Eine effektive Therapieoption

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AMBULANTER LUNGENSPORT
Eine effektive Therapieoption
Regelmäßiges körperliches Training im Rahmen von ambulanten Lungensportgruppen
ist ein kostengünstiger und hocheffektiver Baustein in der Behandlung vieler Patienten mit
chronisch pneumologischen Erkrankungen.
egelmäßiges körperliches Training (KT) ist
ein wichtiges Prinzip zur Risikoreduktion und
Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen. Körperlich untrainierte haben im Vergleich zu fitten Menschen eine bis zu dreifach erhöhte Mortalität. Dies
konnte auch für Lungenerkrankungen gezeigt werden (1, 2). Viele Patienten schonen sich jedoch, weil
unter körperlicher Belastung rasch Atemnot auftritt.
Die Folge ist eine weitere Abnahme der Kondition
und die Lebensqualität des Betroffenen sinkt.
Letztlich gerät der Patient in einen negativen
Kreislauf.
Körperliches Training ist eine sichere nicht-medikamentöse Therapie, die zumindest bei der chronisch
obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und beim
Asthma (4, 5) einen hohen Evidenzgrad hat und deshalb auch in den aktuellen Leitlinien empfohlen wird
(6, 7). Aber auch bei anderen chronischen Lungenerkrankungen mehren sich die Studien, die positive Ergebnisse erbracht haben (8).
Durch den ambulanten Lungensport (LS) besteht
für Patienten in Deutschland die Möglichkeit, unter
fachgerechter Anleitung regelmäßig körperliches
Training durchzuführen. Ziele des Lungensports sind
die Verbesserung und die Erhaltung der physi-
schen Leistungsfähigkeit – zum Beispiel der Muskulatur, so dass höhere Belastungen mit weniger
Atemaufwand möglich werden.
Prinzipiell ist körperliches Training – und damit
auch der ambulante Lungensport – für jeden Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung sinnvoll. Vor Einleitung ist jedoch eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Folgende Kriterien ermöglichen den Einschluss:
● Mindestbelastbarkeit von 25 Watt über 3 Minuten
im steadystate von Herzfrequenz und Atmung:
30/min nach Bronchodilatation oder 6-MinutenGehstrecke > 200 m
● SaO2 unter Belastung (25 Watt) > 90 Prozent
(gegebenenfalls unter O2-Gabe)
● RR systolisch < 220 mmHg; diastolisch
< 120 mm Hg
● Keine Ischämiezeichen oder bedrohliche Rhythmusstörungen im Belastungs-EKG
Wichtig ist, dass zunächst die aktuelle Befindlichkeit des Patienten geprüft wird und dann eine Aufwärmphase erfolgt. In der Hauptphase ist die Trainingsintensität in Abhängigkeit vom Schweregrad
der Erkrankung und der Leistungsfähigkeit des Patienten festzulegen.
Koordinations- und
Rumpftstabilisierungstraining im
Rahmen des ambulanten Lungensports
Foto: Marc Spielmanns, St. Remigius Krankenhaus Leverkusen Opladen
R
Perspektiven der Pneumologie und Allergologie 1/2016 | Deutsches Ärzteblatt
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VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE VERORDNUNG
Lungensport zählt zum Rehabilitationssport für chronisch kranke Menschen und ist in § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX festgeschrieben. Wenn der Patient die Voraussetzungen erfüllt und
die Sportgruppe durch einen Behindertensportverband anerkannt wird, ist eine Abrechnung mit den Kostenträgern möglich. Die Krankenkassen bezuschussen bis zu 120 Übungseinheiten (ÜE) innerhalb eines Zeitraums von 36 Monaten bei den
Diagnosen Asthma und COPD. Bei anderen Diagnosen bis zu
50 ÜE in 18 Monaten. Eine Weiterverordnung ist möglich.
Der „Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitationssport“
(Formular M56, über die kassenärztlichen Vereinigungen erhältlich) kann von jedem Arzt (!) ausgefüllt werden und wird
mit 120 Punkten abgerechnet (EBM-Nr. 01621).
Mit diesem Formular sucht der Patient eine Lungensportgruppe auf. Diese sind überwiegend Sportvereinen angegliedert. Aber auch einige Physiotherapiepraxen, Fitnessstudios
und Rehabilitationskliniken betreuen Lungensportgruppen.
Mit der Bestätigung des Fachübungsleiters auf dem Formular
kann der Sportinteressent die Kostenübernahme bei der
Krankenkasse beantragen.
Lungensport kann auch nach einer pneumologischen
Rehabilitation (PR) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung direkt von der Reha-Einrichtung als Erhaltungsmaßnahme für sechs Monate verordnet werden (Formular G850). Die
Fortführung des im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation begonnenen körperlichen Trainings ist damit geebnet.
Die Leitung der Gruppen (maximal 15 Teilnehmer) wird durch Fachübungsleiter für den Bereich
Lungensport übernommen. Ein Arzt muss nicht
zwingend anwesend sein.
Die Sporteinheiten finden meist ein- bis zweimal
pro Woche statt und sollen durch eigenes Training
ergänzt werden. Das gemeinsame Üben in festen
Gruppen ist Voraussetzung, um gruppendynamische Effekte zu fördern, den Erfahrungsaustausch
zwischen den Betroffenen zu unterstützen und damit
den Selbsthilfecharakter der Leistung zu stärken.
Für die Praxis ist zu beachten:
● COPD-Patienten
●
●
unter einer Langzeitsauerstofftherapie sollten infektfrei sein und ihr eigenes Sauerstoffgerät zum Training mitbringen. Der
Übungsleiter sollte über ein Pulsoxymeter feststellen können, ob die Sauerstoffsättigung während
des Trainings über 90 Prozent liegt.
Mit COPD-Patienten bei respiratorischer Globalinsuffizienz sollte primär unter stationären Bedingungen (zum Beispiel in einer Rehabilitation)
eine Bewegungstherapie durchgeführt werden.
Asthmakranke Kinder können bei Peak-FlowWerten über 80 Prozent des persönlichen Bestwer-
Die medizinischen Voraussetzungen sind ausführlich in den Empfehlungen
der Deutschen Atemwegsliga zu Sport und körperlichem Training bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen (3) und auf der Website
der AG Lungensport (www.lungensport.org) dargestellt.
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●
●
●
tes und Stabilität ihrer Erkrankung am Lungensport teilnehmen. Dies gilt auch für Erwachsene
mit kontrolliertem Asthma.
Wegen der großen Gefahr der herzbedingten Dekompensation sollten Patienten mit schwerem
pulmonalen Hochdruck nicht an ambulanten
Lungensportgruppen teilnehmen.
Ein Gruppentraining ist für Patienten mit Mukoviszidose wegen der hohen Infektgefahr problematisch.
Bei Patienten mit Lungenfibrose hingegen ist – in
einer stabilen Phase der Erkrankung – ambulanter
Lungensport unter Kontrolle der Sauerstoffsättigung möglich.
Ergebnisse des Lungensports
Die Heterogenität der wissenschaftlichen Studien
zu körperlichem Training bei COPD und Asthma-Patienten erschwert die Vergleichbarkeit. Während
im deutschsprachigen Raum ambulante Sportprogramme in der Regel als Rehabilitationssport in
Form des niederfrequenten, ein- bis zweimal wöchentlichen LS angeboten werden, werden im europäischen und englischsprachigen Ausland Sportprogramme im Sinne eines outpatient, community- oder
home-based Rehabilitationsprogramms angeboten.
Erfreulicherweise stammen bei den aktuellen Studien
auch einige international publizierte Studien aus dem
deutschen Sprachraum.
Perspektiven der Pneumologie und Allergologie 1/2016 | Deutsches Ärzteblatt
Zusammenfassend zeigen die Programme bei
COPD-Patienten je nach Intensität und Struktur unterschiedlich stark positive Effekte auf:
● körperliche Leistungsfähigkeit,
● Befindlichkeit,
● Symptomatik und
● Frequenz an Rehospitalisierungen (9).
Auch die gerätegestützte Krankengymnastik
(KGG) ist ein verordnungsfähiges Heilmittel für Patienten mit krankheitsbedingter Hypotrophie der
Muskulatur und wird durch speziell weitergebildete
Physiotherapeuten vorgenommen. Sie bietet die
Möglichkeit eines eng betreuten körperlichen Trainings. Die Verordnung von KGG kann die bestehende Versorgungslücke zwischen Rehabilitation und
LS schließen, denn die Rahmenvereinbarung über
den Rehabilitationssport schließt Maßnahmen an
technischen Geräten zum Muskelaufbau oder zur
Ausdauersteigerung explizit aus.
Resümee und Ausblick
● Regelmäßiges
●
●
●
●
körperliches Training ist ein kostengünstiger und hocheffektiver Therapiebaustein
in der Behandlung vieler Lungenerkrankungen.
Aktuell sind in der Adressdatenbank der AG Lungensport über 800 Gruppen aufgelistet (www.lun
gensport.org).
Ihre Anzahl ist erfreulicherweise steigend, dennoch besteht aufgrund der Inzidenz von Lungenkrankheiten insgesamt noch ein Defizit.
Der Implementierungsleitfaden der AG Lungensport e. V. bietet konkrete Hilfestellungen für die
Einrichtung und Organisation neuer Lungensportgruppen.
Letztendlich liegt es aber am Engagement von
Vereinen, Trainern, Kostenträgern, Akut- und Rehabilitationskliniken, Physiotherapeuten, Sportlehrern und Ärzten, den Ausbau des Netzes an LS▄
Gruppen bundesweit zu vervollständigen.
DOI: 10.3238/PersPneumo.2016.02.26.04
Dr. med. Marc Spielmanns
Remigius-Krankenhaus Leverkusen-Opladen, Medizinische Klinik
Dr. phil. Oliver Göhl
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
Dr. med. Rüdiger Bock
Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie,
Lungenpraxis Alstertal, Hamburg
Dr. med. Konrad Schultz
Klinik Bad Reichenhall, Zentrum für Rehabilitation,
Pneumologie und Orthopädie
Prof. Dr. med. Heinrich Worth
Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
Interessenkonflikt: Die Autor Spielmanns erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von der Firma Boehringer Ingelheim sowie Vortragshonorare
von AstraZenca und Bayer.
@
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/0816
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Ambulanter Lungensport
Eine effektive Therapieoption
Regelmäßiges körperliches Training im Rahmen von ambulanten Lungensportgruppen
ist ein kostengünstiger und hocheffektiver Baustein in der Behandlung vieler Patienten mit
chronisch pneumologischen Erkrankungen.
LITERATUR
1. Myers J, Prakash M, Fröhlicher V, et al.: Exercise capacity and
mortality among men referred for exercise testing. N Engl J Med
2002; 346: 793–801.
2. Gimeno-Santos E, Frei A, Steuer-Stey C, et al.: PROactive consortium. Determinants and outcomes of physical activity in
patients with COPD: a systematic review. Thorax 2014; 69:
731–9.
3. Worth H, Meyer A, Folgering H, et al.: Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zum Sport und korperlichem Training bei
Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen. Pneumologie,
2000; 54: 61–7.
4. Carson KV, Chandratilleke MG, Picot J, Brinn MP, Esterman AJ,
Smith BJ: Physical training for asthma. Cochrane Database Syst
Rev. 2013 Sep 30;9:CD001116. DOI:
10.1002/14651858.CD001116.pub4.
5. Avallone KM, McLeish AC: Asthma and aerobic exercise: a review
of the empirical literature. J Asthma 2013; 50: 109–16.
6. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (2014) Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of
chronic obstructive pulmonary disease. www.goldcopd.com/
uploads/users/files/GOLD_Report_2014_Oct30.pdf. accessed
May 27, 2014.
7. Global strategy for asthma prevention and treatment 2014.
http://ginaasthma.org.
8. Spruit MA, Singh SJ, Garvey C, et al.: ATS/ERS Task Force on
Pulmonary Rehabilitation. An Official American Thoracic Society/
European Respiratory Society Statement: Key Concepts and
Advances in Pulmonary Rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med
2013; 188: 13–64.
9. Spielmanns M, Göhl O, Schultz K, et al.: Kurz- und langfristige
Effekte eines ambulanten Sportprogramms für COPD-Patienten:
Der Lungensport. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1001–5.
Perspektiven der Pneumologie und Allergologie 1/2016 | Deutsches Ärzteblatt
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