Eine Biografie

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David Suzuki &
Wayne Grady
Der Baum
Eine Biografie
oekom
Für die Reproduktion brauchen die Douglasien (Pseudotsuga
menziesii) das Feuer nicht, wohl aber für das Überleben. Ihre
Sämlinge können keinen Schatten ertragen. Die Bäume sind darauf angewiesen, dass das Feuer den Boden rund um niedrigwachsende Arten wie die Westamerikanische Hemlocktanne und
den Riesen-Lebensbaum frei hält; wenn die Samen dann herunterfallen, ist das Terrain, auf dem sie sich ansiedeln, nicht von anderen Pflanzen besetzt und deshalb auch nicht beschattet. Obendrein enthält die Asche wertvolle Nährstoffe für das Gedeihen
der Sämlinge. Ohne Feuer würden sich die Douglasienwälder
letztlich in Wälder aus Hemlocktannen und Riesen-Lebensbäumen verwandeln. Ausgereifte Douglasien können solche »reinigenden« Feuer überdauern, weil sie eine dicke, nicht brennbare
Borke entwickelt haben – bei ausgewachsenen Bäumen kann
diese eine Stärke von bis zu 30 Zentimetern erreichen –, die die
innenliegende lebende Kambiumschicht schützt.
Feuer ist launisch. Innerhalb von wenigen Tagen kann es über
Tausende von Hektar Waldbestand fegen, ganz offensichtlich
gewillt, alles auf seinem Weg zu zerstören, und dann doch etwas
übrig lassen – hier einen Schössling, dort einen ausgereiften
Baum, anderswo einen ganzen Bestand. Nach unserem Waldbrand würde man bei einem ersten flüchtigen Blick über das
schwarze, ausgebrannte Tal vielleicht nicht viel mehr als verkohlte, über graue Aschehaufen geneigte Baumspitzen wahrnehmen. Bei näherem Hinsehen jedoch würde sich, vor allem nach
einem Regen, hier und da ein wenig Grün zeigen, Sonnenlicht,
das sich in herabfließendem Baumharz spiegelt, und – einer
geschützten Oase gleich – ein verschontes Stückchen Wald auf
der windabgewandten Seite eines Hügelrückens.
Obwohl die Zapfen der Douglasien also zum Aufbrechen keine hohen Temperaturen brauchen, muss ihr natürlicher Feuchtigkeitsgehalt doch auf weniger als 50 Prozent eingetrocknet sein.
Innerhalb weniger Tage nach dem Flächenbrand spreizen Hunderte von Zapfen, wie sie an einer einzigen standhaften, 70 Meter
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Nach dem Feuer
hohen Douglasie hängen, langsam ihre Schuppen auf und entlassen ihren Vorrat geflügelter Samen in den Wind, der nun ungehindert wehen kann. Kreiselnd tanzen die Samen hinunter auf
die Erde. 95 Prozent davon werden nie auskeimen, weil sie auf
Felsen, in Wasser oder auf unfruchtbaren Boden fallen. Von den
anderen werden wiederum 95 Prozent das erste Jahr nicht überleben, sei es aus Mangel an Nährstoffen, wegen zu starker Beschattung oder weil die unternehmungslustigen Hirschmäuse
und Douglashörnchen zu viel Appetit haben. Die verschwenderische Natur sorgt jedoch dafür, dass einige wenige Samen – und
das ist ausreichend – auf feuchtem, mineralhaltigem Grund landen, der sie zum Keimen anregt. Die meisten werden nie bis zum
Stadium der Reife kommen. Sie können allen möglichen Gefahren zum Opfer fallen – einem Waldbrand, solange ihre Borke
noch nicht stark genug ist, einem äsenden Schwarzwedelhirsch,
einem Wapiti, der sein Geweih zu kräftig an ihnen reibt, Insekten, Pilzbefall, Dürre, einem Erdrutsch, einem mörderischen
Frost oder auch der Konkurrenz anderer Bäume. Einer von ihnen
aber wird sich an einem hellen, hoch gelegenen, gut entwässerten Ort ansiedeln. Ihm wird reichlich Sonnenlicht zur Verfügung
stehen und eine stetig feuchte Brise, die am Ende des Tales vom
Pazifischen Ozean heraufsteigt, dort, wo frisch das neue Grün
glänzt. Der Samen wird Wurzeln in die Erde schicken, einen
Stamm ausbilden, Zweige austreiben, Nadeln ausbilden und seinen Reifeprozess für weitere 500 Jahre fortsetzen. Das wird dann
unser Baum sein.
Am Anfang
Feuer ist ein wohlbekannter und wichtiger Bestandteil von Waldökosystemen. Brände verwandeln Materie und Energie aus den
Lebensformen des Waldes in ihre Grundkomponenten zurück,
die dann ihrerseits wieder von neuen Lebensformen verwertet
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werden können. Das Feuer, der Samen und das anschließende
Wachstum unseres Baumes, dies alles sind Stadien eines Prozesses, der schon unendlich lange vor der Entstehung tierischen
Lebens auf der Erde begann. Vor 13,8 Milliarden Jahren, als die
gesamte existierende Materie in einer einzigen Singularität verdichtet war, in einem Punkt, nicht größer als der Punkt am Ende
dieses Satzes, da entzündete der Glutofen des Urknalls das Feuer
in unserer Erde. Dieser Punkt explodierte mit unvorstellbarer
Kraft, Temperatur und Geschwindigkeit und flog in alle Richtungen ins All hinaus. Die Ausdehnung hält bis heute an. Im Lauf
der folgenden neun Milliarden Jahre gab es in den Wirbeln des
abkühlenden Gases ausreichend Materie, um die Gase durch
die Wirkung der Schwerkraft zu immer dichteren Klumpen zusammenzuballen. Plötzlich – in kosmischem Zeitmaßstab gesehen – wurde der Himmel durch das fast zeitgleiche Zünden
von Milliarden nuklearer Glutöfen erleuchtet; das war die Geburt
der Sterne. Einer von ihnen war unser Stern, die Sonne, entstanden aus einer Gas- und Staubwolke, die mehr als 99,8 Prozent der
gesamten Materie in unserem Sonnensystem umfasste.
Aus der Verdichtung der restlichen 0,2 Prozent der gasförmigen Materie, die nicht in der Sonne gebunden war, entstanden die
Planeten. Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren fügte sich die Erde dann
allmählich zu einem kompakten Ganzen; durch die Schwerkraft
wurde sie zusammengepresst und ihr Inneres so stark aufgeheizt, bis es schmolz. Die Atmosphäre des Planeten enthielt keinen Sauerstoff, dafür aber Treibhausgase wie Kohlendioxid und
Wasserdampf. Diese Atmosphäre bildete eine isolierende Decke,
die die Wärme der Erde einfing und die Oberflächentemperatur
auf einem Niveau stabilisierte, das Leben ermöglichte. Die Bühne
war bereitet, das Licht eingeschaltet, das große Drama des Lebens
konnte beginnen.
Es folgten die Eröffnungsszenen: Die Oberfläche der Erde
kühlte ab und bildete riesige Platten aus fester Kruste, die auf
dem Magma schwammen wie gigantische Eisschollen auf einem
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Meer flüssigen Feuers. Wo sie zusammenstießen, schoben sie
sich himmelwärts, um Bergketten zu schaffen. Wo sie auseinander brachen, rauschten die Meere herein und füllten die Zwischenräume. Im Laufe dieser Zeit – wir sprechen von mehr als
einer halben Milliarde Jahren – etablierte sich aus Verdunstung,
Kondensation und Niederschlag der Wasserkreislauf auf dem
öden Land. Reißenden Sturzbächen gleich, grub das Wasser
Schluchten, löste Mineralien aus den Felsen und spülte sie in die
Meere, wo sie sich über die Jahrtausende anreicherten und sich
den Elementen zugesellten, die bereits im Wasser vorhanden
waren. Die Ozeane verwandelten sich in eine reichhaltige Lösung
aus Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Wasserstoff und
Natrium. Das Land überzog sich mit einer dünnen Schicht aus
Sand, Kies, Vulkanasche, Ton und Lehm.
Etwa in der Mitte des ersten Aktes taten sich die Bausteine in
den Ozeanen zusammen und bildeten lebende Organismen. Wie
sie das genau bewerkstelligten, ist eine der am heftigsten diskutierten Fragen der modernen Biologie. Weitgehend einig ist man
sich jedoch, dass dies irgendwann vor etwa 3,8 oder 3,9 Milliarden Jahren geschah, und zwar im Wasser, durch einen Prozess,
der Energie benötigte. Als Quelle für diese Energie kommt alles
Mögliche in Betracht: ultraviolette Strahlung aus der ozonfreien
Atmosphäre, Blitze, Meteoritenschwärme (folgt man bestimmten
Hypothesen, brachten diese auch ein paar essenzielle chemische
Elemente mit, die auf der Erde noch fehlten) oder auch hydrothermale Quellen auf dem Grund der Ozeane, wo das Magma
aus Spalten zwischen den tektonischen Platten hervorquoll, das
Wasser überhitzte und auf diese Weise Bestandteile wie Methan
und Ammoniak lieferte.
Schließlich wuchsen einige Atome und Moleküle zu größeren
Aggregaten zusammen, zu Makromolekülen von Lipiden, Kohlehydraten, Proteinen und Nukleinsäuren. Irgendwie geschah es
dann, dass komplexe Moleküle von Lipidmembranen umschlossen wurden, die innen von außen trennten. Das waren Protozellen,
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