Lineare Algebra I (WS 13/14) Alexander Lytchak Nach einer Vorlage von Bernhard Hanke 15.11.2013 Alexander Lytchak 1 / 12 Erinnerung I Eine Abbildung f : V → W zwischen reellen Vektorräumen ist linear, wenn für alle v1 , v2 ∈ V und alle λ1 , λ2 ∈ R die Gleichheit gilt: f (λ1 v1 + λ2 v2 ) = λ1 f (v1 ) + λ2 f (v2 ) I Für eine lineare Abbildung sind das Bild und Urbild von Untervektorräumen Untervektorräume. I Insbesondere ist das Bild im(f ) = f (V ) ein Untervektorraum von W ; und der Kern ker (f ) := f −1 (0) ist ein Untervektorraum von V . I im(f ) misst die Surejktivität von f : Sei W endlich-dimensional. Die Abbildung f surjektiv, genau dann wenn dim(im(f )) = dim(W ). Alexander Lytchak 2 / 12 Wir zeigen nun, dass der Kern von f für die Injektivität verantwortlich ist. Proposition Sei f : V → W linear. Die Abbildung f genau dann injektiv, wenn ker f = {0} ⊂ V . Alexander Lytchak 3 / 12 Das Beispiel Für V = Rn und W = Rm sei f : V → W eine lineare Abbildung. Für 1 ≤ j ≤ n seien ej ∈ Rn die Elemente der Standardbasis. Sei wj := f (ej ). Die Abbildung f ist eindeutig durch die Vektoren wj ∈ Rm bestimmt: Für einen Vektor x = (x1 , ..., xn ) ∈ Rn gilt f (x) = f ( n X j=1 xj ej ) = n X xj wj j=1 Andererseits ist für beliebige w1 , ..., wn ∈ Rm die oben definierte Abbildung f linear. Schreiben wir die Koordinaten dieser n Vektoren wj ∈ Rm als Spalten einer Matrix, so erhalten wir eine (m × n)-Matrix A = (aij )1≤i≤m,1≤j≤n . Damit haben wir einer linearen Abbildung f : Rn → Rm eine (m × n)-Matrix A nach der folgenden Regel zugeordnet: Die j-te Spalte von A ist das Bild von ej . Alexander Lytchak 4 / 12 Das Beispiel. Fortsetzung Die obige Zuordnung ist eineindeutig. Die Umkehrabbildung dieser Zuordnung definiert zu einer (m × n)-Matrix A = (aij )1≤i≤m,1≤j≤n ∈ Rm×n eine lineare Abbildung fA : Rn → Rm , die den Vektor ej auf den j-ten Spaltenvektor von A schickt. Die Abbildung fA : Rn → Rm ist wie folgt gegeben: (x1 , . . . xn ) 7→ n X a1j xj , . . . , j=1 n X amj xj j=1 Um es gelehrter auszudrücken, führen wir folgende Bezeichnung ein: Für reelle Vektorräume V , W bezeichnen wir als Hom(V , W ) die Menge aller linearen Abbildungen V → W . Wir haben soeben eine bijektive Abbildung A → fA zwischen der Menge der reellen (m × n)-Matrizen und Hom(Rn , Rm ) definiert. Alexander Lytchak 5 / 12 Das Beispiel. Fortsetzung I Der Nullmatrix 0 ∈ Rm×n wird die Nullabbildung f0 = 0 : Rn → Rm zugeorndet, die alles auf den Nullvektor in Rm schickt. I Sei m = n. Die Diagonaleinträge der quadratischen Matrix (aij ) ∈ Rn×n sind die Einträge (aii )1≤i≤n . Die (n × n)-Einheitsmatrix En hat alle Diagonaleinträge gleich 1 und alle übrigen gleich 0. Die entsprechende lineare Abbildung fEn : Rn → Rn ist idRn . I Sei m = n. Die Matrix (aij ) ∈ Rn×n heißt eine Diagonalmatrix, wenn alle Einträge außerhalb der Diagonalen gleich 0 sind. Sei A eine Diagonalmatrix mit Diagonaleinträgen λj = (ajj )1≤j≤n . Dann gilt fA (x1 , ..., xn ) = (λ1 x1 , λ2 x2 , ...., λn xn ). I Sind im obigen Beispiel alle λj = λ, so ist fA : Rn → Rn eine Streckung um λ. I Jede lineare Abbildung f : R → R ist eine Streckung. Alexander Lytchak 6 / 12 Das Beispiel. Fortsetzung I Sei m < n. Sei A ∈ Rm×n mit Einträgen aii = 1 für 1 ≤ i ≤ m und allen anderen Einträgen gleich 0. Dann ist fA : Rn → R m die kanonische Projektion fA (x1 , ..., xm , ..., xn ) = (x1 , ..., xm ). I Sei m > n. Sei A ∈ Rm×n mit Einträgen aii = 1 für 1 ≤ i ≤ n und allen anderen Einträgen gleich 0. Dann ist fA : Rn → R m die kanonische Einbettung fA (x1 , ..., xn ) = (x1 , ..., xn , 0, 0, ....., 0) I Sei m = n = 2. Die (2 × 2)-Diagonalmatrix mit Einträgen 1 und −1 definiert eine Spiegelung an der e1 -Achse. Die Diagonalmatrix mit Einträgen −1 und 1 definiert eine Spiegelung an der e2 -Achse. I Sei m = n = 2. Die Matrix cos t − sin t sin t cos t definiert eine Drehung des R2 um den Winkel t gegen den Uhrzeigersinn. Alexander Lytchak 7 / 12 Das Beispiel. Fortsetzung. I Sei m = n = 2. Betrachte die (2 × 2)-Matrix A mit a11 = a22 = 0 und a12 = a21 = 1. Der entsprechende Endomorphismus von R2 ist die Spiegelung an der Geraden {(x1 , x2 )|x1 = x2 }. I Sei n = 1. Eine (m × 1)-Matrix A ist durch einen Spaltenvektor w gegeben. Die entsprechende lineare Abbildung fA : R → Rm ist durch fA (t) = tw definiert. I Sei m = 1. Eine (1 × n)-Matrix A ist ein Zeilenvektor (a1 , a2 , ...., an ). Die entsprechende lineare Abbildung fA : Rn → R ist gegeben durch (x1 , ...., xn ) → a1 x1 + a2 x2 + ... + an xn . I Sei n = 2, m = 3. Seien w1 , w2 ∈ R3 zwei linear unabhängige Vektoren. Sei A die (3 × 2)-Matrix, mit Spaltenvektoren w1 , w2 . Dann ist fA : R2 → R3 die Abbildung (λ1 , λ2 ) → λ1 w1 + λ2 w2 . Das Bild von fA ist der von w1 , w2 aufgespannte Unterraum von R3 , also eine Ebene. Alexander Lytchak 8 / 12 Das Beispiel. Fortsetzung. Sei ein lineares Gleichungssystem Ax = b gegeben. Sei (A|b) die erweiterte Koeffizientenmatrix. Betrachte die entsprechende lineare Abbildung fA : Rn → Rm und fasse b als ein Element aus Rm auf. Die Menge L der Lösungen des Gleichnugssystems ist genau das Urbild fA−1 (b). Ist b = 0, so ist L genau der Kern von fA . Alexander Lytchak 9 / 12 Lineare Abbildungen und Basen Proposition Es sei f : V → W eine lineare Abbildung und (vi )i∈I eine Familie von Vektoren in V . Dann gilt span(f (vi )i∈I ) = f (span(vi )i∈I ). Folgerung Es sei f : V → W eine lineare Abbildung. Ist U ein endlich-dimensionaler Unterraum von V , so gilt dim(f (U)) ≤ dim(U). Ist V endlich-dimensional, so auch f (V ) und es gilt dim(f (V )) ≤ dim(V ). Proposition Es sei f : V → W eine lineare Abbildung. Sei (v1 , ..., vn ) eine Basis von V und sei wj = f (vj ) für alle i. Die Abbildung f ist surjektiv genau dann, wenn (w1 , ..., wn ) ein Erzeugendensystem von W ist. Die Abbildung f ist injektiv genau dann, wenn (w1 , ..., wn ) linear unabhängig sind. Die Abbildung f ist bijektiv genau dann, wenn (w1 , ..., wn ) eine Basis von W ist. Alexander Lytchak 10 / 12 Lineare Abbildungen und Basen (Fortsetzung) Proposition Es sei (v1 , ...., vn ) eine Basis des Vektorraumes V und W ein beliebiger Vektorraum. Seien w1 , ..., wn ∈ W beliebig. Dann existiert genau eine lineare Abbildung f : V → W , so dass f (vj ) = wj für 1 ≤ j ≤ n gilt. Mit anderen Worten: I Eine lineare Abbildung kann auf einer Basis beliebig definiert werden. I Jede solche Definition legt die lineare Abbildung eindeutig fest. Proposition Endlich-dimensionale Vektorräume V und W sind isomorph genau dann, wenn dim V = dim W . Folgerung Jeder reelle Vektorraum V der Dimension n ist isomorph zu Rn . Alexander Lytchak 11 / 12 Sei V ein reeller Vektorraum. Zu jeder Basis B = (v1 , ..., vn ) von V gibt es genau einen Isomorphismus ΦB : Rn → V mit ΦB (ej ) = vj für 1 ≤ i ≤ n. Wir nennen ΦB das zur Basis B gehörende Koordinatensystem. Die Umkehrabbildung Φ−1 B schickt einen Vektor v ∈ V auf das eindeutige n-Tupel reeller Zahlen (λ1 , ..., λn ), so dass v = λ1 v1 + ... + λn vn . Die Koeffizienten (λ1 , . . . , λn ) heißen die Koordinaten von v bezüglich der Basis B. Die Koordinaten von v ∈ V hängen von der Wahl der Basis B ab! Sei C = (w1 , ..., wn ) eine andere Basis von V . Hat v ∈ V , bezüglich B die Koordinaten (λ1 , ..., λn ) und bezüglich C die Koordinaten (µ1 , ..., µn ), so gilt ΦB ((λ1 , ...., λn )) = v = ΦC ((µ1 , ..., µn )). Folglich ist Φ−1 C ◦ ΦB ((λ1 , ...., λn )) = (µ1 , ..., µn ). n n Die Abbildung Φ−1 C ◦ ΦB ist ein linearer Isomorphismus R → R , der die Transformation der Koordinaten beschreibt. Die diesem Isomorphismus entsprechende (n × n)-Matrix hat als j-ten Spaltenvektoren die Koordinaten von vj bezüglich der Basis C. Sie heißt die Transformationsmatrix des Basiswechsels und wird mit TCB bezeichnet. Alexander Lytchak 12 / 12