I Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „ Doktorin der Zahnheilkunde“, „doctor medicinae dentalis“, abgekürzt „Dr.med.dent.“ „Analyse von Lippen- Kiefer- Gaumenspalten im Hinblick des Auftretens von damit verbundenen Zahnfehlanlagen und Zahnanomalien“ Rothleitner Elisabeth Klinische Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Auenbruggerplatz 12 A-8063 Graz Unter der Anleitung von Univ. Prof. Dr. Rudolf Mossböck II Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 10. Dezember 2008 Rothleitner Elisabeth III Inhaltsverzeichnis 1.Zusammenfassung 1 2. Abstract 2 3. Ziel der Arbeit 4 4. Einleitung 5 5. Entwicklung des Mittel- und Untergesichtes 6 5.1 Lippen- Kiefer- Gaumenspalten 11 5.2 Klassifikation der Spalten 13 6. Odontogenense 16 6.1 Bildung der Zahnform 20 6.2. Allgemeines Gebissschema 21 6.3. Anomalien der Zähne 24 6.3.1 Numerische Anomalien der Zähne 24 6.3.2 Morphologische Anomalien der Zähne 26 6.3.3 Genetischer Einfluss auf numerische Zahnanomalien 28 7. Material und Methodik 30 8. Resultate 31 8.1. Eigene Untersuchungs- und Auswertungsergebnisse 34 9. Diskussion 46 10. Konklusion 50 11. Literaturangaben 51 1 1.Zusammenfassung Lippen- Kiefer- Gaumenspalten zählen zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Die damit verbundene Vergesellschaftung mit gehäuft auftretenden dentalen Nichtanlagen stellt eine große interdisziplinäre Herausforderung dar. Die Beschäftigung in der Arbeit mit Embryologie, Ätiologie und Pathogenese soll eine Übersicht über die Entstehung der Lippen- Kiefer- Gaumenspalten und Zahnentwicklung gewähren. Diese Diplomarbeit soll einen Überblick über die Häufigkeit des Auftretens von dentalen Nichtanlagen und deren Zahnposition der zweiten Dentition, in Bezug auf die Lage der Lippen- Kiefer- Gaumenspalten schaffen. Für diese Studie wurden 65 Patienten mit rechts-, links- und beidseitig auftretender LippenKiefer- Gaumenspalte ausgewählt. Diese 47 männlichen und 18 weiblichen Patienten sind zwischen 1990 und 1999 geboren und wurden an der Abteilung für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Universitätsklinik Graz operiert. Das Patientengut setzte sich aus 34 Patienten mit linksseitig, 22 Patienten mit beidseitig und 9 Patienten mit rechtsseitig auftretender Lippen- Kiefer- Gaumenspalte zusammen. Anhand der vorhandenen Orthopantomogramme erfolgte die Beurteilung des Auftretens dentaler Fehlanalgen. Unabhängig von der Lage der Lippen- Kiefer- Gaumenspalte ist der größte Teil von 40% des Patientengutes von zwei Nichtanlagen in der zweiten Dentition betroffen. Bei der Gegenüberstellung zwischen männlichen und weiblichen Patienten, zeigte sich, dass bei den weiblichen Patienten ein hoher Prozentsatz (22%) auch von drei Nichtanlagen betroffen ist, bei den männlichen Patienten dieser bei 7% lag. Sonst wurden bei der Geschlechtergegenüberstellung keine signifikanten Unterschiede gefunden. Mehr als sieben Agenesien wurden nur bei zwei Patienten mit beidseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte gefunden. Deutlich wurde, dass im Gegensatz zur Normalbevölkerung und zu jenen Patienten mit isolierten Gaumenspalten die Zahl der Nichtanlagen im Oberkiefer ein Mehrfaches des Unterkiefers beträgt. 2 Der am häufigsten nichtangelegte Zahn bei den Patienten mit linksseitiger Lippen- KieferGaumenspalte im Oberkiefer mit 91% war der linke seitliche Schneidezahn, im Unterkiefer war der rechte 2. Prämolar die häufigste Nichtanlage. Bei den Patienten mit rechtsseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte fehlte im Oberkiefer am häufigsten mit 89% der rechte seitliche Schneidezahn, im Unterkiefer wurden keine Nichtanlagen diagnostiziert. Die häufigste dentale Agenesie bei den Patienten mit beidseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte waren im Oberkiefer die linken seitlichen Schneidezähne (82%) und im Unterkiefer zu jeweils 18% die linken und rechten zweiten Prämolaren. Dass die größte Anzahl von Nichtanalgen bei den Patienten mit beidseitiger Lippen- KieferGaumenspalte auftrat, lässt den Schluss zu, dass mit Ausdehnung der Spalte auch die Häufung der Nichtanlagen zunimmt. Die Dominanz bestimmter Zahntypen bezüglich deren gehäuften Auftreten von Nichtanlagen als andere, weist darauf hin, dass die komplexen genetischen Steuervorgänge Ausgangspunkt für zahlreiche Zahnfehlanlagen und Fehlbildungen sind. 2. Abstract Cleft lip and palate are amongst the biggest congenital malformations. This combination, together with congenital agenesis of teeth, poses a huge interdisciplinary challenge. Treatment using embryology, aetiology and pathogenesis should provide information concerning the original cause of the cleft lip and palate and also about dental development. This diploma thesis will give you an overview in respect of the frequency of dental agenesis and which teeth are affected in relation to the type of cleft- lip and palate. 65 patients with left, right and both- sided cleft lip and palate were chosen for this study. 47 male and 18 female patients borne between 1990 and 1999 were treated in the Department for Oral and Maxillofacial Surgery of the University Clinic Graz. 3 The patient population comprised 34 patients with left-sided: 22 with both-sided and 9 with right-sided cleft lip and palate. Panoramic X-rays were assessed to determine the frequency of hypodontia. Irrespective of the location of the cleft lip and palate, the majority of patients (40%) had two teeth missing in the affected permanent dentition. There was no significant statistical difference between sexes, except that 22% of female patients were affected by the absence of three teeth but only 7% of male patients. Only two patients with both-sided cleft lip and palate had more than seven missing teeth. Unlike the normal population and patients with isolated cleft palate, the study showed a much higher frequency of teeth missing in the maxilla than in the mandibule. The highest level missing tooth in patients with left-sided cleft lip and palate was the left lateral incisor (91%) and in the mandibule the second right premolar. The highest level missing tooth in patients with right-sided cleft lip and palate was in the maxilla the right lateral incisor (89%). There was no missing tooth in the mandibule. Patients with both-sided cleft lip and palate were affected most frequently by the absence of the left lateral incisor (82%) in the maxilla and 18% by the right and left second premolar. The highest prevalence of hypodontia was found in patients with both-sided cleft lip and palate, which means that the size of the cleft has an enormous influence on the number of missing teeth. The important role of genetics shows the frequency of the special missing tooth types. Complicated and multi-layered genetic processes are responsible for several malformations. 4 3. Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit war die exakte Erhebung des Auftretens von Nichtanlagen bei Kindern mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten, die zwischen 1990 und 1999 geboren sind; dies schließt sowohl die rechts-, links- und beidseits auftretenden entwicklungsbedingten Fehlbildungen ein. Sowohl die Häufigkeit des Fehlens von Zähnen der zweiten Dentition, als auch der am häufigsten betroffene Zahn in Bezug auf die jeweilige Spaltenform soll herausgefiltert werden. Weiteres wurde die Häufigkeit des Fehlens spaltferner Zähne beziehungsweise das Fehlen von Zähnen der Mandibula erfasst. Diese Diplomarbeit soll Aufschluss über die Häufigkeit der Nichtanlagen, die Art der betroffenen Zähne und des Fehlens in Bezug des spaltnahen oder spaltfernen Auftretens der Zähne der zweiten Dentition geben. 5 4. Einleitung Morphogenetisch gesehen sind Fehlbildungen unerwünschte Spielarten der Natur. Kraniofaziale Dysraphien sind Fehlbildungen, die auf Verschlussstörungen embryonaler Verwachsungslinien beruhen. Die Lippen- Kiefer- Gaumenspalten zählen nach den Gliedmaßenfehlbildungen mit einem Anteil von 11-15% zu den häufigsten und bedeutungsvollsten dysontogenetisch bedingten Veränderungen der Normalstruktur [1]. Diese ziehen sowohl Anomalien der Zahnzahl als auch der Zahnform mit sich. Spaltenpatienten mit multiplen Nichtanlagen stellen eine große interdisziplinäre Herausforderung für die Behandelnden dar. Von äußerster Wichtigkeit ist das Erkennen von Anomalien der Dentes permanentes zu einem frühen Zeitpunkt, um für das weitere Behandlungsziel die notwendigen Behandlungsschritte zu planen und einzuleiten. Die Präsenz oder Absenz der Zähne im bleibenden Gebiss ist maßgeblich für den Behandlungsplan ausschlaggebend. Umso wichtiger wird eine frühe und exakte Diagnose. Es gilt für die Patienten individuelle Behandlungsansätze und Konzepte zu erstellen um, wenn möglich Lückenschlüsse über eigenes Zahnmaterial zu bieten. Vorausgehend ist die exakte Diagnostik, sowie exakte Vorbehandlungen, um den Patienten die bestmögliche Therapie angedeihen zu lassen. Um die Zusammenhänge zwischen vermuteter Ätiologie und Pathogenese besser verstehen zu können, soll hier auf wesentliche Züge der Embryologie eingegangen werden. 6 5. Entwicklung des Mittel- und Untergesichtes Die Entwicklung des Gesichtes und später der Mundhöhle sowie des Gaumens vollzieht sich von der 4. bis 10. Embryonalwoche. Von prosenzephalen und rhombenzephalen Impulszentren aus, werden in diesen sechs Wochen Gesichtsschädel und Relief der Gesichtsoberfläche modelliert [2,3]. Das Aussehen eines 4 Wochen alten, ca. 3mm langen Embryos, ist durch das Auftreten der Schlundbögen gekennzeichnet, die durch das Auswandern von Zellen aus der Neuralleiste in die zukünftige Kopf- und Nackenregion entstehen. Die Neuralleistenzellen wandern also nach ventral in die Schlundbögen und nach rostral in den Bereich des Vorderhirns und in die Gesichtsregion ein. Hier bilden sie die Skelettelemente des mittleren Gesichtes und der Schlundbögen, sowie alle anderen Gewebe einschließlich der Knorpel, Knochen, des Dentins der Sehnen, der Dermis, der Pia und der Arachnoidea, der sensorischen Neurone und des Stromas der Drüsen [4]. Abb. 1: Seitenansicht der Kopf- und Halsregion eines 4 Wochen alten Embryos; [4] S. 329 Die Viszeralbögen des Menschen zeigen einen typischen Aufbau aus Schlundbogenarterie, einer Knorpelspange, einem Muskelelement und einem Schlundbogennerven. Die Bögen sind durch tiefe Furchen, den Schlundfurchen, getrennt. Mit der Entwicklung der Schlundbögen und Schlundfurchen entstehen gleichzeitig eine Reihe von Aussackungen, die Schlundtaschen in der Wand des Schlunddarmes (Abb. 1). Am Ende der 4. Woche liegt im Zentrum des Gesichtes das Stomodeum, beidseits vom 1. Schlundbogen umrahmt. Beim 4 ½ Wochen alten Embryo lassen sich fünf mesenchymale Wülste erkennen: die Unterkieferwulst, die paarigen Oberkieferwülste und der Stirnfortsatz oberhalb des Stomodeums [4]. (Abb.2) 7 Abb.2: Gesichtswülste – Frontalansicht (A: 24 Tage, B: 28 Tage); [4] S. 325 Über dem Stomodeum (primäre Mundhöhle oder ektodermale Mundbucht) links und rechts des Stirnfortsatzes liegen die Riechplakoden, Verdickungen des Oberflächenektoderms. Diese Riechplakoden, die von zwei durch das Proliferieren von Mesenchym entstandenen Leisten , dem lateralen und medialen Nasenwulst umgeben sind, senken sich zur Riechgrube ein. Am Ende der 4. Embryonalwoche verschmelzen die medialen Abschnitte der Unterkieferwülste. Aus ihnen bildet sich der Unterkiefer und die Unterlippe.(Abb.3) Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Anlage des Unterkiefers gegenüber den Ursprüngen des späteren Oberkiefers in Rücklage. Abb. 3: Frontalansicht (A: 5 Wochen alter Embryo, B: 6 Wochen alter Embryo); [4] S. 342 Während der nächsten zwei Wochen vergrößern sich die Oberkieferwülste, wachsen aufeinander zu und vereinigen sich mit dem medialen Nasenwulst. Oberkieferwulst und lateraler Nasenwulst, der im Wachstum zurückbleibt, werden durch den Sulcus nasolacrimalis getrennt. (Abb. 4) 8 Abb. 4: Verschmelzung der Gesichtswülste (A: 7 Wochen alter Embryo, B: 10 Wochen alter Embryo); [4] S. 343 Die beiden medialen Nasenwülste verwachsen in der 6. und 7. Embryonalwoche. Aus den miteinander verschmolzenen Wülsten entsteht das Zwischenkiefersegment, aus dem der mittlere Teil der Oberlippe (Philtrum), der die Schneidezähne tragende Teil des Oberkiefers und der primäre Gaumen hervorgehen [4]. Die Oberlippe selbst entsteht also aus den beiden medialen Nasenwülsten und den beiden Oberkieferwülsten. (Abb. 5) Abb. 5: Bildung des primären Gaumens; [4] S. 344 Lateral verwachsen Ober- und Unterkieferwulst weiter miteinander, sodass die Mundöffnung verkleinert wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die primäre Mundhöhle noch nicht in die zwei Etagen der Nasen- und definitiven Mundhöhle geteilt [4,5]. Zusätzlich entwickeln sich unter dem Ektoderm der Mundhöhle drei Erhebungen: der mittlere Zungenwulst (Tuberculum impar) sowie die lateralen Zungenwülste. Durch deren Verschmelzung bildet sich der Zungenkörper, die vorderen zwei Drittel der Zunge. Die Radix 9 linguae entsteht durch die Vereinigung zweier kaudal des Foramen caecum gelegener Wülste (Copula und Eminentia hypobranchialis). Myotome wachsen in die Zungenanlage hinein und bilden die Zungenmuskulatur. Zu diesem Zeitpunkt ist der vertikale Durchmesser der Zunge größer als der transversale und sie steht frei in der Mundhöhle. Nun müssen wichtige Abschnitte des Entwicklungsprozesses koordiniert ablaufen, dessen Ziel es ist die definitive Mundhöhle zu bilden. Am Ausgang der 5. Embryonalwoche kommt es zum plötzlich gesteigerten Längenwachstum des Unterkiefers. Weiters nimmt die Zunge an Volumen zu, worauf eine Absenkung gemeinsam mit dem Mundboden folgt. In der 7. Embryonalwoche wachsen an den medialen Enden jedes Oberkieferwulstes vertikal gestellte Gaumenfortsätze, welche die Zunge von beiden Seiten her umfassen. Es entsteht in weiterer Folge die sogenannte „embryonale Progenie“, das durch die Größenzunahme, Umformung und Lageänderung der Zunge induzierte Längenwachstum des Unterkiefers [6]. Die Zunge senkt sich durch die Differenzierung der Zungenbinnenmuskulatur nach kaudal ab. Erst danach kann es zu einer Schwenkung der Gaumenfortsätze in die Horizontale kommen, woraufhin sie aufeinander und zum Septum nasi zuwachsen. (Abb. 6) Die beiden Gaumenfortsätze vereinigen sich sowohl untereinander als auch mit dem Septum nasi. Aus dem primären und sekundären Gaumen entwickelt sich als Grenze zwischen definitiver Mund- und Nasenhöhle der bleibende Gaumen. Abb. 5: Darstellung der Bildung des sekundären Gaumens; [1] S. 23 10 Die dorsale Abgrenzung des primären Gaumens, der später die Schneidezähne enthält, wird vom Foramen inzisivum gebildet. Sekundärer und primärer Gaumen stoßen also am Foramen inzisivum zusammen. Als nächstes erfolgt die Vereinigung der Gaumenfortsätze miteinander und mit dem primären Gaumen, im Sinne einer Nahtbildung. Die Naht läuft von Vorne nach Hinten, durch Epithelverklebung und Apoptose an der Verschmelzungszone. Aus dem vorderen Anteil des Gaumens entsteht durch Verknöcherung der harte Gaumen, aus dem hinteren Abschnitt bilden sich das Gaumensegel und die Uvula. (Abb. 7) Abb. 7: Ansicht des Gaumens von ventral (10Wochen alter Embryo); [4] S. 346 11 5.1 Lippen- Kiefer- Gaumenspalten Lippen- Kiefer- Gaumenspalten sind als Entwicklungsanomalien im Kopfbereich, der ersten beiden Viszeralbögen mit den angrenzenden Furchen aufzufassen. Nach heutiger Sicht sind für die Spaltbildungen Störungen der Organisationszentren (Vorderund Hinterkopforganisator) verantwortlich, da durch deren biochemisch gesteuerten Induktionsreize die Gewebsdifferenzierung eingeleitet wird. Je früher im Entwicklungsbereich die Schädigung der Zentren geschieht, desto schwerwiegender ist die Fehlbildung. Durch die Embryogenese resultiert eine Phasenspezifität für Fehlbildungen. Kritische Phasen sind die 6. Woche (36.-42.Tag; Riechgrube, primitive Nase), und die 8. Woche vom (49.-58. Tag; definitiver Gaumen) [7]. Abb. 8: Kopf und Gesichtsentwicklung; [1] S. 21 12 In der humanen Teratologie ist die Ätiologie der Spalten nach wie vor noch weitgehend ungeklärt [11]. Es besitzen aber sowohl Fruchtschäden als auch Genschäden eine kausale Bedeutung. Die Angaben zur Erblichkeit schwanken zwischen 15% und 33%, basierend auf familiäre Untersuchungen bezüglich der Häufigkeit des Auftretens [1]. Zu den exogenen Einflüssen zählen Mangelernährung (es spielen die Vitamin A, E und B-Gruppen eine besondere Rolle), Kortikosteroidgaben, Sauerstoffmangel, vermehrter Nikotinabusus, Stress und psychische Traumen sowie ionisierende Strahlen. Auch Überreife des Eies, zu niedriges Alter der Mutter, zu hohes Alter der Mutter oder Störungen der Eierstöcke könnten ursächlich beteiligt sein [1]. Abb. 9: Schematische Darstellung pathogenetischer Faktoren für craniofaziale Fehlbildungen [1] S. 27 Treten nun bei der Bildung der primitiven Nase, des primären Gaumens und der Oberlippe Störungen auf, können diese Lippen- oder Lippen- Kieferspalten verursachen (Töndury und Langman) [1]. Primäre Lippen- oder Lippen- Kieferspalten entstehen, wenn es zu keiner Bildung einer Epithelmauer und deren rechtzeitigem Ersatz durch Mesenchym kommt. 13 Sekundäre Spalten entstehen dann, wenn zwar die Epithelmauer gebildet ist, diese aber nicht durch Mesenchym ersetzt und infolge partiell oder total getrennt wird. Zur Entstehung von Gaumenspalten kommt es bei einer Störung der Vereinigung des Nasenseptums, das nach unten wächst und dem neu gebildeten Gaumendach, dessen Verschmelzung reißverschlussartig vom primären Gaumen (Foramen inzisivum) nach dorsal fortschreitet. Gaumenspalten sind also primäre Spalten des sekundären Gaumens. Die Gruppe der am häufigsten vorkommenden Spalten ist die der einseitigen Lippen- KieferGaumenspalten. Durch die Spaltung fehlt auf dieser Seite der gesamte knöcherne Nasenboden, Scheidewand und Vomer sind zur gesunden Seite verdrängt. Dies verursacht Symmetriestörungen des Mittelgesichtes. Bei den doppelseitigen totalen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten fehlt der komplette knöcherne Nasenboden auf beiden Seiten. Dadurch ergibt sich bei den doppelseitigen Spalten fast immer eine Störung der Nasenform. Linksseitige Lippen- Kiefer- Gaumenspalten kommen etwa doppelt so häufig vor wie rechtsseitige und in etwa 35% der Fälle sind doppelseitige Spalten vorhanden [1]. 5.2 Klassifikation der Spalten In der Literatur wurde eine Vielzahl von Klassifikationsmodellen vorgeschlagen, denen unterschiedliche Detailtreue und Übersichtlichkeit zugrunde liegen bzw. Prioritäten gesetzt werden [8]. Im Jahr 1967 hat der 4. Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie in Rom ein Einteilungsprinzip festgelegt. Die Klassifikation ist basierend auf dem Einteilungsprinzip von Fogh–Andersen, Kernahan und Stark [9]. Das Prinzip ist auf eine übergeordnete, embryologische Hauptgliederung in vier Gruppen und eine Untergliederung, die sich topographisch-anatomisch orientiert, gestützt. Dieses internationale Schema ist auch für die EDV-gestützte Dokumentation und Registrierung wichtig und hilfreich [1]. 14 Gruppe 1: Spaltformen des primären embryonalen Gaumens (Abb.10, 11) -Lippe rechts und/oder links -Kiefer rechts und/oder links Abb. 10: Doppelseitige Lippenspalte; [1] S. 63 Abb. 11: Doppelseitige LippenKieferspalte; [1] S. 31 Gruppe 2: Spaltformen des primären und sekundären embryonalen Gaumens (Abb.12, 13) -Lippe rechts und/oder links -Kiefer rechts und/oder links -harter Gaumen rechts und/oder links -weicher Gaumen median Abb. 12: Linksseitige Lippen-Kiefer- Abb. 13: Doppelseite Lippen- Gaumenspalte; [1] S.32 Kiefer-Gaumenspalte [1] S. 33 15 Gruppe 3: Spaltformen des sekundären embryonalen Gaumens (Abb.14) -harter Gaumen rechts und/oder links -weicher Gaumen median -submuköse Gaumenspalten Abb. 14: Gaumenspalte; [1] S. 34 Gruppe 4: Seltene Gesichtsspalten (Abb.15) -mediane Spalten mit oder ohne Hypoplasie (Aplasie) der Praemaxilla -schräge Gesichtsspalten (oroorbital) -quere Gesichtsspalten (oroaurikulär) -Spalten der Unterlippe, der Nase oder andere seltene Spalten Abb. 15: Schräge Gesichtsspalte; [1] S. 38 16 6. Odontogenense Vor allem bei Kindern mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten sind Anomalien der Zahnzahl als auch Zahnform charakteristisch. Die Normalzahl im Milchgebiss (Dentes decidui) beträgt 2 x 10, in der zweiten Dentition (Dentes permanentes) 2 x 16. Im Dauergebiss unterscheidet man Ersatzzähne und jene Zähne die im Milchgebiss keine Vorläufer haben, die Zuwachszähne. Numerische und morphologische Anomalien sind pathobiologisch hochinteressante Phänomene, deren Ätiologie mannigfaltig ist. Die Odontogenese ist ein sehr komplexer und komplizierter Vorgang, dessen Beginn etwa 28-40 Tage nach der Ovulation stattfindet. Die Scheitelsteißlänge beträgt zu dieser Zeit beim menschlichen Embryo 7-9mm [10]. Sowohl die postnatale Entwicklung der Weisheitszähne, der Zähne der zweiten Dentition, als auch die pränatale Odontogenese folgen den gleichen biologischen Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten, die genetischer und epigenetischer Steuerung unterliegen. Es kann natürlich in jeder Phase der Entwicklung das genetisch programmierte Schema durch Umwelteinflüsse verändert werden. Jeder einzelne Zahn entwickelt sich unabhängig von den übrigen Zähnen und ist das Resultat aus streng koordinierter Interaktion, von Zellen des Ektoderms und des Ektomesenchyms [12]. Der Entstehung des Zahnes geht die Entwicklung der ersten beiden Schlundbögen und die Schließung des Bodens des Stomodeums voraus, die Zungenwülste und das Tuberculum impar sind identifizierbar, die lateralen Nasenwülste und der primäre Gaumen ist zu diesem Zeitpunkt gestaltet. Die primitive Mundhöhle ist von einer einschichtigen Lage flach-kuboider Zellen, ektodermal-epithelialer Herkunft ausgekleidet [10]. In jedem der das Stomodeum umgebenden Wülste beginnt die durch vermehrte Proliferation und Formveränderung der Zellen ausgelöste Epithelverdickung separat. Das proliferierende, sich verdickende Epithel wird passiv in das darunter befindliche Ektomesenchym „gezogen“. In diesem so genannten „odontogenem Band“ oder „Zahnplatte“ sind noch keine Zahnanlagen zu erkennen [13,10]. (Abb. 16) 17 Abb. 16: Ausdehnung des odontogenen Epithels; [10] S. 7 Die Milchzahnanlagen treten als in das Mesenchym hineinragender Zellhaufen auf, die durch Proliferieren der Basalzellen direkt aus dem primären, epithelialen Band entstehen. Durch die Zahnanlagen wird die Kiefermasse in eine bukkale und linguale Wand, der Vorhofleiste und eingentlichen Zahnleiste getrennt. Die Vestibularleiste verliert ihren Zusammenhalt, wodurch ein Spalt zwischen einem von Epithel ausgekleideten bukkalem und lingualem Blatt entsteht. Aus den Blättern gehen später die Mukosa des Alveorarfortsatzes und der Lippen hervor. Aus dem Spalt entsteht das Vestibulum oris. In dem Zeitraum zwischen der 8. und 17. Woche nach der Ovulation entwickeln sich die Milchzahnkeime [10]. Die Keime der Frontzähne erreichen das Knospenstadium am Ende der 7. Woche, die der ersten Molaren in der 8. und die der zweiten Molaren in der 10. Woche. Das Stadium der Zahnknospe ist dadurch geprägt, dass das odontogene Epithel eine kurze Strecke in die Tiefe gezogen und am Grunde der Einziehung verdickt ist. Die Zahnknospe besteht aus einem ektomesenchymalen Zellschwarm und dem dazugehörigen Epithel. Die von den restlichen Zellen des Mundhöhlenepithels gut unterscheidbaren Zellen der Zahnknospe sind von einem dichten ektomesenchymalen Zellschwarm umgeben. (Abb. 17) 18 vl = Vestibularleiste; mk = Meckelscher Knorpel n.a.m.=N.alveolaris mandibularis; ma=Manadibula Abb. 17: Zahnkeim im Stadium der Knospe; [10] S. 12 In der 8. bis 12. Woche beginnt das Stadium der Zahnkappe, mit dessen Ende die Zahnpapille abgeschlossen ist [14]. Die sich bildende Zahnanlage wird vom Epithel passiv umwachsen, wodurch ein sich proliferierender Rand entsteht (zervikale Schlinge im Glockenstadium). Die breitflächige Verbindung zwischen Zahnkappe und Zahnleiste verdünnt sich immer weiter und die Zellen des Schmelzorganes beginnen sich zu differenzieren. (Abb.18) ol=Oberlippe; vl=Vestibularleiste; max = Maxilla; n = Nasenhöhle Abb. 18: Kappenstadium [10] S. 12 Zwischen der 12. und 20. Woche, im Stadium der Zahnglocke, nehmen die Schmelzorgane eine der zu bildenden Zahnkrone angepasste Gestalt an. Dies ist dann die Phase der Morphogenese, an dessen Ende kurz vor Beginn der Zahnhartsubstanzbildung der Zahnkeim aus glockenförmigem Schmelzorgan, Zahnpapille und Zahnsäckchen besteht [15]. Das Schmelzorgan setzt sich aus äußerem Schmelzepithel, Stratum reticulare, Stratum intermedium und innerem Schmelzepithel zusammen. Durch das äußere Schmelzepithel wird die periphere Begrenzung des Schmelzorganes gebildet. Es erstreckt sich bis zum zirkulären Glockenrand und geht im Bereich der zervikalen Schlinge in das innere Schmelzepithel über [16]. 19 Durch das Stratum reticulare wird der voluminöseste Teil der Glocke repräsentiert. Es sind dies weitmaschige, durch ihre zytoplasmatischen Fortsätze sternenförmige Epithelzellen, die Platzhalte- und Ernährungsfunktion für den sich entwickelnden Zahn haben [10,12] (Abb. 19). zs=Zahnsäckchen; si=Stratum intermidium; sr=Stratum reticulare ase = äußeres Schmelzepithel; ise = inneres Schmelzepithel Abb. 19: Glockenstadium; [10] S. 12 Der Interzellularraum ist mit sauren Mukopolysacchariden und hydrophilen Substanzen gefüllt. Das Stratum intermedium besteht aus einer 3-4 Lagen dicken, dicht aneinander liegenden Zellschicht, die dem inneren Schmelzepithel unmittelbar aufgelagert ist. Die Zellen sind besonders reich an alkalischer und saurer Phosphatase und der Interzellularraum wird kurz vor der Zahnhartsubstanzbildung mit sauren Mukopolysacchariden angereichert. Das Stratum intermedium dient als Reserveschicht und stabilisiert die Ameloblasten. Das innere Schmelzepithel, bestehend aus einer Lage niedrig-säulenförmiger Zellen, kleidet den Innenraum des Schmelzorgans aus und ist von einer Basalmembran gegen die Zahnpapille getrennt. Während des ständigen Wachstums des Schmelzorganes nimmt die Schmelz- Dentinentwicklung von inzisal-koronal beginnend nach apikal zu. Ausgehend ist das Wachstum vorwiegend von Zellen der zervikalen Schlinge, also vom Übergangsbereich inneres in äußeres Schmelzepithel. Aus Tochterzellen des inneren Schmelzepithels gehen die Ameloblasten hervor. 20 Die Zahnpapille, die das von der epithelialen Glocke eingeschlossene ektomesenchymale Gewebe repräsentiert, besteht während des Glockenstadiums aus dicht liegenden, polygonalen undifferenzierten Zellen mit zytoplasmatischen Fortsätzen, die sich später differenzierenextrazelluläre Fibrillen werden synthetisiert, es kommt zur zunehmenden Basophilie des Interstitiums und zur Einsprossung von Gefäßen und Nerven. Kurz vor der Dentinbildung, im späten Glockenstadium, verdickt sich das innere Schmelzepitehl und besteht dann aus der 30 nm dicken Basallamina densa und der Membranula präformativa. Aus dem ektomesenchymalen Zellschwarm, der ursprünglich Zahnknospe und Zahnkappe umgab, entwickelt sich das Zahnsäckchen. Es besteht aus fibroblastenartigen Zellen und parallel zur Keimoberfläche orientierten kollagenen Fibrillen. Daraus wird der Zement, Desmodont und der Alveolarkochen gebildet. 6.1 Bildung der Zahnform Voraussetzung für jeden Schritt dieser Entwicklung ist die Kommunikationsfähigkeit zum Informationsaustausch aller beteiligten Gewebe. Die Steuerung der Zahnformgebung (Krone und Wurzel) ist ausgehend von den Zellen der Zahnpapille, also von Epithel eingeschlossenen mesenchymalen Zellen. Diese bewirken also, dass das Schmelzorgan und die Zellen seines zervikalen Proliferationszentrums die Schablone der zu bildenden Zahnform hervorbringen. Ist Schmelz und Dentin im Kronenbereich im Wesentlichen entwickelt, beginnt die Bildung der Zahnwurzel [17]. Sie vollzieht sich entlang der Hertwig – Scheide, die durch „in die Tiefe wachsen“ von Zellen der Schmelzepithelien entsteht. Durch ihre induzierende Wirkung wird auf der Pulpaseite die Differenzierung der Odontoblasten erwirkt, die mit der Bildung von Zahnwurzeldentin beginnen. Wiederum wird durch das neu gebildete Dentin aus ektomesenchymalen Zellen des Zahnsäckchens die Differenzierung von Zementoblasten induziert. Haben die Zähne eine bestimmte Größe erreicht, durchbricht die Krone die Reste des darüber liegenden Schmelzorgans, das Zahnsäckchen und das Zahnfleisch. Die Wurzelbildung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. 21 6.2. Allgemeines Gebisssschema Das menschliche Gebiss ist diphyodont, die Anzahl der Dentes decidui beträgt 2 x 10, die di der Dentes permanentes 2 x 16, wobei wobei bei den Zähnen des Dauergebisses zwischen Zuwachszähnen und Ersatzzähnen unterschieden wird. Lingual und palatinal der Milchzahnkeime entstehen die Anlagen der Ersatzzähne, zu denen die bleibenden mittleren und seitlichen Schneidezähne, die Eckzähne und die ersten und zweiten Prämolaren gehören [10].. Die Entstehung der Ersatzzahnleiste fällt zeitlich mit der Separation der Glocke des Milchzahnkeimes Milchzahnkeimes von der lateralen Zahnleiste zusammen. Die Knospenbildung beginnt im 5. Monat nach der Ovulation, wobei sich mit zunehmendem zunehmende Alter die Lage der Zahnknospee von lingual/palatinal nach apikal apikal unter die Milchzahnwurzel ändert. (Abb. 20) Abb. 20:: Schnitt durch den Kieferkamm; [46], S 165 22 Am blinden Ende der Milchzahnleiste die sich nach distal durch Proliferation verlängert, entstehen die Zuwachszahnkeime, 3 Molaren, die zur 1. Dentition zählen. Die Anlagen des 1. bleibenden Molaren entstehen in der 13. bis 15. Woche nach der Ovulation, mit etwa jeweils 6 Jahren Abstand entstehen der 2. und 3. Molar. Die Mittelwerte der Zahndurchbruchszeit (Rauber/Kopsch) [17] Zahn Zahndurchbruch Reihenfolge I 6. – 8. Monat 1 II 8. – 12. Monat 2 III 15. – 20. Monat 4 IV 12. – 16. Monat 3 „1. Milchmolar“ V 20. – 40. Monat 5 „2. Milchmolar“ 1. Dentition 2. Dentition Zahn Zahndurchbruch Reihenfolge 1 6. – 9. Jahr 2 2 7. – 10. Jahr 3 3 9. – 14. Jahr 5 4 9. – 13. Jahr 4 5 11. – 14. Jahr 6 6 6. – 8. Jahr 1 „Sechsjahresmolar“ 7 10. – 14. Jahr 7 „Zwölfjahresmolar“ 8 16. – 30. Jahr 8 „Weisheitszahn“ 23 Schematische Darstellung der Entwicklung und des Durchbruchs der Milchzähne und der bleibenden Zähne gemäß Abbildung 21. Abb. 21: Darstellung des Durchbruchs; [18] S. 103 24 6.3. Anomalien der Zähne Sowohl numerischer als auch morphologischer Anomalien der Zähne bedarf es einer einheitlichen Terminologie, vorgeschlagen von Burzynski und Escobar [19]. 6.3.1 Numerische Anomalien der Zähne Zahnüberzahl: eine Hyperodontie erscheint im Milchgebiss zu 0,2-2,0 % (Jungen > Mädchen) und im bleibenden Gebiss zu 0,1-4,0 % (Jungen > Mädchen). Prädilektionsstellen sind der Front- und der Molarenbereich des Oberkiefers, selten ist die Prämolarenregion im Unterkiefer betroffen [19]. Die Hyperodontie wird assoziiert mit dem Kippel- Feil- Syndrom, Dysostosis cleidocranialis aber auch familiäre Häufung wurde beobachtet (autosomal dominante Vererbung) [19,20]. Folgende Typen werden unterschieden: ● Mesiodens ist ein meist retinierter und palatinal entstehender Zahn. Der zapfenförmige Zahn ist mit 45-67% der häufigste aller überzähligen Zähne. Er entsteht wahrscheinlich durch Hyperaktivität der Zahnleiste und liegt zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen. ● Zapfenzähne sind mesiodensähnlich und treten mit einer Häufigkeit von 1-2 % auf. Diese sind zwischen den Frontzähnen lateral lokalisiert. . ● Distomolaren sind meist einwurzelig, besitzen aber eine mehrhöckerige Krone und entstehen als sogenannte „Neuner“ mit einer Häufigkeit von 0,1-0,3 % distal der 8er. Distomolaren sind Abkömmlinge einer zu weit nach distal verlagerten Milchzahnleiste. ● Paramolaren entstehen mit einer Häufigkeit von etwa 0,1 % bukkal der Interdentalräume der 6er und 7er oder der 7er und 8er. Paramolaren kommen wie die Distomolaren häufiger im Oberkiefer als im Unterkiefer vor. 25 Zahnunterzahl: Unter Zahnunterzahl ist ein anlagebedingtes Fehlen von Zähnen in einer der beiden oder beiden Dentitionen zu verstehen. Je nach Anzahl der fehlenden Zähne werden folgende Typen unterschieden: ● Anodontie ist die angeborene Zahnlosigkeit einer Dentition, die meist mit ektodermalen Entwicklungsstörungen einhergeht (z.B. Christ-Siemens- Touraine-Syndrom). Die Anodontie kommt extrem selten vor, bisher wurden erst 34 Fälle bekannt. ● Oligodontie kann eigenständig autosomal-dominant vererbt werden und ist eine schwere Form der Hypodontie. (z.B. alle bleibenden Molaren und die zweiten Milch- und Prämolaren) ● Hypodontie ist die Abwesenheit einzelner Zähne. Hypodontie im Milchgebiss ist selten (0,1-0,7 %) (Dixon und Stewart 1976) [19]. Am häufigsten betroffen sind die oberen seitlichen und die unteren mittleren Schneidezähne, oft wird auch der entsprechende Ersatzzahn nicht angelegt. Bei asymmetrischen Hypodontien im bleibenden Gebiss fehlen am häufigsten der untere zweite Prämolar (1-5 %), der obere seitliche Schneidezahn (0,53%), der obere zweite Prämolar (1-2,5 %) und der untere seitliche Schneidezahn (etwa 0,5 % der Fälle) [19]. Bei 10-35 % der Individuen werden die 8er nicht angelegt, bei 50% dieser Fälle symmetrisch. Bei den symmetrischen Hypodontien fehlen am häufigsten die dritten Molaren, aber auch die oberen seitlichen Schneidezähne und die unteren Prämolaren. Bei 50% der Individuen mit Fehlanlagen fehlt mehr als ein Zahn. Wieder ist bei der Hypodontie auffällig, dass diese häufig in Fällen von autosomal-dominant vererbten ektodermalen Dysplasien vorkommt. Vor allem bei Lippen- Kiefer- Gaumenspalten kommen zu 30-50 % Hypodontien vor [19]. Die Prävalenz der Hypodontie nimmt mit zunehmender Ausdehnung der Spaltbildung zu [19]. 26 6.3.2 Morphologische Anomalien der Zähne Variationen der Zahngröße: Es sind sowohl Geschlechtsunterschiede als auch Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen hinsichtlich der Zahngröße zu beobachten. Jedoch sind Parameter wie Größe, Höhe der Krone, Länge und Durchmesser der Wurzel genetisch determiniert [19,21]. Folgende Extreme der Größenvariation werden unterschieden: ● Makrodontie beschreibt das Vorkommen übergroßer Zähne und wurde sowohl generalisiert als auch bei Einzelzähnen beobachtet. ● Mikrodontie kann generalisiert oder an einzelnen Zähnen vorkommen und wird deutlich öfter beobachtet als die Makrodontie. Totale Mikrodontie kann im Zusammenhang mit kongenitalen Herzfehlern oder Down-Syndrom vorkommen. An Einzelzähnen ist die Verkleinerung typischerweise am oberen lateralen Incisivus und den dritten Molaren lokalisiert. Variationen der Zahnform: Wie die Größe der Zähne, ist ebenfalls die Form der Zähne genetisch bedingt und sehr variabel. Folgende Anomalien der Zahnform sind zu unterscheiden: ● Taurodontismus kann als typische Formveränderung bei Molaren und Prämolaren auftreten, bei denen das Pulpakavum auf Kosten der Wurzelkanäle sehr weit nach apikal verlängert ist. Je nach Länge des Wurzelkörpers wird seit Shaw (1928) zwischen hypo-, mesio- und hypertaurodonten Zähnen unterschieden. Die familiäre Häufung lässt auf eine autosomal-dominante Vererbung schließen. Möglicherweise liegt auch ein pathogenetischer Defekt in der Hertwigschen Epithelscheide vor. Schmelz-, Dentin- und Zementstruktur zeigen sich bei taurodonten Zähnen normal. 27 ● Zahnkeimpaarung erscheint vorwiegend unter Schneide- und Eckzähnen, kann aber sowohl die erste wie auch zweite Dentition betreffen. Nach einem gescheiterten Zahnkeimtrennungsversuches, entsteht ein bis zu doppelt so breiter gepaarter Zahn (0,1-0,3 % der Fälle, Hagman 1988). Röntgenologisch ist ersichtlich, dass nur eine Pulpakammer vorliegt. ● Zwillingsbildungen entstehen durch eine vollständige Zahnkeimteilung mit dem Ergebnis eines Spiegelbildes des Zwillingspartners. ● Zahnverschmelzung entsteht durch Vereinigung zweier ursprünglich getrennt angelegter Zahnkeime. Die Verschmelzung kann total oder partiell sein, röntgenologisch sind aber zwei getrennte Pulpakammern ersichtlich. ● Zahnverwachsung betrifft am häufigsten den oberen zweiten und den dritten Molar. Verwachsungen zellulären Wurzelzements können bei der Zahnentwicklung eng benachbarter Zähne entstehen, oder infolge entzündlich bedingter Hyperzementosen. ● Dens invaginatus ist eine sackartige Einstülpung der Schmelzsubstanz in der Pulpa, beziehungsweise Ausstülpung des Schmelzorgans im Bereich der Kaufläche mit Ausbildung eines zusätzlichen Höckers. Der Dens invaginatus dürfte autosomaldominant vererbt werden. 28 6.3.3 Genetischer Einfluss auf numerische Zahnanomalien Die Zahnentwicklung unterliegt genetischer Kontrolle. Bei Patienten mit Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten sind Agenesien ungefähr viermal häufiger gegenüber der Gesamtpopulation zu finden [1]. Es zeigte sich, dass die Prävalenz der Hypodontie Ausdehnung der Dysraphie steigt [19]. mit zunehmender Bei Spaltpatienten findet man auch abseits des Spaltbereiches zu etwa 35% Zahnnichtanlagen (Tammoscheit U.-G. 1986) [22]. Mehrere experimentelle Studien und Studien an Tieren, vor allem in den letzten zehn Jahren, zeigen die Zusammenhänge verschiedener Gene beziehungsweise Transkriptionsfaktoren und dem Fehlen verschiedener Zahntypen. Wie bereits beschrieben, ist die Zahnentwicklung basierend auf der Interaktion zwischen Zahnepithel und Mesenchym, aber unter der Kontrolle von allgemeinen Transkriptionsfaktoren und Genregulatorproteinen. Genetische Defekte oder Mutationen, welche für Agenesie der Zähne verantwortlich sind, werden erst jetzt durch Studien und komplizierte genetische Untersuchungen enthüllt. Familiär bedingte Agenesien der Zähne sind rückzuführen auf autosomal–dominanten, autosomal–rezessiven oder X – chromosomalen Erbgang, aber auch unklare Trennungsmuster wurden beobachtet [23]. Die beteiligten Mitglieder einer betroffenen Familie weisen oft Variabilitäten in Bezug auf Größe, Symmetrie, Zahl und Form der Zähne auf. Interessanterweise ist die zweite Dentition häufiger betroffen als die erste Dentition. Bei der Odontogenese spielen etwa 100 Gene eine bedeutende Rolle, deren Mutation in direkter Verbindung mit Nichtanlagen der verschiedenen Zahntypen steht [23]. Das Vergleichen einer Reihe von mikrobiologischen, derzeit vorliegenden Untersuchungen und Studien führt zu folgenden Ergebnissen: In der Odontogenese spielen vor allem die Transkriptionsfaktoren MSX1, MSX2, PAX9 und TGFA eine bedeutende Rolle. Unter Transkriptionsfaktoren versteht man Proteine, dessen Interaktion mit Regulatorsequenzen die Transkription beeinflussen und initiieren und somit für die Steuerung 29 differenzieller Genaktivität verantwortlich sind [26]. Ein kompliziertes Netzwerk aus Faktoren kann in die Entwicklung eingreifen und sie beeinflussen. MSX1:Untersuchungen zufolge sind Mutationen in MSX1 für verschiedene dentale Agenesien verantwortlich. MSX1 und MSX2 sind Transkriptionsfaktoren, welche am kurzen Arm des Chromosom 4 lokalisiert sind. MSX1 wird am stärksten im dentalen Mesenchym exprimiert und wird während des Knospen-, Kappen- und Glockenstadiums vom dentalen Epithel ausgeschaltet. Die Mutation von MSX1 wird mit dem Fehlen von den unteren Prämolaren, den oberen zweiten Prämolaren, den oberen ersten Prämolaren und den Schneidezähnen in Verbindung gebracht [24]. PAX9:In zahlreichen Studien wird PAX9 in Verbindung mit Oligodontie gebracht [28]. PAX9 wird exprimiert im Mesenchym der Maxilla und des Mandibularbogens und trägt zur Bildung des Gaumens und der Zahnform bei. PAX9 spielt bei der craniofazialen Entwicklung eine Rolle und interagiert mit MSX1. Durch Deletion am Chromosom 4 kommt es zum Funktionsverlust von PAX9 während der Zahnentwicklung und folglich zu Nichtanlagen in der zweiten Dentition. Die Mutation von PAX9 wird für das Fehlen der ersten und zweiten Molaren, aber auch der dritten und zweiten Prämolaren verantwortlich gemacht [ 25 ]. TGFA:TGFA wird während der craniofazialen Entwicklung exprimiert und spielt bei der Entwicklung von nicht syndromalen Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten und Nichtanlagen der Schneidezähne eine Rolle [24]. Schwer belegbar ist die Annahme, dass dentale Nichtanlagen und Formanomalien der lateralen Schneidezähne Mikroformen einer Lippen- Kieferspalte sind [1]. In diesem Fall liegt eine genetisch bedingte Störung in Bezug auf die Apoptose vor [27]. 30 7. Material und Methodik Das herangezogene Patientengut für diese Diplomarbeit setzt sich ausschließlich aus den an der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsklinik Graz operierten und fortlaufend dokumentierten Fällen zusammen. Bei diesem Patientengut handelt es sich ausschließlich um die zwischen 1990 und 1999 geborenen Kinder mit links, rechts oder beidseitig auftretenden Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten. Die Gesamtzahl des Patientengutes beträgt 65, welche sich aus 47 männlichen und 18 weiblichen Patienten zusammensetzt. Es wurden nur solche Patienten ausgewählt, bei denen mindestens eine Nichtanlage diagnostizierbar war. Zur Diagnostik der in Verbindung mit Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten auftretenden Nichtanlagen, wurden die im Laufe der Behandlung dieser Patienten gemachten Orthopantomogramme in Verwendung gezogen, da Nichtanlagen sich nur durch bildgebende Verfahren sicher diagnostizieren lassen. Untersucht und gegenübergestellt wurden alle Röntgenaufnahmen der Patienten, an Hand derer genauestens das Auftreten von Nichtanlagen der Zähne der zweiten Dentition erfasst wurde, wobei die Anlagen der dritten Molaren keine Berücksichtigung fanden. Weiteres wurden diese Werte zur graphischen Veranschaulichung in Form von Tabellen und Balkendiagrammen verarbeitet. 31 8. Resultate Untersucht und beurteilt wurden ausschließlich Patienten, die an der Abteilung für MundKiefer- Gesichtschirurgie der Universitätsklinik Graz operiert wurden und teilweise noch in Behandlung sind. Als Patientengut wurden nur jene zwischen 1990 und 1999 geborene Patienten herangezogen. Die Gesamtanzahl der Patienten dieser Untersuchung beträgt 65, davon sind 47 männlich und 18 weiblich, wobei 100% der Patienten dieser Studie von Nichtanlagen betroffen sind (Diagramm1). Diagramm 1: Geschlechteraufteilung des Patientengutes Männlich Weiblich 18; 28% 47; 72% Es ergab sich beim Patientengut folgende Verteilung der Spaltarten in Bezug auf die Gesamtzahl und der Unterteilung in männliche und weibliche Patienten: Verteilung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten auf die Gesamtzahl der Patienten Gesamtzahl der LKG-Spalten 65 100 % Beidseits auftretende LKG-Spalten 22 34 % Rechtsseitig auftretende LKG-Spalten 9 14 % Linksseitig auftretende LKG-Spalten 34 52 % 32 Verteilung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bei den weiblichen Patientinnen Gesamtzahl der LKG-Spalten 18 100 % Beidseits auftretende LKG-Spalten 6 33 % Rechtsseitig auftretende LKG-Spalten 2 11 % Linksseitig auftretende LKG-Spalten 10 56 % Verteilung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten bei den männlichen Patienten Gesamtzahl der LKG-Spalten 47 100 % Beidseits auftretende LKG-Spalten 16 34 % Rechtsseitig auftretende LKG-Spalten 7 15 % Linksseitig auftretende LKG-Spalten 24 51 % 33 Auf folgende Fragestellungen und Untersuchungspunkte soll entsprechend der Thematik dieser Diplomarbeit genauer eingegangen werden: 1. In welchem Ausmaß sind die untersuchten Patienten mit Lippen- KieferGaumenspalten von Nichtanlagen betroffen? a) Wie verteilen sich die Nichtanlagen auf die links- rechts- und doppelseitig auftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalten? b) Wie ist die Verteilung der untersuchten Patienten mit Lippen- KieferGaumenspalten pro Jahrgang zwischen 1990 und 1999? 2. Wie ist das Auftreten der Zahnnichtanlagen auf die Zahnpositionen verteilt? a) Verteilung der Zahnnichtanlagen bei den Patienten mit linksseitiger LippenKiefer- Gaumenspalte b) Verteilung der Zahnnichtanlagen bei den Patienten mit rechtsseitiger LippenKiefer- Gaumenspalte c) Verteilung der Zahnnichtanlagen bei den Patienten mit doppelseitiger LippenKiefer- Gaumenspalte 3. Bei wie viel Prozent der Patienten treten Nichtanlagen im Nichtspaltbereich auf? a) Verteilung der Zahnnichtanlagen im Nichtspaltbereich bei linksseitiger LippenKiefer- Gaumenspalte b) Verteilung der Zahnnichtanlagen im Nichtspaltbereich bei rechtsseitigen LippenKiefer- Gaumenspalten 4. Welche weiteren Anomalien sind bei den Patienten mit Lippen- KieferGaumenspalten zu finden? 34 8.1. Eigene Untersuchungs- und Auswertungsergebnisse 1.Anzahl der Nichtanlagen in Bezug auf die Gesamtzahl der Patienten Die 65 Patienten sind zu 100% von Nichtanlagen in der 2. Dentition betroffen. Unabhängig der Spaltart sind 23 Patienten von einer Nichtanlage betroffen, dies entspricht 35%; 40%, also der relativen Mehrheit der Patienten, fehlen zwei Zähne; 11% haben drei Nichtanlagen; 5% haben vier Nichtanlagen; 3% mit fünf Nichtanlagen; sechs und sieben Zähne im bleibenden Gebiss fehlen bei jeweils 1%; mehr als 7 Nichtanlagen wurden bei 3% gefunden. Diese Häufigkeit der Anzahl der fehlenden Zähne wird im Diagramm 2 dargestellt. Grundsätzlich weisen 7 der 65 Patienten zusätzlich zu Nichtanlagen im Oberkiefer auch im Unterkiefer eine oder mehrere Agenesien auf. Diagramm 2: 35 1a) Anzahl der Nichtanlagen bei Unterteilung der Spaltart in links-, rechts- und beidseitig auftretende Lippen- Kiefer- Gaumenspalten bei Nichtberücksichtigung des Geschlechts. Die 65 untersuchten Patienten setzen sich aus 22 Patienten mit doppelseitiger Lippen-KieferGaumenspalte, 34 Patienten mit einer linksseitigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und 9 Patienten mit einer rechtsseitig auftretenden Spalte zusammen. Es zeigt sich, dass sowohl bei den doppelseitig auftretenden Spalten, als auch bei den linksseitig auftretenden Spalten bei der Mehrheit zwei Nichtanlagen auftreten. Bei den rechtsseitigen Lippen-KieferGaumenspalten fehlen bei den neun betroffenen Patienten jeweils bei drei Patienten ein, zwei und drei Zähne. Auffällig ist, dass bei den Patienten mit linksseitigen Lippen-KieferGaumenspalten zum Hauptteil von 94% ein und zwei Nichtanlagen in der 2. Dentition vorkommen. Bei den Patienten mit doppelseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten ist die Verteilung von einem fehlenden Zahn bis mehr als sieben fehlenden Zähnen aufgeteilt und wie in Abbildung 3 gezeigt, fehlen am häufigsten zwei Zähne. Weiteres soll durch Diagramm 3 die Anzahl der Zahnnichtanlagen bei den verschiedenen Spalttypen veranschaulicht werden. Diagramm 3: 36 Weiteres stellt sich die Frage, ob geschlechtsspezifische Unterschiede beim Auftreten der Nichtanlagen zu erkennen sind. Da die Anzahl der männlichen und weiblichen Patienten nicht übereinstimmt, kann das Auftreten der Nichtanlagen nur prozentuell gegenübergestellt werden. Die Mehrheit wird sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Patienten durch die Betroffenen mit einer und zwei Nichtanlagen gestellt. Dies zeigen die Diagramme 4 und 5. Es zeigte sich aber doch ein relevanter Unterschied bei den Patienten mit drei Nichtanlagen, während bei den männlichen Patienten 7% von drei Nichtanlagen betroffen sind, ist bei den weiblichen Patienten der Anteil von 22% signifikant größer. (Diagramm 6 und 7) Diagramm 4: Anzahl der Nichtanlagen bei den weiblichen Patienten 6 6 6 1 NA 5 4 2 NA 3 NA 4 4 NA 3 5 NA 2 1 6 NA 1 0 Anzahl der Nichtanlagen 1 7 NA mehr als 7 NA 37 Diagramm 6: Anzahl der Nichtanlagen bei den weiblichen Patienten in Prozent weiblich 1 NA 2 NA 0% 3 NA 0% 4 NA 0% 5 NA 6% 6 NA 7 NA mehr als 7 NA 6% 33% 22% 33% Diagramm 5: Anzahl der Nichtanlagen bei den männlichen Patienten 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 20 1 NA 17 2 NA 3 NA 4 NA 5 NA 6 NA 2 3 2 1 Anzahl der Nichtanlagen 1 1 7 NA mehr als 7 NA 38 Diagramm 7: Anzahl der Nichtanlagen bei den männlichen Patienten in Prozent männlich 1 NA 2 NA 3 NA 4% 4 NA 4% 5 NA 6 NA 7 NA mehr als 7 NA 2% 2% 2% 7% 36% 43% 1b) Verteilung der Spaltpatienten pro Jahrgang Die in der Studie diagnostizierten Fälle betreffen ausschließlich zwischen 1990 und 1999 geborene Patienten. Die Verteilung wird in Diagramm 8 in Bezug auf das Auftreten der Lippen- Kiefer- Gaumenspalten pro Jahrgang graphisch dargestellt. Die Spitzen befinden sich im Bereich der 1993 und 1998 geborenen Patienten. Diagramm 8: 39 In Diagramm 9 wird die genaue Verteilung der Patienten mit links-, rechts- und doppelseitig auftretenden Spalten in Bezug auf das Auftreten pro Jahrgang gezeigt. In den Jahrgängen 1991, 1995, 1996 und 1999 sind keine rechtsseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalte in der Studie aufgetreten. Doppelseitige Spaltpatienten sind bis auf Jahrgang 1999 vertreten und linksseitige Lippen- Kiefer- Gaumenspalten sind über alle Jahrgänge verteilt. Diagramm 9: 40 2a) Wie ist das Auftreten der Zahnnichtanlagen auf die Zahnposition verteilt? Der Hauptanteil der Patienten mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten dieser Studie wird durch die Patienten mit linksseitig auftretenden Spalten gestellt. Von insgesamt 34 Patienten sind 24 davon männlich und 10 weiblich. Diagramm 10 soll die Verteilung der Zahnnichtanlagen auf die verschiedenen Zahnpositionen der Maxilla darstellen. Es zeigte sich, dass 31 Patienten eine Nichtanlage des zweiten Schneidezahnes im zweiten Quadranten (Zahn 22), innerhalb des Spaltbereiches aufweisen. Nur drei der männlichen Patienten der Studie mit linksseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte sind nicht vom Fehlen des Zahnes 22 betroffen. Bei 13 der Patienten trat die Nichtanlage des Zahnes 22 alleine, also ohne jeglicher anderer Nichtanlage auf. Ein hoher Prozentsatz von 29% wird durch die Nichtanlage des rechten seitlichen Schneidezahnes (Zahn 12), also im ersten Quadranten und somit außerhalb des Spaltbereiches gestellt, wobei auffällig war, dass bei den drei weiblichen Patientinnen mit fehlendem Zahn 12 die Kombination mit der Nichtanlage des Zahnes 22 auftrat. Vier der männlichen Patienten weisen eine Nichtanlage des zweiten Prämolaren im ersten Quadranten, also außerhalb des Spaltbereiches auf. Bei drei dieser Patienten trat die Kombination mit der Nichtanlage des Prämolaren im zweiten Quadranten auf. Die Nichtanlage des 2. Prämolaren (Zahn 25) im zweiten Quadranten trat bei sechs Patienten auf. Der Dens caninus der Spaltseite ist bei drei Patienten nicht angelegt. Auffällig war, dass bei keinem der 34 Patienten eine Nichtanlage der 1.Prämolaren (Zahn 14 und 24), und zwar weder auf der spaltnahen noch auf der spaltfernen Seite, vorliegt. Von den 65 untersuchten Patienten weisen sieben Patienten Nichtanlagen im Unterkiefer auf. Davon sind sechs Patienten von einer doppelseitigen- und ein Patient von einer linksseitigauftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalte betroffen. Bei den Patienten mit rechtsseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten sind keine Nichtanlagen im Unterkiefer aufgetreten. 41 Diagramm 11 soll die Nichtanlagen im Unterkiefer bei den Patienten mit linksseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten zeigen. Von den 34 Patienten fehlt nur bei einem männlichen Patienten der rechte Prämolar (Zahn 45). Bei allen anderen waren die Zähne der Mandibula vollzählig angelegt. Diagramm 10: 100% 91% 90% 80% 70% 60% 50% Verteilung der Nichtanlagen im Oberkiefer bei linksseitigen Spalten 40% 29% 30% 18% 20% 12% 6% 10% 0% 9% 3% 3% 0% 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 Diagramm 11: 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 0% 1% 1% 2% 2% Verteilung der Nichtanlagen im Unterkiefer bei linksseitigen Spalten 3% 3% 3% 4% 4% 5% 5% 42 2 b) Wie ist die Verteilung der Zahnnichtanlagen bei den Patienten mit rechtsseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten? In Diagramm 12 wird gezeigt, dass die häufigste Nichtanlage bei den Patienten mit 89% der zweite rechte Schneidezahn (Zahn 12) ist. Bei acht von neun Patienten ist der Zahn 12 nicht angelegt. Auffällig war, dass bei vier der männlichen Patienten zusätzlich der zweite Schneidezahn im Gegenquadranten (Zahn 22), also auf der spaltfernen Seite, fehlt, und bei einem männlichen Patienten nur der Zahn 22 nicht angelegt war. Bei jeweils einer weiblichen Patientin waren der rechte und der linke erste Prämolar nicht angelegt. Der zweite linke Prämolar, also auf der Nichtspaltseite, fehlt in Kombination mit anderen Nichtanlagen bei zwei Patienten (1m, 1w). Bei sieben von den neun Patienten (78%) ist mindestens eine Nichtanlage im 1. Quadranten aufgetreten, dies unterscheidet sich erheblich zu den Patienten mit rechtsseitiger Spalte, bei jenen traten zu 41% Nichtanlagen im spaltfernen Quadranten (2.Quadranten) auf. Nichtanlagen im Unterkiefer sind bei den neun untersuchten Patienten mit rechtsseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte nicht aufgetreten. Diagramm 12: 100% 89% 90% 80% 70% 56% 60% 50% Verteilung der Nichtanlagen im Oberkiefer bei rechtsseitigen Spalten 40% 30% 22% 20% 11% 11% 11% 10% 0% 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 43 2c) Wie zeigt sich die Verteilung der Zahnnichtanlagen bei Patienten mit doppelseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte? In Diagramm 13 wird die Häufigkeit des Auftretens der Nichtanlagen im Oberkiefer bei Patienten mit doppelseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten dargestellt. Am häufigsten fehlten die linken zweiten Schneidezähne (Zahn 22) mit 82% aller 22 Patienten, gefolgt von den zweiten Schneidezähnen (Zahn 12) der Gegenseite mit 77%. Weiteres zeigte sich, dass mit 41% die zweiten linken Prämolaren (Zahn 25) und mit 36% die zweiten rechten Prämolaren (Zahn 15) als zweithäufigste Nichtanlagen bei doppelseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten zu finden sind. Bei drei Patienten fehlte der rechte Dens caninus (Zahn 13) und bei zwei Patienten der linke (Zahn 23). Bei einem männlichen Patienten sind bis auf die ersten Molaren keine Zähne der 2. Dentition angelegt, bei einer weiblichen Patientin fehlen im Oberkiefer sieben Zähne und im Unterkiefer sechs. Diagramm 13: 90% 82% 77% 80% 70% 60% 50% 40% 41% 36% 30% 20% 10% 14% 9% 9% 9% 5% 5% 0% 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 Verteilung der Nichtanlagen im Oberkiefer bei beidseitigen Spalten 44 In Diagramm 14 ergab sich bei der Verteilung der Nichtanlagen der Mandibula ein komplett symmetrisches Bild. Bei sechs Patienten mit doppelseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten traten Nichtanlagen zusätzlich im Unterkiefer auf, dies verteilte sich zwischen einem und allen fehlenden Zähnen der 2. Dentition. Auffällig war, dass nur zwei Patienten von einer einzelnen Nichtanlage im Unterkiefer betroffen sind, die anderen vier weisen mehr als eine Nichtanlage auf. Die häufigste Nichtanlage im Unterkiefer mit 18% waren die zweiten rechten und linken Prämolaren, diese fehlten bei jeweils vier Patienten. Die zweithäufigste Nichtanlage ergab sich durch die ersten Prämolaren mit 14% der fehlenden Zähne bei jeweils drei Patienten. Bei jeweils zwei Patienten mit doppelseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte fehlen die beiden rechten und linken zweiten Schneidezähne, dies ergab 9% der Nichtanlagen. Diagramm 14: 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 0% 5% 5% 10% 9% 14% 15% 20% 25% 5% 5% 18% 5% Verteilung der Nichtanlagen im Unterkiefer bei beidseitigen Spalten 9% 14% 18% 45 3a) Verteilung der Zahnnichtanlagen im Nichtspaltbereich bei linksseitigen LippenKiefer- Gaumenspalten Von den insgesamt 34 Patienten mit linksseitig auftretender Spalte weisen 14 Patienten, das entspricht 41%, eine oder mehrere Zahnnichtanlagen im 1. Quadranten auf. Ein Patient ist von einer Nichtanlage im Unterkiefer betroffen, dies entspricht 3%. 3b) Verteilung der Zahnnichtanlagen im Nichtspaltbereich bei rechtsseitig auftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalten Von den insgesamt 9 Patienten mit rechtsseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte weisen 7 im 2. Quadranten Nichtanlagen auf. Dies entspricht entgegen dem Ergebnis bei den linksseitigen Spalten der Mehrheit von 78%. Im Unterkiefer wurden bei den 9 Patienten keine Nichtanlagen gefunden. 4) Welche Anomalien sind bei den Patienten aufgetreten? Es wurden weiters bei einem männlichen Patienten mit linksseitiger Lippen- KieferGaumenspalte eine Transposition des Zahnes 23 und 24 gefunden, sowie dieselbe Transposition bei einem männlichen Patienten mit rechtsseitiger Spalte. 46 9. Diskussion Studien über die Häufigkeit des Auftretens von Nichtanlagen und dentalen Anomalien bei Patienten mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten spielen für das weitere Management und die Planung kieferorthopädischer Behandlungen eine bedeutende Rolle. Anhand der eigenen Studie mit 65 Patienten zeigt sich, dass der Großteil der Patienten ein und zwei Nichtanlagen aufweisen; die weiblichen Patienten sind auch zu einem großen Teil von 22% von drei Nichtanlagen der 2. Dentition betroffen. Statistisch gesehen spielt also nicht das Geschlecht der Patienten, also der direkte Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Patienten , wohl aber die Variabilität der Lage und die Ausdehnung der Lippen- Kiefer- Gaumenspalte selbst eine große Rolle (Diagramm 6 und 7). Bei Hypodontie im bleibenden Gebiss bei der Normalbevölkerung fehlen am häufigsten die unteren 2. Prämolaren (1-5%), gefolgt von den oberen seitlichen Schneidezähen (0,5-3%), mit 1-2,5% ist der obere 2. Prämolar und der untere seitliche Schneidezahn mit 0,5% nicht angelegt [19]. Die Häufigkeit einer Agenesie ist also bei der Normalbevölkerung im Unterkiefer höher als im Oberkiefer. Bei den Patienten mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten ist die Anzahl der Nichtanlagen im Oberkiefer um ein Mehrfaches höher als im Unterkiefer. Dies spiegelt auch die 1972 von H.Byloff-Clar und H.Droschl an der Universitätsklinik Graz durchgeführte Vergleichsstudie wieder [29]. Laut dieser Studie anhand 168 Patienten mit Lippen- KieferGaumenspalten und 168 Patienten ohne kraniofaziale Dysraphien als Kontrollgruppe, weisen 65% der betroffenen Patienten aber auch ein hoher Prozentsatz von 15% der Kontrollgruppe dentale Agensien auf. Eine Studie von Schönauer B. 2006 [30] zeigte, dass 53% der Patienten mit isolierten Gaumenspalten zumindest eine Nichtanlage in der 2. Dentition aufweisen. Es zeigte sich bei Patienten mit isolierten Gaumenspalten, genauso wie bei Nichtspaltträgern, dass die Mehrheit der Patienten Nichtanlagen im Unterkiefer aufweisen. 60% aller Nichtanlagen dieser Studie sind im Unterkiefer lokalisiert. Dies verdeutlicht, dass die Lage und Ausdehnung der Lippen- Kiefer- Gaumenspalten maßgeblich am Auftreten von Nichtanlagen beteiligt ist. 47 Laut einer Studie von Graber LW. [31] beträgt die Inzidenz fehlender Zähne im permanenten Gebiss 9,6% unter der Normalbevölkerung. Ähnlich hoch, mit einem Prozentsatz von 8% laut einer Studie von Ranta R. und Tulensalo T. [32] trat Hypodontie bei finnischen Kindern auf. Diese Zahlen entsprechen auch den Angaben der Universität Erlangen [33], mit einer Häufigkeit von 6-10% im bleibenden Gebiss bei der Normalbevölkerung, sowie auch den Ergebnissen von Koch M.J. und Gängler P. [21]. Die Studie von Goya HA., Tanaka S., Maeda T. und Akimoto Y. zeigt die Prävalenz nichtangelegter Zähne bei japanischen Kindern von 8,7% bei Buben und 10,8% bei Mädchen [40]. Bei einer kephalometrischen Studie von Lisson J.A. und Scholtes S. [34] zeigte sich, dass bei Patienten deren Maxilla und Mandibula in der Sagittalen verkürzt waren, häufiger Nichtanlagen auftraten. Bei den Patienten mit linksseitig auftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalten der eigenen Studie, fehlte am häufigsten mit 91% der auf der betroffenen Seite gelegene seitliche Schneidezahn, gefolgt von dem auf der rechten Seite gelegene seitliche Schneidezahn mit 29% (Diagramm 10). Zu 18%, als dritthäufigste Nichtanlage fehlte der 2. Prämolar im 2. Quadranten. Nur bei einem Patienten mit linksseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte war im 1. Quadranten der 2. Prämolar nicht angelegt. Es zeigte sich in der eigenen Studie also, dass auf der Seite der Lippen- Kiefer- Gaumenspalte die 2. seitlichen Schneidezähne mehr als dreimal häufiger nicht angelegt als auf der nichtbetroffenen Seite sind. Dieses Ergebnis entspricht auch den Daten der von Shapira Y., Lubit E. und Kuftinec MM. durchgeführten Studie mit 278 betroffenen Patienten [35]. Die Studie von Byloff-Clar und Droschl zeigte differierende Ergebnisse zu den eigenen bei den Patienten mit linksseitigen Lippen- Kiefer- Gaumenspalten [29]. Mit der Mehrheit von 53% fehlten die seitlichen Schneidezähne der betroffenen Seite. Die seitlichen Schneidezähne der rechten Seite fehlten zu 23%. Differierend zur eigenen Studie, fehlten zu 23% der mittlere Schneidezahn der betroffenen Seite und zu einem hohen Prozentsatz von 16% der mittlere Schneidezahn im 1. Quadranten. Bei der eigenen Studie fehlten die mittleren Schneidezähne zu jeweils 3%. Übereinstimmend waren die Ergebnisse betreffend der Aussage dass in der Mandibula die am häufigsten auftretende Agenesie den 2. Prämolaren betraf. 48 Im Vergleich bei den Patienten mit rechtsseitig auftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalten werden auch kontroverse Ergebnisse deutlich. Im Gegensatz zur eigenen Studie fehlen bei der von Byloff-Clar und Droschl am häufigsten mit 54% der rechte mittlere Schneidezahn, die häufigste Nichtanlage bei den eigenen untersuchten Patienten wurde durch den fehlenden rechten seitlichen Schneidezahn gestellt. Diese Auswertungsergebnisse werden auch durch die Studie von Shapira Y., Lubit E. und Kuftinec MM. bestätigt [36]. Bei den Patienten mit doppelseitig auftretender Lippen- Kiefer- Gaumenspalte sind sowohl bei der eigene Studie, als auch bei der von Byloff-Clar und Droschl verfassten Arbeit die Mehrheit durch die linken mittleren Schneidezähne gestellt, gefolgt von den rechten mittleren Schneidezähnen. Weitere Übereinstimmungen bestanden in Bezug auf die Nichtanlagen der 2. Prämolaren. Allerdings waren beim Patientengut der eigenen Studie auch congenitale Nichtanlagen der Eckzähne und 1.Prämolaren sowohl im 1. als auch im 2. Quadranten zu finden. Bei Untersuchungen der Mandibula in Bezug auf Nichtanlagen durch Byloff-Clar und Droschl bei 25 Patienten mit doppelseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte, wiesen 12% Nichtanlagen des rechten 2. Prämolaren und 8% des linken 2. Prämolaren auf. Bei den eigenen 22 untersuchten Patienten traten in der Mandibula Agenesien sowohl im Frontzahnbereich als auch bei den Prämolaren auf. Die Mehrzahl der Patienten mit Nichtanlagen im Unterkiefer, weisen mehr als eine Agenesie auf. Am häufigsten jedoch fehlten wie bei Byloff-Clar und Droschl die 2. Prämolaren gefolgt von den 1. Prämolaren. Dass die Art und Lage der Lippen- Kiefer- Gaumenspalte eine entscheidende Rolle spielt zeigt auch eine Studie von Lourenco Ribeiro L. et al [37]. Der seitliche Schneidezahn fehlte bei 49,8% der untersuchten Patienten mit einseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte, wobei der seitliche Schneidezahn der nicht betroffenen Seite zu 10,9% fehlte. Weiters zeigte die Studie, dass die am zweithäufigsten nicht angelegten Zähne die 2. Prämolaren der Maxilla waren. Bei denjenigen Patienten, deren 2. seitliche Schneidezähne angelegt waren, lag der Zahn öfters distal als mesial der Spalte [38]. Die Vergesellschaftung von dentalen Anomalien mit dem Auftreten von Lippen- KieferGaumenspalten im Nichtspaltbereich zeigt auch das Ergebnis der Studie von Menezes R. und Vieria A.R. [38], bei der von 146 Patienten 33% zumindest eine Nichtanlage im nicht betroffenen Areal aufweisen. Dies spiegelt auch das etwas höhere, eigene Ergebnis von 41% 49 wieder. Die von Schönauer B. untersuchten Patienten mit isolierten Gaumenspalten weisen zu 53% zumindest eine Nichtanlage im bleibenden Gebiss auf [30]. Karsten A., Larson M. und Larson O. zeigten anhand ihrer Studie mit 46 Kindern, dass mit der Länge und Ausdehnung der isolierten Gaumenspalte die Anzahl der fehlenden Zähne steigt und bestätigten auch, dass die Mandibula häufiger von Nichtanlagen des 2. Prämolaren betroffen ist als die Maxilla [42]. Eine Arbeit von Weise W. und Dilmaghani Y. zeigt im Bereich des Unterkiefers bei Patienten mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten typische Entwicklungsabweichungen in Bezug auf die Zahnentwicklung und den Unterkieferwinkel [39]. Eine von Da Silva AP., Costa B. und De Carvalho Carrara CF. durchgeführte Studie mit 150 Patienten zeigte, dass die Prävalenz von Nichtanlagen bei Patienten mit beidseitigen kompletten Lippenspalten höher war, bei inkompletten Spalten jedoch Hyperodontie im bleibenden Gebiss öfters auftrat [41]. In älteren Arbeiten wurde oft von mechanischer Schädigung der Zahnkeime gesprochen, die dann in weiterer Folge zur Nichtanlage einzelner Zähne führten. Dies mag eine gewisse Berechtigung in Bezug auf die Lippen- Kiefer- Gaumenspalten haben, da aber bei den isolierten Gaumenspalten auch ein erhöhtes Aufkommen von Hypodontie manifest wird und diese vor allem die Mandibula betrifft, relativiert sich diese Aussage. Folglich ist der genetische Zusammenhang zwischen der Entstehung der craniofazialen Dysraphien und Nichtanlagen ein vieluntersuchtes und diskutiertes Thema in der Literatur. Zahlreiche Tierstudien mit Mäusen und experimentelle Studien weisen vor allem auf den Zusammenhang zwischen der Mutation von MSX1 und PAX9 und Hypodontie hin [43], [44], [24]. Vieira et al fanden in ihren Studien, dass die Gene FGFR1 und IRF6 auch für craniofaciale Syndrome und Hypodontie verantwortlich sind [45]. Zahlreiche Studien bestätigen also die genetischen Zusammenhänge mit der Entstehung der craniofazialen Dysraphien und Nichtanlagen, die komplexen Mechanismen sind aber noch nicht vollständig geklärt und Zentrum zahlreicher aktueller Studien in der Literatur. Es wurde keine Familienanamnese bezüglich der Nichtanlagen in dieser Studie erhoben, deshalb wäre es für weitere Studien interessant, familiäre Häufungen von Nichtanlagen bei von einer Spalte betroffenen Patienten und deren Familienmitgliedern zu erheben. 50 10. Konklusion Die Untersuchung von 65 Patienten anhand der Röntgenaufnahmen zeigt, dass sowohl bei den Patienten mit rechtsseitig auftretender Lippen- Kiefer- Gaumenspalte, als auch bei den Patienten mit linksseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte die häufigste Agenesie im bleibenden Gebiss durch den seitlichen Schneidezahn der von der Spalte betroffenen Seite gestellt wird. Auch bei den Patienten mit doppelseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte zeigte sich der 2. seitliche Schneidezahn als der am häufigsten nicht angelegte Zahn. Allerdings fehlte der linke seitliche Schneidezahn fast um ein Drittel häufiger als der rechte. Von den Patienten mit linksseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte weisen 41% Nichtanlagen im Nichtspaltbereich und 3% im Unterkiefer auf. Bei zwei Patienten wurde eine echte Transposition der Eckzähne und der 1. Prämolaren gefunden. 78% der Patienten mit rechtsseitiger Lippen- Kiefer- Gaumenspalte weisen im Nichtspaltbereich Nichtanlagen auf. In der Mandibula wurden keine Agenesien diagnostiziert. Bei den Patienten mit beidseitig auftretenden Lippen- Kiefer- Gaumenspalten traten auffällig viele Nichtanlagen auch im Unterkiefer auf. Am häufigsten zu jeweils 18% fehlten die rechten und linken 2. Prämolaren. Die Komplexität der Patienten mit Lippen- Kiefer- Gaumenspalten wird also nicht nur über die hohe Anzahl der Nichtanlagen deutlich, sondern über das damit verbundene interdisziplinäre Geschehen zwischen Chirurgie, Kieferorthopädie, Logopädie, Implantologie, restaurativer und prothetischer Zahnheilkunde, Psychologie, HNO und ästhetischer Gesichtschirurgie. 51 11. 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