STEPHAN GOERTZ: Weil Ethik praktisch werden will. Philosophisch – theologische Studien zum Theorie – Praxis – Verhältnis. – Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2004, 333 S. – ISBN 3 – 7917-1928-9, Euro 39,90 Ethik als Theorie hat selbstverständlich gar kein persönliches Interesse, auch nicht das an ihrer eigenen Praxis. Aber viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche haben ein leicht nachvollziehbares Interesse daran, dass Ethik nicht nur Theorie bleibt, sondern für sie praktisch Gutes bewirkt. Nicht wenige im Text verstreute Hinweise (z.B. auf die Befreiungstheologie S. 254) und Argumente (etwa für „konkrete Freiheit als Kriterium“ S. 265ff., in dem auch die sozialen Voraussetzungen des ethischen Handels eingefordert werden) deuten an, dass das im Titel formulierte Anliegen eines des Autors selbst ist. Ein solches persönliches Anliegen kann aus meiner Sicht viel besser als der äußere Rahmen der Arbeit, die als Habilitationsschrift entstanden ist, die ungeheure Mühe und Intensität erklären, mit der Goerts das Verhältnis von Theorie und Praxis durch die Geschichte der Philosophie und Theologie verfolgt und auf sein Ziel bezogen erläutert. Als Einleitung wird M. Kettner (Angewandte Ethik als Politikum, Frankfurt 2000, S. 7) zitiert: „Die traditionelle Philosophie der Moral (‚Ethik’) hat die Standards, nach denen sich Praktiken moralisch beurteilen lassen, nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, diese Praktiken moralisch zu verbessern.“ Nun wäre es zu einfach und letztlich nicht Erfolg versprechend, Praxis ohne Theorie verbessern zu wollen. Schon die einfache Frage „Welche Praxis?“ führt zur Theoriebildung. Und erst „wenn eine Differenz von Theorie und Praxis auftritt, kann Ethik als Theorie von Praxis nach der Relevanz des eigenen Denkens für die Praxis fragen.“ (S. 18). Wenn religiös sein nicht nur glauben heißt, sondern auch in diesem Sinne handeln, dann ist auch die theologisch Ethik eine „Theorie von Praxis, die praktisch relevant sein will.“ (S. 18). Die historisch philosophische Rekonstruktion der Schriften zu Theorie und Praxis von verschiedenen Ethiken beginnt mit Platons „Philosophenkönigen“ (S. 31), bei denen Theorie und Praxis zusammenfallen soll, und geht über Aristoteles, der Praxis zur theoretischen Eigenständigkeit verholfen hat (S. 31ff.) über viele Stationen (Augustinus, Bacon, Kant, Hegel, Feuerbach und Marx) bis hin zu den AutorInnen des 20. Jahrhunderts wie Habermas, Homan, Beck, Luhmann, Jonas und Oevermann. Im explizit theologischen Teil werden u.a. Nussbaum, Pauer-Studer, Joas und insbesondere William James als Bezugspunkte analysiert. Das Besondere des vorliegenden Buches ist also keine neue Ethik und keine eigenständige neue Lösung für das Theorie-Praxis-Problem der Ethik, sondern eine historisch – philosophische Auseinandersetzung mit bestehenden Arbeiten und Konzepten. Wer selbst über das das Theorie-Praxis-Problem der Ethik vertieft nachdenken möchte, sollte dieses Buch dazu lesen. Jürgen Maaß