ETEK Praktikum, Versuch 6 1/8 Versuch 6 Wechselstrom Lernziele Bei diesem Versuch wird das Wechselstromverhalten diverser elementaren elektrischen Bauelementen untersucht. Es werden rechnerische und graphische Methoden benutzt um dieses Verhalten bei einfachen Schaltungen zu bestimmen. Ferner wird das Frequenzverhalten dieser Wechselstromgrössen betrachtet. • Sie können die Begriffe Linearität und Superpositionsprinzip an Hand von konkreten Beispielen erläutern. • Sie können harmonische Signale formelmässig und mittels Zeigern beschreiben und wahlweise die eine Darstellung in die andere überführen. • Sie kennen die Einflüsse auf Zeigern der folgenden Operationen auf harmonische Signale im Zeitbereich: Multiplikation mit einer Konstanten, Addition oder Subtraktion mehrerer Signale, Ableitung nach der Zeit. • Sie können Verhältnisse von Zeigern interpretieren und in diesem Zusammenhang unter anderem die Begriffe Impedanz und Admittanz erläutern. • Sie kennen die Impedanzen und Admittanzen der idealen elektrischen Bauelementen Widerstand, Kondensator und Spule. 1 Linearität und Wechselstromverhalten ˆ cos(ω t + ϕ ) sind durch die Harmonische (sinusförmige) Signale1 wie z. B. die Spannung u(t) = U u ˆ 2 ), Nullphasenwinkel ϕ und ˆ (oder Effektivwert2 U = U Angabe der drei Parameter Amplitude U u Kreisfrequenz ω (bzw. Frequenz f = ω/2π) eindeutig und vollständig beschreiben. Bei vorgegebener Frequenz können die Amplitude und der Nullphasenwinkel eines elektrischen Signals als Zeiger (englisch: phasor) in Versor-Notation kompakt angegeben werden:€für eine Spannung z. B.: U = U∠ϕ u , bzw. für € beiden Elemente des € Zeigers werden als Betrag€und Argument eine Stromstärke: I = I∠ϕ i . Die bezeichnet. Der Zusammenhang u(t ) ↔ U ist mathematisch betrachtet eine lineare€Abbildung. Dabei gelten die folgenden€beiden Eigenschaften (mit u(t ) ↔ U = U∠ϕ u und i(t ) ↔ I = I∠ϕ i ): 1) u(t ) = R i(t ) ↔ U = R I (Homogenität) € Das Multiplizieren € eines Zeigers mit einer€Konstanten entspricht der Steckung dieses Zeigers um diesen Faktor: dabei gilt U = R I und ϕ u = ϕ i € U = R·I I 1 2 € € Unter Signal wird der zeitliche Verlauf einer physikalischen Grösse verstanden. Der Effektivwert eines periodischen Signals (Spannung oder Stromstärke) entspricht dem konstanten Wert der an einem Widerstand dieselbe Leistung wie die Wechselgrösse dissipiert. Mathematisch entspricht er dem quadratischen Mittelwert des Signalverlaufs. Ingenieure geben im Allgemeinen Signalwerte als Effektivwerte und nicht als Amplitudenwerte am. Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 2) u(t ) = u1 (t ) + u 2 (t ) ↔ U = U1 + U 2 2/8 (Additivität) Die Addition ist hier als (vektorielle) Zeiger-Addition zu verstehen: € (U cosϕ dabei gilt U= und ϕ u = atan 1 2 + U 2 cosϕ u 2 ) + (U1 sinϕ u 1 + U 2 sinϕ u 2 ) U1 sinϕ u 1 + U 2 sinϕ u 2 2 u1 U1 cosϕ u 1 + U 2 cosϕ u 2 € Ist der Nenner des atan-Ausdrucks für ϕu negativ, so muss noch der Winkel π zu ϕu addiert oder abgezogen werden. € U2 U U1 Im Weiteren gilt für die zeitliche Ableitung eines harmonischen Signals: 3) v(t ) = dx(t ) ↔ V =V∠ϕ v = ω X∠(ϕ x + π 2) dt Das Ableiten eines Signals nach der Zeit, entspricht für den entsprechenden Zeiger einer Steckung um die Kreisfrequenz ω und einer positiven3 Drehung um π/2. € V X Superpositionsprinzip Bedeutung der Linearität: Bei Systemen bei denen zwischen Eingangs- und Ausgangsgrössen (bzw. Ursache und Wirkung) eine lineare Beziehung herrscht, gilt das Superpositionsprinzip: Die Wirkungen einzelner Ursachen können addiert werden, um die gemeinsame Wirkung aller Ursachen zusammen zu bestimmen. Dies ist bei nichtlinearen Systemen nicht möglich. Beispiel für das Superpositionsprinzip Kondensatoren weisen einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und Stromstärke auf. • Ein auf die Spannung U1 geladener Kondensator wird über einen Widerstand entladen. Der Entladevorgang erzeugt die Stromstärke i1 (t). • Ein ungeladener Kondensator wird über denselben Widerstand an ein Netzgerät der Spannung U2 geschaltet. Der Ladevorgang erzeugt die Stromstärke i2 (t). —> Wird nun der geladene Kondensator an das Netzgerät geschaltet, so kann die resultirende Stromstärke als Summe der einzelnen Stromstärken bestimmt werden: i(t) = i1 (t) + i2 (t) Ende des Beispiels 3 d. h. im Gegenuhrzeigersinn Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 3/8 2 Verhältnisse von Zeigern Bei linearen Systemen sind bei einheitlicher harmonischer Anregung4 und im eingeschwungenen Zustand5 sämtliche Signale harmonisch6. Die Signale unterscheiden sich in diesem Fall nur durch ihre Amplituden und Nullphasenwinkel. Das Verhältnis eines Spannungs- zu einem Stromzeiger kann als „Widerstandzeiger“ oder Impedanz wie folgt definiert werden: Z= U U = ∠(ϕ u − ϕ i ) I I Analog gilt für das reziproke Verhältnis „Leitwertzeiger“ oder Admittanz: € Y= I I = ∠(ϕ i − ϕ u ) U U Die resultierenden Zeiger beschreiben mit ihrem Betrag das Verhältnis der Amplituden oder der Effektivwerte der betrachteten Grössen und mit dem Argument deren Nullphasenwinkeldifferenz. € Offensichtlich gilt Y = 1/Z. Beim Bestimmen des reziproken Wertes eines Zeigers gelten folgende zwei Regeln: i) der Betrag wird durch seinen reziproken Wert ersetzt ii) das Argument ändert sein Vorzeichen € Zeiger und Verhältnisse von Zeigern sind im Allgemeinen frequenzabhängig7. Diese Abhängigkeit von der Kreisfrequenz, bzw. der Frequenz wird Frequenzgang des betrachteten Zeigers genannt. Die Abhängigkeit des Betrags von der Frequenz heisst Amplitudengang, die des Arguments Phasengang. Der Amplituden- und der Phasengang beschreiben die Frequenzabhängigkeit des Zeigers eindeutig. Der Zusammenhang zwischen der Spannung und der Stromstärke bei einem harmonisch angeregten idealen Kondensator der Kapazität C, kann also wie folgt beschrieben werden (Eigenschaften 1 und 3 der Abbildung): i(t ) = C du(t ) ↔ I = I∠ϕ i = ω CU∠(ϕ u + π 2) dt mit Betrag I = ωCU und Argument ϕ i = ϕ u + π /2 € I € U 4 5 6 7 Dazu gehören auch zeitlich konstante Signale. Letztere können als Sonderfall eines sinusförmigen Signals mit Frequenz Null betrachtet werden. d.h. nach Abklingen der Einschwingphasen oder Transienten mit der selben Frequenz wie die durch die Quellen eingeprägte Anregung Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Energiespeicherelement sich in der Schaltung befindet. Die konstitutiven Gesetze dieser Elemente enthalten immer eine zeitliche Änderungsrate (zeitliche Ableitung). Gemäss der Eigenschaft (3) werden die Zeiger entsprechend um die Frequenz gestreckt. Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 Für dieses Bauelement beträgt die Impedanz Z = Z∠ϕ = 4/8 U 1 ∠(ϕ u − ϕ i ) = ∠−π 2 I ωC I ∠(ϕ i − ϕ u ) = ω C∠π 2 U € analog gilt für eine ideale Spule der Induktivität L: und die Admittanz Y = Y∠ − ϕ = € di(t ) u(t ) = L ↔ U = U∠ϕ u = ω L I∠(ϕ i + π 2) dt mit Betrag U = ω L I und Argument ϕ u = ϕ i + π /2 € U € € I Für dieses Bauelement beträgt die Impedanz Z = Z∠ϕ = und die Admittanz Y = Y∠ − ϕ = U ∠(ϕ u − ϕ i ) = ω L∠π 2 I I 1 ∠(ϕ i − ϕ u ) = ∠−π 2 U ωL € € Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 5/8 3 Beispiele 3.1 RC-Glied als Tiefpassfilter Das folgende RC-Glied kann als einfaches Tiefpassfilter verwendet werden. Ein Tiefpassfilter lässt harmonische Signale mit tiefen Frequenzen mehr oder weniger unverändert durch, dämpft hingegen die Amplituden von Signalen mit höheren Frequenzen so, dass diese am Filterausgang nur noch geschwächt erscheinen. Ri i(t) R uq(t) u1(t) C u2(t) Figur 1 RC-Glied als Tiefpassfilter an linearer Wechselspannungsquelle Die Spannung u1 (t) ist das Signal am Filtereingang und u2 (t) entspricht dem gefilterten Signal am Filterausgang. Bei sinusförmiger Anregung können die Spannungen und die Stromstärke mit Zeigern bezeichnet werden: Ri R I Uq U1 C U2 Figur 2 Tiefpassfilterschaltung mit eingetragenen Wechselstromzeigern Unter der Annahme, dass ϕ u 2 = 0 ist, kann das Zeigerdiagramm aller Grössen der Schaltung gezeichnet werden: Uq Ri·I € U1 R·I I U2 Figur 3 Zeigerdiagramm der Schaltung Dabei gelten I = ω CU 2 ∠(ϕ u 2 + π /2) und U1 = R I + U 2 . Daraus ergibt sich für das Amplitudenverhältnis U U2 1 1 = = der Spannungen 2 = 2 2 2 2 U1 RI 1+ (ω R C) (R I) + U 2 +1 € € U2 RI und für den Phasenwinkelunterschied ϕ u 2 − ϕ u1 = −atan = −atan(ω R C) . U2 € € Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 6/8 Die Frequenz bei der die Filterwirkung einsetzt, wird als Bandbreite des Tiefpassfilters bezeichnet. Diese wird als die Frequenz definiert, bei der die Amplitude des Signals am Filterausgang um den Faktor √2 gegenüber der Amplitude des Signals am Filtereingang abgenommen hat. Dies ist in diesem Beispiel bei ω = 1/RC der Fall. Diese Kreisfrequenz heisst Grenzkreisfrequenz ωg bzw. Grenzfrequenz fg des Filters. fg = 1 U2 1 π ϕ u 2 − ϕ u1 ω= ω = −atan(1) = − —> = und 2π RC g U1 ω= ωg 2 4 3.2 RLC-Serieschwingkreis € Interessant sind Schaltungen, die kapazitive und induktive Elemente enthalten. Je nach Frequenz überwiegt das kapazitive oder das induktive Verhalten. Bei einer bestimmten Frequenz, der sogenannten Resonanzfrequenz, heben sich der kapazitive und der induktive Effekt auf, so dass die Schaltung an ihren Klemmen betrachtet sich wie ein reiner Widerstand verhält, d. h. der Phasenwinkelunterschied zwischen der Spannung u(t) und der Stromstärke i(t) Null beträgt. I R L U UR UL C UC Figur 3 Schaltung eines RLC-Serieschwingkreises mit Wechselstromzeigern UL U =U R + U L + U C UL I ϕ UR = U = R·I UC I UR = R·I UC Figur 4 Zeigerdiagramme des Serieschwingkreises bei Resonanz (ω = ωr) und bei ω > ωr Aus dem Zeigerdiagramm ergeben sich die folgenden Beziehungen: 1 ωL − 2 UL − UC 1 ωC 2 = atan U = U 2R + (U L − U C ) = I R 2 + ω L − , sowie ϕ = ϕ U − ϕ I = atan UR R ωC Bei Resonanz heben sich die Spannungszeiger der Kapazität und der Induktivität auf. Dafür müssen ihre Beträge gleich gross sein: 1 1 ωL = , daher ergibt sich für die Resonanzkreisfrequenz des Serieschwingkreises ω r = € ωC LC Unterhalb der Resonanzfrequenz überwiegt die kapazitive Spannung, oberhalb die induktive. € € € Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 7/8 Vorbereitung RC-Glied als Tiefpassfilter • Zeichnen Sie den Amplitudengang U2 /U1 des Spannungsübertragungsverhältnisses (Zeigerverhältnisses) U2 /U1 in linearer und in doppeltlogarithmischer Darstellung. • Zeichnen Sie den Phasengang ϕ = ϕ u 2 – ϕu 1 des Übertragungsverhältnisses in linearer und in halblogarithmischer Darstellung (Frequenz logarithmisch, Phase linear). RLC-Serieschwingkreis • Zeichnen Sie den Amplitudengang Z = U/I der Impedanz Z in linearer und in doppeltlogarithmischer Darstellung. • Zeichnen Sie den Phasengang der Impedanz ϕ = ϕ u – ϕi in linearer und in halblogarithmischer Darstellung (Frequenz logarithmisch, Phase linear). • Bestimmen Sie formal und zeichnen Sie den Amplitudengang UC/U des Spannungsübertragungsverhältnisses (Zeigerverhältnisses) UC/U in linearer und in doppeltlogarithmischer Darstellung. Messaufgaben RC-Glied als Tiefpassfilter • Nehmen Sie einige Punkt des Frequenzgangs (Amplituden- und Phasengang) des RC-Tiefpassfilters im Frequenzbereich fg /10 bis 10·fg auf und tragen Sie die gemessenen Werte in die vorbereitete Graphik ein. RLC-Serieschwingkreis • Nehmen Sie einige Punkt des Frequenzgangs des RLC-Serieschwingkreises im Frequenzbereich fr/10 bis 10·fr, insbesondere in der Nähe der Resonanzfrequenz fr auf und tragen Sie die gemessenen Werte in die vorbereitete Graphik ein. Inventar 1 2 1 1 2 2 6 Funktionsgenerator (HM 8030) Multimeter (HM 8011) Kathodenstrahloszillograph (Hameg HM 1507) mit 2 Sonden (10:1 Tastkopf) LC-Meter (HM 8018), nur an einigen Messplätzen vorhanden Widerstandsdekaden (1 Ω … 11 MΩ), Genauigkeit 1 %, Belastbarkeit 1 W Luftspulen: ca. 3 mH / 13 Ω und 8 mH / 27 Ω, Imax = 50 mA Polyester-Folienkondensatoren 10, 47, 100, 220, 470, 1000 nFarad Nennwert in nF Max. Spannung in V Bezeichnung Farbe 10 630 10n MKT blau 47 250 .047 beige 100 250 u1 hellblau 220 63 u22 hellblau 470 100 u47 blau 1000 250 1u MKT blau Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup ETEK Praktikum, Versuch 6 8/8 Tabelle der zur Verfügung stehenden Polyester-Folienkondensatoren Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 25. Februar 2007, © M. Schlup