Bd. 325 (1961) 287 Untersuchung des Mechanismus der Denaturierung und Renaturierung von löslichem Kollagen mit der Lichtstreuungsmethode Von Jürgen Engel Aus dem Max-Planck-Institut für Eiweiß- und Lederforschung, München (Der Schriftleitung zugegangen am 10. August 1961) Das native Monomere des löslichen Kollagens hat durch seine Struktur, eine aus drei Helices bestehenden Tripelhelix1, in Lösungen die Form eines verhältnismäßig starren Stäbchens mit einer Länge von etwa 3000 Ä, einem Durchmesser von etwa 14 A und einem Molekulargewicht von etwa 350000 (s. 1. c.2). Denaturier ung Bei der Wärmedenaturierung zerfällt der größte Teil der Moleküle in je eine a- und ^-Komponente vom Molekulargewicht 115000 ± 10% und 215000 ± 10%. Etwa jedes 13. Molekül denaturiert in eine sogenannte y-Komponente, die ungefähr das gleiche Molekulargewicht wie das native Molekül hat3. Die hohe Asymmetrie des nativen Moleküls ist jedoch völlig verlorengegangen und alle drei Komponenten liegen in Form fast kugelsymmetrischer, statistischer Knäuel vor. Doty und Nishihara 2 postulieren aus der etwa gleichschnellen Abnahme der optischen Drehung und der Viskositätszahl von sauer extrahiertem Kollagen in 0,15wi Cit/ratpuffer vom pH 3,7 bei 35° einen Einstufenprozeß für die Denaturierung, indem das Molekül gleichzeitig mit dem Zusammenbruch seiner Struktur in drei Komponenten zerfallen soll. Wir haben diese Annahme mit der Methode der Lichtstreuung geprüft, die uns an jedem Punkt der Kinetik sowohl das Gewichtsmittel des Molekulargewichts (abnehmend von 350000 bis 190000) wie auch in der Anfangsneigung der Winkelabhängigkeit (tg a) der Aufbragung nach Z im m 4 ein Maß für die Länge der Moleküle lieferte. Der tg nahm im Laufe einer Denaturierung von 9 · 10~e bis 0,5 · 10" ab. Wir fanden bei verschiedenen Temperaturen, daß das Achsenverhältnis der Moleküle immer viel rascher abnimmt als das Molekulargewicht. So ist z. B. bei 39° der tg bereits nach 5 Min. auf den Endwert gefallen. Das Gewichtsmittel des Molekulargewichtes beträgt nach 60 Min. noch 200000. Die Denaturierung ist demnach ein Zweistufenprozeß: 1. Das Molekül bricht zu einem Gebilde zusammen, welches sich wie ein statistisches Knäuel verhält, in dem die einzelnen Peptidketten aber noch irgendwie verbunden sind. 2. In einer zweiten, langsameren Reaktion zerfällt diese Zwischenstufe in die Komponenten. 1 A. Rieh u. F. H. C. Crick in G. Stainsby, Recent Advances in Gelatine and Glue Research, S. 20, Pergamon Press, London 1958. 2 P. Doty u. T. Nishihara, ebenda, S. 92. 3 W. Graßmann, K. Hannig u. J. Engel, diese Z. 324, 284 [1961]. 4 B. H. Zimm, J. ehem. Physics 16, 1093 [1948]. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:19 PM 288 Denaturierung und Renaturierung von löslichem Kollagen Bd. 325 (1961J Renaturierung Es ist bekannt, daß die optische Drehung6und die Viskosität denaturierter Lösungen in der Kälte langsam wieder ansteigen . Uns interessierte, ob sich dabei., wie von verschiedenen Autoren angenommen, wenigstens zu einem gewissen Prozentsatz native Moleküle zurückbilden. Wir konnten jedoch mit Hilfe der Lichtstreuung feststellen, daß ein Anteil von zumindest 95% nicht mehr in die ursprüngliche native Form übergeführt werden kann. Dafür sprechen folgende Punkte: 1. Der tg a, der selbst auf sehr wenige Teilchen hoher Asymmetrie sehr empfindlich ist, steigt nur wenig an. 2. Das Gewichtsmittel des Molekulargewichtes läuft nicht in einen konstanten Wert ein, der dem Molekulargewicht des nativen Materials gleich oder kleiner als dieses sein müßte, sondern wächst in Abhängigkeit von der Konzentration weit darüber hinaus. Ein analoges Verhalten zeigt die Viskosität. Daß sich diese durch die Staudinger-Gleichung [ ] = K · M01 mit ^ 0,8 mit dem Molekulargewicht verbinden läßt, bedeutet, daß die Moleküle während der Zunahme von Mw ihre Gestalt nicht wesentlich ändern. 3. Bei der Denaturierung von „renaturiertem" Material setzt die Abnahme der Viskositätszahl nicht wie beim nativen Material sehr scharf bei einer bestimmten Temperatur ein, sondern verläuft über einen Temperaturbereich von etwa 30° stetig. Diese Ergebnisse deuten ein mehr oder weniger statistisches Zusammenfinden der Einzelketten an, wobei die Zunahme der optischen Drehung anzeigt, daß teilweise die Helixkonfiguration zurückgebildet wird. Eventuell bilden sich sogar kurze Stücke der Tripelhelix zurück. Summary The heat denaturation of soluble Collagen and its "renaturation"5 were followed by the light diffraction method. Denaturation occurs in two stages. At least 95% of the product after "renaturation" is not identical with the original native collagen. Dr. Jürgen Engel, Max-Planck-Institut für Eiweiß- und Lederforschung, München 15, Schillerstr. 46. 6 W. F. Harrington u. P. fit. v. Hippel, Arch. Biochem. Biophysics 92, 109 [1961]. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 8:19 PM