Universität Konstanz Theorie des Sternaufbaus Vorlesung Astrophysik (WS 2009/2010) Achim Weiß Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching [email protected] Plan: 1. Physik und Modelle • Grundgleichungen • Mikrophysik • einfache und numerische Modelle 2. Sternentwicklung und Anwendung • Entwicklung massearmer Sterne und der Sonne • Entwicklung Sterne mittlerer Masse • Anwendungsbeispiele Teil 1: Physik und Modelle Literatur: Kippenhahn & Weigert: Stellar Structure and Evolution, Springer (1990) Salaris & Cassisi: Evolution of Stars and Stellar Systems, Wiley (2005) Weiss, Hillebrandt, Thomas, Ritter: Cox and Giuili’s principles of stellar structure, Cambridge Scientific Publishers (2004) Weiss: Sterne, Spektrum Akademischer Verlag (2008) Die Strukturgleichungen • Sterne sind selbst-gravitierende heiße Plasmakugeln; • verlieren Energie in Form von Photonen von ihrer Oberfläche; • sphärisch symmetrisch (ohne Rotation und magnetische Felder); → Eindimensionales Problem mit dem Radius r als natürlicher Koordinate (Euler-Beschreibung). Masse und Radius Eulersche Beschreibung: Masse dm in Schale bei r und mit Dicke dr ist dm = 4πr 2 ρdr − 4πr 2 ρvdt Lagrange Beschreibung: Massenelemente m (Masse in einer konzentrischen Schale). ⇒ r = r(m, t) Variablenwechsel (r, t) → (m, t): ∂ ∂ ∂r = ∂m ∂r ∂m und µ ∂ ∂t ¶ = m ∂ ∂r µ ∂r ∂t ¶ + m µ ∂ ∂t ¶ r ⇒ ∂r 1 = ∂m 4πr 2 ρ (1) Das ist die erste Strukturgleichung (Massengleichung oder Massenerhaltung). Beinhaltet auch Transformation zwischen Euler- und Lagrange-Beschreibung: 1 ∂ ∂ = ∂m 4πr 2ρ ∂r Gravitation Poisson-Gleichung für Gravitationspotential ∇2Φ = 4πGρ (G = 6.673 · 10−8 dyn cm2 g−2). In sphärischer Symmetrie: 1 ∂ r 2 ∂r g= ∂Φ ∂r → g= Gm r2 µ ∂Φ r2 ∂r ¶ = 4πGρ ist Lösung der Poisson-Gleichung. Potential Φ verschwindet für r → ∞. R∞ − 0 Φdr ist die Energie, die benötigt wird, um alle Massenelemente ins Unendliche zu befördern. Hydrostatisches Gleichgewicht Auf Schicht der Dicke dr wirken zwei Kräfte (pro Flächeneinheit): Schwerkraft Fg /(4πr 2) = −gρdr und Druck △P = − ∂P △r. ∂r Soll sich diese Schicht in Ruhe befinden (hydrostatisches Gleichgewicht), so muss gelten: Gm ∂P + 2 ρ=0 ∂r r oder in Lagrange-Koordinaten Gm ∂P =− ∂m 4πr 4 (2) Zweite Aufbaugleichung → hydrostatisches Gleichgewicht. Gleichungen (1) und (2) werden auch die mechanischen Gleichungen genannt. Abschätzung für Zentralwerte der Sonne: Ersetze Ableitungen in hydrostatischer Gleichung durch Unterschiede zwischen Zentral- (Pc) und Oberflächenwert (P0 ≈ 0) → 2GM 2 Pc ≈ πR4 (M/2 und R/2 wurden für Mittelwerte von Masse und Radius angesetzt) Ergebnis Sonne: Pc = 7 · 1015 (cgs-Einheiten). Mit ρ = µP RT und ρ̄ = (3M )/(4πR3) ⇒ Tc = 8 µ GM ρ̄ < 3 · 107 K 3 R R ρc Sonnenwerte (Beobachtung und Modelle): M⊙ = 1.99 · 1033 g R⊙ = 6.96 · 1010 cm L⊙ = 3.83 · 1033 erg/(gs) Tc = 1.6 · 107 K Pc = 2.4 · 1017 dyn/cm2 ρc = g/cm3 Bewegung: Gm 1 ∂ 2r ∂P + =− ∂m 4πr 4 4πr 2 ∂t2 1. P = 0 → Freier Fall Gm/r 2 = r̈. 2. Zeitskala τf f = 3. G = 0, τexpl p p R/|r̈| ≈ R/g. p ≈ R ρ/P (Isotherme Schallgeschwindigkeit) 4. Hydrostatische Zeitskala τhydro ≈ 12 (Gρ̄)−1/2 5. Beispiele: τhydro = • 27 Minuten für Sonne • 18 Tage für Roten Riesen (R = 100R⊙) • 4.5 Sekunden für Weißen Zwerg (R = R⊙ /50) Schlussfolgerung: Sterne kehren in extrem kurzer Zeit in das hydrostatische Gleichgewicht zurück. Energie-Reservoirs: 1. Thermische (oder innere) Energie (für ein ideales Gas) P = R ρT µ R 2 = cP − c v = cv µ 3 Mit der thermischen Energie pro Masseneinheit u = cv T und der gesamten thermischen Energie aus dem Integral von u über die Masse Et = Z 0 M cv T dm = Z 0 M cv 3R 3R T dm = hT iM 2µ 2µ Für die Sonne mit hT i ≈ 107 K → Et,⊙ ≈ 5 × 1048 erg 2. Gravitationsenergie Z M GMr GM 2 Eg = − dMr ≈ − r R 0 Für Sonne, Eg,⊙ = −4 × 1048 erg Allgemein, −Eg ≈ Et Warum sind beiden Reservoire etwa gleich groß? Die Kelvin-Helmholtz (thermische) Zeitskala ¯ ¯ ¯ g¯ |Eg | Et L ≈ ¯ dE → τ := ≈ . ¯ KH dt L L |Eg | ≈ GM 2 2R ⇒ τKH ≈ GM 2 . 2RL Sonne: τKH = 1.6 · 107 yrs. ⇒ Sonne könnte also nur einige 10 Millionen Jahre scheinen, wenn Gravitations- oder thermische Energie ihre einzige Energiequelle wäre! Das Virial Theorem Integriere Gleichung (2) nach Multiplikation mit 4πr 3 : Z 0 M ∂P dm = − 4πr 3 ∂m Z M Gm 4πr 3dm 4 4πr 0 Rechte Seite entspricht der gesamten Gravitationsenergie Z M GM Eg = − dm r 0 Linke Seite durch partielle Integration lösbar: Z 0 M £ ¤M 3 ∂P 3 4πr dm = 4πr P 0 − ∂m Z 0 M µ ∂r 12πr 2 ∂m Die rechte Seite dieses Ausdrucks wird zu 2Ei R ¶ P dm 3P/ρdm = so dass insgesamt das Ergebnis lautet: Eg = −2Ei Das ist das Virial-Theorem. Sehr zentral und wichtig! Gesamtenergie (ohne nukleare Quellen): W = Ei + Eg = −Ei = 21 Eg Die Leuchtkraft eines Sterns muss sich aber aus diesem Reservoir speisen: L = − dW >0 dt ⇒ L = − Ė2g = Ėi Star werden global heißer, weil sie Energie verlieren! Die Energie dafür nehmen sie aus dem Gravitationsreservoir N.B.: Annahmen! Hydrostatisches Gleichgewicht, ideales Gas. Weiße Zwerge verlieren Energie, werden aber kälter! Warum? Energie-Erhaltung dLr = 4πr 2ρǫdr, ǫ (erg/gs): spezifische Energie-Erzeugungsrate Energiequellen für ǫ: ~ • in einer stationären Massenschale: ǫ = ǫn(ρ, T, X); nukleare Energieerzeugung; • nicht-stationär: Wechselwirkung mit Nachbarschichten über P dV µ ∂Lr ǫn − ∂m ¶ dt = dq = du + P dv ∂Lr ∂m ∂u P ∂ρ + 2 ∂t ρ ∂t δ ∂P ∂T + = ǫn − cP ∂t ρ ∂t = ǫn − ǫg : gravothermische Energie δ ∂P ∂T + = −cP T ǫg = −cP ∂t ρ ∂t µ 1 ∂T ∇ad ∂P − T ∂t P ∂t ¶ (3) Energieverlust durch Plasma-Neutrinos: −ǫν . Insgesamt also Gleichung für die Energieerhaltung/erzeugung ∂Lr = ǫn + ǫg − ǫν . ∂m (4) Globale Energieerhaltung Die Änderung des gesamten Energiereservoirs ist identisch mit dem Verlust an Energie durch Photonen (von der Oberfläche) und Neutrinos (aus dem Sterninnern): Ẇ = d (EG + Ei + En) = −(L + Lν ), dt Diese Gleichung erhält man in der Tat durch Integration von Gleichung (4) über m. Nukleare Zeitskala τn := En/L Nukleares Energiereservoir: Masse des Brennstoffs x Energieausbeute [erg/g] des Brennstoffs Sonne ist in der Phase der Wasserstofffusion, die eine Energieausbeute von q = 6.3 · 1018 erg g−1 hat. entsprechend einem gesamten Energievorrat von 8.75 · 1051 erg. ⇒ τn ≈ 1011 yrs τn ≫ τKH ≫ τhydr Dies ist die für die meisten Sterne in fast allen Phasen entscheidende Zeitskala, auf der sie sich entwickeln. ∂Lr ≈ ǫn ist eine sehr gute Näherung, und impliziert ∂m auch ǫg ≈ 0, bzw. dass der Stern sich im thermischen Gleichgewicht befindet. Außerdem herscht mechanisches (hydrostatisches) Gleichgewicht, insgesamt das sogenannte vollständige Gleichgewicht, in dem (in erster Näherung) alle Terme mit dt fehlen. Energie-Transport Die im Innern erzeugte Energie muss zur Oberfläche transportiert werden. Das geht nur entlang eines Temperaturgradienten, der in der Sonne △T /△r ≈ 107/1011 = 10−4 (K/cm) beträgt. Der Energietransport kann durch Strahlung, Konvektion, oder Leitung stattfinden (Leitung i.A. unwichtig, außer im Fall von Elektronenentartung). Formale Gleichung für den Temperaturgradienten: ∂T T Gm =− ∇ ∂m P 4πr 4 Aufgabe: bestimme ∇ für die oben erwähnten Fälle! Strahlungstransport Abschwächung der Strahlungsintensität I gemäß dI = −Iκρdr ⇒ − 1 d ln I = κρ =: dr l ~ (cm2/g). Opazität κ(T, ρ, X) Werte im Sonneninnern: ρ¯⊙ = 1.4 g/cm3, κ⊙ ≈ 1 cm2 /g ⇒ l⊙ ≈ 1 cm! Strahlungsdiffusion: Wegen der kurzen freien Weglänge, des geringen Temperaturgradienten und der damit verbunden nahezu perfekten Isotropie des Strahlungsfeldes findet radiativer Energiestransport als diffusiver Prozess statt. Behandlung analog zur Teilchendiffusion: Diffusiver Fluss ~j von Teilchen ist ~ = − 1 vlp ∇n ~ ~j = −D∇n 3 (D Diffusionskonstante; v Diffusionsgeschwindigkeit; lp freie Weglänge und n Teilchendichte). Benutzen U := aT 4 für die Strahlungsdichte (statt Teilchendichte), l = 1/(κρ) für die freie Weglänge der Photonen, und c statt v. In 1-dimensionaler For~ zu mulierung reduziert sich ∇U ∂T ∂U = 4aT 3 ∂r ∂r und somit der radiative Energiefluss F (statt ~j) 4ac T 3 ∂T , F =− 3 κρ ∂r oder F = −Krad ∇T . Krad = 4ac T 3 3 κρ ist die radiative Konduktivität. Mit Lr = 4πr 2F ergibt sich 3 κρLr ∂T =− ∂r 16πac r 2T 3 oder in Lagrange-Formulierung 3 ∂T κLr =− ∂m 64acπ 2 r 4T 3 (5) Das Rosseland-Mittel der Opazität Gleichung (5) ist bisher nur für monochromatische Strahlung richtig. κ = κ(ν). Man möchte aber gerne κ̄Lr 3 ∂T =− ∂m 64acπ 2 r 4T 3 haben, wobei κ̄ eine geeignete Mittelung κ(ν) über ν sein muss. Dieses Mittel ist R∞ 1 ∂Bν dν 1 0 κν ∂T := R ∞ ∂Bν κ̄ dν 0 ∂T wobei Bν (T ) = 2hν 3 c2 µ exp µ hν kT ¶ −1 ¶−1 die Planck-Funktion für den Energiedichte-Fluss eines R 4 Schwarzkörpers ist. (U = aT = (4π/c) Bν dν). κ̄ heißt das Rosseland-Mittel der Opazität, meist κR oder auch nur κ genannt. Es wird dominiert von den Frequenzbereichen, wo κν am geringsten ist. (Elektronen-) Leitung Die freie Weglänge von entarteten Elektronen ist sehr groß, so dass sie effektiv Energie transportieren können. In diesem Fall lässt sich der gesamte Energiefluss als Summe zweier Prozesse mit zwei Konduktivitäten schreiben: F = Frad + Fcond = −(Krad + Kcond )∇T Man führt formal κcond ein: Kcond 4ac T 3 , = 3 κcond ρ und kann damit κ in Gleichung (5) ersetzen durch: 1 1 1 + = κ κrad κcond Der Mechanismus mit der kleineren “Opazität” erledigt den Energietransport! Effektives ∇ in Transportgleichung: ∇ = ∇rad = 3 κLr P 16πacG mT 4 Stabilität gegen Konvektion Wird der Temperaturgradient in einer Schicht zu groß, setzt Konvektion ein. Zur Herleitung eines Stabilitätskriteriums betrachtet man folgendes (idealisiertes) Bild: Der Temperaturunterschied DT = Te − Ts ist positiv, wenn Element heißer als Umgebung ist; DP = 0 (hydrostatisches Gleichgewicht. Falls Dρ < 0 (Ideales Gas), bewegt sich das Element nach oben. Bei Verschiebung um △r: ·µ ¶ µ ¶¸ ∂ρ ∂ρ Dρ = − △r ∂r e ∂r s Das Stabilitätskriterium lautet daher µ ¶ µ ¶ ∂ρ ∂ρ − > 0. ∂r e ∂r s Ist es erfüllt, wird das Element relativ zur Umgebung währender der Aufwärtsbewegung schwerer und kehrt um. Mit der Zustandsgleichung d ln ρ = αd ln P − δd ln T − ϕd ln µ, kann man das Kriterium umformen zu µ ¶ µ ¶ µ ¶ δ dT δ dT ϕ dµ − − >0 T dr s T dr e µ dr s und nach Mulitplikation mit der Druckskalenhöhe HP := − µ d ln T d ln P ¶ s ∇s dr dr P = −P = >0⇒ d ln P dP ρg µ ¶ µ ¶ d ln T ϕ d ln µ < + d ln P e δ d ln P s ϕ < ∇ad + ∇µ δ Der konvektive Temperaturgradient ∇rad < ∇ad + ϕ ∇µ δ (6) Diese Gleichung ist allgemein gültig und heißt das Ledoux-Kriterium für dynamische Stabilität. In chemisch homogenen Gebieten ist ∇µ = 0, und das SchwarzschildKriterium gilt. Ist das Stabilitätskriterium verletzt, setzt Konvektion ein und erledigt den Energietransport. Der sich tatsächlich einstellende konvektive Temperaturgradient ∇con muss aus einer Konvektionstheorie berechnet werden. In der Sternentwicklungstheorie wird meist die Mischungswegtheorie verwendet, die einen freien Parameter, das Verhältnis von Mischungsweg zu HP , enthält: αMLT, das von der Größe 1 ist und anderweitig “kalibriert” werden muss. Im Extremfall, wenn die konvektiven Elemente keine Energie an die Umgebung während der Bewegung abgeben, ergibt sich ∇con = ∇ad was nur noch eine Funktion der Zustandsgleichung ist. Allgemein gilt in konvektiven Gebieten ∇rad > ∇con > ∇ad Die chemische Zusammensetung Die chemische Zusammensetzung beeinflusst ρ, κ, ǫ. Sie kann sich durch nukleare Fusion, Diffusion, Konvektion und andere Mischungsprozesse ändern. Notation: mi ni , ρ P relative Massenanteile: Xi := i Xi = 1; speziell: Wasserstoff X, Helium Y , “Metalle” Z = 1 − X − Y . typische Werte: X ≈ 0.7 · · · 0.75; Y ≈ 0.24 · · · 0.30; Z ≈ 0.0001 · · · 0.04 Änderungen durch Kernreaktionen: X mi X ∂Xi = [ rji − rik ] ∂t ρ j k rji impliziert, dass Isotop i aus Isotop j entsteht, und rik , dass i zur Bildung von k verbraucht wird. Dabei entstehende Energie ist ǫij = 1ρ rij eij . rij ist Zahl der Reaktionen pro Sekunde eij Energie pro Reaktion; pro Teilchenmasse ist sie qij = eij /mi . Im einfachsten Fall, der Umwandlung von H zu He, erhalten wir ǫH ∂Y ∂X =− =− , ∂t qH ∂t eH,He ≈ 26.7 MeV/Reaktion = 4.72 · 10−5 erg und qH,He = 2.5 · 1019 /4 = 6.44 · 10−18 erg/g. Zusammenfassende Übersicht m ist die Lagrange-Koordinate; r, P, T, Lr sind die abhängigen Variablen; Xi sind die Elementhäufigkeiten; ρ, κ, ǫ, . . . sind physikalische Funktionen, die alle von ~ abhängen. (P, T, X) Die vier zu lösenden Strukturgleichungen lauten: ∂r ∂m ∂P ∂m ∂Lr ∂m ∂T ∂t wobei ∇ von der 1 (7) 4πr 2ρ Gm 1 ∂ 2r = − − (8) 4πr 4 4πr 2 ∂t2 ∂T δ ∂P = ǫn − ǫν − cP + (9) ∂t ρ ∂t GmT = − ∇ (10) 4πr 4P Art des Energietransportes abhängt: = κLr P 3 16πacG mT 4 ∇ = ∇con (≈ ∇ad ) ∇ = ∇rad = (11) (12) Für die Zusammensetzung haben wir (schematisch) X mi X ∂Xi (13) = rji − rik ∂t ρ j k wobei auch ein Mischungsterm auftreten kann, z.B. aufgrund von Konzentrations-Diffusion · ¸ ∂Xi ∂ ∂X i = (4πr 2ρ)2D (14) ∂t ∂m ∂r Lösung der Aufbaugleichungen • Wir haben I+4 Gleichungen für die I Elemente (Isotope) plus die 4 abhängigen Variablen → System ist also lösbar! • Gleichungen sind nicht-lineare partielle Differentialgleichungen in t und m (Mr ). Benötigt werden noch zusätzliche Randbedingungen bei Mr = 0 und M (für den räumlichen Teil) und Anfangswerte bei t = 0 (für den zeitlichen Teil). Sternentwicklung ist also ein Anfangs- und Randwert-Problem. • Ein Sternmodell ist die räumliche Lösung für die Struktur zum Zeitpunkt t0 (r(Mr , t0), T (Mr , t0), . . . XI (Mr , t0)). • Anfangswerte: notwendig für alle Variablen für t = 0. Entweder aus vorherigem Modell, einem vereinfachten Modell, oder “gut geraten”. • Ist das Anfangsmodell nahe genug an der Realität, wird es sich über τKH daran angleichen. • Problem kann in räumliches und zeitliches Unterproblem geteilt werden: Schritt 1 löse Gl. (7)–(10) für t1 (Xi (Mr , t1) gegeben) Schritt 2 löse Gl. (13) und (14) für räumliche Struktur zwischen t1 und t2 = t1 + △t unter Benutzung von ǫ(Mr , t1 ) Schritt 3 ändere Zusammensetzung: ¡ i¢ △t → Schritt 1 Xi (t2) = Xi (t1) + ∂X ∂t t 1 Randbedingungen im Zentrum: Mr = 0 → r(0) = 0, Lr (0) = 0 an der Oberfläche: verschiedene Möglichkeiten (1) “Null-Werte”: bei Mr = M : P (M ) = 0, T (M ) = 0; tiefes Innere dadurch einigermaßen realistisch berechenbar, aber äußere Schichten (Beobachtung!) falsch (2) photospherische R.W.: Randwerte werden an Photosphäre genommen, meist bei optischer Tiefe τph = 2/3, wo T = Teff Stefan-Boltzmann Gesetz: 4 L = 4πσR2 Teff Stellt die erste Randbedingung an der Photosphäre dar und verbindet 3 der 4 Variablen. Die zweite Randbedingung (für P(R,L)) ergibt sich aus einer Atmosphäre, die im einfachsten Fall die graue, masselose Eddington-Atmosphäre ist: T 4(τ ) = 3 4 T (τ + 2/3) 4 eff Der Druck ergibt sich aus der Integration der Druckgleichung, wobei der Radius durch die optische Tiefe dτ = κρdr → τph = Z ∞ κρdr R ersetzt wird. Für ein gemitteltes κ und konstantes g ergibt sich z.B. Pph : 2 GM 1 (15) Pph = 3 R2 κ̄ In der Praxis werden genauere Atmosphären berechnet. Damit ist das System geschlossen und lösbar. Numerische Methoden 1. Integrator-Methoden (Runge-Kutta) Integriere Gleichungen von Randwerten nach außen bzw. innen. Problem: nur je zwei Randwerte verfügbar, die anderen beiden müssen geraten werden. Integrationen treffen sich in der Mitte; Übereinstimmung nur, wenn Randwerte richtig geraten. ⇒ Iteration der “geratenen” Randwerte. Vorteil: kein Startmodell nötig; Genauigkeit kontrollierbar Nachteil: funktioniert nur gut bei einfachen Strukturen Verwendung: für “Ur-Modell” nützlich (homogene Vorund Hauptreihen-Modelle) 2. Relaxations-Methoden (Newton-Verfahren) Löse Gleichungen auf räumlichem Gitter; relaxiere Gitterwerte aller Variablen, bis Gleichungen erfüllt sind. Iterationsverfahren. Führt auf Matrix-Inversion zur Berechnung der Korrekturen. Vorteil: “gutmütig”; funktioniert meistens Nachteil: benötigt gute Startwerte; große Matrix (Lösung: Henyey-Verfahren für Blockmatrizen); Genauigkeit unkontrolliert Verwendung: meist verwendete Standardmethode Einfache Sternmodelle Homologie für chemisch homogenene (z.B. unentwickelte, Alter0, Hauptreihen) Sterne. Grundlegende Homologie-Annahme: Zwei Sterne heißen zueinander homolog, wenn bei m1 M1 = m0 M0 → r1 R1 = r0 R0 Daraus resultieren Skalierungsfunktionen: ¡m¢ ¡m¢ r M = Rfr M ¡m¢ ¡m¢ = LfL M Lr M ¡m¢ ¡m¢ P M = PcfP M ¡m¢ ¡m¢ T M = TcfT M wobei die fi unabhängig von M sind, nicht aber die Konstanten (R, Pc , etc.), die auch von der chemischen Zusammensetzung (µ) abhängen. Einfache (Potenz-) Gesetze für die physikalischen Funktionen: R ρT (16) P = µ ǫ = ǫ0 ρλ T ν (17) n −s κ = κ0 ρ T (18) Damit erhalten wir im Fall der radiativen Strukturgleichungen einfache Skalierungsrelationen; z.B. für den Druck (mit x := m/M ): dP dfP dx Pcx d ln fP 1 Pc P M d ln fP P d ln fP = PC = = = dm dx dm fP d ln x M Pc mM d ln x m d ln x Wenn wir das mit der Druckgleichung gleichsetzen, erhalten wir folgende Beziehung für P und analoge für die anderen Variablen: dP P d ln fP Gm = =− dm m d ln x 4πr 4 dr r d ln fr 1 = = dm m d ln x 4πr 2ρ T d ln fT 3κ Lr dT = =− dm m d ln x 64πac r 4T 3 dLr Lr d ln fL = =ǫ dm m d ln x → → → → P m ∼ 4 (19) m r r 1 ∼ 2 (20) m r ρ Lr T ∼ 4 3(21) m r T Lr ∼ǫ (22) m Aus (19) und (20) ergeben sich Ausdrücke für P und ρ als Funktionen von r and m. Durch Division und Verwendung der idealen Gasgleichung folgt dann P m T ∼ ∼ ρ r µ (oder rT = µm) und mit (21) für Lr ⇒ Lr ∼ µ4 m3 Das gilt auch für x = 1 oder m = M , so dass L ∼ µ4 M 3 , Das ist die Masse–Leuchtkraft–Beziehung für Hauptreihenstere. Sie hängt nicht von der Energieerzeugung ab, aber die Proportionalität wird von der Opazität bestimmt! Da auch Lr ∼ mǫ ∼ mρλ T ν gilt, erhalten wir auch (wieder für x = 1, unter Benutzung von ρ ∼ m/r 3 und T ∼ µm/r) ν−4 R ∼ µ ν+3λ M λ+ν−2 ν+3λ Für λ = 1 und ν ≈ 5 (pp-Ketten) ⇒ R ∼ µ0.125 M 0.5 Für λ = 1 und ν ≈ 15 (CNO-Zyklus) ⇒ R ∼ µ0.61 M 0.78 Dies sind Masse–Radius Beziehungen für die beiden nuklearen Prozessmechanismen auf der Hauptreihe. Ein mittlerer Wert für ν ist 13, was 0.75 für den M Exponent ergibt. Damit ist R ∼ M 3/4 (mittlerer Exponent), L ∼ M 3, und 4 L ∼ R2Teff ⇒ log L = 8 log Teff + const, was die Gleichung für die Hauptreihe im HertzsprungRussell-Diagram ist; für R=const. erhält man log L = 4 log Teff + const; Linien konstanten Radius sind also flacher als die Hauptreihe (Radius der HR-Sterne nimmt mit Masse zu). Da außerdem L ∼ M 3 gilt, und τnuc ∼ M/L, folgt für die Hauptreihen-Lebensdauer → τnuc ∼ M −2 Massereichere Sterne sind heller, leben aber deutlich kürzer als massearme! Zentralwerte auf der Hauptreihe: Setze λ = 1 und µ=const. Pc ∼ P ∼ P (x) fP (x) Ebenso T ∼ und Tc ∼ T ∼ M , R P ∼ M2 , R4 T (x) fT (x) ν−1 Pc Tc ρc ∼ und R ∼ M ν+3 ; ⇒ 4 Tc ∼ M ν+3 Pc ∼ M − 2(ν−5) ν+3 ρc ∼ M − 2(ν−3) ν+3 − Tc ∼ ρc 2 ν−3 Tc wächst mit M ; aber ρ fällt mit M für ν > 3 (M > 0.8 M⊙ )! (23) (24) (25) (26) Zwei unterschiedliche Arten von Sternen auf der Hauptreihe: Teff Kern Hülle H-Fusion ν Strahlungsdruck < 1.5 M⊙ M∼ > 1.5 M⊙ M∼ niedrig radiativ konvektiv pp-Ketten > 10 niedrig hoch konvektiv radiativ CNO-Zyklus <7 hoch Numerische und empirische Ergebnisse: Theoretische und beobachtete M -L-Beziehung: Theoretische und beobachtete M -R-Beziehung: Die Mikrophysik Zustandsgleichung, Opazität, nukleare Reaktionsraten, . . . Zustandsgleichung Ideales Gas: R ρT µ wobei ρ = nµmu; µ: Molekulargewicht, Teilchenmasse pro mu . P = nkB T = Mehrere Komponenten mit Massenanteil Xi = ni = ρXi mu µi P = Pe + X Pi = (ne + i X ni )kB T. i Vollständig ionisierte Atome: X Xi(1 + Zi) R ρT = ρT P = nkB T = R µi µ i ´−1 ³P Xi (1+Zi ) : mittleres Molekulargewicht µ := i µi Neutrales Gas: µ = ³P Xi i µi ´−1 . ρi ρ → Strahlungsdruck Prad a 4 ³ erg ´ 1 −15 a = 7.56 · 10 = U = T 3 3 cm3 K4 β := PPgas . ³ ´ ³ ´ 4(1−β) ∂β ∂β =− T = and ∂P ∂T P T (1−β) . T Ionisation Boltzmann-Verteilung, angewandt auf Ionisationsstufen ⇒ Saha-Gleichung ur+1 (2πme)3/2 nr+1 (kT )5/2 exp(−χr /kT ), Pe = 2 3 nr ur h wobei nr : Teilchendichte im Ionisatinszustand r; χr Ionisationsenergie; ur Zustandsfunktion; Pe = ne kT Elektronendruck (k = kB ) Weitere Defintionen und Relationen: ¶ µ 1 ∂ ln ρ = α := ∂ ln P T β µ ¶ ∂ ln ρ 4 − 3β δ := − = ∂ ln T P β µ ¶ ∂ ln ρ ϕ := =1 ∂ ln µ T,P · ¸ R 3 3(4 + β)(1 − β) 4 − 3β cP := + + µ 2 β2 β2 Rδ ∇ad := βµc µ P ¶ d ln P 1 γad := = d ln ρ ad α − δ∇ad Für β → 0, cP → ∞, ∇ad → 1/4 und γad → 4/3. , ∇ad → 2/5, und γad → 5/3. Für β → 1, cP → 5R 2µ Weitere Größen in der Literatur, die sogenannten Gammas: γad =: Γ1 Γ2 − 1 ∇ad =: µ Γ2 ¶ d ln T +1 Γ3 := d ln ρ ad Γ1 Γ2 = Γ3 − 1 Γ2 − 1 Ionisation von Wasserstoff und Helium in einer stellaren Hülle. Im Bild (b) wird der entsprechende Verlauf von ∇ad gezeigt. Die Absenkung kommt vom Anstieg der spezifischen Wärme cP . Da ∇ad kleiner wird, werden solche Zonen leicht konvektiv. Elektronen-Entartung Wichtig für dichte Kerne von Sternen, z.B. Sonne nach Hauptreihe. Daraus werden später die Weißen Zwerge. Bei nahezu vollständiger Entartung (trotz T > 107 K) gilt: 1. pF ≪ me c (nicht relativistisch) µ ¶5/3 ρ Pe = 1.0036 · 1013 µe 2. pF ≫ me c (relativistisch) µ ¶4/3 ρ Pe = 1.2435 · 1015 µe Pe = 2 Ue 3 Pe = 1 Ue 3 In solchen Fällen ist Pi ≪ Pe und der Elektronendruck stabilisiert Sterne. Weitere Effekte: 1. Nicht-ideale Effekte (Coulomb-Abschirmung; vander-Waals Kräfte) 2. Kollektive Effekte wie Kristallisierung (Weiße Zwerge) 3. Bei Kerndichten, Neutronisation (Neutronensterne) In der Praxis: Verwendung vorberechneter Tabellen mit Zustandsgleichung für verschiedene Mischungen Opazität Für κ wichtige physikalische Effekte: 1. Elektronenstreuung: (Thomson-scattering) re2 = 0.20(1 + X) cm2g−1 κsc = 8π 3 me mu 2. Comptonstreuung: T > 108: Impulsübertrag → κ < κsc 3. Frei-frei-Übergänge: κff ∝ ρT −7/2 (Kramers Formel) 4. Gebunden-frei-Übergänge: κbf ∝ Z(1 + X)ρT −7/2 Hauptquelle unter 6000 K: H − -Ion 5. Gebunden-gebunden-Übergänge: unter 106 K 6. e− -Leitung: κc ∝ ρ−2 T 2 7. Moleküle für T < 104 K 8. Staubabsorption für T < 3000 K In der Praxis wieder Tabellenwerke von Spezialisten. Beispiel: Rosseland-Opazität für “solare” Zusammensetzung (X = 0.70, Y = 0.28, Z = 0.02); nur atomare Prozesse Zwei Tabellen mit atomarer, moleklarer und “conduktiver” Opazität für solare (links) und metallarme (rechts) Zusammensetzung: N.B.: weniger Metalle → niedrigere Opazität → niedrigeres ∇rad → höhere Oberflächentemperatur. Pop. II Sterne sind i.A. heißer als Pop. I! Nukleare Energie-Produktion Massen-Defekt → Energie Beispiel: 4 1 H (Protonen) : 4 · 1.0081mu 4He: 4.0089mu. Unterschied (0.7%) : 26.5 MeV ⇒ erlaubt Sonne 1011 Jahre zu leuchten. Bindungsenergie: EB := [(A − Z)mn + Zmp − Mnuc]c2 B.E. pro Nukleon f := EB /A (um 8 MeV). Maximum (8.4 MeV) wird erreicht bei 56 Fe. Praxis: auch hier wieder Verwendung nuklearer Reaktionsraten, die aus Experimenten/theoretischen Rechnungen stammen. Haupt-Brennphasen in Sternen Abfolge der Fusionsstufen: Wasserstoff → Helium → Kohlenstoff/Sauerstoff → Neon → Silizium → Eisen Wasserstoff-Brennen Die pp-Ketten für die Fusion von Wasserstoff zu Helium Energie pro beendeter Kette: 26.20 (ppI), 25.67 (ppII), 19.20 MeV (ppIII). Der CNO-Zyklus • qCNO ≈ 25M eV • Die e+ Reaktionen geschehen nahezu instantan • Prozessgeschwindigkeit bestimmt durch langsamste Reaktion: 14 N (p, γ)15 O. • Im Gleichgewicht, ≈ C & O ⇒ • und 12 C/13 C 14 N . = 3 · · · 6 (solarer Wert: 85) • Bei niedrigerem T (Sonnenzentrum) ist der CNOZyklus zu langsam, um wichtig zu sein. Allerdings kann die C → N -Transformation stattfinden. • Mit zunehmender Temperatur (Entwicklung, Masse) wird der CNO-Zyklus dominant. Helium-Brennen Brenntemperatur: ≥ 108 K; Reaktionen 1. 3−α-Prozess: 2α(α, γ)12 C; eigentlich zwei Schritte: α(α, γ)8Be und 8Be(α, γ)12 C; q = 7.27 MeV. 2. 12 C(α, γ)16 O: 3. 16 O(α, γ)20 N e: unsichere Reaktionsrate; q = 7.6M eV wichtig nur gegen Ende dieser Phase; q = 4.77 MeV 4. resultierende Zusammensetzung: C/O = 50/50 . . . 20/80 Weitere Brennphasen: nur noch Schwerionen-Reaktionen 1. 12 C +12 C (bei 6 − 7 · 108 K) • viele Ausgangskanäle: →24 Mg + γ (13.93 MeV) ! →23 Na + p (2.238 MeV) !! →20 Ne + α (4.616 MeV) !! →23 Mg + n (-2.605 MeV) – →16 O + 2α (-0.114 MeV) ! • Beginn der komplizierten Nukleosynthese • nukleare Netzwerke; zunehmend Annäherung an nukleares statistisches Gleichgewicht 2. 16 O +16 O: (bei ≈ 1 · 109 K) • ähnliche Ausgangskanäle wie für →32 S + γ (16.539 MeV) →31 P + p (7.676 MeV) →28 Si + α (9.593 MeV) →31 S + n (1.459 MeV) →24 Mg + 2α (-0.393 MeV) 12 C +12 C: • starke ν Energieverluste durch Plasma-Neutrinos in der Grß̈e der nuklearen Energieerzeugung 3. Photo-Desintegration (T ≥ 8 · 108 K) • ähnlich Ionsiation • 20 Ne + γ →16 O + α • Produkte früherer Phasen werden auch wieder zerstört 4. . . . danach nukleares statistisches Gleichgewicht, kontrolliert durch Emission und Absorption von Teilchen und Photo-Desintegration um 56 Fe (Max. in Bindungsenergie/Nukleon) Typische Brennzeiten: H He C ... Si : : : : : 1010 (Jahre) 108 104 ... Stunden Welche Brennphasen können Sterne erreichen? Braune Zwerge (M < 0.075M⊙) erreichen nicht einmal das H-Brennen: Plasma Neutrino Emission Stellare Plasmen emittieren Neutrinos, die den Stern ohne wesentliche Wechselwirkung mit der Materie verlassen können und dadurch zu einem Energieverlust Lν führen. Prozesse: 1. Paarvernichtung: e− + e+ → ν + ν̄ für T > 109 K. 2. Photoneutrinos: γ + e− → e− + ν + ν̄ (wie Compton-Streuung) 3. Plasmaneutrinos: γpl → ν + ν̄; Zerfall eines Plasmazustands γpl. 4. Bremsstrahlung: inelastische Kern–e− Streuung 5. Synchroton-Neutrinos Bereiche in der ρ–T Ebene, in denen die verschiedenen Neutrino-Prozesse wichtig sind