KARDIOFORUM 1 09 Aus der Klinik für die Praxis 2. Jahrgang Schwerpunkt Herz & Sport Aktuelle Bedeutung minimalinvasiver Strategien in der Herzchirurgie Die dicke linksventrikuläre Wand Nephroprotektion 50 Jahre implantierter Herzschrittmacher Anatomie als Kunst Meditext Dr. Antonic www.kardioforum.com Herausgeber: Prof. Dr. Michael Block Klinik Augustinum München Prof. Dr. Johannes Brachmann Klinikum Coburg Prof. Dr. Thomas Budde Alfried Krupp Krankenhaus, Essen Prof. Dr. Harald Darius Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin Prof. Dr. Bernd-Dieter Gonska St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe Prof. Dr. Dietrich Gulba Krankenhaus Düren Prof. Dr. Dieter Horstkotte Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen Prof. Dr. Matthias Leschke Klinikum Esslingen a. N. Prof. Dr. Wolfgang Motz Herzund Diabeteszentrum Mecklenburg-Vorpommern, Karlsburg Prof. Dr. Michael Oeff Städt. Klinikum Brandenburg, Brandenburg Prof. Dr. Ernst Vester Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf Editorial Prof. Dr. med. Herbert Löllgen Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. Bermesgasse 32 42897 Remscheid [email protected] Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Die Funktion von Herz- und Kreislauf ist für jede körperliche Aktivität ein zentrales Geschehen. Seit vielen Jahren werden Bewegung, körperliche Aktivität und Sport bei Prävention, Therapie und Rehabilitation eingesetzt, hier liegen umfangreiche evidenz-basierte Daten vor. Dabei geht es nicht primär um eine Lebensverlängerung durch körperliche Aktivität, sondern auch um eine verbesserte Lebensqualität, und dies vor allem im Alter. Den positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität bei kardiovaskulären Erkrankungen, metabolischen und zerebralen Veränderung steht ein Risiko im Breitensport und Leistungssport entgegen. Vor allem bei Wiedereinsteigern, Menschen mit mehreren Risikofaktoren und angeborenen oder familiär bedingten Krankheiten kann beim Sport ein Risiko auftreten. Die Forderung nach einer Vorsorgeuntersuchung betrifft somit alle körperlich aktiven Personen, aber auch solche, denen eine regelmäßige Aktivität vom Hausarzt angeraten wird. Die Vorsorgeuntersuchung erfolgt primär zur Gesundheitsvorsorge, also zur Erkennung möglicher Gefährdungen im Sport. Sie kann aber auch zur Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung erweitert werden. Obligat zur Vorsorgeuntersuchung gehören die Fremd- und Eigenanamnese. Diese kann durch eine Art Fragebogen vereinfacht und für den Arzt zeitlich entlastend erfolgen. Die körperliche Untersuchung ist immer obligat, das Herz muss im Liegen und Stehen abgehört werden. (Einzelheiten einer S1-Leitlinie zur Vorsorgeuntersuchung finden sich unter www.dgsp.de). Strittig ist die Durchführung eines Ruhe-EKG. Dieses wird wegen möglicher falsch positiver Ergebnisse in den USA nicht, in Europa dennoch empfohlen, in Deutschland ist es obligater Teil der Vorsorgeuntersuchung. Probleme sind dabei die Spezialkenntnisse des EGK beim Sportler. Hier sind eine Zusatzausbildung oder Beratung durch die DGSP hilfreich ([email protected]), die enge Zusammenarbeit mit einem sportkardiologisch versierten Arzt ist sinnvoll. Ziel der Vorsorgeuntersuchung ist somit die Früherkennung einer Gefährdung durch strukturelle Herzerkrankungen oder „elektrische“ Störungen wie Jonen-Kanal-Erkrankungen oder ähnliche Veränderungen. Bei über 35jährigen steht aber die koronare Herzkrankheit als Gefährdung weit im Vordergrund. Die Durchführung eines Belastungs-EKG gehört nicht zu den obligaten Verfahren, wird aber, auch bei beschwerdefreien Personen über 50 Jahren, vor Beginn eines intensiven körperlichen Trainings empfohlen. Liegt mehr als ein Risikofaktor vor, sollte ein Belastungs-EKG immer erfolgen. Die Leitlinien der DGK, und DGSP (www.dgsp.de) sind zu beachten, vor allem aber die aktuellen Empfehlungen aus der Literatur und der amerikanischen Herzgesellschaft (2007). Bei Leistungssportlern erfolgt die Vorsorgeuntersuchung in der Regel als Kaderuntersuchung zu Lasten der Sportorganisationen. Breitensportler müssen diese Untersuchung selber bezahlen, die Kosten liegen etwa im Bereich guter Laufschuhe. Als Defizit in Deutschland sind fehlende prospektive Analysen kardialer Zwischenfälle im Sport, sei es bei Fußballspielen oder Marathonläufen. Solche Register sind in USA vorhanden und erlauben eine wesentlich bessere Erfassung der Häufigkeit und Ursachen. Hier bestehen Bemühungen, ein solches Register in Deutschland aufzubauen, jedoch fehlt es noch an Kooperationspartnern. Herbert Löllgen Inhalt 4 Herzklappenfehler und Sport: Wer darf was? 8 Sport und ICD 10 Stellenwert der Spiroergometrie in der Leistungsdiagnostik von Breiten- und Spitzensportlern 12 Leistungsentwicklung im Handball 13 „Sport mit Herz“ – Sportscreening in Ostwestfalen-Lippe (OWL) 15 Safety Arena: Medizinische Versorgung von Zuschauern bei sportlichen Großereignissen 16 Die EKG-Kolumne 18 Pulmonalvenenisolation als primärer Therapieschritt bei einem Sportler mit paroxysmalem tachykarden Vorhofflimmern 20 Die Bedeutung körperlichen Trainings bei Patienten mit Herzinsuffizienz 22 Tradition, Innovation und Fortschritt – Gespräch mit Prof. Dr. Jan Gummert 24 Aktuelle Bedeutung minimalinvasiver Strategien in der Herzchirurgie 28 Die „dicke linksventrikuläre Wand“ – Trainingseffekt oder Kardiomyopathie? 32 Kardiologie in Düren: Dietrich C. Gulba – Leidenschaft für das Herz 36 Herz und Diabetes aus der Sicht der Rehabilitation 38 Hypertrophe Kardiomyopathie – könnte es Morbus Fabry sein? 40 Nephroprotektion 44 Somnologische Notizen 46 Praxishomepage richtig gestalten – Abmahngefahr bannen 48 Der implantierte Herzschrittmacher ist 50 52 Anatomie als Kunst Impressum Chefredaktion: Werner Waldmann MA, Marion Zerbst Tel.: 07 11/7 65 64 94, Fax: 07 11/7 65 65 90; diese Angaben genau dem Wissensstand bei Drucklegung der Zeitschrift entsprechen. Herausgeber: Redaktion: Dr. med. Mihovil Antonic, Dr. J. Roxanne Dossak, ISDN (Leonardo): 07 11/7 67 89 15 Dennoch sollte jeder Benutzer die Beipackzettel der verwendeten Medikamente selbst Prof. Dr. Michael Block (Klinik Augustinum, München) Anne Greveling, Simone Harland, Dr. Werner Kafka, Andrew Leslie Prof. Dr. Johannes Brachmann (Klinikum Coburg, Coburg) Layout: Ursula Pieper KARDIOFORUM erscheint viermal im Jahr. Das Magazin kann zum Preis von Euro 32 Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Prof. Dr. Thomas Budde (Alfried Krupp Krankenhaus, Essen) Herstellung: Elke Werner, Karolina Stuhec-Meglic zzgl. Versandkosten pro Jahr (vier Ausgaben) im Abonnement bezogen werden. Zeitschrift abweicht. Leser außerhalb der Bundesrepublik Deutschland müssen sich nach Prof. Dr. Harald Darius (Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin) Verlagsleitung: Dr. Magda Antonic Das Magazin und alle in ihm enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. den Vorschriften der für sie zuständigen Behörden richten. Jede Dosierung oder Applika- Prof. Dr. Bernd-Dieter Gonska (St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe) Fotos: Cover: Maximilian Lohse/pixelio; S. 1: Löllgen; S. 4/5: Darren Whittingham/ Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung tion erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Prof. Dr. Dietrich Gulba (Krankenhaus Düren) Fotolia.com; S. 8: BIOTRONIK; S. 9: St. Jude Medical; S. 11, 22, 23, 26, 27 oben: HDZ von MediText strafbar. Die Redaktion behält sich die Bearbeitung von Beiträgen vor. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) müssen nicht besonders kenntlich gemacht Prof. Dr. Dieter Horstkotte (Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen) NRW; S. 25, 27 unten: Jens Geiling, Jena; S. 35: Krankenhaus Düren; S. 47: Broglie; Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Abbildungen wird keine Haftung sein. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es Prof. Dr. Matthias Leschke (Klinikum Esslingen, Esslingen a. N.) S. 50 rechts, 51: Medtronic; S. 52/53, 54: Alexander Koller; übernommen. Mit Namen gezeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers wieder. sich um einen freien Warennamen handelt. Prof. Dr. Wolfgang Motz (Herz- und Diabeteszentrum Alle anderen Abbildungen: MediText Dr. Antonic Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Esslingen a. N. Mecklenburg-Vorpommern, Karlsburg) Druck: Kohlhammer Druckerei GmbH + Co., Stuttgart Wichtiger Hinweis: Medizin als Wissenschaft ist ständig im Fluss. Soweit in dieser Prof. Dr. Michael Oeff (Städt. Klinikum Brandenburg, Brandenburg) Verlag: MediText Dr. Antonic; Hagäckerstraße 4; D-73760 Ostfildern Zeitschrift eine Applikation oder Dosierung angegeben ist, darf der Leser zwar darauf Prof. Dr. Ernst Vester (Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf) E-Mail: [email protected] vertrauen, dass Autor, Redaktion und Verlag größte Mühe darauf verwandt haben, dass 2 Kardioforum 1 | 2009 prüfen, um in eigener Verantwortung festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für ISSN: 1866-1408 Kardioforum 1 | 2009 3 Herzklappenfehler und Sport: Wer darf was? Dieter Horstkotte, Cornelia Piper, Klaus-Peter Mellwig Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte [email protected] PD Dr. med. Cornelia Piper [email protected] Dr. med. Klaus-Peter Mellwig [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen 4 Kardioforum 1 | 2009 eratungen über empfehlenswerte körperliche Belastungen und zumutbare sportliche Aktivitäten bei Patienten mit Herzklappenfehlern erfordern eine individuelle Beurteilung der Art und Schwere des Klappenfehlers, der myokardialen Adaptation an die chronische Druck- und/oder Volumenbelastung und eine kritische Beurteilung der Art der Belastung. Für den letzten Aspekt sind relevante körperliche Betätigungen/Sportarten nach dem Ausmaß ihres dynamischen (Klasse A, B oder C) bzw. statischen Anteils (Klasse I, II, III) kategorisiert worden, so dass sich neun Belastungsgruppen ergeben (Tabelle 1). Die nachfolgenden Empfehlungen der B sportkardiologischen Abteilung des Herz- und Diabeteszentrums NRW haben Niederschlag in den Empfehlungen der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft gefunden (vgl. European Journal of Cardiovascular Prevention and Rehabilitation 2008;15:95–103). Im Folgenden soll auf die drei für Deutschland wichtigsten erworbenen Herzklappenfehler, die Aortenstenose (AS), die Aorteninsuffizienz und die Mitralinsuffizienz, fokussiert werden. Bei der inzwischen sehr selten gewordenen Mitralstenose ergibt sich die Limitierung der körperlichen Leistungsfähigkeit in aller Regel über die belastungsassoziierte Dyspnoe. Patienten mit Mitralstenose ist unbedingt zu empfehlen, beim Auftreten von Luftnot die Belastung zu beenden. Aortenstenose Die um den transaortalen Gradienten erhöhte linksventrikuläre Druckbelastung wird bei der AS durch die konzentrische Hypertrophie des linksventrikulären Myokards kompensiert: Durch Zunahme der Muskelmasse und Abnahme des Radius des linken Ventrikels bleibt die Wandspannung trotz Anstiegs des intrakavitären Drucks konstant (myokardiale Adaptation). Das durch die Kavumverkleinerung abnehmende enddiastolische Volumen wird durch Kontraktilitätssteigerung wettgemacht, sodass das Schlagvolumen konstant bleibt. Die linksventrikuläre Hypertrophie mit konsekutiver Vermehrung auch des Kollagens resultiert aber früh in einer Störung der diastolischen LV-Funktion mit Anstieg des Pulmonalarteriendrucks und kann so zu Luftnot führen. Die myokardiale Maladaptation an die Druckbelastung ist zunächst charakterisiert durch Verlust der linksventrikulären Kontraktilitätsreserve (kein Anstieg der Ejektionsfraktion [EF] unter dynamischer Belastung), später durch Zunahme der linksventrikulären Diameter („exzentrische Hypertrophie“) und schließlich durch reduzierte EF auch unter Ruhebedingungen. Die patientenseitige Angabe, asymptomatisch zu sein, ist vor der Beratung über zumutbare körperliche Belastungen in jedem Fall zu objektivieren. Dies gelingt in Ergänzung zu EKG und Echokardiographie am zuverlässigsten mittels Spiroergometrie. Die Schwere der AS wird über die Klappenöffnungsfläche (KÖF), nicht über den schlagvolumenabhängigen Druckverlust („Gradient“) erfasst. Eine KÖF >2,5 cm² charakterisiert eine triviale, eine KÖF >1,5 cm² eine leichte, KÖF >1,0 cm² eine mittelgradige und KÖF <1,0 cm² eine schwere AS. Folgende Belastungen können empfohlen werden: • Asymptomatische Patienten mit trivialer AS, normaler Kontraktilitätsreserve und kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit in der Spiroergometrie (Weber-Klasse A) entwickeln auch unter höhergradiger Belastung keine signifikanten Druckgradienten. Meist handelt es sich hier um junge Patienten mit angeboren bikuspider Aortenklappe. Auch Wettkampfsport muss diesen Patienten nicht verboten werden. Sportkardiologische Untersuchungen bei Wettkampfsportlern sollten alle 6 Monate erfolgen, bei Freizeitsportlern alle 12 Monate. • Asymptomatische Patienten mit leichter AS, normaler Kontraktilitätsreserve und Weber-A-Ergebnissen in der Spiroergometrie (CPX) sollten nur dynamische sportliche Aktivitäten der Klassen A und B bzw. statische Belastungen der Klassen I und II absolvieren. • Asymptomatische Patienten mit mittelgradiger AS und normaler Kontraktilitätsreserve/kardiopulmonaler Leistungsfähigkeit sollten ihre Belastungen auf dynamische Belastungen der Klasse A und statische Belastungen der Klasse I beschränken. • Ohne sportkardiologische Abklärung ist folgenden Patienten keine sportliche Betätigung zu empfehlen: Patienten mit mittelgradiger Aortenstenose und Symptomen (Synkopen, Schwindel, Palpitationen, Angina pectoris) oder Kammerendteilveränderungen in den linkspräkordialen Brustwandableitungen, CPX-Ergebnissen mit einer Weber-Klasse schlechter als A sowie Patienten mit erheblicher linksventrikulärer Hypertrophie (Wanddicken >15 mm). • Ein Sportverbot muss für Patienten mit hochgradiger Aortenstenose und/oder mittelgradiger Aortenstenose, aber erschöpfter Kontraktilitätsreserve bzw. schon in Ruhe eingeschränkter Auswurfleistung ausgesprochen werden. In diesen Fällen ist die Indikation zum Klappenersatz gegeben oder der optimale Interventionszeitpunkt Kardioforum 1 | 2009 5 Tabelle 1: Klassifikation sportlicher Belastungen dynamisch niedrig (A) mittel (B) hoch (C) Bowling/Kegeln Golf Nordic Walking Wandern Tischtennis Tennis (Doppel) Volleyball Badminton Ski-Langlauf Langstreckenlauf mittel (II) Auto-/Motorradrennen Tauchen Reiten Segeln Gymnastik Karate/Judo Hometrainer/Steppen Leichtathletik (Sprinten/Springen) Fahrrad, Wandern Lauf (Mittel-/Langstrecke) Schwimmen Basketball Fußball Handball Hockey Tennis (Einzel) hoch (III) Wasserski Windsurfen Leichtathletik (Wurfsportarten) Bodybuilding Ski-Abfahrt Snowboard Fahrradfahren (Rennen) Kanufahren Rudern statisch niedrig (I) bereits verpasst, sodass eine rasche fachkardiologische Untersuchung zwingend ist. Bei Patienten mit erfolgreichem Klappenersatz ist zu berücksichtigen, dass durch rasche, meist in den ersten sechs Kalendermonaten abgeschlossene Hypertrophieregressionen und sehr viel langsamer ablaufende Regression der intrakardialen Fibrose in aller Regel eine nicht unerhebliche Zunahme der myokardialen Steifigkeit und damit der diastolischen Dysfunktion auftritt. Es kann deshalb durchaus sein, dass präoperativ asymptomatische Patienten nach der Operation symptomatisch werden oder symptomatische Patienten über eine Aggravierung ihrer Symptome berichten. Vor der Beratung über zumutbare körperliche Belastungen ist deshalb in jedem individuellen Fall eine Reevaluation mit Durchführung eines EKGs, eines Langzeit-EKGs und einer Echokardiographie, ggf. auch einer Stress-Echokardiographie erforderlich. Aorteninsuffizienz Die Aorteninsuffizienz (AI) resultiert in einer Volumenbelastung des linken Ventrikels mit Zunahme des enddiastolischen Volumens und der linksventrikulären Muskelmasse. Die LV-Wandspannung ist erhöht. Ist die AI hämodynamisch kompensiert, sind effektives Schlagvolumen und Herzminutenvolumen in Ruhe normal und unter 6 Kardioforum 1 | 2009 Belastung normal steigerbar (erhaltene Kontraktilitätsreserve). Das totale linksventrikuläre Schlagvolumen ist um die Regurgitationsfraktion erhöht, sodass eine hohe Blutdruckamplitude (erhöhter systolischer, erniedrigter diastolischer Blutdruck) bei normalen mittleren Blutdruckwerten resultiert. Folgende Empfehlungen können ausgesprochen werden: • Patienten mit Aorteninsuffizienz und normalem enddiastolischem Durchmesser, erhaltener Kontraktilitätsreserve (Anstieg der linksventrikulären Ejektionsfraktion unter Belastung um mindestens 5% des Ausgangswertes bei einer Ruhe-EF von mindestens 60%) sollten nicht gehindert werden, sportliche Aktivitäten jedweder Art (vgl. Tabelle 1) zu betreiben, da in diesen Fällen das geringe Regurgitationsvolumen allein durch Steigerung der Ejektionsfraktion (Mobilisation des Reserveblutes) kompensiert wird. • Asymptomatischen Patienten mit mittelgradiger Aorteninsuffizienz, aber erhaltener Kontraktilitätsreserve und normalen Leistungsparametern während Spiroergometrie kann eine dynamische Belastung der Gruppe A und eine statische Belastung der Gruppe I empfohlen werden. • Für alle anderen Patientengruppen mit Aorteninsuffizienz sowie für Patienten mit leichter Aorteninsuffizienz und unter Punkt 1 genannte Patienten, die eine Dilatation der aszendierenden Aorta >50 mm aufweisen, ist Wettkampfsport nicht zu empfehlen und gelegentlicher Freizeitsport (bis 20 Minuten pro Tag) auf die Belastungsarten A/I zu beschränken. Mitralinsuffizienz Die Pathophysiologie der Mitralinsuffizienz ist gekennzeichnet durch hohe Nachlast und niedrige linksventrikuläre Impedanz. Die niedrige linksventrikuläre Impedanz (Gesamtwiderstand, gegen den der linke Ventrikel Volumen fördert) ergibt sich aus der Regurgitation in den in aller Regel vergrößerten linken Vorhof gegen sehr geringen Widerstand zu einem Zeitpunkt, da die Aortenklappe noch geschlossen ist (eigentliche isovolumetrische Kontraktionsphase). Dadurch kann sich der linke Ventrikel eines großen Teils seines erhöhten enddiastolischen Volumens praktisch ohne Kraftaufwendung entledigen. Erst nach Öffnen der Aortenklappe fördert der Ventrikel Volumen auch gegen Systemwiderstand. Das um die Regurgitationsfraktion geminderte antegrade Auswurfvolumen resultiert in einem relativen Volumenmangel mit reflektorischer Erhöhung des periphervaskulären Widerstands zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutdrucks. Aufgrund der Impedanzverhältnisse und des hohen Regurgitationsvolumens in den linken Vorhof sind bildgebende Verfahren grundsätzlich ungeeignet, um die Kontraktilität des linken Ventrikels zu beurteilen. Eine normale oder sogar erhöhte linksventrikuläre Ejektionsfraktion ist bei der Mitralinsuffizienz nicht gleichzusetzen mit einer erhaltenen linksventrikulären Kontraktilität! Es ist deshalb nicht nur zur Beurteilung zumutbarer körperlicher Belastungen, sondern auch zur Beurteilung der Interventionsindikation unerlässlich, Belastungsuntersuchungen durchzuführen. Dabei ist festzustellen, ob die Kontraktilitätsreserve normal ist. Kein Anstieg der linksventrikulären Kontraktilität (gemessen an der Ejektionsfraktion) um wenigstens 10% des Ausgangswertes zeigt eine Maladaptation des linksventrikulären Myokards an die chronische Volumenbelastung an. Folgende Empfehlungen können ausgesprochen werden: • Patienten mit leichter oder mittelgradiger Mitralinsuffizienz, erhaltenem Sinusrhythmus und erhaltener linksventrikulärer Kontraktilitätsreserve können jegliche sportliche Aktivitäten auch unter Wettkampfbedingungen betreiben, wenn die spiroergometrisch bestimmte kardiopulmonale Leistungsfähigkeit normale Befunde ergibt. • Patienten mit leichtgradiger oder mittelgradiger Mitralinsuffizienz im Sinusrhythmus können sportliche Aktivitäten betreiben, solange der linke Ventrikel nur eine moderate Dilatation (LVEDD <60 mm) aufweist und die linksventrikuläre Kontraktilitätsreserve normal ist (Anstieg der Ejektionsfraktion um 10% unter Belastung). Die Belastungsarten sollten auf dynamische Belastungen (Klasse A und B) sowie statische Belastungen (Klasse I und II) beschränkt werden. Bei Patienten, die Leistungssport betreiben, ist eine Reevaluation alle 6 Monate, bei Hobbysportlern alle 12 Monate anzuraten. • Für Patienten mit leichtgradiger oder mittelgradiger Mitralinsuffizienz, einem linksventrikulären enddiastolischen Durchmesser >60 mm und erschöpfter kardialer Kontraktilitätsreserve sind körperliche Belastungen nicht zu empfehlen. Bei diesen Patienten ist prinzipiell die Operationsindikation gegeben oder der optimale Interventionszeitpunkt bereits verpasst, sodass eine fachkardiologische Untersuchung dringlich angezeigt ist. • Bei schwerer Mitralinsuffizienz (Regurgitationsvolumen >50% des totalen linksventrikulären Schlagvolumens) ist aus prognostischen Gründen ebenfalls die Operationsindikation gegeben, auch wenn die Patienten asymptomatisch sind und eine erhaltene Kontraktilitätsreserve aufweisen. Patienten vor oder nach einer Klappenintervention, die einer Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten bedürfen (z. B. wegen konkomitierenden Vorhofflimmerns), sollten Sportarten mit erhöhter Verletzungsgefahr meiden. Kardioforum 1 | 2009 7 oder Hautperforation vorzubeugen, sollten Sportarten mit Körperkontakt vermieden werden. Von Sportarten, die extreme Armbewegungen erfordern (Volleyball, Basketball, Tennis, Klettern, Golf), ist abzuraten. Zu berücksichtigen ist die Verletzungsgefahr des Patienten und die Gefährdung der Umgebung beim Auftreten von Rhythmusstörungen verbunden mit Bewusstlosigkeit. Insgesamt treten Verletzungen selten auf, sind aber nicht zu vernachlässigen. Wie verhält sich der ICD bei maximaler körperlicher Belastung? Sport und ICD Klaus-Peter Mellwig, Dieter Horstkotte, Hein Heidbuchel ann ein ICD-Träger Sport treiben? Um diese Frage zu beantworten, muss primär geklärt werden, um welchen Sportler es sich handelt. Gelten die Empfehlungen für einen Wettkampfsportler, sei es für einen Profi- oder Freizeitsportler (1)? Ist einem Patienten nach ICD-Implantation in der Rehabilitationsphase angeraten, sich sportlich zu betätigen? Aktuelle Empfehlungen und entsprechende Einschränkungen beziehen sich auf zugrunde liegende Herzerkrankungen bzw. so genannte Kanalerkrankungen (2). Schrittmacherträger können alle Sportarten mit geringer bis moderater kardiovaskulärer Belastung ausüben. ICD-Trägern wird empfohlen, nur Sportarten mit niedriger dynamischer und statischer Belastung (Golf, Billard, Bowling) wettkampfmäßig zu betreiben. Freizeit- K Korrespondenzadresse: Dr. med. Klaus-Peter Mellwig [email protected] Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Hein Heidbüchel, MD, PhD Department of Cardiology University Hospital Gasthuisberg University of Leuven Herestraat 49 B-3000 Leuven [email protected] 8 Kardioforum 1 | 2009 sportler können sich in Sportarten mit niedriger bis moderater kardiovaskulärer Belastung betätigen. Diese Empfehlungen basieren auf Expertenmeinungen. Umfassende Daten für die empfohlene Vorgehensweise existieren nicht. Wie sieht die Realität aus? 55% der amerikanischen Elektrophysiologen erlauben die Teilnahme am Wettkampfsport. Ihre Entscheidung ist jedoch abhängig von der zugrunde liegenden Herzerkrankung und nicht von dem Vorhandensein eines ICDs. Für den ICD gibt es keine krankheitsspezifische Empfehlung (2). Worauf müssen ICD-Träger achten? Um Elektrodenbruch, ICD-Dysfunktion stufen, entwickeln begründete Angstzustände und Aversionen. Durch Triggerung von malignen Rhythmusstörungen sind die Schocks als potenziell lebensbedrohlich zu werten. 2-Kammer-ICD Das 2-Kammer-System beugt spontanen oder induzierten Bradykardien vor. Bezüglich inadäquater ICD-Therapie bestehen zwischen DDD- und VVI-Modus keine signifikanten Unterschiede. Zu berücksichtigen ist das erhöhte Risiko von Komplikationen, die durch Schrittmacherkabel hervorgerufen werden. Dies ist besonders bei jungen Athleten in Erwägung zu ziehen. Blindes Vertrauen in den ICD ist nicht angesagt. Das System ist zwar sehr effektiv, aber nicht „idiotensicher“, da die Zuverlässigkeit unter intensiver körperlicher Belastung nicht bewiesen ist. Zu berücksichtigen sind metabolische Veränderungen, das Auftreten von kardialen Ischämien, Hydratationszustand und Katecholaminanstieg. Die Prognose bei erforderlicher Reanimation scheint eher ungünstig zu sein. Insgesamt ist zu beachten, dass bei sportlichen Aktivitäten das relative Risiko des plötzlichen Herztodes um das 2,8-Fache erhöht ist. Literatur (1) Pelliccia A et al. Recommendations for competitive sports participation in athletes with cardiovascular disease: a consensus document from the Study Group of Sports Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2005;26:1422–45 (2) Heidbuchel H et al. Recommendations for participation in leisuretime physical activity and competitive sports of patients with arrhythmias and potentially arrhythmogenic conditions. Part II: ventricular arrhythmias, channelopathies and implantable defibrillators. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2006;13:676–86 Zweikammer-ICD (implantierbarer Defibrillator) Effekte des Sports Nicht-wettkampfmäßiger Sport bewirkt physisches und psychisches Wohlbefinden. ICD-Träger haben große Vorbehalte gegenüber sportlichen Aktivitäten, obwohl gerade diese Patientengruppe körperlich durch den Anstieg der VO2max profitieren kann. Freizeitsportliche Aktivitäten sind 6 Wochen nach Implantation bzw. nach Intervention erlaubt (2). Zu berücksichtigen sind jedoch inadäquate Schocks. Die Häufigkeit liegt bei 욷10% (16–44%). Die Ursachen sind häufig supraventrikuläre Arrhythmien, extrinsische (Kabeldefekte, Geräteschrauben, magnetische Interferenzen) oder intrinsische Ereignisse (T-WellenOversensing). Diese Schocks sind als bedeutsame Schmerzereignisse einzu- Zukunftsperspektiven Aktuell ist die Datenlage unzureichend, um sporttreibenden ICD-Trägern Empfehlungen zu geben, welche Sportarten geeignet sind und mit welcher Intensität Sport betrieben werden darf. Um dies zu ändern, ist im Jahr 2008 ein Register initiiert worden (R. Lampert, H. Heidbuchel). Primär soll geklärt werden, ob die Inzidenz von bedeutsamen Nebeneffekten der ICD-Therapie beim Sport (wie tachyarrhythmogener Tod, Verletzung durch arrhythmogene Synkope oder Schockabgabe) unter 1% innerhalb von 2 Jahren liegt. Derzeit wird den ICD-Trägern empfohlen, keinen Leistungssport zu treiben. Kardioforum 1 | 2009 9 Stellenwert der Spiroergometrie in der Leistungsdiagnostik von Breiten- und Spitzensportlern Abb. 1: Die spiroergometrische Leistungsdiagnostik im Herzund Diabeteszentrum NRW Constanze Beller as effektive Zusammenspiel zwischen Herz, Lunge und Gefäßen für die Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff ist für sportliche Aktivitäten eine entscheidende Voraussetzung. Die Spiroergometrie als klassische sportmedizinische Untersuchung ermöglicht es, die Funktion von Herz, Kreislauf, Atmung und muskulärem Stoffwechsel in Ruhe und unter dosiert steigender körperlicher Belastung bis zur Ausbelastung qualitativ und quantitativ zu beurteilen. Die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) ermöglicht dabei die Beurteilung der aeroben Kapazität und der maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit. Die Bestimmung der Sauerstoffaufnahme/Kohlenstoffdioxidabgabe ist durch die Messung des Atemminutenvolumens (oder der Atemzugtiefe) und die zeitgleiche Messung der Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentrationen in der Ein- und Ausatemluft möglich. D Die Bedeutung der Spiroergometrie in der sportmedizinischen Untersuchung Sport im präventiven Sinne risikolos durchführen zu können, muss Grundanspruch des Breitensports sein. Die notwendige Sportfähigkeit zu bescheinigen, ist in der Regel schon durch die Anamnese, die körperliche Untersuchung und einfache apparative Untersuchungen (EKG, Blutdruckmessung) möglich. Zeigen sich hier Auffälligkeiten, sollten ergänzende apparative Untersuchungen erfolgen, wobei eine objektive Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit erst durch die Belastungsuntersuchung – optimalerweise durch die Spiroergometrie – ermöglicht wird. Diese wird im Rahmen sportmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen als fakultative Untersuchung empfohlen. Bei subjektiv empfundener Leistungsminderung des Sportlers ist sie ein sinnvoller Baustein der Abklärung. Lässt sich eine krankhaft reduzierte Leistungsfähigkeit nachweisen, kann die Limitation kardialen, pulmonalen oder muskulären Ursprungs sein. Zur Klärung sollten dann weitere Diagnoseinstrumente einbezogen werden (z. B. radiologische Untersuchungen bei Atemwegserkrankungen, Echokardiographie bei strukturellen Herzerkrankungen etc.). Neben diesem primär diagnostisch-präventiven Ansatz ist ein Schwerpunkt der spiroergometrischen Diagnostik die Leistungsdiagostik. Diese Methode ermöglicht die si- 10 Kardioforum 1 | 2009 chere Einschätzung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit im Vergleich zur altersentsprechenden Norm, sodass der Leistungsstand des Sportlers individuell und im Vergleich mit anderen, z. B. innerhalb von Altersgruppen oder Mannschaften, eingeordnet werden kann. Unter Kenntnis dieser individuellen Leistungsfähigkeit ist die Erstellung differenzierter Trainingspläne für Einzel- oder Mannschaftssportler möglich. Es scheint selbstverständlich, dass für einen leistungsorientierten Sport über das Talent hinaus eine optimale Fitness entscheidend für den Erfolg ist. Die notwendige Auseinandersetzung mit dem individuellen Trainings- und Leistungsstand wird aber insbesondere von ambitionierten Breitensportlern häufig vernachlässigt. Trainingsratgeber sind häufig nicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Sportlers abgestimmt, sodass Trainingsfehler häufig zu beobachten sind. Leider zeigen sich vergleichbare Trainingsmängel auch im Leistungssport, so dass durch kontrolliertes, professionell geführtes und intensives Fitnesstraining eine weitere Optimierung der individuellen und somit auch der Mannschaftsleistung erzielt werden kann. Diese trainierbaren Leistungsressourcen optimal zu nutzen, sollte Ziel des dopingfreien leistungsorientierten Spitzensports sein. Die spiroergometrische Leistungsdiagnostik ist somit sowohl für Breiten- als auch für Leistungssportler sinnvoll anwendbar. Durch Messung der Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe lässt sich für den Sportler individuell die so genannte anaerobe Schwelle festlegen. Wird diese Schwelle in Training oder Wettkampf überschritten, tritt eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Abnahme der Koordinationsfähigkeit ein. Über die Leistung an der ventilatorischen Schwelle können individuelle Intensitätsbereiche für das Ausdauertraining ermittelt werden. Für die Trainingsgestaltung im Ausdauerbereich kann unter Berücksichtigung dieser Werte ein günstiger Trainingseffekt erzielt werden. Durchführung der spiroergometrischen Untersuchung Die spiroergometrische Belastungsform und Intensität kann je nach Fragestellung unterschiedlich sein (stufenoder rampenförmiger Belastungsanstieg auf dem Laufband- oder Fahrradergometer, Anfangsleistung und Stei- gerungsschritte). Zu beachten ist dabei, dass zwischen den einzelnen Belastungsformen beträchtliche Unterschiede bestehen können; so wird bei der Fahrradergometrie regelhaft eine 10–15% niedrigere Leistung als bei der Laufbandergometrie erbracht. Über eine Atemmaske, die mit einem Flowmeter versehen ist, werden die Atemvolumina bestimmt und Atemproben zur Messung der O2- und CO2- Konzentrationen gewonnen. Des Weiteren werden die üblichen ergometrischen Parameter wie Blutdruck, Herzfrequenz und das EKG registriert. Aussagekraft der Messwerte Drei Messparameter der Ausatmungsluft werden über die Atemmaske ermittelt: die Sauerstofffraktion, die Kohlendioxidfraktion und das Volumen. Diese Messwerte erlauben in Kombination mit der gemessenen Herzfrequenz die Berechnung vielfältiger Sekundärparameter; an modernen Geräten erfolgt eine Online-Analyse von Atemzug zu Atemzug. Die Standardmessgröße ist die Sauer- stoffaufnahme bei Maximalbelastung (VO2max), die eine Beurteilung der aeroben Kapazität der eingesetzten Muskelgruppen, der Funktionsreserve des kardiopulmonalen Systems und somit ganz generell auch der maximalen körperlichen Leistungsfähigkeit erlaubt. Leistungslimitationen, die sich in einer verminderten maximalen Sauerstoffaufnahme zeigen, sind über die eingehenden Variablen (Herzzeitvolumen und arteriovenöse Sauerstoffdifferenz) erklärbar und beinhalten somit zentrale (Herzfrequenz, Füllungsdrücke, Schlagvolumen, Vorlast, Nachlast, Kontraktilität) und periphere Einflussfaktoren (atmosphärischer Sauerstoffpartialdruck, alveoläre Ventilation, Diffusionskapazität, Hämoglobingehalt des Blutes, peripherer vaskulärer Widerstand). Die Spiroergometrie ermöglicht über die Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit und die Untersuchung der Leistungsfähigkeit des kardiopulmonalen Systems hinaus die Messung des Energiestoffwechsels während körperlicher Belastung (indirekte Kalorimetrie). Zusammenfassung Literatur Wonisch M, Fruhwald FM, Hödl R, Hofmann P, Klein W, Kraxner W, Maier R, Pokan R, Smekal G, Watzinger N. Spiroergometrie in der Kardiologie – Grundlagen der Physiologie und Terminologie. Journal für Kardiologie 2003;10(9):383–390 Dtsch Gesell Sport Präv. Leitlinien zur Belastungsuntersuchung in der Sportmedizin 2002; S-1 Leitlinien Vorsorgeuntersuchungen im Sport 2007; www.dgsp.de Korrespondenzadresse: Dr. med. Constanze Beller [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Mit der Spiroergometrie steht uns für sportmedizinische Fragestellungen somit ein wertvolles Werkzeug zur differenzierten Leistungsdiagnostik zur Verfügung. Basierend auf individuellen Leistungsmerkmalen kann so zur Erstellung eines gefahrlosen und im Sinne der Prävention sinnvollen Trainingsplans beigetragen werden. Darüber hinaus können den Sportlern auf der Basis der Untersuchungsergebnisse Optionen zur Leistungsoptimierung durch individuelle Trainingsempfehlungen aufgezeigt werden. Kardioforum 1 | 2009 11 Leistungsentwicklung im Handball Abb. 2: AT VO2 als Mittelwert Klaus-Peter Mellwig, Frank van Buuren, Berthold Hallmaier1, Klaus Baum2 Korrespondenzadresse: Dr. med. Klaus-Peter Mellwig [email protected] Dr. med. Frank van Buuren [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen 1) Dr. med. Berthold Hallmaier Winghofer Medicum Röntgenstr. 38 72108 Rottenburg [email protected] 2) Prof. Dr. Klaus Baum Trainingsinstitut Prof. Dr. K. Baum GmbH Wilhelm-Schlombs-Allee 1 50858 Köln Abb. 1: VO2max als Mittelwert, Platzierung bei den jährlich stattfindenden Turnieren 12 Kardioforum 1 | 2009 ie physische Belastung im Spitzenhandball hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Handballspiele auf professionellem Niveau sind charakterisiert durch hohe körperliche Leistung und hohe Bewegungsgeschwindigkeit, um Spielabläufe und taktische Varianten effektiv zu gestalten. Sowohl die körperliche Belastbarkeit der Handballspieler als auch die Effizienz der Trainingsmethoden (1) kann durch die Bestimmung der Ausdauerkapazität mittels Messung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) auf dem Laufband ermittelt werden. VO2max ist als wichtigster Parameter in der Bestimmung der aeroben Leistung (2) und des physiologischen Profils anzusehen (3). Seit 2003 führten wir bei 95 Handballspieler der A-Handball Nationalmannschaft regelmäßig sowohl eine internistisch/kardiologische Gesundheitsuntersuchung als auch einen Leistungstest durch. Die Untersuchungen wurden auf einem Laufband mit einer Ergospirometrie-Untersuchungseinheit durchgeführt. Zur Beurteilung der Ausdauerkapazität wurden die gemessenen Daten der VO2max, der Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle (AT-VO2), die Herzfrequenz in Ruhe, an der anaeroben D Schwelle und die maximale Herzfrequenz ausgewertet. Ergebnisse Seit 2003 ist ein kontinuierlicher Anstieg der VO2max von 53,19 ± 5,77 auf 64,86±5,75 ml•kg-1•min-1 zu verzeichnen (Abb. 1). Dies entspricht einem Anstieg von 21,67 %. AT-VO2 stieg von 42,99 ± 5,06 auf 55,45 ± 6,13 ml•kg-1 •min-1 an (Abb. 2), entsprechend einer Steigerung von 28,47 %. Diese Entwicklung ist um so höher einzustufen, da ATVO2 im Gegensatz zu VO2max subjektiv nicht beeinflussbar ist. Die Herzfrequenz in Ruhe (70 ± 11/min) als auch unter maximaler Belastung (181 ± 10/min) zeigten im Beobachtungszeitraum keinen signifikanten Unterschied. Der mittlere Body-MassIndex schwankte im Beobachtungszeitraum zwischen 24,84 kg/m2 und 25,06 kg/m2. Diskussion Der Anstieg von VO2max im Beobachtungszeitraum ist unter anderem auf die wechselnde Zusammensetzung der Handball-Nationalmannschaft zurückzuführen. Andererseits ist der zunehmende höhere Leistungsstand der Spieler auf die intensivere Trainingsarbeit zurückzuführen, um den gestiegenen Anforderungen der Handball-Bundesliga gerecht zu werden. Da sich im Beobachtungszeitraum die Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle ähnlich entwickelt wie die maximale Sauerstoffaufnahme, kann dieses zusätzlich als objektives Kriterium der festgestellten Leistungs entwickung gewertet werden. Hohe VO2max-Werte sind unbedingt anzustreben, da Spieler mit hohen VO2max Werten über hohe Glykogenreserven und eine erhöhte Erholungsrate verfügen Dadurch ist eine höhere und längere Leistungsintensität gewährleis- Literatur tet, so dass technische und taktische Elemente effektiver umgesetzt werden können. Weiterhin kann vermieden werden, dass Leistungseinbrüche im Spiel- verlauf durch verminderte körperliche Aktivität, höhere Fehlerquote und erhöhte Verletzungsgefahr den Spielerfolg in Frage stellen. Zusammenfassung Insgesamt stellt Hallenhandball in der modernen Spielweise eine Sportart dar, die neben technisch-taktischen Fähigkeiten ein hohes Maß an konditionellen Voraussetzungen benötigt. Am Beispiel der Handball-Nationalmannschaft der Männer kann anhand der Leistungsdaten die Auswirkung von Trainingsmethodik und Spielgestaltung auf die Leistungsentwicklung dokumentiert und objektiviert werden, die sich letztendlich in den Erfolgen dieser Mannschaft widerspiegelt. (1) Jensen, J., et al., Effect of combined endurance, strength and sprint training on maximal oxygen uptake, isometric strength and sprint performance in female elite handball players during a season. Int J Sports Med, 1997. 18(5): p. 354-8. (2) Hoff, J., Training and testing physical capacities for elite soccer players. J Sports Sci, 2005. 23(6): p. 573-82. (3) Rannou, F., et al., Physiological profile of handball players. J Sports Med Phys Fitness, 2001. 41(3): p. 349-53. „Sport mit Herz“ – Sportscreening in Ostwestfalen-Lippe (OWL) port hat zwar vorwiegend gesundheitsfördernde Wirkungen. Bis an die Grenzen der Belastbarkeit betrieben, kann er aber schädliche, mitunter sogar tödliche Folgen haben. In der öffentlichen Meinung fallen Sportler und Trainierte nicht in die Risikogruppe der zu erwartenden Todesfälle. Geringere oder unter Umständen angeborene Anomalien des Herzens können die Gesundheit nach-haltig gefährden. Für Sportler mit angeborenem oder erworbenem Herzdefekt kann extreme körperliche Belastung verhängnisvoll S werden. Vor diesem Hintergrund wurde das Projekt „Sport mit Herz“ initiiert, das die Voraussetzungen für ein breit angelegtes Screening von Sportlern schaffen soll. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt eine Screening-Maßnahme für Sportler in Anlehnung an die Vorsorgeuntersuchungen in Italien (1). Diese Screening-Maßnahmen werden nun auch in OWL durchgeführt. Ziel ist dabei die Identifikation von Herzerkrankungen unter Beachtung der kardio-vaskulären Risikofaktoren und der Familien- Klaus-Peter Mellwig Korrespondenzadresse: Dr. med. Klaus-Peter Mellwig [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Kardioforum 1 | 2009 13 Literatur (1) Corrado, D., et al., Cardiovascular pre-participation screening of young competitive athletes for prevention of sudden death: proposal for a common European protocol. Consensus Statement of the Study Group of Sport Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocar-dial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Eur Heart J, 2005. 26(5): p. 516-24. (2) Pelliccia, A., et al., Recommendations for competitive sports participation in athletes with cardiovascular disease: a consensus document from the Study Group of Sports Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European So-ciety of Cardiology. Eur Heart J, 2005. 26(14): p. 1422-45. anamnese. Diese Aktiven rekrutieren sich aus den Bereichen Breitensport, Freizeitsport und Betriebssport in der Region Ostwestfalen-Lippe. Dabei sollen Personen zwischen 12 und 68 Jahren angesprochen werden, die mehr als vier Stunden Sport in der Woche betreiben. Unter dem Namen „Sport mit Herz“ ist im Regierungsbezirk Detmold ein Netzwerk mit über dreißig Arztpraxen aufgebaut worden. Untersuchungsprotokoll Eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese bezüglich plötzlicher Herztod, Herzrhythmusstörungen, angeborenen Herzerkrankungen, Fett- und Glukosestoffwechselerkrankungen dienen zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikoprofils. In der Auskultation wird nach pathologischen Herztönen und -geräuschen geforscht. Es wird der Blutdruck in Ruhe gemessen. Bei erhöhten Werten erfolgt eine zweite Messung nach einer 15-minütigen Ruhephase. Ein Ruhe-EKG wird nach einer speziell entwickelten Auswertesoftware unter Berücksichtigung zu erwartender Herzerkrankungen und EKG-Veränderungen durchgeführt (1). Alle Daten werden zentral erfasst und ausgewertet. Hypertone Blutdruckwerte (RR>140/90 mmHg) wurden bei 57 % der Untersuchten gemessen. Bei nur 12 % der Untersuchten war der Hypertonus bekannt. Weiterführende Untersuchungen aufgrund einer auffälligen Auskultation, EKG-Veränderungen und Symptomen waren bei 13 % der Untersuchten erforderlich. Bei zwei Sportlern wurden bei der kardiologischen Untersuchung leichtgradige Herzklappenfehler diagnostiziert, die keine Einschränkung der sportlichen Aktivitäten erforderte. Die Nachuntersuchung eines weiteren Sportlers erbrachte den Nachweis eines Aortenaneurysmas. In diesem Fall wurde empfohlen, die bisher intensiven sportlichen Aktivitäten deutlich zu reduzieren und statische Belastungen zu vermeiden. Ab 2009 überregional Nach einer erfolgreichen Pilotphase werden die Aktivitäten in 2009 überregional (Niedersachsen, Bayern, RheinlandPfalz, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen) ausgeweitet. Aussichten Durchführung Die Arztpraxen (Allgemeinmediziner, Internisten, Kardiologen) des Netzwerkes sind mit den speziellen EKG-Geräten ausgestattet worden, so dass das Untersuchungsprotokoll einheitlich durchgeführt wer-den kann. Werden pathologische Befunde erhoben, wird der Sportler umgehend einem Kardiologen vorgestellt. Durch eine umfassende kardiologische Untersuchung ist zu klären, ob entsprechend den Empfehlungen die sportlichen Aktivitäten fortgesetzt werden können (2). Ergebnisse Nach acht Monaten können die Daten von 834 Untersuchungen analysiert werden. Das Durchschnittsalter betrug 37 Jahre bei einem Frauenanteil von 38 %. 14 Kardioforum 1 | 2009 Safety Arena: Medizinische Versorgung von Zuschauern bei sportlichen Großereignissen Ein breit angelegtes sportkardiologisches Screening für den Breitensport bietet die Möglichkeit, einerseits das Risiko für fatale kardiovaskulärer Ereignisse bei Sportlern zu reduzieren, andererseits kardiovaskuläre Risikofaktoren zu erfassen. Bei adaequater Behandlung sind gezielte sportliche Aktivitäten unbedingt fortzusetzen, so dass die präventive Wirkung des Sports zum tragen kommt. Wünschenswert ist eine gesetzliche Regelung in Anlehnung an die italienischen Verhältnisse, die eine ScreeningUntersuchung bei allen in Vereinen organisierten Sportlern vorsehen. Ein weiteres Ziel wird es sein, die Krankenkassen davon zu überzeugen, diese ScreeningUntersuchungen in ihren Leistungskatalog mit aufzunehmen. Frank van Buuren n den letzten Jahren stand die Sicherheit für Athleten im Rahmen von Großveranstaltungen im Sport häufig im Fokus der Presse. Als Reaktion darauf wurden große Anstrengungen unternommen, um eine adäquate medizinische Versorgung zur Vermeidung eines plötzlichen Herztodes der Athleten zu gewährleisten. Aufgrund der erheblichen emotionalen Belastung sind allerdings auch die Zuschauer einem relevanten Risiko in Form einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung, dem so genannten plötzlichen Herztod, ausgesetzt. Die meisten Notfälle im Rahmen von Sportevents ereignen sich Untersuchungen zufolge in den Stunden rund um den Anpfiff. Männer sind deutlich gefährdeter als Frauen – bei ihnen steigt das Risiko auf das 3,2-Fache. Um die Versorgungssituation für die Zuschauer in den Stadien zu verbessern, hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) eine Arbeitsgruppe ins I Leben gerufen, die entsprechende Maßnahmen zur Optimierung der Versorgungslage einleiten soll. Diese Arbeitsgruppe wird unter anderem federführend von Ärzten der Kardiologischen Klinik im Herz- und Diabeteszentrum NRW geleitet. Ursachen für einen plötzlichen Herztod Jedes Jahr sterben allein in Deutschland rund 100 000 Menschen am plötzlichen Herztod. Verursacht wird der plötzliche Herztod durch ein unregelmäßiges Herzrasen. Die körpereigenen Impulse, die für eine regelmäßige Schlagfolge des Herzens zuständig sind, geraten vollkommen aus dem Takt und verursachen eine sehr schnelle, unregelmäßige Herzfrequenz. Das Herz schlägt so schnell, dass es nicht mehr ausreichend Blut in den Körper pumpen kann. Hält dieser Zustand auch nur wenige Minuten an, führt er unweigerlich zum Tod. Aller- Korrespondenzadresse: Dr. med. Frank van Buuren [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Kardioforum 1 | 2009 15 dings lässt sich in vielen Fällen das Herz auch wieder zum effektiven Schlagen bringen. Dazu ist ein Defibrillator notwendig, der genau dosierte Stromschläge abgibt, die das Herz wieder zum koordinierten Arbeiten bringen. Neben der technischen Ausstattung mit einem Defibrillator ist allerdings auch eine adäquate Anwendung durch den „Ersthelfer“ von entscheidender Bedeutung. Die medizinische Versorgung in europäischen Fußballstadien In der Saison 2005/2006 wurde durch die Sektion Sportkardiologie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie eine europaweite Umfrage in Erstliga-Fußballstadien durchgeführt, um einen Überblick über die aktuelle Situation zu gewinnen. Es wurden Informationen von fast 200 Stadien aus zehn europäischen Ländern gesammelt. Hierbei fand sich in der Versorgung ein Nord-Süd-Gefälle. Die Situationen in den einzelnen Ländern zeigen einen deutlichen Unterschied sowohl in der technischen Ausstattung als auch in der Ausbildung des zuständigen Notfallpersonals. Zudem wurden Daten zur räumlichen Situation (Anzahl der Notfallräume in den Stadien, Kommunikationsstruktur zwischen den am Notfallmanagement Beteiligten etc.) erhoben. Auch die Logis- Die EKG-Kolumne tik zur Weiterversorgung der Patienten in den Kliniken wurde beleuchtet. Die Daten werden in Kürze publiziert werden. Nach Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie sollte es europaweit ein standardisiertes Notfallmanagement geben, das Abläufe, Schulungen des Personals und die technische Ausrüstung der Stadien genau festschreibt. Abb. 2 von Dieter Gonska Ein 37-jähriger Mann erleidet während eines fieberhaften Infektes mit Temperaturen bis zu 39 Grad eine Synkope. Anamnestisch sind keine Erkrankungen bekannt. Erwähnenswert ist ein plötzlicher Herztod eines Bruders des Vaters im mittleren Lebensalter. Bei der körperlichen Untersuchung, echokardiographisch und radiologisch fanden sich keine Auffälligkeiten. Das EKG, das in der Notaufnahme registriert wurde, zeigte das in Abb. 1 dargestellte Bild. Es findet sich eine ST-„Elevation“ in den rechtspräkorAbb. 1 16 Kardioforum 1 | 2009 dialen Ableitungen wie ein R-en-dôme. Die Diagnose war damit gestellt. Es handelt sich um ein Brugada-Syndrom. Das Brugada-Syndrom ist eine primär elektrische Herzerkrankung, eine Natrium-Kanalopathie. Ihr liegt ein autosomal-dominanter Erbgang zugrunde. Die Mutation liegt im Gen SCN5A auf Chromosom 3p21-24. Darüber hinaus sind unterschiedliche Mutationen bekannt, die Verbindungen zum Long-QT-Syndrom aufweisen. Die Häufigkeit liegt in den westlichen Ländern bei 1–5 pro 10 000 Einwohnern, in fernöstlichen Ländern wie z. B. Thailand bei 1:2 500 (in Thailand SUNDS = sudden nocturnal death syndrome). Pathophysiologisch liegt ein Ungleichgewicht des ITO-Kanals gegenüber dem Natriumkanal vor. Der Natriumkanal ist reduziert. Aus diesem Ungleichgewicht am einzelnen Potenzial der Herzmuskelzelle entsteht elektrokardiographisch die sog. J-Wave, die die ST-Elevationen in den rechtspräkordialen Ableitungen bewirkt. Die Ungleichgewichtigkeit der Natrium/Kalium-Kanäle (ITO) bedingt eine epikardiale Dispersion der Repolarisation. Hieraus können sich polymorphe ventrikuläre Tachykardien und Kammerflimmern entwickeln. Pharmaka wie Betasympathikolytika, Klasse-I-Antiarrhythmika (NatriumAntagonisten) oder vegetative Symptome wie Fieber können das Ungleichgewicht in den Kalium- und Natriumkanälen verursachen und die Rhythmusstörung auslösen. Elektrokardiographisch werden zwei Formen des Brugada-Syndroms unterschieden: der so genannte Coved type (ST-Hebungen in V1 bis V3) und der so genannte Saddle-back type, bei dem in den Ableitungen V1 bis V2 (V) eine RMorphologie mit Einkerbung vor der TWelle existiert (Abb. 2). Beide Formen des Brugada-Syndroms sind ineinander überführbar. Ein normales EKG schließt ein Brugada-Syndrom nicht aus. Bei allen unklaren Synkopen, insbesondere bei Männern im mittleren Lebensalter und unauffälligem EKG, sollte ein BrugadaSyndrom ausgeschlossen werden. Dies ist einfach durch den so genannten Ajmalin-Test möglich. Unter Gabe von Klasse-I-Antiarrhythmika (z. B. Ajmalin, Flecainid) können die typischen EKG-Veränderungen provoziert werden. Die Therapie der Wahl bei symptomatischen Brugada-Syndromen ist die Implantation eines Kardioverter/Defibrillators. Dies wurde auch nach ausführlicher Diskussion der Problematik mit dem betroffenen Patienten durchgeführt. Pulmonalvenenisolation als primärer Therapieschritt bei einem Sportler mit paroxysmalem tachykarden Vorhofflimmern Abb. 4: Kombinierte Intervention mit PulmonalvenenisolationAblation (links) und Ablation des Isthmus zwischen Tricuspidalklappe und unterer Hohlvene (rechts). Carsten Kopf, Jürgen Brömsen, Michael Block Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Michael Block [email protected] Klinik Augustinum Abteilung für Kardiologie Wolkerweg 16 81375 München Hintergrund Die Ablation von Vorhofflimmern steht in den Leitlinien der kardiologischen Fachgesellschaften (ACC/AHA/ESC 2006) als Therapieoption nach erfolgloser medikamentöser Therapie (1, 2). Dies ist auf die Komplexität des Eingriffes und seltene schwerwiegende Komplikationen zurückzuführen sowie auf nur mäßiggradige Erfolgsraten und begrenzte Langzeitergebnisse. Gerade beim paroxysmalem Vorhofflimmern ist jedoch angesichts von Erfolgsraten in Metaanalysen von 80 %, relativ kurzen Eingriffszeiten und deutlich geringeren Komplikationsraten, wie in diesem Fall eine primäre Vorhofflimmerablation zu diskutieren (3, 4, 5). Abb. 5: Vorhofflimmer-Rezidive nach drei Wochen Ablation Kasuistik Anamnese und Diagnose Ein 47-jähriger Marathonläufer stellte sich mit rezidivierenden Palpitationen, insbesondere unter körperlicher Belastung vor. Im bereits ambulant aufge- Abb. 1: Herzrasen beim Sport. Im Langzeit-EKG Tachykardien bis 270/min. Abb. 6: Stabiler Sinusrhythmus in 6-Tage-Langzeit-EKG vier Monate nach zweiter Pulmonalvenen-Isolation Literaturverzeichnis Abb. 2: Regelmäßige BreitkomplexTachykardie aus Langzeit-EKG, Herzfrequenz 270/min. (1) T. Lewalter et al; Kommentar zu „ACC/AHA/ESC 2006 Guidelines for the management of patients with atrial fibrillation“; Der Kardiologe 2008, 2, 181-205 (2) ACC/AHA/ESC 2006 Guidlines for the management of patients with atrial fibrillation; Europace 2006, 8, 651-745 Abb. 3: Demaskiertes Vorhofflattern, Vorhoffrequenz 270/min mit Übergang in Sinusrhythmus. (3) A. Verma, A. Natale; Why atrial fibrillation should be considered first-line therapy for some patients; Circulation 2005, 112, 1214-1222 (4) R. Cappato et al; Insights on the second AFib Survey worldwide; 7th AFib-Symposium 2008 Paris / ESC 2008 Munich (5) T. Neumann et al; Circumferential PVI with the Cryoballoon Technic: Results from a prospective 3Center-Study; J Am Coll Cardiol 2008; 52:273-278 18 Kardioforum 1 | 2009 Kardioforum 1 | 2009 19 zeichneten Langzeit-EKG zeigten sich unter Laufbedingungen symptomatische Spitzenfrequenzen von 270/min durch Vorhofflattern mit 1:1-Überleitung (Abb. 1 bis 3), die bei breiten QRS-Komplexen eine ventrikuläre Tachykardie vortäuschten (Abb. 2). Darüber hinaus fanden sich mehrfach täglich kurze Phasen von tachykardem Vorhofflimmern sowie Sinusbradykardien bis 31/min. Abwägen der Therapieoptionen Eine medikamentöse Therapie mit Klasse 1c-Antiarrhythmika und/oder Betablockern wurde wegen der Tendenz zur Vagotonie problematisch gesehen. Eine Amiodarontherapie erschien bei einem 47-jährigen Patienten wegen der häufigen Langzeitnebenwirkungen nicht wünschenswert. Therapie und Behandlungserfolg Es erfolgte daher eine kombinierte Inter- vention mit Pulmonalvenen-Isolation und Ablation des rechtsatrialen Isthmus zwischen Trikuspidalklappenring und unterer Hohlvene (Abb. 4). Anschließend bestand Sinusrhythmus und der Patient konnte ohne Symptome Langstreckenläufe vornehmen. Nach drei Wochen kam es zu einem Rezidiv von Vorhofflimmern (Abb. 5). Nach Schließen zweier Isolationslücken im Bereich der beiden unteren Pulmonalvenen besteht seit fünf Monaten unverändert Sinusrhythmus (Abb. 6). Zusammenfassung Anhand des Beispieles eines sportlichen Patienten mit tachykard übergeleitetem Vorhofflimmern wurde aufgezeigt, dass im Einzelfall die Pulmonalvenen-Isolation als primäre Therapiemaßnahme bei paroxysmalem Vorhofflimmern zu diskutieren ist. Die Bedeutung körperlichen Trainings bei Patienten mit Herzinsuffizienz Olaf Oldenburg, Andreas Fründ1, Dieter Horstkotte ie Erkenntnisse und Therapieempfehlungen zur körperlichen Aktivität bei symptomatischer aber stabiler Herzinsuffizienz haben sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich geändert. Wurde früher noch eine weitgehende körperliche Schonung bei chronischer Herzinsuffizienz empfohlen, so ist heute klar, dass körperliche Inaktivität zu einer Progression der Herzinsuffizienz und zu einer Verschlechterung der Prognose führt (1). Im Gegensatz dazu konnte gezeigt werden, dass ein individuell angepasstes Training bei herzinsuffizienten Patienten kosteneffektiv (2) ist und zu einer signifikanten Reduktion von Gesamtmortalität und Re-Hospitalisierungsrate führt (3). Die positiven Effekte des körperlichen Trainings sind dabei D Korrespondenzadresse: Dr. med. Olaf Oldenburg [email protected] 1) Andreas Fründ [email protected] Abeilung für Physiotherapie Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen 20 Kardioforum 1 | 2009 vornehmlich auf Veränderungen in der peripheren Zirkulation zurückzuführen. Die derzeitige pathophysiologische Theorie geht davon aus, dass die periphere Hypoperfusion nicht nur auf eine kardiale Pumpschwäche zurückzuführen ist, sondern auch auf morphologische, metabolische und funktionelle Veränderungen der Skelettmuskulatur beruht. So führt beispielsweise eine gestörte endothelabhängige Vasodilatation zum Anstieg des systemarteriellen Widerstandes mit Erhöhung der kardialen Nachlast. Körperliches Training auf der anderen Seite kann die basale NO-Produktion steigern und die neurohumorale Aktivität reduzieren (4–6). Die Folge ist eine Reduktion des systemischen Widerstands, eine kardiale Entlastung und die Verbes- serung der peripheren Durchblutung. Auch direkte „Anti-Remodeling“Effekte können hinzukommen und so gemeinsam zu einer Verringerung des linksventrikulären Volumens und zu einer Verbesserung der linksventrikulären Ejektionfraktion führen (7). In den neuen Leitlinien der European Society of Cardiology wird daher körperliches Training für alle Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz unabhängig von der Ätiologie, NYHA-Klasse, Ejektionsfraktion oder der Medikation empfohlen (Class of recommendation I, level of evidence A) (8). Praktische Trainingsempfehlungen gehen dahin, dass herzinsuffiziente Patienten über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten stabil und auf eine Leitlinien-gerechte Herzinsuffizienz-Therapie eingestellt sein sollten. Die ersten ein bis zwei Wochen des Trainingsprogramms sollten bevorzugt unter stationärer Überwachung durchgeführt werden (9). Das Belastungsniveau liegt dabei zunächst bei etwa 50 % der maximalen Sauerstoffaufnahme über einen Zeitraum von 5–10 Minuten. Im zweiten Schritt wird dann die Trainingsfrequenz auf 2–3 Einheiten pro Tag erhöht, bevor die Trainingsintensität auf bis zu 70 % der maximalen Sauerstoffaufnahme gesteigert werden kann. Regelmäßige kardiologische Kontrollen sind dabei essentiell (9). Im Herz- und Diabeteszentrum NRW wurden bereits im Jahr 2000 Gruppentrainingsprogramme etabliert, in dem Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz unterschiedlichen Alters zweimal wöchentlich trainieren (Abbildung). Eine Trainingseinheit besteht aus einem 40minütigen intensiven Intervalltraining mit einer Belastungsdauer von 30 Minuten und einer Pausendauer von 60 Minuten. Weitere Inhalte sind Elemente zur Koordination und Körperwahrnehmung, verschiedene Entspannungstechniken sowie kurze theoretisch-kognitive Einschübe zum Umgang mit der Erkrankung. Zusätzliche Übungen orientieren sich an Alltagsaktivitäten, dazu gehören Treppe steigen, Ausweichbewegungen beim Einkaufen, Spazierengehen, Kleidung anziehen etc. Zweimal jährlich finden standardisierte Überprüfungen der Leistungsfähigkeit statt, hierzu gehören die Spiroergometrie, der 6-MinutenGehtest und der Timed-up-and-go-Test. Dabei zeigen sich signifikante Verbesserungen in allen Disziplinen, beispielsweise konnte die maximale Sauerstoffaufnahme an der individuellen anaeroben Schwelle von 12,7 ml/kg/min auf 13,6 ml/kg/min und die maximale Sauerstoffaufnahme von 14,5 ml/kg/min auf 16,7 ml/kg/min gesteigert werden (10). Zusammenfassung Individualisierte und kontrollierte Trainingsprogramme sind essentielle Bestandteile der Therapie von Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz. Sie sind kosteneffektiv und sicher und führen zur Verbesserung der Lebensqualität, der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie von Mortalität und Letalität. Literatur: (1) Forth Joint Task Force of the European Society of Cardiology. European guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: executive summary. Eur Heart J 28, 2375-2414. 2007. (2) Georgiou D, Chen Y, Appadoo S et al. Cost-effectiveness analysis of long-term moderate exercise training in chronic heart failure. Am J Cardiol 87, 984-988. 2001. (3) Piepoli M, Davos C, Francis D, Coats A, ExTraMATCH Collaborative. Exercise training meta-analysis of trails in patients with chronic heart failure. BMJ 328, 189196. 2004. (4) Hambrecht R, Fiehn E, Weigl C et al. Regular physical exercise corrects endothelial dysfunction and improves exercise capacity in patients with chronic heart failure. Circulation 98, 2709-2715. 1998. (5) Linke A, Schoene N, Gielen S et al. Endothelial dysfunction in patients with chronic heart failure: systemic effects of lower-limb exercise training. J Am Coll Cardiol 37, 392-397. 2001. (6) Braith R, Welsch M, Feigenbaum M, Kluess H, Pepine C. Neuroendocrine activation in heart failure is modified by endourance exercise training. J Am Coll Cardiol 34, 1170-1175. 1999. (7) Giannuzzi P, Temporelli L, Corra U, Tavazzi L, ELVD-CHF study group. Antiremodeling effect of long-term exercise training in patients with stable chronic heart failure. Circulation 108, 554-559. 2003. (8) The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure 2008 of the European Society of Cardiology.Developed in collaboration with the Heart Failure Association fo the ESC (HFA) and endorsed by the ESICM. ESC guidelines for the diagnosis and treatment af acute and chronic heart failure 2008. Eur Heart J 29, 2388-2442. 2008. (9) Hambrecht R. Sport als Therapie. Herz 29, 381-390. 2004. (10) Fründ A, Mellwig K, van Buuren F, Horstkotte D, Körfer R. Ergebnisse des ambulanten Bad Oeynhausener Physiotherapie-Programms mit HerzinsuffizienzPatienten NYHA II+III. Physioactive 1, 814. 2008. Kardioforum 1 | 2009 21 Deutschland. Wird dies ein Schwerpunkt Ihrer klinischen Tätigkeit werden? Prof. Gummert: Das gilt ja nicht nur für Transplantationen. In sämtlichen herzchirurgischen Operationsverfahren, in der Bypass- und Herzklappenchirurgie ebenso wie dem Einsatz mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme und Kunstherzen, ist die Bad Oeynhausener Herzchirurgie nachweislich führend – sowohl hinsichtlich der Zahlen als auch in Bezug auf die Qualität des Eingriffs und der anschließenden Versorgung. Selbstverständlich werden meine Mannschaft und ich diese klinischen Schwerpunkte fortsetzen. Die Nachfrage nach minimalinvasiven Operationen steigt. Werden sich diese Methoden in der Herzchirurgie durchsetzen? Prof. Gummert: Besonders mit der minimalinvasiven Herzklappenchirurgie lassen sich beachtliche Ergebnisse erzielen, die dem Patienten erhebliche Vorteile bringen. Ähnliche Entwicklungen gibt es in der Bypasschirurgie am schlagenden Herzen ohne Verwendung der Herz-Lungen-Maschine. Wir werden diese Bereiche in Bad Oeynhausen deutlich erweitern. Grundsätzlich gilt: Für jeden Patienten wird entsprechend seiner Erkrankung die bestmögliche Operationsmethode angeboten. Tradition, Innovation und Fortschritt Die bewährte Patientenversorgung fortführen und zugleich zukunftsweisende Impulse in der Herzchirurgie setzen, die das Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) NRW, Bad Oeynhausen, weltweit bekannt gemacht haben: So lauten die Ziele, die Prof. Dr. Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, zu seiner Amtseinführung am 1. Februar 2009 formulierte. ie Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hatte den Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena als Nachfolger für Prof. Dr. Reiner Körfer empfohlen. Der Aufsichtsrat des HDZ folgte diesem Vorschlag für die Besetzung der Stelle. Im Interview stellte sich Prof. Gummert den wichtigsten Fragen zu seinen neuen Aufgaben. D Herr Professor Gummert, nach einigen Monaten Vorbereitungszeit treten Sie nun die Nachfolge in der Leitung der größten herzchirurgischen Klinik Europas an. Mit welcher Stimmung beginnen Sie Ihre Arbeit, wie wurden Sie empfangen? Prof. Gummert: Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit einem hochmotivierten Mitarbeiterteam aus Spezialisten, 22 Kardioforum 1 | 2009 die über große Erfahrung in der Herzchirurgie und den angrenzenden Fächern verfügen. Im Herz- und Diabeteszentrum NRW hat die Patientenversorgung immer an oberster Stelle gestanden, dies ist auch mein erklärtes Ziel. Wichtigste Aufgabe ist es, den uns anvertrauten Patienten mit höchster medizinischer Kompetenz und Zuwendung zu helfen. Zudem bieten sich hier in Bad Oeynhausen in Bezug auf Ausstattung und Größe der Klinik beste Möglichkeiten, um das Fach Herzchirurgie zukunftsweisend zu gestalten – bessere Voraussetzungen kann man sich als Arzt eigentlich nicht wünschen. Für den freundlichen Empfang bin ich natürlich sehr dankbar. In Bad Oeynhausen werden mehr Herztransplantationen durchgeführt als an jeder anderen Klinik in Ihr Vorgänger hat vor der bedenklichen Entwicklung gewarnt, dass Krankenhäuser immer mehr nach ökonomischen Gesichtspunkten geführt werden. Wie ist Ihre Meinung dazu? Prof. Gummert: Die Behandlung von Patienten in Krankenhäusern muss von der Solidargemeinschaft bezahlbar bleiben, damit allen Patienten weiterhin auf höchstem Niveau geholfen werden kann. Ich würde das Wort „Ökonomie“ auch nicht verteufeln wollen. Eine ökonomische Führung von Krankenhäusern ist wichtig, damit auch weiterhin in zukunftsweisende Technologien investiert werden kann. Gerade im HDZ konnte ja durch sinnvolles Wirtschaften vieles für das Patientenwohl getan werden. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch zukünftig so bleiben wird. Neben der klinischen Tätigkeit hat ein Klinikdirektor natürlich noch viele andere Aufgaben. Wo sehen Sie hier Ihre Schwerpunkte? Prof. Gummert: Grundsätzlich sind die Anforderungen an einen Chefarzt auch aufgrund veränderter politischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen in den letzten Jahren enorm gestiegen. Für Bad Oeynhausen gilt es nicht nur, eine einzelne Klinik erfolgreich zu leiten, sondern in enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung, den anderen Kliniken des Hauses und dem Pflegedienst vermehrt Wissen zur Qualitätssicherung, zu kollegialer Kooperation, Perso- Prof. Dr. med. Jan Gummert • • • • • • • • • • • • • geb. 1963 in Essen 1982–1988 Medizinstudium (Univ. Tübingen und Bonn) 1988–1990 AiP (Chir. Uniklinik, Bonn) 1989 Promotion: „Rezidivhäufigkeit und Entartung villöser und tubulovillöser Adenome“ 1990–1994 Ass.-Arzt Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Univ. Göttingen 1994–1996 Ass.-Arzt Klinik für Herzchirurgie, Herzzentrum Leipzig 1996 Facharzt für Herzchirurgie 1997–1998 PostDoc Fellow Stanford University 1998–2001 Oberarzt Klinik für Herzchirurgie, Herzzentrum Leipzig 2002 C3-Professur Herzchirurgie, Schwerpunkt thorakale Organtransplantation 2002–2005 Studiendekan der Med. Fakultät Univ. Leipzig 2006 Berufung auf die W3-Professur für Herz- und Thoraxchirurgie der FSU Jena, Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie 2009 Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen Forschungsprojekte (Auswahl) • Pharmakodynamik der Immunsuppressiva • Passive Kardiomyoplastie (Acorn – Multicenter-Studie) • Anastomosegeräte in der Koronarchirurgie (Cardica Pasport, C-Port) • Off-Pump-Chirurgie • Langzeitkonservierung von Spenderorganen • Qualitätssicherung in der Herzchirurgie Mitgliedschaften/Funktionen • Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Vorsitzender der AG EDV/QS in der Herzchirurgie • International Society for Heart and Lung Transplantation • Deutsche Transplantationsgesellschaft • International Society of Minimal Invasive Cardiac Surgery • Fachgruppe Herz bei der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung Kardioforum 1 | 2009 23 Herzchirurgie in Bad Oeynhausen In der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, werden seit 1984 sämtliche herzchirurgischen Operationsverfahren einschließlich aller Operationen angeborener und komplexer Herzfehler durchgeführt, darunter jährlich bis zu 4 500 Eingriffe am offenen Herzen sowie rund 1 500 Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine. Sechs Operationssäle mit modernster Ausstattung bilden das Herzstück der Klinik. Mehr als 1 600 Herz- und Herz-Lungen-Transplantationen wurden hier durchgeführt. Neben der Intensiv- und Transplantationsstation stehen vier bettenführende Pflegestationen, darunter die Komfort-Pflegestation Toskana, sowie eine VAD-Station für Patienten mit mechanischer Kreislaufunterstützung (Kunstherzen) zur Verfügung. Mit über 1 600 Herzund Herz-Lungen-Transplantationen und über 1 500 Kunstherzoperationen nimmt die Klinik eine internationale Spitzenposition ein. Zur Ausstattung zählen eine eigene Herzklappen- und Gewebebank, ein angeschlossenes Institut für angewandte Telemedizin (IFAT) sowie ein Zentrum für klinische Forschung und Entwicklung. nalführung, Aus- und Weiterbildung einzubringen und sich den daraus resultierenden Aufgaben zu stellen. Dies alles im Sinne eines Gesamtkonzeptes, das eine stetig hohe Qualität bietet. Für das Herz- und Diabeteszentrum NRW bin ich da sehr zuversichtlich, zumal man hier der Prämisse „Medizinische Qualität und menschliche Nähe“ nicht nur immer treu geblieben ist, sondern auch stets dazu bereit gewesen ist, entsprechend zu investieren. Welche Zeichen werden Sie zum Thema „menschliche Nähe“ setzen? Prof. Gummert: Wir wissen, dass psychische Faktoren einen großen Einfluss auf die Gesundheit haben. Nicht nur Patienten, die auf eine Herztransplantation warten, sind einer hohen Belastung aus- Aktuelle Bedeutung minimalinvasiver Strategien in der Herzchirurgie gesetzt, die den Transplantationserfolg ernsthaft gefährden kann. Auch Patienten, die auf eine „normale“ Herzoperation warten, sind seelischem Druck ausgesetzt. Für unsere Klinik wird daher ein speziell für diesen Bereich geschultes Team zur psychologischen Beratung und Betreuung zur Verfügung stehen. Sie haben betont, dass Sie die Herausforderung, die hohe medizinische Qualität des Hauses fortzusetzen, gerne annehmen. Welche Aspekte wollen Sie dabei stärker als bisher betonen? Prof. Gummert: Die bestehenden guten Kontakte zur Ruhr-Universität Bochum sollen auf jeden Fall weiter ausgebaut, neue geknüpft, Innovationsbereiche in gemeinsamen Forschungsteams gebün- delt werden. Wir möchten auch deshalb die Bereiche Forschung und Lehre intensivieren, um den Charakter unserer Universitätsklinik noch mehr als bisher zu betonen. Eine Fülle von Aufgaben wird in der nächsten Zeit auf Sie zukommen. Könnten Sie sich jemals vorstellen, sich einem anderen Gebiet als der Herzchirurgie zu widmen? Prof. Gummert: Diese Frage hat sich für mich niemals gestellt. Kein anderes Fach ist so vielseitig, bietet Kontakt mit Patienten, denen wir helfen können, und fordert gleichzeitig den wissenschaftlichen Forschungsdrang heraus. Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft! Halter für Vorhofhaken Endoskop Jan Gummert nter minimalinvasiven Strategien in der Herzchirurgie werden sowohl Eingriffe am Herzen ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine als auch Eingriffe mit Herz-Lungen-Maschine, aber mit alternativem Zugangsweg zum Herzen verstanden. Da herzchirurgische Verfahren per se invasive Verfahren darstellen und das Trauma durch diese so genannten minimalinvasiven Verfahren in unterschiedlichem Maße nur reduziert wird, sollte besser der Begriff „weniger invasive Verfahren“ verwendet werden. Im Folgenden werden die drei derzeit wichtigsten Verfahren vorgestellt. U Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Jan Gummert [email protected] Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Mitralklappenchirurgie/ Trikuspidalklappenchirurgie Bei der heutzutage am häufigsten durchgeführten Form der minimalinvasiven Mitralklappenchirurgie wird die HerzLungen-Maschine über die Leistengefäße angeschlossen. Die Mitralklappe wird über eine seitliche rechtsseitige Minitho- 24 Kardioforum 1 | 2009 rakotomie („Schlüsselloch“) mit einer Schnittlänge von ca. 5–7 cm erreicht (Abb. 1). Über diesen Zugang können sämtliche Klappen erhaltenden Rekonstruktionsverfahren der Mitralklappe durchgeführt werden. Selbstverständlich kann über den gleichen Zugang die Klappe auch durch eine biologische oder mechanische Prothese ersetzt werden. Abb. 2 zeigt das Operationsfeld, wie es sich dem Chirurgen darstellt. Auch Eingriffe an der Trikuspidalklappe können über diesen Zugang durchgeführt werden. Bei diesen Patienten muss sowohl das Blut aus der unteren Hohlvene als auch aus der oberen Hohlvene direkt in die Herz-LungenMaschine geleitet werden. Letzteres geschieht durch Einbringen einer zusätzlichen Kanüle in eine große rechtsseitige Halsvene (V. jugularis interna). Hiernach kann der rechte Vorhof, also das Operationsfeld, aus dem Blutfluss ausgeschal- Aortenklemme Anschluss der Herz-Lungen-Maschine tet werden. Die gleiche Technik wird auch bei einem Verschluss der Vorhofscheidewand angewendet. Kontraindikationen für diese Technik sind die periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie die erhebliche Verkalkung der Hauptschlagader. Auch bei Voroperationen an der rechten Lunge muss in der Regel konventionell operiert werden, da Verwachsungen der Lunge mit der Brustwand den Weg zum Herzen versperren können. In Deutschland findet dieses Verfahren zunehmend Verbreitung. 2007 wur- Abb. 1 (links): Lagerung des Patienten im OP-Saal bei einem minimalinvasiven Klappeneingriff. Die HerzLungen-Maschine wird an den Leistengefäßen angeschlossen. Zu sehen sind auch die Aortenklemme und das Endoskop. Abb. 2 (unten): Sicht des Chirurgen nach Eröffnung des linken Vorhofes. Das Foto zeigt den direkten Blick auf die Mitralklappe mit dem Endoskop. Kardioplegiekanüle Blick auf die Mitralklappe Aortenklemme rechter Vorhof Vorhofohr venöse Kanüle Pulmonalvenen Kardioforum 1 | 2009 25 hervorragenden kosmetischen Ergebnis (Abb. 3) als auch mit einer schnelleren Mobilisation nach der Operation verbunden. Das Risiko von Wundheilungsstörungen ist reduziert, insbesondere können keine sternalen Wundheilungsstörungen auftreten. Abb. 5 (links): Octopus-Stabilisator in Aktion. Ein Herzkranzgefäß im Bereich der Hinterwand wird durch den Saugarm stabilisiert. Saugnäpfe Aortenklappenchirurgie Unter minimalinvasiver Aortenklappenchirurgie wird in den meisten Zentren der Zugang zur Aortenklappe über eine nur teilweise Durchtrennung des Brustbeines verstanden. Dabei wird das Brustbein durch eine L-förmige Schnittführung von oben her nur bis zum oberen Drittel durchtrennt. Vorteil auch die- Abb. 3 (oben und rechts): Operationsnarbe nach minimalinvasiver Mitralklappenrekonstruktion Saugglocke Abb. 6 (links): Mithilfe von Perikardzugnähten luxiertes Herz Abb. 4 (rechts): Operationsnarbe nach minimalinvasivem Aortenklappenersatz Perikardzugnähte den bereits 857 (17,3% aller Eingriffe in Deutschland) isolierte Mitralklappeneingriffe ohne Sternotomie durchgeführt, im Jahr 2006 waren es noch 594 Eingriffe (13,1% aller Eingriffe in Deutschland). Die Zahl der Kliniken, in denen minimalinvasive Mitralklappenchirurgie angeboten wird, hat sich von 21 Kliniken im Jahr 2006 auf 31 Kliniken im Jahr 2007 weiter erhöht. Allerdings wird bisher nur in 5 der 31 Kliniken bei mehr als 50% der Mitralklappeneingriffe ein minimalinvasives Verfahren gewählt. Vorteil dieses Verfahrens für den Operateur ist die direkte Sicht auf die zu operierende Herzklappe, was u. a. die Beurteilung der Klappenfunktion vereinfacht. Für den Patienten ist die Vermeidung einer Sternotomie sowohl mit einem 26 Kardioforum 1 | 2009 ses Verfahrens ist neben den kosmetischen Aspekten (Abb. 4) eine bessere Mobilisierbarkeit der Patienten durch die erhaltene Integrität des Schultergürtels. Koronarchirurgie Auch heute noch ist die isolierte Koronarchirurgie („Bypasschirurgie“) der am häufigsten durchgeführte Eingriff in der Herzchirurgie (knapp 50 000 Eingriffe in 2007). Derzeit werden in Deutschland Bypassoperationen am häufigsten im kardioplegischen Herzstillstand durchgeführt (ca. 89%). Etwa 5 000 Eingriffe werden am schlagenden Herzen ohne Verwendung der Herz-Lungen-Maschine („off pump“) durchgeführt. Die Koronarchirurgie am schlagenden Herzen ohne Zuhilfenahme der Herz- Lungen-Maschine ist kein Verfahren der jüngeren Zeit. Bereits Kolessov hat 1964 in Stalingrad die Brustwandarterie am schlagenden Herzen mit der Vorderwandarterie des Herzens verbunden. Allerdings reichten die damals verfügbaren technischen Hilfsmittel nicht aus, um alle Herzkranzgefäße am schlagenden Herzen zu erreichen. So musste für eine vollständige Versorgung aller Herzkranzgefäße weiter die Herz-Lungen-Maschine eingesetzt werden. Mitte der 90er-Jahre wurde mit dem so genannten Octopus-Stabilisator (Abb. 5) ein technisches Hilfsmittel eingeführt, mit dem die vollständige Versorgung aller Gefäße auch am schlagenden Herzen möglich wurde. Dabei handelt es sich um einen Fuß mit Saugnäpfen, der an einem frei beweglichen Arm montiert ist – angelehnt an den Arm eines Tintenfisches. Mit dieser Hilfe lässt sich bei den meisten Patienten jede Region des Herzens so stabilisieren, dass die Verbindungsstellen zwischen Herzkranzgefäß und Bypass in der gleichen Qualität wie am stillgelegten Herzen genäht werden können. Weitere Hilfsmittel sind die Perikardzugnähte (Abb. 6) sowie eine Saugglocke (Abb. 5), mit deren Hilfe das Herz in die gewünschte Position gebracht wird, ohne den Kreislauf des Patienten zu gefährden. Insbesondere Hochrisikopatienten profitieren von dieser Methode, was in einer deutlich erniedrigten Komplikationsrate abgebildet wird. Kardioforum 1 | 2009 27 Die „dicke linksventrikuläre Wand“ – Trainingseffekt oder Kardiomyopathie? Lothar Faber, Frank van Buuren, Klaus-Peter Mellwig yokarderkrankungen, in erster Linie die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), sind in einem hohen Prozentsatz für den plötzlichen Tod scheinbar gesunder junger Sportler verantwortlich. Unter Einsatz neuerer echokardiographischer Methoden (Sammelbegriff: „parametric imaging“), welche neben der Morphologie auch die Funktion des Myokards analysieren, erscheint eine Trennung dieser pathologischen von der sportadaptiven Hypertrophie des linken Ventrikels möglich. Schwieriger, wenn auch in typischen Fällen diagnostisch, ist die echokardiographische Erfassung der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie und der Myokarditis als weiteren in diesem Zusammenhang bedeutungsvollen Myokarderkrankungen. Ein obligates Screening aller Kader-Athleten führte in Italien zur weitgehenden Elimination der HCM als Todesursache bei jungen Sportlern. M Risiken körperlicher Belastung Korrespondenzadresse: PD Dr. Lothar Faber [email protected] Kardiologische Klinik Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstr. 11 32545 Bad Oeynhausen 28 Kardioforum 1 | 2009 „Sport hält (kreislauf)gesund“ – diese These hat trotz mancher Exzesse im Bereich des Profi- und Leistungssports nach wie vor Gültigkeit (1). Voraussetzung aufseiten des Sporttreibenden ist allerdings ein gesundes bzw. durch die sportbedingten Belastungen nicht überfordertes Herz-Kreislauf-System. Die mit gewisser Regelmäßigkeit durch die Medien gehenden Berichte über den (in der Regel arrhythmogen bedingten) plötzlichen Tod junger, scheinbar völlig gesunder Athleten (2, 3) auf der einen Seite, Mitteilungen bezüglich überhöhter Infarktsterblichkeit im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität (z. B. Schneeräumen bei plötzlichem Wintereinbruch; 4) auf der anderen Seite machen aber deutlich, dass jede starke körperliche Belastung ein Risiko beinhaltet, wenn eine bislang okkulte oder neu erworbene kardiale Schädigung vorliegt. Dabei besteht zwischen professionell betriebenem Leistungssport und intensivem Training in der Freizeit wahrscheinlich nur ein gradueller Unterschied. Der folgende Beitrag soll, soweit in der gebotenen Kürze möglich, 1) die wesentlichen sportadaptiven kardialen Veränderungen beleuchten, 2) das Spektrum der bei plötzlich verstorbenen Sportlern gefundenen kardialen Erkrankungen aufzeigen sowie 3) die Bedeutung der Echokardiographie zur Differenzialdiagnose zwischen sportadaptiven und pathologischen myokardialen Veränderungen beleuchten. Kardiale Adaptation an sportliche Betätigung Dilatation und Wandverdickung sind die wesentlichen morphologischen Veränderungen des Herzens, in erster Linie des linken Ventrikels, im Gefolge intensiven körperlichen Trainings. Dabei stellen die meisten Sportarten eine Mischung aus isometrischen, d. h. kraftbetonten und tendenziell eher zu einer Druckbelastung des Herzens führenden Anteilen, sowie isotonischen, eher zu einer kardialen Volumenbelastung führenden Übungsanteilen dar. Das Konzept einer unterschiedlichen kardialen Antwort auf diese beiden verschiedenen Belastungsformen wird zwar kontrovers diskutiert, scheint aber nach einer größeren Metaanalyse in den Grundzügen validiert (5). Wanddicken- und Kammerdiameterzunahmen von 15–20% können daher durchaus Folge intensiven sportlichen Trainings sein. Auf der anderen Seite sind Wandstärken von >13 mm (5, 6) oder LV-Diameter von >60 mm (5, 6) selbst unter hochtrainierten Elite-Athleten selten. Im Einzelfall können derartige Messwerte jedoch die Differenzialdiagnose zu hypertrophen (HCM) oder dilatativen Kardiomyopathieformen (DCM: dilatative Kardiomyopathie, ARVCM: arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie) aufwerfen. In diesen Fällen ist aus der Tatsache der Dilatation oder Wandverdickung selbst nicht unbedingt auf den pathologischen Prozess zu schließen. Spektrum der bei plötzlich verstorbenen Sportlern gefundenen kardialen Erkrankungen und Bedeutung der Echokardiographie Die Bedeutung der rechtzeitigen Erkennung kardiomyopathischer Prozesse wird aus der Verteilung der postmortal/autoptisch gewonnenen Diagnosen deutlich: In einer entsprechenden Untersuchung (Abb. 1) an plötzlich verstorbenen US-amerikanischen Sportlern (2) unter 35 Jahren fand sich bei mehr als 1/3 der Opfer eine HCM, bei weiteren 10% eine kardiale Hypertrophie, die jedoch nicht die Diagnose einer HCM erlaubt hätte. Dilatative myokardiale Schädigungen (DCM, Myokarditis, ARVCM) fanden sich in insgesamt 10% der Fälle. Gut 50% dieser im Nachhinein als Patienten zu klassifizierenden jungen Sportler wiesen somit eine myokardiale Erkrankung als Substrat der zum Tode führenden Arrhythmie auf. Zählt man hierzu die kleine Gruppe der Vitien (Aortenstenose, Mitralklappenprolaps-Syndrom), so lässt sich erkennen, dass knapp 2/3 der in dieser Untersuchung gestellten Diagnosen zumindest theoretisch auch intravital, in erster Linie mittels einer echokardiographischen Diagnostik, zu stellen gewesen wären. Es muss an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen werden, dass in höherem Lebensalter (>35 Jahre) koronare Läsionen die eindeutig führende Rolle unter den zum sportassoziierten Tod führenden strukturellen Herzerkrankungen spielen. Nach Maron 1996 Differenzierung: kardiomyopathischer Prozess versus „Sportlerherz“ Abb. 1 Für die echokardiographische Diagnostik von Vitien gelten bei Sportlern die gleichen Kriterien wie in der sonstigen Erwachsenen-Kardiologie. Ein differenzierteres Vorgehen erfordert jedoch der Ausschluss kardiomyopathischer Veränderungen, da die bloße Messung einer Wandverdickung oder Kammerdilatation keine sichere Differenzialdiagnose erlaubt, von ausgeprägten Fällen (Wanddicke >15–16 mm; enddiastolischer LVDiameter >70 mm) abgesehen. Bei einem „Sportlerherz“ sollten die LV-Geometrie ungestört, die globale und regionale systolische Pumpfunktion unauffällig und der transmitrale Fluss als Marker einer normalen diastolischen linksventrikulären Funktion (7) sicher normal sein. Eine in entspanntem, normal hydriertem Zustand bestimmte E/A-Ratio des transmitralen Flusses von <1,0 wäre somit in der Regel im Sinne einer gestörten Relaxation, z. B. im Rahmen einer phänotypisch noch nicht deutlichen HCM, zu interpretieren. Das notorische Problem der so genannten „Pseudo-Normalisierung“ des Mitralfluss-Profils, d. h. der betonten frühdiastolischen Füllungswelle E infol- Kardioforum 1 | 2009 29 ge hoher linksatrialer Drücke und trotz gestörter LV-Relaxation, kann bei den in der Regel ja recht gut beschallbaren Probanden durch zusätzliche Ableitung des Pulmonalvenen-Flussmusters (7) und der Fluss-Propagation gelöst werden. Die Bestimmung der Bewegungsgeschwindigkeiten von Mitralring oder basalen LV-Segmenten mittels GewebeDoppler-Technik (TDE) ist jedoch unser bevorzugter Ansatz bei dieser Problemstellung (8, 10). Auch die Bestimmung segmentaler Deformationsparameter wie „strain“ (= Gesamtverkürzung in der Systole) bzw. „strain rate“ (= Verkürzungsgeschwindigkeit) können herangezogen werden. Referenzwerte für Normalpersonen liegen dabei vor, die Erarbeitung von Referenzwerten für Sportler steht noch am Anfang. Wir gehen davon aus, dass die frühdiastolische Rückstellbewegung des Mitralanulus bei lateraler Messung mittels spektralen GewebeDopplers schneller als 10–12 cm/s sein sollte, um von einer sportadaptiven Hypertrophie sprechen zu können, und finden nicht selten „supernormale“ diastolische Funktionsparameter. Die Abb. 2 zeigt das Beispiel eines Liga-Fußballers (linke Bildleiste; a: 4Kammer-Blick), der anhand pathologischer diastolischer Parameter (b: transmitraler Fluss mit betonter spätdiastoli- Abb. 2 30 Kardioforum 1 | 2009 scher Füllungswelle, c: Flusspropagation von 40 cm/s und d: TDE-Analyse der diastolischen Mitralring-Geschwindigkeit von 5–6 cm/s) bei normalen Diametern und nur grenzwertig verdickten LV-Wänden als HCM-Patient identifiziert wurde (im Vergleich zu einem Probanden mit „Sportherz“, rechte Bildleiste e–h). Sehr viel schwieriger bzw. nur in fortgeschrittenen Fällen möglich ist die echokardiographische Diagnose einer ARVCM. Sämtliche systolischen wie diastolischen Funktionsparameter des linken Ventrikels können normal sein. In klinischen (Synkopen) oder elektrokardiographischen (so genannte Epsilon-Welle, rechtsventrikuläre Repolarisationsstörungen) Verdachtsfällen ist, auch in atypischen Schallebenen, auf teilweise subtile, regionale Aussackungen, Wandverdünnungen und Bewegungsstörungen des rechten Ventrikels zu achten, insbesondere subtrikuspidal, im Apexbereich sowie im Bereich des RV-Ausflusstrakts. Bei der Diagnostik dilatativer LV-Schädigungen ist die teilweise große Körperoberfläche v. a. männlicher Athleten zu berücksichtigen (6, 9, 12). In einer eigenen Untersuchung (noch unveröffentlicht) sowie bei Sharma und Mitarbeitern fand sich ein zwar ein LVEDD von >55 mm bei ca. 40% der Probanden; bezogen auf die Körperoberfläche jedoch nur noch in <10% ein LVDiameter-Index von >30 mm/m2. Angesichts der sonst jedoch sämtlich physiologischen systolischen und diastolischen Funktionsparameter war in keinem dieser Fälle die Diagnose einer DCM oder Myokarditis zu stellen. Dabei kann eine akute wie chronische Myokarditis echokardiographisch sehr schwer bzw. nur im klinischen Kontext diagnostizierbar sein. Die akute Erkrankung ist echokardiographisch am ehesten durch eine globale, häufig nur milde systolische und diastolische Funktionseinschränkung gekennzeichnet, dazu findet sich oft ein schmaler perikardialer Flüssigkeitssaum. Chronische Formen zeigen gelegentlich atypische, nicht den Koronarterritorien zuzuordnende regionale Asynergien. Die Diagnose einer typischen DCM (globale systolische und diastolische Dysfunktion, LVDilatation) dürfte kein Problem darstellen. Additiv zur echokardiographischen Diagnostik sollte in diesem Zusammenhang auch auf das Potenzial der kardialen MRT-Diagnostik hingewiesen werden, mit der bei allen Kardiomyopathieformen eine Fibrosebildung intravital nachgewiesen werden kann (13). Auf die Effektivität eines (bei Leistungssportlern) obligaten, echokardiographische Untersuchungen einbeziehenden Screeningprogramms lassen die italienischen Erfahrungen schließen. Im Gegensatz zur o. g. US-amerikanischen Studie fand eine ähnlich angelegte Untersuchung (3) eine HCM nur bei 2% der plötzlich verstorbenen italienischen Athleten. Die häufigsten postmortalen Diagnosen waren hier die ARVCM (22%) bzw. koronare Veränderungen (31%) – Erkrankungen also, deren echokardiographische Diagnose schwierig bzw. unmöglich ist. Probanden mit einer HCM wurden durch das Screening offenbar mit hoher Treffsicherheit erfasst und konnten vor den kardialen Risiken des Literatur: (1) Lakka TA, Venalaininen JM et al. Relation of leisure-time physical activity and cardiorespiratory fitness to the risk of acute myocardial infarction. New Engl J Med 1994;330:1549–54 (2) Maron BJ, Shirani J et al. Sudden death in young competitive athletes. JAMA 1996;276:199–204 (3) Corrado D, Basso C et al. Screening for hypertrophic cardiomyopathy in young athletes. New Engl J Med 1998;339:364–9 (4) Albert CM, Mittleman MA et al. Triggering of sudden death from cardiac causes by vigorous exertion. New Engl J Med 2000;343:1355–61 (5) Pluim BM, Zwindermann AH et al. The athlete's heart. A meta-analysis of cardiac structure and function. Circulation 1999;100:336–44 (6) Pelliccia A, Maron BJ et al. The upper limit of physiologic cardiac hypertrophy in highly trained elite athletes. New Engl J Med 1991;324:295–301 (7) Lester SJ, Tajik AJ et al. Unlocking the mysteries of diastolic function. J Am Coll Cardiol 2008;51:679–89 (8) Nagueh SF, Bachinski LL et al. Tissue Doppler imaging consistently detects myocardial abnormalities in patients with hypertrophic cardiomyopathy and provides a novel means for an early diagnosis before and independently of hypertrophy. Circulation 2001;104:128–30 (9) Abraham TP, Dimaano VL, Liang HY. Role of Tissue Doppler and Strain Echocardiography in Current Clinical practice. Circulation 2007;116:2597–609 (10) Hildick-Smith DJR, Shapiro LM. Echocardiographic differentiation of pathological and physiological LV hypertrophy. Heart 2001;85:615–19 (11) Faber L, van Buuren F. Athlete screening for occult heart disease: No risk, no fun? J Am Coll Cardiol 2008;51: 1040–1 (12) Sharma S, Maron BJ, Whyte G, Firoozi S, Elliott PM, McKenna WJ. Physiologic limits of left ventricular hypertrophy in elite junior athletes: relevance to differential diagnosis of athlete’s heart and hypertrophic cardiomyopathy. J Am Coll Cardiol 2002;40:1431–6. (13) Adabag AS, Maron BJ et al. Occurrence and frequency of arrhythmias in HCM in relation to delayed enhancement on cardiovascular MR imaging. J Am Coll Cardiol 2008;51:1369–74 (14) Pelliccia A, Fagard R, Bjørnstad HH et al. Recommendations for competitive sports participation in athletes with cardiovascular disease. Eur Heart J 2005;14:1422–45 Leistungssports geschützt werden. Die eigenen Bemühungen sowie die einer europäischen Arbeitsgruppe weisen in die gleiche Richtung (11, 14). Zusammenfassung Vor Aufnahme (sowie in regelmäßigen Intervallen während) intensiver sportlicher Betätigung sollte das Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung ausgeschlossen werden. Die Mehrzahl der in diesem Zusammenhang bei jüngeren Sportlern (<35 Jahre) relevanten Erkrankungen lässt sich durch echokardiographische Bildgebung (eingebettet in ein vergleichsweise wenig aufwendiges Screeningprogramm, bestehend aus: Anamnese, körperlicher Untersuchung und EKG) erkennen. Zur Abgrenzung einer pathologischen von einer sportadaptiven LV-Hypertrophie sind diastolische Parameter sowie eine Funktionsanalyse evtl. verdickt gefundener Wandabschnitte von entscheidender Bedeutung. Das bloße Vorliegen einer Wandverdickung oder einer Dilatation erlaubt bei Sportlern keine hinreichend sichere Trennung. Die neuen Methoden der echokardiographischen Funktionsanalyse hingegen verbessern die Treffsicherheit und sollten somit in diesem Kontext zum Einsatz kommen. Kardioforum 1 | 2009 31 Kardiologie in Düren Dietrich C. Gulba: Leidenschaft für das Herz Werner Waldmann üren in der Eifel: Die Stadt fühlt sich im Herzen Europas gelegen, und wenn man sie auf der Landkarte sucht, trifft das genau zu. Düren ist eine freundliche Stadt; die Hektik mancher Großstadt vermisst man nicht. Und denselben Eindruck vermittelt auch das zentrale Krankenhaus der Stadt. Die Klinik hat Tradition. Bis ins 15. Jahrhundert reicht ihre Historie zurück. In der Gestaltung der Klinik merkt man die Absicht, Besuchern und Patienten kein Krankenhaus zu präsentieren, sondern ein modernes Gesundheitszentrum. Sich wohl zu fühlen, das gehört hier mit zur Therapie. Nähern wir uns der Klinik aus der Totalen. Als Haus der Schwerpunktversorgung hat es 492 Betten, die im Krankenhausplan Nordrhein-Westfalens ausgewiesen sind. Entsprechend komplett ist das Spektrum der medizinischen Fachbereiche. Drei chirurgische Kliniken teilen sich das Unfall- und orthopädische Ressort, die Allgemein- und Viszeralchirurgie und die Gefäßchirurgie. Dann die Gynäkologie und zusätzlich eine eigene Urologie, Augen- und HNO-Klinik, die Kinderklinik. Weiter die zentralen Dienste wie Pathologie, Radiologie und Anästhesie. Die Innere Medizin ist dreigeteilt in Onkologie, Gastroenterologie mit Endokrinologie und dann die Königsdisziplin der Inneren: die Kardiologie mit Angiologie, Pneumologie und Schlaflabor. Und dieses klinische Ressort wollen wir vorstellen. D Der Chef bestimmt das Klima Chefarzt Prof. Dietrich C. Gulba ist die menschliche Verkörperung der heiteren Landschaft und des warmen Ambientes des Klinikums. Gulba hat nichts von der Strenge oder gar Unnahbarkeit mancher Chefärzte. Seine natürliche Herzlichkeit und Fröhlichkeit steckt an und macht manche Patientenängste klein. Wenn Gulba im Herzkatheterlabor die Leiste 32 Kardioforum 1 | 2009 auch das gehört zum therapeutischen Spektrum. Und selbstverständlich hat sich Gulba auch der Schlafmedizin aus kardiologischer Perspektive angenommen. punktiert, den Führungsdraht hochschiebt, den Stent platziert – er lässt dabei seinen Patienten auf dem Tisch keine Minute allein mit seinen Fantasien und Befürchtungen. Gulba plaudert mit ihm, erzählt, findet eine witzige Pointe – und für den Menschen auf dem Tisch vergeht so die Behandlungszeit wie im Flug. So wünscht man sich seinen Arzt! Gulbas Frohsinn strahlt auch auf sein Team aus. Dieselbe Wärme und Freundlichkeit legen auch seine fünf Oberärzte an den Tag, das Pflegepersonal, die Sekretärinnen. Wie gesagt, die Einrichtung der Klinik und der Umgangston von Ärzten und Pflegepersonal überspielen die Ernsthaftigkeit eines Krankenhauses, in dessen Kardiologie immerhin meistens schwere Fälle behandelt werden. Ein hochqualifiziertes Leistungsangebot Das Durchschnittsalter der Patienten liegt um die sechzig Jahre. Herzinfarktpatienten werden an sieben Tagen rund um die Uhr versorgt. Im Zug der Zeit hat sich die Dürener Kardiologie auch mit dem neuen, hochkomplexen Feld der Elektrophysiologie vertraut gemacht, um gravierende Herzrhythmusstörungen zu diagnostizieren und mittels Hochfrequenzablation zu behandeln. Lungenhochdruck, COPD, hypertroph-obstruktive Herzerkrankungen, Infektionen – ten als Intensivbetten und 13 auf der Coronary Care Unit. An diagnostischen Möglichkeiten steht die Kardiologie im Dürener Krankenhaus anderen Zentren in nichts nach: modernste Ultraschalldiagnostik des Herzens und der Gefäße, Ergometrie, Langzeit-EKG und Langzeit-Blutdruckmessung, Kipptischuntersuchungen, Bodyplethysmographie, Spiroergometrie, Bronchoskopie, Pleurapunktion und Pleuradrainage. Die Ärzte setzen Schrittmacher und Defis ein, beraten und kontrollieren. Für Herzfunktionsuntersuchung steht das Feinste, was es augenblicklich gibt, zur Verfügung: MRT und 64-Zeilen-Computertomographie. Gulba hat 110 Betten auf fünf Stationen unter seiner Ägide, davon neun Bet- Medizinstudium nicht in die Wiege gelegt Mütterlicherseits gingen, so erzählt Gulba, in seiner Familie seit Generationen ein Drittel der Männer dem Beruf des Pfarrers nach und ein Drittel dem des Arztes. Allerdings wuchs Gulba in der nüchternen Welt des Handels auf. Sein Vater betrieb ein erfolgreiches Han- delshaus, und es galt als ausgemacht, dass der Sohn später in den väterlichen Betrieb eintreten würde. Mit der Medizin kam er durch einen Onkel in Berührung. Das war eine eindrucksvolle Persönlichkeit, schon vom Äußeren her, schlohweißes Haar, ein richtiger Charakterkopf. Und der Onkel war Arzt, Unfallchirurg. Er betrieb eine Privatklinik am Rhein. Dieser Mann, sein ärztliches Charisma, das faszinierte Gulba. Zumindest stand für ihn fest, dass er niemals den Beruf des Kaufmanns ergreifen würde. Nach dem Abitur gab es Ärger. Der Sohn sollte ganz selbstverständlich Betriebswirtschaft studieren, um dann später in Vaters Fußstapfen zu treten. Gulba lehnte ab. Medizin oder Chemie war sein Ziel. Der Vater sagte klipp und klar, dass er ein betriebswirtschaftliches Studium großzügig unterstützen wolle. Für Medizin gäbe es keinen Pfennig. Basta. Gulba ließ sich nicht beeindrucken. Wahrscheinlich bestärkte ihn die väterliche Dickköpfigkeit nur noch mehr in seinem Plan. Er begann das Studium der Chemie. Mit einem Prädikatsdiplom schloss er das Studium im November 1977 in Tübingen ab. Geld verdiente er nebenher mit dem Aufbau des wissenschaftlichen Hämostaselabors der Abteilung Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universität Tübingen unter den Professoren Hoffmeister und Heller. Diese Phase dauerte von 1979 bis 1981. Parallel dazu begann Gulba Medizin zu studieren. Im Kardioforum 1 | 2009 33 April 1983 legte er sein Ärztliches Staatsexamen ab, im Januar des Folgejahres promovierte er, ebenfalls in Tübingen. Sein Thema: „Zur Pathophysiologie des extrakorporalen Kreislaufs“. Dabei untersuchte er das Gerinnungsund Fibrinolysesystem, die zweiwertigen Elektrolyte und Lactat während des kardiopulmonalen Bypasses in der Herz- chirurgie. Damit hatte Gulba auch seine fachliche Richtung gefunden: das Herz, den Kreislauf. Die Herzchirurgie hätte ihn sehr gereizt, doch ein eher banales Problem hinderte ihn daran. „Es ist eher unwahrscheinlich”, erklärt er verschmitzt, „bei meiner Körpergröße einen ebenso großen Chef zu finden. Und dann hätte ich Dietrich C. Gulba bei einer Intervention in einem der beiden Herzkatheterlabore ständig in gebückter Haltung am Tisch arbeiten müssen. Das wollte ich meinem Rücken nicht antun.“ Also wandte er sich der Kardiologie zu. Im Mai 1983 wechselte er an die Medizinische Hochschule Hannover zum Kardiologen Prof. Lichtlen. Die Thrombolysetherapie beim Myokardinfarkt und bei der Lungenembolie und Themen der kardiovaskulären Hämostase interessierten ihn, ebenso Arbeiten zur quantitativen Koronarangiographie. Ende April 1992 habilitierte er in Hannover. Ab Januar 1993 stand wieder ein Wechsel an, wieder eine neue Herausforderung: die Überführung eines altehrwürdigen Institutes der Spitzenmedizin der ehemaligen DDR in die westliche Gesundheitsmedizin mit ihren Standards sowie der Aufbau der Intensiv- und Notfallmedizin an der Franz-Volhard-Klinik am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch. Zum Jahres- 34 Kardioforum 1 | 2009 beginn 1994 erhielt Gulba die C-3Professur für Kardiologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit dem 1. Dezember 2000 leitet er die Kardiologie mit Angiologie und Pulmologie am Krankenhaus Düren. Ist es ein Vorteil für die Arbeit als Mediziner, ein Chemiestudium hinter sich zu haben? Gulba: „Insofern schon, als dass ich eher analytisch und nicht eklektisch vorgehe. Ich brauche ein System.” Und die Entscheidung für die Kardiologie war eher kein Zufall? „Die Kardiologie ist ein systematisches Fach”, erklärt Gulba. „Man hat es zu tun mit zwei Kammern, zwei Vorhöfen, und der Rest ist Hämodynamik, also ein sehr einfaches, sehr strukturiertes System.” Gulba ist ein Meister der Intervention. 1985 begannen er zu kathetern. Es waren damals diagnostische Eingriffe. Das Material war verglichen mit den heutigen Materialien sperrig und würde heutzutage wohl als mangelhaft empfunden, aber man kam auch damit zurecht. „Man wuchs in die Methode hinein”, erklärt er, „man gewann Sicherheit. Ich erinnere mich noch, wie mein Chef zu mir sagte, dass über einer Hauptstammstenose die Sonne nicht untergehen dürfe, bevor der Herzchirurg am Werk gewesen sei. Das hat sich gründlich geändert. Heute behandeln wir Hauptstammstenosen routinemäßig mit Stents und schaffen häufig auch Dreigefäßerkrankungen in einer Sitzung.” Die Überwachungseinheit liegt zentral zwischen den beiden Herzkatheterlaboren. Die Krankenhaus Düren gem. GmbH ist ein Haus der Schwerpunktversorgung mit 492 im Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen ausgewiesenen Planbetten. Kardioforum 1 | 2009 35 Herz und Diabetes aus der Sicht der Rehabilitation Barbara Lamp er Diabetes mellitus ist einer der wichtigen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen. Des Weiteren sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, trotz erheblicher Fortschritte in der medikamentösen, interventionellen und chirurgischen Therapie, nach wie vor Volkserkrankungen mit erheblich eingeschränkter Prognose. Beide Erkrankungen haben gemeinsam, dass die Prävalenz und Inzidenz deutlich steigen, insbesondere in den westlichen Industrieländern und den sich industrialisierenden Ländern Asiens. In Deutschland gibt es als einem von wenigen Ländern in der Welt die durch die Kostenträger finanzierte Möglichkeit der stationären oder ambulanten Rehabilitation, sowohl nach schweren klinischen Ereignissen wie z. B. einer Herzoperation oder einem Herzinfarkt D Korrespondenzadresse: Dr. med. Barbara Lamp Chefärztin Park-Klinik Bad Hermannsborn Innere Medizin – Kardiologie Internistische Intensivmedizin Park-Klinik Bad Hermannsborn GmbH & Co. KG Hermannsborn 1 33014 Bad Driburg Tel.: 0 52 53/40 70 00 Fax: 0 52 53/40 78 70 als auch im Sinne der Sekundärprävention eine Form der stationären Rehabilitationsmaßnahme. Die Park-Klinik Bad Hermannsborn ist eine Fachklinik für Kardiologie und Diabetologie, die sich genau diesen genannten Problemen in einem multimodalen Rehabilitationskonzept widmet. Die Klinik umfasst 216 Zimmer und kann maximal 247 Patienten, z. T. mit Begleitpersonen, aufnehmen. Neben Anschlussheilbehandlungen nach kardiologischen oder kardiochirurgischen Eingriffen werden stationäre Rehabilitationen und Diabetesschulungen entsprechend den Vorgaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft sowohl für Typ-1- als auch für Typ-2-Diabetiker durchgeführt. Das Konzept der Klinik besteht aus einem multimodalen Ansatz, der letztendlich den Patienten ermöglichen soll, „Experte“ in eigener Sache zu werden. Hierzu werden neben einer umfassenden Diagnostik individuell abgestimmte Physio- und Sporttherapien sowie physikalische Therapiemodalitäten angeboten. Ergänzend dazu gibt es Einzel- und Gruppenangebote aus dem psychologischen Bereich sowie ein auf die vorherrschenden Krankheitsbilder abgestimmtes Ernährungsprogramm. In der Klinik werden pro Jahr ca. 3900 Patienten behandelt, davon etwa 1500 Patienten im Anschlussheilverfahren und etwa 780 Patienten im Rahmen von Diabetesrehabilitationen und/oder Schulungsmaßnahmen. Die restlichen Patienten unterziehen sich stationären Rehabilitationsmaßnahmen aus oben genannten. Indikationen. In der kardiologischen Diagnostik werden EKG, Belastungs-EKG, Spiroergometrie, Echokardiographie inkl. TEE und Stressechokardiographie, Lungenfunktionsprüfung und Schrittmacherkontrolle inkl. Einstellung komplexer Systeme vorgehalten. Zusätzlich ist die Durchführung von Gefäß-, Abdomen- und Schilddrüsensonographien zu diagnostischen Zwecken möglich. Systematische psychologische Evaluationen erfolgen bereits im Rahmen der Aufnahme mittels des standardisierten und validierten HADS-Fragebogens. Ziel der Rehabilitation ist es, den Patienten in einem mehrwöchigen strukturierten Programm zum Manager seiner Erkrankung zu machen und ihn durch die Herausnahme aus dem alltäglichen Umfeld zu einer Anpassung des Lebensstils an die Erkrankung zu motivieren. Hierzu gehören insbesondere strukturierte Bewegungsprogramme, den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend, dass letztlich körperliche Bewegung sowohl beim Diabetes mellitus den Insulinbedarf senken kann als auch die übrigen kardiovaskulären Risikofaktoren (Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Adipositas) positiv beeinflusst. Diese Erkenntnisse sind bereits seit einigen Jahrzehnten bekannt und werden in unserer Klinik konsequent umgesetzt. Die Park-Klinik Bad Hermannsborn liegt zwischen Eggegebirge und Weser am Südhang des Teutoburger Waldes in Ostwestfalen-Lippe mitten in einem 18 Hektar großen Park, auf dessen Gelände sich eine Heilquelle befindet. Bereits Das prachtvolle Hauptgebäude der Park-Klinik Bad Hermannsborn steht im reizvollen Kontrast zum Grün der Parkanlage. 1896 wurde hier ein Badekurort gegründet; seit 1925 wird ein Kurerholungsheim der Barmer Ersatzkasse betrieben. Die Veränderung der medizinpolitischen Landschaft in den 90er-Jahren hatte die Restrukturierung der Klinik für die Zielgruppe der schwerkranken Anschlussheilrehabilitanten zur Folge. Das Ärzteteam besteht aus 13 Kollegen, vorwiegend mit Facharztbezeichnungen. Die Therapieabteilung besteht aus fünf Physiotherapeuten/-innen, fünf Sporttherapeuten/-innen sowie neun Mitarbeitern/-innen in der Bäderabteilung (vier Masseure, vier Badehilfen, eine Praktikantin). Das Diagnostikteam besteht aus vier Mitarbeiterinnen, und die Abteilung Diabetes/Ernährung wird von fünf Mitarbeiterinnen (Diabetes- und Ernährungsberaterinnen/-assistentinnen) geführt. Zusätzlich stehen 26 Pflegekräfte sowie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Bereichen täglich zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Baustein zur Intensivierung der sekundärpräventiven Maßnahmen einer stationären Rehabilitation ist ein umfangreiches Fortbildungsprogramm in Form von Vortrags- veranstaltungen zu verschiedenen Themen sowie Kleingruppenschulungen (Diabetes-, Insu- Hypertrophe Kardiomyopathie – könnte es Morbus Fabry sein? lin-, Medikamenten-, Marcumar-Schulung sowie Lehrküchenveranstaltungen). Traditionell wurden die Rehabilitationsmaßnahmen in der Park-Klinik Bad Hermannsborn wissenschaftlich begleitet und Studien zum Thema Bewegungstherapie bei Herzinsuffizienz, KHK und Diabetes durchgeführt. Bereits sehr früh wurden Wasseranwendungen (Bewegungsbad u. Ä.) bei kardiologischen Patienten komplikationsfrei angewandt. Für die Zukunft ist eine noch engere Verzahnung zwischen akutstationärer und ambulanter Behandlung der immer schwerer kranken Patienten zu fordern. Die Park-Klinik Bad Hermannsborn hat es sich als statio- näre Rehabilitationseinrichtung zum Ziel gesetzt, einen Brückenschlag zwischen dem akutstationären und dem ambulanten Sektor zu versuchen. Hierzu dient einerseits eine enge Verzahnung mit dem Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen als akutkardiologischer und kardiochirurgischer Einrichtung sowie andererseits eine intensive Kontaktpflege mit den Hausärzten der Patienten – sowohl schriftlich (die Arztbriefe werden dem Patienten am Tag der Entlassung mitgegeben) als auch in speziellen Situationen telefonisch. Zukünftig wird sicherlich auch über ambulante und telemedizinische Angebote nachgedacht werden müssen. Alpha-Galaktosidase A beginnen. Diese seit dem Jahr 2001 zur Verfügung stehende therapeutische Option, eine hypertrophe Kardiomyopathie kausal zu therapieren, rechtfertigt die fortlaufende Untersuchung selektionierter HCM-Patienten auf Morbus Fabry. Literatur (1) Desnick R, Ioannou Y, Eng C. Alpha-Galactosidase A Deficiency: Fabry Disease. 8th edition. New York, NY: McGraw-Hill, 2001. (3) Sachdev B, Takenaka T, Teraguchi H, Tei C, Lee P, McKenna WJ, Elliott PM. Prevalence of Anderson-Fabry disease in male patients with late onset hypertrophic cardiomyopathy. Circulation 2002 Mar 26;105(12):1407–11. (2) Nakao S, Takenaka T, Maeda M, Kodama C, Tanaka A, Tahara M, Yoshida A, Kuriyama M, Hayashibe H, Sakuraba H, et al. An atypical variant of Fabry's disease in men with left ven-tricular hypertrophy. N Engl J Med 1995, Aug 3;333(5):288–93. (4) Chimenti C, Pieroni M, Morgante E, Antuzzi D, Russo A, Russo MA, Maseri A, Frustaci A. Prevalence of Fabry disease in female patients with late-onset hypertrophic cardiomyopathy. Circulation 2004 Aug 31;110(9):1047–53. Epub 2004 Aug 16 Martin Farr, Lothar Faber, Roland M. Schaefer, Dieter Horstkotte Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte [email protected] PD Dr. med. Lothar Faber [email protected] Dr. rer. nat. Martin Farr [email protected] Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Georgstraße 11 32545 Bad Oeynhausen Prof. Dr. med. Roland M. Schaefer Fabry-Zentrum Universitätsklinikum Münster Innere Medizin D Albert-Schweitzer-Str. 33 48149 Münster [email protected] 38 Kardioforum 1 | 2009 er Morbus Fabry ist eine X-chromosomal vererbte lysosomale Speichererkrankung, bei der es durch Mutation des Gens der Alpha-Galaktosidase A zu einem Enzymmangel mit Akkumulation von so genannten Sphingolipiden in praktisch allen Körperzellen kommt (1). Am Herzen finden sich diese Ablagerungen in den Kardiomyozyten, was zu einer Hypertrophie dieser Zellen führt und letztlich im Phänotyp einer hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) resultiert (2). Während die Prävalenz des Morbus Fabry in der Normalbevölkerung bei rund 1:40 000 liegt, wird sie je nach untersuchtem Patientenkollektiv bei männlichen Patienten mit „idiopathischer“ HCM auf bis zu 6% geschätzt (2, 3). Obschon bei Morbus Fabry ein X-chromosomaler Erbgang vorliegt, kommt es bei vielen Frauen, wenn auch erst in späteren Lebensjahren, zu einer klinisch manifesten Erkrankung. Aufgrund der oftmals späten und milderen Manifestation bleibt hier die Erkrankung vielfach undiagnostiziert oder wird eher zufällig im Rahmen einer „Late-onset“-Symptomatik entdeckt. So gibt es Hinweise darauf, dass bei mehr als 10% der Frauen D mit einer „Late-onset“-HCM kausal eine Fabry-Erkrankung vorliegt (4). Aus diesem Grunde haben wir in den letzten beiden Jahren über 200 Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie und klarer Genese konsekutiv auf eine reduzierte Enzymaktivität getestet. In diesem Kollektiv wurde bei zwei Patientinnen (siehe Abb. 1) ein Morbus Fabry identifiziert und durch eine molekulargenetische Untersuchung bestätigt – die Untersuchung von Blutsverwandten schließt sich an. Interessanterweise wurden von beiden Patientinnen erst im Rahmen der eingehenden Morbus-Fabry-Diagnostik typische Beschwerden berichtet, wie zum Beispiel Schmerzen in Händen und Füßen (Akroparästhesien) oder die verminderte Fähigkeit zu schwitzen (Hypohidrose). Die charakteristischen Hautveränderungen (Angiokeratome), die Trübung der Hornhaut (Cornea verticillata) und eine chronische Niereninsuffizienz waren zuvor nicht berichtet beziehungsweise nicht im Zusammenhang mit einem Morbus Fabry erkannt worden. Somit konnten wir bei rund einem Prozent der „idiopathischen“ HCM-Patienten eine Fabry-Erkrankung nachweisen und die Therapie mit rekombinanter Abb. 1: Echokardiographie bei einer Patientin mit M. Fabry und deutlicher Wandverdickung (Strichmarkierung: 1 cm) bzw. dem echo-morphologischen Bild einer nicht-obstruktiven HCM in der parasternalen Längsachse (A), im Querschnitt (B), im 4-Kammer-Blick (C) sowie in apikaler Längsachsenprojektion mit Farbkodierung (blau) des normalen LV-Ausstroms (D). LA/RA: linker/rechter Vorhof, LV/RV: linker/rechter Ventrikel Kardioforum 1 | 2009 39 Nephroprotektion Literatur Martin Schmidt, Harald Rittger, Johannes Brachmann Tabelle 2: Risikofaktoren der Kontrastmittel-induzierten Nephropathie Vorbestehendes Nierenversagen ardiovaskuläre Erkrankungen und die chronische Niereninsuffizienz weisen steigende Inzidenzen auf. Die Koinzidenz beider Erkrankungen geht mit einer besonders ungünstigen Prognose einher. Die enge Verbindung der Organdysfunktionen von Herz und Niere führte zur Prägung des kardiorenalen Syndroms (1). Über die pathophysiologischen Zusammenhänge von Herzzeitvolumen, extrazellulärem Blutvolumen und Blutdruck führt die Dysfunktion eines Organs unmittelbar zur schädlichen Beeinflussung des anderen, sodass die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei niereninsuffizienten Patienten signifikant höher als bei Nierengesunden ist (2, 3). Für das akute Koronarsyndrom ist die eingeschränkte Nierenfunktion als eigenständiger Risikomarker mit hoher Prädiktion einer erhöhten Mortalität anerkannt (4). In den aktuellen ESC-Guidelines zum akuten Koronarsyndrom (ACS) wurde dem Rechnung getragen. Aufgrund der Abhängigkeit des Serumkreatinins von Patientenalter, Körpergewicht und Muskelmasse wird die Bestimmung der Kreatinin-Clearance (CrCl) bzw. der K Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Johannes Brachmann Klinikum Coburg Ketschendorfer Str. 33 96450 Coburg Tel.: 0 95 61/22 63 48 Fax: 0 95 61/22 63 49 www.klinikum-coburg.de [email protected] glomerulären Filtrationsrate (GFR) bei jedem Patienten mit ACS gefordert. Ganz entscheidend wird empfohlen, dass Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion die gleiche Erstbehandlung wie Patienten ohne Nierenfunktionseinschränkung erhalten müssen. Aufgrund des erhöhten kardiovaskulären Risikos sind alle Patienten mit einer CrCl < 60ml/min als Risikopatienten zu betrachten und einer raschen invasiven Abklärung und Revaskularisation zuzuführen (5). Aus der pathophysiologischen Interaktion des kardiorenalen Systems wird deutlich, dass eine Protektion der Nierenfunktion bei der zunehmend häufiger notwendigen invasiven Koronardiagnostik und -therapie von niereninsuffizienten Patienten von zentraler Bedeutung ist. Die Kontrastmittel-induzierte Nephropathie (CIN) ist allgemein als temporärer Anstieg des Serumkreatinins innerhalb der ersten 24 h im Anschluss an eine Kontrastmittelapplikation mit einem Gipfel bis zu 5 Tage danach definiert. Sie ist Stadium Kardioforum 1 | 2009 Höheres Alter Kongestive Herzinsuffizienz GFR (ml/min/1,73 m2) 1 Nierenfunktionsstörung mit normaler oder erhöhter GFR > _90 2 Nierenfunktionsstörung mit geringer Abnahme der GFR 60–89 3 Moderate Abnahme der GFR 30–59 4 Schwere Abnahme der GFR 15–29 5 Nierenversagen <15 (oder Dialyse) (2) Suwaidi J, Reddan DN, Williams K et al. Prognostic implications of abnormalities in renal function in patients with acute coronary syndromes. Circulation 2002;106:974–980 Bluthochdruck Intraaortale Gegenpulsation Hypalbuminämie patientenbezogen Periphere arterielle Verschlusskrankheit Periprozeduraler Schock Akuter Herzinfarkt Notfallprozedur Anämie Diabetes mellitus nicht patientenbezogen Kontrastmittel-assoziiert: hohe Osmolarität, Ionizität, Viskosität Kontrastmittelmenge für etwa 10% aller im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts erworbenen Nierenversagen verantwortlich. Auch ohne Nierenversagen verschlechtert sich die Prognose eines Patienten mit CIN und trägt zu einem längeren Krankenhausaufenthalt und zusätzlichen Kosten bei (6). Die Nierenfunktion wird auf Basis der glomerulären Filtrationsrate (GFR) nach der National Kidney Foundation Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (NKF KDOQI) in 5 Stadien eingeteilt (Tabelle 1). Maßnahmen zur Prävention einer CIN sind v. a. bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ab KDOQI-Stadium > _III erforderlich. In Tabelle 2 sind die relevanten Risikofaktoren einer CIN aufgeführt. Das in den gängigen Lehrbüchern immer als Risikofak- (3) Best PJ, Lennon R, Ting HH et al. The impact of renal insufficiency on clinical outcomes in patients undergoing percutaneous coronary interventions. J Am Coll Cardiol 2002; 39:1113–1119 (4) Masoudi FA, Plomondon ME, Magid DJ, Sales A, Rumsfield JS. Renal insufficiency and mortality from acute coronary syndromes. Am Heart J 2004;147:623–629 (5) Bassand JP, Hamm CW, Ardissino D, Boersma E, Budai A, Fernandez-Aviles F, Fox KAA, Hasdai D, Ohman EM, Wallentin L, Wijns W. Guidelines for the diagnosis and treatment of non-ST-segment elevation acute coronary syndromes. Eur Heart J 2007;28:1598–1660 Hypotension Bei welchen Patienten muss eine Nephroprotektion erfolgen? Tabelle 1: Stadien der chronischen Niereninsuffizienz (NKF KDOQI) 40 Diabetes mellitus (1) Bongartz LG, Maarten MJ, Doevendans PA, Joles JA, Braam B. The severe cardiorenal syndrome: „Guyton revisited“. Eur Heart J 2005;26:11–17 tor beschriebene multiple Myelom kann als solcher nicht mehr aufrechterhalten werden, wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen (7). Aus der Sicht des Kardiologen müssen insbesondere bei allen Patienten mit akutem Koronarsyndrom und einer GFR <60 ml/min präventive Maßnahmen zur Stabilisierung der Nierenfunktion ergriffen werden. Nephroprotektion – Hydratation Eine ausreichende Hydrierung trägt entscheidend zur Prävention einer CIN bei; dies ist schon lange bekannt (8). Lange galt die Gabe von Natriumchlorid 0,45% als Standard, eine vergleichende Studie konnte jedoch sogar einen Vorteil für die in Europa verbreitete 0,9%ige Kochsalzlösung aufzeigen (9). Natriumbikarbonat- (6) McCullough PA, Adam A, Becker CR et al. Epidemiology and prognostic implications of contrastinduced nephropathy. Am J Cardiol 2006;98:5K–13K (7) McCarthy CS, Becker JA. Multiple myeloma and contrast media. Radiology 1992;183:519-521 (8) Eisenberg RL, Bank WO, Hedgock MW. Renal failure after major angiography can be avoided with hydration. Am J Radiol 1981; 136:859–861 (9) Mueller C, Buerkle G, Büttner HJ et al. Prevention of contrast media-associated nephropathy: randomized comparison of 2 hydration regimens in 1620 patients undergoing coronary angioplasty. Arch Intern Med 2002;162:329–36 (10) Merten GJ, Burgess WP, Gray LV et al. Prevention of contrast-induced nephropathy with sodium bicarbonate: a randomized controlled trial. JAMA 2004;291:2328–2334 Kardioforum 1 | 2009 41 (11) Recio-Mayoral A, Chaparro M, Prado B et al. The reno-protective effect of hydration with sodium bicarbonate plus N-acetylcysteine in patients undergoing emergency percutaneous coronary intervention: the RENO Study. J Am Coll Cardiol 2007;49:1283–1288 (12) Briguori C, Airoldi F, D’Andrea D et al. Renal Insufficiency Following Contrast Media Administration Trial (REMEDIAL): a randomized comparison of 3 preventive strategies. Circulation 2007; 115:1211–1217 (13) Solomon R, Werner C, Mann D et al. Effects of saline, mannitol, and furosemide on acute decreases in renal function induced by radiocontrast agents. N Engl J Med 1994;331:1416–1420 (14) Krasuski RA, Beard BM, Geoghagan JD et al. Optimal timing of hydration to erase contrast-associated nephropathy: the OTHER CAN study. J Invasive Cardiol 2003; 15:699–702 (15) Tepel M, van der Giet M, Schwarzfeld C et al. Prevention of radiographic-contrast-agent-induced reductions in renal function by acetylcysteine. N Engl J Med 2000; 343:180–184 (16) Pannu N, Wiebe N, Tonelli M. Prophylaxis strategies for contrastinduced nephropathy. JAMA 2006;295:2765–2779 (17) Marenzi G, Assanelli E, Marana I et al. N-acetylcysteine and contrast-induced nephropathy in primary angioplasty. N Engl J Med 2006;354:2773–2782 (18) Hoffmann U, Fischereder M, Kruger B et al. The value of N-acetylcysteine in the prevention of radiocontrast agent-induced nephropathy seems questionable. J Am Soc Nephrol 2004;15:407–410 (19) Ix JH, McCulloch CE, Chertow GM. Theophylline for the prevention of radiocontrast nephropathy: a meta-analysis. Nephrol Dial Transplant 2004;19:2747–2753 haltige Lösungen könnten durch Minderung der Alkalisierung der tubulären Flüssigkeit und damit geringere Produktion freier Sauerstoffradikale Vorteile gegenüber den Kochsalzlösungen aufweisen. Eine entsprechende erste Studie zeigte eine verminderte Inzidenz der CIN unter Bikarbonat gegenüber einer Kochsalzlösung (10). Das in dieser Studie eingesetzte Hydratationsprotokoll war allerdings so aufwendig, dass es nicht ohne weiteres in den normalen klinischen Alltag umgesetzt werden kann. Zwei kürzlich publizierte Studien an kardialen Patienten nach Angiographie konnten ebenfalls die Überlegenheit der Bikarbonatinfusion gegenüber der Gabe von Kochsalzinfusion (jeweils in Kombination mit N-Acetylcystein) bestätigen (11,12). Eine forcierte Diurese mit Furosemid oder Mannitol ist der reinen Hydratation bei Patienten mit schwerer vorbestehender Niereninsuffizienz unterlegen und sollte nicht mehr erfolgen (13). Orale Protokolle für eine Flüssigkeitsapplikation direkt vor der KontrastmittelGabe zeigten widersprüchliche Resultate, insbesondere älteren Patienten fällt es darüber hinaus oft schwer, größere Mengen Flüssigkeit zu trinken. Die Hydrierung sollte idealerweise am Vorabend der Untersuchung beginnen (14). Zusammenfassend wird derzeit noch die Gabe von NaCl 0,9% 1 ml/kgKG/h i. v. 12 h vor bis 12 h nach KM-Applikation empfohlen. Inwieweit der vielversprechende Einsatz von Bikarbonat für einzelne Patienten sinnvoll sein kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Diuretika sollten nicht zur forcierten Diurese eingesetzt werden, es sei denn, es besteht eine Hyperhydratation vor einer notwendigen KMExposition wie bei akutem Koronarsyndrom. Hyperhydrierte Patienten erhalten keine Infusion. Nephroprotektion – Pharmakologische Substanzen Pathophysiologisch vielversprechende Ansätze konnten sich bei mehreren Substanzen in klinischen Studien mit Manni- 42 Kardioforum 1 | 2009 tol, Furosemid, Fenoldopam, Dopamin, atrialem natriuretischem Peptid, Kalziumkanalblocker, Captopril und einem Endothelinantagonisten nicht bestätigen. Es konnte kein klinisch relevanter nephroprotektiver Effekt nachgewiesen werden. Klinisch etablieren konnte sich hingegen das Acetylcystein (ACC). ACC wirkt antioxidativ und gefäßerweiternd und soll so die CIN verhindern. Für den potenziellen therapeutischen Effekt werden v. a. sekundäre Effekte wie z. B. die Induktion der Glutathionsynthese verantwortlich gemacht. Seit der ersten Beschreibung durch Tepel et al. (15) wurde dieser Ansatz sehr kontrovers diskutiert. Trotz einer Vielzahl von Folgestudien und Metaanalysen liegt bisher keine generell gültige Empfehlung vor (16). Derzeit wird geprüft, ob ACC in vielen Studien unterdosiert war. In einer kürzlich veröffentlichten Studie an herzinsuffizienten Patienten waren, wenn ACC i. v. appliziert wurde (150 mg/kgKG über 30 min), die Inzidenz der CIN und die Krankenhausmortalität in der Interventionsgruppe hochsignifikant niedriger als in der Kontrollgruppe, was für einen dosisabhängigen Effekt des ACC spricht (17). Zu bedenken ist, dass der i.v.-Gebrauch von ACC auch eine anaphylaktoide Reaktion hervorrufen kann und dass die Messung der GFR mittels Serumkreatinin durch ACC beeinflusst zu werden scheint (18). Basierend auf dem pathophysiologischen Konzept einer Adenosin-vermittelten Vasokonstriktion im Rahmen der CIN wurde der Adenosin-Antagonist Theophyllin in mehreren Studien getestet. 2 Metaanalysen auf dem Boden von 9 Primärstudien zeigten, dass unter Theophyllin ein durch KM-Gabe ausgelöster Kreatininanstieg geringer ausfällt als ohne Theophyllin (19). Die Ergebnisse waren besonders gut bei Patienten, bei denen eine prophylaktische Hydratation nicht erfolgte oder nicht erfolgen konnte. Folglich könnte Theophyllin ein guter Kandidat für die Prävention der CIN bei hyperhydrierten Patienten oder Patienten auf einer Inten- sivstation sein. Die bisher einzige hierzu erschienene Studie, die Theophyllin und ACC bei diesem Patientenkollektiv verglich, zeigte, dass die prophylaktische Infusion von 200 mg Theophyllin 30 min vor der KM-Gabe der Applikation von ACC bei Patienten auf einer Intensivstation überlegen war (20). Im Routinegebrauch kann Theophyllin gegenüber ACC aufgrund seiner potenziellen Nebenwirkungen (tachykarde Rhythmusstörungen) nicht generell empfohlen werden, ein selektiver Adenosin-A2-Antagonist befindet sich jedoch in der klinischen Erprobung. Zusammenfassend kann die Gabe von ACC und Theophyllin aufgrund der widersprüchlichen Datenlage nicht generell zur Prävention einer CIN empfohlen werden. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Zeichen der Hyperhydratation, bei denen eine weitere Hydratation kontraindiziert ist, können ACC, wenn möglich in oraler Form vor und nach KMExposition oder Theophyllin 200 mg intravenös 30 min vor KM-Exposition, derzeit empfohlen werden. zen von Metformin während der Behandlung fehlen. Da die Plasmahalbwertszeit von Metformin etwa 1,5–5 h beträgt, kann Metformin bis zur Nacht vor der Behandlung verabreicht werden (21). Metformin sollte am Tag der Behandlung ausgesetzt werden und wenn klar ist, dass keine CIN eingetreten ist, wieder fortgeführt werden. Eine alternative Diabetesbehandlung kann notwendig sein. Ein prophylaktischer Einsatz eines Nierenersatzverfahrens kann nicht empfohlen werden. Kontrastmittel sind zwar grundsätzlich dialysabel, jedoch konnte auch eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse verschiedener randomisierter Studien erneut keine Prävention des CIN durch maschinelle KM-Entfernung nachweisen (22). Die Durchführung einer prophylaktischen Hämofiltration ergab zwar einen günstigen Effekt, bleibt aber bei sehr aufwendigem Design umstritten und kann, bis überzeugende Daten existieren, nicht generell empfohlen werden (23). Weitere Maßnahmen zur Nephroprotektion Generelles Vorgehen bei Patienten mit Niereninsuffizienz Der gleichzeitige Gebrauch von nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten wie auch selektiven Cox-2Inhibitoren und KM kann das Risiko einer CIN erhöhen. Beide Substanzgruppen sollten daher vor KM-Exposition abgesetzt werden. Antihypertensiva sollten bei den meisten Patienten unter der KMExposition weiter gegeben werden, da prophylaktische Hydratationsschemata sowohl potenziell den Blutdruck erhöhen als auch hypertensive Lungenödeme bei Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Funktion verursachen können. Bei Patienten ohne Herzinsuffizienz sollten Diuretika jedoch vor der KMGabe pausiert werden. Metformin kann bei Nierenversagen eine Laktazidose induzieren. Auf der anderen Seite kann unkontrollierter Diabetes einen Volumenmangel bewirken und somit das Risiko für eine CIN erhöhen. Randomisierte Studien über das Abset- Bei allen Patienten vor Durchführung einer Koronarangiographie/-intervention muss die aktuelle Nierenfunktion (CrCl) bekannt sein. Grundsätzlich gilt die strenge Indikationsstellung für eine KMGabe. Es sollten niederosmolare KM in der geringstmöglichen Menge zur Anwendung kommen. Nephrotoxische Medikamente sind abzusetzen. Für einen optimalen Volumenstatus sollte die Gabe von Kochsalz 0,9% 12 h vor bis 12 h nach KM-Gabe mit 1 ml/kgKG erfolgen. 2-malig ACC 600 mg per os am Tag vor und nach KM-Exposition bei Hochrisikopatienten mit Herzinsuffizienz und Hyperhydratation, bei Intensivpatienten ggf. zusätzlich Theophyllin 200 mg intravenös 30 min vor der Untersuchung. Die Kontrolle der Nierenfunktion muss frühestens nach 24 h, spätestens nach 72 h erfolgen. (20) Huber W, Eckel F, Hennig M et al. Prophylaxis of contrast materialinduced nephropathy in patients in intensive care: acetylcysteine, theophylline, or both? A randomized study. Radiology 2006;239: 793–804 (21) Bailey CJ, Turner RC. Metformin. N Engl J Med 1996; 334:574–579 (22) Cruz DN, Perazella MA, Bellomo R et al. Extracorporeal blood purification therapies for prevention of radiocontrast-induced nephropathy: a systematic review. Am J Kidney Dis 2006;48:361–371 (23) Marenzi G, Lauri G, Campodonico J et al. Comparison of two hemofiltration protocols for prevention of contrast-induced nephropathy in high-risk patients. Am J Med 2006;119:155–162 Kardioforum 1 | 2009 43 Somnologische Notizen Ein Jahr SERVE-HF Studie Investigator Meeting in Hamburg – 30. bis 31. Januar 2009 Vor gut einem Jahr ging die SERVEHF Studie mit einem Kick-offMeeting in Deutschland an den Start. Jetzt haben sich rund 170 Teilnehmer verschiedener deutscher Studienzentren Ende Januar zu einem zweitägigen Erfahrungsaustausch getroffen. Ziel der SERVE-HF Studie ist, herauszufinden, welche langfristigen Auswirkungen eine Behandlung mit adaptiver Servoventilation bei Patienten mit stabiler chronischer Herzinsuffizienz und vorwiegend zentraler Schlafapnoe auf Mortalität und Morbidität hat und ob diese kosteneffektiv ist. Mittlerweile zählt die Herzinsuffizienz zu den häufigsten internistischen Erkrankungen in Europa. Laut den erst vor kurzem veröffentlichten Pocket-Leitlinien für 2009 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie liegt die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei 2–3 % der Bevölkerung weltweit. Bei den 70- bis 80-Jährigen sind sogar 10–20 % betroffen. Die chronische Herzinsuffizienz geht nicht nur mit einer hohen Sterblichkeit, sondern auch mit gravierenden Einschränkungen der Lebensqualität einher. Das Programm des Investigator Meetings der SERVE-HF Studie bot interessante Diskussionspunkte. Neben Vorträgen zum bisherigen Verlauf und Stand der Studie standen Fragen rund um die Organisation, die Logistik und das Studienmanagement im Vordergrund. Jedoch kamen auch weitere Themen zur Sprache. Professor Erland Erdmann, Ärztlicher Direktor des Herzzentrums der Universitätsklinik Köln, hielt einen Vortrag über die „Therapie der Herzinsuffizienz 2009“. Neues zum Thema Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz und 44 Kardioforum 1 | 2009 einen Ausblick in die Zukunft vermittelte Professor Helmut Teschler, Ruhrlandklinik Essen. Das Thoraxzentrum Bochum/ Herne, das Krankenhaus Reinbek/ St. Adolf Stift sowie das Universitätsklinikum Würzburg gaben einen Einblick in die Praxis der Studie. Diese drei Studienzentren stellten mit einer Präsentation exemplarisch die praktische Durchführung der SERVE-HF Studie in ihren Häusern vor. Dem Veranstalter war es wichtig, den Erfahrungsaustausch unter den Zentren zu fördern. Das Investigator Meeting bot die Gelegenheit, die Zusammenarbeit zu vertiefen und somit auch wertvolle Erfahrungsberichte für die Weiterentwicklung und gute Durchführung der Studie zu nutzen. Bislang nehmen Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Schweden an der von ResMed initiierten Studie teil. Gleich zu Beginn der Studie zeigte sich einmal mehr, welche unterschiedlichen Anforderungen innerhalb Europas gestellt werden. So wurde das Studienprotokoll bei der Prüfung durch die jeweiligen Ethikkommissionen der einzelnen Länder unterschiedlich bewertet. „In Deutschland ging es glatt durch. Großbritannien und Frankreich mussten Modifizierungen vornehmen, was zu Verzögerungen von bis zu neun Monaten in diesen Ländern führte“, so Holger Woehrle, Studienleiter der SERVE-HF Studie. Die Rekrutierung der Patienten stellt sich als aufwendig heraus. Aufgrund der strikten Einschlusskriterien ist die Auswahl der Patienten schwierig. Um die geplanten 1260 Patienten zeitnah zu erreichen, sind Anstrengungen nötig. Die Einschlusszahlen für diese Studie weiter auszubauen, bleibt die Herausforderung für die Zukunft. Erste Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich 2012 vorliegen. Näheres zur und über die Studie: www.servehf.com Im Rahmen des Investigator Meetings wurden die jeweils ersten drei Zentren für die meisten eingeschlossenen Patienten in die Studie und das SchlafHF Register mit einer Urkunde ausgezeichnet. Die Urkunde für den ersten Platz bei der Studie bekam Dr. Martina Neddermann, Thoraxzentrum Bochum/Herne, überreicht. Aufgrund gleicher Anzahl an eingeschlossenen Patienten ging der zweite Platz an das Krankenhaus Reinbek und die Uni Lübeck. Für den dritten Platz wurden die Diakonie Düsseldorf-Kaiserswerth, die Ruhrlandklinik Essen und die Uni Köln ausgezeichnet wie auch die Uni Würzburg. Beim SchlafHF Register wurden die Uni Lübeck (1. Platz), das Klinikum Augustinum München (2. Platz) sowie das Krankenhaus Reinbek (3. Platz) ausgezeichnet. Neue Rahmenbedingungen in der schlafmedizinischen Versorgung Zum 1. April 2009 trat eine neue gesetzliche Regelung in Kraft: der § 128 SGB (Sozialgesetzbuch) V mit der Überschrift „Unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten“. Nach diesem Paragraphen ist es Vertragsärzten, Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen künftig nicht mehr gestattet, Hilfsmittel über Depots an Patienten abzugeben. Auf den Bereich der Schlafmedizin bezogen, bedeutet dies, dass Schlaflabore in Zukunft nicht mehr wie bisher eine Palette von Beatmungsgeräten, Masken und sonstigem Zubehör verschiedener Hersteller vorhalten dürfen, um ihre Patienten damit zu versorgen. Den Krankenkassen kommt bei dieser neuen Regelung eine aktive Überwachungsfunktion zu: Sie sollen sicherstellen, dass Nichteinhaltungen des Verbots durch Verwarnungen und Vertragsstrafen geahndet werden. Für den Fall schwerwiegender, wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können. Der Hintergrund dieser Bestimmung: Das Bundesgesundheitsministerium möchte eine mögliche Korruption bzw. ungerechtfertigte Vorteilsnahme unterbinden. „Es gibt Hinweise auf deutliche Fehlentwicklungen in der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten, denen mit dem neu eingefügten § 128 SGB V entgegengewirkt werden soll“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Depots böten einen besonderen Anreiz dazu, sich gegen unzulässige Zuwendungen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Ferner werde das Wahlrecht der Patienten durch solche Hilfsmitteldepots eingeschränkt. Berufsrecht, Strafrecht und Wettbewerbsrecht haben aus Sicht des Gesetzgebers bisher offenbar nicht ausgereicht, um fragwürdige Formen der Zusammenarbeit wirksam zu verhindern. Natürlich ist es grundsätzlich sinnvoll, dass der Gesetzgeber gegen mögliche Korruption im Gesundheitswesen vorgeht. Der neue Paragraph ist allerdings aus zwei Gründen problematisch: Erstens wird dadurch quasi eine ganze Gruppe medizinischer Leistungen (nämlich die Hilfsmittelverordnungen) unter Generalverdacht gestellt. Zweitens wird mit dem Depothaltungsverbot eine bestehende, in aller Regel durchaus gut funktionierende Struktur beseitigt, was die Versorgung der Patienten logistisch schwieriger macht. Denn der Paragraph sieht zwar eine Notfallregelung vor, nach der Patienten in Notfällen sofort mit einem Hilfsmittel versorgt werden können und sollen. Im schlafmedizinischen Bereich wird es jedoch in der Regel schwierig sein, einen solchen Notfall zu begründen. Um dieser logistischen Herausforderung angemessen zu begegnen und sicherzustellen, dass die Versorgung der Patienten und der tägliche Arbeitsablauf der Ärzte darunter nicht leiden, hat die Firma ResMed, so deren Geschäftsführer Frank Rebbert, ein Team von 15 Mitarbeitern für die Entwicklung neuer, den Bestimmungen des Paragraphen entsprechender Versorgungsprozesse abgestellt. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten: • Vorsorgliche Bereitstellung (Lieferung zum definierten Patiententermin): Der Arzt bzw. das Schlaflabor sendet die Anforderung der benötigten Hilfsmittel mit vollständigen Patienteninformationen an ResMed. Ist der benötigte Maskentyp bereits bekannt, kann auch die Maske in die Lieferung mit einbezogen werden. ResMed liefert die angeforderten Hilfsmittel dann zum Wunschtermin direkt auf die Station. Auf der Verpackung ist der Name des Patienten vermerkt, sodass es sich klar erkennbar um eine patientenbezogene Lieferung und nicht um eine Depothaltung handelt. • Lieferung am nächsten Tag: Die Lieferung ist bereits bis 10.30 Uhr des Folgetages nach der Titrationsnacht möglich, sodass eine zeitnahe Versorgung und Einweisung des Patienten in die Verwendung der Hilfsmittel gewährleistet ist und er dann auch rasch entlassen werden kann. • Patientenversorgung zu Hause bzw. im Treffpunkt ResMed: Nach der Titrationsnacht wird der Patienten ggf. durch das Schlaflabor/den Verordner in die Verwendung von CPAP-Gerät und Maske eingewiesen. Dann sendet der Arzt bzw. das Schlaflabor die Verordnung mit detaillierten Patienteninformationen und Geräteeinstellparametern an ResMed, und es erfolgt eine zeitnahe Geräteauslieferung beim Patienten bzw. eine Geräteausgabe im Treffpunkt ResMed. Bleibt nur noch die Frage nach gewissen Details der praktischen Umsetzung des neuen Paragraphen, beispielsweise im Hinblick auf die Masken. Der Industrieverband Spectaris hat Gespräche über solche offenen Fragen mit dem Bundesgesundheitsministerium geführt und u.a. empfohlen, die Masken aus Gründen der Praktikabilität fortan nicht mehr als Hilfsmittel zu betrachten, sondern als Hygieneartikel. Bis auf Weiteres gilt die Maske jedoch als Hilfsmittel und fällt somit ebenfalls unter das Depothaltungsverbot. Der GKV-Spitzenverband wird bis Ende Juni eine Durchführungsrichtlinie für die Krankenkassen ausarbeiten, die die Umsetzung des Depothaltungsverbots in die Praxis vorsieht. Außerdem wird im April voraussichtlich noch ein weiteres Gespräch mit Spectaris, den Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) und Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) im Gesundheitsministerium stattfinden. Kardioforum 1 | 2009 45 Praxishomepage richtig gestalten – Abmahngefahr bannen Maximilian G. Broglie und Lorenz Maximilian Rasch Die zunehmende Bedeutung des Mediums Internet in allen Wirtschaftsbereichen macht auch vor den Türen der Arztpraxis nicht halt. Auch die Unternehmen der Gesundheitsberufe, wie die Arztpraxen, müssen sich deshalb bei schwieriger werdenden Wettbewerbsbedingungen mit dem Thema Werbung im Internet befassen. bwohl viele Praxen das Internet als Darstellungsplattform bereits erfolgreich nutzen, wird die Regelungsdichte des Rechtsverkehrs im Internet immer noch unterschätzt. Ein Grund für diese Fehleinschätzung könnte die scheinbare Anonymität bei der eigenen Nutzung des Internets sein. Zudem scheint die Wahrnehmung der virtuellen Welt mit der Unterstellung der mangelhaften Kontrollierbarkeit einherzugehen. Im Gegensatz zu dieser Vorstellung gelten auch im Internet die berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Schranken der Werbung, wie sie bereits für andere Bereiche der Kommunikation gefestigt sind. Flankierend hierzu hat der Gesetzgeber Vorschriften erlassen, die die Verantwortlichkeit für Inhalte im Internet transparent machen soll. Aus diesem Grunde sind bei der Gestaltung eines Internetauftritts rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, um teure Abmahnungen durch Konkurrenten, Wettbewerbszentralen oder hierauf spezialisierte Anwälte zu vermeiden. Grundsätzlich darf der Arzt werben, was sich u. a. unmittelbar aus dem Recht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG herleiten lässt. Sowohl das Berufsrecht als auch das Wettbewerbsund Heilmittelwerberecht setzen dieser Freiheit jedoch zum Teil enge Grenzen. In berufsrechtlicher Hinsicht ist dem Arzt die sachliche und berufsbezogene Information erlaubt. Spiegelbildlich ist dem Arzt damit jede anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung untersagt. Ausdrücklich zulässig sind nach der Berufsordnung jedoch die Ankündigung von nach den Weiterbildungsordnungen erworbenen Bezeich- O 46 Kardioforum 1 | 2009 nungen, anderen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbenen Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkten. Hierzu gehören unproblematisch die Angabe von Fachgebietsbezeichnungen, Schwerpunktbezeichnungen oder Zusatzbezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung. Weiter ist die Angabe von Abrechnungsgenehmigungen der Kassenärztlichen Vereinigungen ebenso zulässig wie Informationen über Zertifikate der Ärztekammern. Professorenoder Doktoren- und andere ärztliche Titel können dann angegeben werden, wenn sie aufgrund landesrechtlicher Vorschriften rechtmäßig erworben wurden. Die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten kann sinnvoll sein, um die Tätigkeit des Arztes auf einem bestimmten Gebiet näher zu beschreiben, und dient insofern dem Informationsinteresse der Patienten. Zu beachten ist jedoch, dass die Tätigkeit des Arztes tatsächlich diesen Schwerpunkt haben muss. Vorsicht ist jedoch dann geboten, wenn die Bezeichnung des Tätigkeitsschwerpunktes einer Qualifikation der Weiterbildungsordnung ähnelt. In diesem Fall ist die Angabe als Tätigkeitsschwerpunkt unzulässig, da insoweit Verwechslungsgefahr und somit die Irreführung des Patienten droht. Die Bezeichnung als Spezialist sollte nur dann gewählt werden, wenn der Arzt im Gegensatz zu den Kollegen im betreffenden Gebiet über weit überdurchschnittliche Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Vor dem Hintergrund der mit der Verwendung verbundenen Alleinstellung ist hier jedoch Zurückhaltung geboten, um teure Auseinandersetzungen zu vermeiden. Ähnliches gilt für die Bezeichnung einer ärztlichen Einrichtung als Zentrum. Die Rechtsprechung verbindet mit diesem Begriff regelmäßig eine gewisse Größe und Bedeutung der Einrichtung. Anhand dieser Kriterien muss sich die als Zentrum bezeichnete Einrichtung deutlich von den übrigen Einrichtungen im räumlichen Gebiet abheben. Der Arzt darf sich selbst und auch sein Personal auf der Homepage mit Lebenslauf und Photo vorstellen. Auch Bilder der Praxis dürfen grundsätzlich gezeigt werden. Wichtig ist dabei, dass keine heilkundliche Tätigkeit abgebildet werden darf. Bei der Verwendung von fremden Photos, Bildern oder Kartenausschnitten ist zu beachten, dass diese in aller Regel dem Urheberrecht unterliegen und somit nicht ohne Zustimmung verwendet werden dürfen. Auch von der Einrichtung eines Gästebuchs, Weblogs oder eines Forums sollte der Arzt absehen, da derartigen Inhalten in der Regel der Charakter der sachlichen Information fehlt. Neben dem eigentlichen Inhalt der Internetseite des Arztes muss auch der Domainname mit Bedacht gewählt werden. Schon die Verknüpfung der Fachgebietsbezeichnung mit einem Ortsnamen kann wettbewerbswidrig und irreführend sein. Demnach wäre beispielsweise die Angabe Kardiologie-Wiesbaden.de unzulässig, da der falsche Eindruck entstehen könnte, dass es sich um die einzige Kardiologiepraxis in Wiesbaden handelt. Es liegt dann insoweit eine unzulässige Alleinstellung bzw. Spitzenstellungsbehauptung vor. Zudem sollte geprüft werden, ob der gewählte Name mit einer anderen Markenbezeichnung verwechselt werden könnte. Schließlich sind die Vorschriften des Telemediengesetzes zu beachten. Diese Regeln die Kennzeichnung der Anbieter und werden regelmäßig im so genannten „Impressum“ umgesetzt. Dieses muss für den Besucher der Internetseite ständig und von jeder Seite leicht erreichbar sein. Neben dem Namen und der Anschrift des Arztes muss zwingend eine E-Mail-Adresse angegeben werden. Außerdem müssen die Rechtsform der Praxis, die jeweilige Landesärztekammer und die Kassenärtliche Vereinigung angegeben werden. Wichtig ist auch die Angabe der Berufsbezeichnung Arzt. Dabei ist zu beachten, dass zusätzlich auch der Staat anzugeben ist, in welchem diese Berufsbezeichnung erworben wurde. Dies gilt auch dann, wenn es um die Bundesrepublik Deutschland handelt. Schließlich müssen die berufsrechtlichen Regelungen angegeben werden und mit einem Verweis auf die jeweilige Quelle im Internet versehen werden. Zudem muss eine Datenschutzerklärung in das Impressum aufgenommen werden, da schon beim Aufruf der Internetseite durch einen Nutzer Daten beim Provider zumindest temporär gespeichert werden. Auf einen Haftungsausschluss oder „Disclaimer“ sollte jedoch verzichtet werden. Einerseits kann die Haftung für das eigene Verhalten des Betreibers der Webseite nicht ausgeschlossen werden. Andererseits könnten die Ermittlungsbehörden aufgrund des Haftungsausschlusses den Verdacht hegen, dass die Unrechtmäßigkeit der Inhalte sogar positiv bekannt war und deshalb zur Aufnahme des Haftungsausschlusses führte. Die Probleme, die im Zusammenhang mit der notwendigen Darstellung der Praxis im Internet einhergehen, sind vielfältig und nur schwer übersehbar. Im Zweifel sollte der Arzt den Internetauftritt vor der Veröffentlichung rechtlich prüfen lassen, um die Abmahngefahr zu bannen. Maximilian Guido Broglie, Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht Korrespondenzadresse: Broglie, Schade & Partner GBR Rechtsanwälte Sonnenberger Straße 16 65193 Wiesbaden Tel.: 06 11/1 80 94 14 Fax: 06 11/1 80 95 18 [email protected] www.arztrecht.de Kardioforum 1 | 2009 47 Kardiale Resynchronisationstherapie: Der implantierte Herzschrittmacher ist 50 Roland Dreyer or 50 Jahren rettete der erste implantierte Herzschrittmacher ein Menschenleben. Die Geschichte dieser Erfindung ist ein Paradebeispiel für die Zusammenarbeit von Ingenieuren und Medizinern. Die historischen Wurzeln der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) reichen bis ins 16. Jahrhundert. Der italienische Arzt Geronimo Mercuriale (1530–1606) beschrieb 1580 das Wesen einer Synkope: „Ubi pulsus sit rarus semper expectanda est syncope“ – wo der Puls langsam ist, da ist immer ein V 48 Kardioforum 1 | 2009 Kollaps zu erwarten. Er unterscheidet bereits zwischen kardial und neurologisch bedingten Synkopen. Bereits 1640 erschienen die ersten Publikationen, die über die bioelektrischen Zusammenhänge im Herzmuskel spekulierten. Der Slowene Marcus Gerbezius (1658–1718) beschreibt 1691 erstmals die Symptome eines kompletten AVBlocks, heute als Adams-StokesSyndrom bekannt. Auch Giovanni Battista Morgagni (1682–1771) stellt 1761 exakt das klinische Bild der kreislaufbedingten Synkope vor. Und schon 1774 findet sich in den Registern der Royal Human Society of London der erste Hinweis auf die Reanimation eines jungen Mädchens mittels Elektroschock durch einen Mr. Squires. Dann eilt die Geschichte über den dänischen Pferdeund Vieharzt Peter Christian Abildgaard (1740–1801) bis zum Italiener Luigi Galvani (1737–1798), der mit seiner Schrift „De viribus electricitatis in motu musculari commentarius“ (Über die elektrischen Kräfte bei der Muskelbewegung) einen entscheidenden Beitrag für die Grundlagen der Elektrostimulation lieferte, wenngleich er nur mit Fröschen experimentierte. Während es bis dahin etwas mühsam gewesen war, elektrische Energie zu verwenden – die Leidener Flasche, eine Art Kondensator, diente als recht schwachbrüstige Stromquelle –, schaffte Alessandro Volta durch die Entdeckung der elektrochemischen Spannungsreihe den Durchbruch für die chemischen Energiespeicher. Seine um 1800 konstruierte Volta’sche Säule war die erste funktionierende Batterie: Sie bestand aus übereinandergeschichteten Elementen aus einer Kupfer- und einer Zinkplatte, dazwischen lagen mit Salzlake getränkte Stofffetzen. Nysten, die Leichen und die Revolution Etwas gruselig wird es um 1800, als die Franzosen Marie François Xavier Bichat (1771–1802) und 1802 Pierre-Hubert Nysten von Experimenten an Enthaupteten berichten, bei denen sie durch Stromimpulse das Herz wieder zum Schlagen bringen konnten. Nebenbei: Jenem Nysten verdanken wir auch die jedem Pathologen geläufige Formel zur Todeszeitbestimmung aufgrund der Leichenstarre. An Leichen herrschte seinerzeit ja kein Mangel: Die Franzosen machten gerade Revolution. Von nun an ging es – im Wortsinne – Schlag auf Schlag. William Stokes (1804–1878) und Robert Adams (1791–1875) mutmaßten, dass eine Bradykardie, also ein Puls unter 60/min, nicht vom Hirn ausgelöst wird, sondern auf eine gestörte Erregungsbildung oder Erregungsleitung im Herzen selbst zurückzuführen ist. Bei einem atrioventrikulären oder AV-Block wird das primäre Erregungssignal des Sinusknotens im Vorhof nicht mehr zu den sekundären Schrittmacherzellen des AV-Knotens in der Herzkammer geleitet. Duchenne de Boulogne (1806–1875) erfindet kurz danach die antitachykarde Stimulation bei zu hoher Herzfrequenz: Er reizt das Areal über der Herzspitze und erreicht so wieder einen ruhigeren und regelmäßigen Puls. Abb. links: Erster implantierbarer Herzschrittmacher von 1958 Von Ziemssen und das Loch in der Serafin Als 1882 dem Arzt Hugo von Ziemssen (1829–1902) eine Tagelöhnerin, die Oberschlesierin Catharina Serafin (46), nach der operativen Entfernung eines RippenEkchondroms (gutartiger Knochentumor) und Resektion der linken vorderen Thoraxwand mit ohnehin schon freiliegendem Herzen auf seinem Tisch liegt, kann er nicht widerstehen: Mit Stromimpulsen unterschiedlicher Pulsrate gelingt es ihm, die Herzfrequenz der Patientin in einem weiten Bereich zu steuern. Damals ein grandioser Durchbruch für die Wissenschaft, heute vermutlich ein Fall für die Ethikkommission. Mehr Klarheit ins elektrokardiale Geschehen brachte der Arzt Augustus Desiré Waller. Ihm gelang 1887 die erste EKG-Darstellung im klinischen Umfeld, nachdem der Ingenieur Alexander Muirhead schon 1870 das erste humane EKG aufgezeichnet haben soll. Dritter im EKG-Ruhmesbunde ist der Arzt Willem Einthoven (1860–1927), dem wir die Aufgrund der operativen Entfernung eines Ekchondroms der Rippen und nach Resektion der linken vorderen Thoraxwand war das Herz der Patientin Catharina Serafin nur von einer dünnen Hautschicht bedeckt. Der Herzschrittmacher von Albert S. Hyman von 1933. Das Gerät wird mit einem Federmotor angetrieben, hat einen Generator, einen Unterbrecher für 30, 60 und 120 Impulse pro Minute und eine nadelförmige Elektrode, die in den Herzmuskel eingestochen wird. Bei dem hier gezeigten Gerät handelt es sich um einen Nachbau von 1999, da keines der HymanGeräte mehr existiert. Kardioforum 1 | 2009 49 Rune Elmqvist Buchstaben P bis U für die EKG-Impulsphasen verdanken. Machen wir, auch kriegsbedingt, einen Zeitsprung: Im Jahr 1932 beschreibt der Kardiologe Albert S. Hyman die erste erfolgreiche Anwendung eines externen Schrittmachers am Menschen, dessen Impulse über eine Nadel transkutan appliziert wurden. Unabhängig von ihm berichtete 1929 auf dem 3. Kongress der Australian Medical Society auch der australische Anästhesist Mark Lidwell über seine Pacing Machine. Während Hymans Gerät äußerlich wie eine komplizierte und fragile Kurbelmaschine aussieht, war Lidwells Schrittmacher praktischerweise in einem Kasten mit Klappdeckel untergebracht. Trotzdem war die Zeit offenbar noch nicht reif für die kardiale Elektrostimulation: „Teufelswerk“ war wohl nicht die schlimmste Schmähung für den Hymanator. Noch einmal Krieg. In den Fünfzigern werden die Fotos medizintechnischer Geräte nicht nur farbig, sondern die Geräte sehen auch so aus, als ob sie noch heute funktionieren könnten. Die Defibrillation, das Schocken bei Kammerflimmern, wurde erstmals 1952 von dem Bostoner Kardiologen Paul Zoll beschrieben; für unser Thema ist das insofern wesentlich, als moderne Schrittmacher auch diese Schockfunktion für den Notfall besitzen. Heute allerdings ohne das seinerzeit gegebene Risiko einer fatalen R- über T-Triggerung. blocks eingesetzt. Lillehei gilt bis heute als „Vater der Operationen am offenen Herzen“: Bis 1957 hat er bereits 300 solcher OPs an Kindern und Jugendlichen mit kongenitalen Herzschäden ausgeführt. Lillehei war es auch, der mit seinem Team die Herzelektrode erfand: mit Teflon isolierte Drähte, die direkt ins Myokard führten. Jetzt waren anstelle der schmerzhaften 150 Volt wie bei Zolls externer Stimulation über die Haut nur noch 1,5 Volt nötig, um den Herzmuskel anzuregen. Die erste Myokardelektrode wurde am 30. Januar 1957 einem dreijährigen Mädchen implantiert, das eine Herzblockade nach der OP einer FallotTetralogie hatte. Natürlich machten die transkutan eingeführten Elektroden auf Dauer Probleme. So wurde im Juli 1958 erstmals eine Elektrode über die Vena basilica zum Herzen geführt. Kurz danach entwickelte Wilson Greatbatch einen langlebigen Schrittmacher mit sehr geringem Energieverbrauch, der Patienten mit komplettem Herzblock zu einem neuen Leben verhalf. Arne Larsson (42), selbst Wissenschaftler mit Goldene Jahre am offenen Herzen Dr. Åke Senning 50 Kardioforum 1 | 2009 In den Fünfzigern lernen die Chirurgen immer mehr, am offenen Herzen zu operieren. Im Jahr 1957 arbeiteten Dr. C. Walton Lillehei, ehemaliger medizinischer Leiter von St. Jude Medical, und Earl Bakken, Elektroingenieur und Mitbegründer von Medtronic, gemeinsam an der Entwicklung des ersten tragbaren Herzschrittmachers. Dieses batteriebetriebene Gerät, von Bakken in einer Garage in Minneapolis gebaut, wurde an der University of Minnesota nach den ersten Operationen am offenen Herzen erfolgreich zur Behandlung eines Herz- 1957 erfindet Earl Bakken den ersten batteriebetriebenen externen Herzschrittmacher als Alternative zu den allerersten, wenige Jahre zuvor entwickelten Herzschrittmachern, die aufgrund ihrer Größe noch auf eine externe Stromversorgung angewiesen waren. Abb. oben: Der erste in Deutschland implantierte Schrittmacher von 1961. Adams-Stokes-Syndrom, feierte am 8. Oktober 1958 seinen zweiten Geburtstag. Der Herzchirurg Dr. Rune Elmqvist und der Medizingeräteingenieur Dr. Åke Senning setzen ihm im Karolinska Institut den weltweit ersten implantierbaren Herzschrittmacher ein. Entwickelt wurde das Miniaturgerät von der schwedischen Firma Elema Schönander, die ab 1974 zu Siemens-Elema und 1994 zu St. Jude Medical wurde. Der Schrittmacher bestand nur aus zwei Siliziumtransistoren in einer selbstschwingenden Kippschaltung, ein paar passiven Bauteilen, einer Nickel-Cadmium-Batterie und einer Spule zum externen Aufladen der Energiequelle. Alle Bauteile wurden in einer Kiwi-Schuhcremedose als Form mit Epoxidharz vergossen: daher die Maße von 55 mm Durchmesser und 16 mm Höhe. All 24 Stunden musste die Zelle induktiv neu geladen werden. Der erste Schrittmacher versagte bereits nach drei Stunden, das zweite baugleiche Implantat hielt zwei Tage durch. In den folgenden Jahren gelingt in der Schrittmachertechnologie ein Durchbruch nach dem anderen: Am 6. Oktober 1961 wurde erstmals in Deutschland ein Herzschrittmacher implantiert – vom damals 35 Jahre alten Arzt Heinz-Joachim Sykosch. Das implantierte Gerät mit dem Namen CHARDACK-GREATBATCH 5850 von der Firma Medtronic war faust- Abb. oben: Prof. Heinz-Jochen Sykosch mit dem Medtronic-CTRSchrittmacher Consulta. In der Vitrine sieht man Schrittmacher aus früheren Jahren. Abb. links: Das neueste MedtronicModell – der erste Schrittmacher weltweit, der MRT-tauglich ist. groß und 300 g schwer. 1963 entsteht der erste programmierbare Schrittmacher „Medtronic 5870“. Mieczyslaw Mirowski (1924–1990) implantiert 1980 den ersten Kardioverter/Defibrillator, der den Herzschlag überwacht und erst bei einer Störung Impulse abgibt. Drei Jahre später gibt es die ersten frequenzadaptiven Schrittmacher, die eine weitgehend physiologische Stimulation erlauben. Heute kommuniziert der Schrittmacher selbständig via Internet mit dem Arzt. Eine Implantation ist eine RoutineOP. Wie problemlos man sie überstehen kann, bewies schon Arne Larsson: Ganze 26 Schrittmacher fanden seit 1958 im Laufe seines Lebens den Weg in seine Brust, ehe er im Dezember 2001 mit 86 Jahren verstarb. Kardioforum 1 | 2009 51 ANATOMIE ALS KUNST ihre anatomische Exaktheit geprüft und stellten in der Endfertigung eine hochqualifizierte Zusammenarbeit von Anatomen und Wachsbildnern dar. Zur Fertigung insbesondere der Ganzkörpermodelle wurden zahlreiche Leichen verwendet, ging es doch darum, alle Teile möglichst naturgetreu, also frisch verwenden zu können und außerdem weg von der Individualität zu einem idealtypischen Modell zu gelangen. Zur Körperhaltung der Ganzkörpermodelle wurden auch Vorbilder aus der klassischen Plastik gewählt, von den Modellen Zeichnungen angefertigt und koloriert. Die Wiener Sammlung der anatomischen Wachsmodelle, die zur Eröffnung der Medizinisch-chirurgischen Josephs- Helmut Gröger Abb. links: Oberflächliche und tiefe Lymphgefäße (Ganzkörpermodell, Teilansicht) Ganzkörpermodelle zur Darstellung der Muskulatur in verschiedenen Schichten icht nur die Abbildung, sondern vor allem die Darstellung des menschlichen Körpers und seiner Anatomie in naturgetreuen Modellen entsprach dem Geist der Aufklärung. Die dazu am besten geeignete Wachsbildnerei lief in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Florenz zur Hochform auf. Die dort heute noch bestehende Sammlung anatomischer Wachsmodelle war das Kernstück des naturwissenschaftlichen Kabinetts, das Peter Leopold (1747–1792), Groß- N Korrespondenzadresse: Dr. med. Helmut Gröger Institut für Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität Wien Währinger Str. 25 A-1090 Wien [email protected] 52 Kardioforum 1 | 2009 herzog der Toskana, einrichten ließ. Peter Leopold, ein Förderer insbesondere der Naturwissenschaften, hatte 1766 den Anatomen und Naturforscher Felice Fontana (1730–1805) mit der Einrichtung dieses naturwissenschaftlichen Kabinetts beauftragt, das 1775 als „Imperiale Reale Museo di Fisica e Storia Naturale“ eröffnet wurde. Die anatomischen Wachsmodelle, für die Fontana eine eigene Werkstätte einrichten ließ, wurden in aller Exaktheit und Detailtreue durch Gipsabdrücke von der Leiche, die mehrfach verwendet werden konnten und als Gussformen für die Wachsmodelle dienten, erstellt. Dabei wurde der jeweilige Körperteil aus entsprechend gefärbtem Wachs gegossen, also die Muskulatur beispielsweise rotbraun sowie aus didaktischen Gründen die Arterien rot und die Venen blau. Nach dem Guss der einzelnen Teile, dem Zusammenbau und der Nachbearbeitung wurden die Wachsmodelle auf Akademie 1785 bereits von Florenz nach Wien transportiert und aufgestellt worden war, ist im Wesentlichen aus den dort vorhandenen Gussformen entstanden, ohne jedoch eine identische Kopie zu sein, denn neue Erkenntnisse und Ansprüche fanden in der Zwischenzeit ihren Niederschlag, insbesondere was die Darstellung der Lymphgefäße und die geburtshilflichen Modelle betrifft. In Wien war die Sammlung als Lehrsammlung für die von Kaiser Joseph II. als In- Kardioforum 1 | 2009 53 Abb. links oben: Herz-, Blut- und Lymphgefäße (Ganzkörpermodell, Teilansicht) Abb. rechts oben: Brustraum, Aortenbogen und obere Hohlvene durchschnitten Mehr zum Thema können Sie lesen und sehen im Buch von Manfred Skopec und Helmut Gröger, mit Fotografien von Alexander Koller: „Anatomie als Kunst“ Verlag Christian Brandstätter 2002, Wien ISBN: 3-85447-846-1 54 Kardioforum 1 | 2009 stitution für Militärchirurgen zur Hebung des Ausbildungsniveaus errichtete Akademie angeschafft worden. Die Aufstellung der Sammlung erfolgte in Wien wie in Florenz nach einem didaktischen Konzept, einem Ordnungsprinzip, das der systematischen Einteilung, also den Kapiteln der damals verbindlichen anatomischen Lehrbücher entsprach, wie Knochen-, Bänder-, Muskel-, Eingeweide-, Gefäß- und Nervenlehre, einschließlich des Gehirns. Über die Form der Aufstellung hinaus war auch die Kombination jedes Modells mit einer deckungsgleichen, kolorierten Zeichnung und einem verdeckten, jederzeit abrufbaren Text (in einem Schiebefach unter der Vitrine des Modells) von hoher didaktischer Qualität. Sämtliche Regionen des menschlichen Körpers sind in den zahlreichen Modellen veranschaulicht, meist in mehreren Varianten, wobei zum Beispiel bei den Organen zuerst die topographische Situation gezeigt wird, dann eine andere Ansicht nach der Entnahme einzelner Organe oder ihrer Verlagerung. Es gibt auch zerlegbare Modelle wie das Ganzkörpermodell einer liegenden schwangeren Frau, bei der sämtliche Brust- und Bauchorgane einzeln entnommen werden konnten und die beginnende Frucht im Uterus zu sehen war. Oder ein zerlegbares Modell eines Herzens, an dem die Herzhöhlen und der Klappenapparat gezeigt wurden. Die vor allem bei den Ganzkörpermodellen gewählten Körperhaltungen dienten nicht nur der Ästhetisierung, sondern auch dazu, von der Anatomie mehr zu zeigen, als es in der Grundhaltung möglich ist. Sei es, um bei der Darstellung des Lymphgefäßsystems die Lymphknoten in der Achselhöhle oder beim über den Kopf erhobenen Arm die Verletzlichkeit der Oberarmgefäße zu demonstrieren. Auch bot das Wachsmodell die Möglichkeit, die Farben der Natur entsprechend zu vermitteln, was bei der anatomischen Präparation ja nicht möglich ist. Außerdem konnten – und das ist auch nicht nur eine Ästhetisierung – nicht die Leiche, sondern der Mensch und seine Anatomie im Modell gezeigt werden. Die Wachsmodelle, an denen die Lymphgefäße zur Darstellung kommen, sind besonders bemerkenswert. Vor allem deshalb, weil die Erkenntnis über die Lymphgefäße im ausgehenden 18. Jahrhundert neu war und auf den Anatomen Paolo Mascagni (1755–1815) zurückgeht, der namhaft an der Fertigung der Wiener anatomischen Wachsmodelle mitgewirkt hat. Er war seit 1780 leitender Anatom der Werkstätte in Florenz. Entsprachen die anatomischen Modelle der idealtypischen Anatomie, so waren die geburtshilflichen Modelle eine Sammlung all dessen, was auf den Geburtshelfer zukommen konnte, von ihrer Konzeption her also von grundsätzlich anderem Anspruch. Bei den geburtshilflichen Modellen gab es in aller Vollständigkeit Darstellungen von Varianten der Schwangerschaft, verschiedenster Abb. links oben: Modell des Herzens in zwei Positionen Abb. rechts oben: Hals-BrustRegion zur Darstellung der Nervenverläufe Kardioforum 1 | 2009 55 Herz und große arterielle Gefäße (Ganzkörpermodell, Teilansicht) 56 Kardioforum 1 | 2009 Lagen des Kindes, eine Zwillingsdarstellung, Missbildungen, absolute Geburtsunmöglichkeiten, den Phasenablauf einer Zangengeburt oder die Darstellung einer Kaiserschnittgeburt. Das Wachsmodell konnte die anatomische Sektion und die anatomische Präparation aber nicht ersetzen, und für die praktische Ausbildung insbesondere der Chirurgen war das Handanlegen unentbehrlich. Deshalb war die Sammlung als Lehrsammlung für die Medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie auch von Anfang an umstritten. Dass aber das Modell des menschlichen Körpers als Lehrmittel vom didaktischen Standpunkt aus jeder Abbildung überlegen war und ist, bleibt unbestritten, umso mehr, wenn das Modell höchste Qualität aufweist, was bei den anatomischen Wachsmodellen auch aus heutiger Sicht mit nur geringfügiger Aus- nahme zutrifft. Man kann aber auch mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Wachsmodelle nicht nur in den Sommermonaten oder in Ermangelung eines bestimmten anatomischen Präparates als Ersatz gedient haben, sondern durch ständige Verfügbarkeit sicher als Lehrmittel Verwendung gefunden haben, sei es zur Rekapitulation des an der Leiche Demonstrierten oder zu allgemeinem Wissenserwerb. Bei aller Kritik, der die Sammlung der anatomischen Wachsmodelle von Anfang an auch ausgesetzt war, stellte sie dennoch in ihrer Fülle den unschätzbaren Wert eines geradezu enzyklopädischen Inventars der menschlichen Anatomie dar. Die Wiener Sammlung, in gutem Erhaltungszustand und am historischen Ort, ist aus heutiger Sicht ein Kulturgut von hohem medizinhistorischem wie kunstgeschichtlichem Wert. Herausgeber Prof. Dr. med. Michael Block Klinik Augustinum München Wolkerweg 16, 81375 München Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen Tel.: 0 89/70 97 11 54, Fax: 0 89/70 97 18 82 Georgstr. 11, 32545 Bad Oeynhausen www.augustinum-kliniken.de Tel.: 0 57 31/97 12 76, Fax: 0 57 31/97 12 86 [email protected] www.hdz-nrw.de, [email protected] Call Center der Kardiologischen Klinik: Tel.: 0 57 31/9 71 10, Fax: 0 57 31/97 11 10, [email protected] Prof. Dr. med. Johannes Brachmann Klinikum Coburg Tel.: 0 95 61/22 63 48, Fax: 0 95 61/22 63 49 Prof. Dr. med. Matthias Leschke Klinikum Esslingen a. N. www.klinikum-coburg.de Hirschlandstr. 97, 73730 Esslingen a. N. 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Bernd-Dieter Gonska St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe Südendstraße 32, 76137 Karlsruhe Tel.: 07 21/81 08 31 68, Fax: 07 21/81 08 31 70 www.vincentius-kliniken.de, [email protected] Prof. Dr. med. Ernst G. Vester Evangelisches Krankenhaus, Düsseldorf Kirchfeldstr. 40, 40217 Düsseldorf Tel.: 02 11/9 19 18 55, Fax: 02 11/9 19 39 55 www.evk-duesseldorf.de Prof. Dr. med. Dietrich Gulba Krankenhaus Düren Roonstr. 30, 52351 Düren Tel.: 0 24 21/30 13 10, Fax: 0 24 21/3 78 27 www.krankenhaus-dueren.de, [email protected] [email protected]