VT Behandlung von Suchterkrankungen

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Behandlung und Sucht in der VT
30.09. – 01.10.2016 Magdeburg
Udo Raum
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Agenda
Freitag, 30.09.2016
Samstag, 01.09.2016
Ausgewählte Programme
Einführung in das Thema:
• Sucht, kurze Einführung:
Diagnostik, Funktion u. a.
• Besonderheiten in der
Behandlung und
grundlegende Konzepte:
u. a. Motivation, Intention,
transatheoretisches
Konzept
• Übungen mit Selbstbezug
Vertiefung in das Thema:
• Beziehungsgestaltung
(u. a. Sachse; Young)
• Motivierende Gesprächsführung
(Miller & Rollnik)
Ausgewählte Programme:
• Programm zum Kontrolliertes
Trinken
• Rückfallprophylaxe-Training
• Arbeit mit Co-Abhängigen
• Übungen, Demonstrationen
zu Methoden und
Interventionen
Texte mit grüner Umrandung bedeuten Interventionen oder Beispiele
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Abhängigkeitsentwicklung als Kontinuum in Anlehnung an Winters et al. (2001):
Zweipolige Skala zwischen den Polen Abstinenz und Abhängigkeit
(vgl. DSM – IV oder ICD – 10):
Abstinenz: Suchtmittelfreie Lebensweise. Zu unterscheiden ist ein unterschiedliches
Abstinenzverhalten von und nach einer Abhängigkeitserkrankung.
Experimentierkonsum: Minimaler Konsum. Oft werden verschiedene Suchtstoffe ausprobiert. Erste
negative Folgen zeigen sich (reaktives Erbrechen, situative Panikattacke, Filmriss).
Schädlicher Gebrauch: Regelmäßiger und häufiger Gebrauch über einen längeren Zeitraum, schon
mit negativen Konsequenzen für den Konsumenten, doch ohne eigentliche
Abhängigkeitssymptomatik. Im Sinne des ICD – 10: F 1x.1 Nachweis, dass der Substanzgebrauch
ursächlich ist für körperliche oder psychische Probleme. Die Art der Schädigung ist klar benennbar.
• Das Konsummuster besteht seit mindestens einem Monat und trat wiederholt in den letzten zwölf
Monaten auf.
• Die Kriterien treffen nicht zum gleichen Zeitpunkt auf eine andere Störung zu.
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Diagnosen
Abhängigkeitssyndrom: ICD-10: F 1x.2
 Toleranzentwicklung des Konsumenten hinsichtlich des Suchtstoffes.
 Kontrollverlust des Konsumenten hinsichtlich des Suchtstoffes in der Einnahme zu begrenzen.
 Dies führt zu erfolglosen Versuchen den Suchtstoff zu reduzieren oder zu konsumieren.
 Der Lebensalltag und die Lebensweise werden auf die Einnahme des Konsums mehr und mehr
ausgerichtet; andere Aktivitäten oder Bedürfnisse werden eingeschränkt.
 Konsumbedingte körperliche und psychische Probleme werden (in der Tendenz) ignoriert.
Multipler Substanzkonsum: ICD-10: F19
 Konsum von mind. drei oder mehr psychotropen Substanzen.
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Diagnosen
Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen ICD-10: F 55.x
• Antidepressiva (ICD-10: F 55.0)
• Analgetika (ICD-10: F 55.2)
• Steroide oder Hormone (ICD-10: F 55.5)
Impulskontrollstörungen, Abnorme Gewohnheiten und Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F 63.x)
• Pathologisches Spielen (ICD-10: F 63.0)
• Pathologische Brandstiftung, Pyromanie (ICD-10: F 63.1)
• Pathologisches Stehlen, Kleptomanie (ICD-10: 63.2)
• Trichotillomanie (ICD-10: 63.3)
• Sonstige abnorme Gewohnheiten und Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F 63.8)
• Impulskontrollstörung hinsichtlich sexuellem Verhalten immer zwei Diagnosen:
(ICD-10: F63x und F65.x und/oder F 66.x )
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Suchtanamnese & psychologischpsychiatrische Befunderhebung
Spezielle Suchtanamnese
Hauptsubstanz: Substanz oder Verhalten erfragen
• Alter/ Situation bei Erstkontakt
• Alter bei erstem regelmäßigen Konsum
• Alter bei Beginn des abhängigen Konsums
• Abstinenzperioden?
• Aktuelles Konsummuster (Dosis, Trinkfrequenz, Getränk, Situation, morgendlicher
Konsum, sozialer Kontext des Konsums)
• Vom Patienten angestrebte Wirkung (Funktion des Konsums)
• Komorbidität?
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Suchtanamnese
Vorhandensein von Abhängigkeitskriterien in Bezug auf die Hauptsubstanz
• Verlangen, Craving
• Verminderte Kontrollfähigkeit
• Konsum, um Entzugssymptome zu vermeiden
• Körperliche Entzugserscheinungen
• Dosissteigerung, Toleranzentwicklung
• Konsum in sozial unangemessenen Situationen
• Vernachlässigung anderer Interessen, Vergnügen
• Konsum trotz Nachweis schädigender Folgen
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Eigenanamnese
Entzugsbehandlungen
• Selbstversuch?
• Ambulante und/oder stationäre Behandlung?
• Stationär Entgiftungen und Therapien, Gesamtzahl?
• Jahr, der ersten Behandlung (Einrichtung), des ersten Entzug?
• Jahr, der letzten Behandlung (Einrichtung), des letzten Entzug?
• Notwendigkeit der Behandlung von Komplikationen
(z.B. Überdosierungen, drogeninduzierten Psychosen)!
• Beachten der Komorbidität und ggf. polytoxisches Verhalten
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Fremdanamnese
Beachte:
Das Einverständnis des Patienten ist erforderlich: der Arzt ist zur
„Geheimhaltung“ verpflichtet, z.B. aber bei akuter Suicidalität ist eine
sorgfältige „Güterabwägung“ notwendig
(ausdrückliches Einverständnis des Patienten ist nicht notwendig)
Problematik: „Sanktion einer Verletzung von Privatgeheimnissen zum Schutz des
Persönlichkeitsrechtes §§203 und §§204 StGB wird deutlich“
„Höherrangige Interessen können die Durchbrechung der Schweigepflicht als
eine seltene, durch Güterabwägung gerechtfertigte Erlaubnis gebieten“
Achtung:
Selbstschilderung wird modifiziert, z.B. wenn sozial unerwünschte
Verhaltensweisen einen Konflikt zwischen dem Patient und dem Befragten
bestehen. (Konflikthafte Beziehung?)
Allgemein:
Die Fragen an die Angehörigen decken sich in etwa mit den Fragen an den
Patienten
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Zusammenfassend:
Eigen- und Fremdanamnese
Gliederung
• Krankheitsgeschichte
• Lebensgeschichte
• Familienanamnese
Vorgehensweise: gezielt, aktiv, systematisch nach den jeweils wissenswerten Tatbeständen fragen
Wichtig!
• Ausgangspersönlichkeit
• Frühere seelische Krisen
• Frühere psychiatrische Untersuchungen
Am Ende
• Eindruck über Vertrauenswürdigkeit und Persönlichkeit des Referenten seine Einstellung
zum Patienten sein Interesse an der Sache
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Screening Interview (Hier Alkohol)
CAGE
1. Hatten Sie jemals das Gefühl, dass Sie weniger trinken sollten? - (Cut down)
2. Hat es sie belästigt oder gekränkt, wenn jemand Ihr Trinken kritisiert hat? - (Annoyed)
3. Hatten Sie jemals Schuldgefühle wegen Ihres Trinkens? - (Guilty)
4. Mussten Sie jemals morgens trinken, um sich zu beruhigen oder in Gang zu kommen
- (Eye opener)
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Screening Interview (Hier Alkohol)
LAST Lübecker Alkoholismus Screening Test
1. Sind Sie immer in der Lage, Ihren Alkoholkonsum zu beenden, wenn Sie es wollen?
2. Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass sie ihren Alkoholkonsum verringern
sollten?
3. Haben Sie schon einmal wegen Ihres Alkoholtrinkens ein schlechtes Gewissen gehabt
oder sich schuldig gefühlt?
4. Haben Ihre Partner oder ihre Eltern oder andere nahe Verwandte sich schon einmal über
ihr Trinken Sorgen gemacht oder sich beklagt?
5. Haben Sie wegen Ihres Trinkens einmal Probleme am Arbeitsplatz bekommen?
6. Ist Ihnen schon einmal gesagt worden, Sie hätten eine Störung der Leber
(z.B. Fettleber oder Lebercirrhose?)
7. Waren Sie schon einmal in einem Krankenhaus wegen ihres Alkoholkonsums?
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Psychotherapeutische
Behandlung der Sucht
• Motivation und Intention
• Transaktionales Konzept
• Ambivalenz
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Psychotherapeutische Behandlung der Sucht: Chronologische Aspekte
Bedeutung:
• Paradigmenwechsel in der Suchtbehandlung in den 80er und 90er Jahren:
 Weniger konfrontative, aversive Methoden und Interventionen
 Stattdessen Fokussierung auf Motivation
Grundlage u. a.:
1. Motivierende Gesprächsführung nach Miller und Rollnick
 Humanistisches Paradigma: klassische Gesprächspsychotherapie nach
Rogers (dtsch. 1972)
2. Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Paradigma:
 „selfefficacy model“ (Bandura, 1977)
 Methodik der kognitiven Verhaltenstherapie (A. T. Beck 1978, u. a.),
 Transtheoretisches Modell (Di Clementi, Prochaska & Nocross 1992)
3. Aktuell: Berücksichtigung eines komorbiden Störungsgeschehens
 Rückfallprophylaxe Training (RPT, Klos und Görgen, 2009)
 Sucht und Persönlichkeitsstörungen (Schematherapie, Ball, 2006)
 Sucht und Psychose
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Unterscheidung
• Motivation
• Volition
… Streben und Ausrichten des Verhaltens nach erwarteter Folgen
bzw. wünschenswerten Zielzuständen, bewusst oder automatisiert.
(Problem: Sammelbegriff)
… die Bildung, Planung, Durchführung und Realisierung von Absichten und
eben von Motiven. (Im Volksmund: „Willensstärke“ oder „Willenskraft“).
Damit aus der Therapiemotivation
eine Veränderungsabsicht wird,
ist zu Beginn eine Vorstellung über
die angenommenen Ziele und die
Folgen der Behandlung notwendig.
Im Verlauf der Behandlung erfolgt
eine Festigung der Veränderungsabsicht
durch Klärungsarbeit der Motive.
Rubikon-Modell der Handlungsphasen (Heckhausen, Gollwitzer et al. 1987)
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1. Motivation
Exkurs: Therapiemotivation und Änderungsmotivation
Therapiemotivation (Sachse et al, 2011):
• Lediglich die Motivation ein therapeutisches Setting aufzusuchen
• Die unterschiedliche Gründe:
 Sich einem Behandlungsprozess zu unterziehen: Ziel → Veränderung
 Fassadäre Alibi-Strategie: Ziel, keine Veränderung aber Zustimmung, Erlösung
oder Stabilisierung, Demonstration, Sicherheit etc.
Ziel
Kontrolle, Erhalten des ist Zustands.
Änderungsmotivation:
• Änderungsmotivation = Änderungsentschlossenheit
• „Änderungsmotivation ist die Motivation, aktiv etwas dafür tun zu wollen,
dass sich ein Zustand oder ein System ändert: Der Patient will nicht nur, dass etwas „anders wird“
(motiviert), er will „etwas anders machen“ (volitional).
• Setzt eine antizipierte Vorstellung voraus, was sich durch die Behandlung verändern soll und eine
Ahnung, wie die Veränderung zu erreichen ist.
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Eigenschaften von Änderungsmotivation
Eine Änderungsmotivation impliziert ferner, eine Vorstellung über
•
Krankheitssymptome und die Nachteile, „Kosten“ der Symptomatik
•
Die Nachteile, („Kosten“), die wesentliche Bedürfnisse oder eine Erfüllung von Motiven
verhindert.
Eine Attribuierung der Symptomatik auf sich selber und damit die Einschätzung selbst die
Nachteile („Kosten“) zu erzeugen. Die Folge ist, dass der Patient davon ausgeht, selber
etwas ändern zu müssen, um eine Symptomreduzierung zu erreichen. (Sachse et al, 2011)
Eine Akzeptanz oder zumindest ein Hinnehmen der Patientenrolle und des
therapeutischen Settings und der damit verbundenen Nachteile, („Kosten“).
Eine Klärung und eine Reduzierung der Ambivalenz, die bei der Frage aufgeworfen wird,
an der Behandlung teilzunehmen oder nicht.
•
•
•
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Änderungsmotivation und Leidensdruck
Leidensdruck (Sachse, et al. 2011):
• Der Patient nimmt die Nachteile, („Kosten“) seiner Symptomatik wahr oder zum Teil war.
• Dies bedeutet aber nicht, dass Leidensdruck gleich Änderungsmotivation ist:
o
Leidensdruck ≠ Änderungsmotivation
• Der Patient kann Leidensdruck auch äußern, um andere Nachteile („Kosten“) zu reduzieren oder
in seiner Motivation stark ambivalent sein.
• Für die Ausbildung einer Änderungsmotivation erscheint Sachse et al. die Hinzufügung einer
Verantwortungsübernahme wesentlich.
o
Leidensdruck + Verantwortung = Änderungsmotivation
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Relevanz für die therapeutische Arbeit
Zu Beginn einer Behandlung abklären, was ein Patient tatsächlich von der Behandlung hat,
bzw. haben will:
• Was möchte er von der Behandlung, an Behandlungserfolg mitnehmen?
• Ist er „Besucher“ oder „Kunde“? Ist er stabilisierungsmotiviert hinsichtlich seines aktuellen
Status oder ist er veränderungsmotiviert?
• Inwieweit erkennt der Patient die „Kosten“ seiner Problematik und attribuiert diese auf sich
selber?
• Inwieweit kann er erkennen, dass er durch seine Problematik wesentliche andere
Grundbedürfnisse nicht erfüllt bekommt, Grundbedürfnisse ggf. selber sabotiert?
• Wie hoch ist seine Verantwortungsübernahme?
Makro- und Mikromotivation
• Ohne Makromotivation keine Mikromotivation! Deshalb besteht zu Beginn einer Behandlung
sehr viel Klärungsarbeit mit dem Ziel, konkrete und realistische langfristige Ziele erreichen
zu können.
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Volitionsphase der Handlungsrealisierung
Transtheoretisches Modell nach Di Clementi, Prochaska, Norcross (1992)
1. Absichtslosigkeit
 Precontemplation
2. Absichtsbildung
 Contemplation
3. Vorbereitung
 Preparation
4. Aktion/ Handlung
 Action
5. Aufrechterhaltung
 Maintenanche
6. Stabilisierung
 Termination
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Transtheoretisches Modell
1. Absichtslosigkeit (Precontemplation)
• Eingeschränktes/fehlendes Problembewusstsein
• Keine oder nur eine geringe Absicht das Problem zu verändern.
• Die Wahrnehmung des Problems wird vermieden
• Behandlungsmotivation gering und wenn überhaupt dann extrinsisch.
2. Absichtsbildung (Contemplation)
• Nachdenklichkeit: die Nachteile („die Kosten“) werden bewusst.
• Probleme werden als solche erkannt, aber noch keine Veränderungsmotivation
• Ambivalenz: Abwägen von Vor- und Nachteilen, Inkongruenz
3. Vorbereitung (Preparation)
• Nachdenklichkeit: Entschlussbildung, das Verhalten zu verändern steht kurz bevor.
• Veränderungsmotivation ist gebildet und noch ohne intentionale Stärke.
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Transtheoretisches Modell
4. Aktion/Handlung (Action)
• Handlung: Aktive Einstellung zur Verhaltensveränderung
• Veränderung der Problembewältigung: Reduzierung von vermeidenden, dysfunktionalen
Verhaltensweisen und erlernen eines funktionalen Copings
• Ressourcenaktivierung
• Erkennen erster positiver Veränderungen des Problemverhaltens
5. Aufrechterhaltung (Maintenanche)
• Aufrechterhalten gezielter Veränderungen
• Stabilisierung eines funktionalen Copings
• Zunehmende größere Motivation Rückfälle zu verhindern
6. Stabilisierung (Termination)
• Zunehmende Stabilisierung und der damit verbunden Bewältigungsstrategien
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Phase der Motivbildung und Motivklärung: Herausbilden einer Makromotivation
• Änderungsmotivation bedeutet:
 Die Vorstellung, was übergeordnet wichtig ist, was längerfristige, soziale „Lebens“ -ziele
sind und wie sich diese im Alltag realisieren.
 Die Vorstellung, welche Therapieziele leiten sich hiervon ab oder was will ich in der
Therapie erreichen? Was würde mich zufriedener machen?
 Sind diese Lebensziele mit wesentlichen sozialen Motiven und letztendlich auch den
Therapiezielen vereinbar? (vgl. Ambivalenz)
 Welche positiven Effekte würden aus einer erfolgreichen Therapie resultieren?
• Klärung wesentlicher dysfunktionaler Einstellungen (kognitive Schemata)
 Welche Einstellungen („innere Begrenzer“ oder „innere Antreiber“) bestehen
(überwiegend implizit), die einen Therapieerfolg unwahrscheinlich erscheinen lassen
(vgl. Veränderungsarbeit) und wie komme ich zu einer funktionalen Überzeugung über
mich und die Beziehungen um mich herum?
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Ambivalenz & Konflikte zwischen Motiven
Thesen (Sachse, 2011, Grawe, 1998)
• Keine Entscheidung ohne Kosten
• Kein Veränderungsprozess ohne „Kosten“
• Mit jedem Veränderungsprozess geht eine Annäherungs- und Vermeidungstendenz einher.
Deshalb kein Veränderungsprozess ohne Ambivalenz.
 Annäherungstendenz TA: Σ Änderungsmotiven (Symptome loszuwerden, Kosten zu
verringern; Kontrolle über die Probleme etc.)
 Vermeidungstendenz TV: Σ Ängste, Antriebslosigkeit, Symptome werden genossen etc.
und manifestiert sich in „Sabotage“).
• Konfliktpunkt TA = TV: Ambivalenz wird explizit darstellbar. Dollard und Miller (1950) AmbivalenzKonflikt oder Annäherungs-Vermeidungskonflikt
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Therapeutische Strategie
• Herausarbeiten der wesentlichen Symptomkosten
 Welche wesentlichen, sozialen Nachteile – „Kosten“ - hat der Patient?
 Welche wesentlichen Motive, Grundbedürfnisse sind durch „Kosten“ beeinträchtigt?
 Welche „Kosten“ werden durch die Therapie und durch meine Mitarbeit reduziert?
 Wie wichtig ist die persönliche Bedeutung der „Kosten“ und warum genau möchte
der Patient die „Kosten“ reduzieren?
 Welche Annährungs- und welche Vermeidungsziele bestehen?
• Ambivalenz des Motive herausarbeiten und gegenständlich machen.
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Ambivalenzproblem dargestellt durch die Kosten-Nutzen-Waage
Nachteile („Kosten“) des
des Status Quo
versus
Nutzen einer Veränderung
Nutzen des Status Quo
versus
Nachteile einer
Veränderung
Ist der Patient stabilisierungsmotiviert hinsichtlich seines aktuellen Status (Person, Identität,
Emotionalität etc.) oder ist er veränderungsmotiviert (Hinsichtlich welcher Dimension)?
Welche Annäherungstendenzen und welche Vermeidungstendenzen zeigt der Patient?
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Tabelle zur Entscheidungswaage (Miller & Rollnick, 2004, Seite 34):
(Achtung: Gründe, die für eine abstinente Lebensweise sprechen oder für ein Weiter konsumieren,
sollten sich möglichst an dem Erleben, also der Emotionalität ausrichten! Kein kognitiver Diskurs
über die Vor- und Nachteile von Sucht!!!)
Weiter konsumieren
abstinente Lebensweise
Vorteile
Nachteile
Vorteile
• Entspannung
• Euphorisieren
• Ritual, Statussymbol soz.
Szenen
• Kompetenzerleben oder
-steigerung
• Frustrationen …
… von Grundbedürfnissen
• Körperliche Schädigung
• Verlust von Status,
Beziehungen
• Verlust der
Steuerungsfähigkeit
• Ressourcen
• Körperliche
Gesundheit
• Selbstsicherheit
• Legalität
• „Klaren Blick für die
Realität“
etc.
etc.
etc.
Nachteile
• Weniger Spaß
• Verlust der
soz. Szene
oder des soz.
Status
• Fortlaufende
Kog. Kontrolle
• Identität?
etc.
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Methoden und Interventionen zur Motivationsarbeit (Change-Talk):
• Wichtigkeitsrating, Skalierungsübungen und Aufgaben
• Vier Felder-Entscheidungsmatrix
• „Stühlearbeit“, (Young, dtsch. 2004, Roediger 2008)
„Einpersonenrollenspiel“, EPR (Rainer Sachse, 2006, 2011)
„emotionsfokussierte Psychotherapie“, (Greenberg, 2002)
• Interventionen:
 Offene Fragen
 Sokratischer Dialog
 Zirkuläres Fragen
 Reframing, Umattribution, Realitätsvalidierung
29
Wichtigkeitsrating, Skalierungsübungen und Aufgaben
0
5
10
Durchführungshinweis: Gefahr einer ausschließlich kognitiven Bearbeitung.
Aber wesentlich ist eine emotionale Fokussierung und Erlebnisorientierung.
Interventionsbeispiele:
Klärung
• Was halten Sie im Moment von einer Veränderung, hin zur Abstinenz?
• Wenn „0“ für „nicht wichtig“ stünde und „10“ für „sehr wichtig“, welchen Wert würden
Sie sich selber im Moment geben?“
• Was gab den Ausschlag, dass Sie diesen Wert gewählt haben und nicht einen tieferen?
Veränderung
• Was müsste geschehen, damit Ihr Wert auf der Skala um eine Position ansteigen würde?
• Nach der Therapie, auf welcher Position würden Sie sich dann befinden?
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Emotionsgenerierender Dialog des Patienten zwischen
• PSt. dys. (Patientenstuhl) einerseits dysfunktionalen
(symptombezogenen) Kognitionen/ Bewältigunsmodi
und
„Patientenposition“, PSt. dysfunktional
dysfunktionale Anteile
• PSt. funk. (Therapeutenstuhl) andererseits
funktionalen (lösungsorientierten)
Kognitionen/Bewältigungsmodi
Therapeut: Moderiert den Dialog
des Patienten, fasst zusammen
und setzt ihn zweckgerichtet um.
„Therapeutenstuhl“ PSt. funktional
funktionale Anteile
„Therapeuten-Stuhl“
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Stühlearbeit, Einpersonenrollenspiel (EPR) & emotionsfokussierte Psychotherapie
Veränderungs- und Klärungsmethode zum Zweck
• Erkennen dysfunktionaler Bewältigungsstrategien
• Kognitive Umstrukturierung (Reframing)
• Schemata, Bedürfnisse zu differenzieren
• Ressourcen zu aktivieren
• Aufbau funktionaler Bewältigungsstrategien...
• und diese konsequent durchzudenken, zu erleben
• und Aufbau von Veränderungsmotivation
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Zirkuläres Fragen (Triadisches Fragen)
• Frage- und Interventionstechnik, zum Anregen eines Perspektivenwechsels,
(„…sich in andere hineinversetzen zu können.“).
Veränderung starrer Kommunikations- und Beziehungsmuster sowie Herstellung eines
Realitätsbezugs.
• Prinzip des „offenen Tratschens“ oder des „um die Ecke Fragens“. Gegensatz zum linearen Fragen.
Beispiele:
 „(Name) wie hat der (Mitpatient X) die Situation erlebt und wie würde er diese beurteilen?“
(triadische Frage)
 „Was glaubst Du als Patient, wer den meisten Vorteil davon hat, wenn auf der Station alle ein
Abstinenzgebot einhielten?“ (Klassifikationsfrage)
 „Was hat sich für wen und wie verändert, seit es hier auf der Station strickte unvorsehbare
Drogenkontrolle gibt?“ (Wirklichkeitskonstruktion)
 „Nehmen wir an, Ihre Frau (oder eine andere nahe Bezugsperson) würde merken, dass Sie
zwei Jahre nicht mehr konsumiert hätten. Was würde sich für die Beteiligten ändern?“
(Wunderfrage)
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Selbstinstruktionsmethoden und Modelle
• Ursprung: Gruppe von Techniken zur Veränderung des „inneren Monologs“
(geht auf Vygotsky, 30er und 40er Jahre und später Meichenbaum,
„Cognitive-behavior therapy“ in den 70er Jahren [1974, 1979, 1982] zurück).
• Später Modifikation und Anwendung in VT: Zum Beispiel
 Meta-kognitives Training
 „Gesunder-erwachsener Modus“ Moduskonzept der Schematherapie
• Prinzipielles Vorgehen:
1. Zunächst Analyse und Klärung des inneren Monologs, Aufmerksamkeitsfokussierung auf das
aktuelle Erleben („innere Achtsamkeit“)
2. Veränderung des inneren Monologs (emotionale und kognitive Techniken)
3. Bilden einer meta-kognitiven Steuerung mit dem Ziel einer inneren Balance und eines nach
außen gerichteten Ausgleichs zwischen inneren sozialen Grundbedürfnissen und äußeren
Ansprüchen.
4. Einüben und trainieren der Kontrollstrategien
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Sokratischer Dialog
• Charakteristisch ist ein fortlaufendes und hypothesengeleitetes Fragen,
ohne bewusst dogmatisch oder appellativ Erklärungen zu geben.
• Der Patient soll quasi „klientenzentriert“ seine eigenen Einstellungen,
Meinungen und Umgangsweisen reflektieren.
• Der Therapeut nimmt in der Therapeut – Patient – Beziehung eine
scheinbar nicht – wissende,
naiv - fragende und um ein Verständnis bemühte,
sowie dem Patienten zugewandte und engagierte Haltung ein.
• Alte Sichtweisen, insbesondere dysfunktionale Einstellungen, negative Selbstüberzeugungen zu
reflektieren und auf den Realitätsbezug hin zu überprüfen (Vorhandene Widersprüche und
Inkongruenzen erkennen, „Realitätsprüfung“).
• Selbständig alternative und funktionale Strategien zur Problemlösung entwickeln.
• Selbständiges ressourcenorientiertes Denken und Handeln fördern.
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Reframing, Umattribution, Realitätsvalidierung: u. a.
• Reframing (positive Umbewertung eines Symptoms)
„Bis zur nächsten Sitzung machen Sie alles, was Sie in Ihrem Abstinenzverhalten fördert.“
(…dem entgegen, „konsumieren Sie nicht.“)
• Umattribution: Differenzierung und Veränderung der Ursachenzuschreibung, veränderte
Attribuierung (Konzept „Locus of Control, Rotter“ 50er/60er Jahre)
• Realitätsvalidierung: Austesten von Kognitionen, Körpererleben, Biofeedback
• Technik der Entkatastrophisierung: realistische Antizipation von Konsequenzen.
• Symptomverschreibung: (hierbei Vorsicht!!!) Appelle oder Interventionen zum Zweck, den Bezug
zum sozialen System zu klären, aufzudecken. Die Handlungskontrolle über die problematische
Verhaltensweise (Modus) wieder zu erlangen. Annahme: Jedes Problemverhalten oder maladaptives
Schema besitzt eine Funktion bezogen auf das soziale System.
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4. Motivation durch Rückbezug: Reflexion des Erreichten
Rückbezug meint eine Reflexionsschleife mit einem meta-kognitiven
Bewertungsprozess über die (Be)-handlungsphase.
Ziel: meta-kognitive Steuerung anregen.
 Nach einer Sitzung:
„Was nehmen Sie aus der heutigen Sitzung mit?“
oder
„Was war in der heutigen Sitzung wichtig, wo es sich lohnt im
Anschluss noch einmal drüber nachzudenken?“
 Nach einer Behandlung: „Was haben Sie in den letzten Monaten an Stabilität erreicht?“
oder
„Wie schaffen Sie es abstinent zu bleiben?“, auf veränderte
Problembewältigungsstrategien fokussieren.
 Nach einem Rückfall oder einer Krisenbewältigung: Aufarbeitung der Krisenproblematik
 Benennen von stabilisierende Faktoren
 Benennen von Krisenfaktoren zur Stabilisierung
 Bei Ambivalenz: Ambivalenz explizieren
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Plausibilitätsfallen (vgl. Ellis, Rational-Emotionale Therapie RET)
• „Besucher“ weisen vor allem zu Beginn einer Behandlung häufig Überzeugungen hinsichtlich ihrer
Person, der Problematik und generell ihrer Lebenszufriedenheit auf, die den Aufbau einer
Veränderungsmotivation erschweren und die dysfunktionalen Bewältigungsmodi (→ Symptome)
stabilisieren. Beispiele:
 „Trösten Sie mich nicht. Das ist Mitleid! Bin dann ein kleines Kind. Schonen Sie mich nicht. Ich
will stark sein.“
 „Klar habe ich Abends zwei, drei Bier getrunken. Deshalb bin ich aber noch kein Alkoholiker.
Die Diagnose nach der letzten Entgiftung ist gelogen.“
• Interventionen (→ Kongruenz zu den Grundbedürfnissen ausdrücken)
 „Ich kann verstehen, wenn Sie stark sein wollen. Als Therapeut ist mir aber wichtig, Ihnen hier
in der Behandlung Raum für Ihre verletzten Gefühle und Bedürfnisse zu geben, die jeder
Mensch hat.“
 Konfrontationen des Ambivalenz-Erlebens/der Symptomatik als Hypothese oder als Frage
formulieren: „Mir erscheint…“, oder noch vorsichtiger, „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre
…Ich möchte Ihnen ja gerne glauben, dass Sie… Aber mein Wissen sagt mir, dass Ihre
geröteten Augen dafür sprechen, dass Sie am Wochenende getrunken haben.“
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3. Präaktionale Phase: Volitionsphase der Entschlussbildung
Therapeutisches Vorgehen bei Schwierigkeiten bei der Entschlussbildung
• Geringe oder ungeklärte Motive:
 Die „Symptomkosten“ werden als zu gering eingeschätzt, um eine tatsächliche
Veränderungsentschlossenheit auszubilden.
 Kosten deutlich machen
 Grundbedürfnisse verdeutlichen und klären
 Ambivalenz herausstellen und klären
• Probleme bei der Erarbeitung von Motiven:
 Keine oder nur geringe Introspektionsfähigkeit
 Ausgeprägte Vermeidungsmotive (im Sinne von Grawe, 1998)
 Dysfunktionale kognitive Schemata:
Bagatellisierungsstrategie, polarisiertes Denken etc.
• Konflikt zwischen Motiven: Ambivalenzen
 Die einzelnen Konfliktanteile klären, herausstellen und Entscheidung
herbeiführen. → Problem: Ambivalenzen
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Präktionale Phase der
der Entschlussbildung
• Wie erfolgt eine Entschlussbildung?
• Wie können Patienten in ihrem
Entschluss stabilisiert werden?
40
Präktionale Phase der Entschlussbildung
• Phase einer Zustandsveränderung vom Motivations-, in den Entscheidungszustand
„ich wünsche mir“
„ich möchte“
„ich strebe an“
„ich will, bin entschlossen“
„ich habe eine Vorstellung
der Konsequenzen“
• Stärke der Entschlussbildung Intervall (mit Bezug auf Sachse, 2011):
Pseudo-Entscheidung
Echte Entscheidung
„Ich könnte etwas verändern“
„Ich will eine Veränderung“
Vorsatzbildung, aber keine
„Ich nehme auch die Kosten,
Entscheidung für eine
Nachteile einer Veränderung
Alternative. Entscheidung
in Kauf und schirme die
auf der Ebene von „SilversterEntscheidung anderen
vorsätzen“ (Kuhl, 1983)
Möglichkeiten gegenüber ab.“
• Entscheidend für eine möglichst „starke“ Entschlussbildung ist eine Klärung der Motive,
Grundbedürfnisse auf der Makroebene (Frage: Warum Therapie?). Explizierung!!!
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Modelle zur Erklärung von motivationalen Prozessen
Erwartung –mal-Wert-Modelle (Übersicht: Heckhausen, 1989)
• Die Motivation, ein bestimmtes Therapieziel erreichen zu wollen, ergibt sich aus der Höhe der
persönlichen Bedeutung (Valenz) dieses Ziels und der Beurteilung der Höhe der
Erfolgswahrscheinlichkeit dieses Ziel zu erreichen.
M(otivation) = V(alenz) x W(ahrscheinlichkeit)
(Motivation = Wichtigkeit x Zuversicht)
!
Motivational betrachtet kann eine hohe persönliche Bedeutung eines Ziels eine geringe
Erfolgswahrscheinlichkeiten ausgleichen.
Wichtigkeit
„Abwägen“
&
Motivation
Zuversicht
„Licht am Ende des Tunnels“
42
Selbstwirksamkeitserwartung und Locus of control (Bandura, 1986; Rotter, 1954)
• Konzept: „Locus of Control“ (LoC, Rotter) Attribution von Erfolg/Misserfolg auf internale versus
externale Ursachen. These: internale, variable und kontrollier-bare Ursachenzuschreibung erhöht die
eigene Effizienzerwartung beim nächsten Mal weiterhin erfolgreich zu sein (Weiner, 1986).
• Selbstwirksamkeitserwartung (SWE): Annahmen einer Person über ihre Potentiale und
Ressourcen, um zielführend Handlungen auszuführen, damit die antizipierten Ziele erreicht werden
(Bandura, 1986).
43
4. Selbstwirksamkeit fördern
• These von Miller & Rollnick (ebda., 62):
 Die Selbsteinschätzung, sich verändern zu können, wird als wichtiger Motivator angesehen
 Der Patient trägt die Verantwortung für die Umsetzung seines Veränderungsentschlusses
 Die Ansicht des Therapeuten, dass der Patient eine Fähigkeit zur Veränderung besitzt, wird zur
Selffulfilling Prophecy (vgl. Rosenthal-Effekt, u. a. 1992)
Interventionsbeispiele (auch ressourcenorientierte Strategien):
 „Schauen Sie mal, seit zwei Wochen sind Sie abstinent: Wie schaffen Sie es, sich zu
kontrollieren? … oder … dem Suchtdruck standzuhalten?“
 „Zwischen 1989 und 1996 hatten Sie eine stabile abstinente Phase.
Wie haben Sie dies geschafft?“
44
Beziehungsarbeit
& Motivierende Gesprächsführung
45
Therapeutische Strategien bei der Beziehungsgestaltung
• „Nachbeelterung“ der Patienten innerhalb der Therapeut-Patient-Beziehung:
Innerhalb der Beziehung das Erleben von:
 Sicherheit
 Verlässlichkeit
 Erwartbarkeit
 Und - wesentlich – trostgebend (in sensu Young, 2005, Roediger 2009).
• Komplementäre Beziehungsgestaltung (in sensu Casper, Grawe, Sachse 1996) zu den sozialen
Grundbedürfnissen (… im Gegensatz dazu, sich auf Manipulationen einlassen.)
• Aufbau von „Beziehungskredit“: Wesentlich als Grundlage für die spätere Explizierung wichtiger
Beziehungsmotive/Schemata und einer Bearbeitung dysfunktionaler Bewältigungsmodi, der
interaktionellen „Spielstrukturen“ (Sachse, 1997).
• Balance halten und ausbilden (Roediger, 2009) zwischen einer tröstenden – unterstützenden
Haltung/ Interventionen und andererseits empathisch-konfrontativen Interventionen.
• Emotionsfokussierte Arbeit: u. a. Gefühlsvalidierung
.
46
Emotionsfokussierte Interventionen
• Emotionsfokussierte Arbeit als Grundlage,
 um den Patienten an seine (authentische) Motivebene und sozialen Grundbedürfnisse
heranzuführen.
• Beispiele:
 Was spüren [fühlen] Sie jetzt?“ „Was kommt gerade in Ihnen hoch?“
 „Lassen Sie das Gefühl, das gerade entsteht, einmal zu?“
 Explizierung durch Ansprechen des Gefühls oder der emotionalen Körperreaktion:
 „Ich merke, Sie werden traurig… Wie fühlt sich das gerade an?“
 „Ich sehe, dass in Ihren Augen Tränen kommen. Was spüren Sie jetzt gerade?“
• Komplementäres emotionales Erleben fokussieren (Beginn der Veränderungsarbeit!)
Ziel: Wahrnehmen verdeckter Gefühle und sozialer Grundbedürfnisse
 „Was ist da noch für ein Gefühl?“ // „Was steckt hinter dem Ärger?“
 Traurigkeit, Einsamkeit
Ärger, Wut, Bedürfnis nach …(z. B. Beziehung)
 Ärger, Wut
Traurigkeit, Bedürfnis nach … (z. B. Verlässlichkeit)
 Angst
Ärger, Bedürfnis nach … (z. B. Sicherheit)
 Beispiel: „Was spüren Sie noch?“ // „Was ist da noch für ein Gefühl?“
47
Gefühlsvalidierung
• Explizierendes, wertschätzendes Benennen von Gefühlen oder körperlichen Gefühlsrektionen.
Dies bedeutet eine Emotionsfokussierung und ggf. eine Exposition aversiver Gefühle. Das Ziel:
 Dem Patienten vermitteln, dass seine subjektive Sicht der Dinge für ihn stimmig und
daher nachvollziehbar ist (Link zur „Motivebene“)
- INSBESONDERE  Achtsamkeitsarbeit und damit Fokussierung der Aufmerksamkeit auf das emotionale
Geschehen (Impulse und Reaktionen)
- UND  Eine Aufhebung der Invalidierung, die durch Bezugspersonen oder Peers stattgefunden
hat oder noch stattfindet. (Pathologischer Faktor bei PS!)
• Praktisch: Ansprechen von Emotionen oder Körperreaktionen, die implizit ein emotionales Erleben
vermitteln, aber nicht explizit ausgesprochen werden. Beispiele:
 „Was spüren Sie?“ [Ärger] // „Was kommt jetzt bei ihnen hoch?“ [„Klos im Hals“] //
„Es ist völlig okay, wenn Sie Ärger empfinden?“ [Zeitgeben und fokussieren auf das
Gefühl] // „Wo spüren Sie den Ärger noch?“
• Validierungsfalle: Bagatellisierung von Gefühlen, -reaktionen, Trösten und alles, was das
48
Gefühlserleben hindert.
Konfrontative Interventionen
Konfrontation:
 Empathische Konfrontation (Young, 2005)
 Achtung! Konfrontationen „buchen“ Beziehungskredit! (Sachse, 2010, 129)
 Unterteilung: „harte“ und „weiche“ Konfrontationen
 Formel: So hart wie möglich und so weich wie nötig!
Härtestufen“ von Konfrontation (Sachse, 2010, 129)
1. Konfrontation mit den „Kosten“, Nachteile seines Handelns, seiner Strategie. (Die Nachteile
seines dysfunktionalen Bewältigungsmodi benennen)
2. „Kosten“ relevant machen (Den Klienten auf die Inkongruenz aufmerksam machen, die
zwischen seinen [authentischen] Bedürfnissen und seines dysfunktionalen
Bewältigungsmodi besteht)
3. Klient verursacht „Kosten“ (Intervention, die auf eine internale Attribuierung der „Kosten“
abzielt. Voraussetzung für Veränderung)
4. Konfrontation mit den dysfunktionalen Modi, der Spielstruktur (mit Imageaspekten und
Appellen)
… und Mut zur Konfrontation, denn ohne Konfrontation keine Veränderung!!!
49
Beziehungsgestaltung: Empathische Konfrontation
Leitenden Frage für die Intervention:
• Wie kann eine Konfrontation gestaltet werden?
Dialektische Behandlungsinterventionen:
• Zunächst das eigene Erleben in der Th.-Pat.-Beziehung zum Ausdruck bringen, um dann auf
das
 soziale Grundbedürfnis,
 die Konsequenz,
 die dysfunktionale Bewältigungsstrategie oder
 die Ressource zu sprechen zu kommen.
• Samurai – Technik (Roediger, 2010; Malat 1985):
Prinzip: „Ich habe das Gefühl, aber meine Erfahrung sagt mir etwas anderes.˝
• Ein Ambivalenz-Erleben empathisch-konfrontativ thematisieren
(z. B. „Ich möchte Ihnen ja gerne glauben, dass Sie … Aber mein Wissen sagt mir, dass Ihre
geröteten Augen dafür sprechen, dass Sie am Wochenende getrunken haben.“)
• Konfrontationen als Hypothese oder als Frage formulieren:
50
„Mir erscheint…“ oder noch vorsichtiger „Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre …“
Beispiele, um als Therapeut ein ambivalentes Erleben auszudrücken.
• „Ich habe das Gefühl, dass Sie sich von mir sehr gezwungen fühlen, sich Ihre Angst anzuschauen,
[oder sich fühlen, sich deutlich ausdrücken zu müssen etc.] Die Realität ist aber, dass sie in Ihren
Entscheidungen völlig frei sind. Die Realität ist aber auch, dass Sie in Ihrer Angst stecken bleiben,
wenn Sie sich nicht Ihre Angst anschauen.“
• „Wenn Sie sprechen spüre ich, wie Sie Ihre Angst/Erschöpfung ausdrücken. Ich habe Verständnis,
dass sie sich total viel Mühe geben, Ihrer Angst Ausdruck zu verleihen. [Schematherapeutisch
erscheint ein Link in die Vergangen so früh wie möglich angezeigt.] Ich glaube, dass es in der
Kindheit total wichtig für Sie war, Ihrer Angst starken Ausdruck zu verleihen. Heute müssen Sie sich
aber nicht mehr fürchten. Es gibt hier keine Sache, die sie bedroht.“
• Ich [als Therapeut] kann die Seite gut verstehen, die [emotionaler bedürftiger Ausdruck] um gesehen
zu werden, weil Sie als junger Mensch damals in der Kindheit nicht gesehen wurden. Wenn aber
heute diese Seite von Ihnen [Modus] kommt, fühle ich mich überfahren. … und das distanziert mich
von Ihnen.“
• Ich merke, wenn Sie sehr ärgerlich werden oder sehr aufgebracht sind. Ihr Gefühl nehme ich sehr
ernst. Aber in dem Moment, wie Sie jetzt reagieren merke ich, dass ich mich von Ihnen distanziere
[oder unsicher, ärgerlich etc. werde]. Ich spüre bei mir eine Ambivalenz Ihnen einerseits helfen zu
51
wollen, andererseits mich von Ihnen zu distanzieren.
Motivierende Gesprächsführung nach W. R. Miller und Rollnick
(Motivational Interviewing)
• 1983: Als Begriff von William R. Miller eingeführt. Danach Fachaufsätze
• 1991: 1. Auflage bei Guilford Press, N.Y. 1999 erste dtsch. Ausgabe
• 2002: Überarbeitete zweite Auflage (2004, dtsch.)
Psychotherapeutische Vision, der „spirit“:
Motivation wird als ein interaktiver Prozess in einer „helfenden,
Partnerschaftlichen Beziehung“ betrachtet.
(Miller & Rollnick, dtsch. 2004, 42, 53)
Der Therapeut soll beim Patienten selbstmotivierende Aussagen („change-talk“) hervorrufen und
verstärken. Evokation: Veränderungspotentiale und Ressourcen sind beim Patienten vorhanden.
Change-talk sind Äußerungen des Patienten, mit denen er seine Fähigkeit, Bereitschaft, Gründe,
Wünsche und eine Selbstverpflichtung für eine Veränderung zum Ausdruck bringt (ebda., 25).
Autonomie des Patienten.
52
Beziehungsgestaltung & Grundsätze der
Motivierenden Gesprächsführung…
…in der Phase
 der Motivbildung,
 der Problemaktualisierung,
 der Ressourcenklärung,
 und der Veränderungsarbeit.
53
1. Motivierende Gesprächsführung nach Miller und Rollnick
Behandlungsprinzip: Wechsel zwischen aktivem Intervenieren und aufbauender
Reflexion/Verantwortungsübernahme (Beschreibung nach E. Roediger). Analogie: Tango
F
R
A
M
E
S
Feedback: Dem Patienten persönliche Rückmeldung geben, heißt in dosierter Form, so
dass er die Rückmeldung annehmen kann (vgl. Regeln zur Konfrontation).
Resposibility: Fördernde Interventionen zur Verantwortungsübernahme (vgl. Mikro-,
Makromotivation, Hausaufgaben, Beziehungsgestaltung).
Advice: „Der Therapeut geht wieder rein:“ Erarbeiten von funktionalen
Bewältigungsstrategien (… entgegen Dysfunktionalität, Suchtproblematik)
Menue of Technique: Selbstentwicklung! Entwicklung von eigenen und damit „eigene
Auswahl“ von funktionalen Lösungen.
Express Empathy: „Wieder reingehen“: Erfolg aktiv verstärken und Empathie aktivemotional ausdrücken. Wie viel Dramatik?
Support Self-efficacy: „Wieder rausgehen:“ Die Selbstwirksamkeit und Ressourcen
fördern.
54
Grundeinstellungen (Haltung der Behandler):
• Therapeut-Patient-Beziehung ist gekennzeichnet durch die drei Basisvariablen der klass.
GT nach Rogers.
 Empathie: Einfühlendes Verstehen in das Erleben des Klienten
 Kongruenz: Echtheit des Therapeuten in der Beziehung zum Klienten
 Akzeptanz: Vorurteilsfreies Akzeptieren des Wertesystems des Klienten
• Konkretes Beziehungsverhalten:
 Ruhiger, respektvoller Gesprächsstil ohne direktive Konfrontation! Der Patient soll einen
Entwicklungsraum erhalten, um seine inneren Motive zu entfalten: „Therapie als
Wachstumsraum“
 Wahrnehmen der Motive und inneren Einstellungen des Patienten um Möglichkeiten der
Veränderung zu schaffen.
 Widerstand wird als eine Frage des Umgangs mit der Ambivalenz betrachtet.
55
1. Motivation zur Veränderung besteht aus drei Komponenten (ebda., 27): (vgl. Rubikon-Modell)
 Absicht: Faktor für die Qualität, wie energisch ein Patient eine Veränderung wirklich
anstrebt.
 Fähigkeit: Zuversicht für eine Veränderung.
 Bereitschaft einem Ziel eine Priorität einzuräumen.
2. Motivierende Gesprächsführung in der Therapeut-, Patientbeziehung ist durch
vier Basisprinzipien gekennzeichnet (ebda., 58)
 Empathie - dem Menschen gegenüber - ausdrücken
 Diskrepanz entwickeln
 Widerstand umkehren
 Selbstwirksamkeit fördern
56
1. Empathie ausdrücken
• Thesen von Miller & Rollnick (ebda. 59):
 Akzeptanz fördert Veränderung
 Geschicktes aktives Zuhören ist unabdingbar
 Ambivalenz ist normal
• Verstehen was der Patient „meint“, im Gegensatz zu dem, was er „sagt“ und ihn hierin
wertschätzen (vgl. Sprachtheorie Herrmann [1982] „Erschließen der propositionalen Basis“).
• Therapeut-Patient-Beziehung emotional und authentisch gestalten - soweit möglich.
• Komplementäre Gestaltung der Therapeut-Patient-Beziehung zu den sozialen
Grundbedürfnissen des Patienten.
57
1. Empathie ausdrücken: Interventionsbeispiele
• „Ich kann das gut verstehen, wenn Sie „einen Frust schieben“, weil Sie nicht das
bekommen, was Sie sich wünschen.“ (Kontrolle)
•
„Ich habe den Eindruck, dass Sie einfach nicht wieder scheitern wollen, wenn Sie hier an
dieser Stelle vorhaben die Therapie abzubrechen. Sie haben früher häufig die Erfahrung
gemacht, rückfällig zu werden. Als Ihr Therapeut ist mir aber wichtig danach zu schauen,
wie ein erneutes Scheitern verhindert werden kann.“ (Kontrolle)
•
Trost zusprechen, was braucht der Patient? „Okay, ich verstehe, dass Sie das sehr
geschmerzt hat [Sachverhalt]. Schauen Sie, was Ihnen gut täte?“ oder „… was brauchen
Sie?“ (Fokussierung auf Grundbedürfnis)
58
2. Diskrepanz entwickeln
• These von Miller & Rollnick (ebda. 59):
 Der Patient soll die Argumente für eine Veränderung selber liefern.
 Eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen gegenwärtigem Verhalten und persönlich
wichtigen Werten und Zielen motiviert zu Veränderung.
→ Ressourcenorientierte & bestätigungsorientierte Interventionen
• „Ich merke gerade, dass Sie sich über Ihr Suchtverhalten ärgern. Das ist völlig okay, wenn
Sie sich hier ärgern. Ich möchte genau wissen was Sie ärgert, was mit Ihnen los ist!
…[folgend] … Wie können Sie erreichen, dass Sie den Ärger nicht wieder runterschlucken.
Was täte Ihnen gut?“
• Schauen Sie sich mal die langfristigen Folgen Ihres Konsums an: Sind Sie damit zufrieden?
[Sokratischer Dialog: Kosten und negative Folgen konkret aufführen. „Bein-in-dieTürTechnik“]
• Emotionaler Positionswechsel: Patienten aufstehen lassen und aus einer externen Position
auf sich schauen lassen: „Schauen Sie mal wie [Vor]-name da sitzt: Was würden Sie ihm
empfehlen, wenn es Ihr bester Freund oder Ihr Sohn wäre?“
59
4. Widerstand umkehren
• These von Miller & Rollnick (ebda., 62):
 Nicht für eine Veränderung argumentieren
 Widerstand nicht direkt begegnen
 Neue Perspektiven hervorrufen. „Widerstand“ ist ein Signal die therapeutische
Methode zu ändern
 Der Patient ist derjenige, der Antworten und Lösungen bereithält
Interventionsbeispiele:
•
(Ambivalenz als Therapeut deutlich machen): „Ein Teil von mir möchte Sie erleichtern
und ich denke, dass es für Sie sehr hart ist, sich Ihrer Suchtproblematik zu nähern und zu
stellen. Als Ihr Therapeut ist es mir aber wichtig, Sie zu bestätigen die Entwöhnungsbehandlung durchzustehen.“
•
(Psychologischer Judo [Jay Haley] oder Thai Chi Technik): „Ja, vielleicht habe ich in
der letzten Sitzung nicht richtig zugehört oder bin begriffsstutzig, das tut mir leid.
Versuchen Sie doch noch einmal für mich zu erklären, was eigentlich in Ihnen los war,
als …“
60
Strategien für den Behandlungsbeginn
(mit Bezug auf Miller & Rollnick, 2004, 98ff)
… und darüber hinaus .
Zu Beginn,
• offene Fragen stellen
• aktives Zuhören
• Bestätigung
• Zusammenfassen
• Change-Talk hervorrufen
… und darüber hinaus … ergänzt
• Plausibilitätsfallen
• Konfrontative Interventionen
61
Offene Fragen stellen
• Offene Fragen im Gegensatz zu geschlossene Fragen (Fragen, die mit Ja/Nein-Antworten
zu beantworten sind), um möglichst wenig die Therapeut-Patient-Beziehung zu
kontrollieren, den Patienten viel explorieren zu lassen und ins Verstehen der Person und
Problematik rein zu kommen (vgl. „FRAME-Prinzip“ und „Sokratischer Dialog“)
•
Interventionen:
 „Was hat Sie hier hingeführt?“ oder „Erzählen Sie mal, worum geht’s heute hier?“
 „Okay, ich verstehe jetzt was Ihnen Sorgen macht, erzählen Sie mir mehr hierüber.
Ich möchte das noch besser verstehen:“
 „Wie können Sie es schaffen, die nächsten Tage abstinent zu bleiben?“
62
Aktives Zuhören
Miller und Rollnick, (ebda. 102) bezogen auf Gordon, 1997:
Zwölf Probleminterpretationen im Gespräch, die „Beziehungskredit“ kosten:
1. Befehlen, anordnen, kommandieren
2. Warnen, ermahnen, drohen
3. Beraten, Lösungen geben, Vorschläge machen
4. Vorhaltungen machen, belehren, logische Argumente anführen
5. Zureden, moralisieren, predigen
6. Urteilen, kritisieren, widersprechen, beschuldigen
7. Loben, zustimmen
8. Beschimpfen, lächerlich machen, beschämen
9. Interpretieren, analysieren, diagnostizieren
10. Beruhigen, mitleiden, trösten, unterstützen
11. Forschen, fragen, verhören
12. Zurückziehen, ablenken, aufheitern, zerstreuen
… Grundlage: Non-direktive Gesprächsführung!!!
63
Change-Talk hervorrufen
• Interventionen, um die Nachteile des Status Quo erkennbar zu machen und die Vorteile
einer Veränderung hervorzuheben:
 Nachteile Status Quo
 „Schauen Sie mal auf Ihre ‚Kosten‘, die der Konsum mit sich bringt: Was sind die
Nachteile?“ „Ich war mir gar nicht bewusst…“
 Vorteile einer Veränderung
 „Wenn Sie die Therapie jetzt hier beginnen, wo bestünde für Sie hierbei ein Vorteil?“
(Konkretisieren, emotionalisieren) „Schauen Sie mal darauf, was das für Beziehung
zu Ihren Kindern bedeutet? Wie würden dann Ihre Kinder Sie im Gegensatz zu heute
erleben?“
 Zuversicht einer Veränderung
 „Schauen Sie die Abstinenzphase an, die Sie damals geschafft haben:“
 Verstärken einer Veränderungsabsicht
 Aus Sicht des Therapeuten ist es wichtig, dass Sie über ein Aufhören nachdenken.
64
Bestätigung
• Verstärkung von Verhaltensweisen, die eine Veränderungsmotivation signalisieren.
Wesentlich, da die Patienten häufig dysfunktionale, kognitive Schemata
(im Sinne der kog.-VT) ausgebildet haben und negative Selbstmerkmale und
Situationsaspekte fokussieren.
•
Interventionen (Beispiele)
 „Prima, wenn Sie es geschafft haben…“
 „Ich habe den Eindruck, Sie können sich wirklich prima sprachlich ausdrücken.“
•
Weitere Methoden:
 Rituale nach einer bewältigten/erfolgreichen Phase
 Zikuläres Fragen
65
Zusammenfassen
• Den Aufmerksamkeitsfokus noch einmal auf die geklärten Problemaspekte lenken und
zusammenfassen, verknüpfen. Hierbei den Patienten auf meta-kognitiv das Erreichte
bewerten lassen.
•
Interventionen
 „So, jetzt sind wir am Ende der Sitzung angelangt: Was nehmen Sie aus der
heutigen Stunde mit? Worüber lohnt es noch einmal nachzudenken?“ (Ritualisiert
nach jeder Sitzung)
 „Haben Sie etwas wichtiges ausgelassen?“
66
Umgang mit einer Ambivalenz und Insuffizienzerwartungen
•
1. Problem: Der Patient nimmt eine externale Ursachenzuschreibung (LoC) für einen
Behandlungserfolg vor oder geringe Selbsteffinzienzerwartung (SWE).
 Wenn LoC external ist → internal-attribuierte Erfolgserfahrung aufbauen
 Wenn SEW gering ist → Selbsteffizienz aufbauen.
Methoden: Ressourcenorientierte Methoden, Interventionen, kog. Umstrukturierung
•
2. Problem: Der Patient verdeutlicht ein hin- und hergerissen sein, eine Ambivalenz (Annäherung
und Vermeidung) in die Therapie einzusteigen oder nicht.
 Ambivalenzpole verdeutlichen! „Kosten“ der jeweiligen Position erlebbar machen.
•
Methoden: Klärungsarbeit der Motive. „Kosten“ verdeutlichen; ggf. paradoxe
Intervention.
3. Problem: Der Patient begann eine Behandlung, jedoch stellt sich die Entscheidung als eine
Pseudo-Entscheidung dar.
 Deutlich machen, dass der Patient „noch“ nicht wirklich entschlossen ist, eine
Veränderung vorzunehmen („Was will er eigentlicht?“).
 Therapeutisch hinwirken, dass er eine tatsächlich „echte“ Entscheidung trifft.
67
Methoden: Wie Pkt 2.: Erlebnisorientierte-emotionsfokussierte Methoden, „Stühlearbeit“
Konfrontative Interventionen
•
Konfrontation:
 Empathische Konfrontation („Nachbeelterung“, Young, 2005)
 Achtung! Konfrontationen „buchen“ Beziehungskredit! (Sachse, 2010, 129)
 Unterteilung: „harte und „weiche“ Konfrontationen
Formel: So hart wie möglich und so weich wie nötig!
•
„Härtestufen“ von Konfrontation (Sachse, 2010, 129)
1. Konfrontation mit den „Kosten“, Nachteile seines Konsums (Achtung:
Abhängigkeitsproblematik!!). Die Nachteile seines dysfunktionalen Bewältigungsmodi
benennen.
2. „Kosten“ relevant machen (Den Klienten auf die Inkongruenz aufmerksam machen,
die zwischen seinen [authentischen] Bedürfnissen und seiner dysfunktionalen
Bewältigungsmodi bestehen.)
3. Klient verursacht „Kosten“ (Intervention, die auf eine internale Attribuierung der
„Kosten“ abzielt. Vorraussetzung für Veränderung)
4. Konfrontation mit den dysfunktionalen Modi, der Spielstruktur (mit Imageaspekten
und Appellen)
68
Transtheoretisches Modell als Stadienmodell zur Erklärung des Rückfalls:
1. Aufmerksam werden: Erste Hinweise auf die
Nachteile, „Kosten“
6. Rückfall: Scham,
Demoralisierung,
Hoffnungslosigkeit
2. Nachdenken über
eine Veränderung:
Ambivalenz
5. Aufrechterhaltung:
Nachsorge. Neues soziales
Umfeld etc.
3. Entscheidung: Was
nun? Intentionsbildung
4. Veränderung: Beratung, Behandlung,
Psychotherapie und Entwicklung einer
Veränderungsmotivation zur Abstinenz
69
Co-Abhängigkeit
70
Probleme bei Co-Abhängigkeit:
•
Ziel des sozialen Systems ist eine Stabilisierung der (starren) Interaktionsstile (des Moduszirkels).

Folge: Der Patient ist stabilisierungsmotiviert hinsichtlich seines aktuellen Status
(Bewältigungsmodus) aber nicht veränderungsmotiviert hinsichtlich einer Veränderung der
Interaktionsstile (vgl. Folie 8).
•
Co-Abhängigkeit tritt im Behandlungsverlauf häufig dann auf, wenn der Patient eine
Veränderungsmotivation verdeutlicht und deshalb den Moduszirkel verlässt, anderen
Interaktionsstile entwickelt. Indikator für Co-Abhängigkeit: Rückfall
•
Co-Abhängigkeit wird im Wesentlichen durch soziale Grundbedürfnisse, Beziehungsmotiv etc.
aufrechterhalten und sind dysfunktionale (Moduszirkel) Bewältigungsmodi.
Eine Veränderung erfolgt nur über eine Klärung dieser Motive und der Beziehungsdynamik
(„Moduszirkel“).
Psychotherapie!!!
71
Co-Abhängigkeit
•
Bewusste oder automatisierte suchtfördernde Verhaltensweisen durch Bezugspersonen oder
(insgesamt) dem sozialem System des Patienten.
 Offene Co-Abhängigkeit: Aufforderung zum konsumieren. Soziale Konsumregeln,
Konsumrituale, Werbung.
 Verdeckte Co-Abhängigkeit: Bestimmte dysfunktionale Interaktionsstile
(Bewältigungsmodi) des sozialen Systems, die durch eine gegenseitige Abhängigkeit & Starre
der Beteiligten gekennzeichnet sind (Moduszirkel):
 Vermeidender – Vermeidender Interaktionsstil (führt in eine Erstarrung)
 Überkompensierender – Vermeidender Interaktionsstil (führt in eine Eskalation)
 Überkompensierender - unterordnender Interaktionsstil (langfristiger, stabiles
Konsummuster)
 Überkompensierender – Überkompensierender Interaktionsstil (Nur kurzzeitig.
Massive Eskalation. Folgen unklar).
72
Behandlungskonzepte zur Behandlung einer Suchtproblematik sowie komorbide
Störungsaspekte (Auswahl)
0. Rückfallprophylaxe Training (RPT, Klos und Görgen, 2009)
1. Dual Focus Schema Therapie (DFST, Ball Samuel Ball, 1998, 2004)
2. Kontrolliertes Trinken ( KT, Körgel, 2008)
3. Schizophrenie und Sucht
73
Rückfallprophylaxe Training (RPT) nach Klos und Görgen (2009)
•
•
•
•
•
Entstanden an der Fachklinik („Haus Aggerblick“ der Drogenhilfe Köln) 2000. Ab 2004
Vermittlung der Programms an Fachkreise aus der Sucht, Drogenhilfe, Suchtmedizin, der
forensischen Psychiatrie und der JVA. RPT basiert auf Konzeption von Marlatt (1985,1996)
Maßnahmen zur Rückfallprophylaxe:
Maßnahmen zur Förderung eines ausgewogenen Lebensstils
Zum Beispiel: Lebensweise mit einer möglichst hohen Kongruenz zu seinen Grundbedürfnissen
(Grawe, 1998); Funktionale Copingstrategien, Sport, Planung angenehmer Dinge
Maßnahmen zur Identifizierung von Rückfallrisiken
Zum Beispiel: Erkennen von Rückfallrisiken; Erstellen einer „Rückfallkette“; Analyse von früheren
Rückfallperioden; Risikocheckliste; ggf. vertiefende Biografiearbeit (Schemaanalyse)
Maßnahmen zur Verbesserung der Bewältigungskompetenz
Zum Beispiel: Expositionsbehandlung; soziales Kompetenztraining; Aufbau von kognitiven Kontrollund Steuerungstechniken, Aufbau von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, „Notfallkoffer“ (DBTTechniken)
Maßnahmen zur Veränderung rückfallbezogener Kognitionen
Zum Beispiel: Techniken zur kognitiven Umstrukturierung; ressourcenorientierte Interventionen,
Veränderung dysfunktionaler kognitiver Schemata.
74
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
1. Vermittlung von Grundinformationen
•
1. Modul: Einführung in das Rückfallprophylaxetraining
 Konstitution der Gruppe, Abfragen von Interessen
 Vermitteln von Forschungsergebnissen
 Erste zentrale Thesen zum Rückfallgeschehen
•
2. Modul: Wege aus der Drogenabhängigkeit – Phasen der Veränderung
 Vorstellung des transtheoretischen Modells von Prochaska und Di
Clemente (1997). „Erlebnisparcour“. Klärung und Bestimmung des
eigenen Standorts im Gesundungsprozess.
•
3. Modul: Schutzfaktoren „Mauer gegen den Rückfall“
 Erarbeiten des Zusammenhangs von Persönlichkeit, Lebenskontext
und Drogenkonsum
 Vermitteln einer ressourcenorientierten und salutogenetischen Perspektive.
75
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
Rückfallursachen und Rückfallvermeidung
•
4. Modul: Risikofaktoren
 Identifikation und Sensibilisierung von Rückfallrisiken.
 Vermitteln aktueller Forschungsergebnisse zur Rückfallsgefahr.
 Individuelle Gewichtung mit Hilfe von Methoden zur Selbst- und Fremdwahrnehmung und
erstellen eines persönlichen Gefährdungsprofils
•
5. Modul: Ambivalenz – die Vor- und Nachteile von Drogenfreiheit
 Vor- und Nachteile einer abstinenten Lebensführung werden erarbeitet und individuell
bewertet.
Methode: Szenisches Spiel.
76
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
Rückfallursachen und Rückfallvermeidung (ff.)
•
6. Modul: Strategien für den Umgang mit Drogenverlangen
 Fokussierung auf das körperliche, emotionale Erleben, auf Kognitionen
und auf Verhaltensweisen, wenn ein Drogenverlangen besteht
 Austausch individueller Rückfallprozesse und Rückfallverläufe

•
Entwickeln von Strategien zur Vermeidung von Risikosituationen
7. Modul: Strategien in rückfallrelevanten Situationen
 Risikosituationen erfahrbar machen und Einüben von Bewältigungsstrategien
Methode: Psychodramatische Rollenspiele, Technik des
Abgrenzungs- bzw. Ablehnungstrainings.
77
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
Spezifische Themen
•
8. Modul: Drogenabhängigkeit und Alkoholkonsum
 Erstellen eines individuellen Gefährdungsprofils und des Stellenwerts
von Alkohol. Herausgearbeitet werden bestimmte Risiken der
Abstinenzgefährdung. Suchtverlagerung in Richtung Alkohol.
Methoden: Fragebogen (Thematisierungshilfe) zur Alkoholgefährdung
•
9. Modul: Kriminalität und Rückfälligkeit
 Thematisierung von potentieller Rückfälligkeit und einem deviantem Lebensstil.
Klärung des Zusammenhangs zwischen Delinquenz und identitätsstiftendes Potential.
Antizipation möglicher Gefahren und Risiken.
78
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
Spezifische Themen
•
10. Modul: Kriminalität II – materielle Sicherheit
 Fokussiert wird materielle Ausstattung und der Umgang mit Geld.


•
Erstellen eines Lebenspanoramas mit den Dimensionen „materielle
Sicherheit“, „Kriminalität“ und „Lebensgefühl“ und in Beziehung
miteinander setzen.
Auseinandersetzung mit der aktuellen und zukünftigen Lebenssituation,
materielle Ansprüche, Konflikte und hieraus sich bildende Rückfallgefährdung.
11. Modul: Risikobereitschaft und Rückfallgeschehen
 Die persönliche Risikobereitschaft der Teilnehmer wird erhoben.

Methoden: Szenische Umsetzung von Skalierungsfragen und
anschließende Interviews zu persönlichen Einschätzungen.
Lebensgeschichtliche Ereignisse werden in Bezug auf die Risikobereitschaft
geklärt und eine zukünftige Rückfallgefahr erfasst.
79
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Module
4. Rückfallmanagement
•
12. Modul: Verhalten nach dem Rückfall: Das Airbag-Modell
 Aufdecken von Rückfallprozessen und entwickeln von
alternativen Handlungskonzepten, Coping → das Airbag-Modell.
 Förderung der Antizipation und Planungsfähigkeit durch das
Einüben von konkreten (Notfall-) Handlungsplänen zur kurzfristigen
Rückkehr zur Abstinenz.
80
Rückfallprophylaxe Training (RPT): Schlussfolgerungen
•
Das RPT bietet eine effiziente Rahmenkonzeption.
•
Insbesondere das RPT ist übersichtlich aufgebaut, verknüpft eine problemorientierte mit einer
ressourcenorientierter Sicht, deckt wesentliche Bereiche der Rückfallprophylaxe ab und liefert viele
konkrete Methoden.
Inhaltliche und zeitliche Anpassungen sind im Bedarfsfall vorzunehmen.
Kein starres Kochbuchschema!
Programmatische und methodische Ergänzungen können sinnvoll vorgenommen werden,
hinsichtlich…
 …geschlechtsspezifischer Aspekte
•
•

…komorbide Problematik, insbesondere hinsichtlich
Persönlichkeitsstörungen, affektive Störungen
81
Kontrolliertes Trinken
•
„Der Begriff des kontrollierten Trinkens meint nicht einfach, normal oder moderat zu trinken.
Man muss strengere Maßstäbe anlegen: Von kontrolliertem Trinken ist dann zu sprechen, wenn
man sich bei absolutem Vermeiden von „Rauschtrinken" an einen definierten, verbindlichen
Trinkplan hält - etwa pro Tag nie mehr als zwei Flaschen Bier trinken, sich in der Woche auf
maximal vier Liter beschränken und einen oder zwei alkoholfreie Tage einlegen.“
•
„Bei der Menge kann man sich an internationalen Standards über nicht schädliche Alkoholmengen
orientieren - demnach sollten Männer täglich nicht mehr als 30 bis 40 Gramm Alkohol konsumieren,
Frauen nicht mehr als 20 Gramm, was etwa einem 0,2-Liter-Glas Wein oder einer 0,5-Liter-Flasche
Bier entspricht. „Normales Trinken" meint dagegen, dass jemand ohne Trinkplan aus der Situation
heraus entscheidet, ob er Alkohol weiter konsumiert oder nicht. Auf Dauer ist kontrolliertes Trinken
keineswegs einfacher als der gänzliche Verzicht auf Alkohol, da es viel Selbstdisziplin erfordert.
In therapeutischen Programmen lernen die Patienten daher auch, dass die verbreitete Vorstellung
unrealistisch ist, alleine durch eine Trinkkontrolle mit dem Leben besserzurechtzukommen - obwohl
dies natürlich eine wesentliche Hilfe sein kann.“
82
Literatur und Internet (Auswahl)
•
•
„Altmannsberger, W., Jatzlau, N., Klein-Isberner, T. Rückfallprävention bei Alkolholabhängigkeit.
2004, Göttingen, Hogrefe-Verlag.
Ball, S. A., Manualized treatment for substance abusers with personality disorders: Dual Focus
Schema Therapy. Addict Behavior; 1998, 23(6): 883-91.
D‘Amelio, R., Behrendt, B., Wobrock, T. Psychoedukation Schizophrenie und Sucht. 2007, Zürich.
Urban & Fischer-Verlag.
Gordon, T., Patientenkonferenz, dtsch. Aufl. 1997, Hoffmann & Campe-Verlag.
•
Heckhausen, H. Motivation und Handeln, 2. Aufl. 1989, Berlin, Springer-Verlag.
•
Körkel, J. Kontrolliertes Trinken. 2014 Stuttgart, Trias-Verlag.
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Klos, H., Görgen, W. Rückfallprophylaxe Training. 2009, Göttingen, Hogrefe-Verlag.
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Lichtenschopf, A. Standard der Tabakentwöhnung. 2012,Wien Springer-Verlag.
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Miller, W. R.; Rollnick, S. Motivierende Gesprächsführung. 2004, Freiburg, Lambertus – Verlag.
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Literatur und Internet (Auswahl)
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Meyer, R. J.; Smith, J. E. CRA-Manual zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit. 2007, Bonn,
Psychiatrie-Verlag.
Prochaska, J. Noscross, J. Di Clemente, C. Jetzt fange ich neu an. 1997 München, Knaur-Verlag.
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Sachse, R. , Thomas, L., Sachse, M. Klienten motivieren. 2012
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Internetadressen:
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V.: http://www.dhs.de
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Bibliothek der DHS, dort kann man online recherchieren und auch ausleihen:
http://www.dhs.de/web/bibliothek/index.php
Viele Aufsätze und Folien zur Behandlung: Sucht, Methoden und Persönlichkeitsstörung Rainer
Sachse: http://www.ipp-Bochum.de
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Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit!
Udo Raum
Psychologischer Psychotherapeut, Supervision, Wuppertal
[email protected]
www.psychotherapie-raum.de
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