Konjunktur und Politik Donnerstag, 8. Januar 2015 Börsen-Zeitung Nr. 4 5 DEBATTE ÜBER EZB-KURS Minus-Inflation schürt QE-Diskussion Teuerung in Euroland fällt erstmals seit 2009 unter 0 Prozent – Notenbanker in Sorge um Inflationserwartungen – Kernrate legt leicht zu Von Mark Schrörs, Frankfurt le Notenbanker. In dieser Woche sank ein für die EZB sehr wichtiges Barometer – die erwartete Inflation in fünf Jahren für die nächsten fünf Jahre – gar auf unter 1,6 %. Einige Beobachter wie Michael Schubert, EZBExperte der Commerzbank, argumentieren aber, dass diese Größe an Aussagekraft verloren habe, seit EZB-Präsident Mario Draghi sie im August so in den Mittelpunkt gestellt habe. Andere sagen, sie sei verzerrt gerade durch die Aussicht auf ein QE. Die Gegner weiterer Maßnahmen im EZB-Rat führen nicht zuletzt an, dass die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel deutlich weiter von der Nulllinie entfernt ist. Tatsächlich stieg diese im Dezember von zuvor 0,7 auf 0,8 %. Praet hat aber die Gefahr betont, dass auch diese Rate noch in Mitleidenschaft gezogen wird, etwa wenn Firmen niedrigere Produktionskosten durchreichen, um Marktanteile zu halten. Foto: Universität Mainz Börsen-Zeitung, 8.1.2015 Erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009 ist die Inflation im Euroraum im Dezember unter die Marke von 0 % gefallen. Laut einer gestern veröffentlichten Schnellschätzung von Eurostat lag die Teuerung bei – 0,2 %. Zuvor war sie zuletzt im Oktober 2009 mit – 0,1 % negativ. Ein Rückgang unter null war erwartet worden, nachdem auch in Deutschland die Inflation auf nur noch 0,1 % gesunken war. Auf zwei Dezimalstellen genau lag die Teuerung im Euroraum im Dezember bei – 0,15 %. Verantwortlich für den neuerlichen Rückgang gegenüber November (0,3 %) und das Unterschreiten der Nulllinie ist im Wesentlichen der drastische Verfall der Ölpreise in den vergangenen Monaten. Das drückt auf die Energiepreise. Im Dezember verbilligten sich diese auf Jahressicht mittelfristig eine Inflationsrate von knapp unter 2 % an. In der Vergangenheit hat die EZB üblicherweise durch solche Preiskapriolen beim Öl und die Folgen für die Inflation „hindurchgeschaut“, weil solche Effekte in der Regel temporär sind. Dafür plädieren auch aktuell wieder einige, wie etwa Bundesbankchef Jens Weidmann. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet indes hatte zum Jahreswechsel im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass die EZB diesmal „nicht einfach hindurchschauen“ könne (vgl. BZ vom 31.12.2014). Die Inflationserwartungen seien bereits „äußerst fragil“, und die Gefahr von Zweitrundeneffekten sei „heute größer als sonst“. Insbesondere die Tatsache, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen an den Märkten – nicht zuletzt infolge der seit Ende 2013 unter 1 % liegenden Inflation (siehe Grafik) – stark zurückgegangen sind, sorgt vie- um 6,3 %. Allein das dürfte die Gesamtrate um 0,4 Prozentpunkte gesenkt haben. Dienstleistungen verteuerten sich erneut um 1,2 %. Da sich der Ölpreisabsturz zuletzt ungebremst fortgesetzt hat, ist damit zu rechnen, dass die Inflation zumindest noch in den nächsten Monaten unter 0 % liegen wird. Für Januar erwarten einige Volkswirte nun gar eine Rate von – 0,5 %. Diese Entwicklungen befeuerten die Debatten über eine drohende Deflation im Sinne einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale. Zudem heizten sie Spekulationen an, dass die Europäische Zentralbank (EZB) womöglich bereits bei der nächsten Zinssitzung am 22. Januar ihre Geldpolitik erneut lockert und zum Quantitative Easing (QE) inklusive des Erwerbs von Staatsanleihen greift. Hinter den Kulissen wird längst fieberhaft um Details gerungen (vgl. BZ vom 20.12.2014). Die EZB strebt William White, Ex-Chefvolkswirt der BIZ Marcel Fratzscher, Präsident DIW Isabel Schnabel, Wirtschaftsweise Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg Bank Jürgen Stark, Ex-EZB-Chefvolkswirt Wie groß ist aus Ihrer Sicht die Gefahr einer wirklichen Deflation in der Eurozone? Und wie gefährlich ist die seit einiger Zeit und noch absehbar sehr niedrige Inflation? Eine über einen längeren Zeitraum niedrige Inflation war eigentlich das angestrebte Ziel der Geldpolitik. Die Tatsache, dass die gemessene Inflation aktuell unter 2 % liegt, sollte nicht überbetont werden. Der Wert von 2 % wurde im Grunde willkürlich gewählt und kann nie exakt getroffen werden. Was die Risiken einer wirklichen Deflation betrifft, gibt es keine Evidenz, dass sich Menschen in Erwartung niedrigerer Preise mit Käufen zurückhalten. Eine Deflation ist bereits heute Realität für mehr als ein Drittel der Wirtschaftssektoren in Deutschland und der Eurozone. Selbst eine anhaltend niedrige Inflation hätte enorme Kosten für die Wirtschaft: Die realen Zinsen steigen, Investitionen und der Konsum sinken, und die reale Schuldenlast für Unternehmen und Haushalte erhöht sich weiter. Dies bedeutet weniger Beschäftigung und weniger Wachstum – nicht nur für Europa, sondern auch für Deutschland. Die Gefahr einer sich selbst verstärkenden Deflationsspirale sehe ich derzeit nicht, zumal die aktuelle Preisentwicklung wesentlich durch den fallenden Ölpreis getrieben wird. Dennoch bestehen Risiken – vor allem für stark verschuldete Staaten und Unternehmen. Denn der Schuldenabbau wird erschwert und damit die Überwindung der Krise im Euroraum. Außerdem ist eine Entankerung der Inflationserwartungen nicht auszuschließen. Die Gefahr einer echten Deflationsspirale ist gering. Es gibt kein Anzeichen, dass Haushalte den Kauf langlebiger Güter verschieben, um auf niedrigere Preise zu warten. Billiges Öl ist ein Gewinn für alle. Sollten mit dem Preisniveau die Einkommen der Schuldner zurückgehen, könnte dies zwar ihre Schuldenlast schwerer tragbar machen. Aber für fast alle Schuldner wird dies durch den jüngsten Rückgang der Finanzierungskosten mehr als ausgeglichen. Die Diskussion über Deflationsgefahren im Euroraum ist völlig überzogen. Die sehr niedrige Inflationsrate reflektiert in allererster Linie den Absturz des Ölpreises. Ein sich selbst verstärkender Prozess fallender Preise ist nicht zu erwarten. Selbst der EZB-Präsident schätzt das Risiko einer wirklichen Deflation als gering ein. Man sollte die positive Seite stärker betonen: Die Preisniveaustabilität stärkt das real verfügbare Einkommen und den privaten Verbrauch. Sollte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik nun erneut lockern? Nein. Es ist eine gefährliche Illusion zu glauben, dass die Geldpolitik allein die Konjunktur stimulieren kann nach einem schweren Wirtschaftseinbruch mit einem beschädigten Finanzsystem. Tatsächlich kann solches Handeln sogar kontraproduktiv sein, weil es die Unsicherheit über die künftige monetäre Entwicklung erhöht. In jedem Fall ist es nicht nachhaltig und birgt viele Risiken, wenn man höhere Ausgaben fördert, die auf noch mehr Verschuldung basieren. Die EZB verfehlt ihr Mandat bei weitem – nämlich die Inflation bei knapp unter 2 % zu halten. Das größte Risiko für die EZB ist, dass die Inflationserwartungen nicht mehr verankert sind. Damit verliert die EZB ihr wichtigstes Gut: ihre Glaubwürdigkeit. Ohne Glaubwürdigkeit büßt die Geldpolitik ihre Effektivität ein und die EZB ihre Fähigkeit, Preisstabilität langfristig zu sichern. Es geht weniger um eine weitere Lockerung der Geldpolitik als um eine Erfüllung der zuvor gegebenen Versprechen, insbesondere des angekündigten Bilanzziels von 3 Bill. Euro. Dahinter kann die EZB kaum zurückfallen, wenn sie die Erwartungen nicht enttäuschen will. Die Wirksamkeit der Maßnahmen im Hinblick auf das Erreichen des Inflationsziels ist jedoch ungewiss. Die Krise wird sich durch eine lockere Geldpolitik allein nicht überwinden lassen. Ja. Die EZB hat den Bürgern Europas versprochen, den Preisauftrieb „unter, aber nahe bei 2 %“ zu halten. Davon ist sie selbst auf Sicht von zwei Jahren meilenweit entfernt. Neben dem Ölpreis drückt die schwache Nachfrage die Inflationsrate. Um ihrem Auftrag gerecht zu werden, muss sie ihre geldpolitischen Instrumente einsetzen, um die Konjunktur zu stützen und somit auf Dauer die Inflationsrate an den Zielwert heranzuführen. Die EZB verfolgt seit 2008 einen sehr akkommodierenden Kurs, der mit den 2014 beschlossenen Maßnahmen noch expansiver geworden ist. Die Grenzen dessen, was die Geldpolitik bewirken kann, sind aber längst erreicht. Spürbare Effekte auf die Realwirtschaft oder eine kurzfristig höhere Inflationsrate sind nicht zu erwarten. Noch aggressivere Maßnahmen ändern daran nichts. Stattdessen wird die Basis für neue Übertreibungen und Krisen geschaffen. Wie beurteilen Sie breit angelegte Staatsanleihekäufe durch die EZB: Erfolgschancen, Risiken etc.? Solange es kein risikofreies Wertpapier für den gesamten Euroraum gibt, könnten sich solche Käufe als politisch und rechtlich kompliziert erweisen. Wenn man über die Transmissionskanäle in die Realwirtschaft nachdenkt, schürt das weitere Zweifel, was den Nutzen betrifft. Mit Ausnahme von Griechenland sind die Renditen auf Staatsanleihen bereits auf historischen Tiefs, genau wie der Euro. Was die Hoffnung auf einen spontanen Anstieg der Inflationserwartungen betrifft, halte ich das in der Eurozone genauso für unrealistisch wie in Japan. Ihr rechtliches Mandat verpflichtet die EZB zum Handeln. Der Ankauf von Staatsanleihen enthält große Risiken – dass Regierungen ihre Reformanstrengungen reduzieren, Banken erhöht Risiken eingehen und es zu einer Fehlallokation von Kapital kommen könnte. Die Risiken eines Nichtstuns – eine erneute Vertiefung der Krise, mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einer tiefen Rezession – sind jedoch ungleich größer. Wenn die EZB das angekündigte Bilanzziel erreichen will, führt an Staatsanleihekäufen kein Weg vorbei. Neben den allgemeinen Risiken einer Niedrigzinspolitik – vor allem für die Finanzstabilität – schaltet man durch die Staatsanleihekäufe einen wichtigen disziplinierenden Mechanismus aus und schafft dadurch „Moral Hazard“. Das Ausmaß dieser Risiken hängt aber sehr stark von der konkreten Ausgestaltung der Anleihekäufe ab. Die anderen Instrumente sind ausgereizt. Da die Nachfrage trotzdem schwächelt, sollte die EZB jetzt mehr Anleihen kaufen. Der Markt, der dies erwartet, hat die Effekte in den letzten Wochen bereits weitgehend eingepreist. Über Wechselkurs, Finanzierungskosten und einen Vertrauenseffekt wird dies auf Dauer wirken. Käme die EZB diesen Erwartungen nicht nach, könnte es einen herben Rückschlag für die Konjunktur geben. Noch ist unklar, wie diese Ankündigung umgesetzt werden soll. Ich halte diese Maßnahme gegenwärtig für nicht gerechtfertigt. Angesichts der zu bezweifelnden Effektivität ist die Absicht besorgniserregend, das Bilanzvolumen des Eurosystems um 1 000 Mrd. Euro auszuweiten. Der Kauf von Staatsanleihen schaltet den Markt faktisch aus, gibt falsche Signale an die Politik und verstößt grundsätzlich gegen das Verbot der monetären Finanzierung von Staatshaushalten. Wird die Eurozone im Fall breit angelegter Staatsanleihekäufe durch die EZB zu einer Transfer- und Haftungsunion? Falls die EZB mehr Anleihen der Peripherieländer kauft, würde das Exposure der Steuerzahler in den Kernländern noch weiter steigen, und das könnte am Ende leicht zu expliziten Verlusten führen. Das sollte aber ein einmaliger Vorgang sein, weil das eine Folge des exzessiven Vertrauens und der unvorsichtigen Kreditvergabe (der Kernländer) nach der EuroEinführung war. Vorausgesetzt solche Probleme werden künftig ausgeschlossen, sollte das nicht zu einer permanenten „Transferunion“ führen. Jede Währungsunion bedeutet immer eine gewisse Vergemeinschaftung, und jede geldpolitische Maßnahme führt immer zu einer Umverteilung von Gewinnen und Kosten. Die größten Verteilungseffekte werden jedoch nicht durch ein Ankaufprogramm von Staatsanleihen verursacht, sondern wurden durch die massive Zinssenkung verursacht. Eine erfolgreiche EZB-Geldpolitik reduziert die Kosten und erhöht die Gewinne für alle. Die Rekordgewinne der Bundesbank spiegeln diese Realität wieder. Mit der Gemeinschaftswährung geht eine Vergemeinschaftung von Risiken der Zentralbankbilanz einher. Es geht aber zu weit, von einer Transfer- und Haftungsunion zu sprechen, da das Ausmaß der Vergemeinschaftung begrenzt ist. Im Übrigen hat die EZB auch bei ihren sonstigen Krisenmaßnahmen – beispielsweise den weit weniger umstrittenen längerfristigen Refinanzierungsgeschäften der Banken – Risiken übernommen, die gemeinschaftlich getragen werden. Das ist Unsinn. Jegliches Handeln oder Unterlassen einer Zentralbank verändert die Anreizund Risikostruktur einer Wirtschaft. Das ist die Natur der Geldpolitik. Eine Geldpolitik, die ihrem Stabilitätsauftrag gerecht wird und einer übergroßen Nachfragelücke begegnet, mindert die finanziellen Risiken für alle Beteiligten, für deutsche ebenso wie für spanische Steuerzahler. Unnötige Rezessionen kämen dagegen alle teuer zu stehen. Das Eurosystem würde erhebliche Risiken auf seine Bilanz nehmen. Denn man würde ja nicht nur erstklassige und risikoarme Papiere kaufen. Dies führt zu gemeinschaftlicher Haftung und gegebenenfalls zu Transfers, was der Wirkung von Euro-Bonds gleichkommt. Für derart weitreichende Beschlüsse fehlt der EZB die demokratische Legitimation. Mögliche Verluste können auch die Kapitalbasis der Zentralbanken berühren. Dann müssten die jeweiligen Regierungen nachschießen. Sollte die EZB die Risiken ihrer ultralockeren Geldpolitik – beispielsweise für die Finanzstabilität und die Reformbereitschaft – stärker in den Fokus nehmen? Ja. Volkswirtschaften sind komplexe, anpassungsfähige Systeme, in denen experimentelle Politik leicht unbeabsichtigte Konsequenzen haben kann. Mögliche Risiken sind Inflation, die Fehlallokation von Ressourcen, Zombieunternehmen und -banken, noch mehr finanzielle Instabilität und eine sich verschlechternde Einkommensverteilung. Womöglich das größte Risiko von allen ist, dass die Regierungen der Eurozone keine Notwendigkeit verspüren, die Politik zu verfolgen, die eigentlich essenziell wäre, um eine nachhaltige Erholung zu fördern. Die EZB muss alle Risiken berücksichtigen, die sich auf ihr Ziel der Preisstabilität auswirken. Die Geldpolitik der EZB wird ultimativ nur dann erfolgreich sein, wenn andere wirtschaftspolitische Akteure (Fiskalpolitik, Strukturpolitik, Finanzstabilität) ihre Beiträge zur Lösung der europäischen Krise leisten. Die EZB darf jedoch niemals versuchen, eine politische Rolle einzunehmen und anderen wirtschaftspolitischen Akteuren Vorgaben zu machen. Dazu hat sie kein Mandat, und es schadet ihrer Unabhängigkeit. Die EZB ist ihrem gesetzlichen Mandat verpflichtet. Dabei muss sie aber auch die Nebenwirkungen ihrer Politik im Auge haben, sofern diese die künftige Wirksamkeit der Geldpolitik beeinträchtigen. Wenn beispielsweise die Bedrohung der Finanzstabilität die Transmission der Geldpolitik gefährdet, muss die EZB dies bei ihren geldpolitischen Entscheidungen berücksichtigen. Das hat sie auch in der Vergangenheit getan. Die EZB muss sich an ihrem Stabilitätsauftrag ausrichten. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Eurozone so lange in einer Krise zu halten und damit ihr Preisziel immer mehr zu verfehlen, bis in Frankreich eine angebotsorientierte oder eine ganz andere Revolution ausbricht. Es ist auch nicht ihr Auftrag, deutschen Sparern eine risikolose Mindestrendite zu garantieren. Das Preisziel zählt mehr. Eindeutig Ja. Man ist sich der Probleme wohl bewusst, handelt aber anders und gibt gegenüber kurzfristigen Markterwartungen und politischen Forderungen nach. Neue Marktverzerrungen entstehen, und der Druck auf die verantwortlichen Regierungen wird verringert, endlich die notwendigen Wirtschaftsreformen entschieden umzusetzen: Abbau der Überschuldung, Bankensanierung und Aufbrechen verkrusteter Wirtschaftsstrukturen. Ein kaum verhohlenes Ziel der EZB ist die Abwertung des Euro: Wie hoch ist das Risiko, dass es dadurch zum „Währungskrieg“ kommt? Der Effekt der lockeren Geldpolitik in den USA nach 2001 war, dass der Dollar geschwächt wurde. Darauf haben viele Länder mit expansiven Maßnahmen reagiert, um eine Aufwertung ihrer Währungen zu verhindern – wodurch sie den schwerwiegenden Risiken ausgesetzt wurden, die ich skizziert habe. Wenn nun die EZB und die Bank of Japan genau das Gleiche tun, nehmen diese Risiken zu – genau wie die Wahrscheinlichkeit disruptiver Wechselkursbewegungen, insbesondere, wenn die Fed mit der geldpolitischen Straffung beginnt. Das wichtigste Ziel der EZB muss die erneute Verankerung der Inflationserwartungen und das Funktionieren der geldpolitischen Transmission sein. Weder kann die EZB den Wechselkurs des Euro steuern, noch kann eine Abwertung des Euro erfolgreich sein, um die Inflationserwartungen und die Inflationsrate zu stabilisieren. Denn der Euro ist eine starke regionale und globale Währung, und der bei weitem größte Teil des Handels der Länder der Eurozone findet in Euro statt. Der Wechselkurs ist der wichtigste verbliebene Transmissionskanal der derzeitigen Geldpolitik. Dieser Kanal kann natürlich nur funktionieren, wenn nicht alle Zentralbanken dieselbe Politik betreiben. Es stellt sich in der Tat die Frage, wie lange die Amerikaner es zulassen werden, dass der Dollar gegenüber dem Euro stetig aufwertet. Bei einem Abwertungswettlauf würden aber letztlich alle verlieren. Uns droht kein Währungskrieg. Der Kurs des Euro drückt den konjunkturellen Rückstand der Eurozone gegenüber den USA zutreffend aus. Die US-Konjunktur ist heute stärker, weil die US-Fed frühzeitig und energisch gehandelt hat, gerade auch durch den Kauf von Anleihen. Wenn die EZB jetzt diesem erfolgreichen Vorbild folgt, kann danach mit der Konjunktur auch der Euro wieder steigen. Die wirtschaftlichen und geldpolitischen Divergenzen haben zur Abwertung des Euro beigetragen. Dahinter steht aber auch eine gezielte Schwächung des Euro, mit der die EZB dem Ansatz früherer europäischer Schwachwährungsländer folgt! Das ist keine tragfähige Strategie und hilft einzelnen Ländern nur kurzfristig. Zweifelsohne ist die Gefahr eines Abwertungswettlaufs größer geworden. Das Ergebnis wäre ein Negativsummenspiel. Die Fragen stellte Mark Schrörs. Börsen-Zeitung