Kapitel 18 Strangeness (1943-1959) 18.1 Entdeckung der “Strangeness1” Leprince-Ringuet (1943): Rochester, Butter (1947): Anderson, Leighton, Cowan : Hinweise für die Existenz einer neuen Art von Teilchen durch das Studium der “Shower” in kosmischen Strahlen. Die entdeckten Teilchen besitzen die folgenden Eigenschaften: sie sind nicht stabil (d.h. sie zerfallen), elektrisch ungeladen und geladen, ihre Ruhemassen sind ungefähr gleich 1000 Elektron-Ruhemassen Diese Teilchen wurden als Kaonen bezeichnet. 1. Seltsamkeit Teilchenphysik 323 Strangeness (1943-1959) Geladenes Kaon: K+, K– mK + ≈ 493, 6 MeV τ ≈ 12 ns TABLE 1. Hauptzerfällskanäle cτ ≈ 3, 7 m des geladenen Kaons Verzweigungsverh ltnis des Zerf lls Zerfall K + → µ +ν µ 64% → π +π 0 (Kπ 2 ) 21% → π +π +π − (Kπ 3 ) 5,6% → µ +π 0ν µ (Kµ 3 ) 3,2% → e +π 0ν e (Ke3 ) 4,8% → π +π 0π 0 1,73% Das Kaon besitzt eine relativ lange Lebensdauer (“long-lived”). Vergleich mit dem Zerfall des geladenen Pions: π + → µ + + νµ τ ≈ 26 ns cτ ≈ 7, 8 m Wegen der langen Lebensdauer spricht man von einem schwachen Zerfall. 324 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Entdeckung der “Strangeness” Ungeladene Kaonen: K0S, K0L (“K-short”, “K-long”) K S0 → π +π − (68, 6%) τ ≈ 0, 8 × 10 −10 s cτ ≈ 2, 7 cm → π 0π 0 ( 31, 4%) Das kurzlebige Kaon zerfällt oft in zwei geladene Pionen. In diesem Fall spricht man von einem “V0”, wegen der charakteristischen Form der Spuren in Detektoren. Siehe Abb. 1. Teilchenphysik 325 Strangeness (1943-1959) Figur 1. 326 Ein nachgewiesenes V0 in der Blasenkammer von Rochester. Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die “Strangeness”-Quantenzahl Schwerere Teilchen wurden auch entdeckt: Λ → pπ − (64%) → nπ 0 ( 36%) Σ → pπ 0 (52%) + mΛ = 1115, 6 MeV mΣ + = 1189, 4 MeV cτ ≈ 7, 89 cm cτ ≈ 2, 4 cm → nπ + ( 48%) 18.2 Die “Strangeness”-Quantenzahl Die Entdeckung dieser neuen Teilchen war eine Überraschung. Deshalb wurden sie als “strange” Teilchen bezeichnet. Die “strange” Teilchen sind massiv genug, so dass ein schneller Zerfall in leichte Teilchen möglich ist. Im Gegensatz dazu sind die beobachteten Lebendauern der “strange” Teilchen lang. Pais (1952): Vorschlag, dass verschiedene Mechanismus für die Erzeugung und den Zerfall verantwortlich sind. Häufige Produktion: starke Wechselwirkung (τ≈10–23 s) Langsamer Zerfall: schwache Wechselwirkung (τ≈10–9 s) Gell-Mann, Nishijima (1953): Teilchen besitzen eine neue additive Quantenzahl: S=strangeness (wie Ladung, Isospin, usw...) Antiteilchen besitzen entsprechend –S Beobachtung: die “strange” Teilchen werden in starken Wechselwirkungen immer in Paaren erzeugt. Daraus folgt die Regel der Erhaltung und Verletzung der “Strangeness”-Quantenzahl: S wird in elektromagnetischen und starken Wechselwirkungen erhalten Teilchenphysik 327 Strangeness (1943-1959) S wird in schwachen Wechselwirkungen nicht erhalten. Produktion von Strangeness: S π − p → K +Σ − 0 + 0 = +1 ± 1 π − p → K 0Σ 0 0 + 0 = +1 ± 1 π − p → K 0Λ 0 + 0 = +1 ± 1 Damit haben wir die folgenden Quantenzahlen den Teilchen zugeordnet: π , p, n S=0 K +,K 0 S = +1 K − , K 0 , Λ, Σ + , Σ − , Σ 0 S = −1 (Beachte: Σ– ist nicht das Antiteilchen des Σ+) Verbotene Prozesse (wegen S-Erhaltung) S + − π−p → / π Σ 0 + 0 ≠ 0 ±1 0 0 π−p → / π Σ 0 + 0 ≠ 0 ±1 − + π−p → / K Σ 0 + 0 ≠ ±1 ± 1 = −2 Zerfälle: durch schwache Wechselwirkung, d.h. S wird nicht erhalten: S 328 Λ → pπ − −1≠ 0 + 0 Σ + → pπ 0 −1 ≠ 0 + 0 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Σ + → nπ + −1 ≠ 0 + 0