Seite 1 von 5 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 1 5 . 0 7 . 2 0 1 0 Übelkeit und Schwindel – Ist die Hitze schuld? Rund 11.000-mal rücken Sanitäter und Notärzte täglich aus. Bei der gegenwärtigen Hitze sind häufig Schwindelattacken der Grund dafür. Ein Notruf ist durchaus sinnvoll, denn das scheinbar banale Symptom kann auf Gravierendes hinweisen, zum Beispiel auf einen Schlaganfall. Als Schwindel (Vertigo) bezeichnet man Störungen von Gleichgewicht und Raumgefühl. Betroffenen erscheint es, als würden sie selbst oder ihre Umgebung sich bewegen, obwohl das nicht der Fall ist. Solche Irritationen der Orientierung sind oft von Übelkeit oder Erbrechen begleitet. Die Schwindelanfälle können vereinzelt, bei bestimmten Auslösern oder unberechenbar wiederholt auftreten. Die Ursachen können sehr unterschiedlich sein und sind häufig nicht feststellbar. Schwindel kann lästig jedoch harmlos sein. Er kann aber auch ein Signal für zum Teil bedrohliche Krankheiten sein. Schwindelanfälle können auftreten bei: Schlaganfall oder Herzinfarkt Kopfverletzungen und Tumoren Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans Augen- oder Ohrenerkrankungen Stoffwechselstörungen, z. B. Diabetes psychischen Erkrankungen: Angst, Panik, Depression. Allerdings kann niemand bei einer Schwindelattacke wissen, ob sie eine harmlose Ursache hat oder nicht. Darum sollte man nicht zögern, bei einem Anfall die 112 zu wählen und den Notarzt zu rufen, auch wenn sich die Situation später als ungefährlich heraus- stellen sollte. Versuche, selbst einen Arzt aufzusuchen, können damit enden, dass man es gar nicht mehr bis dorthin schafft. Das Warten bis zu einem Arzttermin, der ohnehin erst ein paar Tage später ansteht, ist ebenso wenig ratsam. Insbesondere bei zusätzlichen Beeinträchtigungen wie Übelkeit, Sehstörungen, Lähmungserscheinungen oder Gefühlsstörungen muss damit gerechnet werden, dass dies Vorboten eines Schlaganfalls sind. Dann zählt jede Minute. Schwindel durch Hitze Bei Hitze treten gehäuft Schwindelattacken auf. Grund ist die Temperaturregulation des Körpers. Der kühlt sich nicht nur durch Schweiß, sondern auch, indem die Gefäße sich erweitern. So kann mehr Wärme über das Blut an die Umgebung abgegeben werden. Zugleich sinkt damit jedoch der Blutdruck. Wird einem schwindelig oder schwarz vor Augen, insbesondere beim Aufstehen, kann dies von zu niedrigem Blutdruck herrühren. Dieses Phänomen erleben auch Patienten, die eigentlich unter Bluthochdruck leiden. Wenn sie Tabletten nehmen, die den Blutdruck bei normalen Bedingungen in den idealen Bereich absenken, kann dies bei Hitze eine Überdosis sein, die den Blutdruck zu stark senkt. Direkt gefährlich ist ein zu niedriger Blutdruck nicht. Es kann jedoch zu Ohnmacht 1 Seite 2 von 5 und Stürzen kommen. Daher gilt gerade im Hochsommer: Immer kühlen Kopf bewahren, zumal die Hitze auch den Stoffwechsel und das Immunsystem belastet. Alte und geschwächte Menschen sowie Patienten, die zu Krämpfen oder Thrombosen neigen, sollten sich besonders in Acht nehmen. So schonen Sie den Kreislauf 1. Aus gutem Grund ist den Südländern ihre Siesta heilig. Bei Hitze sollten Aktivitäten auf die kühleren Morgenund Abendstunden verlagert werden. 2. Auch lüften sollte man zu den kühleren Tageszeiten. Wer danach die Vorhänge schließt, hält die Hitze draußen. 3. Nasse Laken vor dem Fenster sind eine einfache aber effektive Klimaanlage. 4. Ein Trick bei Einschlafproblemen ist, den Pyjama im Tiefkühlfach aufzubewahren. Als Decke reicht ein dünnes Laken, das ebenfalls vorgekühlt werden kann. 5. Kalte Gesichts- oder Armgüsse sorgen für belebende Erfrischung zwischendurch. Hitzekollaps Übelkeit und Hitzeerschöpfung: Schwindel, schwacher, schneller Puls und Kopfschmerzen, Muskelzucken Hitzeohnmacht: Blutgefäße im Körper erweitern sich, Blutdruck sinkt, Minderdurchblutung des Gehirns mit Kollaps und kurzer Bewusstlosigkeit Hitzeschlag: hochroter Kopf, heiße, trockene Haut, rasender, starker Pulsschlag, dazu Kopfschmerzen, Schwindel, Verwirrtheit und Übelkeit Wie reagiert man darauf? Sofort in den Schatten. Beine hoch lagern. Körper abkühlen, z. B. mit feuchten Tüchern. Trinken, dabei auch Mineralsalze auffüllen. Notarzt verständigen. Richtiges Trinken bei Hitze Wenn es heiß ist, braucht der Körper viel Flüssigkeit. Zwei Liter am Tag sind das absolute Minimum. Ideal sind Wasser, Tees oder verdünnte Säfte. Cola, Limonaden und auch purer Saft enthalten zu viel Zucker. Um neben dem Wasser auch Mineralien aufzufüllen, ist Gemüsebrühe ideal. Wasserreiche Früchte und Gemüse wie Melonen und Gurken sind eine ideale Ergänzung. Nicht geeignet als Durstlöscher sind alkoholische Getränke und Kaffee. Auch auf Eiswürfel verzichtet man besser, da die den Kreislauf belasten können. Warme Getränke fördern das Schwitzen und schaffen so kreislaufschonende Abkühlung. Schwindel: Wenn die Welt unterzugehen scheint Mit einem Mal drehte sich die ganze Welt. Hans Joachim M. wollte nachts nur kurz auf die Toilette. Plötzlich schien es, als bewegte sich der ganze Wohnblock um ihn herum. Das Kreisen wurde immer schneller. "Ich hatte Angst, richtige Angst!", erinnert sich der Hallenser. Ein solcher Anfall raubt einem Menschen die Orientierung und macht ihn so vollkommen hilflos. Kein Schritt ist mehr möglich. Die Welt scheint unterzugehen. Nach der Einlieferung ins Krankenhaus wird schnell untersucht und behandelt. Die erste Aufmerksamkeit gilt dem Gleichgewichtsorgan, das im Innenohr angesiedelt ist. Im Zusammenspiel mit den Sinneseindrücken (Hören, Sehen, Fühlen) erzeugt es unseren Eindruck von unserer Position im Raum und wirkt mit bei der Kontrolle der Bewegungen des Körpers. Ein Defekt ist eine mögliche Ursache von Schwindel. Ursachen könnten in Durchblutungsstörungen oder einem Infekt im Ohr 2 Seite 3 von 5 liegen, die das komplexe Zusammenspiel beeinträchtigen. Nachdem bei Hans Joachim M. kein Fehler diagnostiziert werden konnte, geht es an die Überprüfung der Augen. Mittels einer blickdichten Brille, in die eine Minikamera eingebaut ist, werden die Eigenbewegungen der Augen überprüft. Kein Zittern der Pupillen – alles in Ordnung. Es folgt ein Hörtest, um weitere mögliche Probleme im Ohr auszuschließen. Auch hier Entwarnung. Schließlich der Befund: Eine kurzzeitige Irritation des Gleichgewichtsorgans. Nichts Ernstes, schon nach einigen Stunden steht Hans Joachim M. wieder auf den Beinen. Doch die Heftigkeit der plötzlichen Schwindelattacke verunsichert ihn im Nachhinein noch immer. Was steckt dahinter? Schwindel ist keine Krankheit. Schwindel ist ein Symptom, hinter dem eine Fülle ganz unterschiedlicher Erkrankungen stecken kann. Über zwanzig mögliche Hintergründe sind bekannt. Um sich einen Weg durch diesen Dschungel zu bahnen, unterscheidet der Arzt zunächst zwischen zentralem und peripherem Schwindel. "Zentral" bedeutet, dass der Hirnstamm beteiligt ist, "peripher" steht für das Gleichgewichtsorgan als Ausgangspunkt. Für den Patienten ergibt sich daraus, welcher Facharzt für die weitere Behandlung zuständig ist. Das können ein Neurologe oder ein HNO-Arzt, ein Orthopäde oder auch ein Augenspezialist sein. Mit Hilfe bildgebender Verfahren werden zunächst ein Schlaganfall oder Arteriosklerose als Ursache des Schwindels ausgeschlossen. Dazu wird die Durchblutung der Gefäße untersucht, die Hirnstamm und Gleichgewichtsorgan versorgen. Je nach Fall und Beschwerden können sich weitere Überprüfungen anschließen, etwa Untersuchungen der Augen bei begleitenden Sehstörungen oder verschie- dene neurologische Tests. Nicht immer muss es Hightech sein. Schon die Fähigkeit, mit dem Finger die Nasenspitze zu treffen oder im Dunklen ohne Orientierung exakt auf der Stelle zu treten, ohne sich dabei zu drehen liefern Fingerzeige. Auch bei gründlicher Untersuchung gelingt es oftmals nicht, Ursachen für Schwindel zu finden. Das kann daran liegen, dass mehrere Faktoren zusammenspielen. Gerade bei Älteren, die besonders häufig von Schwindel geplagt werden, können Augenerkrankungen, Defekte an der Wirbelsäule, Unterzuckerung bei Diabetes und die Alterung des Gleichgewichtsorgans selbst in kaum greifbarer Weise hinter dem Problem stecken. Nicht selten aber hat Schwindel auch psychische Hintergründe, die ganz oder teilweise für die Symptome verantwortlich sind. Arten von Schwindel Schwindel hat nicht nur unterschiedliche Ursachen, sondern auch verschiedene Erscheinungsformen. Drehschwindel wirkt wie die Fahrt auf einem Karussell, Schwankschwindel fühlt sich an wie der Gang auf einem Schiff. Weitere Unterscheidungen sind die Dauer (kurz, lang oder Dauerproblem?), ob es feststellbare Auslöser gibt und ob Begleitsymptome auftreten. Die fünf häufigsten SchwindelDiagnosen 1. Gutartiger Lagerungsschwindel – harmlose Irritation des Gleichgewichtsorgans 2. Phobischer Schwankschwindel – Angstattacken mit psychischem Hintergrund 3. Zentral-vestibulärer Schwindel – Erkrankung von Hirnstamm, Kleinoder Großhirn 4. Vestibuläre Migräne: Dreh- und Schwankschwindelattacken mit Kopfschmerzen 3 Seite 4 von 5 5. Morbus Menière – heftige Drehschwindelattacken und Ohrgeräusche, Ursache unbekannt Schwindel der Seele Bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen ist die Ursache für den Schwindel die Psyche. Den meisten ist das nicht bewusst. Abgesehen davon fällt es vielen Menschen schwer, zu akzeptieren, dass ein handfestes körperliches Problem wie der Schwindel Ausdruck seelischer Leiden sein kann. Besonders häufig tritt der psychogene Schwindel im Zusammenhang mit Angsterkrankungen und Phobien auf. Solche Schwindelattacken können zum Beispiel auf Treppen, Brücken oder großen Plätzen auftreten und von Herzrasen, Atemnot und Schweißausbrüchen begleitet sein. Die Angst vor dem nächsten Anfall wird Teil des Problems, das sich so weiter verfestigt. Hintergrund solcher Panikattacken können beispielsweise Probleme in Beruf oder Partnerschaft sein. Ebenso können andere psychisch verwurzelte Leiden wie Essstörungen oder Süchte von Schwindel begleitet werden. Auch Depressionen oder Psychosen können der Hintergrund von Schwindel sein, der dann eher dauerhaft auftritt. Durch Psychotherapie lässt sich der Schwindel der Seele oft gut behandeln. Stichwort: Lagerungsschwindel Besonders häufig und besonders intensiv, zugleich aber harmlos ist der Lagerungsschwindel. Er tritt kurz und anfallsartig insbesondere bei Bewegungen im Liegen auf, also wenn man im Bett die Position verändert. Die Ursache liegt im Innenohr. Das dort befindliche Gleichgewichtsorgan enthält eine Flüssigkeit sowie kleine Härchen, die als Fühler wirken. In der Flüssigkeit können kleine Partikel entstehen, sich lösen und die Sinneshaare reizen. Daraus entsteht die Illusion einer Drehbewegung des Körpers, die als Schwindel erlebt wird. Der Schwindel lässt sich stoppen durch bestimmte Bewegungsfolgen, die die Teilchen im Ohr in ihrer Position zurückbringen. Patienten sollten diese Technik vom Arzt erlernen und möglichst häufig den Schwindel auslösen und wieder beseitigen. Durch die Gewöhnung des Gehirns lässt sich so dauerhafte Besserung erreichen. Falsch hingegen ist die instinktive gegenteilige Reaktion, Schwindel auslösende Bewegungen zu meiden. Weil letztlich Gewöhnung eine dauerhafte Besserung bringt, werden auch etwaige Medikamente nur vorübergehend verschrieben. Schwindel durch Medikamente Schwindel kann eine Nebenwirkung von Medikamenten sein, die vor allem in der Anfangsphase einer Arzneimittelbehandlung häufig auftritt. Dieser Schwindel hat oft besondere Merkmale. Betroffene berichten über ein Benommenheitsgefühl, sehen Sternchen, klagen über Schweißausbrüche oder fühlen sich einem Zusammenbruch nahe. Besonders häufige betroffene Arten von Medikamenten sind Beruhigungsmittel, Blutdrucksenker, nichtsteroidale Antirheumatika (Entzündungshemmer) und Arzneimittel gegen Demenz. Bei Diabetikern kann Schwindel eine Folge von Unterzuckerung sein, die durch Tabletten oder Insulin hervorgerufen wurde. Bis zum Erbrechen… Schwindel ist nichts, was nur im Kopf stattfindet. Der ganze Körper kann in Aufruhr geraten. Der Blutdruck steigt, die Schweißdrüsen laufen hochtourig, Muskeln verkrampfen, dem Betroffenen wird schlecht. Die Übelkeit steigert sich bis zum Erbrechen. Verantwortlich dafür ist das Gehirn. Im Stammhirn befindet sich das Brechzentrum. Es reagiert über eine Verschaltung mit zahlreichen Nervenzellen auf viele Auslöser - zum Beispiel auf Verdauungsprobleme, aber eben auch auf 4 Seite 5 von 5 Schwindel. Aus dem Brechzentrum wird der Brechreiz in den Bauch weitergeleitet. Der Befehl "Bauchinhalt abstoßen" kann zum schwallartigen Entleeren des Mageninhalts über Speiseröhre und Mund, zugleich aber auch in Form von Durchfall erfolgen. Brechreiz hat eine Warnfunktion. Er signalisiert, dass eine Krankheit vorliegt oder das Gleichgewichtsorgan extrem überfordert ist. Ursachen können zum Beispiel eine neue Brille oder das Schwanken an Bord eines Schiffes sein. Der Körper wehrt sich, weil man ihm zu viel zugemutet hat. Gitte Baumeier: Übungen gegen Schwindel Manche Patienten leiden an Schwindelattacken, die zwar harmlos sind, trotzdem aber immer wiederkehren, beispielsweise beim Zug Fahren oder auf Schiffen. Es gibt Übungen, die dann helfen. Übrigens auch beim Drehschwindel. So geht’s: Augen gezielt bewegen, um Dinge zu verfolgen. Dazu kann man zum Beispiel mit einer Schnur einen kleinen Gegenstand an die Türklinke binden und mit den Blicken der Pendelbewegung folgen. Ein ähnliches Prinzip ist es, einen Wasserball auf der Hand kreisen zu lassen und mit den Augen einzelne Streifen zu fixieren. Oder man setzt sich auf einen Drehstuhl und behält beim Drehen einen bestimmten Punkt in etwa einem Meter Entfernung möglichst konstant im Auge. Bei Schwindel, der unter Belastung auftritt, sind Bewegungsübungen hilfreich, zum Beispiel das Balancieren auf einem Kippelbrett oder Gehen auf einer Linie. Vorsicht bei Schwankschwindel: Wegen erhöhter Sturzgefahr sollten dann Übungen so durchgeführt werden, dass man sich nötigenfalls festhalten kann. Die Übungen zielen darauf ab, den Gleichgewichtssinn zu trainieren. Es ist sinnvoll, damit frühzeitig zu beginnen. Die Übungen helfen nicht bei Lagerungsschwindel. Anne Kathrin Habermann: Mein Tipp – Riechsalz Man kennt es heute nur noch aus Kostümfilmen: Wurde früher den Damen plötzlich schwarz vor Augen - etwa wegen zu enger Korsetts - war rasch ein Fläschchen Riechsalz bei der Hand, um die kleine Unpässlichkeit kurzerhand zu beheben. Riechsalz ist zusammen mit den Korsetten aus dem Mode gekommen, einen Versuch kann es aber durchaus wert sein. Vorraussetzung ist, der Schwindel entsteht durch absackenden Blutdruck, beim raschen Aufstehen oder aus psychischen Gründen. Bei organisch verwurzeltem Schwindel taugt das alte Hausmittel nicht. Riechsalz besteht aus Hirschhornsalz, das in feuchter Umgebung Ammoniak freisetzt. Dieses reizt die Atemwege leicht und verstärkt den Atemreflex, wodurch es zu einer besseren Sauerstoffversorgung kommt. Angenehmer wird der Gebrauch durch Zugabe duftender Öle. Hier ein klassisches englisches Rezept: Möglichst grobes Hirschhornsalz in ein Fläschchen geben, dazu je 20 Tropfen Lavendelöl, Bergamotteöl und Nelkenöl, 10 Tropfen Zimtöl und 5 Tropfen Orangenöl geben, ferner 25 ml 90prozentigen Alkohol. Zur Verstärkung der Wirkung kann man noch einige Tropfen Ammoniaklösung beigeben. Experte im Studio Dr. Andreas Oldag, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Magdeburg Buchtipps: Anne Freimann: Schwindel: So kommt die Welt wieder ins Gleichgewicht. Schlüter 2009. Karl-Friedrich Hamann: Schwindel: 150 Fragen und Antworten. Zuckschwerdt 2005. 5