Elektrotechnik und Elektronik 1/18 ETEK Wechselstrom 1 Einleitung In der Energietechnik (elektrische Energiewandlung und -verteilung) hat sich der sinusförmige Wechselstrom, kurz Wechselstrom (alternating current, AC) auf Grund seiner technischen Vorteile gegenüber dem Gleichstrom (direct current, DC) durchgesetzt. Dessen Vorteile liegen in der relativ einfachen technischen Realisierbarkeit der Wechselstrom-, bzw- Drehstromerzeugung1 (Generator als drehende Maschine) und in der ebenfalls einfachen Realisierbarkeit der Spannungstransformation ohne beweglichen mechanische Teile (Transformatoren). Die Berechnung von elektrischen Schaltungen bei Wechselstrom ist natürlich um einiges komplizierter als bei Gleichstrom. Zum Beispiel: • Bei der Addition von Wechselgrössen müssen zwei sinusförmige Signale2 zu jedem Zeitpunkt addiert werden. • Der Begriff elektrischer Widerstand eines Zweipols, definiert als Verhältnis von Spannung zu Stromstärke, ergibt bei Wechselstrom nicht notwendigerweise eine (zeitunabhängige) feste Zahl wie dies bei Gleichstrom der Fall ist. • Bei Wechselstrom kommen zusätlich zur Eigenschaft Widerstand (resistance) zwei weitere Eigenschaften der elektrischen Komponenten, nämlich die Kapazität (capacitance) und die Induktivität (inductance) dazu. Die Wechselstromlehre, wie sie heute immer noch hochaktuell ist, wurde durch Charles Steinmetz (1865-1923) ausgearbeitet und Ende des neunzehnten Jahrhunderts anlässlich eines Internationalen Elektrischen Kongresses in Chicago der Fachwelt präsentiert3. Die Leistung von Charles Steinmetz bestand in der Erkenntnis, dass durch Benutzen von komplexen Zahlen die Berechnung von elektrischen Wechselstromschaltungen auf die Berechnungsmethoden von Gleichstromschaltungen zurückgeführt werden konnte. Steinmetz erkannte auch, dass diese Methode nicht nur für die Berechnung von Wechselstromschaltungen angewendet, sondern auch bei allen physikalischen Aufgaben eingesetzt werden konnte, bei denen stationäre sinusförmige Schwingungen auftreten. Die Theorie der Wechselstromlehre ist demzufolge eine Methode, die beim Auftreten von sinusförmigen Signalen mit Vorteil zum Einsatz kommt. Damit in einem System wie eine elektrische Schaltung „rein“ sinusförmige oder harmonische Signale auftreten, müssen folgende drei Bedingungen erfüllt sein: 1. Einheitliche, sinusförmige Anregung der Schaltung mit einer festen Frequenz In der Schaltung befinden sich eine oder mehrere Wechselstromquellen (Spannungs- oder Stromquellen) die alle mit derselben konstanten (nicht zeitabhängigen) Frequenz schwingen. Die 1 2 3 Drehstrom ist eine besondere Form von Wechselstrom: er besteht aus drei zeitlich versetzten Wechselstromspannungen. Unter Signal wird hier der zeitliche Verlauf einer physikalischen Grösse (hier Spannung oder Stromstärke) verstanden. Charles Steinmetz, Complex Quantities and Their Use in Electrical Engineering, 1893. „We are coming more and more to use complex quantities instead of using sines and cosines, and we find great advantage in their use for calculating all problems of alternating currents, and throughout the whole range of physics. Anything that is done in this line is of great advantage to science.“ —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 27. August 2005, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 2/18 Quellen müssen dabei nicht synchron arbeiten, d. h. die Nulldurchgänge der sinusförmigen Grössen müssen nicht gleichzeitig sein. 2. Lineare Schaltung Die Schaltung enthält nur lineare Komponenten (Spannungs- und Stromquellen, R,L,C). 3. Stationärer Zustand erreicht (Einschwingphasen abgeklungen) Nach dem Dazuschalten einer sinusförmigen Quelle stellen sich nicht sofort sinusförmige Spannungen und Stromstärken in der Schaltung ein. Dieser sogenannt stationäre Zustand stellt sich erst nach einer bestimmten Zeit ein: Die Dauer dieses Einschwingvorgangs oder Einschwingtransiente4 hängt nur von der Schaltung ab und nicht von der anregenden Frequenz. Sind die obigen Bedingungen erfüllt, so sind sämtliche Spannungen und Stromstärken der Schaltung sinusförmig, bzw. harmonisch! 4 Transiente Phase bedeutet wörtlich Übergangsphase. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 2 3/18 Harmonische Signale und ihre Darstellung 2.1 Sinusförmige Signale Signale die mit der folgenden Formel5 dargestellt werden können, heissen sinusoidal (sinusförmig) oder harmonisch: x(t ) = Ax cos(ω t + ϕ x ) Bezeichnungen: Ax Amplitude (Scheitelwert) ω Kreisfrequenz mit ω = 2πf = 2π/T, [ω] = s-1 = rad/s f Frequenz, [f] = Hz (Hertz) T Periodendauer, [T] = s ϕx Nullphasenwinkel auch kurz Phase, üblicher Definitionsbereich: (-π, π], d.h. -π < ϕx ≤ π ωt+ϕx Phasenwinkel oder kurz Phase Beispiele: x(t ) = Ax sin(ω t ) = Ax cos(ω t − π 2) x(t ) = −Ax cos(ω t + ϕ x ) = Ax cos(ω t + ϕ x ± π ) Ein Vorzeichenwechsel wird durch eine Veränderung des Phasenwinkels um + π oder – π erreicht. Das Vorzeichen von π wird so gewählt, dass der Nullphasenwinkel in Definitionsbereich (-π, π] liegt. x(t ) = −Ax sin(ω t ) = Ax cos(ω t + π 2) x(t ) = −Ax sin(ω t + ϕ x ) = Ax cos(ω t + ϕ x + π 2) 5 Diese Form heisst allgemeine Cosinusfunktion. Sinusförmige Signale könnten ebensogut mit der allgemeinen Sinusfunktion x(t) = Ax·sin(ωt+φx) dargestellt werden. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 4/18 ETEK Wechselstrom 2.2 Darstellung mit Zeiger Drehzeiger Ein sinusförmiges Signal kann als Projektion eines mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω drehenden6 Zeigers (phasor) auf eine Projektionsachse Projektionsachse Ax x(t1 ) Drehzeiger x(t1 ) Ax ωt1 +ϕx 0 -Ax 0 t1/T 1 1.2 Zeit in Anzahl Perioden t/T betrachtet werden: Figur 1.1 Drehzeiger und Interpretation Festzeiger Bei fester (konstanter) Kreisfrequenz ω ist die gesamte Information über das Signal x(t) in den Parametern Ax und ϕx enthalten. Dies kann als Bild des Drehzeigers bei t = 0 Ax Festzeiger ϕx Projektionsachse dargestellt werden: Figur 1.2 Festzeiger Summe von sinusförmigen Signalen gleicher Frequenz Behauptung: Die Summe (oder Differenz) zweier sinusförmigen Signalen mit gleicher Kreisfrequenz ergibt wiederum ein sinusförmiges Signal derselben Frequenz. x(t ) = x1 (t ) + x 2 (t ) = A1 cos(ω t + ϕ1) + A2 cos(ω t + ϕ 2 ) = Acos(ω t + ϕ) A= (A1 cosϕ1 + A2 cosϕ 2 ) + (A1 sinϕ1 + A2 sinϕ 2 ) 2 2 = A12 + A22 + 2A1A2 cos(ϕ1 − ϕ 2 ) ⎛ A sinϕ1 + A2 sinϕ 2 ⎞ ϕ = atan⎜ 1 ⎟ ⎝ A1 cosϕ1 + A2 cosϕ 2 ⎠ 6 Im mathematisch positiven Sinn drehend, d.h. im Gegenuhrzeigersinn. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 5/18 ETEK Wechselstrom Interpretiert man diese Ergebnisse geometrisch, so kann man zeigen, dass der Zeiger der Summe, bzw. der Differenz zweier sinusförmigen Signalen gleicher Frequenz, sich durch vektorielle Addition, bzw. Subtraktion der Zeiger der Summanden bestimmen lässt. X2 X1 X2 X=X1 +X2 X=X1 –X2 X1 Figur 1.3 Summe und Differenz zweier Signale in Zeigerdarstellung Ableitung nach der Zeit eines sinusförmigen Signals Die Ableitung nach der Zeit7 eines sinusförmigen Signals ist wiederum sinusförmig. Die Amplitude der Ableitung wird dabei um die Kreisfrequenz ω und die Phase um π/2 grösser. x1 (t) = dx(t) d(A ⋅ cos(ωt + ϕ)) π ⎛ = = −ωA ⋅ sin(ωt + ϕ) = ωA ⋅ cos ωt + ϕ + ⎞ ⎝ dt 2⎠ dt <—> Der Zeiger des abgeleiteten Signals wird um ω "gestreckt" und um +π/2 gedreht. Figur 1.4 Zeiger eines Signals (X) und der zeitlichen Ableitung dieses Signals (X1) X1 X 7 Die Ableitung ist eine lineare Operation. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 6/18 ETEK Wechselstrom 3 Wechselstrom - Widerstände 3.1 Verhältnisse von Zeigern Unter den Voraussetzungen lineare Bauelemente, sinusförmiger Anregung und eingeschwungener Zustand, kann der Zusammenhang zwischen Spannungs- und Stromverlauf an den Klemmen eines Zweipols durch das Verhältnis der Zeiger8 von Spannung und Stromstärke dargestellt werden. Beispiel 1.1: Widerstand Es ist üblich, die zeitliche Grösse uR(t) bzw. iR(t) mit dem Zeiger UR bzw. IR darzustellen. uR(t) <—> UR iR(t) <—> IR Widerstand: uR(t) = R·iR(t) bzw. <—> UR = R·IR IR UR UR =R, ∠(ϕ u − ϕi ) = R∠0 IR IR UR Das Verhältnis der Amplituden von Spannung und Stromstärke ist konstant und beide Signale verlaufen zeitlich synchron, sie sind phasengleich. IC Beispiel 1.2: Kapazität uC(t) <—> UC Kapazität: iC(t) <—> IC i C (t) = C du C dt <—> UC IC π ∠(ϕ i − ϕ u ) = ωC∠ UC 2 Das Verhältnis der Amplituden von Spannung und Stromstärke ist invers proportional zur Frequenz: bei der Frequenz Null verschwindet die Stromstärke (Leerlauf), bei unendlich hoher Frequenz die Spannung (Kurzschluss). Spannung und Stromstärke verlaufen zeitlich um den Phasenwinkel π/2 verschoben. Die Stromstärke eilt der Spannung um π/2 voraus. Beispiel 1.3: Induktivität uL(t) <—> UL UL iL(t) <—> IL di Induktivität: u L (t) = L L dt U π <—> L ∠(ϕ u − ϕ i ) = ωL∠ IL 2 IL Das Verhältnis der Amplituden von Spannung und Stromstärke ist proportional zur Frequenz: bei der Frequenz Null verschwindet die Spannung (Kurzschluss), bei unendlich hoher Frequenz die Stromstärke (Leerlauf). Die Spannung eilt der Stromstärke um π/2 voraus. 8 Drehzeiger und Festzeiger führen auf das gleiche Ergebnis da sich der zeitabhängige Term e jωt herauskürzt. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 7/18 ETEK Wechselstrom Beispiel 2: RC-Glied Ri uq(t) R u(t) i(t) u R(t) uC (t) C Figur 1.5 RC-Glied mit linearer Quelle Im eingeschwungenen Zustand, ist bei sinusförmiger Anregung der Verlauf von allen Signalen der Schaltung sinusförmig. Der zeitliche Verlauf der Quellenspannung sei uq(t) = Ûq·cos(ωt). Gesucht werden der Strom i(t) sowie die Spannungen uR(t) und uC(t). Unter Benutzung der Linearität der Abbildung und des Gesetzes für die Ableitungsbildung ergibt sich Widerstand uR(t) = R·i(t) <—> UR = R ⋅ I Kapazität i(t) = C·duC/dt <—> I = U C ⋅ ω ⋅ C∠ π 2 UC = ; Maschensatz uq(t) = (Ri+R)·i(t) + uC(t) <—> U q = (R i + R) ⋅ I + U C I ω ⋅C Die Festzeiger dieses Beispiels können im sogenannten Zeigerdiagramm dargestellt werden: U Ri +UR I Uq = URi+UR +UC UC Figur 1.6 Zeigerdiagramm: Festzeiger der Schaltung Damit ergibt sich für das Amplitudenverhältnis Ûq/Î sowie die Phasenwinkeldifferenz ϕUq - ϕI zwischen den Signalen uq(t) und i(t): Uˆ q Uq = = ˆI I (R i + R)2 + 1 2 ω C 2 ⎛ ⎞ 1 ⎟ ϕ u q − ϕ i = −a tan⎜⎜ ⎟ ⎝ ωC ⋅ (R i + R)⎠ Der Strom und die Spannungen über den Widerständen sind dabei Phasengleich. Die Spannung über dem Kondensator eilt dem Strom um den Winkel π/2 nach. Das Verhältnis der Amplituden von UC und I ist abhängig von der Frequenz. Demzufolge ist auch der Phasenwinkel zwischen den Grössen Uq und I, bzw. Uq und UC frequenzabhängig. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 8/18 ETEK Wechselstrom 4 Leistung bei Wechselstrom 4.1 Effektivwerte und mittlere Leistung Gesucht werden die Gleichspannung U und der Gleichstrom I die dieselbe Leistung an einem Ohmschen Widerstand R wie die sinusförmigen Wechselspannungsgrössen im Mittel (Zeitmittel) abgeben. i(t) = ˆI ⋅ cos(ωt + ϕ i ) ˆ ⋅ cos(ωt + ϕ ) u(t) = U u Offensichtlich muss zu jedem Zeitpunkt u(t)/i(t) = Û/Î = R gelten und die Nullphasenwinkel von Spannung und Strom müssen identisch sein: ϕu = ϕi Momentan verbrauchte Leistung (Wahl von t so, dass ϕu=ϕi=0): Uˆ ⋅ ˆI p(t) = u(t) ⋅ i(t) = Uˆ ⋅ ˆI ⋅ cos2 (ωt) = (1 + cos(2 ωt)) 2 Im Mittel im Widerstand verbrauchte Leistung (Periodendauer: T=2π/ω): T 1 1ˆ ˆ P = ∫ p(t) ⋅ dt = U ⋅I T0 2 Für die Effektivwerte U und I gilt gemäss Definition: 2 P = U ⋅ I = U R = R⋅ I 2 Der Vergleich der Ausdrücke führt zu U= 1 ˆ U 2 bzw. I= 1 ˆ I 2 Der Effektivwert einer zeitlich abhängigen, periodischen Grösse entspricht ihrem quadratischen Mittelwert. Er entspricht dem zeitlich konstanten Signal (Gleichspannung, -strom) das dieselbe Leistung an einen Widerstand abgeben würde, wie im Mittel das veränderliche Signal. Bemerkungen: • Der Effektivwert entspricht dem quadratischen Mittelwert eines Signals. Effektivwerte machen demzufolge nur bei periodischen Signalen einen Sinn. • Effektivwerte beschränken sich nicht auf sinusförmige Signale, sondern können für beliebige periodische Signale angegeben werden. In diesem fall spricht man eher vom quadratischen Mittelwert. • Wechselstromgrössen werden in der Praxis fast ausschliesslich als Effektivwerte angegeben ohne, dass dies ausdrücklich vermerkt wird. • Auch bei Zeigern wird im Allgemeinen nicht der Scheitelwert, sondern der Effektivwert des sinusförmigen Signals als Betrag für den Zeiger angegeben (Effektivwertzeiger). Ohne gegenteilige und ausdrückliche Angabe, werden in diesem Skript Zeiger als Effektivwertzeiger verstanden. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 4.2 9/18 Wirk-, Blind- und Scheinleistung Der zeitliche Verlauf des Energiestroms an den Klemmen eines beliebigen Zweipols wird Momentanleistung genannt. Diese kann aus den zeitlichen Verläufen der Spannung und der Stromstärke wie folgt bestimmt werden: p(t) = u(t)·i(t) Ob der Zweipol zu einem bestimmten Zeitpunkt Energie Aufnimmt oder abgibt, hängt vom Vorzeichen der Momentanleistung und vom gewählten Bezugspfeilsystem ab. Wir werden für die folgenden Überlegungen ein Verbraucherpfeilsystem voraussetzen: Bei einem positiven Wert der Momentanleistung wirkt der Zweipol passiv (nimmt Energie auf), bei einem negativen aktiv. Wirkleistung Der lineare Mittelwert der Momentanleistung heisst Wirkleistung und beträgt: T P= 1 p(t)⋅ dt =U ⋅I ⋅ cos(ϕ u − ϕ i ) = U ⋅ I ⋅cos(ϕ) T ∫0 • Für P > 0, bzw. für |ϕ| < π/2, entspricht die Wirkleistung der im Zeitmittel im Zweipol dissipierten9 Leistung. Bei P < 0, bzw. für π/2 < |ϕ| < π, entspricht die Wirkleistung dem mittleren vom Zweipol gelieferten Energiestrom. Bei |ϕ| = 0 nimmt der Zweipol die maximal mögliche Wirkleistung auf, bei |ϕ| = π gibt er sie ab. Bei |ϕ| = π/2 ist P = 0, d.h. es wird keine Wirkleistung aufgenommen oder abgegeben, auch wenn die Momentanleistung verschieden von Null ist. • Einheit der Wirkleistung: [P] = W (Watt) • P kann positiv sein, obschon p(t) zeitweise negativ wird und umgekehrt. • Der Winkel ϕ = ϕu - ϕi wird Phasenverschiebungswinkel genannt. Scheinleistung Die Amplitude des Wechselanteils der Momentanleistung wird Scheinleistung genannt und mit dem Symbol S bezeichnet. S = U·I • Die Einheit der Scheinleistung wird zur Unterscheidung von der Wirkleistung nicht mit Watt angegeben, sondern mit Volt-Ampère: [S] = VA (Volt-Ampère) • Da die Scheinleistung einer Amplitude entspricht, ist sie immer positiv, auch wenn P < 0 ist. Mit der Scheinleistung kann für die Wirkleistung geschrieben werden: P = U·I·cos(ϕ)= S·cos(ϕ) Ferner wird das Verhältnis P/S Leistungsfaktor genannt und mit dem Symbol λ (griechischer Buchstabe Lambda) bezeichnet. λ 9 = P/S = cos(ϕ) in Wärmeenergie umgewandelt —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 10/18 Blindleistung Bei einem Zweipol, der fähig ist Energie zu speichern10, setzt sich der Wechselanteil der Momentanleistung zusammmen aus einem dissipierten Wirkanteil und einem Energieanteil der nicht dissipiert, sondern periodisch umgespeichert wird. Die Grösse Q = U·I·sin(ϕ) heisst Blindleistung. Ihre Einheit wird in var (Volt-Ampère reaktiv) angegeben. Das Verhältnis Q/S = sin(ϕ) wird Blindfaktor genannt. Die Grössen Wirk- Blind- und Scheinleistung sind unten illustriert. 10 d.h. der Zweipol weist die Eigenschaft Kapazität oder Induktivität auf —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 5 11/18 Dreispannungsmesser-Verfahren Beispiel 3: Dreispannungsmesser-Verfahren zur Bestimmung der Serieersatzgrössen Widerstand RS und Induktivität LS einer Spule I Rm Um U RS UR LS UL US Gemessen werden die drei Effektivwerte U, Um und US der entsprechenden Spannungen. Die Spannungen UR und UL können nicht gemessen werden. Der Messwiderstand Rm ist frei wählbar und daher bekannt und ermöglicht es den Effektivwert I der Stromstärke zu bestimmen. Gesucht werden die Effektivwerte UR und UL der entsprechenden Spannungen mit denen die Ersatzgrössen RS und LS bestimmt werden können: RS = UR UR U U R = R m , LS = L = L m I Um ω I Um ω Zeigerdiagramm: U UL US Um I UR Aus dem Zeigerdiagramm lassen sich folgende Beziehungen herauslesen: US = U R + U L → US2 = U 2R + U 2L U = Um + UR + UL → U 2 = (U m + U R ) + U 2L 2 Die gesuchten Ersatzgrössen können nun durch Auflösen dieser Gleichungen (Elimination der Grössen UR und UL) rechnerisch ermittelt werden. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 12/18 ETEK Wechselstrom 6 Drehstromsysteme Drehstromsysteme (siehe Figur 1.7) weisen gegenüber Wechselstromsystemen (siehe Figur 1.8) mit unabhängigen Strängen wesentliche praktische Vorteile auf. Unter anderem • Die von einem Drehstromsystem übertragene Momentanleistung ist bei symmetrischer Belastung (Verbraucher) zeitlich konstant. —> Die den Synchrongenerator antreibende Maschine (z. B. Turbine) wird mit einem zeitlich konstanten Drehmoment belastet. • Auf der Verbraucherseite kann ein magnetisches Drehfeld mit drei (räumlich stationären) Spulen erzeugt werden. • Das Drehstromsystem liefert sechs verschiedene Spannungen die sich bezüglich Effektivwert und Phasenlage unterscheiden. • Die Übertragungsverluste bei gleicher übertragener Energie sind geringer als bei einem Wechselstromsystem mit drei unabhängigen Strängen (drei, bzw. vier anstelle von sechs Leitern). Für die Bezeichnungen der Drehstromsystemen sollte die Norm DIN 40'108, Ausgabe April 1978 benutzt werden, die in entscheidenden Punkten von der vorher gültigen Norm mit Ausgabe Juni 1966 abweicht. Erzeuger (Synchrongenerator) U1 Aussenleiter L1 U1N = UY ∠0° U12 Aussenleiter L2 U31 V1 U2N = UY ∠-120° U23 Aussenleiter L3 W1 U3N = UY ∠+120° U2 V2 W2 Sternpunktleiter N Sternpunkt N Figur 1.7 Drehstromsystem (drei Aussenleiter ohne Last) Erzeuger Übertragungsleitung U = U ∠ϕu Verbraucher Z Figur 1.8 Wechselstromsystem (ein einziger Strang mit Last) —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 13/18 Glossar (nach DIN 40'108) Aussenpunkte U1, V1, W1 Wicklungsenden des Synchrongenerators U2, V2, W2 in einem Knotenpunkt verbunden, Sternpunkt N Strangspannungen U1N = U1N ∠ 0˚ (willkürliche Festlegung des Nullphasenwinkels) U2N = U2N ∠ –120˚ U3N = U3N ∠ 120˚ Sternspannung UY = U1N = U2N = U3N (Effektivwert der Strangspannungen, falls Strangspannungen symmetrisch) Aussenleiterspannungen U12 = U1N – U2N = U∆ ∠ 30˚ U23 = U2N – U3N = U∆ ∠ –90˚ U31 = U3N – U1N = U∆ ∠ 150 L2 U12 L1 U2N U1N U31 U23 U3N L3 Figur 1.9 Zeigerdiagramm der Spannungen Dreieckspannung U∆ = U12 = U23 = U31 (Effektivwert der Aussenleiterspannungen falls symmetrisch) Es gilt: U ∆ = 3 U Y In Europa gilt insbesondere: U∆ = 400 V, UY = 230 V, f = 50 Hz Aussenleiter Leiter des Drehstromsystems L1, L2 und L3. Früher wurden diese mit R, S und T bezeichnet und als Phasen bezeichnet (siehe unten). Sternpunktleiter Leiter der im Sternpunkt eines Drehstromsystems angeschlossen ist. Mittelleiter Leiter der im Mittelpunkt eines symmetrischen Gleichstrom- oder Wechselstromsystems angeschlossen ist. Neutralleiter Gemeinsame Bezeichnung für Sternpunktleiter und Mittelleiter. Vierleitersystem Leitersystem mit drei Aussenleitern und einem Sternpunktleiter. Dreileitersystem Leitersystem mit nur drei Aussenleitern. starres Netz Netz bei dem die Aussenleiterspannungen lastunabhängig sind (ideale Generatoren, keine Leitungsverluste). —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 6.1 14/18 Symmetrische Belastung Sternschaltung der Verbraucher (Drei- oder Vierleitersystem) L1 I1 N L3 L2 Z IN I3 Z Z I2 Figur 1.10 Symmetrische Sternschaltung der Verbraucher Last: Z = Z ∠ ϕ ( induktiv: 0 < ϕ ≤ π/2, kapazitiv: -π/2 ≤ ϕ < 0 ) Aussenleiterstromstärken U1N U Y = ∠−ϕ Z Z U U I 2 = 2N = Y ∠ − ϕ − 120Þ Z Z U U I 3 = 3N = Y ∠ − ϕ + 120Þ Z Z I1 = Für den Sternpunktleiter gilt: I N = I1 + I 2 + I 3 = 0 Wirkleistung P = 3U Y Icos(ϕ) Momentanleistung p(t ) = P = 3U Y Icos(ϕ) = konstant (ohne Herleitung) Blindleistung Q = 3U Y Isin(ϕ), induktiv für ϕ > 0, bzw. Q > 0, kapazitiv für ϕ < 0, bzw. Q < 0 Scheinleistung S = P + jQ = 3U Y I ∠ϕ = 3 U 2Y U2 ∠ϕ = ∆ ∠ϕ Z Z —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 6.2 15/18 Dreieckschaltung der Verbraucher L1 I1 I3 L3 U 31 Z I2 L2 Z Z U 12 U23 Figur 1.11 Symmetrische Dreieckschaltung der Verbraucher Last: Z = Z ∠ ϕ ( induktiv: 0 < ϕ ≤ π/2, kapazitiv: -π/2 ≤ ϕ < 0 ) Laststromstärken U 12 U ∆ = ∠ − ϕ + 30˚ Z Z U U = 23 = ∆ ∠ − ϕ − 90˚ Z Z U U = 31 = ∆ ∠ − ϕ + 150˚ Z Z I 12 = I 23 I 31 Aussenleiterstromstärken U∆ ∠ −ϕ Z U = 3 ∆ ∠ − ϕ − 120˚ Z U = 3 ∆ ∠ − ϕ + 120˚ Z I 1 = I 12 − I 31 = 3 I 2 = I 23 − I 12 I 3 = I 31 − I 23 allgemein: I ∆ = I U = ∆ Z 3 Für den Aussenleiterstromstärken gilt: I1 + I 2 + I 3 = 0 Wirkleistung P = 3U ∆ I ∆ cos(ϕ) = 3 U ∆ Icos(ϕ) Momentanleistung p(t ) = P = 3 U ∆ Icos(ϕ) = konstant Blindleistung Q = 3 U ∆ Isin(ϕ) Scheinleistung S = P + jQ = 3U ∆ I ∆ ∠ϕ = 3 U 2∆ ∠ϕ = 3 U ∆ I ∠ϕ = 3U Y I ∠ϕ Z —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup 16/18 ETEK Wechselstrom 6.3 AC-Generatoren AC-Generatoren können als Asynchron- oder Synchrongeneratoren ausgelegt werden. Die nachfolgende kurze Ausführung beschreibt nur die Funktionsweise eines Synchrongenerators. Die Maschinen erzeugen alle ein Drehfeld mit 3 Phasen, wobei in Europa 50Hz und in den USA 60Hz erzeugt werden. Lokale Netze wie beispielsweise dasjenige eines Airbus A380 kann andere Frequenzen aufweisen, dort sind es 400 Hz. U1 U2 W2 U2 V2 U1 V1 W1 S N W2 W1 V1 V2 Figur 1.11 Prinzipskizze (links) und Klemmenkasten (rechts) eines Synchrongenerators Alle 3-Phasen-Maschinen verwenden ein rotierendes Magnetfeld. Dieses kann wie auf dem Bild mit einem Permanentmagneten ausgeführt sein. Bei grösseren Generatoren wird das Feld mit einer rotierenden Spule ausgeführt. Die DC-Versorgung dieser Spule wird über Schleifringe realisiert. Im Bild sind drei ortsfeste Spulen je 120° verschoben angeordnet. Jede dieser Spulen wird auf den Klemmenkasten geführt. Das rotierende Magnetfeld erzeugt durch Induktion immer abwechselnd einen Nord- und einen Südpol auf der nach innen gerichteten Seite der Spulen. Der zeitliche Verlauf der Magnetfelder auf den Spulen entspricht dem zeitlichen Verlauf der Spannung jeder Phase. Dieser ist snusförmig. Wenn eine Phase auf ihrem Maximum steht, läuft in den beiden anderen Phasen ein Strom in die andere Richtung, mit jeweils halber Spannung. Die drei Phasen weisen zueinander eine Phasenverschiebung von einem Drittel der Periode auf (jeweils 120°). Auf dem Klemmenkasten können die Spulen ebenfalls in Stern oder Dreieck zusammengeschaltet werden. —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 17/18 Anhang 1.1 Zeitliche Mittelwerte Linearer Mittelwert einer periodischen Funktion x(t) mit Periodendauer T: X lin = 1 x(t) ⋅ dt T ∫T Bemerkungen: • Der lineare Mittelwert entspricht der mittleren x-t-Fläche unter dem Funktionsverlauf. Anteile für die x < 0 ist, zählen negativ. • Der lineare Mittelwert einer ungeraden Funktion ( x(-t) = -x(t) ) ist immer gleich Null. • Bei periodischen Signalen hängt das Ergebnis des bestimmten Integrals nicht von der Wahl der unteren Integrationsgrenze ab, sofern das Integral über die Periodendauer T gebildet wird. Quadratischer Mittelwert einer periodischen Funktion x(t) mit Periodendauer T: X quad = 1 2 x (t) ⋅dt T ∫T Bemerkung: • Ist die Grösse x(t) eine Spannung oder eine Stromstärke, so spricht man vom Effektivwert. • Bei periodischen Signalen hängt das Ergebnis des bestimmten Integrals nicht von der Wahl der unteren Integrationsgrenze ab, sofern das Integral über die Periodendauer T gebildet wird. • Das es sich bei einem Mittelwert um einen quadratischen Mittelwert handelt, wird im Allgemeinen nicht durch eine Bezeichnung wie z.B. in der obigen Formel mit den Index „quad“ hervorgehoben. Mischsignale Jedes periodische Signal kann als Summe seines linearen Mittelwertes Xlin = X0 und eines mittelwertfreien Wechselterms xw(t) dargestellt werden: x(t) = X0 + xw(t) Ein Signal bestehend aus einem konstanten Term und einem mittelwertfreien, periodischen Wechselterm heisst Mischsignal. Der quadratische Mittelwert eines Mischsignals X lässt sich aus dem linearen und dem quadratischen Mittelwert des Wechselterms Xw einfach berechnen. Dabei gilt folgender Zusammenhang (Beweis durch einsetzen der Mischsignalformel in die Formel für den quadratischen Mittelwert): X 2 = X20 + X2w —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup ETEK Wechselstrom 18/18 Verhältniszahlen Für periodische Signale11, insbesondere für Mischsignale, sind folgende Begriffe im Zusammenhang mit den Mittelwerten definiert: 11 Scheitelwert (peak value, crest val.) ≡ maximaler Betrag Gleichwert (direct component) ≡ linearer Mittelwert Effektivwert (root mean square val., RMS) ≡ quadratischer Mittelwert Gleichrichtwert (rectified value) ≡ linearer Mittelwert des gleichgerichteten Signals Scheitelfaktor (crest factor) ≡ Scheitelwert Effektivwert Formfaktor (form factor) ≡ Effektivwert Gleichrichtwert Schwingungsgehalt ≡ Effektivwert des Wechselanteils Effektivwert der Mischgrösse effektive Welligkeit ≡ Effektivwert des Wechselanteils Gleichwert der Mischgrösse Riffelfaktor ≡ Scheitelwert des Wechselanteils Gleichwert der Mischgrösse Signal: zeitlich veränderliche physikalische Grösse —————————————————————————————————————————————————— Zürcher Hochschule Winterthur, Departement T 1. Oktober 2006, © M. Schlup