Kalte Denaturierung

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Biophysik-Praktikum 27. März bis 7.April 2000
Kalte Denaturierung von
Myoglobin
Biophysik-Praktikum 1999
Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Zu dieser Versuchsanleitung
Diese Anleitung gliedert sich in zwei Teile, die unterschiedliche Wichtigkeit für Vor- und
Nachbereitung des Versuches haben.
Im ersten Teil werden der Hintergrund der Experimente, die Grundlagen der verwendeten
Meßtechniken und die Theorie der kalten Denaturierung beschrieben. Im zweiten Teil, dem
Anhang, befinden sich verschiedene Materialien, die zum Teil auch nur der freiwilligen Vertiefung dienen sollen.
Vorbereitung
Wichtig ist für die Vorbereitung der erste Teil der Anleitung ohne die Abschnitte „Theorie“
und „Kalte Denaturierung, was nun?“ Das sind sieben Seiten, die einfach zu lesen sein sollten.
Falls Wissen über Proteine fehlt, bietet sich im Anhang das sehr schönen Kapitel aus dem
Buch von Stryer an. Wenn die Augen müde werden, kann man sich das Stereo-Diagramm von
Myoglobin im Anhang anschauen (magic eye). Weitere Informationen über dieses Protein und
den theoretischen Hintergrund finden sich ebenfalls dort. Wir empfehlen: Einfach mal im Anhang blättern! Eine Übersicht findet sich auf Seite 13. Auf die Schnelle kann man sich sicherlich noch die kurze Notiz aus der FAZ über Myoglobin angucken.
Am Versuchstag
Am Versuchstag sollte auf jeden Fall ein Protokoll geschrieben werden, daß einem LaborbuchEintrag vergleichbar ist. Natürlich nehmen wir an, daß man im Hauptstudium selbst weiß, wie
so etwas geht, trotzdem noch ein paar Tips. Folgende Gliederung hat sich oft bewährt: Einleitung (zwei, drei Sätze, was man eigentlich will), Materialien und Methoden (Chemikalien
mit Hersteller und Molgewicht, wichtige Geräte mit Hersteller), Durchführung (Stichworte,
was man gemacht oder gerechnet hat, mit welchen Gerät und wie(lange), was passiert ist, Einwaagen, Volumen, Konzentrationen...), Resultate (Kurven und Daten, hier hilft ein Computer) und Diskussion (einige Sätze, die das Ergebnis zusammenfassen). Das ganze soll keine
Abhandlung sein, in der man zeigt, wieviel Geduld man beim Abschreiben aufbringen kann,
sondern eine wissenschaftliche Dokumentation des Experiments, die auch kurz nach dem Versuch fertig sein sollte. Ein letzter Tip ist das prelab: Schon vor dem eigentlichen Versuch kann
man die Einleitung schreiben und ein flowchart, auf dem die einzelnen Arbeitsschritte aufgeführt sind, was aber auf keinen Fall die Protokollierung der Durchführung ersetzen kann. Wie
gesagt, das soll keine pedantische Gängelei sein, sondern dazu dienen, daß jemand anderes und
vor allem man selbst auch später noch nachvollziehen kann, was am Versuchstag eigentlich
geschehen ist.
Last but not least: Viel Spaß bei der kalten Denaturierung!
Kontakt
Für Anregungen, Kritik und Fragen aller Art sind wir jederzeit gern erreichbar. Ihr findet uns
am MPI Turm II 1.OG Zimmer 110
Versuchsanleitung und
Peter Grabitz, [email protected], 201-1582
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Biophysik-Praktikum 1999
Betreuung beim Versuch
Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Vessalka Ivanova, [email protected], 201-1582
(Thomas Heimburg, [email protected], 201-1412)
Einleitung
Im Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“ wird eine thermotrope (d. h. durch Temperaturänderung ausgelöste) Strukturumwandlung des Proteins Myoglobin mit verschiedenen
Meßtechniken (Kalorimetrie, Viskosimetrie) untersucht.
Die Funktion von Proteinen, die unter anderem als Enzyme (Biokatalysatoren), Rezeptoren
(molekulare Schalter) oder Bauelemente eine Schlüsselrolle in Biochemie und Zellbiologie
spielen, hängt stark von ihrer dreidimensionale Struktur (Konformation) ab. Auf Proteine wird
hier nicht näher eingegangen werden, je nach Vorkenntnis und Interesse kann man sich darüber
im Anhang informieren.
Myoglobin selbst spielt eine Rolle bei der Sauerstoffversorgung von Muskeln, die aber noch
ungeklärt ist. Auch hierzu finden sich zum Teil sehr aktuelle Informationen im Anhang.
Man kann bei vielen Proteinen beobachten, daß diese bei hohen Temperaturen ihre Konformaton irreversibel ändern und ihre biologische Funktion verlieren (aus dem gekochten Ei schlüpft
kein Küken mehr, und wenn es kalt wird, wird es auch nicht wieder flüssig). Überraschenderweise zeigen manche Proteine ein ähnliches Verhalten bei Abkühlung: sie funktionieren nicht
mehr, gewinnen jedoch beim Erwärmen ihre ursprünglichen Eigenschaften wieder.
Mitte der 80er Jahre wurde dieses Phänomen als „kalte Denaturierung“ erkannt und erklärt. Es
handelt sich um eine reversible Konformationsänderung, die aus der Wärmekapazitätskurve der
„heißen“ Denaturierung vorhersagbar ist (Privalov, P. L., Griko, Yu. V., Venyaminov, S. Yu.,
and Kutyshenko, V. P. Cold denaturation of myoglobin. J. Mol. Biol., 190, 487, 1986.).
Bei diesem Experiment soll eine Lösung von Myoglobin in einem Puffer mit bestimmten pHWert angesetzt werden. Von dieser werden dann Wärmekapazitäts- und Viskositätskurven
aufgenommen. Aus den Ergebnissen können dann Rückschlüsse auf die Theorie gewonnen und
Eigenschaften des Proteins vor und nach der Umwandlung abgeleitet werden.
3
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Der hydrophobe Effekt
Literatur: Cantor, C. P. und P. R. Schimmel. Biophysical Chemistry. Bd I. New York: Freeman, 1980. S.
279ff.
Fast jeder kennt die Begriffe hydrophob und hydrophil, sei es aus der Schule oder dem Chemie-Kurs im ersten Semester. Aber was hat es genau damit auf sich, warum sind manche Substanzen wassermeidend oder wasserliebend?
Ein hydrophobes Verhalten zeigen unpolare Moleküle (z. B. Kohlenwasserstoffe), d. h. ein
Gemisch mit Wasser tendiert zur Phasentrennung. Umgekehrt ist es mit den polaren Stoffen
(z. B. Ethanol), die sich gut mit Wasser mischen. Genaugenommen sind es verschiedene Zustände, die das thermodynamische Gleichgewicht kennzeichnen, nämlich der Zustand der Mischung und der der Entmischung. Für eine noch genauere Betrachtung schaut man sich die Differenz der Gibbs’schen Enthalpien an (isobar-isothermes System):
∆ G : = G in Wasser − G polare
ung
geb
Um
= ∆H − T∆S
Was passiert nun, wenn man eine hydrophobe Substanz, z. B. Methan (CH4), von Benzol in
Wasser bringt? Man muß Arbeit aufwenden, denn ∆G ist positiv, da ja Methan unpolar ist
und die Mischung mit Wasser ungünstiger als die mit dem unpolaren Benzol. Um hinter den
Grund für dieses Verhalten zu kommen, werfen wir einen Blick auf die einzelnen Beiträge:
∆H =-2.8kcal/mol, ∆S =-18 cal/K/mol. Bei 25°C kommt man zu ∆G =+2.6kcal/mol. Das bedeutet, daß die Entropiedifferenz entscheidend ist!
Die Struktur von Wasser ist auch heute noch ein Thema intensiver Forschung. Wasser besteht
nicht einfach nur aus H2O-Molekülen, sondern aus Clustern unterschiedlicher Größe (Nahordnung), in denen jedes Molekül je eine Wasserstoff-Brückenbindung (hier O - - H) mit bis zu
vier anderen Molekülen eingeht. Anders als im Eis, in dem durch die Fernordnung die Positionen der Wasser-Moleküle genau festgelegt sind, gibt es im flüssigen Wasser, in dem etwa 15%
der Wasserstoffbrücken gebrochen sind, mehr Konfigurationen für das Ensemble: die Entropie
nimmt zu, ebenso die Enthalpie (weniger H-Brücken). Kommt nun ein unpolares Molekül
dazu, sind die möglichen Positionen der Wasser-Moleküle an der Grenzfläche zu diesem Molekül stark eingeschränkt. Es kommt zu einer lokalen Ausbildung einer geordneteren, Eisähnlichen Struktur. Die Anzahl der zugänglichen Konfigurationen mit möglichst vier Wasserstoff-Brücken nimmt ab und mit ihr die Entropie. Enthalpie hingegen wird abgegeben, da mehr
Wasserstoff-Brücken gebildet werden. Für das unpolare Molekül kostet die Lösung aus dem
Verband unpolarer Moleküle Enthalpie, da van-der-Waals-Wechselwirkungen verschwinden.
Der hydrophobe Effekt ist auch temperaturabhängig: die lokale Ausbildung einer Eis-ähnlichen
Hülle nimmt mit steigender Temperatur ab, die Verminderung der Entropie verschwindet
schließlich bei etwa 140°C. Damit gibt es auch keine Enthalpieverminderung, da die Ausbildung der Wasserstoffbrückenbindungen in der „Eis-Hülle“ wegfällt. Übrig bleibt nur noch die
Enthalpieerhöhung aufgrund der van-der-Waals-Wechselwirkungen zwischen unpolaren Molekülen.
4
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Denaturierung von Proteinen
Für die Funktion von Proteinen ist die dreidimensionale Struktur äußerst wichtig. Diese Konformation ist zwar durch die Abfolge der Aminosäuren schon festgelegt, hängt aber natürlich
auch von der jeweiligen chemischen Umgebung (Lösungsmittel, andere Moleküle wie Harnstoff1, Ionenstärke2, pH ...), Temperatur und Druck ab.
Die Konformation hoher Ordnung, die das Protein unter Bedingungen einnimmt, bei denen es
funktioniert, wird native Struktur genannt. Die Struktur gliedert sich dabei in Primärstruktur
(Abfolge der Aminosäuren), Sekundärstruktur (dreidimensionale Anordnung von Aminosäuren, die benachbart sind, α-Helix, β-Faltblatt), Tertiärstruktur (räumliche Anordnung weit
entfernter Aminosäuren zueinander) und Quartärstruktur (Anordnung verschiedener Untereinheiten zueinander, die nicht durch eine Peptidbindung verknüpft sind). Unter nativen Bedingungen ist diese ursprüngliche Struktur diejenige mit der geringsten Gibbs’schen Enthalpie.
Bei der Ausbildung der nativen Konformation spielen Wechselwirkungen zwischen Aminosäuren und zwischen Aminosäuren und Wasser eine große Rolle. Zwischen benachbarten oder
auch weit entfernten Aminosäuren bilden sich Wasserstoff-Brückenbindungen aus, die Aminosäure Cystin kann mit anderen Cystinen Disulfid-Brücken (-S-S-) hervorbringen und natürlich sind auch van-der-Waals-Bindungen wichtig. Die Reste der verschiedenen Aminosäuren
können hydrophob oder hydrophil sein. Dementsprechend tendieren diese Reste zum Kontakt
mit Wasser (also zu einer Position an der Grenzfläche von Protein und Wasser), während jene
günstiger im Inneren des Proteins unter ihresgleichen untergebracht werden (hydrophober Effekt).
Die native Konformation ist also eine geordnete Struktur, d. h. ihre Zerstörung hätte einerseits
eine ungünstige Enthalpie-Erhöhung (Aufbrechen von Bindungen) und andererseits eine günstige Entropie-Erhöhung zur Folge. Deshalb denaturiert eine solches Molekül bei hoher Temperatur, da der Entropie-Beitrag in der Gibbs’schen Enthalpie proportional zur Temperatur ist.3
Die dann auftretende räumliche Anordnung wird als random coil, als zufällige Wicklung bezeichnet. Denselben Effekt wie die Erhöhung der Temperatur kann auch eine Veränderung des
pH (Ionisierung der Aminosäuren-Reste), der Ionenstärke (Reichweite der elektrostatischen
Wechselwirkungen) oder der Harnstoff-Konzentration (wsh. Störung der nicht-kovalenten
Bindungen) haben.
Die native Konformation wird auch verändert, wenn ein Ligand (ein anderes Molekül, das in
eine Reaktion eingeht) an das Protein bindet und z. B. einen molekularen Schalter betätigt (und
damit vielleicht eine Immunreaktion auslöst oder einen Ionenkanal öffnet). Diese Konformationsänderung geht aber von einer geordneten zu einer anderen geordneten Struktur und ist für
die Funktion des Proteins wesentlich. Darum spricht man hier nicht von Denaturierung. Übrigens ist die Bezeichnung „Schlüssel-Schloß-Prinzip“ für solche Vorgänge insofern ungenau, als
sich herausgestellt hat, daß sowohl Ligand als auch empfangendes Protein beide ihre Struktur
1
2
CO(NH2)2
J : = 1 / 2 ∑ z i 2 ci , J: Ionenstärke, Summe über alle Ionen i, zi : Wertigkeit des Ions i, c i : Konzentration des
Ions i
3
unter der Annahme, daß die Entropie-Differenz temperaturunabhängig ist
5
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
ändern können. Man spricht deshalb auch vom fit-in-Prinzip, das man sich anschaulich als
Ineinander-Greifen von zwei Händen vorstellen kann.
Präparation der Probe
Literatur: Privalov, P. L. et al. (1986) J. Mol. Biol. 190. 487-98.
Puffer ansetzen
Puffer sind wäßrige Lösungen einer schwachen Säure und ihres Salzes, die den pH-Wert bei
Zugabe von Hydronium- oder Hydroxidionen (H3O+ , OH -) einigermaßen konstant halten. Näheres dazu findet man z. B. im Chemie-Lehrbuch von C. E. Mortimer (5. Aufl. Stuttgart:Thieme, 1987. S. 282f.) oder auch am Ende des Textes über Proteine im Anhang.
Hier kommt einer der einfachsten Puffer, nämlich ein Acetat-Puffer4 zum Einsatz. Dieser kann
wegen seiner geringen Protonierungs-Enthalpie5 den Wärme-Effekt der Ionisierung von Gruppen des Proteins nicht kompensieren. Obwohl deshalb eine Denaturierungs-Enthalpie gemessen wird, die geringer als die der Konformationsänderung ist, verwendet man Acetat-Puffer, da
die Temperatur der kalten Denaturierung von Myoglobin bei diesem Puffer höher liegt.
Für unseren Versuch werden 10ml Acetat-Puffer benötigt. Dazu wird eine 10mM-Lösung von
Acetat in bidestilliertem Wasser hergestellt. Der pH-Wert wird später eingestellt.
Myoglobin lösen
Verwendet wird Myoglobin, das aus Pferdeherzen gewonnen wurde. Es werden etwa 5ml mit
einer Konzentration von 10mg pro Milliliter Puffer angesetzt. Die genaue Molarität in mmol/l
wird ausgerechnet, da diese vom Auswertungs-Programm benötigt wird.
Einstellen des pH-Werts
Da Myoglobin selbst eine hohe Puffer-Kapazität hat, wird erst jetzt der pH-Wert eingestellt.
Dazu wird erst einmal das pH-Meter nach Anleitung des Betreuers kalibriert. Schließlich wird
durch vorsichtiges Dazugeben (Tropfen für Tropfen) von Salzsäure (HCl 1M)mit einer Pasteurpipette unter Rühren ein pH-Wert eingestellt, der vom Betreuer vorher angegeben wird.
Dabei ist darauf zu achten, daß die dünnwandige Glas-Elektrode nicht zerschlagen wird. Aus
Genauigkeitsgründen sollte die Lösung kurz ruhen, bevor man den endgültigen pH-Wert abließt.
Probe entgasen
Da es bei Temperaturerhöhung zur Bildung von Gasblasen in der Lösung kommen kann, wird
diese unter Rühren 10 Minuten lang entgast.
Damit ist die Päparation der Probe beendet.
4
5
Acetat: Salz der Essigsäure CH3COOH, z. B. Natriumacetat CH3COONa
Protonierung: Freisetzung eines Protons
6
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Kalorimetrie
Literatur: Plotnikov, V. V. et al. (1997) A new ultrasensitive scanning calorimeter. Analytical Biochemistry 250.
237-44.
Meßprinzip
Ein Kalorimeter dient dazu, Wärmekapazitätsprofile einer Substanz relativ zu einer Referenz
zu messen. Es besteht im wesentlichen aus zwei Zellen, einer für die Probe und einer für die
Referenz. Nun soll eine elektronische Regelung beide Zellen mit konstanter Rate erwärmen
oder abkühlen. Da die Proben in den Zellen unterschiedliche Wärmekapazitäten haben, muß bei
der einen Zelle mehr Leistung erbracht werden als bei der anderen. Diese Leistungsdifferenz
∆P wird aufgezeichnet. Das Integral von ∆P über ein Zeitintervall gibt dann die Wärme
∆Q an, die diesem Zeitintervall aufgenommen oder abgegeben wurde.
H
Für die Wärmekapazität bei konstantem Druck gilt: c P ( T ' ): =
T T = T ', p = const .
Mit dH = dQ - V dp gilt unter isobaren Bedingungen außerdem: dH = dQ. Deshalb ergibt sich
aus den aufgezeichneten Datenpunkten (Zeit t, Temperatur T, ∆P ) die Wärmekapazität als
1
∆ Q 2 (∆ Pi + ∆ Pi −1 )(t i − t i −1 )
c p ( Ti ) =
=
∆T
Ti − Ti −1
Das Kalorimeter Microcal VP-DSC
Das in diesem Versuch verwendete Kalorimeter ist eines der derzeit empfindlichsten DSC
(differential scanning calorimeter) auf dem Markt. Es zeichnet sich vor allem durch hohe Empfindlichkeit und eine äußerst stabile baseline aus, die es erlaubt, absolute Wärmekapazitätskurven zu ermitteln. Empfindlich ist es auch gegen Bedienungsfehler: So muß beim Befüllen der
Zellen sehr behutsam vorgegangen werden, um die Tantal-Zellen nicht zu beschädigen. Die
genaue Bedienung des Kalorimeters wird aber vom Betreuer am Versuchstag gezeigt. Näheres
zu den Leistungsmerkmalen dieses Gerätes findet sich in dem Artikel von Plotnikov et al.
Was wird nun gemessen?
Nach dem Entgasen werden Probe und Referenz vorsichtig in die jeweiligen Zellen eingefüllt.
Wie man dabei Gasblasen vermeidet und die richtige Menge einfüllt, wird der Betreuer zeigen.
Die Zellen werden dann verschlossen und langsam unter einen Druck von ca. 48psi6 gesetzt.
Nun sind nur noch die Scan-Parameter im Steuerprogramm einzutragen:
T Start / °C T End / °C Rate / K/h Prescan /min
2
85
60
15
85
2
60
15
Postscan / min Filter / sec
0
10
0
10
Feedback
HIGH
HIGH
Danach müssen noch ein Kommentar, die Konzentration in mM und ein aussagekräftiger filename eingegeben werden, der nur 7 Buchstaben lang sein darf und nicht auf „1“ oder „2“
enden sollte, da das Programm selbständig durchnumeriert. Das Kalorimeter liefert dann eine
Datei, in der die Rohdaten abgespeichert sind. Auf dem Steuer-Rechner ist das Programm Ori-
6
psi: pound-force per square inch. 1psi=6894.76Pa≈0.069atm, 1atm≈101300Pa≈14.5psi
7
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
gin for DSC installiert, so daß die Auswertung der Daten (Bestimmung der UmwandlungsEnthalpie und der -Temperaturen) wenig Aufwand erfordert.
Messung der Viskosität
Meßprinzip
Das Meßprinzip des verwendeten Viskosimeters zeigt die folgende Abbildung.
T
on
orsi
sfad
en
l
ege
Spi
Pen
lle
que
ht
Lic
p
oel
hot
ektr
isch
et
er D
ekto
r
del
Pro
dr
be
ar
ehb
er T
opf
Setzt man den Topf in Bewegung, wird über die Probe ein Drehmoment auf das Pendel ausgeübt, wodurch der Torsionsfaden eine Verdrillung erfährt. Dieses Drehmoment ist der Viskosität der Probe proportional („Newtonsche Flüssigkeit“). Ein am Torsionsfaden angebrachter
Spiegel reflektiert den einfallenden Lichtstrahl auf einen photoelektrischen Detektor und tastet
somit die Winkelposition des Fadens ab. Mit bekannter Torsionskonstante des Fadens und
gemessener Winkelposition kann das wirkende Drehmoment und somit die Viskosität bestimmt werden.
Im vorliegendem Fall wird das Viskosimeter an- und ausgeschaltet und die Differenz der Ausschläge bestimmt. Diese ist proportional zur Viskosität. Um auf eine genau Eichung zu verzichten, werden die Daten relativ zu Wasser gemessen.
Außer dem Einfüllen der zu messenden Substanz, wird das komplette Experiment vom PC
gesteuert. Das Einfüllen der Substanz findet bei hochgefahrenem Pendel statt. Die einzufüllende Menge sollte 800 µl nicht unterschreiten. Über den PC werden Temperaturbereich, Anund Ausschaltzeiten sowie Größe der Temperaturintervalle festgelegt. Die aufgenommenen
Daten werden automatisch in einem Textfile abgespeichert und liegen somit zur späteren Verarbeitung bereit.
Grober Ablauf der Viskositätsmessung
1. Vorbereitung des Viskosimeters (Reinigen, Vorkühlen, Pendel Zentrieren).
2. 800 µl der Probe bei hochgefahrenem Pendel in das Töpfchen füllen.
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3. Das Pendel in das Töpfchen senken und evtl. dabei auftretende Bläschen mit einer sauberen Nadel zerstechen.
4. Testmessung durchführen und Zentralität des Pendels genau beobachten.
5. Vorrichtung zum Schutz gegen Austrocknen der Probe anbringen.
6. Viskosimeter schließen und Parameter festlegen.
Viskosität und Gyrationsradius
Literatur: Cantor, C. P. und P. R. Schimmel. Biophysical Chemistry. 3 Bände. New York: Freeman, 1980.
Eine Möglichkeit, etwas über Makromoleküle zu erfahren, ist die Untersuchung der Viskosität.
Bei Polymeren kann man Schmelzen untersuchen, bei Proteinen ist meist die wäßrige Lösung
Gegenstand der Messung.
v
F= A
Die Viskosität ist definiert durch:
x
Dabei ist F die Kraft, die aufgewendet werden muß, um den Geschwindigkeits-Gradienten
aufrecht zu erhalten. A ist die Fläche der Flüssigkeit parallel zur Flußrichtung (Cantor und
Schimmel, Bd. 2, S. 643).
Wie ist es nun mit der Viskosität eines Proteins in Lösung? Zunächst hat das Lösungsmittel
(Wasser oder Puffer) selbst eine andere Viskosität als die Proteinlösung. Nun soll nur der Anteil [ ] der Viskosität betrachtet werden, der von den Proteinen herrührt.7
Bewegte Platte
Protein
Feste Platte der Fläche A
Wenn das Protein in einen Geschwindigkeits-Gradienten gerät, wird es sich drehend mit der
Strömung bewegen. Als einfaches Modell kann man sich das Protein als eine Kette von Kugeln
vorstellen, die jede durch Reibung mit der Strömung wechselwirken. Dadurch kommt es zu
einem Drehmoment, welches das Protein in Drehung versetzt. Gegen-Drehmomente enstehen
aus der Bewegung über den Geschwindigkeits-Gradienten, so daß es zu einem dynamischen
Gleichgewicht mit konstanter Winkelgeschwindigkeit kommt. Mit der Annahme, daß es keine
hydrodynamische Wechselwirkung zwischen den Kugeln gibt, kommt man auf die einfache
Beziehung (Cantor und Schimmel, Bd. 3, S. 1021ff.)
[ ]∝
7
Genauer:
[ ]: = lci→m0[(
−
0
)/
0
]
c ,
0
RG 2
: Viskosität des Lösungsmittels, c: Konzentration des Proteins.
(Cantor und Schimmel, Bd. 2, S. 648f.)
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Dabei ist R G der sogenannte Gyrationsradius, der den mittleren Abstand eines Monomers
1 n
2
R S ,i 2 .
(Kugel) vom Schwerpunkt R S des Proteins angibt, genauer R G : =
∑
n + 1 i=0
Der Gyrationsradius ist ein Maß für die Ausdehnung eines Proteins. Diese Größe
kann sich bei strukturellen Umwandlungen deutlich ändern, was als Anstieg oder Abfall der Viskosität meßbar ist.
10
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Theorie der kalten Denaturierung
Literatur: Privalov, P. L. Critcal Reviews in Biochemistry and Molecular Biology 25 (1990), 281-305.
Aus einfachen thermodynamischen Betrachtungen soll hier von der heißen Denaturierung ausgehend die kalte Denaturierung vorhergesagt werden.
Wärmekapazität
Man betrachte die heiße Denaturierung eines Proteins bzw. deren Wärmekapazitätsprofil.
∆DNCP
25
30
35
40
45
50
p
Tem
e
r [°
ratu55
C]
60
65
70
75
80
Die Wärmekapazität bei konstantem Druck p ist definiert als:
∆C p : =
∆H
T
wobei H für die Enthalpie steht. Die ab jetzt mit ∆ DN bezeichneten Größen geben die Differenz
zwischen nativem und denaturiertem Zustand des Proteins an ( ∆ DN X : = X D − X N , X: thermodynamische Observable, z. B. H, S, V...). Damit ist folgende Annahme verbunden: Das Protein
ist eine kooperative Einheit und kennt nur zwei Zustände, nativ und denaturiert. D. h. das
Protein wandelt sich ganz oder gar nicht um.
Es gelten dann:
T
∆ H ( T ) = H ( T ) − H ( T ) = ∆ H ( TG ) + ∫ ∆ DN C p dT
D
N
D
N
D
N
TG
∆ DN C p
∆ S ( T ) = S ( T ) − S ( T ) = ∆ S ( TG ) + ∫
dT
T
TG
T
D
N
D
N
D
N
für die Enthalpie H und die Entropie S. TG ist die Umwandlungstemperatur, also diejenige
Temperatur, an der der native und der denaturierte Zustand gleichberechtigt sind oder formaler
die Differenz der freien Enthalpie verschwindet:
11
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∆ DN G = ∆ DN H ( TG ) − TG ∆ DN S ( TG ) = 0 .
∆ DN H ( TG )
Daraus folgt sofort ∆ S ( TG ) =
, was wir gleich weiter unten brauchen werden.
TG
Im Folgenden werden wir folgende Näherung machen, die durch die experimentellen Ergebnisse
gerechtfertigt ist:
D
N
st
∆ DN C p = con .
Damit vereinfachen sich die obigen Beziehungen zu:
∆ DN H ( T ) = ∆ DN H ( TG ) − ( TG − T ) ∆ DN C p
∆ DN H ( TG )
T
∆ S (T ) =
− ln( G ) ∆ DN C p
TG
T
D
N
Es folgt:
∆DN G (T ) = ∆DN H (TG ) − (TG − T ) ∆DN C p −
T D
T
∆ N H (TG ) + T∆DN C P ln( G )
TG
T
Der Logarithmus wird entwickelt:
TG
T −T
T − T 1 TG − T
) = ln(1 + G
)= G
−
√ +...
T
T
T
2
T ↵
2
ln(
was geht, da die Temperatur T nah bei TG ist (Temperaturen in K). Nun wird eingesetzt und
ausgerechnet:
2
T 1 D
(TG − T )
∆DN G (T ) = ∆DN H (TG ) − ∆DN H (TG )
− ∆ N Cp
TG 2
T
An einem Umwandlungspunkt ist die Differenz der freien Enthalpie Null, so daß man den
rechten Teil der Gleichung Null setzt und nach T auflöst. Erstmal erhält man:
∆ H (TG )
D
N
TG − T
TG
∆DN C p (TG − T )
2
=
2
T
.
Als erste Lösung erhält man die triviale, nämlich T = TG . Weiter rechnet man aus:
2 ∆ N H (TG ) TG
'
' 2 ∆ N H ( TG )
'
2
= ' (TG − TG )? TG
= TG − TG TG ?
D
D
∆ N Cp
∆ N Cp
TG
D
D
TG' =
TG 2
2 ∆ N H (TG )
TG +
∆DN C p
D
12
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Die letzte Gleichung sagt aus, daß es noch eine weitere Lösung geben kann, falls der Unterschied der Wärmekapazität oder die Umwandlungsenthalpie nicht verschwinden. Diese liegt
bei dem hier betrachteten Wärmekapazitätsprofil bei einer kleineren Temperatur und wird deshalb als kalte Denaturierung bezeichnet.
Aus diesen Betrachtungen folgen aber noch mehr Aussagen, die genauer im Artikel von Privalov begründet sind. Die Stabilität des Proteins im nativen Zustand ist bei der Temperatur am
größten, an der die Entropien von nativem und denaturierten Zustand gleich sind und nur die
Enthalpie die Struktur stabilisiert. Auch die Wärmekapazitätskurve inklusive kalter Denaturierung kann berechnet werden.
Die folgende Kurve zeigt eine Schar solcher berechneter Wärmekapazitätskurven (aus Privalov
1990, 291). Diese wurden für unterschiedliche Stabilitäten, d. h. Umwandlungsenthalpien berechnet. Solch eine Veränderung der Stabilität kann z. B. durch einen veränderten pH-Wert
ausgelöst werden.
Wie man aus der letzten Gleichung sieht, ist die Temperatur der kalten Denaturierung für Proteine mit großem Wärmekapazitätsunterschied und kleiner Umwandlungsenthalpie am größten.
Myoglobin hat einen sehr großen Wert für ∆DN C p , und das ist auch der Grund, warum es in
diesem Versuch benutzt wird.
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Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
Kalte Denaturierung, was nun?
Literatur:Privalov, P. L. (1990) Biochemistry and Molecular Biology 25(4): 281-305.
Privalov, P. L. et al. (1986) Journal of Molecular Biology 190: 487-498.
Im Theorie-Abschnitt war zu sehen, wie man mit einfachen Annahmen (zwei Zustände, heiße
Denaturierung, Erhöhung der Wärmekapazität) auf Vorhersagen über die kalte Denaturierung
kommt. Doch was bedeuten diese Annahmen eigentlich und wie erklärt man sich die Umwandlungen?
Daß nur zwei Zustände in die Betrachtung eingehen, heißt, daß man das Protein als hochkooperative Einheit betrachtet. Es gibt also keine teilweise Umwandlung, die Denaturierung ist
ein „Alles-oder-Nichts-Prozeß“. Das kann auch experimentell gut durch die Bestimmung der
Umwandlungsenthalpie verifiziert werden. Die kann man nämlich auch unter Annahme eines
Zwei-Zustands-Modells als sogenannte van’t Hoff’sche Enthalpie aus der Gleichgewichtskonstanten ausrechnen:
ln K
∆H vH
=
2
T p
RT
Die Gleichgewichtskonstante K wiederum erhält man aus der Wärmekapazitätskurve (vgl. z.
B.: Mabrey, S. und J. M. Sturtevant. Methods in membrane biology 9. Plenum Press: New
York 1978. 237-74, insbesondere S. 240f.) Stimmen gemessene und berechnete Enthalpie überein, so ist die Annahme eines Übergangs zwischen nur zwei Zuständen gerechtfertigt. Natürlich ergibt sich diese Rechtfertigung schon aus der guten Übereinstimmung der Theorie der
kalten Denaturierung mit den experimentellen Resultaten.
Als nächstes stellt sich die Frage, warum die denaturierte Phase eine höhere Wärmekapazität
hat, also warum man zum Erwärmen des denaturierten Proteins mehr Enthalpie braucht. Dafür
ist das geordnete Wasser in der Nähe der unpolaren Gruppen verantwortlich. Es wird angenommen, daß dieses nach und nach bei Temperaturerhöhung schmilzt (eine geringere Ordnung
hat). Andere Erklärungen, wie zum Beispiel das graduelle Schmelzen des Proteins, haben sich
dagegen als nicht stichhaltig erwiesen (Privalov 1990, 299).
Wie kann man sich nun das gemessene cp-Profil erklären? Wenn man vom nativen Zustand
ausgeht und die Temperatur vermindert oder erhöht, ereignet sich die Denaturierung. Bei der
heißen Denaturierung muß jedoch Wärme aufgewandt werden, bei der kalten Denaturierung
wird hingegen Enthalpie frei, obwohl sich beide Male das native Protein in seine denaturierte
Form umwandelt. Bei der Denaturierung geht das Myoglobin-Molekül von der sehr kompakten gefalteten Struktur zur ausgedehnteren random-coil-Konformation über. Dabei werden
erstmal intramolekulare Bindungen aufgebrochen (das kostet Enthalpie) sowie dann mehr
Gruppen dem Wasser ausgesetzt. Einige der neu dem Wasser ausgesetzten Gruppen können
wiederum Wasserstoffbrückenbindungen eingehen oder ionisiert bzw. Teile von ihnen hydratisiert werden. Andere sind unpolar und zwingen das sie umgebende Wasser zu höherer Ordnung.
Zunächst würde man vermuten, daß die Ausbildung der denaturierten Phase generell eine Zunahme der Entropie bedeutet. Doch das gilt nur für die Entropie des Proteins. Für die Umwandlung ist aber die Entropie des gesamten Ensembles bestimmend, und da fehlt noch der
Anteil aus der Mischung mit dem Lösungsmittel („kratische“ Entropie).
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Biophysik-Praktikum 1999
Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
1500
Denaturiert
Nativ
1000
5
500
S
Nativ
0
0
Entropie
EnthalpieH
10
Denaturiert
N
-500 N
D
-1000
-5
D
-10
-1500
0
20
40
60
80
0
20
40
60
80
Temperatur [°C]
Temperatur [C°]
Die obige Abbildung zeigt Enthalpie und Entropie des nativen und des denaturierten Zustandes von Myoglobin. Es fällt auf, daß bei niedriger Temperatur die Entropie des denaturierten
Zustandes geringer als die des geordneten, nativen Zustandes ist. Dies ist eine Folge des hydrophoben Effektes, wie er in einem der vorhergehenden Abschnitte beschrieben worden war.
Bei hohen Temperaturen nimmt dieser Entropie-Anteil ab und der Entropiegewinn des entfalteten Proteins gewinnt die Oberhand. Die Enthalpie des denaturierten Zustandes ist bei geringen Temperaturen niedriger als die des nativen. Das ist ebenfalls auf die Hydratation der unpolaren Gruppen zurück zu führen. In der Eis-ähnlichen Struktur bilden sich vermehrt Wasserstoffbrücken aus, die die Enthalpie vermindern. Auch andere Wechselwirkungen von Aminoresiduen (intramolekulare Wechselwirkungen, Wasserstoffbrücken, Ionisierung) tragen zur
Entropieminderung bei. Dadurch ist bei tiefen Temperaturen durch den „hydrophoben“ Effekt
der denaturierte Zustand bevorzugt.
Bei hohen Temperaturen hat der denaturierte Zustand sowohl die höhere Entropie als auch die
höhere Enthalpie. Die höhere Enthalpie rührt jetzt von den aufgebrochenen intramolekularen
Bindungen des nativen Zustands her. Dieser Enthalpiebeitrag ist zwar unabhängig von der
Temperatur, doch wird er jetzt nicht mehr kompensiert von der Enthalpieminderung durch
Hydratation. Insgesamt wird wegen der höheren Entropie bei hohen Temperaturen ebenfalls
die denaturierte Phase angenommen.
Nur in einem Bereich dazwischen, in dem der Anteil der Wasser-Ordnung und der Anteil der
Entropiesteigerung des Proteins nicht zu groß sind, kann sich die native Struktur ausbilden, die
einzig durch die Enthalpieminderung wegen der intramolekularen Wechselwirkungen stabilisiert
ist.
Mit den Annahmen aus dem Theorie-Teil ergibt sich sofort die folgende Formalisierung. Dabei
wird der Einfachheit halber wieder angenommen, daß das Inkrement der Wärmekapazität un15
Biophysik-Praktikum 1999
Versuch „Kalte Denaturierung von Myoglobin“
abhängig von der Temperatur ist. Für die Gibb’sche Enthalpie gilt dann (s. auch TheorieAbschnitt):
∆DN G (T ) = ∆DN H (T ) − T∆DN S (T ) = ∆DN H (Tx ) − ∆DN C p (Tx − T )− T∆DN S (Tx ) + T∆DN C p ln(Tx / T )
wobei ab Tx (110-140°C) die einzelnen Aminosäuren nicht mehr mit Wasser wechselwirken
2
Tx
Tx − T
Tx − T 1 Tx − T
)=
−
√ +... :
(ideales Lösungsmittel). Oder mit ln( ) = ln(1 +
T
T
T
2 T ↵
(Tx − T )
1
∆ G (T ) = ∆ H (Tx ) − T∆ S (Tx ) − ∆DN C p
2
T
2
D
N
D
N
D
N
In dieser Gleichung ist nur der erste Term positiv, der für die Übergangsenthalpie in Abwesenheit von Solvatisierungs-Effekten durch Wasser steht. Diese Enthalpie kommt von dem temperaturunabhänigen Beitrag der van-der-Waals- und Wasserstoffbrücken-Bindungen, die die native, gefaltete Konformation stabilisieren. Der zweite Term ist negativ und steigt mit der Temperatur an. Er gibt die Erhöhung der Protein-Entropie bei der Denaturierung wieder. Am interessantesten aber ist der dritte Term. Dieser Teil der Gibbs’schen Enthalpie berücksichtigt den
Anteil der Wasser-Ordnung durch unpolare Gruppen an der Stabilisierung der nativen Proteinstrukur. Er ist negativ und sinkt mit steigender Temperatur, bis er bei Tx verschwindet. Bei
Temperaturen unterhalb Tx destabilisiert dieser Beitrag der Lösung die gefaltete Konformation.
Diese wird nur von den enthalpischen Anteilen stabilisiert, bis bei niedrigen Temperaturen dies
nicht mehr ausreicht und das Protein denaturiert. Ebenso entfaltet sich das Protein natürlich
auch bei hoher Temperatur, wenn der Anteil der Umwandlungsentropie immer größer wird.
Beim Myoglobin besteht die hydrophobe Wechselwirkung also aus der Kombination von vander-Waals-Wechselwirkungen, die die gefaltete Struktur stabilisieren und der Hydratation dieser Gruppen. Die van-der-Waals-Wechselwirkungen steuern einen großen positven EnthalpieTerm bei, während die Hydratation insgesamt durch eine negativen Teil der Gibbs’schen Enthalpie vertreten ist, der die Entfaltung bevorzugt.
Jetzt ist auch klar, warum bei dem einen Übergang von nativ nach ungefaltet Enthalpie frei
wird und beim anderen Wärme gebraucht wird. Denn bei der kalten Denaturierung vermindert
sich die gesamte Entropie, während bei der heißen Denaturierung diese zunimmt. Am Übergang, an dem die beiden Phasen ja die gleiche Gibbs’sche Enthalpie haben, gilt ∆H = T S, d.
h. an die Entropie-Änderungen sind automatisch Wärmeänderungen gekoppelt.
Es gibt auch noch eine ganz allgemeine Überlegung, warum vom nativen Zustand ausgehend bei
Temperaturabfall kein Peak nach oben in der Wärmekapazität auftritt. Implizit haben wir ja
angenommen, daß der Temperatur-Scan so langsam ist, daß wir uns quasi immer im thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Wenn man aber im Gleichgewicht die Temperatur etwas
senkt, so verschiebt sich das Gleichgewicht irgendeiner Reaktion natürlich zur exothermen
Seite, d. h. zu der, bei der weniger Wärme gebraucht bzw. mehr frei wird.
Übrigens: Ein Merkmal der kalten Denaturierung, das in unsere theoretischen Überlegungen
nicht eingeflossen ist, läßt sich vermutlich auch über die Temperaturabhängigkeit des hydrophoben Effekts erklären: die Reversibilität.
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