Geisteswissenschaft Thomas Haschka Veränderungen der Persönlichkeit bei Morbus Alzheimer Diplomarbeit Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de/ abrufbar. Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsschutz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Auswertungen durch Datenbanken und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten. Copyright © 2002 Diplomica Verlag GmbH ISBN: 9783832464400 http://www.diplom.de/e-book/221864/veraenderungen-der-persoenlichkeit-beimorbus-alzheimer Thomas Haschka Veränderungen der Persönlichkeit bei Morbus Alzheimer Diplom.de Thomas Haschka Veränderungen der Persönlichkeit bei Morbus Alzheimer Diplomarbeit an der Universität Wien Fachbereich Psychologie September 2002 Abgabe ID 6440 ID 6440 Haschka, Thomas: Veränderungen der Persönlichkeit bei Morbus Alzheimer Hamburg: Diplomica GmbH, 2003 Zugl.: Wien, Universität, Diplomarbeit, 2002 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. 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Darstellung der theoretischen Grundlage 2 2.1 2 2.2 Einleitung Möglichkeiten der Frühdiagnostik 2.2.1 Probleme der Differentialdiagnostik 6 2.2.2 Möglichkeiten der Frühdiagnostik 8 2.2.2.1 Neuropsychologische Begutachtungsverfahren 2.2.2.2 ADL- und IADL-Skalen 2.2.2.3 Der Testing-the-Limits-Ansatz 2.3 2.4 6 10 10 11 2.2.3 Die altersassoziierten Gedächtnisbeeinträchtigungen 13 2.2.4 Differentialdiagnostik der depressiven Symptome 16 Altersassoziierte Veränderungen der Persönlichkeit 19 2.3.1 Psychologische Veränderungen im Alter 19 2.3.2 Physiologische Veränderungen des Gehirns 23 2.3.3 Faktoren für “gutes“ Altern 26 Postmorbide Veränderungen der Persönlichkeit 30 2.4.1 Abnahme der Extraversion 31 2.4.2 Weitere häufig beobachtbare Persönlichkeitsveränderungen 32 2.4.3 Depressionen und depressive Verstimmungen 35 2.4.4 Weitere Veränderungen der Stimmungslage 42 2.5 2.6 3 Prämorbide, krankheitsfördernde Veränderungen der Persönlichkeit 46 2.5.1 Physiologische Unterschiede zum „normalen“ Altern 46 2.5.2 Schädigungsmodelle 49 2.5.3 Stress als krankheitsförderndes Ereignis 54 2.5.4 Depressive Störungen und andere psychische Krankheiten 57 2.5.5 Psychosoziale Einflüsse 61 2.5.6 Beschreibung der Studien von Bauer (1994, 1995) 69 Zusammenfassung der Literatur 75 Beschreibung der empirischen Methode 79 3.1 Versuchsplan – Die Methode des Fremdratings 79 3.1.1 Vorteile des Fremdratings 83 3.1.2 Versuchsdesign 85 3.1.3 Statistische Hypothesen 87 Die Stichprobe 89 3.2.1 Alter 90 3.2.2 Geschlecht 91 3.3 Untersuchungsmaterialien 92 3.4 Untersuchungsdurchführung 93 3.2 4 4. Ergebnisse der Untersuchung 4.1 95 Zusammenhänge der Fremd-Fremd- und Selbst-Fremd – Beurteilungen 95 4.2 Zusammenhänge der Doppelbeurteilungen 99 4.3 Faktorenanalyse der Fragebogenitems 102 4.4 Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe 110 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.7 4.8 110 Unterschiede zum Zeitpunkt der Untersuchung 112 Unterschiede zwischen den Lebenspartnern der Beurteilten 115 Veränderungen der Persönlichkeit zwischen den Einschätzungszeitpunkten 4.5.1 4.6 Unterschiede 10 – 15 Jahre vor der Untersuchung Veränderungen der Persönlichkeit bei Alzheimer – Patienten 116 116 4.5.2 Veränderungen der Persönlichkeit der Kontrollgruppe 118 Zusammenhänge der Persönlichkeitsmerkmale bei Alzheimer-Kranken und Gesunden 120 Unterschiede zwischen den Einschätzungszeitpunkten und den Versuchsgruppen 124 Sonstige Unterschiede 126 4.8.1 Unterschiede zwischen den erlebten Stressepisoden 127 4.8.2 Unterschiede zwischen den Hobbies der Beurteilten 128 4.8.3 Unterschiede zwischen den Hobbies der Lebenspartner 130 5 5. Diskussion 132 5.1 Zusammenfassung 132 5.2 Evaluation der Hypothesen 136 5.2.1 Zusammenhänge der Fremd-Fremd- und Selbst-Fremd- Beurteilungen 136 5.2.2 Zusammenhänge der Doppelbeurteilungen 137 5.2.3 Faktorenanalyse der Fragebogenitems 139 5.2.4 Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe 139 5.2.5 Unterschiede zwischen den Zeitpunkten 141 5.2.6 Zusammenhänge der Persönlichkeitsmerkmale bei Alzheimer- Kranken und Gesunden Unterschiede in den Veränderungen der Persönlichkeit zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe 5.2.8 Sonstige Unterschiede zwischen VersuchsUnd Kontrollgruppe 142 5.2.7 5.3 144 144 Integration der Ergebnisse mit der Forschungsliteratur 145 5.3.1 Altersassoziierte Veränderungen der Persönlichkeit 145 5.3.2 Ergebnisse zum „guten“ Altern 146 5.3.3 5.3.4 Postmorbide Veränderungen der Persönlichkeit durch Morbus Alzheimer 146 Prämorbide, krankheitsfördernde Veränderungen der Persönlichkeit 147 5.3.5 Die Methode des Fremdratings 148 5.4 Grenzen der vorliegenden Studie 149 5.5 Empfehlungen für zukünftige Forschungen und Konklusion 150 6. Literaturverzeichnis 7. Anhang 151 Der Fragebogen mit den Deckblattversionen 6 1. Entwurf der Problemstellung Im Zusammenhang mit der Suche nach Literatur über die Art der Veränderungen des Gedächtnisses – im Besonderen des semantischen Gedächtnisses – bei Patienten mit Morbus Alzheimer, stieß ich auf einen Beitrag von Joachim Bauer (1994), in dem die Vermutung geäußert wurde, dass die Persönlichkeit möglicherweise eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit spielen könnte. Einerseits wurde in diesem Beitrag darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich möglich sei, dass gewisse Persönlichkeitseigenschaften bzw. -veränderungen, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln, an der Entstehung der Krankheit mit-verursachend wirken, oder andererseits diese Veränderungen der Persönlichkeit bereits erste frühe Zeichen einer beginnenden kognitiven Einschränkung sein könnten. Diese ersten kognitiven Einschränkungen würden der Ansicht von Bauer (1994) demnach in diesem Falle anfänglich nicht bemerkt oder mithilfe von Copingmechanismen gut vor der Umwelt versteckt werden und sich mit zunehmender Schwere der kognitiven Einbußen schließlich in einem späten Stadium krankheitswertig äußern. Auf der Suche nach weiter vorhandener Literatur zu diesem Themengebiet konnte ich einige Artikel zusammentragen, die diesen Ansatz plausibel erscheinen lassen und so begann ich mich für die Rolle der Persönlichkeit bei dieser relativ häufigen Erkrankung zu interessieren, wobei es prinzipiell aber nicht von Bedeutung zu sein scheint, welches der oben genannten Erklärungsmodelle tatsächlich zutrifft, da es sich einerseits bei den beobachteten Veränderungen wahrscheinlich um einen schleichender Übergang in ein krankheitswertiges Stadium handelt, diese Frage andererseits mit den heute zur Verfügung stehenden neurologisch-diagnostischen Mitteln nicht geklärt werden kann. Viel wesentlicher aber scheint die Frage zu sein, ob - wenn die Hypothese zutrifft, und wenn ja für welche Gruppen - diese Veränderungen der Persönlichkeit nicht für die Frühdiagnose oder frühestmögliche Differentialdiagnose zu anderen dementiellen Erkrankungen verwendet werden könnten beziehungsweise ob therapeutische oder auch generell präventive Interventionen im Bereich der Persönlichkeit und der sozialen Beziehungen nutzbringend wären. 1 2. Darstellung der theoretischen Grundlage 2.1 Einleitung Dementielle Syndrome, und hier im Besonderen die senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT), stellen aufgrund mehrerer Faktoren einen immer bedeutenderen Themenbereich dar. Die WHO (in Zaudig M., 1994) bezeichnete die Alzheimer-Demenz übrigens bereits 1981 als eines der größten Probleme der heutigen Welt. Zum Einen wird diese Problematik in der Zukunft aufgrund der steigenden Lebenserwartung – nach Angaben des Österreichischen Statistischen Zentralamtes (1992, in Fischer, Danielczyk, Jellinger, Simanyi, Gatterer & Marterer, 1992) wird die mittlere Lebensdauer bis 2015 um 4 Jahre (bei Männern auf 75, bei Frauen auf 81 Jahre) ansteigen und die Zahl der über 80-jährigen wird sich um 30% erhöhen - noch häufiger auftreten. Bedenkt man, dass nach Angaben von Mortimer, Schumann und French (1981, nach Fischer et al., 1992) das Risiko eines Menschen der westlichen Welt je an einer Demenz zu erkranken bereits heute mit über 20% angegeben wird und sich dieser Anteil eben aufgrund der allgemein steigenden Lebenserwartung ständig leicht erhöht, so lässt sich die Bedeutung der dementiellen Krankheitsbilder für die Zukunft deutlich erkennen, wobei es sich nach Angaben von Fischer und Mitarbeitern (1992) bei über 60% der Demenzsyndrome bei Älteren aber ausschließlich um eine Alzheimer´sche Erkrankung und nur bei 16 bzw. 8% um Multi-Infarkt–Demenzen bzw. sogenannte Mischdemenzen, einer Kombination aus Alzheimer´scher – und Multi–Infarkt–Demenz, handelt. Ein anderer wesentlicher Aspekt betrifft besonders die klinische Psychologie: Da, wie Hagnell, Franck, Gräsbeck, Öhman, Otterbeck und Rorsman (1992) anführen, das Wissen um die Wurzeln der Alzheimer-Demenz noch sehr gering ist, die Risikofaktoren, abgesehen von einigen möglicherweise genetisch verursachten Fällen, noch nicht klar herausgearbeitet worden sind und diese Faktoren darüber hinaus möglicherweise zahlreich sowie untereinander verbunden sein könnten, würde die psychologische Frühdiagnostik mittels gesicherter Verfahren eine zentrale Rolle in diesem Bereich einnehmen können. 2 Eine frühe Diagnosestellung wäre zudem nach Zaudig (1994) deswegen wünschenswert, da gerade in der Frühphase einer Demenz noch viele Chancen für die Erfassung reversibler bzw. behandelbarer Demenzen und der dafür notwendigen bzw. möglichen therapeutischen Intervention bestehen würden. Im weitesten Sinn könnte man auch die Pseudodemenzen zu diesen reversiblen Formen der Demenz zählen und auch hier scheint eine frühzeitige Differentialdiagnostik gegenüber der Gruppe der Demenzen für eine adäquate Behandlung von großer Bedeutung zu sein, insbesondere deshalb, weil es möglich scheint, dass solche Pseudodemenzen den Grundstein für eine spätere Demenz mitbegründen können und eine geeignete Behandlung der durch Depressionen verursachten Pseudodemenz dieses Risiko minimieren könnte. Ebenfalls häufig mit der Alzheimer´schen Erkrankung verwechselte Arten der Gedächtnisbeeinträchtigung, die nach Kessler und Kalbe (1997) bisher nur durch verhaltensorientierte Diagnostik von den leichten Formen der Alzheimer-Erkrankung unterschieden werden können, bilden die Formengruppe der leichten kognitiven Beeinträchtigungen, da bis heute „auch mit hochauflösenden bildgebenden Verfahren, wie Kernspintomographie und PET, Personen mit Gedächtnisbeeinträchtigungen im Alter, sehr frühe Formen der Alzheimer-Erkrankung und kognitiv unbeeinträchtigte ältere Menschen nicht valide separiert werden konnten“ (S. 873). Aber nicht nur im Bereich der Frühdiagnostik erscheint die Miteinbeziehung der Psychologie dienlich zu sein, auch bei der Behandlung fortgeschrittener Demenzen ist diese Disziplin zukünftig gefordert, bessere und wirksamere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, um den malignen Verlauf dieser Krankheiten zu verlangsamen, zu stoppen oder vielleicht sogar teilweise rückgängig zu machen, da medizinische Vorhaben in dieser Richtung zumindest im Bereich der Alzheimer-Krankheit uns hier insbesondere in Bezug auf frühdiagnostische Methoden und früh greifende Therapiemöglichkeiten noch keine wesentlichen Fortschritte erbracht haben. 3 Die Bedeutung der Alzheimer´schen Krankheit liegt also einerseits in einem für die Zukunft zu erwartenden Anstieg der Erkrankungsfälle begründet, die eine Entwicklung adäquater psychologischer beziehungsweise therapeutischer Behandlungsverfahren notwendig machen, andererseits wird gerade von der klinischen Psychologie erwartet, geeignete Methoden zur frühestmöglichen Diagnostik, sowie zur Differentialdiagnostik zu in ihrer Frühsymptomatik der Alzheimer-Krankheit sehr ähnlichen Krankheiten zu schaffen, um jeweils geeignete therapeutische Interventionen so bald als möglich einsetzen lassen zu können. Ein im Rahmen der Alzheimer-Krankheit ebenfalls als krankheitsbedingt angesehenes Symptom, das zwar in den diagnostischen Kriterien für eine Demenz vom Alzheimertyp im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM III, revised, 1987; nach Chatterjee, Strauss, Smyth & Whitehouse, 1992) erwähnt wird, bis heute aber nicht sehr viel Bedeutung erlangt hat, betrifft die veränderte Persönlichkeit der Erkrankten. Die vorliegende Arbeit soll daher mithelfen die Ursachen und die Ausprägungen dieser Persönlichkeitsveränderungen aufzeigen, um erste, frühdiagnostisch verwertbare Anzeichen der Erkrankung erkennen zu können, sowie eventuell frühzeitige therapeutische Interventionen setzen zu können. Chatterjee, Strauss, Smyth und Whitehouse (1992) führen jedenfalls drei mögliche Erklärungen für die beobachtbaren Persönlichkeitsveränderungen an: • Die weitverbreitetste Meinung besteht sicherlich darin, dass die individuellen Persönlichkeitszüge durch die fortschreitende Krankheit akzentuiert und im Sinne einer Übertreibung und Verschärfung der Charakterzüge verändert werden. • Eine zweite mögliche Erklärung könnte in einer interindividuell sehr ähnlichen, systematischen Veränderung der Persönlichkeit durch Alzheimer begründet sein, das würde bedeuten, dass Patienten im Laufe dieser Erkrankung Veränderungen im gleichen Ausmaß erfahren und die jeweilige Ausprägung durch die prämorbiden Eigenschaften bestimmt werden. • Eine andere Annahme geht davon aus, dass es lediglich spezielle Patientensubtypen gibt, die sich im Gegensatz zum “normalen“ Symptombild durch spezielle Persönlichkeitsveränderungen manifestieren. 4 Einen Überblick über mögliche funktionelle Erklärungsansätze für die festgestellten Unterschiede zum prämorbiden Niveau geben Siegler, Welsh, Dawson, Fillenbaum, Earl, Kaplan und Clark (1991): Die Persönlichkeitsveränderungen könnten • Copingadaptionen darstellen, die infolge des zunehmenden Gedächtnisverlustes entwickelt werden, um mit der Umwelt zurechtzukommen, oder • Folgen des Verlustes spezieller integrativer Funktionen durch die Krankheit sein, oder auch • wie Mortimer (1988; nach Siegler et al., 1991) vermutet, ein frühes und prädiktives Zeichen der späteren morbiden Entwicklung sein. Im Zusammenhang mit der letztgenannten Vermutung scheint zumindest der Versuch angebracht zu sein, eventuelle frühzeitige Veränderungen der Persönlichkeit zu erfassen, um eine neue Möglichkeit für die Frühdiagnostik, vielleicht aber auch für die frühe Therapie nutzen zu können, bzw. wie Costa und McCrae (1993) meinen, die Möglichkeit zu schaffen, aus gesicherten Erkenntnissen über die jeweiligen Veränderungen Vorhersagen für zukünftige kognitive Behinderungen zu ermöglichen, die wiederum durch frühzeitiges Training zumindest gemindert werden könnten. In der vorliegenden Arbeit soll daher nach einem kurzen Überblick über die aktuellen Forschungsansätze in der Frühdiagnostik, ihre Bedeutung für Intervention und Differentialdiagnostik der Alzheimerkrankheit und einer Zusammenfassung der Forschungsergebnisse zur “normalen“ Veränderung der Persönlichkeit im Alter versucht werden, die Rolle der Persönlichkeitsveränderungen im Krankheitsprozess für Früherkennung, Diagnostik, Verlaufsbestimmung, Behandlung und mögliche Therapie darzustellen, um anschließend daran die Ergebnisse der empirischen Prüfung der sich aus dem theoretischen Teil ergebenden Fragen zu präsentieren. 5 2.2 Möglichkeiten der Frühdiagnostik bei Morbus Alzheimer Im nun folgenden Abschnitt soll vor allem auf aktuelle Forschungsansätze in der Frühdiagnostik und ihre Bedeutung für die Differentialdiagnostik beispielsweise zu den leichten kognitiven Störungen oder zu Depressionen bzw. Pseudodemenzen, sowie auf die Bedeutung dieser Methoden für die gezielte Frühintervention eingegangen werden. 2.2.1 Probleme der Differentialdiagnostik Zaudig (1994) beschreibt die Schwierigkeiten der Früherkennung bezüglich der existierenden diagnostischen Methoden folgendermaßen: Leider stellt die Früherkennung und damit auch die Diagnostik dementieller Syndrome, insbesondere der Alzheimer´schen Erkrankung, immer noch ein erhebliches Problem dar. Das hängt überwiegend damit zusammen, dass beginnende und damit leichte kognitive Defizite älterer Menschen meist nicht erkannt werden, zum größten Teil wegen des derzeit immer noch bestehenden Mangels an eindeutigen Kriterien zur Diagnose ‚leichte kognitive Störung’ bzw. dem Beginn einer Demenz. ... . Gerade die Früherkennung und verbesserte Diagnostik dementieller Syndrome ist ein sehr wichtiger Punkt für die weitere Therapieplanung, für die Prophylaxe, für die künftige Gesundheitsplanung auch der Bevölkerung. Die Früherkennung der Demenz wirft noch weitere große Probleme auf, z.B. die Abgrenzung zum gesunden Altern oder die Abgrenzung zur sogenannten gutartigen Altersvergeßlichkeit. ... Tatsächlich sind bis heute die Meinungen sehr kontrovers, ob es z.B. nun eine gutartige Altersvergeßlichkeit gibt, ob Gedächtnisstörungen zum physiologischen Altern dazugehören usw. (S. 2324). Eine relativ häufige Verwechslung mit dem Krankheitsbild Alzheimer wird dabei in Zusammenhang mit der Multi-Infarkt-Demenz (MID) beobachtet. Nach Fischer und Mitarbeitern (1992) wird die MID nämlich in der klinischen Praxis aufgrund des Verdachtes oder auch des Nachweises eines erlittenen Schlaganfalls zu häufig diagnostiziert, obwohl nicht unbedingt ein ursächlicher Zusammenhang dieser beiden Erkrankungen bestehen muss. 6 Er verweist auf die Ergebnisse mehrerer Studien (vgl. Fisher, 1965; Wildi, Linder & Costoulas, 1964; nach Fischer et al., 1992 ), die zeigen, dass Lakunen, die als Zeichen eines erlittenen Infarktes gelten, bei 10% der über 65-jährigen und bei 80% der über 100jährigen vorgefunden werden können, ohne dass besondere Auffälligkeiten der intellektuellen Fähigkeiten bemerkt werden, wobei es natürlich in Hinblick auf die Erkenntnisse hinsichtlich der Theorien zur kognitiven Plastizität nach Kruse und Lehr (1988, in Zaudig, 1995) auch möglich erscheint, dass durch Infarkte verursachte Schäden ausgeglichen werden können. Die Ergebnisse einer Untersuchung von Tuszynski, Petito und Levy (1989) an mehr als 2.800 Autopsiefällen zeigen ebenso, dass Lakunen bei sehr verschiedenen Erkrankungen auftreten können, – in dieser Untersuchung wurden bei 64% der Gehirne früherer Bluthochdruck, bei 34% Diabetes und bei 46% Rauchen als Risikofaktoren bestimmt - die meisten dieser Lakunen (bei 81% der Untersuchten) zudem asymptomatisch auftreten und die Mehrheit der Patienten mit einer Multi-Infarkt-Demenz eben keine solchen Anzeichen einer kognitiven Einschränkung aufweisen. Eine Studie von Wetterling, Vieregge und Borgis (1992) zur klinischen Früh- differenzierung von Demenzen mittels neurologischer bzw. neuropsychologischer und Laboruntersuchungen, sowie CT und EEG weist zwar darauf hin, dass eine Unterscheidung zwischen Multi-Infarkt-Demenz einerseits und einer Alzheimer-Demenz bzw. einer Mischdemenz andererseits sowohl durch den neurologischen Befund als auch mittels der Ischämie-Skalen von Hachinski möglich ist, wobei aber, wie bereits angemerkt, neurologische Auffälligkeiten durchaus auch bei gesunden älteren Menschen zu finden sein können. Betreffend der Hachinski-Skalen muss zusätzlich nach einer Untersuchung von Fischer und seinen Mitarbeitern (1992) bemerkt werden, dass auch mit diesem Instrument bei einer unkritischen Anwendung die Diagnose MID häufig bei vorliegender Alzheimer-Krankheit gestellt wird. Nach Gatterer (1997) wird durch diese Skalen darüber hinaus nicht bestimmt, ob eine Alzheimer-Demenz vorliegt, „sondern aufgrund verschiedenster, teilweise auch uncharakteristischer Merkmale die Diagnose einer Multi-Infarkt-Demenz ausgeschlossen“ (S. 666). 7 Der Ansicht, mittels neurologischer Auffälligkeiten Demenzen diagnostizieren zu können, widersprechen auch die Ergebnisse einer älteren Studie von Jacoby und Levy (1980), die zwar erhöhte cerebrale Atrophien bei Demenzpatienten feststellten, die Übergänge zwischen Gesunden und Dementen hinsichtlich der Atrophieausprägung aber als fließend bezeichnen. Zusätzlich fanden Jacoby und Levy (1980) bei ihrer Studie trotz sorgfältigem Ausschluss von Personen, die Anzeichen für eine Multi-Infarkt-Demenz zeigten, häufiger cerebrale Infarkte bei der Versuchsgruppe der Dementen im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe, besonders häufig dann, wenn die Patienten einen erhöhten diastolischen Blutdruck aufwiesen. Die ebenfalls bereits angeführte Studie von Wetterling, Vieregge und Borgis (1992) konnte weiters auch keine signifikanten Unterschiede zwischen Personen mit einer reinen Demenz vom Alzheimertyp und Personen mit einer Mischdemenz feststellen, Labor-, EEG- und CT-Befunde konnten zu dieser Unterscheidung ebenfalls nur wenig beitragen. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Abgrenzung der Demenzen von anderen mnestischen Störungen beziehungsweise die frühe Differentialdiagnostik der Demenzen mittels neurologischer Methoden jedenfalls bisher nicht ausreichend möglich zu sein scheint. 2.2.2 Möglichkeiten der Frühdiagnostik Im Bereich der psychodiagnostischen Verfahren existieren nur wenige zur Früherkennung geeignete Methoden. Der folgende Abschnitt soll einen kurzen Überblick über die bestehenden Testverfahren sowie über die Grenzen und Probleme der Einsetzbarkeit der jeweiligen Tests geben: Der Demenz-Test von Kessler und Mitarbeitern (1988; nach Gatterer, 1997), ein multimodaler Untersuchungsansatz, ermöglicht nach Angaben der Verfasser unter anderem eine Diagnosefestigung für Hirnleistungsstörungen im Frühstadium, kann über die Art der Störung zu diesem Zeitpunkt alleine nichts aussagen. 8 Ähnliches gilt für das DCS – das Diagnostikum für Cerebralschädigung (Weidlich & Lamberti, 1993; nach Gatterer, 1997), welches das Ausmaß einer eventuell vorliegenden mnestischen Funktionsstörung messen und für den Bereich der Frühdemenzdiagnostik geeignet sein soll, allerdings über die Ursache der Störungen ebenfalls keinen Aufschluss geben kann. Dieselben Probleme ergeben sich auch beim Berliner Amnesietest (Metzler et al., 1992; nach Gatterer, 1997), der ebenfalls nur mnestische Defizite diagnostizieren kann, es fehlen allerdings auch hier noch gesicherte Erfahrungen mit dementen Personen. Ergebnisse des Rivermead Behavioral Memory Tests (RBMT, Wilson et al., 1989; nach Gatterer, 1997), eines weiteren Verfahrens zur Diagnostik von Gedächtnisstörungen, dürften nach Ansicht mehrerer Autoren (Beardsell et al., 1991; Goldstein et al., 1992; in Gatterer, 1997) auch für die Verwendung in der Frühdiagnostik einer Demenz sprechen, es existieren bis jetzt allerdings ebenfalls nur wenige klinische Erfahrungen zur Evaluierung. Der Aachener Aphasie Test (AAT, Huber et al., 1983; nach Gatterer, 1997) dürfte insofern nur bedingt einsetzbar sein, da er lediglich sprachliche Beeinträchtigungen bei Probanden misst, die in einem für die Früherkennung doch schon recht späten Stadium der Alzheimer-Demenz auftreten. Zaudig (1994) verweist auf eine weitere Testmöglichkeit, auf das SIDAM, “das Strukturierte Interview zur Diagnose der Demenz vom Alzheimer-Typ, der MultiinfarktDemenz und anderer Ätiologie nach DSM-III-R und ICD-10“ von Zaudig und Hiller (1995). Es soll nach Angaben der Autoren sowohl die Unterscheidung dementer von nichtdementen Personen, sowie mit Hilfe des SIDAM-Scores (SISCO) eine genaue Einschätzung des Schweregrades auch leichtester kognitiver Beeinträchtigungen erlauben, eine differentialdiagnostische Abklärung der Demenzart ist aber auch hier nicht möglich. Abgesehen von den jeweils spezifischen Mängeln der aufgeführten Testmethoden weist Jolles (1987) zusammenfassend darauf hin, dass eigentlich noch kein zuverlässiges und sensitives Verfahren zur Frühdiagnostik bezüglich des dementen Formenkreises besteht, da nie klar erkennbar sein kann, welche kognitiven Defizite als Ursache für schlechte Testwerte angesehen werden dürfen, psychometrische Tests also nur kognitive Leistung und nicht kognitive Funktion messen und daher weder für Früh- noch für Differentialdiagnostik geeignet sein können. 9