren ist dringend erforderlich, um eine frühe Diagnose in kurativ behandelbaren Stadien zu ermöglichen. In der palliativen systemischen Chemotherapie liegt die Hoffnung in der Entwicklung neuer Substanzen mit Angriffspunkt auf subzellulärer Ebene, um die trotz Therapie nach wie vor schlechte Prognose der Erkrankung zu verbessern. 17 Neue diagnostische Tools beim Morbus Whipple und der Sprue B. Lembcke Medizinische Klinik, St. Barbara-Hospital, Gladbeck Der Morbus Whipple und die einheimische Sprue (die jetzt einheitlich auch bei erwachsenen Patienten als Zöliakie angesprochen werden soll), sind facettenreiche Erkrankungen, die ihre originäre pathophysiologische Problematik im Dünndarm haben und daher eine entsprechende Klinik aufweisen. Bei subtiler oder subklinischer intestinaler Symptomatik stehen aber mitunter durchaus auch andere, extraintestinale Symptome im Vordergrund. Das (zeitgerechte) Erkennen eines M. Whipple bzw. einer Zöliakie hat für den betroffenen Patienten eine dramatische Bedeutung, bedingt aber ärztlicherseits profunde differenzialdiagnostische Kenntnisse und Erfahrungen. Neue methodische Entwicklungen haben jedoch den diagnostischen Zugang zu diesen Dünndarmerkrankungen deutlich verbessert. Das heute als M. Whipple bezeichnete Krankheitsbild wurde 1907 durch George Whipple als „intestinale Lipodystrophie“ beschrieben. Charakteristika sind entsprechend eine Malabsorption mit Durchfall, Steatorrhö, Gewichtsverlust, daneben aber auch die mesenteriale Lymphadenopathie, Arthralgien bei Polyarthritis, eine Anämie, Fieber, eine verstärkte Hautpigmentierung, entzündliche kardiale Störungen mit Endokarditis/Perikarditis, Aortenklappenvitien, Polyserositis, mediastinale Lymphadenopathie sowie neurologische Erscheinungen (kognitive Störungen, Persönlichkeitsveränderungen, okulofaziale Dysrythmien, Myoklonien, Nystagmus oder Insomnie). Letztlich liegt – ähnlich der Tuberkulose – eine systemische bakterielle Infektion mit langen Latenzen und gestörter kutaner Immunreaktion vor, die in Assoziation zum HLA-B-27-Status und möglicherweise durch Immunkomplexe (seronegative) enteropathische Arthritiden hervorrufen kann. Dabei treten die Gelenkbeschwerden der intestinalen Symptomatik (und der Diagnosestellung) oft Jahre bis Jahrzehnte voraus auf. Ätiologisch ist die Erkrankung auf eine Infektion mit Tropheryma whippelii (Grampositiver Erreger) zurückzuführen; der Keim wurde erst 1992 (30 Jahre nach dem mikroskopischen Nachweis) identifiziert. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Tropheryma whippelii gehäuft in Kläranlagen gefunden wird. Sein Genom wurde 18 2003 sequenziert. Ein spezifischer Erregernachweis ist mittels PCR gegen eine bakterielle 16S(-23S)-ribosomale RNA-Sequenz möglich (u. a. Liquor; Gelenkpunktat). Eine Lumbalpunktion ist auch bei Patienten mit nachgewiesener Whipple-Histologie des Dünndarms vor und nach Therapie anzustreben; zerebrale Formen können (selten) auch ohne intestinale (duodenale) Beteiligung vorkommen. Für die Diagnose der intestinalen Infektion ist die konventionelle Histologie mit lichtmikroskopischem Nachweis PAS-positiver Makrophagen-Inklusionen (SPC-Zellen) diagnostisch (sofern kein Anhalt für eine intestinale Tbc- bzw. MAIInfektion oder Histoplasmose besteht). Praktisch bedeutsam ist der Umstand, dass die PAS-positiven Makrophagen in der Mukosa des Dünndarms auch nach suffizienter Therapie über viele Jahre nicht verschwinden, d. h. an der Histologie lässt sich der Erfolg einer Antibiotikatherapie nicht festmachen. Die Erkrankung an einem M. Whipple ist selten. Klinisch ist insbesondere bei Männern (4:1) in mittlerem Lebensalter an einen M. Whipple zu denken, wenn o. g. Symptome aus unterschiedlichen Organsystemen beobachtet werden. Die Eigenanamnese mit dem Vorbefund einer „Sarkoidose“, einer seronegativen „jahrelang bekannten“ Spondylarthritis, oder ein vorausgegangener Aortenklappenersatz können wertvolle Hinweise geben. Die intestinale Symptomatik mit Gewichtsverlust, Durchfall (auch nachts) und Fettstühlen, pathologische Lymphknoten und das z. T. jämmerlich anmutende, asthenische Gesamterscheinungsbild mit demenzieller Entwicklung und Myoklonien sollten Anlass für eine Dünndarmbiopsie sein. Laborchemisch sind eine Anämie (mit konsekutivem Eisenmangel und entsprechender Thrombozytose), verminderte Triglyzeride, oft eine Leukopenie, Hypalbuminämie und Hypokalziämie wegweisend; die Funktionsdiagnostik zeigt eine Steatorrhö in 93% der Fälle; auch die Resorptionskapazität insgesamt (D-XyloseTest) ist in drei Viertel der Fälle vermindert. Die mesenteriale LK-Vergrößerung kann im US echoreiche LK zeigen; Malassimilationszeichen und ein Ödem der Darmwand sind im US-Bild in Abhängigkeit von der Ausprägung der intestinalen Symptomatik zu erwarten. Das endoskopische Bild im Duodenum ist charakteristisch und zeigt neben einer entzündlichen Rötung und Ödemneigung weiße bis gelbliche kalkspritzerartige Flecken (Mettwurstbild) aufgrund der sekundären intestinalen Lymphangiektasie (Obliteration der [sub]mukosalen Lymphbahnen durch PAS-positive Makrophagen) 19 sowie teils diffuse fokale Blutungen. Wenngleich die Duodenoskopie i. d. R. die Diagnose ermöglicht, ist die Darstellung in der Kapselendoskopie bzw. der Ballonenteroskopie aufgrund der Ausdehnung des Befundes eindrucksvoller. Eine Mitbeteiligung des terminalen Ileums kommt (nicht regelhaft) vor. Die Therapie mit Tetrazyklinen erreicht das ZNS nicht. Standard seit 25 Jahren war Cotrimoxazol forte (> 1 Jahr), wobei aber ebenfalls keine zuverlässige zerebrale Erregerelimination gewährleistet ist. Seit Mitte der 90er-Jahre wird daher initial Ceftriaxon, 2–4 g/Tag, 2 Wochen i.v., gefolgt von Cotrimoxazol für 12 Monate, favorisiert; alternativ zu Ceftriaxon kann initial Meropenem eingesetzt werden. Bei ausgeprägter Steatorrhö und Gewichtsverlust sind mittelkettige Triglyzeride als Neutralfettersatz bis zur funktionellen Restitution sinnvoll. Als einheimische Sprue wird die lebenslang persistierende Unverträglichkeit des menschlichen Organismus gegenüber Gliadin, einer Fraktion des sog. Klebereiweißes (Gluten) verstanden, die zu tief greifenden Störungen der Morphologie und Funktion des Dünndarms führt. Charakteristisch, aber nur die „Spitze des Eisbergs“ ist die Abflachung der Dünndarmmukosa im Sinne einer totalen oder subtotalen villösen Atrophie (manifeste Sprue). Diese klassische Definition der einheimischen Sprue umfasste also grundsätzlich • den Nachweis der Zottenatrophie (duodenale Biopsie oder jejunale Dünndarmbiopsie) sowie • den Nachweis des Ansprechens auf diätetischen Glutenentzug (klinische und morphologische Besserung sowie Besserung der Funktionsparameter). Mit der Verfügbarkeit des Gewebstransglutaminase-Antikörpers (IgA-t-TG-AK) wurde die Definition der Erkrankung dahingehend geändert, dass es sich um eine durch Gluten ausgelöste, immunologisch vermittelte Erkrankung handelt, deren Diagnose durch den serologischen t-TG-AK-Nachweis in Verbindung mit einer positiven Dünndarmhistologie gestellt wird. Der Begriff Sprue leitet sich vom holländischen Wort „sprouw“ (Aphthe, Bläschen) ab. Hintergrund ist ein gehäuftes Vorkommen von oralen Aphthen bei Sprue-Patienten. Pädiater bevorzugen den Begriff Zöliakie (abgeleitet aus dem griechischen Wort „koilia“ für eine „den Bauch betreffende Erkrankung“), Gastroenterologen sprechen von der einheimischen Sprue. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch wird von „celiac disease“ oder – salomonisch – von „celiac sprue“ gesprochen. Der Begriff 20 „einheimische Sprue“ grenzt die Erkrankung von der sog. „tropischen Sprue“ ab, die Folge einer bakteriellen Überwucherung mit schwerem Vitamin- (insbesondere Folsäure-)mangel ist und ebenfalls zu einer villösen Atrophie führen kann, jedoch keinen Bezug zu einer Gluten- bzw. Gliadinunverträglichkeit aufweist. Die Zöliakie weist als klinisch manifeste Erkrankung eine Prävalenz von 50–100/100.000 auf; die Dunkelziffer ist dabei jedoch groß. In einigen Regionen Europas (z. B. im Distrikt Galway in Irland) liegt die Häufigkeit bedeutend höher (1:300); darüber hinaus sind eine sehr enge Assoziation mit der Dermatitis herpetiformis Duhring sowie eine Häufung beim Diabetes mellitus Typ 1 (etwa 4%) bekannt. Bei etwa 10% der Verwandten ersten Grades von Sprue-Patienten lässt sich eine Zottenatrophie nachweisen. Ein HLA-DQ2- oder -DQ8-positiver Haplotyp ist Voraussetzung, eine Zöliakie zu bekommen. Diese Assoziationen zeigen, dass der Zöliakie a) eine genetische Komponente zugrunde liegt und dass b) klinisch inapparente Formen vorkommen. Unter Zugrundelegung der Gewebstransglutaminase-AK-Bestimmung (IgA-t-TG-AK; Endomysium-Autoantikörper [EMA] als Indikator einer potenziellen Zöliakie) liegt die Häufigkeit bei 1:150–300. Inwieweit dies jedoch eine klinisch bereits relevante Entität darstellt, ist im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen. Da die frühkindliche Ernährung (glutenreich vs. glutenarm) eine wesentliche Rolle für die Entwicklung einer Zöliakie spielt, ist die Kenntnis einer potenziellen Sprue durchaus von Bedeutung. Das Enzym t-TG (Gewebstransglutaminase) spielt nach derzeitigem Kenntnisstand auch eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der Erkrankung. Mit der Desamidierung des α-Gliadins durch die intestinale Gewebstransglutaminase entsteht ein Gliadin-tTG-Komplex, der als Neoepitop (Autoantigen) für autoreaktive B-Zellen fungiert und als „Sensitizer“ zu einer stärkeren T-Zellantwort aktivierter α/β-T-Zellen führt. Als Target der Autoimmunantwort wird die intestinale Gewebstransglutaminase auch in ihrer Funktion als Katalysator bei der Aktivierung des latenten Wachstumsfaktors TGF-β (transforming growth factor β) zu aktivem TGF-β blockiert, wodurch die Ausreifung des normalen Mukosaepithels ausbleibt, mithin das Sprue-typische Bild der flachen Schleimhaut resultiert. 21 Diese klinisch für die Malassimilationssymptomatik relevante Läsion mit drastischer Verminderung der Dünndarmoberfläche durch die Zottenatrophie, die auch den Verlust der digestiven Enzyme im Mukosaepithel bedeutet, führt zu einer komplexen Resorptionsstörung für Nahrungsstoffe, Vitamine und Spurenelemente und zu entsprechenden Symptomen, z. B. der Kohlenhydratmaldigestion. Andere Erkrankungen, bei denen es zu einer Abflachung der Mukosa kommen kann, sind z. B. die Lambliasis, die HIV-Enteropathie, die Autoimmunenteropathie oder bei Kindern eine Kuhmilchproteinintoleranz. Bei Kindern kann davon ausgegangen werden, dass unter Glutenentzug spätestens nach 6 Monaten eine deutliche morphologische Restitution zu beobachten ist. Beim Erwachsenen ist das klinische Bild bunter. Das Spektrum der Symptome umfasst gastroenterologische und extraintestinale Beschwerden, die außerordentlich vielgestaltig und damit uncharakteristisch sind. Entsprechend lang (im Mittel fast 10 Jahre) ist oft die diagnostische Latenz (Tabelle). Gastrointestinale und extraintestinale Symptome bei einheimischer Sprue (n = 408). P.G. Lankisch, A. Martinez Schramm, F. Petersen, M. Dröge, D. Lehnick, B. Lembcke. Diagnostic latency in coeliac disease. Z. Gastroenterol. 1996; 34: 473–477. • Diarrhö 92,4% Adynamie 82,3% • Flatulenz 91,4% Knochenschmerz 52,9% • Gewichtsverlust 84,0% Depression 48,0% • Bauchschmerz 69,1% Myalgien 46,8% • Übelkeit 49,7% Angstsyndrome 38,2% • Stomatitis 40,9% Ödeme 31,1% • Tenesmen 34,3% Exanthem 30,3% • Obstipation 18,6% Dermatitis herpetiformis 14,9% • Erbrechen 18,3% Im Ultraschallbild imponiert bei unbehandelter Zöliakie ein besonderes dynamisches Bild, das (nüchtern) einen vermehrten Flüssigkeitsgehalt des Dünndarms, darin enthaltene größere echoreiche Reflexe (Luft, Nahrungspartikel), eine Vor- und 22 Zurück-Hypermotilität, eine Reduktion und Ungleichmäßigkeit der Kerckring’schen Falten und eine ödematöse, weiche Verdickung der Jejunalwand beinhaltet. Dieses charakteristische Bild ist erstmals 1992 als Waschmaschinenphänomen (Lembcke) beschrieben und 1999 validiert worden. Daneben können eine Vermehrung mesenterialer LK, eine Erhöhung des enddiastolischen Flusses der AMS, eine kleine Milz und eine große Gallenblase beobachtet werden. Hauptproblem der Zöliakiediagnostik bei Erwachsenen ist es, „daran zu denken“. Bei entsprechendem Verdacht sollte eine Bestimmung des IgA-t-TG-Autoantikörpers erfolgen. Die Gliadin-Antikörperbestimmung ist beim Erwachsenen nicht hinreichend diagnostisch zuverlässig. Die Diagnose lässt sich bei positivem IgA-t-TG-AK zuverlässig durch tiefe, jenseits der Papilla Vateri entnommene, multiple (> 4) Duodenalbiopsien sichern. Wichtiger Aspekt ist die Quantifizierung der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) durch den Pathologen und die Graduierung der Mukosaläsion entsprechend der Einteilung nach Marsh. Der histologische Befund der endoskopisch durch Zangenbiopsien entnommenen Duodenalmukosa ist weniger gleichförmig als im Biopsiematerial von Kindern, das üblicherweise durch eine jejunale Saugbiopsie entnommen wird. Hier ist durch Kapselendoskopie und Ballonenteroskopie mit jejunalen PE eine Verbesserung zu erwarten. Der diagnostisch herausragende Wert dieser neuen Verfahren dürfte jedoch in erster Linie die Erfassung von Langzeitkomplikationen (Adenokarzinom des Dünndarms, ulzeröse Jejunitis DD intestinales T-Zell-Lymphom) betreffen. Ein von Corazza beschriebener endoskopischer Aspekt bei der ÖGD (Muschelkammphänomen/shell-sign) ist nicht spezifisch und auch nicht hinreichend sensitiv, um diagnostische Aussagen zu treffen, sollte jedoch in jedem Fall Anlass zu tiefen Duodenalbiopsien sein. Die Therapie der einheimischen Sprue/Zöliakie mit einer glutenfreien Diät ist notwendig, wirksam und ausreichend. “...but if the disease can be cured at all, it will be by means of diet“ (Samuel Gee, 1888) Die glutenfreie Ernährung führt i. d. R. zu einer objektiv und subjektiv eindrucksvollen Besserung der Beschwerden und des klinischen Gesamtbildes. 80% der Patienten sprechen direkt auf die Therapie an, weitere 10–15% nach einer erneuten Überprüfung der Ernährungsweise. Initial ist eine laktosearme Ernährung aufgrund des sekundären Laktasemangels ratsam. 23 Sogenannte refraktäre Sprue-Formen sind verdächtig auf die Entwicklung eines intestinalen Lymphoms. Bei primär eindeutigem Ansprechen auf die glutenfreie Ernährung und einer danach eintretenden Verschlechterung der Symptomatik trotz Diättreue ist ebenfalls an die Entstehung eines intestinalen Lymphoms als Komplikation der langjährig unbehandelten Sprue zu denken. Die meisten derartigen Enteropathie-assoziierten T-Zell-Lymphome (EATCL) werden im Erwachsenenalter wenige Monate bis Jahre nach Diagnosestellung der Zöliakie diagnostiziert. Die Prognose des EATCL ist i. d. R. ungünstig und wird durch Chemotherapie und Operation nur gering beeinflusst. Auch dies ist ein Grund für die Prävention durch eine strikt glutenfreie Kost und eine möglichst frühe Diagnose. Die strikt glutenfreie Ernährung muss lebenslang erfolgen. Eine Liberalisierung nach der klinischen Symptomatik muss unterbleiben, da die glutenfreie Ernährung nicht nur das Ziel der Symptomfreiheit verfolgt, sondern auch eine langfristige Prävention des bei der Zöliakie deutlich erhöhten Malignomrisikos. Dabei ist das allgemeine Karzinomrisiko etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung; etwa 10–15% der Sprue-Patienten entwickeln meist gastrointestinale Tumoren. Das relative Risiko für intestinale Lymphome ist demgegenüber etwa 80–100-fach erhöht. Wie Langzeitbeobachtungen (> 10 Jahre) zeigen, wird dieses Risiko durch eine konsequente glutenfreie Ernährung völlig normalisiert, nicht jedoch durch eine zeitlich oder inhaltlich inkonsequente Einhaltung einer „glutenfreien“ Diät. Ob eine glutenfreie Ernährung auch für Patienten mit potenzieller Zöliakie (t-TG-AKpositiv, unauffällige Mukosa) empfohlen werden soll, ist gegenwärtig nicht geklärt. Wenn die Diagnostik aufgrund einer intestinalen Symptomatik erfolgte, die auf eine Zöliakie zurückgeführt werden kann, dann kann dies ein zweckmäßiges Vorgehen sein; bewiesen ist die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht. 24 Was ist der Stellenwert von Probiotika bei der Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa? T.W. Spahn, M.K. Müller Klinik für Allgemeine Innere Medizin/Gastroenterologie, Marienhospital Osnabrück Die immunologischen Funktionen des Darms bestehen in der Abwehr von luminalen Pathogenen sowie in der Induktion von Toleranz gegenüber nicht pathogenen Bestandteilen der Darmflora. Die Interaktion zwischen der Darmflora und dem Darmassoziierten lymphatischen System erfolgt in erster Linie durch intestinale Epithelzellen, interdigitierende dendritische Zellen sowie über M-Zellen in Peyer’schen Plaques (Abb. 1). Intestinale Epithelzellen Intraepitheliale Lymphozyten Darmlumen Lamina propria Lymphozyten M-Zelle Dendritische Zellen Cryptopatch Peyer‘scher Plaque (PP) Dom Lymphgefäß T-Zell Zone B-Zell Follikel Isolierter lymphatischer Follikel Lamina propria Mesenterialer Lymphknoten Cryptopatch Abb. 1: Schematische Darstellung des Darm-assoziierten lymphatischen Systems (GALT) und verschiedener Wege der intestinalen Antigenaufnahme. Zahlreiche Studien weisen auf eine zentrale Rolle der Darmflora bei der Entstehung tierexperimenteller entzündlicher Darmerkrankungen hin. Antibiotika tragen zur Verbesserung beim Morbus Crohn mit Fisteln bei. Von der normalen Darmflora abgesetzte Darmschlingen zeigen seltener Rezidive des M. Crohn als solche, die wieder der kommensalen Flora exponiert sind. Ein Probiotikum ist eine Präparation aus lebensfähigen Mikroorganismen, die, in ausreichenden Mengen konsumiert, 25 einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den Wirt hat. Die orale Verabreichung von Bifidobakterien und Laktobazillen kann zu einer Verbesserung der intestinalen Homöostase, einer kompetitiven Verdrängung pathogener Darmkeime, zur Sekretion antimikrobiologischer Substanzen, der Verbesserung der Barrierefunktion sowie zu einer Immunmodulation beitragen (Abb. 2). Potenzielle Wirkmechanismen von Probiotika Immunmodulation Verdrängung v. Pathogenen Antibakt. Sekretion Probiotika + Intestinale Barriere Ç Intestinale Homöostase Abb. 2: Potenzielle Wirkmechanismen von Probiotika Aufgrund dieser Befunde wurden zahlreiche Therapiestudien an CED-Patienten mit Probiotika durchgeführt. Hierbei wurden vor allem Lactobacillus GG, E. coli Nissle 1917, und die Hefe Saccharomyces boulardii verwendet. Weiterhin wurde häufig die aus 4 Laktobazillen-Stämmen, 3 Bifidobakterien-Stämmen und 1 StreptokokkenStamm bestehende Mischung VSL#3 verabreicht. Die meisten Studien zum M. Crohn wurden mit geringen Fallzahlen in offener Form bei pädiatrischen Patienten durchgeführt und zeigten eine erhöhte IgA-Sekretion oder verbesserte klinische Scores. 2 doppelblinde randomisierte Studien zur Remissionserhaltung beim M. Crohn zeigten eine Überlegenheit von VSL#3 und Antibiotika bzw. Saccharomyces boulardii im Vergleich zu Mesalamin. 4 doppelblinde randomisierte Studien zur Remissionserhaltung bei Patienten mit Colitis ulcerosa mit remissionserhaltende insgesamt Wirkung von mehr als 500 E. coli Nissle Patienten 1917, zeigten die der eine von 5-Aminosalizylaten überlegen oder ebenbürtig war. Die probiotische Mischung VSL#3 erwies sich als effektiv zur Remissionserhaltung bei chronischer Pouchitis, 26 zeigte aber widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich einer Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa. Zusammengefasst bedürfen die für einige Probiotika vorliegenden ermutigenden Ergebnisse hinsichtlich eines günstigen Effekts bei der Remissionserhaltung von CED noch weiterer doppelblinder randomisierter Untersuchungen mit größeren Patientenzahlen um eindeutige Empfehlungen aussprechen zu können. Korrespondenzadresse: PD Dr. Thomas W. Spahn Marienhospital Osnabrück Bischofsstr. 1 49074 Osnabrück Tel.: (05 41) 3 26-41 02 Fax: (05 41) 3 26-46 56 E-Mail: [email protected] 27 Aktueller Stand zur Therapie der CED mit Biologicals T. Kucharzik Allgemeine Innere Medizin, Städtisches Klinikum Lüneburg Definitionsgemäß handelt es sich bei sogenannten Biologicals um bio- bzw. gentechnologisch hergestellte Proteine, also eine neue Generation von Medikamenten, welche unter anderem zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) eingesetzt werden. In der aktuellen Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen werden aktuell vor allem TNF-α-antagonisierende Substanzen als Biologicals eingesetzt. Das therapeutische Potenzial der TNF-α-Antagonisierung wurde bereits vor mehr als 15 Jahren beschrieben, als in einem Fallbericht die Anwendung eines chimären TNF-Antikörpers bei einer Patientin mit hoch aktivem therapieresistentem Morbus Crohn eine Remission herbeiführte. Heute hat die Therapie mit Infliximab einen festen Stellenwert in der Behandlung des chronisch aktiven Morbus Crohn. Infliximab ist zugelassen für die Therapie des Steroid-refraktären/Steroid-abhängigen sowie des Azathioprin-refraktären Morbus Crohn und der fistulierenden Verlaufsform des Morbus Crohn. Die Wirksamkeit von Infliximab konnte auch für die Therapie der chronisch aktiven Colitis ulcerosa nachgewiesen werden. Hier besteht ebenfalls eine Zulassung für die chronisch aktive Verlaufsform einer Colitis ulcerosa. Heute stehen neben Infliximab auch andere TNF-Antikörper für die Therapie des Morbus Crohn zur Verfügung. Der humane Antikörper Adalimumab ist ebenfalls für die Indikation des chronisch aktiven Morbus Crohn zugelassen. Das TNF-bindende pegylierte FabFragment Certolizumab (Cimzia) ist in Europa derzeit lediglich in der Schweiz für die Behandlung des Morbus Crohn zugelassen. Wenngleich keine direkt vergleichenden Studien zur Wirksamkeit unterschiedlicher TNF-antagonisierender Substanzen vorliegen, muss anhand der vorliegenden Datenlage von einer vergleichbaren Wirkung der Substanzen ausgegangen werden. Ein potenzieller Vorteil der neueren TNF-antagonisierenden Substanzen könnte in der Applikationsform und dem Nebenwirkungsprofil liegen. Insbesondere scheinen beide Antikörper auch bei Patienten, die einen Wirkungsverlust von Infliximab aufweisen, noch wirksam zu sein. Neuere Studien deuten darauf hin, dass ein frühzeitiger Einsatz TNF-antagonisierender Substanzen und von Immunsuppressiva 28 möglicherweise den Verlauf chronisch entzündlicher Darmerkrankungen langfristig günstig beeinflusst. TNF-α-Inhibitoren sind derzeit auch die einzige Substanzgruppe, bei der zumindest mittelfristig eine verringerte Notwendigkeit von chirurgischen Eingriffen nachgewiesen werden konnte. Neben TNF-antagonisierenden Substanzen wurden in den letzten Jahren eine Reihe weiterer Antikörper und Peptide generiert, die durch spezifische Interaktionen den Entzündungsprozess hemmen sollen. Diese Substanzen befinden sich jedoch noch im Stadium der klinischen Prüfung und sind derzeit noch nicht für die Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen zugelassen. Interessante Zielstrukturen der Antagonisierung sind unter anderem Zytokine, welche die Differenzierung und Regulation von T-Zellen beeinflussen. Zu diesen Zielstrukturen gehören unter anderem Interleukin-12 und Interleukin-23. IL-12 und IL-23 stellen Heterodimere dar, welche offensichtlich eine zentrale Bedeutung in der Pathogenese der CED spielen. Eine Studie zur Antagonisierung von Interleukin-12 konnte zeigen, dass ein signifikanter Anteil von Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu Plazebo dosisabhängig auf diese Therapie anspricht. Weitere Studien zur Antagonisierung von IL-12 und IL-23 bei CED stehen noch aus. Ein weiteres therapeutisches Konzept besteht in der Gabe von Wachstumsfaktoren. Wachstumsfaktoren sind gewebseigene Zytokine, die unter anderem an der Gewebsmodulation und Wundheilung beteiligt sind sowie auch Entzündungsprozesse regulieren. Mittlerweile konnten über 30 Wachstumsfaktoren identifiziert werden, die an der Regulation intestinaler Entzündungsprozesse beteiligt sind. Mittlerweile liegen mehrere Studien vor, bei denen durch Gabe eines rekombinanten Wachstumsfaktors auch eine Verbesserung der klinischen Aktivität bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen festgestellt werden konnte. Prominentester Wachstumsfaktor ist Sagramostim (GM-CSF), welches das angeborene Immunsystem stimuliert und zur Barriereverbesserung beitragen soll. Initial sehr vielversprechende Studiendaten konnten allerdings in einer zweiten Multizenterstudie nicht bestätigt werden. Die Gabe von Wachstumsfaktoren bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen stellt jedoch sicherlich einen interessanten Therapieansatz dar, der zukünftig vermutlich noch von Relevanz sein wird. 29 Adhäsionsmoleküle regulieren die zielgerichtete Migration von Leukozyten, insbesondere im Rahmen entzündlicher Prozesse und stellen daher ebenfalls ein interessantes Ziel einer spezifischen Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen dar. Ein wichtiges Adhäsionsmolekül ist hier das Integrin α4β7, welches vornehmlich für die Rekrutierung von Leukozyten in den Darm verantwortlich ist. Der Antikörper Natalizumab ist ein gegen den Liganden für α4β7, das sogenannte MadCAM, gerichtetes antagonisierendes Protein, dessen Wirksamkeit in der bisher größten Morbus-Crohn-Studie (ENACT-1 und ENACT-2) bei über 900 Patienten überprüft wurde. In dieser Studie konnte die Wirksamkeit in der Remissionsinduktion und Erhalt dieses Antikörpers belegt werden. Aufgrund des Auftretens einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) bei insgesamt 3 Patienten wurde das Präparat aufgrund von Sicherheitsbedenken trotz klinischer Wirksamkeit bisher nicht zur Therapie des Morbus Crohn zugelassen. Weitere interessante Adhäsionsmoleküle, die Zielstrukturen sogenannter Biologicals darstellen können, sind ICAM-1 sowie der Chemokinrezeptor CCR-9 und CXCL-10. Die Anwendung von sogenannten Biologicals hat neue Perspektiven in der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eröffnet. Trotz intensiver Bemühungen in den letzten Jahren mit Identifikation weiterer potenzieller Zielstrukturen sowie initial vielversprechender Studiendaten haben sich bisher neben den TNF-antagonisierenden Substanzen Infliximab und Adalimumab bisher noch keine weiteren Biologicals in der Therapie der CED durchgesetzt. Es ist jedoch zu erwarten, dass die derzeit laufenden intensiven wissenschaftlichen Bemühungen zu neuen Therapieformen führen, die einen potenziellen Weg zur Steigerung der Effizienz und auch zur Individualisierung der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ermöglichen. 30 Diagnostik und Therapie von Fisteln bei CED D. Ludwig Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Patienten mit Morbus Crohn und assoziiertem Fistelleiden erfordern eine besonders gute interdisziplinäre Betreuung, da die Spontanheilung gering ist (etwa 10%) und Rezidive häufig sind (etwa 40%). Mehr als ein Drittel aller Patienten leiden zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Erkrankung an einer Fistel. Die meisten Fistelungen treten perianal (54%), seltener inter-enterisch (24%) oder rekto-vaginal (9%) auf (1). Voraussetzung für eine adäquate Behandlung ist die Kenntnis des genauen anatomischen Verlaufs der Fisteln. Die meisten Studien beinhalten die Diagnostik und Therapie externer, insbesondere perianaler Fistel, während Untersuchungen zu internen Fisteln kaum vorliegen. Zur Diagnostik eines perianalen Fistelsystems sollten mindestens 2 von 3 Verfahren (Endosonografie, MRT, chirurgische Exploration in Narkose) eingesetzt werden, um die höchstmögliche Sicherheit über den Fistelverlauf zu erhalten (2). In spezialisierten Zentren wird die Endosonografie zur Festlegung der operativen Behandlungsstrategie bevorzugt. Da die Ergebnisse der Fisteltherapie vom Entzündungsgrad der Rektumschleimhaut abhängen, ist die zusätzliche direkte endoskopische Schleimhautbeurteilung unabdingbar (3). Fisteln – Diagnostik EUS MRT Chirurgische Exploration Korrekte Diagnose (n) 29/32 26/30 29/32 Treffsicherheit 91 % 87 % 91 % • Treffsicherheit 100 % bei Kombination von 2 Verfahren Schwartz DA, Gastroenterology 2001; 121:1064 31 Transsphinktäre Fistel Das therapeutische Vorgehen wird entscheidend beeinflusst von Fistellokalisation, den beteiligten Organen und der Krankheitsaktivität (3). Grundsätzlich werden nur symptomatische Fisteln behandelt, in der Regel interdisziplinär. Vor einer konservativen Therapie müssen perianale Abszesse ausgeschlossen und drainiert werden. Da Fisteln immer Ausdruck einer aktiven Grunderkrankung sind, sollte anschließend eine begleitende immunsuppressive Therapie mit Azathioprin oder 6-MP (Dosis 2–2,5 mg/kg KG) eingeleitet werden (3). Diese Behandlung führt bei etwa einem Drittel der Patienten nach 3 Monaten zum kompletten Fistelverschluss (6% Plazebo, OR = 4,44) (4, 5). Bei hoher Krankheitsaktivität oder Therapieversagen besteht eine Indikation zum Einsatz von TNF-Antikörpern. Infliximab hat einen schnellen Wirkungseintritt (14 Tage) und wird dreimalig in einer Dosis von 5 mg/kg infundiert (Zeitpunkte 0, 2, 6 Wochen). In einer Studie konnte bei 46% der Patienten ein vorübergehender (im Mittel 86 Tage) Fistelverschluss erreicht werden (13% Plazebo) (6). Durch 8-wöchige Wiederholungsinfusionen kann bei etwa einem Drittel (36%, Plazebo 19%) der primär ansprechenden Patienten der Fistelverschluss erhalten werden (7). Für die anderen TNF-Antikörper (Adalimumab, Certolizumab) liegen noch keine ausreichenden Daten vor. Weitere wirksame Immunsuppressiva sind Ciclosporin A (4 mg/kg i.v.) und Tacrolimus (0,2 mg/kg p.o.), allerdings liegen hierzu nur wenige Studien vor (8, 9). Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxacin) führen in den meisten Fällen zu einer kurzfristigen Besserung und sollten deshalb frühzeitig eingesetzt werden. Eine Ausheilung ist jedoch selten und die Rezidivrate nach Absetzen hoch (10, 11). 32 In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung, bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie und erheblich eingeschränkter Lebensqualität sollte eine Diversionsenterostomie erwogen werden (3). Diese Maßnahme wird bei etwa einem Drittel der Patienten mit kompliziertem perianalem Fistelsystem notwendig und steigert die Lebensqualität. Erfolgsrate und Nebenwirkungsprofil einer ergänzenden medikamentösen Behandlung sind bisher nicht bekannt. Risikofaktoren für ein permanentes Stoma sind besonders eine Rektumresektion (OR = 50) und die Stuhlinkontinenz (OR = 21) (12). Ultima ratio ist die Proktektomie (3). Die erfolgreiche Behandlung eines Fistelsystems erfordert eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen erfahrenen Gastroenterologen und Viszeralchirurgen. Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxacin) sind Mittel der ersten Wahl und führen zu einer vorübergehenden Besserung des Lokalbefunds. Abszesse müssen primär drainiert werden, anschließend sollte eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin begonnen werden. Infliximab verkürzt die Zeit des Ansprechens und kann deshalb bei ausgeprägtem Fistelleiden zusätzlich eingesetzt werden. Bei Nichtansprechen ist ein Therapieversuch mit Ciclosporin A oder Tacrolimus gerechtfertigt. Fisteln – Medikamentöse Therapie Wirksam Möglicherweise wirksam Unwirksam Metronidazol Ciclosporin Aminosalicylate Ciprofloxacin GM-CSF Kortikosteroide Azathioprin/ 6-MP Hyperbare Sauerstofftherapie Infliximab Adalimumab Tacrolimus Modif. n. Bressler B, Aliment Pharmacol Ther 2006; 24 33 Literatur: 1. Schwartz DA et al. Gastroenterology 2002; 122: 875. 2. Schwartz DA et al. Gastroenterology 2001; 121: 1064. 3. Konsensuskonferenz M. Crohn – Berlin 2007. 4. Present DH et al. N Engl J Med 1980; 302: 981. 5. Pearson DC et al. Ann Intern Med 1995; 123: 132. 6. Present DH et al. N Engl J Med 1999; 340: 1398. 7. Sands BE et al. N Engl J Med 2004; 350: 876. 8. Hanauer SB et al. Am J Gastroenterol 1993; 88: 62. 9. Sandborn WJ et al. Gastroenterology 2003; 125: 380. 10. Bernstein LH et al. Gastroenterology 1980; 79: 375. 11. Brandt L et al. Gastroenterology 1982; 83: 383. 12. Mueller MH et al. J Gastrointest Surg 2007; 11: 529. 34 Hereditäre Pankreatitis: epidemiologische Bedeutung und diagnostische Verfahren V. Keim Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig Einführung In den letzten Jahren gab es einen erheblichen Fortschritt bei der Aufklärung genetischer Risikofaktoren der chronischen Pankreatitis. Hierbei zeigte sich, dass Mutationen nicht nur bei der sehr seltenen autosomal-dominat vererbten Pankreatitis, sondern auch bei allen anderen Patientengruppen zu finden sind. Hier soll dargestellt werden, welche Mutationen mit welchem Krankheitsbild assoziiert sind, wann man diese Mutationen nachweisen sollte und welche Konsequenzen dies für die Therapie und den Patienten hat. Mutationen bei chronischer Pankreatitis Mittlerweile kennen wir 4 verschiedene Gene, die mit der chronischen Pankreatitis assoziiert sind. In der Regel gibt es in jedem Gen mehrere Mutanten, die unterschiedlich häufig sind. Außerdem kennen wir eine Genmutation, welche das Risiko einer chronischen Pankreatitis vermindert. In der unten stehenden Tabelle sind diese Gene aufgelistet. Diese Tabelle zeigt die Komplexität der Befunde und die unterschiedliche Pathogenese der verschiedenen Mutationen. Abgesehen von CFTR (dem Mukoviszidose-Gen) haben alle Pankreatitis-Gene mit der Trypsinaktivierung und Trypsinaktivität zu tun. Insgesamt finden sich derzeit bei etwa 60% der „idiopathischen“ Formen eine oder mehrere Mutationen, auch in 15–20% der Patienten mit alkoholischer Pankreatitis lassen sich die beschriebenen genetischen Veränderungen nachweisen. 35 Gen Mutation(en) Mechanismus Begünstigt Pankreatitis: PRSS1 R122H/C, N29I, A16V, D22G, Trypsinogenaktivierung, … Trypsinstabilisierung SPINK1 N39S, ... unbekannt CTRC R254W Gestörte Deaktivierung des Trypsins CFTR sehr viele unbekannt Schützt vor Pankreatitis: PRSS2 G191R Verlust der Trypsinaktivität Welche Mutationen bei welchem klinischen Bild? Bei den meisten Patienten mit Mutation tritt die Pankreatitis im Kindes- und Jugendalter zum ersten Mal auf, jedoch beginnt die Erkrankung bei etwa 10–20% der Patienten erst jenseits des 25. Lebensjahres. Der Verlauf ist initial durch mehrere Schübe der Erkrankung charakterisiert, die dann später seltener werden. Im Gegensatz zu den Patienten mit alkoholischer chronischer Pankreatitis schreitet die Erkrankung nur langsam fort, ein Diabetes mellitus tritt beispielsweise nach 10–15 Jahren nur bei weniger als 10% der Patienten auf. Der Unterschied im klinischen Bild ist in den verschiedenen Mutationen nur marginal. Somit lässt sich aufgrund des Krankheitsbildes nicht vorhersagen, welche Mutation vorliegt. Probleme im Langzeitverlauf Obwohl die Progression deutlich langsamer ist als bei alkoholisch-chronischer Pankreatitis, erleiden viele der Patienten eine oder mehrere Komplikationen. Dies ist durch den Erkrankungsbeginn im Kindes- und Jugendalter mit sehr langer Krankheitsdauer begründet. So finden sich beispielsweise 40 Jahre nach Erkrankungsbeginn bei etwa der Hälfte der Patienten ein Diabetes mellitus und Verkalkungen. Im Langzeitverlauf wurde über eine sehr hohe Rate an Pankreaskarzinomen bei diesen Patienten berichtet. Leider existiert keine überzeugende Strategie, um das Malignom rechtzeitig zu entdecken. Weder Endosonografie, noch MRT oder CT sind zuverlässig genug, um ein (kleines) Pankreaskarzinom in der chronisch entzündeten 36 Drüse nachzuweisen. Die prophylaktische Operation wurde zwar in der Vergangenheit vereinzelt durchgeführt, ist aber mittlerweile wegen zu hoher Mortalität aufgegeben worden. Hier scheint eine abwartende Strategie am ehesten angemessen zu sein. Wann soll eine genetische Untersuchung durchgeführt werden? Es ist sinnvoll, die genetischen Tests auf diejenigen Patienten zu beschränken, bei denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Veränderung vorliegt. In der Literatur finden sich dazu zahlreiche Empfehlungen. Eine Analyse erscheint sinnvoll, falls eine Familienanamnese (2 oder mehr Erkrankte) besteht oder der Patient vor dem 25.–30. Lebensjahr erkrankt. Hier ist die Wahrscheinlichkeit einer Mutation größer als 30%. Liegt Kinderwunsch vor, kann anhand der identifizierten Mutation abgeschätzt werden, wie hoch das Risiko für Nachkommen ist, ebenfalls an einer Pankreatitis zu erkranken. Therapie der genetisch determinierten chronischen Pankreatitis Eine spezifische Therapie der genetisch determinierten chronischen Pankreatitis oder ihres akuten Schubs existiert nicht. Das praktische Vorgehen unterscheidet sich nicht von dem bei Patienten mit chronischer Pankreatitis anderer Genese. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sollte hinsichtlich chirurgischer Eingriffe am Pankreas größte Zurückhaltung gelten. Die Progression der chronischen Pankreatitis ist bei Rauchern deutlich schneller als bei Nichtrauchern. Außerdem haben Raucher mit hereditärer Pankreatitis ein deutlich höheres Risiko, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken. Somit sollte den Patienten dringend vom Rauchen abgeraten werden. Fazit für die Praxis Die wesentliche Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen der letzten Jahre besteht darin, dass sich bei einem erheblichen Teil der Patienten mit chronischer Pankreatitis genetische Risikofaktoren nachweisen lassen. Eine genetische Untersuchung ist sinnvoll, falls eine Familienanamnese besteht, die Erkrankung vor dem 25.–30. Lebensjahr beginnt oder aber Kinderwunsch besteht. Patienten mit genetisch determinierter chronischer Pankreatitis sollte neben Alkoholabstinenz dringend vom Rauchen abgeraten werden, da dies die Manifestation der chronischen Pankreatitis fördert und auch einen wesentlichen Risikofaktor des Pankreaskarzinoms darstellt. 37 Das Pankreaskarzinom ist bei diesen Patienten deutlich häufiger, allerdings existiert derzeit keine effiziente Überwachungsstrategie. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Volker Keim Medizinische Klinik II Universitätsklinikum Leipzig Philipp-Rosenthal-Str. 27 04103 Leipzig Tel.: (03 41) 97-1 22 33 Fax: (03 41) 97-1 22 39 E-Mail: [email protected] 38 Internistische Therapiekonzepte für das Pankreaskarzinom J. Mössner Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Leipzig Zur Einleitung einige Kernaussagen zum Pankreaskarzinom, die gekannt werden sollten, bevor internistische Therapiekonzepte zum Einsatz kommen. Epidemiologie/Inzidenz/Pathologie: 10/100.000 Einwohner pro Jahr Histologie: 90% duktaler Phänotyp Krankheitsverlauf: frühzeitiges Wachstum per continuitatem in das peripankreatische Fettgewebe, frühzeitige Metastasierung Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate < 2% Fünfthäufigste Tumortodesursache Molekulare Pathogenese Entwicklung über pankreatische duktale intraepitheliale Neoplasie (PanIN) Wichtige genetische Defekte beim Pankreaskarzinom K-ras p16 p53 SMAD4 = DPC4 BRCA2 Onkogen Signaltransduktion Tumorsuppressor Zellzyklusregulation Tumorsuppressor Transkription Tumorsuppressor TGFβ-Signalweg ~ 90% Tumorsuppressor DNA-Reparatur ~ 20% Überexpression des ~ 95% ~ 75% ~ 50% multidrug-resistance-P-Glykoproteins und des multidrug- resistance-assoziierten Proteins MRP Überwiegen antiapoptotischer (Bcl-2, Bcl-XL, Mcl-1) versus proapoptotischer Proteine (Bax, Bcl-1) Aktivierung des Onkogens K-ras Inaktivierung der Tumorsuppressorgene P53, P16, DPC4 39 Risikofaktoren Keine starken Risikofaktoren Schwache Risikofaktoren: Rauchen, chronische Pankreatitis, Afroamerikaner > Kaukasier, Diabetes bei Frauen > 2 Jahre, Familienanamnese eines Pankreaskarzinoms Chronische Pankreatitis: jede Form einer chronischen Pankreatitis Zeitdauer der Entzündung: entscheidender Faktor für den Übergang von einer benignen zu einer malignen Situation Fallkontrollstudien: relatives Risiko 2,3–18,5 Bei Alkohol-induzierter chronischer Pankreatitis: Rauchen wichtiger „confounding” Faktor Krebs-Familiensyndrome mit erhöhtem Risiko, ein Pankreaskarzinom zu entwickeln: Ererbte genetische Störungen, z. B. Mutationen der DNA-Reparaturgene Hereditäres Pankreaskarzinom Von-Hippel-Lindau-Syndrom Hereditäres Nicht-Polyposis Kolonkarzinom (HNPCC) (Mutationen der DNA-Reparaturgene) Familiäre Adenomatosis Polyposis Coli (FAP) (Mutationen des APC-Gens) Hereditäres Mamma- und Ovarkarzinom (BRCA2) Peutz-Jeghers-Syndrom (STK11/LKB1) Familiäres atypisches multiples Muttermale- und Melanom-Syndrom (p16) Die meisten familiären Pankreaskarzinome haben kein assoziiertes Syndrom, und es lassen sich keine der bekannten Mutationen nachweisen. Erworbene Mutationen: Onkogene K-ras, HER2/neu Tumorsuppressorgene p16, p53, SMAD4, und BRCA2 Verschiedene familiäre Syndrome mit bekannten genetischen Defekten Die Mehrzahl der familiären Fälle entsteht auf dem Boden bislang unbekannter Gendefekte Die ererbten genetischen Defekte beim familiären Pankreaskarzinom sind noch unbekannt Vererbungsmuster: meist autosomal dominant 40 Bei ungefähr 35% der Familien: zusätzliche Tumoren wie z. B. Melanom, Mammakarzinom, Prostatakarzinom Hinweise, dass ein entscheidendes Gen eine Rolle spielt, welches eher den Erkrankungsbeginn des Pankreaskarzinoms determiniert („age-at-onset“) als die Suszeptibilität Segregationsanalysen bei 287 Familien unter einem „age-at-onset”-Modell: 7% der Bevölkerung hat wahrscheinlich ein hohes Risiko, ein Pankreaskarzinom zu entwickeln (Klein et al., Genet Epidemiol 2002; 23: 133–149) Pankreaskarzinom in Familie: 1,5–13-fach erhöhtes Risiko, ein Pankreaskarzinom zu entwickeln Nested case control study: Ein Drittel der Familien haben vor Entwicklung des Karzinoms bereits bekannte genetische Veränderungen Durchschnittsalter des Erkrankungsbeginns sinkt um 2 Dekaden bei der nächsten Generation Rauchen: starker Risikofaktor auch für Nachkommen aus PankreaskarzinomFamilien (Rulyak et al., Gastroenterology 2003; 124: 1292–1299) Familien mit mehreren erstgradig Verwandten mit Pankreaskarzinom: Risiko weiter erhöht Familiäres „Clustering” des Pankreaskarzinoms: Zufall, Umweltfaktoren (Zigarettenrauch) und/oder polygenetische Faktoren, die den Mendel-Gesetzen unterliegen (Lynch et al., Am J Gastroenterol 2002; 97: 3062–3070) Schwedische Familien-Krebsdatenbank: 10,2 Mio. Personen und 21.000 Pankreaskarzinome: Standardisierte Inzidenzrate (SIR) für Pankreaskarzinom erhöht (1,73, 95% CI: 1,13– 2,54), wenn ein Elternteil ein Pankreaskarzinom hatte Assoziation mit weiteren Karzinomen in der ersten Generation: Lunge, Rektum, Endometrium, Melanom SIRs für Pankreaskarzinom um 10 bei den Nachkommen, wenn das Karzinom bereits < 50 auftrat (Hemminki und Li, Int J Cancer 2003; 103: 525–530) Kanadische Studie: Lebenszeitrisiko: 4,7% für erstgradig Verwandte Risiko 7,2% für Verwandte, wenn das Karzinom bereits < 60 auftrat 41 12,3% für Verwandte, wenn mehrere Pankreaskarzinome in der Familie vorkommen (Ghadirian et al., Int J Cancer 2002; 97: 807–810) Um das 18-fach erhöhtes Risiko eines Pankreaskarzinoms: mehr als ein Familienmitglied betroffen In Untergruppe von Familien mit 3 und mehr Pankreaskarzinomfällen: 57-fach erhöhtes Risiko (Tersmette et al., Clin Cancer Res 2001; 7: 738–744) Wenn nach Alter stratifiziert wird: Risiko hauptsächlich erhöht für Verwandte > 60 Jahre 247 Patienten mit Pankreaskarzinom und 1800 Verwandte 427 Kontrollpersonen und 3157 Verwandte relatives Risiko Rauchen x 2,4 Verwandter mit Pankreaskarzinom x 2,0 Rauchen + Verwandter x 8,4 > 1 Verwandter x 20,1 (–60) (Schenk et al., JNCI 2001) Pankreaskarzinom und Rauchen: 15 Jahre Nichtraucher = immer Nichtraucher Diabetes mellitus Assoziation zwischen Diabetes und erhöhtem Risiko eines Pankreaskarzinoms Diabetes als Folge der tumorbedingten Pankreasschädigung oder einer Insulinresistenz Vorbestehender Typ-II-Diabetes für viele Jahre: erhöhtes Risiko Insulin: Promoter der Pankreaskanzerogenese Stimulation der Mitose Indirekte Effekte durch IGF-I-Freisetzung Einige Studien: Risiko nimmt mit der Zeit nach Primärdiagnose eines Diabetes mellitus ab (Gullo et al., N Engl J Med 1994; 331: 81–84) Ernährung Fallkontrollstudien: Fleisch und Cholesterin erhöhen etwas das Risiko eines Pankreaskarzinoms Heterozyklische Amine und polyzyklische aromatische Hydrocarbone, die während des Bratens aus Fleisch entstehen 42 Italienische Fallkontrollstudie: Pankreaskarzinomrisiko direkt assoziiert mit Höhe des Fleischkonsums (OR = 1,43), Leber (OR = 1,43), Schinken und Wurst (OR = 1,64) Invers korreliert mit Verzehr von frischem Obst (OR = 0,59), Fisch (OR = 0,65) und Olivenöl (OR = 0,58) Definitive Aussagen zur Nutzen-Risiko-Relation nicht möglich (Howe und Burch, Cancer Causes Control 1996; 7: 69–82) Kaffee Erstaunlich, wie viele epidemiologische Studien mit der Frage Assoziation zwischen Kaffeekonsum und Pankreaskarzinom durchgeführt wurden Offensichtlich war die „scientific community” als Kaffeetrinker schockiert durch eine Arbeit in einer führenden Zeitschrift, die eine Risikoerhöhung durch Kaffee zeigte (MacMahon et al., N Engl J Med 1981; 304: 630–633); eine Assoziation konnte von den meisten Folgestudien nicht bestätigt werden Alkohol Die meisten Studien zeigen keine Assoziation zwischen Alkohol und Pankreaskarzinom In einer retrospektiven Kohorte basierend auf dem schwedischen Register stationärer Patienten, hatten Alkoholiker nur ein um 40% erhöhtes Risiko eines Pankreaskarzinoms Das erhöhte Risiko ist gering und beeinflusst durch den „confounding factor” des Rauchens (Ye et al., Gut 2002; 51: 236–239) Berufliche und Umweltrisikofaktoren Bislang konnte allenfalls für chlorierte Hydrocarbone eine schwache Assoziation festgestellt werden Interaktion zwischen Umweltfaktoren, berufsbedingten Schadstoffen und genetischer Suszeptibilität immer eine Möglichkeit Für die meisten Fälle eines Pankreaskarzinoms lassen sich keine Umweltfaktoren als Ursache nachweisen 43 Prophylaxe des Pankreaskarzinoms Nicht Rauchen -30% Sportliche Betätigung -10% Übergewicht reduzieren -10% insbesondere bei familiärem Risiko Sehr selten notwendig: genetische Untersuchung Stellenwert der Screeningendosonografie? Internistische Therapie Therapeutische „Standards“ in der Palliativsituation Studien zur Beurteilung eines Therapiekonzepts unterscheiden in der Regel nicht zwischen lokal fortgeschrittenem inoperablem Pankreaskarzinom, metastasiertem Pankreaskarzinom, Rezidiv nach R0-Resektion (Lokalrezidiv versus Metastasierung) (+/- vorbestehender adjuvanter Chemotherapie) „Standard“ unverändert Monotherapie mit Gemcitabin: Clinical benefit response (CBR): 24% Schmerzen: 17% Karnofsky: 6% Dauer der CB-Response: 4,5 Monate Überleben bei Response: 10,7 Monate Nebenwirkungen (WHO-III/IV): Neutropenie: 26% Übelkeit/Erbrechen: 12% Anämie: 10% Eintritt der Response: nach 7 Wochen Die Therapie mit Gemcitabin führt zu einer mäßigen Verbesserung tumorbedingter Symptome und einer marginalen Lebensverlängerung. Gemcitabin: Optimierung durch Kombination? Viele Chemotherapeutika und sogenannte gezielte Therapien („targeted agents”) sind in Kombination mit Gemcitabin versus Gemcitabin allein in randomisierten Phase-III-Studien untersucht worden. Lediglich die Kombinationen Gemcibatin mit Capecitabin und mit Erlotinib zeigten marginale Vorteile. Unter der Kombinationstherapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Erlotinib profitieren aber nur die Patienten, die eine Akne entwickeln (Moore et al., J Clin Oncol 2007; 25: 1960–1966). Es 44 profitieren auch von dieser Kombination die Wenigen, deren Karzinom keine ki-rasMutation aufweist. Die Kombination Gemcitabin mit Oxaliplatin zeigte in der Gesamtgruppe keinen Vorteil, aber in der Subgruppe derer mit sehr gutem Karnofsky-Index (Louvet et al., J Clin Oncol 2005; 23: 3509–3516). Neue Therapieansätze Es liegen wenig vielversprechende Phase-I- und -II-Studien vor, in denen der Erfolg von Kombinationstherapien untersucht wurde: Zweifachtherapie: Gemcitabin mit Volociximab (monoklonaler Antikörper, der die Bindung von Fibronectin an α5β1-Integrin hemmt: Angiogenesehemmung) Dreifachtherapie: Gemcitabin, Bevacizumab, Erlotinib Dreifachtherapie: Gemcitabin, Capecitabin, Bevacizumab Vierfachtherapie: Gemcitabin zusammen mit Capecitabin und 2 „Biologicals“ (Bevacizumab, monoklonaler Antikörper gegen VEGF, und Erlotinib) Kombinationstherapien mit Irinotecan Kombinationstherapien mit Genexol-PM® (Cremophor-freie, polymere Mizellen mit Paclitaxel) (Saif MW: Is there a standard of care for the management of advanced pancreatic cancer? Highlights from the Gastrointestinal Cancers Symposium. Orlando, FL, USA. January 25–27, 2008. JOP 2008; 9 [2]: 91–98) Neoadjuvant Bisher keine Empfehlung möglich. Es laufen noch Studien Adjuvant Gemcitabine ist der derzeitige Standard nach R0-Resektion. Die ESPAC-I-Studie zeigte, dass bei Patienten nach R0-Resektion eine adjuvante Radiochemotherapie eher nachteilig war gegenüber keiner Therapie. Eine adjuvante Chemotherapie mit 5-Fluorouracil zeigte aber einen Überlebensvorteil (Neoptolemos et al., ESPAC study group: A randomized trial of chemoradiotherapy and chemotherapy after resection of pancreatic cancer. N Engl J Med 2004; 350 [12]: 1200–1210). 45 Diagnostik und Therapie autoimmuner Leber- und Gallenwegserkrankungen C.P. Strassburg Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Die autoimmunen Lebererkrankungen werden in 3 Krankheitsbilder unterteilt: die Autoimmunhepatitis (AIH), die primär biliäre Zirrhose (PBC) und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) (11). Sie zeigen unbehandelt eine Progression zur Leberzirrhose. Die AIH war die erste chronische Lebererkrankung, bei der eine konservative Therapie eine dauerhafte Remission erreichen konnte. Definition und Diagnose der Autoimmunhepatitis Die Diagnose der AIH ist gekennzeichnet durch eine Ausschlussdiagnostik anderer Lebererkrankungen (1). Die serologische Subklassifikation der AIH hat keinen Einfluss auf die Therapiestrategie. Es sind zu 70–80% Frauen betroffen. Die Immunglobuline im Serum sind erhöht (7, 12). Hinweisend sind Autoantikörper, die überlappend auftreten können und auch bei viralen Hepatitiden vorkommen. Die AIH ist serologisch heterogen und kann prinzipiell in 3 Untergruppen unterteilt werden, die antinukleäre Autoantikörper und Antikörper gegen glatte Muskelzellen (ANA, SMA) aufweisen (AIH Typ 1), die durch Leber-Nieren-Mirkosomen-Autoantikörper (LKM-1) gekennzeichnet sind (AIH Typ 2), oder bei der Antikörper gegen lösliches Leberantigen/Leber-Pankreas-Antigen (SLA/LP) nachweisbar sind (AIH Typ 3). Am häufigsten ist die ANA-positive AIH (12). Standardtherapie der AIH: Ziel der Therapie ist die Induktion und Erhaltung einer Remission. Sie ist indiziert, wenn die Aminotransferasen erhöht sind, histologisch multilobuläre oder Brückennekrosen auftreten oder auch wenn erhebliche hepatische oder extrahepatische Symptome vorliegen. Gleich effektiv ist die Monotherapie aus Prednisolon oder die Kombinationstherapie mit Azathioprin. Die Entscheidung zur Kombinationstherapie orientiert sich am Risikoprofil des Patienten (Schwangerschaft, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Osteoporose). Eine Remissionsinduktion gelingt in 87% der Fälle innerhalb von 3 Jahren. Allerdings ist die Rückfallrate mit 46 70% innerhalb von 3 Jahren nach Absetzen der Immunsuppression erheblich. Das 10-Jahres-Überleben in Remission beträgt 90%. Ist innerhalb von 4 Jahren keine Remission erreichbar, bleibt die Lebertransplantation. Das Problem der Remissionsinduktion: In etwa 10% der Fälle gelingt eine Remissionsinduktion nicht. Hier werden alternative immunsuppressive Therapeutika eingesetzt: Ciclosporin A, Cyclophosphamid, Mycophenolsäure, Tacrolimus (FK506). Diese Immunsuppressiva sind wegen ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils jedoch Studien an hepatologischen Zentren vorbehalten. Das Problem der Remissionserhaltung: Mit dem Ziel des Steroidsparens konnte gezeigt werden, dass eine Remissionserhaltung (aber nicht eine Remissionsinduktion) mit Azathioprin-Monotherapie (2 mg pro kg KG tgl. p.o.) erreicht werden kann. Eine weitere Möglichkeit zur potenziellen Verminderung von Steroidnebenwirkungen ist die Anwendung des topischen Steroids Budesonid. Dessen Vorteile werden in einem über 90%igen hepatischen „First-pass“Metabolismus gesehen, was bei portosystemischen Shunts und fortgeschrittener Zirrhose eingeschränkt ist. Eine kürzlich abgeschlossene multizentrische Studie zum Budesonid wird hierzu bald neue Daten liefern. Diagnose der primär biliären Zirrhose Die Diagnose der PBC erfolgt durch den serologischen Nachweis antimitochondrialer Antikörper (AMA mit PDH-E2- oder BCKD-E2-Spezifität), das cholestatische Leberenzymprofil, eine Immunglobulin-M-Erhöhung im Serum sowie durch den histologischen Nachweis einer entzündlichen Gallenwegsbeteiligung (10). Sonografisch und in der endoskopisch retrograden Cholangiografie (ERC) sind die Gallenwege nicht erweitert. Auffällig ist die hohe Anzahl von extrahepatischen Erkrankungen (Tabelle 1). 47 Tab. 1: Diagnostik der primär biliären Zirrhose Serologische Befunde Antimitochondriale Autoantikörper Pyruvatdehydrogenase (PDH-E2) Verzweigtkettenketosäuredehydrogenase (BCKD-E2) Antinukleäre Autoantikörper anti-SP100 anti-gp210 anti-Laminin B-Rezeptor anti-Nucleoporin p62 Extrahepatische Manifestationen Sicca-Syndrom/Sjögren-Syndrom rheumatoide Arthritis Autoimmunthyreoiditis mixed connective tissue disease (MCTD) CREST-Syndrom Polymyalgie chronisch entzündliche Darmerkrankungen systemischer Lupus erythematodes (SLE) Leberhistologie bei AMA-Negativität: zur Unterstützung der Diagnostik (Gallenwegsbeteiligung? Granulome?) bei AMA-Positivität: fakultativ, nur für Fibrosegrad („staging“) und entzündliche Aktivität („grading“) Die Reihenuntersuchung (Screening) der AMA erfolgt durch Immunfluoreszenz, die durch WesternBlot und enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) spezifiziert werden. In 5% treten AMA-negative Fälle auf, in denen ANA zur weiteren Diagnosefindung beitragen können. Die extrahepatischen Manifestationen können den Symptomen der PBC zeitlich deutlich vorausgehen. Standardtherapie der primär biliären Zirrhose: Eine immunsuppressive Behandlung der PBC ist in der überwiegenden Mehrzahl der Patienten nicht erfolgreich. Die Standardbehandlung besteht aus der oralen Gabe von 13–15 mg pro kg KG Ursodeoxycholsäure (UDCA) täglich. Sie führt zur Besserung der biochemischen Serumparameter einschließlich des Bilirubins (Mayo-Prognosemodell), des Überlebens, aber nicht der portalen Hypertension. Die Datenlage zum Einfluss von UDCA ist kontrovers, allerdings ist besonders bei früher Behandlung ein prognostisch günstiger Effekt zu erwarten. Durch UDCA wenig beeinflusst werden Müdigkeit und Osteoporose (9). 48 Diagnose der primär sklerosierende Cholangitis Die PSC zeichnet sich durch eine progressive Destruktion großer intra- und extrahepatischer Gallenwege aus und betrifft in 64% der Fälle Männer mit einem Altersmaximum zwischen 25 und 45 Jahren. Auffallend häufig ist die Colitis ulcerosa (CU) (England 71%, Schweden 72%, eigene Patienten Hannover: 52%) mit der PSC assoziiert, seltener der Morbus Crohn (eigene Patienten Hannover: 11%) (2, 16). CED-Patienten mit auffälligen Leberwerten (ca. 5%) sollten auf eine PSC untersucht werden. Die CU bei PSC-Patienten ist häufiger durch eine klinisch inapparente Pankolitis, eine „backwash ileitis“ und durch rektale Aussparung gekennzeichnet. Das Dysplasierisiko ist deutlich erhöht. Das Krankheitsbild der PSC ist durch Oberbauchbeschwerden, Pruritus, Anorexie und Fieber gekennzeichnet, wobei bis zu 50% der Patienten asymptomatisch sein können. Die Diagnose gründet sich neben der Cholestase auf die charakteristischen Befunde der ERC sowie der Leberbiopsie (Ringfibrose der Gallenwege). Serologisch können atypische antineutrophile zytoplasmatische Autoantikörper (xANCA) bei bis zu 80% der Patienten nachgewiesen werden, die allerdings zur Diagnosesicherung wenig beitragen. In einer Untergruppe liegt eine sog. „small bile duct PSC“ vor (3), bei der in der ERC keine Gallenwegsauffälligkeiten nachweisbar sind und die eine bioptische Sicherung erfordert. Beurteilung der PSC als Präkanzerose: Anders als bei AIH ist bei der PSC das Karzinomrisiko erhöht (2). Die Diagnose des Cholangiokarzinoms (CCC) des PSCPatienten ist ein unbefriedigendes klinisches Problem (16), da Stenosen entzündlich bedingt sein können, biochemische Tests und bioptische Verfahren wenig Sensitivität und Spezifität aufweisen und bildgebende Verfahren bei intramural wachsenden Tumoren insensitiv sind. Das CCC-Risiko des PSC-Patienten beträgt 1,5% pro Jahr und ist damit 161-fach höher als bei Gesunden. Darüber hinaus besteht eine 10-fache Erhöhung des Kolorektalkarzinomrisikos und eine 14-fache Erhöhung des Pankreaskarzinomrisikos (2). Die Diagnostik der PSC sollte jährliche koloskopische Untersuchungen und Ultraschalluntersuchungen des Abdomens einschließen. Standardtherapie der primär sklerosierenden Cholangitis: Die PSC ist durch medikamentöse Maßnahmen nicht heilbar. Die Therapie der Wahl in Früh- und Spätstadien ist die UDCA in höheren Dosierungen als bei der PBC (15–30 mg pro kg KG p.o. tgl.) (5). Niedrigere Dosierungen (unter 10 mg pro kg KG) scheinen weniger 49 wirkungsvoll zu sein. Insgesamt wird die UDCA-Therapie der PSC nach einer neueren Studie, in der allerdings die Patientenzahl nicht ausreichend war, kontrovers beurteilt. Überdies erscheint unter UDCA das Risiko einer Kolondysplasie vermindert (14). Bei rezidivierenden Cholangitisschüben, steigendem Bilirubin und fortschreitender portaler Hypertension bleibt die Lebertransplantation, wobei die PSC im seit 2006 eingeführten „model of end stage liver disease“ (MELD) nur unzureichend abgebildet wird. Endoskopische Therapie: Die endoskopische Dilatation kann die Cholestase verbessern. Die Kombination mit UDCA-Therapie führt zu einer signifikanten Verlängerung des transplantationsfreien Zeitraums und des Überlebens (9). UDCA allein erreicht diesen Effekt nicht. Overlap-Syndrome Überlappende Syndrome zwischen PSC und AIH sowie PBC und AIH kommen in ca. 10% der Fälle vor. Verbindliche Diagnostik- oder Therapierichtlinien gibt es nicht. Es empfiehlt sich eine histologische Evaluation, eine Bestimmung des Autoantikörperprofils (13). Klinisch wird zunächst die führende Komponente behandelt: Steroide bei ausgeprägter Hepatitis, UDCA bei Cholestase. Beide Behandlungen können kombiniert werden. Lebertransplantation AIH, PBC und PSC sind anerkannte Indikationen für eine Lebertransplantation. Bei der PSC beträgt das 10-Jahres-Überleben 70% (4), bei der PBC zwischen 67% und 88% (6) und bei der AIH 80–90% (16). Die Rekurrenzrate aller 3 Krankheitsbilder nach Lebertransplantation beträgt rund 25%. Literatur: 1. 50 Alvarez F, Berg PA, Bianchi FB, Bianchi L, Burroughs AK, Cancado EL, Chapman RW, Cooksley WG, Czaja AJ, Desmet VJ, Donaldson PT, Eddleston AL, Fainboim L, Heathcote J, Homberg JC, Hoofnagle HH, Kajumu S, Krawitt EL, Mackay IR, MacSween RN, Maddrey WC, Manns MP, McFarlane IG, Meyer zum Büschenfelde KH, Zeniya M. International Autoimmune Hepatitis Group Report: review of criteria for diagnosis of autoimmune hepatitis. J Hepatol 1999; 31: 929–938. 2. Bergquist A, Ekbom A, Olsson R, Kornfeldt D, Loof L, Danielsson A, Hultcrantz R, Lindgren S, Prytz H, Sandberg-Gertzen H, Almer S, Granath F, Broome U. Hepatic and extrahepatic malignancies in primary sclerosing cholangitis. J Hepatol 2002; 36: 321–327. 3. Broome U, Glaumann H, Lindstom E, Loof L, Almer S, Prytz H, SandbergGertzen H, Lindgren S, Fork FT, Jarnerot G, Olsson R. Natural history and outcome in 32 Swedish patients with small duct primary sclerosing cholangitis (PSC). J Hepatol 2002; 36: 586–589. 4. Graziadei IW. Recurrence of primary sclerosing cholangitis after liver transplantation. Liver Transpl 2002; 8: 575–581. 5. Harnois DM, Angulo P, Jorgensen RA, Larusso NF, Lindor KD. High-dose ursodeoxycholic acid as a therapy for patients with primary sclerosing cholangitis. Am J Gastroenterol 2001; 96: 1558–1562. 6. Liermann Garcia RF, Evangelista Garcia C, McMaster P, Neuberger J. Transplantation for primary biliary cirrhosis: retrospective analysis of 400 patients in a single center. Hepatology 2001; 33: 22–27. 7. Manns MP, Strassburg CP. Autoimmune hepatitis: clinical challenges. Gastroenterology 2001; 120: 1502–1517. 8. Poupon R, Poupon RE. Treatment of primary biliary cirrhosis. Baillieres Best Pract Res Clin Gastroenterol 2000; 14: 615–628. 9. Stiehl A, Rudolph G, Kloters-Plachky P, Sauer P, Walker S. Development of dominant bile duct stenoses in patients with primary sclerosing cholangitis treated with ursodeoxycholic acid: outcome after endoscopic treatment. J Hepatol 2002; 36: 151–156. 10. Strassburg CP, Manns MP. Autoimmune tests in primary biliary cirrhosis. Baillieres Best Pract Res Clin Gastroenterol 2000; 14: 585–599. 11. Strassburg CP, Obermayer-Straub P, Manns MP. Autoimmunity in liver diseases. Clin Rev Allergy Immunol 2000; 18: 127–139. 12. Strassburg CP, Manns MP. Autoantibodies and autoantigens in autoimmune hepatitis. Semin Liver Dis 2002; 22: 339–352. 13. Strassburg CP, Manns MP. [Primary biliary liver cirrhosis and overlap syndrome. Diagnosis and therapy]. Internist (Berl) 2004; 45: 16–26. 14. Tung BY, Emond MJ, Haggitt RC, Bronner MP, Kimmey MB, Kowdley KV, Brentnall TA. Ursodiol use is associated with lower prevalence of colonic neoplasia in patients with ulcerative colitis and primary sclerosing cholangitis. Ann Intern Med 2001; 134: 89–95. 15. Tischendorf JJ, Meier PN, Strassburg CP, Klempnauer J, Hecker H, Manns MP, Kruger M. Characterization and clinical course of hepatobiliary carcinoma in patients with primary sclerosing cholangitis. Scand J Gastroenterol 2006; 41: 1227–1234. 51 16. Vogel A, Heinrich E, Bahr MJ, Rifai K, Flemming P, Melter M, Klempnauer J, Nashan B, Manns MP, Strassburg CP. Long-term outcome of liver transplantation for autoimmune hepatitis. Clin Transplant 2004; 18: 62–69. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Christian P. Strassburg Stellv. Abteilungsdirektor Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Tel.: (05 11) 5 32-22 19 Fax: (05 11) 5 32-20 93 E-Mail: [email protected] 52 Update – Therapie der Hepatitis B und C S. Rossol Medizinische Klinik, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main An chronischer Virushepatitis B und C leiden weltweit über 600 Millionen Menschen, davon mehr als 200 Mio. Menschen an der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. Von der chronischen HCV-Infektion sind in Europa mehr als 7 Mio. Personen und in Deutschland zwischen 500.000 und 800.000 Infizierte betroffen. In der Mehrzahl der Patienten verläuft die Erkrankung mit unterschiedlicher Intensität progressiv mit den potenziellen Folgen einer Leberzirrhose, eines Leberversagens und der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms. Zur Vermeidung dieser Endstadien besteht der Konsens zur frühzeitigen Indikation antiviraler Eradikationstherapien und Suppressionsstrategien. Therapie der Hepatitis B 2007 wurde die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus (HBV)Infektion vorgestellt. Die Indikation zur Therapie besteht nun aufgrund von Studien, die die Krankheitsprogression vor allem in Abhängigkeit zur Viruslast darstellen: bei den Patienten mit chronischer HBV-Infektion und Viruslast > 2000 IU/ml (10.000 Kopien/ml), bei einer fortgeschrittenen Erkrankung (Fibrose/Zirrhose) oder bei einer hohen entzündlichen histologischen Aktivität. Die Höhe der Transaminasen ist kaum relevant. Patienten mit minimaler HBV-Last werden nicht therapiert. Potenzielle Reaktivierungen unter Immunsuppression oder eine extrahepatische Manifestation sind eine Therapieindikation. Therapieziele sind neben der dauerhaften Virussuppression die nur selten erreichte HBV-Elimination (Serokonversion HBsAg zu antiHBs), sehr viel häufiger gelingt bei den Wildtyp-Infektionen die HBeAg-zu-antiHBeAg-Serokonversion (30–40% bei Interferon-Therapie). Bei HBeAg-negativen Patienten erfolgt die Therapie in Relation zur HBV-Last. Aktuell sind als Therapieformen Interferon-α, PEG-Interferon-α, Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Telbivudin und auch Tenofovir (2008) zugelassen. Die Indikationen für eine Interferon-Therapie sind limitiert und bestehen bei jungen Patienten mit Wildtyp-Infektion, einer geringen HBV-Last, deutlich erhöhten Transaminasen und HBV-Genotyp A. PEG-Interferon ist zu bevorzugen, die Kombinationstherapie mit Nukleos(t)idanaloga ist nicht standardisiert. Kontraindikationen bestehen bei Leberzirrhose sowie einer 53 Schwangerschaft. Vorteile der Interferon-Therapie sind die zeitlich befristete Applikation (–48 Wochen) sowie das Fehlen einer Resistenzbildung. Nukleos(t)idanaloga sind bei der chronischen HBV-Infektion wesentlich häufiger als Interferone indiziert, besitzen ein geringes Nebenwirkungsspektrum, sind potent virussuppressiv, aber mit Resistenzentwicklungen belastet (Hepatitis-B-VirusMutanten). Bei Mutationen unter einer Therapie mit Lamivudin, Telbivudin und Entecavir sind Adefovir, Tenofovir als Optionen möglich. Komplette Therapiewechsel sind zu vermeiden (Add-on-Strategie). Die Therapiedauer ist bisher nicht definiert, die Bestimmung der Viruskinetik unter Therapie ist nach 12 und 24 Wochen zur Adaptierung der Therapiestrategie erforderlich. Therapie der chronischen Hepatitis C Die aktuelle Standardtherapie der chronischen HCV-Infektion ist die Kombination aus PEG-Interferon und Ribavirin, der Therapie-Algorithmus entwickelt sich hin zu einer immer mehr individualisierten Strategie. Diese Individualisierung richtet sich vor allem nach HCV-Genotyp und Viruslast unter einer Therapie. Kontraindikationen sind zu berücksichtigen (Schwangerschaft, schwere psychiatrische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, unkontrollierter Drogen- oder Alkoholmissbrauch). Primäres Therapieziel ist der fehlende Nachweis der HCV RNA 6 Monate nach Therapieende (HCV-Eradikation mit > 93% Sicherheit). Beim Vorliegen des HCVGenotyps 1 wird in 51–54% der Fälle ein Therapieerfolg erzielt, während die Ansprechraten bei Genotyp 2 und 3 bis zu 90% erreichen. Als Standard wird der HCV-Genotyp 1 über 48 Wochen behandelt, bei Genotyp 2/3 ist eine Therapiedauer von 24 Wochen ausreichend. Manche Patienten mit Genotyp 1 und 4 profitieren von einer längeren Therapie (72 Wochen), wenn nach unzureichender initialer Virussuppression (Therapiewoche 12) nach 6 Monaten Therapiedauer die HCVRNA-Testung negativ ist. Im Gegensatz hierzu ist bei ausgewählten Patienten mit HCV-Genotyp 1 eine kürzere Therapiedauer über 24 Wochen mit hoher Effektivität möglich (geringe Viruslast vor Therapie < 600.000 IU/ml und schnelle HCVNegativierung nach 4 Wochen Therapiedauer). Adaptierungen der Therapiedauer bei Patienten mit Genotyp-2- und -3-Infektion werden gegenwärtig in Studien überprüft. Das Nebenwirkungsmanagement ist für den Therapieerfolg ebenfalls mitentscheidend, da frühzeitige Reduktionen oder Absetzen der Medikamente mit einem nur noch minimalen Langzeiterfolg verbunden sind. Therapieversagen ist auch bei 54 HIV-Koinfektion, einer extrahepatischen HCV-Manifestation, Interferon-Resistenzen, Alkoholabusus und bestimmter Ethnizität der Patienten häufiger zu beobachten. Bei Patienten mit initial erfolgloser HCV-Therapie hängt die Erfolgschance einer erneuten Therapie entscheidend von der Art, der Dauer der Initialtherapie und der Charakteristik des Therapieversagens ab. Patienten mit Relaps nach einer Interferon-α-Monotherapie können kombiniert mit PEG-Interferon und Ribavirin analog den Empfehlungen bei unbehandelten Patienten therapiert werden. Bei Patienten mit einer Non-Response nach einer Interferon-α-Monotherapie kann ein Therapieversuch mit PEG-Interferon und Ribavirin initiiert werden. Dies sollte vom individuellen Progressionsrisiko, dem HCV-Genotyp, einem früheren partiellen Ansprechen sowie der initialen Therapiedosis und -dauer abhängig gemacht werden. Dauerhafte Ansprechraten von 10–20% (Zweittherapie Interferon + Ribavirin) und 35–40% (Zweittherapie PEG-Interferon + Ribavirin) sind zu erwarten. Bei NonResponse auf eine Interferon- und Ribavirin-Therapie führt eine erneute Therapie mit PEG-Interferon und Ribavirin in ca. 10–15% zum Erfolg. Unabhängig von der aktuellen Eradikationstherapie werden zukünftige Strategien entwickelt. So werden neben der niedrig dosierten Interferon-Applikation zur Fibroseinhibition und Verhinderung eines primären hepatozellulären Karzinoms (HCC) Prodrugs des Ribavirins, Immunmodulatoren, spezifische HCV-Enzyminhibitoren (Proteaseinhibitoren, RNA-Polymeraseinhibitoren) überprüft. Mehrere Medikamente befinden sich in Phase-II- und -III-Studien, Therapiezulassungen sind nicht vor 2010–2011 zu erwarten. Aktuell erfolgt die Neubearbeitung der HCV der DGVS-Leitlinie von 2004. 55 Management von Aszites und hepatorenalem Syndrom M. Schadowski Innere Medizin II, Klinikum Osnabrück Die Pathogenese des Aszites als eine häufige und mit einer deutlichen Erhöhung der Mortalität einhergehende Komplikation der Leberzirrhose ist noch nicht vollständig geklärt, aber die bisherigen Erkenntnisse implizieren, dass die portale Hypertension die renale Salz- und Wasserretention triggert. Aszites ist mit einer tief greifenden Störung des Gleichgewichts der splanchnischen und systemischen Hämodynamik verbunden, die die renale Funktion gravierend beeinflusst. Die intrarenale Balance zwischen Vasokonstriktion und Vasodilatation ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Nierenfunktion. Durch die Progression der Erkrankung dominieren im Laufe der Zeit die vasokonstriktiven Faktoren (hauptsächlich Angiotensin II, Katecholamine, Thromboxan, Leukotriene und Endothelin), wahrscheinlich durch Erschöpfung des intrarenalen vasodilatatorischen Systems (hauptsächlich Prostaglandine). In diesem Stadium verursacht das maximal aktivierte intrarenale vasokonstriktorische System eine ausgeprägte, oft irreversible Kochsalzund Wasserretention, die zu therapierefraktärem Aszites, einem Anstieg des Serumkreatinins und einer Reduktion der glomerulären Filtration führt (hepatorenales Syndrom, HRS). Die auf der Minderperfusion beruhende renale Hypoxie kann darüber hinaus im weiteren Verlauf zu tubulären Schädigungen führen. Durch eine Kochsalz- und Wasserrestriktion, eine sehr engmaschig zu überwachende sequenzielle diuretische Therapie, ggf. ergänzt durch eine adäquate Plasmaexpansion mit Humanalbumin, kann der Aszites unter Umständen über Jahre kontrolliert bleiben, wobei es nicht erforderlich ist, eine komplette Mobilisation des Aszites zu erzwingen. Wenn aber ein hepatorenales Syndrom auftritt, zeigen alle infrage kommenden Maßnahmen wie Parazentese, renale Vasodilatatoren, systemische Vasokonstriktoren, TIPS und chirurgische portosystemische Shunts nur noch einen moderaten oder zeitlich sehr begrenzten Effekt auf die Verbesserung der Nierenfunktion. Der Typ I des HRS zeigt eine extrem hohe Letalität von bis zu 90% in 4 Wochen, sodass letztlich nur noch die Lebertransplantation eine nachhaltige therapeutische Option für diese Patienten bietet, da eine pozentiell vollständig reversible Nierenfunktionsstörung vorliegt. 56 Präventive Koloskopie: eine kritische Bestandsaufnahme J.F. Riemann, U. Damian Medizinische Klinik C, Klinikum der Stadt Ludwigshafen Einleitung Angesichts der hohen Inzidenz- und Sterblichkeitsrate des kolorektalen Karzinoms (KRK) kommt der Früherkennung und Prävention eine besondere Bedeutung zu. Jährlich versterben allein in der Bundesrepublik ca. 29.000 Menschen an den Folgen des Tumorleidens und ungefähr 71.000 neue Karzinomfälle werden entdeckt. Das Lebenszeitrisiko, an einem KRK zu erkranken, beträgt in Deutschland ca. 6%. Die Prognose und die Therapieoptionen sind maßgeblich vom Krankheitsstadium abhängig. Bislang nehmen nur ca. 19% der Männer und 38% der Frauen in Deutschland das Angebot der vorhandenen Krebsfrüherkennungsmaßnahmen wahr, und nur ca. 3% der berechtigten Bevölkerung entscheidet sich für die Durchführung einer Vorsorgekoloskopie. Aufgrund der fehlenden Frühwarnzeichen und des erheblichen Einflusses des Tumorstadiums auf die Prognose kommt einem breiten Screening der asymptomatischen Bevölkerung eine entscheidende Rolle zu. Vorsorgekoloskopie Vorsorge und Diagnostik sollen zum einen das Lebenszeitrisiko für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms verringern, zum andern frühe Stadien des Tumors erkennen, um eine kurative Therapie zu ermöglichen. Um diese Ziele zu erreichen bedient man sich v. a. der Methoden der sekundären Prävention. Als Goldstandard der sekundären Prävention kann die Vorsorgekoloskopie gewertet werden. Adenomatöse Polypen und Frühkarzinome können durch sie im gesamten Kolon nicht nur erkannt, sondern auch in gleicher Sitzung abgetragen werden. Sie weist somit im Vergleich zur flexiblen Sigmoidoskopie und dem FOBT die höchste Sensitivität und Spezifität auf. Die prospektiv angelegte amerikanische National Polyp Study zeigte, dass durch die endoskopische Polypektomie eine Senkung der Inzidenzrate für das kolorektale Karzinom von 76–90% erreicht werden kann (Winawer et al., 1993). Eine italienische Multizenterstudie an über 1600 Patienten konnte diese Ergebnisse auch in Europa bestätigen (Citarda et al., 2001). Seit 2002 wird die Screeningkoloskopie für den asymptomatischen Patienten ab dem 57 55. Lebensjahr in Deutschland empfohlen und von den Krankenkassen finanziert. Nach ersten Auswertungen der Akzeptanz der Screeningkoloskopie in Deutschland nahmen im Jahr 2003 303.052 Patienten diese Leistung in Anspruch. Dies entspricht lediglich 2,4% der berechtigten Frauen und 2% der berechtigten Männer. Insgesamt konnten während dieses Zeitraums in nahezu einem Drittel der untersuchten Personen (28,3%) Krebsvorstufen, d. h. Adenome in verschiedener Größe und unterschiedlichem Differenzierungsgrad gefunden werden, und bei 0,7% der nicht symptomatischen Patienten wurde die Diagnose eines Rektum- bzw. Kolonkarzinoms gestellt (Brenner et al., 2005). Zeigte eine retrospektive Analyse der Koloskopien aus dem Zeitraum zwischen 1999 und 2001 noch, dass über die Hälfte der neu diagnostizierten Kolonkarzinome bereits im UICC-Stadium III und IV vorlagen (Fietkau et al., 2004), so können nun erstmals veröffentlichte Daten aus dem ambulanten Bereich nachweisen, dass im Rahmen der Vorsorgekoloskopie 48% der neu diagnostizierten Kolonkarzinome in einem frühen Tumorstadium (UICC I) detektiert werden konnten (Sieg et al., 2006). In Hinblick auf die Prognose und Therapiemöglichkeiten muss dies als ein wesentlicher Erfolg der Vorsorgekoloskopie gewertet werden. Die Komplikationsrate lag dabei unter 1%. Fazit Die Vorsorgekoloskopie ist bei der Erkennung kolorektaler Karzinome und deren Vorstufen erfolgreich. Dennoch bedarf es einer vermehrten Öffentlichkeitsarbeit, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. J.F. Riemann Medizinische Klinik C Klinikum der Stadt Ludwigshafen gGmbH Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen am Rhein Tel.: (06 21) 5 03-41 00 Fax: (06 21) 5 03-41 14 E-Mail: [email protected] 58 Therapie der Obstipation – eine evidenzbasierte Übersicht M. Karaus Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende Die Obstipation wird nach ihrer Pathophysiologie in 3 Formen unterteilt: 1. Obstipation mit langsamem Dickdarmtransit (slow-transit-Obstipation), 2. anorektale Entleerungsstörung und 3. Obstipation ohne verlängerten Transit und mit normalem Defäkationsvorgang. Mischformen sind nicht selten. Während für die Defäkationsstörung häufiger mechanische Obstruktionen durch inneren Prolaps etc. als das Syndrom des spastischen Beckenbodens verantwortlich sind, ist der Pathomechanismus der slow-transit-Obstipation eine gestörte Dickdarmmotilität. Die dahinter stehenden Ursachen sind noch weitgehend unklar. Bei Patienten mit dem Symptom Verstopfung, aber einer normalen Transitzeit und normaler Defäkation, tritt häufiger eine Psychopathologie wie z. B. eine Depression auf als bei Gesunden oder Obstipierten mit verlängerter Transitzeit. Die Diagnostik bei der Obstipation dient dem Ausschluss organischer Ursachen und der Differenzierung der Obstipationsform. Gefordert werden immer die genaue Anamnese, die körperliche Untersuchung und die funktionelle proktologische Untersuchung. Eine Koloskopie ist nach Empfehlung der Fachgesellschaften nur bei Vorliegen von Alarmsymptomen erforderlich, ansonsten wird sie nur im Rahmen der allgemeinen Krebsvorsorge empfohlen. Weitere Funktionsuntersuchungen sind erst nach Scheitern eines ersten empirischen Therapieversuchs gerechtfertigt. Häufig wird die Obstipation als Zivilisationskrankheit und Folge unserer ungesunden Lebensweise angesehen. Viele der dabei aufgeführten Zusammenhänge basieren jedoch auf ungesicherten Überlieferungen. Diät: Es ist zweifelsfrei belegt, dass durch einen vermehrten Ballaststoffanteil in der Nahrung das Stuhlgewicht erhöht und die Darmtransitzeit verkürzt werden. Oft wird daraus rückgeschlossen, dass Obstipierte zu wenige Ballaststoffe zu sich nehmen. Dies lässt sich jedoch durch Studien nicht bestätigen. Auch sprechen Obstipierte auf einen gesteigerten Ballaststoffverzehr schlechter mit ihrer Darmtätigkeit an als Darmgesunde. Flüssigkeitszufuhr: Eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme wird insbesondere beim alten Menschen für Verstopfungsprobleme mitverantwortlich gemacht. Auch diese Vorstellung lässt sich durch Studien sowohl bei jüngeren Obstipierten als auch bei geriatrischen Patienten nicht belegen. Bewegung: Eine Obstipation lässt sich auch nicht durch eine 59 gesteigerte körperliche Aktivität beeinflussen. Auch bewegen sich Obstipierte egal welcher Altersstufe Vergleichspersonen. nicht weniger Stressfaktoren körperlich können die aktiv als nicht Darmtätigkeit obstipierte beeinflussen, allerdings eher im Sinne einer Stimulation als einer Hemmung mit der Folge einer Obstipation. Die tägliche Hektik in unserem Alltagsleben kann aber zu einem gehäuften Unterdrücken von Stuhldrang führen. Dadurch kann experimentell bei Gesunden die Darmtransitzeit verlängert und die Stuhlfrequenz gesenkt werden. Möglicherweise wird hierdurch auch die Schwelle zum Stuhldrang bei rektaler Dehnung erhöht, wie es bei Obstipierten nachzuweisen ist. Wenn ein Therapieversuch mit Ballaststoffen bzw. Quellstoffen ohne ausreichende Wirkung geblieben ist, werden zur Therapie der chronischen Obstipation Laxanzien eingesetzt. Dabei werden antiresorptiv-sekretorische osmotische Substanzen Substanzen, unterschieden. Makrogole Die (PEG) Makrogole und sind wirksamer und besser verträglich als die osmotisch wirksamen Substanzen wie z. B. Lactulose. Den sogenannten Stimulanzien (Antrachinone und Diphenole) wird oft eine Mutagenität nachgesagt, die sich in prospektiven Studien nicht bestätigte. Auch konnte keine Schädigung des enterischen Nervensystems oder die Entwicklung eines sogenannten Laxanzienkolons nachgewiesen werden. Die Pseudomelanose nach Antrachinonen ist harmlos und reversibel. Die größte Gefahr der Laxanzien liegt im Missbrauch der Substanzen aufgrund einer Fehlindikation durch die Patienten selbst. Richtig dosiert und angewendet sind Laxanzien wirksame und sichere Medikamente zur Therapie der Obstipation. Neue Prokinetika mit dem Wirkprinzip des 5-HT4-Agonismus können in der Zukunft vielleicht eine Alternative sein. Die vorübergehend zugelassenen Substanzen Tegaserod und Cisparid mussten jedoch wegen kardiovaskulärer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden. Vielleicht ist der lokal wirksame Typ-2-Chloridkanal-Aktivator Lubiproston eine wirksame Option in der Zukunft, die auch der klinischen Prüfung standhält. 60 Funktionelle Obstipation: welche Diagnostik für welchen Patienten ? • V.a. Passagestörung (slow transit): – Empirische Therapie – wenn kein Erfolg: Transitzeitmessung mit röntgendichten Markern zur Verifizierung des langsamen Transits (DD normale TZ-Obstipation) – Intensivierung der Laxantientherapie Obstipation: Stufen- Therapie Anamnese Klinische Untersuchung Sekundäre Obstipation Therapie der Grundkrankheit Funktionelle Obstipation Basalmaßnahmen Flüssigkeit (?) Stuhlgangverhalten Ballaststoffe Laxanzien Füll-Quellstoffe Osmotische Laxanzien PEG Langsamer Transit Stimulierende Laxanzien Anorektale Funktionsstörung Biofeedback 61 Chemotherapie beim Kolonkarzinom: Fortschritte durch Biologicals? R. Porschen Klinik für Innere Medizin, Klinikum Bremen-Ost In der palliativen Behandlung des metastasierten und fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Therapieverbesserungen ergeben. Neben der Intensivierung der Therapie durch Kombinationschemotherapien zählen dazu auch die biologischen Therapien in Form der „Targeted Therapies“. Dies beinhaltet schwerpunktmäßig die Einführung von monoklonalen Antikörpern in die Therapie des kolorektalen Karzinoms. Die Etablierung einer Neovaskularisation ist eine wesentliche Voraussetzung für das Tumorwachstum. Die Hemmung der Neovaskularisation besitzt somit ein therapeutisches Potenzial. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab hemmt den vaskulären Wachstumsfaktor VEGF. In der initialen Studie von Hurwitz (NEJM 2004; 350: 2335) wurde der monoklonale Antikörper Bevacizumab zusammen mit einem Bolus-5-FU/Irinotecan-Schema kombiniert. Im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie konnte durch die zusätzliche Gabe des monoklonalen Antikörpers eine Verbesserung des Gesamtüberlebens (20,3 Monate versus 15,6 Monate) und des progressionsfreien Überlebens erreicht werden (10,6 Monate versus 6,2 Monate). Neben der Kombination mit einer Irinotecan-haltigen Chemotherapie ist Bevacizumab auch in Kombination mit Oxaliplatin-haltigen Schemata eingesetzt worden und führte auch hier zu einer Verbesserung. Interessante Ergebnisse haben sich aus einer Beobachtungsstudie in den USA (Brite) ergeben. In dieser nicht randomisierten Beobachtungsstudie führte die Fortführung der BevacizumabTherapie in der Zweitliniensituation nach Versagen der Erstlinienchemotherapie plus Bevacizumab zu einem signifikant längeren Gesamtüberleben. Diese vielversprechenden Beobachtungen müssen allerdings noch in einer randomisierten Studie bestätigt werden. Auch in der Zweitlinientherapie ist der monoklonale Antikörper Bevacizumab eingesetzt worden. In Kombination mit dem FOLFOX-4-Schema führte er nach Versagen der Erstlinientherapie im Vergleich zur alleinigen FOLFOX-Therapie zu 62 einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (7,2 Monate versus 4,8 Monate) und der Remissionsraten (22% versus 9%). Andere biologische Therapien versuchen, in die Wachstumsregulation des kolorektalen Karzinoms einzugreifen. Der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) wird in 25–82% aller kolorektalen Karzinome exprimiert. Die Anti-EGFRStrategien umfassen den Einsatz von Antikörpern sowie von Tyrosinkinaseinhibitoren. Cetuximab ist ein IgG 1 monoklonaler Antikörper, der am EGFR angreift und somit die Proliferation, Angiogenese und Metastasierung hemmt. In der BONDStudie (NEJM 2004; 351: 11) konnte gezeigt werden, dass der Einsatz des monoklonalen Antikörpers nach Versagen einer Irinotecan-haltigen Chemotherapie zu einer signifikanten Verminderung der Tumorprogression führt. Der monoklonale Antikörper Cetuximab ist auch in der Erstlinientherapie eingesetzt worden. In der Crystal-Studie führte die zusätzliche Addition von Cetuximab zu FOLFIRI zu einer Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (8,9 Monate versus 8,0 Monate). Auffallend war in dieser Studie die erhöhte sekundäre Resektabilität von Lebermetastasen nach Cetuximab-Therapie. Panitumumab ist ein weiterer gegen den EGFR gerichteter monoklonaler Antikörper. Die Therapie mit Panitumumab ist beschränkt auf Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom mit nicht-mutiertem K-RAS. Auch bei der Therapie mit Cetuximab ist eine K-RAS-Mutation assoziiert mit einer Resistenz gegen den Antikörper. Die Einführung der monoklonalen Antikörper in die Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms therapeutischen stellt Armentariums eine dar. wesentliche Somit stehen Weiterentwicklung neben den des modernen Kombinationschemotherapien auch Kombinationen mit monoklonalen Antikörpern zur Verfügung. Die Auswahl der Therapie ist dabei abhängig vom zu definierenden Therapieziel. Sollte eine sekundäre Metastasenresektion nach medikamentöser Tumortherapie möglich erscheinen, wird man ein intensivierteres Schema wählen. Dementsprechend wird die Überarbeitung der Deutschen Leitlinie zur Therapie und Diagnostik des kolorektalen Karzinoms verschiedene Subgruppen nach klinischer Situation definieren: 63 1. Patienten mit primär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen 2. Patienten mit Leber- und/oder Lungenmetastasen, potenziell resektabel nach Ansprechen 3. Patienten mit multiplen Metastasen, rascher Tumorprogression, tumorbedingten Symptomen und/oder Risiko für tumorbedingte Organkomplikationen 4. Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option Metastasenrückbildung und/oder schwerer Komorbidität 64 für Resektion nach Anschriften der Referenten und Vorsitzenden PD Dr. S. Faiss III. Medizinische Abteilung Asklepios Klinik Barmbek Rübenkamp 220 22291 Hamburg Prof. Dr. J. Mössner Medizinische Klinik und Poliklinik II Universitätsklinikum Leipzig Philipp-Rosenthal-Str. 27 04103 Leipzig Prof. Dr. B. Högemann Innere Medizin II Klinikum Osnabrück Am Finkenhügel 1 49076 Osnabrück Prof. Dr. M.K. Müller Allgemeine Innere Medizin Marienhospital Osnabrück Bischofsstr. 1 49074 Osnabrück Prof. Dr. M. Karaus Innere Medizin Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende e.V. An der Lutter 24 37075 Göttingen PD Dr. O. Pech Innere Medizin 2 HSK Dr. Horst Schmidt Klinik Ludwig-Erhard-Str. 100 65199 Wiesbaden Prof. Dr. V. Keim Medizinische Klinik und Poliklinik II Universitätsklinikum Leipzig Philipp-Rosenthal-Str. 27 04103 Leipzig Prof. Dr. T. Kucharzik Allgemeine Innere Medizin Städtisches Klinikum Lüneburg Bögelstr. 1 21339 Lüneburg Prof. Dr. B. Lembcke Medizinische Klinik St. Barbara-Hospital Katholische Kliniken Emscher Lippe Barbarastr. 1 45964 Gladbeck Prof. Dr. D. Ludwig Medizinische Klinik I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Prof. Dr. R. Porschen Klinik für Innere Medizin Klinikum Bremen-Ost Züricher Str. 40 28325 Bremen Prof. Dr. J.F. Riemann Medizinische Klinik C Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Prof. Dr. S. Rossol Medizinische Klinik Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2–26 60488 Frankfurt am Main Dr. M. Schadowski Innere Medizin II Klinikum Osnabrück Am Finkenhügel 1 49076 Osnabrück Dr. K. Schütte Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Universitätsklinikum Magedburg Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg 65 PD Dr. T.W. Spahn Allgemeine Innere Medizin Marienhospital Osnabrück Bischofsstr. 1 49074 Osnabrück Prof. Dr. C.P. Strassburg Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover 66