Funktionentheorie

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Funktionentheorie
Vorlesung WS 94/95
Neuauflage Mai 2001
W. Kaup
Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1 Der Satz von Montel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Der Riemannsche Abbildungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3 Die Riemannsche Zahlenkugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4 Der Satz von Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
5 Einige spezielle Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
6 Existenzsätze für meromorphe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
7 Elliptische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
8 Randeigenschaften eigentlicher holomorpher Abbildungen. .34
9 Kleiner Exkurs in Juliamengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
10 Mehrdeutige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
11 Riemannsche Flächen und Funktionenkörper . . . . . . . . . . . . . . . . 53
12 Anhang: Überlagerungen und Homotopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
13 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2
Symbole
Einige Symbole
H(D)
. . . . . . . . . . . .
3
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
K . . . . . .
Inneres von K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
F \A
. . . .
{x ∈ F : x ∈
/ A}
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
C(D)
. . . .
Raum der stetigen Funktionen auf D . . . . . . . . . . . . . . .
6
A(D)
. . . .
Raum der reell-analytischen Funktionen auf D
. . . . . . . . . .
6
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
pK
. . . .
. . . . .
◦
b
. . . . .
Raum der holomorphen Funktionen auf D
Seminorm zu K
relativ-kompakt
∆ . . . . . .
offene Einheitskreisscheibe
OBdA . . . .
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit
. . . . . . . . . . . . . .
7
R∗
Einheitengruppe des Ringes R . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
C
. . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
. . . . . .
Riemannsche Zahlenkugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
A . . . . . .
abgeschlossene Hülle von A in C . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Pf
Polstellenmenge einer meromorphen Funktion
. . . . .
. . . . . . . . . . . 11
M(D) . . . .
Ring der meromorphen Funktionen auf D . . . . . . . . . . . . . 11
C(z)
Körper der rationalen Funktionen in z
. . . .
Aut(U )
. . .
Automorphismengruppe von U
. . . . . . . . . . . . . . 11
. . . . . . . . . . . . . . . . . 13
GL(n, C) . . .
Gruppe aller invertierbaren komplexen n × n-Matrizen
SL(n, C)
Untergruppe aller Matrizen mit Determinante 1
. . .
. . . . . . . 13
. . . . . . . . . . 13
wf (a)
. . . .
Wertigkeit von f in a
vf (a)
. . . .
Verzweigungsordnung von f in a . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
DV
. . . . .
Doppelverhältnis
IPn
. . . . .
komplex projektiver Raum
IK[x]
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Ring aller Polynome in x mit Koeffizienten aus IK
. . . . . . . . . 16
Γ(z) . . . . .
Gammafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
ζ(z) . . . . .
Zetafunktion
℘(z) . . . . .
Weierstraßsche ℘-Funktion
Resg (c)
Residuum von g in c
µ(U )
H(U, V )
. . .
. . . .
. . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Modul des Kreisrings U
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Raum aller holomorphen Abbildungen U → V
. . . . . . . . . . . 42
F (f )
. . . .
Fatoumenge von f
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
J(f )
. . . .
Juliamenge von f
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Fix(f )
. . . .
Fixpunktmenge von f
W (a)
. . . .
Attraktionsbereich von a
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
A(a)
. . . .
Attraktionsgebiet von a
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
π1 (X)
. . . .
Fundamentalgruppe von X
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3
Funktionentheorie
1. Der Satz von Montel
Im folgenden sei D ⊂ C stets eine offene Teilmenge und H(D) der Raum der holomorphen
Funktionen auf D. Zur Abkürzung schreiben wir in diesem Abschnitt auch F := H(D). Dann
ist F ein C-Vektorraum (sogar eine komplexe Algebra). Wir wollen F topologisieren. Für jedes
Kompaktum K ⊂ D definiere pK : F → IR durch pK (f ) := supz∈K |f (z)|. Dann gilt
(i) pK (f ) ≥ 0
(ii) pK (tf ) = |t| pK (f ) für t ∈ C
(iii) pK (f + g) ≤ pK (f ) + pK (g)
(man sagt, pK ist eine Seminorm auf F ).
Zur Erinnerung: Eine Folge (fn ) holomorpher Funktionen auf D konvergiert kompakt gegen
die Funktion f auf D (in Zeichen: f = lim fn ), wenn die Konvergenz auf jedem Kompaktum von
D gleichmäßig ist (und der Satz von Weierstraß sagt dann, daß f holomorph ist und die Folge
(fn0 ) der Ableitungen kompakt gegen die Ableitung f 0 konvergiert).
1.1 Bemerkung. Die Folge (fn ) konvergiert genau dann kompakt gegen f ∈ F , wenn für jedes
Kompaktum K ⊂ D gilt
lim pK (f − fn ) = 0 .
n→∞
1.2 Definition. U ⊂ F heißt Umgebung von f ∈ F ⇐⇒ ∃ Kompaktum K ⊂ D und ∃ ε > 0
mit
UK,ε (f ) := {g ∈ F : pK (g − f ) < ε} ⊂ U .
U ⊂ F heißt offen ⇐⇒ U ist Umgebung von jedem f ∈ U .
Das System aller offenen Teilmengen in F liefert die Topologie der kompakten Konvergenz
auf F = H(D). Offenbar gilt:
f = lim fn ⇐⇒ Für jede Umgebung U von f gilt fn ∈ U für fast alle n .
n→∞
Die Topologie von F ist verträglich mit der Vektorraumstruktur in folgendem Sinne: Die Abbildungen
F × F −→ F und C × F −→ F
(f, g) 7→ f + g
(t, f ) 7→ tf
sind stetig. Man spricht deshalb auch von einem topologischen Vektorraum. Da die Topologie
von einem System von Seminormen definiert wird (nämlich allen pK mit K ⊂ D kompakt),
spricht man von einem lokal-konvexen topologischen Vektorraum. Wir wollen zeigen, daß man
schon stets mit abzählbar vielen Seminormen auskommen kann. Dazu zunächst
1.3 Definition. Eine Folge (Kn ) heißt Ausschöpfungsfolge von D, wenn gilt
∞
S
(i) Jedes Kn ist kompakt und D =
Kn ,
◦
(ii) Kn ⊂ K n+1 für alle n.
n=1
Beispielsweise ist für ∆ := {z ∈ C : |z| < 1} (offene Einheitskreisscheibe) und Kn := {z ∈ C :
|z| ≤ 1 − 1/n} für n ≥ 1 die Folge (Kn ) eine Ausschöpfungsfolge von ∆. Es gilt allgemein
4
Funktionentheorie
1.4 Satz. Jede offene Teilmenge D ⊂ C besitzt eine Ausschöpfungsfolge.
Beweis. Es sei
R := {R ⊂ D : R kompaktes, achsenparalleles Rechteck mit Eckpunkten in Q + iQ} .
R ist abzählbar, etwa R = {R1 , R2 , R3 , . . .}. Wir definieren die Folge (Kn ) rekursiv. Sei K1 := R1
und unter der Voraussetzung, daß Kn−1 bereits definiert sei, wähle ein k ≥ n mit
k
[
Kn−1 ⊂
◦
Rj .
j=1
¡◦ ¢
Das ist möglich, da Kn−1 kompakt ist und Rj eine offene Überdeckung des Kompaktums
Kn−1 ist. Setze
k
[
Kn :=
Rj .
j=1
Damit ist (Kn ) eine Ausschöpfungsfolge.
u
t
1.5 Folgerung. Jedes f ∈ H(D) besitzt ein abzählbares Fundamentalsystem von Umgebungen
(d.h. eine Folge (Un ) von Umgebungen von f mit der Eigenschaft, daß jede beliebige Umgebung
von f mindestens ein Un enthält).
Beweis. Sei (Kn ) Ausschöpfungsfolge von D und εn := 1/n. Dann bilden alle
UKn ,εn (f )
ein Fundamentalsystem von Umgebungen von f .
u
t
Die Bedeutung von 1.5 besteht darin, daß man mit (abzählbaren) Folgen arbeiten kann
(statt mit Netzen oder Filtern). Eine Folge (fn ) in F heißt Cauchy-Folge ⇐⇒ Für jedes ε > 0
und jedes Kompaktum K ⊂ D existiert ein n0 ∈ IN mit pK (fn − fm ) < ε für alle n, m ≥ n0 .
1.6 Lemma. F ist vollständig (d.h. jede Cauchy-Folge in F konvergiert).
Beweis. Sei (fn ) eine Cauchy-Folge in F . Für jedes a ∈ D ist K := {a} kompakt und pK (f ) =
|f (a)|, folglich ist (fn (a)) Cauchy-Folge in C, d.h. f (a) := lim fn (a) ∈ C existiert für jedes a ∈ D
(Cauchy-Kriterium in C). Ist K ⊂ D beliebig kompakt und ε > 0, so gilt pK (fn − fm ) < ε für
alle n, m ≥ n0 , d.h.
|fn (z) − fm (z)| < ε und folglich
|fn (z) − f (z)| ≤ ε
für alle n, m ≥ n0 und alle z ∈ K, d.h. (fn ) konvergiert kompakt gegen f : D → C. Als
kompakter Limes ist f holomorph und somit in F .
u
t
Zusammengefaßt erhalten wir
1.7 Satz. Für jede offene Teilmenge D ⊂ C ist H(D) ein komplexer Fréchetraum (d.h. ein
vollständiger topologischer Vektorraum, dessen Topologie durch abzählbar viele Seminormen
gegeben werden kann).
Man kann z.B. den Weierstraßschen Satz auch wie folgt formulieren: Für jede offene Teilmenge D ⊂ C definiert die Ableitung f 7→ f 0 eine stetig lineare Abbildung H(D) → H(D).
Wir wollen nun die kompakten Teilmengen A ⊂ F = H(D) charakterisieren. Nach Definition heißt A ⊂ F kompakt ⇐⇒ Jede offene Überdeckung von A besitzt eine endliche Teilüberdeckung. Wegen 1.5 ist für Teilmengen von H(D) kompakt äquivalent zu folgenkompakt (d.h.
jede Folge in A besitzt einen Häufungspunkt in A).
ABZF
5
Funktionentheorie
Bekanntlich sind die kompakten Teilmengen K ⊂ IRn genau die beschränkten, abgeschlossenen Teilmengen (Satz von Heine-Borel). Für F = H(D) (wie in jedem topologischen Raum)
heißt eine Teilmenge A ⊂ F abgeschlossen, wenn das Komplement F \A offen ist. Ferner heißt
A ⊂ F beschränkt, wenn für jedes Kompaktum K ⊂ D die Menge pK (A) := {pK (f ) : f ∈ A}
beschränkt in IR ist – anders ausgedrückt: Zu jedem Kompaktum K ⊂ D existiert eine Schranke c ∈ IR mit |f (z)| < c für alle f ∈ A und alle z ∈ K. Man beachte, daß jede Teilmenge
A = {f } ⊂ F , die aus einer einzelnen Funktion f besteht, eine beschränkte Teilmenge von F
darstellt, auch wenn die Funktion f auf D unbeschränkt sein sollte.
1.8 Satz von Montel. Für jede offene Teilmenge D ⊂ C und jede Teilmenge A ⊂ H(D) sind
äquivalent:
(i) A ist kompakt
(ii) A ist beschränkt und abgeschlossen.
Beweis. “triviale Richtung (i) ⇒ (ii)” Sei A kompakt. Wegen pK : F → IR stetig ist pK (A) ⊂ IR
kompakt und insbesondere beschränkt. A abgeschlossen ist trivial.
“nichttriviale Richtung (ii) ⇒ (i)” Sei A ⊂ F beschränkt und abgeschlossen. Wegen 1.5 genügt
es zu zeigen, daß A folgenkompakt ist. Sei also (fn ) eine Folge in A. Wähle eine in D dichte
Punktfolge (zk ) (etwa durch Abzählung von (Q + iQ) ∩ D). Wegen {fn (z1 )} beschränkt in C
existiert eine Teilfolge (gn1 ) von (fn ) mit (gn (z1 )) konvergent in C. Analog existiert Teilfolge
(gn2 ) von (gn1 ) mit (gn2 (z2 )) konvergent in C — allgemein existiert für jedes k eine Teilfolge (gnk )
von (gnk−1 ) mit (gnk (zk )) konvergent in C. Für die Diagonalfolge (gn ) definiert durch gn := gnn
gilt also: (gn ) ist Teilfolge von (fn ) und limn→∞ gn (zk ) ∈ C existiert für alle k. Sei nun K ⊂ D
kompakt und ε > 0 fest gegeben. Wähle c, r > 0 wie im folgenden Hilfssatz 1.9 und setze
s := min(r, ε/3c). Dann existiert ein k0 ∈ IN, so daß zu jedem z ∈ K ein k ≤ k0 mit |z − zk | ≤ s
existiert (da K kompakt und (zk ) dicht in D). Für dieses existiert ein n0 mit
|gn (zk ) − gm (zk )| < ε/3
für alle
n, m ≥ n0 und k ≤ k0 .
Ist nun z ∈ K beliebig, so gilt |z − zk | ≤ s für ein k ≤ k0 und somit
|gn (z) − gm (z)| ≤ |gn (z) − gn (zk )| + |gn (zk ) − gm (zk )| + |gm (zk ) − gm (z)|
< ε/3 + ε/3 + ε/3 = ε ,
d.h. pK (gn − gm ) < ε für alle n, m ≥ n0 . Folglich ist (gn ) eine Cauchy-Folge in H(D), und
g := lim gn ∈ H(D) existiert. Wegen A abgeschlossen ist sogar g ∈ A, d.h. A ist folgenkompakt.
u
t
1.9 Hilfssatz. Ist A ⊂ H(D) beschränkt und K ⊂ D kompakt, so existieren c, r > 0 mit
|z − w| ≤ r ⇒ |f (z) − f (w)| ≤ c |z − w|
für alle z, w ∈ K und f ∈ A.
Beweis. Es gibt ein Kompaktum L ⊂ D und ein r > 0 mit {z ∈ C : |z − w| ≤ 2r} ⊂ L für alle
w ∈ K. Setze c := r−1 · sup pL (A). Seien z, w ∈ K mit |z − w| ≤ r gegeben. Dann gilt
Z1
f 0 (w + t(z − w))dt · (z − w) .
f (z) − f (w) =
0
0
Für jedes v = w +t(z −w) mit 0 ≤ t ≤ 1 gilt {λ ∈ C : |λ−v| ≤ r} ⊂ L,
¯R d.h. |f (v)| ≤ c als Konse¯
¯ 1 0
¯
quenz der Cauchyschen Integralformel für die Ableitung und somit ¯ 0 f (w + t(z − w))dt¯ ≤ c.
u
t
In der älteren Literatur finden sich etwas andere Formulierungen des Montelschen Satzes.
Dazu zunächst
HISA
6
Funktionentheorie
1.10 Definition. Eine Teilmenge A ⊂ H(D) heißt normale Familie, falls jede Folge in A
eine in H(D) konvergente Teilfolge besitzt (d.h. die abgeschlossene Hülle A von A in H(D)
ist folgenkompakt). A ⊂ H(D) heißt beschränkte Familie, wenn sie beschränkte Teilmenge im
vorher definiertem Sinne ist.
Damit lautet dann die
Triviale Richtung von Montel: Jede normale Familie ist beschränkt.
Nichttriviale Richtung von Montel: Jede beschränkte Familie ist normal.
Als Anwendung erhalten wir den
1.11 Satz von Vitali. Sei D ⊂ C ein Gebiet und T ⊂ D eine Teilmenge, die mindestens einen
Häufungspunkt in D besitzt. Ist dann A ⊂ H(D) beschränkt und (fn ) eine Folge in A, so daß
lim fn (t) ∈ C
n→∞
für alle t ∈ T existiert, so existiert
f := lim fn ∈ H(D) .
n→∞
Beweis. Wegen A ⊂ H(D) kompakt genügt es zu zeigen, daß die Folge (fn ) höchstens einen
Häufungspunkt in H(D) hat (dabei heißt f ∈ H(D) Häufungspunkt der Folge (fn ), wenn für jede
Umgebung U von f schon fn ∈ U für unendlich viele n gilt). Seien also f, g Häufungspunkte von
(fn ). Wegen f, g holomorph auf D und f |T = g|T liefert aber der Identitätssatz, daß notwendig
f = g gelten muß.
u
t
Wir hätten alle bisherigen Definitionen statt für H(D) auch für den Raum C(D) aller
stetigen Funktionen f : D → C machen können. Dann ist H(D) ⊂ C(D) ein abgeschlossener
linearer Teilraum. Es gilt aber keinesfalls der Montelsche Satz für C(D). Er gilt nicht einmal für
den Teilraum A(D) aller reell-analytischen Funktionen f : D → C, die wie folgt definiert sind:
Für jedes a ∈ D existiert eine Umgebung U ⊂ D von a und eine in U gleichmäßig konvergente
Potenzreihenentwicklung
∞
X
f (z) =
cjk (z − a)j (z − a)k
j,k=0
mit Koeffizienten cjk ∈ C.
1.12 Beispiel. Für D ⊂ C offen und n ∈ IN sei fn ∈ A(D) definiert durch
fn (z) = sin(n(z + z)) = sin(2nx) für
x = Re(z) .
Dann gilt |fn (z)| ≤ 1 für alle n und alle z ∈ D, d.h.
A := {fn : n ∈ IN}
ist beschränkt in C(D), aber man überzeugt sich leicht, daß die Folge (fn ) keine in C(D) kompakt
konvergente Teilfolge besitzt.
In einem Hausdorffraum X heißt eine Teilmenge S ⊂ X relativ-kompakt, und wir schreiben
S b X, wenn eine kompakte Teilmenge K ⊂ X mit S ⊂ K ⊂ X existiert. Der Montelsche Satz
kann dann auch so formuliert werden, daß für jedes offene D ⊂ C in H(D) die beschränkten
Teilmengen genau die relativ-kompakten Teilmengen sind.
Funktionentheorie
7
1.13 Übungsaufgabe. Es seien B ⊂ D Gebiete in C und λ : H(D) → H(B) die durch
λ(f ) = f |B definierte Einschränkungsabbildung. Man zeige
(i) λ ist eine injektive, stetig lineare Abbildung, die genau dann surjektiv ist, wenn B = D gilt.
(ii) Ist B b D, so ist λ kompakt (d.h. ∃ Umgebung U der 0 ∈ H(D) mit λ(U ) b H(B)).
(iii) Ist λ kompakt und B beschränkt, so gilt B b D. Hinweis: Für geeignete a ∈ ∂D und r > 0
betrachte die Funktionenfamilie aller r(z − a)−n .
(iv) Ist B unbeschränkt, so ist λ nicht kompakt.
1.14 Übungsaufgabe. Es seien D ⊂ C ein Gebiet, A ⊂ H(D) eine beschränkte Teilmenge
und (fn ) eine Folge in A. Dann sind für jedes a ∈ D äquivalent.
(i) Die Folge (fn ) kovergiert auf D kompakt gegen eine holomorphe Grenzfunktion.
(k)
(ii) Für jedes k ∈ IN existiert in a der Limes der k-ten Ableitungen limn→∞ fn (a) in C.
1.15 Übungsaufgabe. Es seien D ⊂ C ein Gebiet und K, L ⊂ D kompakte Teilmengen.
Die Menge K sei nicht endlich. Dann gibt es eine Nullfolge reeller Zahlen (εn ) mit folgender
Eigenschaft: Für jede holomorphe Funktion f auf D mit |f (z)| ≤ 1 für alle z ∈ D und |f (z)| ≤
1/n für alle z ∈ K gilt |f (z)| ≤ εn für alle z ∈ L.
2. Der Riemannsche Abbildungssatz
Seien D, E ⊂ C Gebiete und f ∈ H(D). Gilt f (D) ⊂ E, so sprechen wir auch von einer
holomorphen Abbildung f : D → E. Diese heißt biholomorph, wenn sie bijektiv ist (in diesem
Fall hat die Ableitung f 0 keine Nullstelle in D, und insbesondere ist die Umkehrabbildung
f −1 : E → D ebenfalls holomorph). Die beiden Gebiete D, E heißen biholomorph äquivalent,
wenn eine biholomorphe Abbildung f : D → E existiert. Biholomorph äquivalente Gebiete
haben offenbar funktionentheoretisch gleiche Eigenschaften.
2.1 Beispiel. Für ∆ := {z ∈ C : |z| < 1} und jedes a ∈ ∆ wird durch g(z) :=
biholomorphe Abbildung g : ∆ → ∆ mit g −1 = g und g(0) = a definiert.
Beweis. Für a, z ∈ ∆ gilt 0 < (1 − aa)(1 − zz) = (1 + aazz) − (zz + aa) und damit
z−a
eine
az − 1
BEIS
|z − a|2 = (zz + aa) − (az + az) < (1 + aazz) − (az + az) = |az − 1|2 ,
d.h. |g(z)| < 1 und somit ist g : ∆ → ∆ eine holomorphe Abbildung. Man rechnet unmittelbar
g(g(z)) = z für alle z ∈ ∆ nach.
u
t
Sei D ⊂ C ein Gebiet und f ∈ H(D) eine auf D holomorphe Funktion. Dann heißt f
schlicht, wenn f (a) 6= f (b) für alle a 6= b aus D gilt (wenn also f als Abbildung injektiv ist). Aus
dem Satz über die Gebietstreue folgt für jedes schlichte f ∈ H(D), daß das Bild f (D) ebenfalls
ein Gebiet in C ist. Insbesondere ist dann die Abbildung f : D → f (D) biholomorph.
Für schlichte holomorphe Funktionen gilt nun der bemerkenswerte
2.2 Satz. Sei D ⊂ C ein Gebiet in C und (fn ) eine Folge schlichter holomorpher Funktionen
auf D, die kompakt auf D gegen eine nicht-konstante Funktion f ∈ H(D) konvergiert. Dann ist
auch f schlicht.
Beweis. Angenommen, f ist nicht schlicht. Dann existieren a 6= b aus D mit f (a) = f (b). OBdA
dürfen wir f (a) = 0 annehmen und ebenso f 0 (a) 6= 0 6= f 0 (b) (denn ist f 0 (a) = 0, so existieren in
jeder Umgebung von a Punkte c 6= d, in denen f den gleichen Wert und nicht-verschwindende
Ableitung hat). Wegen f nicht-konstant existiert ein r > 0, so daß für K := {z ∈ C : |z − a| ≤ r}
gilt: K ⊂ D und a ist die einzige Nullstelle von f in K. Auf einer geeigneten Umgebung U von
K gilt
c
1
=
+ h(z)
f (z)
z−a
HURW
8
Funktionentheorie
mit c = 1/f 0 (a) 6= 0 und einer auf U holomorphen Funktion h. Also gilt
Z
dz
= 2πic 6= 0 .
f (z)
|z−a|=r
Wegen f = lim fn existiert ein n0 so, daß für alle n ≥ n0 gilt
(i) fn hat keine Nullstelle auf ∂K = {|z − a| = r} und
Z
dz
(ii)
6= 0.
f
|z−a|=r n (z)
Wegen des Cauchyschen Integralsatzes heißt das aber: Für jedes n ≥ n0 hat fn im Innern von
K mindestens eine Nullstelle. Mit dem gleichen Argument folgt: Es gibt ein n1 ≥ n0 und eine
Umgebung V ⊂ D\K von b, so daß für jedes n ≥ n1 die Funktion fn eine Nullstelle in V hat.
Das widerspricht aber unserer Voraussetzung, daß alle fn schlicht sind.
u
t
Wir wollen nun als Hauptresultat dieses Abschnitts diejenigen Gebiete D ⊂ C charakterisieren, die zum offenen Einheitskreis ∆ biholomorph äquivalent sind. Aus topologischen Gründen
ist klar, daß solche D einfach-zusammenhängend sein müssen. Zunächst gilt
2.3 Bemerkung. C ist nicht biholomorph äquivalent zu ∆. Allerdings ist C reell-analytisch
(und damit insbesondere topologisch) äquivalent zu ∆.
Beweis. Angenommen, es existiert eine biholomorphe Abbildung f : C → ∆. Dann ist f als
beschränkte holomorphe Funktion auf C nach Liouville konstant und damit doch nicht biholomorph. Andererseits definiert f (z) := (1 + zz)−1/2 z eine reell-analytische Abbildung f : C → ∆.
Diese hat mit g(w) := (1 − ww)−1/2 w eine reell-analytische Umkehrabbildung g : ∆ → C, d.h.
C und ∆ sind reell-analytisch äquivalent.
u
t
2.4 Riemannscher Abbildungssatz. Jedes einfach-zusammenhängende Gebiet D ⊂ C mit
D 6= C ist biholomorph äquivalent zum Einheitskreis ∆.
Beweis. Fall 1: 0 ∈ D ⊂ ∆.
Sei A := {f ∈ H(D) : f (D) ⊂ ∆, f schlicht , f (0) = 0, |f 0 (0)| ≥ 1}. Für f (z) ≡ z gilt offenbar
f ∈ A, d.h. A 6= ∅.
Behauptung. A ist kompakt!
Beweis Behauptung. Da A ⊂ H(D) beschränkt ist, genügt es wegen Montel zu zeigen, daß A
abgeschlossen in H(D) ist. Sei also (fn ) eine Folge in A mit f = lim fn ∈ H(D). Dann gilt auch
f (0) = 0 und |f 0 (0)| = lim |fn0 (0)| ≥ 1. Also ist f nicht konstant und somit f (D) ⊂ ∆ offen,
d.h. f (D) ⊂ ∆. Ebenso ist f schlicht wegen Satz 2.2, d.h. f ∈ A, und die Behauptung ist somit
bewiesen.
Da die Abbildung f 7→ |f 0 (0)| stetig ist, existiert folglich ein g ∈ A mit
|g 0 (0)| = sup |f 0 (0)| ≥ 1 .
f ∈A
Behauptung. g(D) = ∆, d.h. g : D → ∆ ist biholomorph.
Beweis Behauptung. Angenommen, es existiert ein a ∈ ∆\g(D). Dann ist a 6= 0, und es existiert
ein b 6= 0 mit a = b2 . Definiere ϕ, ψ, F ∈ H(∆) und H ∈ H(D) (vergl. 2.1) durch
ϕ(z) =
z−a
,
az − 1
ψ(z) =
z−b
,
bz − 1
F (z) = ϕ(ψ(z)2 ),
H(z) = ϕ(g(z)) .
Dann gilt
(i) F (0) = 0, F (∆) ⊂ ∆ und |F 0 (0)| < 1 nach Schwarzschen Lemma (vergl. 2.7), da F nicht
schlicht ist
9
Funktionentheorie
(ii) H(0) = a, H schlicht und somit H(D) ⊂ C∗ einfach-zusammenhängendes Gebiet.
√
Da somit auf H(D) ein Zweig von z existiert, gibt es ein h ∈ H(D) mit h(z)2 ≡ H(z)
und h(0) = b. Für dieses h gilt h(D) ⊂ ∆, und h ist schlicht (da H schlicht). Daraus folgt
f := ψ ◦ h ∈ H(D) schlicht, f (D) ⊂ ∆, f (0) = 0 und weiter wegen ϕ ◦ ϕ = ψ ◦ ψ = id:
F (f (z)) = ϕ(ψ(f (z))2 ) = ϕ(h(z)2 ) = ϕ(H(z)) = g(z) ,
d.h. F 0 (0) · f 0 (0) = g 0 (0) und folglich
|f 0 (0)| =
|g 0 (0)|
> |g 0 (0)| ,
|F 0 (0)|
d.h. f ∈ A, und wir erhalten einen Widerspruch zur Wahl von g, d.h. g(D) = ∆.
Fall 2: D ist nicht dicht in C.
Dann existiert ein a ∈ C und ein r > 0 mit |z − a| > 2r für alle z ∈ D. Wähle ein b ∈ D
und definiere f ∈ H(D) durch f (z) = r/(z − a). Dann gilt |f (z)| < 1/2, d.h. g(z) := f (z) −
f (b) definiert eine schlichte Funktion g ∈ H(D) mit g(D) ⊂ ∆ und g(b) = 0. Folglich ist D
biholomorph äquivalent zu g(D) und damit wegen Fall 1 auch zu ∆.
Allgemeiner Fall: Wegen D 6= C existiert ein a ∈ C\D. OBdA ist a = 0, d.h. D ⊂ C∗
ist ein einfach-zusammenhängendes Gebiet. Dann existiert f ∈ H(D) mit f (z)2 ≡ z (Zweig
der Wurzelfunktion). Also ist f schlicht, und für E := f (D) ist f : D → E biholomorph.
Angenommen, es existiert ein c ∈ E ∩ (−E), d.h. ∃ x, y ∈ D mit c = f (x) = −f (y) und somit
x = f (x)2 = (−f (y))2 = y bzw. f (x) = −f (x) = 0, was nicht möglich ist. Also liegt das Gebiet
−E im Komplement von E, und E ist nicht dicht in C. Mit Fall 2 folgt die Behauptung.
u
t
2.5 Folgerung. Je zwei einfach-zusammenhängende Gebiete D ⊂ IR2 sind topologisch äquivalent.
Für jede offene Teilmenge D ⊂ C ist H(D) ein kommutativer Ring mit Eins 1 (der Funktion ≡ 1).
Sei H(D)∗ die Einheitengruppe in H(D), d.h. die Menge aller f ∈ H(D), für die ein g ∈ H(D)
mit f g = 1 existiert. Offenbar ist H(D)∗ gerade die Menge aller holomorphen Abbildungen
f : D → C∗ , wobei C∗ = C\{0}. Der Gruppenhomomorphismus exp : H(D) → H(D)∗ ist
im allgemeinen nicht surjektiv (i.a. kann nicht der Logarithmus einer holomorphen Funktion
gebildet werden, auch wenn diese den Funktionswert 0 nicht annimmt). Als Anwendung des
Riemannschen Abbildungssatzes (genauer des Beweises) erhalten wir nunmehr
2.6 Folgerung. Für jede offene Teilmenge D ⊂ C sind äquivalent
(i) D ist einfach-zusammenhängend,
d
(ii) dz
: H(D) → H(D) ist surjektiv,
(iii) exp : H(D) → H(D)∗ ist surjektiv,
(iv) q : H(D)∗ → H(D)∗ ist surjektiv, wobei q durch q(f ) = f 2 definiert ist.
Beweis. Wir dürfen D zusammenhängend annehmen. (i) ⇒ (ii) ⇒ (iii) ⇒ (iv) Übungsaufgabe.
(iv) ⇒ (i) Es gelte (iv). Wir dürfen D 6= C annehmen. Der Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes funktioniert auch unter der Annahme (iv), also ist D biholomorph äquivalent zu ∆.
∆ ist einfach-zusammenhängend und damit auch D.
u
t
AEQU
Wir müssen noch nachtragen die auch für sich interessante Aussage
2.7 Schwarzsches Lemma. Sei f : ∆ → ∆ eine holomorphe Abbildung mit f (0) = 0. Dann
gilt |f (z)| ≤ |z| für alle z ∈ ∆ und ebenso |f 0 (0)| ≤ 1. Gilt |f (z)| = |z| für ein z ∈ ∆ mit z 6= 0
oder |f 0 (0)| = 1, so existiert ein t ∈ C mit |t| = 1 und f (z) = tz für alle z ∈ ∆.
Beweis. Definiere g : ∆ → C durch
½
g(z) =
f (z)/z
f 0 (0)
z=
6 0
z=0.
SCHW
10
Funktionentheorie
Dann ist g stetig auf ∆ und holomorph auf ∆\{0}, d.h. g ist holomorph auf ganz ∆. Für jedes
0 < r < 1 folgt mit dem Maximumprinzip
pKr (g) = p∂Kr (g) ≤ 1/r
für den Rand ∂Kr der Kreisscheibe Kr := {|z| ≤ r}. Für r % 1 folgt daraus |g(z)| ≤ 1 für alle
z ∈ ∆. Der Fall |g(z)| = 1 für ein z ∈ ∆ kann nur dann eintreten, wenn g konstant ist, d.h.
f (z) ≡ tz für ein t ∈ C mit |t| = 1.
u
t
2.8 Übungsaufgabe. Es f eine holomorphe Abbildung ∆ → ∆. Man zeige |f 0 (0)| ≤ (1 − aa)
für a := f (0). Gleichheit gilt z.B. für f (z) = (z − a)/(az − 1). Insbesondere impliziert also
|f 0 (0)| = 1 bereits f (0) = 0.
3. Die Riemannsche Zahlenkugel
Wir wollen im folgenden Holomorphie und Meromorphie auch im ‘unendlich fernen Punkt’ ∞
betrachten. Dazu sei zunächst an die Riemannsche Zahlenkugel C := C ∪ {∞} erinnert: Die
algebraischen Verknüpfungen + und · können nicht sinnvoll von C auf C fortgesetzt werden
– dennoch wollen wir zumindest a/∞ := 0 und ∞ ± a = a ± ∞ := ∞ falls a 6= ∞ sowie
a/0 = a · ∞ := ∞ falls a 6= 0 setzen. Die restlichen Verknüpfungen (wie z.B. 0/0) heißen
unbestimmte Ausdrücke, ihnen entspricht kein Wert in C. Außerdem sei ∞ := ∞ und |∞| := +∞
definiert.
Der Name Zahlenkugel (besser wäre die Bezeichnung Zahlensphäre gewesen) und Pol für
den Punkt ∞ rührt bekanntlich her von der Realisierung von C als 2-Sphäre vermöge stereographischer Projektion, genauer: Sei S 2 := {(x, y, t) ∈ IR3 : x2 + y 2 + t2 = 1} die Einheitssphäre
N
t
y
im IR3 und N := (0, 0, 1) ∈ S 2 der “Nordpol”.
τ : S 2 \{N } → C durch τ (x, y, t) =
τ −1 (z) =
x
Definiere
x + iy
. Dann ist τ Homöomorphismus wegen
1−t
³ 2x
2y
zz − 1 ´
,
,
,
zz + 1 zz + 1 zz + 1
wobei
z := x + iy .
Durch τ (N ) = ∞ wird τ zu einer Bijektion τ : S 2 → C fortgesetzt. Die Topologie auf C wird
nun so definiert, daß diese Bijektion ein Homöomorphismus wird (d.h. U ⊂ C ist Umgebung
von ∞ ⇐⇒ C\U ist beschränkte Teilmenge von C ⇐⇒ ∃ r > 0 mit {z ∈ C : |z| > r} ⊂
U ). Offenbar ist die Riemannsche Zahlenkugel C kompakt und zusammenhängend. Für jede
Teilmenge A ⊂ C wollen wir im folgenden stets mit A die abgeschlossene Hülle von A in C
bezeichnen. Für Elemente a ∈ C sei dagegen a die zu a konjugiert komplexe Zahl. Definiere
σ : C → C durch σ(z) := 1/z. Dann ist σ ein Homöomorphismus mit σ 2 = idC und σ(∞) = 0.
3.1 Definition. Sei D ⊂ C offen mit ∞ ∈ D und f : D → C eine komplexwertige Funktion.
Dann heißt f holomorph, falls
(i) f |D ∩ C holomorph im bisherigen Sinne und
(ii) f ◦ σ ist holomorph in Umgebung von 0 ∈ C.
P∞
Ist g(z) = n=0 cn z n die Potenzreihenentwicklung von g := f ◦ σ um 0 ∈ C, so heißt
f (z) =
∞
X
n=0
cn (1/z)n =
0
X
n=−∞
dn z n
PEST
11
Funktionentheorie
(dn = c−n ) die Potenzreihenentwicklung von f um ∞ ∈ D. Diese konvergiert gleichmäßig auf
einer geeigneten Umgebung von ∞.
Sei wieder H(D) der Raum aller holomorphen Funktionen auf der offenen Teilmenge D ⊂ C.
Die einschlägigen Sätze für holomorphe Funktionen (Identitätssatz, Maximumprinzip, ...) gelten
auch für D ⊂ C offen.
3.2 Bemerkung. H(C) = C, d.h. jede auf C holomorphe Funktion ist konstant.
Beweis. Sei f ∈ H(C). Wegen C kompakt nimmt |f | das Maximum an. Wegen C zusammenhängend ist nach dem Maximumprinzip f konstant.
u
t
(Alternativer Beweis: f |C ist beschränkt und somit nach Liouville konstant).
3.3 Definition. Eine stetige Abbildung f : D → C heißt eine meromorphe Funktion auf der
offenen Teilmenge D ⊂ C, wenn gilt
(i) Pf := {z ∈ D : f (z) = ∞} ist diskret in D (d.h. hat keinen Häufungspunkt in D),
(ii) die Einschränkung von f auf die offene Teilmenge D\Pf ist holomorph.
Die Menge Pf heißt die Polstellenmenge von f .
Die Menge M(D) aller meromorphen Funktionen auf D kann zu einem (kommutativen)
Ring mit Eins gemacht werden, der H(D) als Unterring enthält: Die Verknüpfungen + und ·
können allerdings nicht (wie bei H(D)) punktweise eingeführt werden, z.B. würde (f + g)(z) :=
f (z) + g(z) für alle a ∈ Pf ∩ Pg zu einem unbestimmten Ausdruck führen. Wir definieren deshalb
Summe und Produkt von f, g ∈ M(D) (eindeutig) so, daß sie auf D\(Pf ∪ Pg ) mit der entsprechenden Bildung holomorpher Funktionen übereinstimmen (man überlege sich, daß das stets
funktioniert). Ebenso definieren wir für jede meromorphe Funktion f ∈ M(D) die Ableitung
f 0 ∈ M(D) dadurch, daß sie auf (D\Pf ) ∩ C mit der üblichen Ableitung übereinstimmt.
P∞
Im Fall ∞ 6= a ∈ D gestattet f ∈ M(D) eine Laurententwicklung f (z) = n=−∞ cn (z −a)n
um a, die für alle z 6= a nahe a konvergiert, und wir setzen of (a) := inf{n
∈ Z : cn 6= 0}.
P∞
Gilt a = ∞, so hat die Laurententwicklung von f um ∞ die Form f (z) = n=−∞ cn z n , und
wir setzen of (∞) := inf{−n ∈ Z : cn 6= 0}. In jedem Falle heißt of (a) ∈ Z ∪ {+∞} die
Nullstellenordnung und − of (a) ∈ Z ∪ {−∞} die die Polstellenordnung von f in a. Offenbar sind
Nullstellen- wie auch Postellenordnung invariant gegenüber biholomorphen Abbildungen. Der
Leser mache sich klar, daß mit den getroffenen Definitionen M(D) wirklich ein Ring ist, und
daß M(D) genau dann ein Körper ist, wenn D zusammenhängend ist.
Wie sieht nun der Körper M(C) aus? Aus der Definition folgt unmittelbar, daß jedes Polynom f (z) vom Grad n eine auf C meromorphe Funktion mit of (∞) = −n darstellt, d.h.
insbesondere daß der Raum C[z] aller komplexen Polynome ein Unterring von M(C) ist. Folglich gilt auch C(z) ⊂ M(C), wobei
C(z) := {p/q : p, q ∈ C[z] mit q 6= 0}
der Körper der rationalen Funktionen (in z) ist.
3.4 Satz. M(C) = C(z), d.h. jede auf C meromorphe Funktion ist rational.
Beweis. Sei f ∈ M(C) und P := Pf . Da P keinen Häufungspunkt in C hat, ist P endlich. Wir
führen Induktion über die Anzahl der Polstellen von f :
Induktionsbeginn: P = ∅, d.h. f ∈ H(C) und folglich ist f konstant.
Induktionsschluß: Angenommen, a ∈ P . Es genügt, ein h ∈ C(z) so zu finden, daß für g :=
f − h ∈ M(C) gilt Pg = Pf \{a} – denn dann ist nach Induktionsvoraussetzung g ∈ C(z) und
folglich f = g + h ∈ C(z). Ist a ∈ C, wählen wir h wie folgt: Wegen a ∈ P hat f positive
Polstellenordnung k = − of (a) in a. Sei
∞
X
n=−k
cn (z −a)n die Laurententwicklung von f für 0 < |z − a| < ε und h(z) :=
−1
X
n=−k
cn (z −a)n .
WUTR
12
Funktionentheorie
Dann ist h ∈ C(z) und Ph = {a}. Da g = f − h holomorph in a ist, erfüllt h die geforderte
Eigenschaft. Ist schließlich a = ∞, so wählen wir analog
k
k
X
X
h(z) =
cn z n , wenn f (z) =
dn z n die Laurententwicklung für |z| > r ist.
u
t
n=1
n=−∞
Einen alternativen Beweis von 3.4 liefert
3.5 Übungsaufgabe. Man zeige ohne Verwendung des Fundamentalsatzes der Algebra für
jede nicht-konstante meromorphe Funktion f auf C:
(i) Es existiert eine (bis auf Reihenfolge der Faktoren) eindeutige Darstellung
f (z) =
c (z − a1 )(z − a2 ) · · · (z − an )
(z − b1 )(z − b2 ) · · · (z − bm )
wobei c, ai , bj ∈ C und ai 6= bj für alle i, j.
(ii) Anhand der Produktdarstellung in (i) bestimme man für jedes a ∈ C die Nullstellenordnung
of (a) von f in a. Insbesondere verifiziere man
X
of (a) = 0
a∈C
(d.h. f hat gleichviele Null- wie Polstellen in C, wenn diese entsprechend ihrer Vielfachheit
gezählt werden).
3.6 Definition. Seien U, V ⊂ C offene Teilmengen. Dann heißt f : U → V eine holomorphe
Abbildung, wenn zu jedem a ∈ U eine offene Umgebung D ⊂ U von a so existiert, daß für
σ(z) = 1/z gilt:
(i) Ist f (a) 6= ∞, so ist f |D ∈ H(D).
(ii) Ist f (a) = ∞, so ist σ ◦ f |D ∈ H(D).
Ist f bijektiv, so ist die Umkehrabbildung f −1 ebenfalls holomorph, und wir nennen f auch
biholomorph (und U, V heißen biholomorph äquivalent).
3.7 Bemerkung. Jede holomorphe Abbildung ist stetig. Die identische Abbildung idU : U → U
f
g
ist holomorph. Sind U →V →W holomorphe Abbildungen, so ist auch die Komposition g ◦ f :
U → W holomorph.
Beweis. Kettenregel.
u
t
3.8 Beispiel.
(i) Jede meromorphe Funktion f ∈ M(D) ist eine holomorphe Abbildung f : D → C.
(ii) Die konstante Abbildung f ≡ ∞ ist eine holomorphe Abbildung f : D → C aber keine
meromorphe Funktion auf D.
(iii) Ist D ⊂ C ein Gebiet, so ist jede holomorphe Abbildung f : D → C mit f 6≡ ∞ eine
meromorphe Funktion auf D.
Für holomorphe Abbildungen gilt insbesondere (Übungsaufgabe)
Identitätssatz. Ist D ⊂ C Gebiet und sind f, g : D → C holomorphe Abbildungen, so daß
T := {a ∈ D : f (a) = g(a)}
einen Häufungspunkt in D hat, so gilt f = g.
Satz von der Gebietstreue. Ist D ⊂ C Gebiet und f : D → C eine nicht-konstante holomorphe Abbildung, so ist f (U ) offen in C für jedes offene U ⊂ D.
UEBU
13
Funktionentheorie
3.9 Folgerung. Jede nicht-konstante holomorphe Abbildung f : C → C ist surjektiv (insbesondere hat jedes nicht-konstante Polynom eine Nullstelle in C).
Beweis. f (C) ⊂ C ist offen und abgeschlossen in C (da kompakt), d.h. f (C) = C wegen C
zusammenhängend. Ist speziell f ∈ C[z], so existiert ein a ∈ C mit f (a) = 0. Wegen f (∞) = ∞
ist a ∈ C.
u
t
3.10 Definition. Für jedes offene U ⊂ C heißt jede biholomorphe Selbstabbildung ϕ : U → U
ein (holomorpher) Automorphismus von U . Mit Aut(U ) werde die Gruppe (bzgl. Komposition)
aller Automorphismen von U bezeichnet.
Wie sieht nun z.B. Aut(C) aus? Sei GL(n, C) die Gruppe aller invertierbaren komplexen
n × n-Matrizen
und
¶ SL(n, C) die Untergruppe aller Matrizen mit Determinante 1.
µ
a b
∈ GL(2, C) definiert
Für A :=
c d
PA(z) :=
az + b
cz + d
eine nicht-konstante meromorphe Funktion auf C und damit eine holomorphe Abbildung C → C,
die Möbiustransformation oder auch gebrochen lineare Abbildung genannt wird. Es gilt nun
3.11 Satz. P : GL(2, C) → Aut(C) ist ein surjektiver Gruppenhomomorphismus mit Kern
{λI : λ ∈ C∗ }, wobei I ∈ GL(2, C) die Einheitsmatrix ist.
Beweis. Durch Einsetzen folgt leicht, daß P ein Gruppenhomomorphismus mit dem angegebenen
Kern ist. Es bleibt nur zu zeigen, daß P surjektiv ist. Sei also f ∈ Aut(C) fest. Dann ist insbesondere f ∈ M(C) und es existieren wegen 3.4 Polynome p, q ∈ C[z] mit f (z) = p(z)/q(z). Wir
dürfen annehmen, daß p, q keinen gemeinsamen Teiler haben, d.h. p, q haben keine gemeinsame
Nullstelle. Da f genau eine Nullstelle und genau eine Polstelle hat (jeweils der Ordnung
µ 1), gilt
¶
a b
p(z) = az + b, q(z) = cz + d für a, b, c, d ∈ C geeignet. Wegen f nicht-konstant ist A :=
c d
invertierbar und f = P(A).
u
t
∗
Wir können 3.11 auch so formulieren, daß Aut(C) = PGL(2, C) ∼
= GL(2, C)/C I. Offenbar
gilt auch PGL(2, C) = PSL(2, C).
WIRT
3.12 Lemma. Die Gruppe G = Aut(C) operiert scharf 3-fach transitiv auf C, d.h. zu je zwei
dreipunktigen Mengen {a1 , a2 , a3 } und {b1 , b2 , b3 } in C existiert genau ein g ∈ G mit g(ai ) = bi
für i = 1, 2, 3.
Beweis. Spezialfall a1 = ∞, a2 = 0, a3 = 1: Für jedes a ∈ C sei Ga := {g ∈ G : g(a) = a}. Dann
gilt
G∞ = {z 7→ az + b : a ∈ C∗ , b ∈ C}
G∞ ∩ G0 = {z 7→ az : a ∈ C∗ }
G∞ ∩ G0 ∩ G1 = {id} .
Man rechnet nach, daß ein f ∈ G mit f (∞) = b1 existiert. Dann existiert ein g ∈ G∞ mit
g(0) = f −1 (b2 ) ∈ C und schließlich existiert ein h ∈ G∞ ∩ G0 mit h(1) = (f g)−1 (b3 ) ∈ C∗ .
Für ϕ := f ◦ g ◦ h ∈ G gilt dann ϕ(ai ) = bi für i = 1, 2, 3. Gilt gleiches für ψ ∈ G, so gilt
ϕ−1 ◦ ψ ∈ G∞ ∩ G0 ∩ G1 , d.h. ϕ = ψ.
Allgemeinfall: Bilde (a1 , a2 , a3 ) nach (∞, 1, 0) und dieses nach (b1 , b2 , b3 ) ab.
u
t
3.13 Satz. Es sei D ⊂ C ein Gebiet, für das jede nicht-leere Teilmenge des Komplements C\D
einen isolierten Punkt besitzt. Dann kann jede injektive holomorphe Abbildung g : D → C zu
einer Möbiustransformation fortgesetzt werden.
Beweis. Da Aut(C) transitiv auf C operiert, dürfen wir oBdA ∞ ∈ g(D) annehmen. Dann
existiert ein Kompaktum K ⊂ D und ein r > 0 mit g(K) = {z ∈ C : |z| ≥ r}. Sei nun
U die Menge aller Gebiete U ⊂ C, so daß D ⊂ U und g zu einer holomorphen Abbildung
TZTZ
14
Funktionentheorie
f : U → C mit |f (z)| ≤ r ∀z ∈ U \K fortgesetzt werden kann. Dann gilt D ∈ U und mit
dem Lemma von Zorn folgt die Existenz eines (bzgl. Inklusion) maximalen Elements U ∈ U.
Angenommen, U 6= C. Nach Voraussetzung hat dann U einen isolierten Randpunkt a. Da |f | auf
U \K durch r beschränkt ist, gilt (U ∪ {a}) ∈ U , Widerspruch. Also gilt doch U = C, und somit
ist f : C → C eine holomorphe Abbildung. Wäre f nicht injektiv, müßte es disjunkte offene
Teilmengen U, V ⊂ C mit f (U ) = V geben. Das ist aber wegen D dicht in C nicht möglich.
Folglich ist f injektiv und somit eine Möbiustransformation.
u
t
Die Voraussetzung an D in Satz 3.13 ist z.B. dann erfüllt, wenn D = C\T für eine endliche
Menge T (oder für die Menge T aller Folgenglieder samt Limes einer konvergenten Folge in C).
3.14 Folgerung. Erfüllt das Gebiet D ⊂ C die gleichen Voraussetzungen wie in Satz 3.13, so
gilt Aut(D) = {g ∈ Aut(C) : g(D) = D}.
UBCZ
3.15 Folgerung.
(i) Aut(C) = {z 7→ az + b : a ∈ C∗ , b ∈ C}
(ii) Aut(C∗ ) = {z 7→ az ε : a ∈ C∗ , ε = ±1}
(iii) Aut(C\T ) ist endlich, wenn T ⊂ C eine endliche Teilmenge aus mindestens 3 Elementen ist.
Es sei D ⊂ C ein Gebiet und f ∈ M(D) eine nicht-konstante meromorphe Funktion. Zu
jedem a ∈ D wählen wir eine Möbiustransformation g so, daß die meromorphe Funktion h := g◦f
in a verschwindet und nennen wf (a) := oh (a) die Wertigkeit von f in a (hängt nicht von der
Auswahl von g ab und kann als die Vielfachheit angesehen werden, mit der f den Wert f (a) in
a annimmt). Die Zahl vf (a) := wf (a) − 1 ≥ 0 heißt die Verzweigungsordnung von f in a. Zum
Beispiel gilt im Fall a ∈ C und f (a) ∈ C gerade vf (a) = of 0 (a).
3.16 Übungsaufgabe. Es sei D ⊂ C ein Gebiet und f ∈ M(D) nicht konstant.
(i) Zu jedem a ∈ D existiert eine offene Umgebung U ⊂ D von a und ein kommutatives
Diagramm
f
U −−−−−→ f (U )


ϕ

y
yψ ,
g
∆ −−−−−→
∆
wobei ∆ = {|z| < 1} der offene Einheitskreis, ϕ und ψ biholomorphe Abbildungen mit
ϕ(a) = 0 und g(z) = z n für n = wf (a) und alle z ∈ ∆.
(ii) Man zeige unter Verwendung von (i): Ist D = C, so existiert ein b ≥ 1 (genannt Blätterzahl
von f ) mit
X
wf (a)
b=
a∈f −1 (c)
für alle c ∈ C (jeder Wert wird bei Beachtung der Vielfachheit genau b-mal angenommen).
(iii) Sei D = C und f = p/q mit teilerfremden Polynomen p, q und f 0 nicht konstant. Es
seien n := grad p, m := grad q sowie k (bzw. l) die Anzahl der jeweils einfach gezählten
Polstellen von f in C (bzw. C). Man bestimme die Blätterzahl von f und f 0 .
3.17 Definition. Seien a1 , a2 , a3 , a4 paarweise verschiedene Punkte in C. Ist dann g ∈ Aut(C)
der durch g(a1 ) = ∞, g(a2 ) = 0, g(a3 ) = 1 eindeutig bestimmte Automorphismus, so heißt
DV (a1 , a2 , a3 , a4 ) := g(a4 ) ∈ C\{0, 1}
das Doppelverhältnis der Punkte a1 , a2 , a3 , a4 (in dieser Reihenfolge).
Der Name rührt daher, daß für a1 , a2 , a3 , a4 ∈ C gilt
DV(a1 , a2 , a3 , a4 ) =
Damit gilt dann
a1 − a3 a2 − a3
:
.
a1 − a4 a2 − a4
VERZ
15
Funktionentheorie
3.18 Lemma. Seien a1 , . . . , a4 und b1 , . . . , b4 zwei 4-punktige Teilmengen von C. Dann existiert
genau dann ein g ∈ Aut(C) mit g(ai ) = bi für 1 ≤ i ≤ 4, wenn gilt
DV(a1 , a2 , a3 , a4 ) = DV(b1 , b2 , b3 , b4 ) .
Beweis. Angenommen, g(ai ) = bi für 1 ≤ i ≤ 4. Wähle f ∈ Aut(C) mit f (b1 ) = ∞, f (b2 ) = 0
und f (b3 ) = 1. Dann gilt für h := f ◦ g ∈ Aut(C) auch h(a1 ) = ∞, h(a2 ) = 0 und h(a3 ) = 1,
d.h. D(a1 , a2 , a3 , a4 ) = h(a4 ) = f (b4 ) = D(b1 , b2 , b3 , b4 ). Die Umkehrung folgt analog.
u
t
Anderes Modell für C: Für jedes n ∈ IN sei IPn := IPn (C) die Menge aller komplexen Geraden
(d.h. komplexer Unterraum der Dimension 1) L ⊂ Cn+1 . Für jedes v ∈ Cn+1 \{0} sei [v] := Cv
die Gerade durch v. Dann gilt
[v] = [w] ⇐⇒ w = λv für ein λ ∈ C∗ .
IPn heißt komplex-projektiver Raum der
n. Wir betrachten
den Spezialfall IP1 der
¡v1Dimension
¢
£v1 ¤
2
komplex-projektiven Geraden. Für v = v2 ∈ C \{0} ist [v] = v2 ∈ IP1 der zugehörige Punkt.
£ ¤
£¤
Identifizieren wir z ∈ C mit z1 und ∞ mit 10 (ordnen wir also jedem z ∈ C die komplexe
Gerade mit Steigung z zu) können wir C mit IP1 identifizieren.
µ Dann
¶ ist klar, daß GL(2, C) auf
a b
C2 und damit auf IP1 in natürlicher Weise operiert: Ist A =
∈ GL(2, C), so ist
c d
· ¸ · µ ¶¸ ·
¸ · az+b ¸
z
z
az + b
A
= A
=
= cz+d
1
1
cz + d
1
£¤
falls cz + d 6= 0 (und = 10 falls cz + d = 0). Dieses verdeutlicht auf geometrische Weise, warum
die Abbildung P : GL(2, C) → Aut(C) ein Gruppenhomomorphismus ist (vgl. 3.11).
Aber auch andere Eigenschaften von Möbiustransformationen können sofort geometrisch
abgelesen werden: Zum Beispiel, daß jedes g ∈ G := PGL(2, C) mindestens einen Fixpunkt in C
hat (denn jedes A ∈ GL(2, C) hat mindestens einen Eigenvektor in C2 und damit eine Fixgerade
in IP1 ) oder, daß g 2-fach transitiv auf C operiert (denn G operiert transitiv auf der Menge aller
Basen des C2 ). Darüber hinaus kann nun in offensichtlicher Weise für je 4 verschiedene Geraden
L1 , . . . , L4 in C2 das Doppelverhältnis DV(L1 , L2 , L3 , L4 ) ∈ C\{0, 1} eingeführt werden. Dieses
ist unter der Wirkung von GL(2, C) auf C2 invariant.
3.19 Übungsaufgabe. Es sei D := C\{0, 1} und G := Aut(D). Für jedes a ∈ D sei
G(a) := {g(a) : g ∈ G} die Bahn von a. Man zeige
(i) G ist kanonisch isomorph zur Permutationsgruppe S3 der Menge {0, 1, ∞}. Man gebe die
Elemente von G explizit an.
(ii) Es gibt genau eine Bahn in D bestehend aus 2 Punkten und genau eine weitere Bahn
aus 3 Punkten. Alle anderen Bahnen in D haben 6 Punkte. Man bestimme die beiden
Ausnahmebahnen
explizit.
X
2
(iii) f (z) :=
g(z) definiert eine rationale Funktion f mit f ◦ g = f für alle g ∈ G und
g∈G
f (D) = C.
(iv) Für alle a ∈ D gilt G(a) = f −1 (f (a)) (d.h. die Bahnen sind genau die f -Urbilder).
3.20 Übungsaufgabe. Es sei D := C\{0, 1}, G := Aut(D) und f wie in Aufgabe 3.19. Weiter
sei S4 als Permutationsgruppe der Menge {∞, 0, 1, 2} realisiert, und G sei mit der Untergruppe
S3 (= Permutationsgruppe von {∞, 0, 1}) identifiziert.
(i) Für jede Permutation σ ∈ S4 existiert genau ein g ∈ G mit
DV(aσ(∞) , aσ(0) , aσ(1) , aσ(2) ) = g(DV(a∞ , a0 , a1 , a2 ))
BAHN
16
Funktionentheorie
für alle 4-elementigen Teilmengen {a∞ , a0 , a1 , a2 } von C.
Hinweis: Für alle g ∈ G = S3 zeige DV(ag(∞) , ag(0) , ag(1) , a2 ) = g −1 (DV(a∞ , a0 , a1 , a2 )).
(ii) Sind A = {a∞ , a0 , a1 , a2 } und B = {b∞ , b0 , b1 , b2 } zwei 4-elementige Mengen in C, so sind
die Gebiete C\A und C\B genau dann biholomorph äquivalent, wenn die Doppelverhältnisse
DV(a∞ , a0 , a1 , a2 ) und DV(b∞ , b0 , b1 , b2 ) den gleichen Wert unter der obigen Funktion f
haben (die Biholomorphieklassen von Gebieten D in C mit genau 4 Randpunkten stehen
also auf natürliche Weise in 1-1-deutiger Beziehung zu den Punkten von C).
4. Der Satz von Runge
Für jeden Körper IK sei IK[x] der Ring aller Polynome in x mit Koeffizienten aus IK, analog
IK[x1 , . . . , xn ] der Polynomring in x1 , . . . , xn . Für IK = IR oder IK = C kann jedes Polynom
p ∈ IK[x1 , . . . , xn ] als stetige Funktion p : IRn → IK aufgefaßt werden. Da Polynome leicht
numerisch berechnet werden können, interessiert man sich für Approximierbarkeit vorgelegter
Funktionen durch Polynome. Aus der reellen Analysis zitieren wir ohne Beweis den folgenden
Spezialfall des Approximationssatzes von Stone-Weierstraß:
4.1 Satz. Für jede kompakte Teilmenge A ⊂ IRn , jede stetige Funktion f : A → C und jedes
ε > 0 existiert ein Polynom p ∈ C[x1 , . . . , xn ] mit |f (x) − p(x)| < ε für alle x ∈ A.
4.2 Folgerung. Sei D ⊂ C eine offene Teilmenge. Dann ist der Polynomring C[z, z] und damit
insbesondere der Raum A(D) aller reell-analytischen Funktionen auf D dicht in C(D).
FOGE
Klar, denn für z = x + iy, z = x − iy (aufgefaßt als Funktionen) gilt C[z, z] = C[x, y], und alle
p ∈ C[z, z] liefern reell-analytische Funktionen auf D.
Es ist klar, daß Folgerung 4.2 für C[z] anstatt C[z, z] nicht mehr gilt: Jedes f ∈ C(D), das
durch Polynome aus C[z] kompakt approximiert werden kann, muß holomorph sein. Wir wollen
im folgenden die Frage klären, wann C[z] in H(D) dicht liegt. So gilt etwa als erste Beobachtung
4.3 Bemerkung. Ist D ⊂ C eine offene Kreisscheibe, so ist C[z] dicht in H(D). Ist D ein offener
Kreisring mit Mittelpunkt a, so läßt sich etwa die holomorphe Funktion f (z) = (z − a)−1 nicht
auf D durch Polynome approximieren.
Beweis. Sei zunächst D eine offene Kreisscheibe mit Mittelpunkt a ∈ D. Dann hat jedes f ∈
H(D) eine Potenzreihenentwicklung, die kompakt auf D gegen f konvergiert. Die Partialsummenfolge ist eine Folge von Polynomen, die f approximiert. Sei nun D = {r R< |z−a| < s} ein offener Kreisring. Für r < ρ < s fest ist dann K := {|z −a| = ρ} kompakt und K f (z) dz = 2πi 6= 0.
WäreRf auf K durch eine
R Folge (pn ) von Polynomen in z approximierbar, müßte im Gegensatz
dazu K f (z) dz = lim K pn (z) dz = 0 gelten.
u
t
4.4 Hilfssatz. Sei D ⊂ C offen, K ⊂ D ein Kompaktum und ε > 0. Dann existieren zu
jedem f ∈ H(D) Zahlen c1 , . . . , cn ∈ C und Punkte a1 , . . . , an ∈ D\K, so daß für die rationale
Funktion
n
X
1
r(z) :=
cj
z − aj
j=1
gilt |f (z) − r(z)| < ε für alle z ∈ K.
◦
Beweis. Wähle ein Kompaktum L ⊂ D mit stückweise glattem Rand ∂L, so daß K ⊂ L gilt.
Es existieren also glatte Kurven γ1 , . . . , γm : [0, 1] → D\K mit
1
f (z) =
2πi
Z
∂L
m
X
f (ζ)
dζ =
ζ −z
ν=1
Z1
0
f (γν (t))γν0 (t)
dt .
2πi(γν (t) − z)
|
{z
}
=: hν (t, z)
PUNK
17
Funktionentheorie
Aus der Integrationstheorie (Approximation durch Riemannsche Näherungssummen - gleichmäßig auf K) folgt: Für geeignetes q ∈ IN gilt
¯Z
¯
q
¯ 1
¯
X
ε
¯
¯
hν (t, z)dt −
hν (k/q, z)/q ¯ <
,
¯
¯ 0
¯ m
k=1
d.h.
¯
¯
q
m X
¯
¯
X
¯
¯
hν (k/q, z)/q ¯ < ε
¯f (z) −
¯
¯
ν=1 k=1
für alle z ∈ K.
u
t
Für jedes A ⊂ C sei im folgenden Ǎ die Zusammenhangskomponente von C\A, die ∞
enthält. Ferner sei  := C\Ǎ. Dann gilt
(i) A ⊂ Â ⊂ C
(ii) A ⊂ B ⇒ Â ⊂ B̂
(iii) K ⊂ C kompakt ⇒ K̂ kompakt
(denn C\K ist offen, d.h. C\K̂ = Ǩ offen, d.h. K̂ ⊂ C ist abgeschlossen und damit kompakt).
4.5
(i)
(ii)
(iii)
Satz von Runge. Für jede offene Teilmenge D ⊂ C sind äquivalent:
D ist einfach-zusammenhängend,
C\D ist zusammenhängend,
C[z] liegt dicht in H(D) (d.h. zu jedem f ∈ H(D), jedem Kompaktum K ⊂ D und jedem
ε > 0 existiert ein p ∈ C[z] mit |f (z) − p(z)| < ε für alle z ∈ K).
Beweis. (i) ⇒ (ii) Es gelte (i) aber nicht (ii). Dann ist C\D kompakt und unzusammenhängend,
d.h. C\D = A ∪ B mit A, B 6= ∅ kompakt und A ∩ B = ∅ sowie ∞ ∈ B. Folglich ist U := C\B
offen in C. Wegen A ⊂ U existiert ein Kompaktum L ⊂ U mit stückweise glattem Rand ∂L,
◦
so daß A ⊂ L und somit
∂L ⊂ U \A = D. Für a ∈ A ist h(z) = 1/(z − a) eine holomorphe
R
Funktion auf D mit ∂L h(z)dz = 2πi 6= 0, was dem Cauchyschen Integralsatz widerspricht.
(ii) ⇒ (iii) Es gelte (ii), d.h. D = D̂. Sei K ⊂ D kompakt. Dann gilt K̂ ⊂ D̂ = D, und C\K̂ ⊂ C
ist ein Gebiet. Folglich ist auch W := C\K̂ ein Gebiet, da es durch Herausnahme eines Punktes
(nämlich ∞) aus C\K̂ entsteht. Für jedes a ∈ W definiert
fa (z) :=
1
z−a
eine holomorphe Funktion fa auf einer offenen Umgebung von K̂.
Behauptung. W = Ω für Ω := {a ∈ W : ∀ ε > 0 ∃ p ∈ C[z] mit pK (fa − p) < ε}.
Beweis Behauptung. Für jedes a ∈ W mit |a| > sup {|z| : z ∈ K̂} ist fa holomorph auf
der Kreisscheibe {|z| < |a|}. Die zugehörige Potenzreihenentwicklung konvergiert gleichmäßig
auf K, d.h. a ∈ Ω und insbesondere folgt Ω 6= ∅. Sei nun a ∈ Ω und r > 0 so gewählt, daß
B := {z ∈ C : |z − a| ≤ r} ⊂ W . Sei b ∈ B und ε > 0 beliebig gewählt. Dann ist fb holomorph
auf dem Kreisring {|z − a| > r}, der K enthält. Die Laurententwicklung von fb auf diesem
Kreisring liefert ein m ∈ IN mit
¯
¯
m
¯
¯
X
¯
¯
ck (z − a)k ¯ < ε/2 für alle z ∈ K
¯fb (z) −
¯
¯
k=−m
und geeignete Koeffizienten ck ∈ C. Für k ≥ 0 gilt gk (z) := ck (z − a)k ∈ C[z]. Für −m ≤ k < 0
existiert wegen a ∈ Ω ein gk ∈ C[z] mit
|ck (z − a)k − gk (z)| < ε/2m
RUNG
18
Funktionentheorie
für alle z ∈ K (man überlege sich das zunächst für k = −1 und dann durch Potenzbildung für
die restlichen k). Daraus folgt
¯
¯
¯
¯
¯
m
m
−1 ¯
X
X
X
¯
¯
¯
¯
¯
¯
k¯
k
¯fb (z) −
¯
¯
¯
¯
gk (z)¯ ≤ ¯fb (z) −
ck (z − a) ¯ +
¯
¯ck (z − a) − gk (z)¯ < ε
k=−m
k=−m
k=−m
für alle z ∈ K, d.h. b ∈ Ω und folglich B ⊂ Ω. Also ist Ω offen. Mit dem gleichen Argument
folgt W \Ω offen, denn zu jedem b ∈ W \Ω gilt {|z − b| < 2r} ⊂ W für ein geeignetes r > 0 und
damit: Für jedes a ∈ W mit |a − b| < r ist b ∈ B := {|z − a| ≤ r} ⊂ W , d.h. a ∈ W \Ω, da sonst
B ⊂ Ω wegen der obigen Überlegung. Wegen W zusammenhängend gilt folglich W = Ω, und
die Behauptung ist bewiesen.
Sei nun f ∈ H(D) beliebig und ε > 0. Wegen Hilfssatz 4.4 (angewandt auf K̂) existieren
c1 , . . . , cn ∈ C und a1 , . . . , an ∈ W mit
µ
¶
n
X
ε
pK f −
.
cj faj <
2
j=1
Wegen W = Ω existiert zu jedem j = 1, . . . , n ein gj ∈ C[z] mit
¡
¢
ε
pK cj faj − gj <
,
2n
n
P
d.h. für p :=
gj ∈ C[z] gilt
j=1
µ
¶ X
n
n
X
¡
¢
pK (f − p) ≤ pK f −
cj faj +
pK cj faj − gj <
j=1
ε .
j=1
(iii) ⇒ (i) OBdA ist D zusammenhängend. Sei f ∈ H(D) und (Kn ) eine Ausschöpfungsfolge
von D. Zu jedem n existiert ein Polynom fn mit pKn (f − fn ) < 1/n, d.h. f = lim fn . Wähle
a ∈ D fest. Zu jedem n existiert genau ein Fn ∈ C[z] mit Fn0 = fn und Fn (a) = 0. Also existiert
F := lim Fn und F 0 = f (Übungsaufgabe). Wegen 2.6 ist D einfach-zusammenhängend.
u
t
Zusatz Mit ein wenig mehr Aufwand kann der Satz von Runge auf beliebige offene Teilmengen
D ⊂ C wie folgt ausgedehnt werden (vergl. z.B. [3]): Sei E ⊂ C\D eine Teilmenge, die jede
Zusammenhangskomponente von C\D in mindestens einem Punkt schneidet und sei R der Raum
aller rationalen Funktionen, die höchstens Pole in E haben (z.B. gilt R = C[z] im Fall E = {∞}).
Die allgemeinere Version von Satz 4.5 lautet dann: R — aufgefaßt als Teilraum von H(D) —
liegt dicht in H(D). Für jeden Kreisring D = {r1 < |z| < r2 } liefert
Pn das z.B. die bekannte
Tatsache, daß (für E = {0, ∞}) der Raum der Laurentpolynome k=−n cn z n dicht in H(D)
liegt.
Die Äquivalenz der ersten beiden Bedingungen im Rungeschen Satz 4.5 ist rein topologischer
Natur. Auf die 2-Späre S 2 übertragen, kann das auch wie folgt formuliert werden: Die offene
Teilmenge D von S 2 ist genau dann einfach-zusammenhängend, wenn das Komplement S 2 \D
zusammenhängend ist.
Das Streifengebiet D := {z ∈ C : | Im(z)| < 1} zeigt, daß in 4.5.ii das Komplement C\D in
C nicht durch das Komplement C\D in C ersetzt werden darf.
n
4.6 Übungsaufgabe. Sei h : C → C definiert durch h(z) := 1 Im(z) > 0 .
0 sonst
Für jedes n sei ferner Kn := {z = x + iy ∈ C : |z| ≤ n und y ≤ ny 2 }. Man zeige
(i) Zu jedem n existiert ein Polynom pn ∈ C[z] mit |h(z) − pn (z)| < 1/n für alle z ∈ Kn .
(ii) Die Folge (pn ) konvergiert punktweise - aber nicht kompakt - gegen h.
4.7 Übungsaufgabe. Es sei K ⊂ S := {z ∈ C : |z| = 1} eine kompakte Teilmenge und
f : K → C die durch f (z) = z definierte Funktion. Man zeige
(i) Ist K = S, so existiert keine Folge (fn ) in H(C), die gleichmäßig auf K gegen f konvergiert.
(ii) Ist K 6= S, so existiert eine Folge (pn ) in C[z], die gleichmäßig auf K gegen f konvergiert.
19
Funktionentheorie
5. Einige spezielle Funktionen
Für jedes offene D ⊂ C, jedes f ∈ M(D) und jedes Kompaktum K ⊂ D sei in Verallgemeinerung
der früheren Definition
pK (f ) := sup |f (z)| ∈ IR ∪ {+∞} ,
z∈K
wobei |∞| := +∞ und +∞ > r für jede reelle Zahl r gesetzt sei. Damit gilt dann also:
pK (f ) = +∞ ⇐⇒ f hat Pol in K .
Analog wie für Folgen holomorpher Funktionen kann für Folgen (fn ) in M(D) der Begriff der
kompakten Konvergenz eingeführt werden: f = lim fn ⇐⇒ Zu jedem Kompaktum K ⊂ D und
jedem ε > 0 existiert ein n0 ∈ IN mit pK (f − fn ) < ε für alle n ≥ n0 (d.h. also insbesondere,
daß f − fn holomorph in einer Umgebung von K für alle n ≥ n0 ist, und somit, daß wegen
f = fn + (f − fn ) die meromorphen Funktionen f und fn für n ≥P
n0 gleiches Polstellenverhalten
auf K haben). Damit ist auch klar, wann eine unendliche Reihe
fn meromorpher Funktionen
fn ∈ M(D) kompakt auf D konvergieren soll (wenn die zugehörige Partialsummenfolge kompakt
konvergiert). Etwas handlicher ist der folgende stärkere Konvergenzbegriff
5.1 Definition.
Sei D ⊂ C offen und (fn ) eine Folge meromorpher Funktionen auf D. Dann
P
heißt
fn normal konvergent auf D, wenn zu jedem Kompaktum K ⊂ D ein n0 ∈ IN mit
∞
X
pK (fn ) < +∞
n=n0
P
existiert (dabei sei vereinbart, daß die Reihe
pK (fn ) insbesondere dann den Wert +∞ haben
soll, wenn wenigstens einer der Summanden den Wert +∞ hat).
Man zeigt leicht
P
5.2 Lemma. Jede normal konvergente Reihe
fn ist kompakt konvergent auf D, und es gibt
genau eine meromorphe Funktion f ∈ M(D) mit folgender Eigenschaft: Für jedes offene U b D
existiert ein n0 ∈ IN, so daß
∞
X
fn |U
n=n0
eine Reihe holomorpher Funktionen auf U ist, die gleichmäßig gegen die auf U holomorphe
Funktion
X ¢
¡
f−
fn |U
konvergiert. Wir schreiben f =
P
n<n0
fn .
P
Kompakt konvergente Reihen sind im allgemeinen nicht normal konvergent: Ist etwa
cn
eine konvergente Reihe komplexer Zahlen, die nicht absolut konvergiert, und werden die cn als
konstante Funktionen auf D aufgefaßt, so haben wir schon ein Gegenbeispiel.
Die normale Konvergenz hat den Vorteil, daß Konvergenz und Reihenwert nicht von der
Reihenfolge der Summation abhängen. Normale Konvergenz ist somit für alle unendlichen Reihen
meromorpher Funktionen wohldefiniert, sofern der Indexbereich abzählbar ist. Betrachten wir
einige Beispiele
X
1
konvergiert normal auf C.
Behauptung. Die Reihe
(z − n)2
n∈Z
Beweis. Sei fn (z) := (z − n)−2 für alle n ∈ Z und sei K ⊂ C ein beliebiges Kompaktum. Dann
existiert ein n0 ∈ IN mit Re(z) < n0 für alle z ∈ K
=⇒
|z − n| > n − n0 für alle n > n0 , z ∈ K
20
=⇒
Funktionentheorie
X ¯¯ 1 ¯¯2
X
X 1
1
¯
¯ <
=
< +∞ für alle z ∈ K .
¯z − n¯
(n − n0 )2
ν2
n>n
n>n
ν=1
0
0
Analog folgt die Existenz eines n1 ∈ IN mit
X ¯¯ 1 ¯¯2
¯
¯
¯z − n¯ <
n<−n1
∞
X
1
für alle z ∈ K ,
2
ν
ν=1
was die normale Konvergenz auf C zeigt.
u
t
P
Also existiert f =
fn ∈ M(C) für fn (z) = (z − n)−2 . Aus der Definition liest man sofort
ab, daß
f (z + 1) = f (z)
für alle z ∈ C gilt und ebenso, daß f Polstellen genau in allen Punkten von Z besitzt (und zwar
von der Ordnung 2).
³ π ´2
Behauptung. f = g für g(z) :=
.
sin πz
Beweis. Offenbar gilt g ∈ M(C) und h := f − g ∈ H(C) (da f und g gleiches Polstellenverhalten
in C haben). Ferner gilt h(z + 1) = h(z) für alle z ∈ C (da f und g diese Eigenschaft haben).
Man zeigt nun leicht, daß
(∗)
lim h(x + iy) = 0
|y|→∞
gleichmäßig in x ∈ IR gilt. Daraus folgt, daß h auf C beschränkt ist (denn alle Funktionswerte
von h werden schon auf dem Streifen {z ∈ C : 0 ≤ Re(z) ≤ 1} angenommen). Wegen Liouville
ist h konstant, und wegen (∗) kann diese Konstante nur 0 sein.
u
t
Zusammengefaßt haben wir also
³ π ´2 X
1
5.3 Satz.
=
.
sin πz
(z − n)2
n∈Z
Anwendung: Betrachte
³
F (z) :=
X
π ´2
1
1
− 2 =
.
sin πz
z
(z − n)2
n6=0
Wegen
µ
¶
sin πz
(πz)2
= z 1−
+ ...
π
3!
hat (π /sin πz )2 im Kreisring {0 < |z| < 1} die Laurententwicklung
1
z2
d.h.
µ
π2 2
1+
z + ...
3
X 1
π2
=
F (0) =
3
n2
n6=0
¶
=
1
π2
+
+ ... ,
z2
3
und folglich
∞
X
1
π2
=
.
n2
6
n=1
21
Funktionentheorie
Durch Vergleich höherer Terme erhält man durch Differenzieren beispielsweise (vergl. auch 5.11):
∞
X
1
π4
=
,
n4
90
n=1
∞
X
1
π6
=
,
n6
945
n=1
...
Analog kann man zeigen (vergl. [2])
∞
π
1 X 2z
= +
.
tan πz
z n=1 z 2 − n2
5.4 Definition. Sei D ⊂ C offen und (fn ) eine Folge in M(D). Das unendliche Produkt
∞
Y
fn
n=1
heißt normal konvergent in D, wenn die unendliche Reihe
ist.
P
(fn − 1) normal konvergent in D
Q
Man kann jedem normal in D konvergenten Produkt fn einen Produktwert f ∈ M(D)
wie folgt zuordnen: Sei U b D eine offene Teilmenge und K := U die abgeschlossene Hülle. Dann
existiert ein n0 ∈ IN mit pK (fn − 1) < 1/2 für alle n ≥ n0 , d.h. für den Hauptzweig log des
Logarithmus auf {z ∈ C : Re(z) > 0} ist log(fn (z)) ∈ C für alle n ≥ n0 und alle z ∈ U definiert,
und es gilt
|log(fn (z))| ≤ 2 |fn (z) − 1| ≤ 2pK (fn − 1)
(denn für alle w ∈ C mit Re(w) ≥ 1/2 gilt | log(w)| = | log(w) − log(1)| ≤ c|w − 1| für c :=
sup{|1/z| : z ∈ [w, 1]} ≤ 2). Wir definieren fU ∈ M(U ) durch


Ã
!
Y
X
fU :=
(fn |U ) · exp 
log(fn |U ) ,
n<n0
n≥n0
wobei auf der rechten Seite der erste Faktor als endliches Produkt eine auf U meromorphe
Funktion und der zweite Faktor eine auf U holomorphe Funktion ohne Nullstellen ist. Es ist
klar, daß die Definition von fU nicht von der Auswahl von n0 ∈ IN abhängt. Ist V b D eine
weitere offene Teilmenge, so stimmen folglich fU und fV auf U ∩ V überein. Es existiert also
genau ein f ∈ M(D) mit f |U = fU für alle offenen U b D.
∞
Y
Behauptung. Das unendliche Produkt
(1 − z 2 /n2 ) konvergiert normal auf C.
n=1
Beweis. Sei K ⊂ C kompakt und r := sup{|z| : z ∈ K}. Dann gilt für fn (z) = (1 − z 2 /n2 ) die
Abschätzung pK (fn − 1) ≤ r2 /n2 .
u
t
Q∞
Also definiert f (z) = πz n=1 (1 − z 2 /n2 ) eine auf C holomorphe Funktion f , deren Nullstellen genau in Z liegen (alle von der Ordnung 1). Für die logarithmische Ableitung gilt weiter
(vergl. 5.6)
∞
X
1
2z
π
(sin πz)0
f 0 (z)
=
+
=
=
,
f (z)
z n = 1 z 2 − n2
tan πz
sin πz
d.h. f (z) = c · sin πz für eine geeignete Konstante c ∈ C. Für z → 0 folgt
f (z)
sin πz
= lim c ·
= c,
z→0 πz
z→0
πz
1 = lim
5.5 Satz. sin πz = πz
∞
Y
n=1
(1 − z 2 /n2 ).
d.h.
22
Funktionentheorie
Q
5.6 Übungsaufgabe. Sei D ⊂ C offen und f = Pfn ein auf D normal konvergentes Produkt meromorpher Funktionen. Dann gilt f 0 /f =
fn0 /fn , wobei die Reihe normal auf D
konvergiert.
Die bisher angegebenen Beispiele normal konvergenter Reihen und Produkte meromorpher
Funktionen ergaben letztlich bereits zuvor bekannte Funktionen – allerdings in neuem Gewande. Wir wollen im folgenden zwei weitere wichtige neue Funktionen einführen, die in vielerlei
Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind: Für alle z, w ∈ C mit Re(z) > 0 sei
z w := exp(w · log(z))
die allgemeine Potenz, wobei log der Hauptzweig des Logarithmus auf {Re(z) > 0} sei. Damit
gilt dann z w 6= 0, z w1 z w2 = z w1 +w2 und z1w · z2w = (z1 z2 )w , falls Re(z1 z2 ) > 0 gilt. Für jedes
ganze n ≥ 1 und z ∈ C sei
gn (z) : = z(1 + z)(1 + z/2) · · · (1 + z/n) n−z =
z(z + 1)(z + 2) · · · (z + n) −z
n .
n!
Offenbar gilt gn ∈ H(C) und
fn (z) : =
³
gn (z)
z ´³
1 ´z
= 1+
1−
gn−1 (z)
n
n
definiert für alle n ≥ 2 eine holomorphe Funktion fn ∈ H(C) mit einziger Nullstelle in z = −n
(der Ordnung 1). Ebenso hat f1 (z) := g1 (z) = z(z + 1) einfache Nullstellen in 0, −1. Man zeigt
nun (vergl. [2])
∞
Y
f :=
fn ∈ H(C)
n=1
konvergiert normal auf C. Natürlich gilt auch f = lim gn , und f hat Nullstellen genau in −IN ⊂ C
(der Ordnung 1). Für z ∈ C\Z gilt offenbar
f (z)
gn (z)
nz
= lim
= lim
= z, d.h. f (z) = zf (z + 1) .
n→∞
n→∞
f (z + 1)
gn (z + 1)
z+n+1
Darüber hinaus gilt f (1) = limn→∞ gn (1) = 1.
5.7 Definition. Γ := 1/f ∈ M(C) heißt die Γ-Funktion.
Γ hat Pole genau in −IN (der Ordnung 1) und es gilt Γ(z + 1) = zΓ(z), Γ(1) = 1, was insbesondere Γ(n+1) = n! für alle n ∈ IN impliziert. Die Γ-Funktion spielt in vielerlei Zusammenhang
eine wichtige Rolle. Zum Beispiel berechnet sich das Volumen der n-dimensionalen euklidischen
Einheitskugel in IRn zu
π n /2
für alle n ≥ 1 .
n/2 · Γ(n/2)
(vergl. z.B. Fischer-Lieb) Über die Funktionalgleichung
Γ(z)Γ(1 − z) =
π
sin πz
ist
den trigonometrischen Funktionen verknüpft, woraus z.B. sofort Γ(1/2) =
√ die Γ-Funktion mit
1√
π und Γ(3/2) = 2 π folgt. Für Re(z) > 0 gilt auch
Z
Γ(z) =
0
∞
e−t tz−1 dt
PUST
23
Funktionentheorie
als uneigentliches Integral, das auf {Re(z) > 0} kompakt konvergiert (vergl. z.B. Conway).
Wir wollen noch eine weitere Funktion kennenlernen, die besonders für die Zahlentheorie
von Bedeutung ist. Für jedes z ∈ C mit Re(z) ≥ r > 1 und jedes ganze n > 0 gilt
|n−z | = | exp(−z log(n))| = exp(− Re(z) log(n)) ≤ exp(−r log(n)) = n−r ,
P∞
d.h. die Reihe n=1 n−z konvergiert normal auf der Halbebene {Re(z) > 1} und stellt dort eine
holomorphe Funktion dar.
P∞
5.8 Definition. ζ(z) := n=1 n−z für Re(z) > 1 heißt die Riemannsche Zetafunktion.
Die Verbindung zur Zahlentheorie wird hergestellt durch den folgenden Satz von Euler,
wobei IP ⊂ IN die Menge aller Primzahlen sei (d.h. IP = {2, 3, 5, 7, 11, . . .}).
5.9 Satz. Auf der Halbebene {Re(z) > 1} gestattet ζ(z) die normal konvergente Produktdarstellung
´
Y³
1
ζ(z) =
.
1 − p−z
p∈IP
Beweis. Sei r > 1 beliebig aber fest gewählt. Für alle p ∈ IP gilt p−r ≤ 1/2 und folglich
|1 − p−z | ≥ 1/2, d.h.
¯
¯ ¯ p−z ¯
1
¯
¯
¯ ¯
−
1
¯
¯ ≤ 2p−r
¯=¯
1 − p−z
1 − p−z
P
für alle z mit Re(z) ≥ r, d.h. das Produkt konvergiert normal (da p∈IP p−r < +∞).
Sei nun m ∈ IN mit m ≥ 1 fest gewählt und seien p1 , . . . , pm die ersten m Primzahlen. Dann
gilt
m ³
Y
n=1
m ³X
∞
m ³X
∞
´ Y
´ Y
´
1
−z k
k −z
=
(p
)
=
(p
)
n
n
1 − p−z
n
n=1 k=0
n=1 k=0
=
∞
X
(pk11 pk22 . . . pkmm )−z =
k1 ,...,km =0
X
n−z ,
n∈INm
wobei INm ⊂ IN die Menge aller n ≥ 1 sei, die höchstens p1 , . . . , pm als Primfaktoren haben. Für
m → ∞ folgt die Behauptung.
u
t
X
5.10 Folgerung. Die Reihe
1/p divergiert (Übungsaufgabe).
p∈IP
Man kann zeigen (vergl. z.B. Conway): Die Riemannsche Zetafunktion kann zu einer auf
ganz C meromorphen Funktion ζ(z) fortgesetzt werden. Diese hat genau einen Pol in z = 1 (der
Ordnung 1 und mit dem Residuum 1, d.h. ζ(z) − (z − 1)−1 ist holomorph auf C), und es gilt die
Riemannsche Funktionalgleichung
ζ(z) = 2(2π)z−1 Γ(1 − z)ζ(1 − z) sin(πz/2) .
Ein wichtiges Problem ist die Lokalisierung der Nullstellen von ζ(z). Da Γ(1 − z) Pole in z =
1, 2, 3, 4, . . . hat und ζ(z) holomorph in z = 2, 3, 4, . . . ist, folgt ζ(1 − z) sin(πz/2) = 0 für
z = 2, 3, 4, . . . und somit daß ζ(z) einfache Nullstellen in z = −2, −4, −6, −8, . . . hat, die trivialen
Nullstellen. Analog kann man zeigen: ζ(z) hat keine weiteren Nullstellen außerhalb des kritischen
Streifens {0 ≤ Re(z) ≤ 1} (für Re(z) > 1 wegen des Eulerprodukts und für Re(z) < 0 wegen
der Funktionalgleichung). Die berühmteste Vermutung der Mathematik (bis heute unbewiesen)
ist die sogenannte
Riemannsche Vermutung. Im kritischen Streifen besitzt die Zetafunktion nur Nullstellen auf
der kritischen Geraden {Re(z) = 1/2}.
24
Funktionentheorie
Es ist bekannt, daß ζ(z) auf der Geraden {Re(z) = 1} (und damit auf dem ganzen Rand des
kritischen Streifens) keine Nullstelle besitzt. Schon diese schwache Teilaussage
impliziert den
P
sogenannten Primzahlsatz: Wird für jedes reelle x ≥ 2 mit π(x) =
1
die
Anzahl aller
p≤x
Primzahlen p ≤ x bezeichnet, so gilt
lim
x→∞
π(x)
=1
x/ log x
(d.h. asymptotisch verhält sich π(x) wie der Quotient x/ log x).
Ein anderes Problem betrifft Aussagen über die Werte ζ(t) für spezielle t ∈ C. Beispielsweise
wissen wir bereits
π2
π4
ζ(2) =
und ζ(4) =
.
6
90
Allgemeiner gilt
5.11 Satz. Für alle k ≥ 1 ganz gilt
SATT
ζ(2k) = (−1)k−1
(2π)2k
B2k ,
2(2k)!
wobei für jede n ∈ IN die Bernoullizahl Bn durch
∞
X
z
Bn n
=
z
z
e − 1 n=0 n!
für |z| < 2π definiert ist.
Beweis. Für w := πiz gilt
∞
2k
X
πz
cos πz
ew + e−w
2w
k (2π)
= πz
=w· w
=
w
+
=
(−1)
B2k z 2k
tan πz
sin πz
e − e−w
e2w − 1
(2k)!
k=0
(da die linke Seite eine gerade Funktion in z ist). Andererseits gilt
∞
∞
∞ X
∞ ³ ´2k
X
X
X
πz
2z 2
(z/n)2
z
=1+
=1−2
¡
¢2 = 1 − 2
2
2
tan πz
z −n
n
n=1
n=1 1 − z/n
n=1
k=1
∞ ³X
∞
∞
X
X
1 ´ 2k
=1−2
z
=
1
−
2
ζ(2k)z 2k ,
zk
n
n=1
k=1
k=1
und die Behauptung folgt durch Koeffizientenvergleich.
u
t
Man zeigt leicht, daß B2k+1 = 0 für alle k ≥ 1 gilt. Andererseits erhält man aus
∞
∞
³X
1 j ´³ X Bn n ´
≡ z
z
z
j!
n!
n=0
j=1
sofort Rekursionsformeln für Bk und insbesondere, daß alle Bk rational sind. Insbesondere sind
alle ζ(2k) transzendent für k ≥ 1 (denn mit π ist auch π 2k transzendent).
5.12 Problem. Ist ζ(2k + 1) irrational für k ≥ 1?
Nach Apéry (1978) gilt: ζ(3) ist irrational.
25
Funktionentheorie
6. Existenzsätze für meromorphe Funktionen
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die folgende
6.1 Bemerkung. Sei a ∈ C und h eine meromorphe Funktion in einer Umgebung von a. Dann
existiert eine rationale Funktion f mit f holomorph auf C\{a} und f − h holomorph in a (d.h.
f und h haben das gleiche Polstellenverhalten in a).
P∞
n
Klar, denn oBdA sei a = 0. Ist dann h(z) =
die Laurententwicklung von h für
−k cn z
P0
0 < |z| < ε und k ∈ IN passend, so setze z.B. f (z) := −k cn z n .
u
t
6.2 Satz von Mittag-Leffler. Es sei U ⊂ C eine offene Teilmenge und A ⊂ U eine in U
diskrete Teilmenge. Zu jedem a ∈ A sei in einer Umgebung von a eine meromorphe Funktion ha
gegeben. Dann existiert eine meromorphe Funktion f auf U so, daß gilt
(i) f ist holomorph auf U \A
(ii) f − ha ist holomorph in a.
Ferner ist f + H(U ) die Menge aller meromorphen Funktionen auf U , die ebenfalls (i) und (ii)
erfüllen.
Beweis. für Spezialfälle: Man darf oBdA U als zusammenhängend ansehen (sonst löse das
Problem für jede Zusammenhangskomponente separat).
Fall 1: U = C. Dann ist A endlich wegen C kompakt.
PWegen Bemerkung 6.1 dürfen wir ha ∈ C(z)
mit ha holomorph auf C\{a} ansehen. Setze f := a∈A ha .
Fall 2: U ⊂ C ist eine offene Kreisscheibe, oBdA U = {|z| <Sr} für ein 0 < r ≤ +∞. Sei (Kn )
∞
eine aufsteigende Folge kompakter Kreisscheiben mit U = n=1 Kn und K1 = ∅. Wir dürfen
annehmen, daß jedes ha meromorph auf U und holomorph auf U \{a} ist. Für jedes n ≥ 1 sei
X
fn :=
ha ∈ M(U )
a∈(A∩Kn+1 )\Kn
P∞
gesetzt (ist eine endliche Summe – die leere Summe sei ≡ 0). Wenn die Reihe n=1 fn normal
konvergieren würde, wären wir fertig. Leider ist das nicht zu erwarten, es müssen sogenannte konvergenzerzeugende Summanden (die holomorph sind und das Polstellenverhalten nicht ändern)
zugefügt werden. Für jedes n ist fn holomorph auf Umgebung von Kn , d.h. ∃ un ∈ H(U ) (sogar
aus C[z] wegen Potenzreihenentwicklung auf geeigneter Kreisscheibenumgebung von Kn ) mit
|fn (z) − un (z)| ≤ 2−n
P∞
für alle n und alle z ∈ Kn . Da (Kn ) eine aufsteigende Folge ist, konvergiert f = 1 (fn − un )
normal auf U , und f löst das Problem.
Fall: 3 U einfach-zusammenhängend. Folgt z.B. mit dem Riemannschen Abbildungssatz (da jedes einfach-zusammenhängende Gebiet U ⊂ C zu C, C oder ∆ biholomorph äquivalent ist).
Statt Riemannschem Abbildungssatz könnte man auch den Rungeschen Approximationssatz für
einfach-zusammenhängende offene Teilmengen U ⊂ C bemühen. Dieser Zugang ist um so angemessener, als der allgemeine Fall wie im Fall 2 aus dem allgemeinen Rungeschen Satz gewonnen
werden kann.
u
t
Mittag-Leffler bedeutet, daß man für jedes a ∈ A im Fall
a ∈ C den Teil
P−1Der Satz von
P∞
n
c
(z
−
a)
(auch
Hauptteil
von
f
in
a
genannt)
der
Laurentreihe
n
−k
−k cn (z − a) von f
um a beliebig vorschreiben kann. Es ist klar, daß die Bedingung ‘A diskret in U ’ notwendig ist
(da sich Polstellen von f in U nicht häufen dürfen). Im Fall a = ∞ haben die Hauptteile in ∞
Pk
gerade die Form 1 z k mit k ∈ IN, sind also gerade die Polynome ohne konstanten Term.
Wir wollen nun das multiplikative Analogon von 6.2 behandeln. Für jeden Ring R mit Eins
1 sei R∗ ⊂ R die Einheitengruppe (d.h. die Gruppe aller Elemente e ∈ R, so daß ef = f e = 1
für ein geeignetes f ∈ R). Zum Beispiel gilt Z∗ = {±1}. Für den Ring M(U ), U ⊂ C offen, ist
M(U )∗ = {f ∈ M(U ) : f −1 (0) diskret in U } = {f ∈ M(U ) : of (a) 6= +∞ für alle a ∈ U }
BEME
MILA
26
Funktionentheorie
H(U )∗ = {f ∈ H(U ) : f (U ) ⊂ C∗ } = {f ∈ H(U ) : of (a) = 0 für alle a ∈ U }
6.3 Weierstraßscher Produktsatz. Sei U ⊂ C offen und sei A ⊂ U eine in U diskrete
Teilmenge. Zu jedem a ∈ A sei ein da ∈ Z gegeben. Dann existiert ein f ∈ M(U )∗ mit f |(U \A) ∈
H(U \A)∗ und of (a) = da für alle a ∈ A. Die Menge aller Funktionen aus M(U )∗ mit dieser
Eigenschaft ist f · H(U )∗ .
Beweis. Spezialfall U ⊂ C offene Kreisscheibe: Wähle die Folge (Kn ) wie im Beweis von 6.2 und
definiere analog
Y
(z − a)da ∈ M(U )∗ .
fn (z) :=
WEIP
a∈(A∩Kn+1 )\Kn
Q
Würde fn normal konvergieren, wären wir wieder fertig. Konvergenz wird durch sogenannte
konvergenzerzeugende Faktoren erzwungen: Da fn holomorph und nullstellenfrei auf einer einfach-zusammenhängenden Umgebung von Kn ist, existiert log(fn ) auf einer Umgebung von Kn
und ist dort holomorph. Deshalb existiert gn ∈ H(U ) (sogar in C[z]) mit
| log(fn (z)) − gn (z)| ≤ log(1 + 2−n )
für alle n und alle z ∈ Kn , d.h.
|fn (z) exp(−gn (z)) − 1| ≤ 2−n
für alle z ∈ Kn , d.h.
f (z) :=
∞
Y
(fn · exp(−gn (z)))
n=1
ist normal konvergent auf U und löst das Problem.
Allgemeinere Fälle: Riemannscher Abbildungssatz oder 4.5 für einfach-zusammenhängende Gebiete. Der allgemeine Runge liefert den allgemeinen Fall.
u
t
6.4 Definition. Sei U ⊂ C offen. Dann heißt jede Abbildung d : U → Z mit {a ∈ U : d(a) 6= 0}
diskret in U ein Divisor auf U . Dieser heißt ein Hauptdivisor, wenn ein f ∈ M(U )∗ mit d = of
existiert (d.h. d(a) = of (a) ist die Nullstellenordnung von f in jedem a ∈ U ).
Die Divisoren auf U bilden (bez. +) eine kommutative abelsche Gruppe, die Hauptdivisoren
bilden wegen of g = of + og eine Untergruppe. Die Faktorgruppe heißt die Divisorenklassengruppe von U .
6.5 Umformulierung von 6.3. Auf jeder offenen Teilmenge U ⊂ C ist jeder Divisor ein
Hauptdivisor (d.h. die Divisorenklassengruppe verschwindet).
6.6 Folgerung. Sei U ⊂ C ein Gebiet. Dann besitzt jede meromorphe Funktion f auf U eine
Darstellung f = p/q mit p, q ∈ H(U ) und q 6= 0 (d.h. M(U ) ist der Quotientenkörper von
H(U )).
Beweis. Sei f ∈ M(U ) mit f 6= 0. Dann existiert ein Divisor d ≥ 0 mit (of +d) ≥ 0. Sei
q ∈ M(U )∗ mit oq = d gewählt. Dann gilt q ∈ H(U ) und ebenso p := f q ∈ H(U ).
u
t
Im Ring R := H(U ) sagt man: f teilt g ⇐⇒ ∃ h ∈ R mit g = f h ( ⇐⇒ og ≥ of ). Ferner
sagt man im Fall f 6= 0 6= g: f und g sind teilerfremd ⇐⇒ Nur die Einheiten teilen f und g
zugleich. Offenbar sind f, g ∈ H(U ) genau dann teilerfremd, wenn of og ≡ 0 bzw. genau dann,
wenn f −1 (0)∩g −1 (0) = ∅ gilt. Man sieht unmittelbar aus dem Beweis, daß in 6.6 die Darstellung
f = p/q teilerfremd gewählt werden kann. Anders als bei Mittag-Leffler ist auf U = C nicht
jeder Divisor ein Hauptdivisor. Vielmehr gilt (vergl. auch Aufgabe 3.5):
TEFE
27
Funktionentheorie
6.7 Satz. Der Divisor d auf C ist Hauptdivisor genau dann, wenn
X
d(a) = 0 gilt, (insbeson-
a∈C
dere ist die Divisorenklassengruppe isomorph zu Z).
Beweis. Für alle b 6= c in C ist der durch D(b) = −D(c) = 1 und = 0 sonst definierte Divisor
(z − a)/(z − b)).
D :=
P Db,c ein Hauptdivisor (denn im Fall a, b ∈ C ist etwa Da,b = of für f (z) =
Ist d(a) = 0, so ist d endliche Summe von Divisoren der Form Db,c und damit ein Hauptdivisor.
Ist umgekehrt d = oP
f für ein nicht-konstantes f ∈ M(C), so folgt die Aussage etwa durch
Induktion über n := |d(a)| > 0. Da f mindestens eine Nullstelle b und eine Polstelle c besitzt,
P
Pe
gilt die Induktionsvoraussetzung für den Divisor de := d − Db,c und somit
d(a) =
d(a) = 0.
u
t
Divisoren spielen auch in anderem Zusammenhang eine Rolle. So ist schon in Kapitel 3 der
Verzweigungsdivisor von nicht-konstanten meromorphen Funktionen definiert worden.
6.8 Übungsaufgabe. Es sei ∆ der offene Einheitskreis.
(i) Zu jeder diskreten Folge (zk ) in ∆ mit paarweise verschiedenen Folgengliedern existiert eine
holomorphe Funktion f auf ∆ mit f (zk ) = k für alle k.
(ii) Unter Verwendung von (i) zeige man: Es existiert eine holomorphe Funktion f auf ∆, die
in keinen Randpunkt von ∆ holomorph fortgesetzt werden kann.
(iii) Man charakterisiere alle in ∆ diskreten Teilmengen A mit folgender Eigenschaft: Jeder
Divisor d auf ∆ mit d|∆\A = 0 ist Nullstellendivisor einer geraden holomorphen Funktion
auf ∆.
7. Elliptische Funktionen
In Kapitel 5 haben wir die auf C normal konvergente Reihe
f (z) =
X
n∈Z
1
(z − n)2
³
betrachtet und
f (z) =
π ´2
sin πz
P
nachgewiesen. Die normale Konvergenz folgte dabei unmittelbar aus n6=0 n−2 < ∞. Das obige
Vorgehen zeigt, daß auch ohne Kenntnis der Sinusfunktion durch die Reihendefinition eine Zperiodische meromorphe Funktion definiert werden kann - d.h. f (z + n) = f (z) für alle z ∈ C
und alle n ∈ Z.
Wir wollen das von Z auf andere Untergruppen Ω ⊂ C verallgemeinern.
7.1 Definition. Ω ⊂ C heißt ein Gitter, falls ω1 , ω2 ∈ C existieren mit
(i) ω1 , ω2 sind linear unabhängig über IR und
(ii) Ω = Zω1 + Zω2 .
Die Elemente ω1 , ω2 heißen eine Gitterbasis von Ω. Diese ist nicht eindeutig bestimmt, z.B.
bilden auch ω1 , ω1 + ω2 eine Basis von Ω. Die Bedingung (i) kann auch so formuliert werden,
daß ω1 6= 0 und Im(ω2 /ω1 ) 6= 0 gelten muß. Jedes Gitter Ω ⊂ C ist eine diskrete Untergruppe
von C, insbesondere existiert ein d > 0 mit |ω| ≥ d für alle ω ∈ Ω\{0}. Zunächst gilt
X 1
7.2 Hilfssatz.
< +∞.
|ω|3
ω6=0
Beweis. Für jedes k ≥ 1 sei Ωk := {nω1 + mω2 : k = max(|n|, |m|)}. Man sieht sofort, daß Ωk
genau 8k Punkte enthält und |ω| ≥ kd für alle ω ∈ Ωk gilt, d.h.
∞
∞ X
∞
X
X
X
X 1
1
1
−3
−3
8k(kd)
≤
8d
=
≤
< +∞ .
|ω|3
|ω|3
k2
ω6=0
k=1 ω∈Ωk
k=1
k=1
u
t
HILS
28
Funktionentheorie
7.3 Satz. Für jedes Gitter Ω ⊂ C konvergiert
X
1
℘(z) := 2 +
z
µ
ω6=0
1
1
− 2
2
(z − ω)
ω
¶
normal auf C und stellt dort eine Ω-periodische meromorphe Funktion dar. Sie wird Weierstraßsche ℘-Funktion (zum Gitter Ω) genannt.
Beweis. Sei eine kompakte Kreisscheibe K = {z ∈ C : |z| ≤ r} fest gegeben. Dann gilt |ω| ≥ 2r
für fast alle ω ∈ Ω. Für diese ω und alle z ∈ K gilt zudem
¯
¯
¯
1
|z||z − 2ω|
1 ¯¯
r · 3|ω|
12r
¯
¯ (z − ω)2 − ω 2 ¯ = |z − ω|2 |ω|2 ≤ |ω/2|2 |ω|2 = |ω|3 ,
d.h. die Reihe konvergiert nach Hilfssatz 7.2 normal auf C. Offenbar ist ℘(z) eine gerade Funktion, d.h. ℘(−z) = ℘(z). Für die Ableitung gilt
℘0 (z) = −2
X
ω
1
,
(z − ω)3
d.h. ℘0 (z) ist insbesondere Ω-periodisch, oder anders ausgedrückt: Für ω = ω1 oder ω = ω2
festgewählt und f (z) := ℘(z + ω) − ℘(z) gilt f 0 (z) ≡ 0 auf C. Folglich existiert eine Konstante c
mit f (z) ≡ c. Einsetzen von z = −ω/2 ergibt c = ℘(−ω/2 + ω) − ℘(−ω/2) = 0, d.h. f = 0. u
t
Jede meromorphe Funktion f auf C, die Ω-periodisch bezüglich eines Gitters Ω ⊂ C ist (d.h.
f (z +ω) = f (z) für alle ω ∈ Ω), heißt auch doppelt-periodische Funktion - oder (aus historischen
Gründen) eine elliptische Funktion.
7.4 Lemma. Jede doppelt-periodische holomorphe Funktion ist konstant.
Beweis. Sei Ω = Zω1 + Zω2 ein Gitter und f eine Ω-periodische holomorphe Funktion. Das
sogenannte Periodenparallelogramm P := {sω1 + tω2 : 0 ≤ s, t ≤ 1} ist kompakt. Da jeder Wert
von f bereits in P angenommen wird (d.h. f (C) = f (P )), ist f beschränkt und somit nach
Liouville konstant.
u
t
7.5 Folgerung. Die ℘-Funktion erfüllt die Differentialgleichung ℘02 = 4℘3 − 20a2 ℘ − 28a4 ,
wobei
(7.6)
a2 = 3
X 1
ω4
und
ω6=0
a4 = 5
X 1
ω6
ω6=0
die Koeffizienten vor z 2 und z 4 in der Laurentreihe von ℘ um 0 sind.
Beweis. Wir bestimmen die ersten Terme der Laurententwicklung von ℘(z) um 0. Da ℘(z)
gerade ist und
¶
Xµ
1
1
1
f (z) := ℘(z) − 2 =
− 2
z
(z − ω)2
ω
ω6=0
im Nullpunkt den Wert 0 hat, gilt
℘(z) =
1
+ a2 z 2 + a4 z 4 + a6 z 6 + . . .
z2
für geeignete Koeffizienten a2 , a4 , a6 . Durch Differentiation von f (z) erhält man (7.6). Folglich
gilt
4
8a2
1
3a2
℘0 (z)2 = 6 − 2 − 16a4 + . . . und ℘(z)3 = 6 + 2 + 3a4 . . .
z
z
z
z
DOHO
DGLE
FORM
29
Funktionentheorie
d.h.
℘0 (z)2 − 4℘3 (z) + 20a2 ℘(z) + 28a4 = c2 z 2 + c4 z 4 + . . .
Da die linke Seite Ω-periodisch sowie holomorph auf C\Ω sowie in 0 ist, ist sie auf ganz C
holomorph und damit konstant wegen 7.4. Auswerten in z = 0 ergibt schließlich die Behauptung.
u
t
Eine geometrische Deutung der obigen Differentialgleichung stellen wir zurück und betrachten zunächst für fest vorgegebenes Gitter Ω ⊂ C die Faktorgruppe T := C/Ω, d.h. die Gruppe
aller Restklassen a := a+Ω für a ∈ C. Sei π : C → T die durch π(a) = a gegebene kanonische Projektion. Neben der Gruppenstruktur trägt T auch eine topologische Struktur: V ⊂ T sei genau
dann offen, wenn π −1 (V ) ⊂ C offen ist. Damit ist dann π eine stetige (sogar lokal-topologische)
Abbildung und T ein kompakter, zusammenhängender Hausdorffraum (denn T = π(P ) für das
kompakte Periodenparallelogramm P , vergl. Lemma 7.4). T hat die topologische Struktur eines
2-Torus (d.h. S 1 × S 1 ) wie aus folgendem Bild ersichtlich:
b0
a0
a
b0
b0
a
a0
b
b
a ∼ a0
b
T = C/Ω hat aber auch eine funktionentheoretische Struktur (die einer sogenannten Riemannschen Fläche – vergl. auch Kapitel 10 und 11), was wir hier nur kurz andeuten wollen: Für
jede offene Teilmenge V ⊂ T heißt eine Funktion f : V → C holomorph, wenn die zurückgeliftete
Funktion f ◦ π : U → C auf U := π −1 (V ) ⊂ C holomorph ist (analog meromorphe Funktion
auf V ). Die zusätzliche funktionentheoretische Struktur auf T = C/Ω besteht darin, daß für
jedes offene V ⊂ T im Raum C(V ) aller stetigen komplex-wertigen Funktionen auf V der Unterraum H(U ) aller holomorphen Funktionen ausgezeichnet ist. Diese zusätzliche Struktur hängt
natürlich von dem zu Beginn fixierten Gitter Ω ab, wir nennen T = C/Ω eine elliptische Kurve
oder auch einen komplexen Torus. Für jedes f ∈ H(T ) ist zum Beispiel f ◦ π eine Ω-periodische
holomorphe Funktion auf C. Lemma 7.4 kann also auch so formuliert werden, daß H(C/Ω) = C
für jedes Gitter Ω gilt. Offenbar kann M(C/Ω) mit dem Körper der Ω-periodischen meromorphen Funktionen auf C identifiziert werden. So können wir die ℘-Funktion zu Ω als meromorphe
Funktion auf dem komplexen Torus T deuten, die genau im Punkt 0 (d.h. der Nebenklasse Ω)
einen Pol der Ordnung 2 besitzt.
Sei jetzt f ∈ M(T ) eine beliebige meromorphe Funktion auf T und g := f ◦π die zugehörige
Ω-periodische meromorphe Funktion auf C. Dann ist der Nullstellendivisor og auch Ω-periodisch,
und wir definieren of : T → Z ∪ {+∞} durch og = of ◦π. Ebenso den Verzweigungsdivisor
vf : T → Z, falls f nicht konstant ist. Für jede stückweise glatte Kurve γ : [0, 1] → C, die durch
keinen Pol von g läuft, und für jedes ω ∈ Ω gilt offenbar
Z
Z
g(z)dz =
g(z)dz und damit insbesondere
Resg (c) = Resg (c + ω)
γ
γ+ω
für alle c ∈ C und ω ∈ Ω. Damit können wir auch Resf (a) für alle a ∈ T und alle f ∈ M(T )
definieren. Mit diesen Bezeichnungen gilt nun, wobei für alle n ∈ Z und alle a ∈ T der Punkt
na ∈ T durch 1a = a und (k ± 1)a = ka ± a bestimmt sei.
30
Funktionentheorie
7.7 Satz. Sei Ω ⊂ C ein Gitter, T = C/Ω und f ∈ M(T ) eine meromorphe Funktion mit
f 6≡ 0. Dann gilt
X
(i)
Resf (a) = 0 .
a∈T
(ii)
X
of (a) = 0
X
und
a∈T
of (a)·a = 0 .
a∈T
(iii) Ist f nicht-konstant, so hängt die (Blätter)-Zahl
X
b :=
wf (a)
a∈f −1 (c)
nicht von c ∈ C ab (d.h. jeder Wert aus C wird in T unter Berücksichtigung von Vielfachheiten genau b-mal angenommen).
Beweis. ad (i): Sei wieder g := f ◦ π ∈ M(C), und nach Auswahl einer Gitterbasis ω1 , ω2 sei
P := {sω1 + tω2 : 0 ≤ s, t ≤ 1} das zugehörige Periodenparallelogramm. Wir nehmen an, daß
auf dem Rand ∂P von P keine Polstellen von g liegen (wenn doch, so verschiebe P mit einer
geeigneten Zahl c ∈ C zum Parallelogramm Pc := c + P ). Dann entsprechen sich Polstellen von
g in P und von f in T vermöge π eineindeutig und somit
Z
X
X
1
Resf (a) =
Resg (a) =
g(z)dz = 0 ,
2πi
a∈T
a∈P
∂P
da sich die Teilintegrale über gegenüberliegenden Seiten gerade wegheben.
ad (ii): Die erste Gleichung folgt wegen of (a) = Resf 0 /f (a) sofort aus (i). Die zweite Gleichung
macht eine Aussage über eine Summe in der abelschen Gruppe T . Sei wieder g := f ◦ π und
P das Periodenparallelogramm. Wir dürfen annehmen (sonst verschiebe P ein wenig), daß die
logarithmische Ableitung h := g 0 /g keinen Pol auf ∂P hat und betrachten die komplexe Zahl
b :=
X
og (a)·a =
a∈P
X
a∈P
1
Resh (a)·a =
2πi
Z
Zω1
zh(z)dz =
ωZ
1 +ω2
α+
α+
ω1
0
∂P
Zω2
Z0
α+
ω1 +ω2
α ,
ω2
wobei α = (2πi)−1 zh(z)dz und alle Integrationswege die geraden Verbindungswege sind (ω1 , ω2
seien so numeriert, daß Im(ω2 /ω1 ) > 0 gilt). Nun gilt z.B. für die Summe des ersten und dritten
Teilintegrals
Zω1
I1 :=
Zω2
α+
0
Zω1
α =
ω1 +ω2
ωZ
1 +ω2
α−
ω2
0
1
α =
2πi
Zω1
¡
¢
(z − (z + ω2 ))h(z)dz = H(0) − H(ω1 ) ω2 ,
0
wobei H(z) ein Zweig von (2πi)−1 log g(z) auf
¡ einer kleinen¢ einfach-zusammenhängenden Umgebung des Integrationsweges [0, ω1 ] ist, d.h. H(0) − H(ω1 ) ∈ Z wegen g periodisch und somit
I1 ∈ Ω. Ebenso folgt
ωZ
1 +ω2
I2 :=
Z0
α+
ω1
α ∈ Ω,
ω2
d.h.
X
og (a) · a ∈ Ω .
a∈P
Anwendung des Gruppenhomomorphismus π : C → T liefert
P
a∈T
of (a)·a = b = 0.
31
Funktionentheorie
ad (iii): Für alle c ∈ C und h := f − c gilt wegen (ii)
X
wf (a) =
a∈f −1 (c)
X
oh (a) =
a∈h−1 (0)
X
X
− oh (a) =
a∈h−1 (∞)
− of (a) =
a∈f −1 (∞)
X
wf (a) .
u
t
a∈f −1 (∞)
7.8 Übungsaufgabe. Es sei Ω ⊂ C ein Gitter und T := C/Ω der zugehörige
(
1
c=a
komplexe Torus. Es seien a 6= b zwei Punkte in T und d der durch d(c) := −1 c = b
0
sonst
definierte Divisor auf T . Man zeige:
(i) d ist kein Hauptdivisor auf T ,
(ii) 2d ist genau dann ein Hauptdivisor auf T , wenn 2a = 2b in der abelschen Gruppe T gilt.
Wir betrachten nun die Funktionen ℘, ℘0 als Funktionen auf T . Dann gilt: ℘, ℘0 : T → C
haben Blätterzahl 2, 3, denn 0 ∈ T ist einziger Pol und hat Ordnung 2 bzw. 3. Was ist nun v℘ (a)
für a ∈ T ?
Fall 1: Ist a 6= −a, so gilt v℘ (a) = 0 wegen ℘(a) = ℘(−a).
Fall 2: Ist a = −a 6= 0, so gilt 2a = 0 ∈ T und damit
℘0 (a) = ℘0 (−a) = −℘0 (a) = 0 ∈ C ,
d.h. v℘ (a) = 1.
Fall 3: Ist a = 0, so ist o℘ (a) = −2 und somit ebenfalls v℘ (a) = 1.
Insgesamt haben wir also
n
2a = 0
v℘ (a) = 1
0
sonst.
Nun hat die Gleichung 2a = 0 in T genau 4 Lösungen, nämlich
(7.9)
ρ0 = 0, ρ1 = ω1 /2, ρ2 = ω2 /2, ρ3 = (ω1 + ω2 )/2 .
Setzen wir noch ek := ℘(ρk ) für k = 0, . . . , 3, so folgt: e0 , e1 , e2 , e3 sind paarweise verschieden
(da Blätterzahl = 2 und v℘ (ρk ) = 1). Ferner folgt, daß ρ1 , ρ2 , ρ3 genau die Nullstellen von ℘0
sind.
Wir kommen nun auf die Differentialgleichung (7.5) zurück und betrachten zunächst ein
beliebiges Polynom p(z) ∈ C[z] vom Grad 3. Sind dann e1 , e2 , e3 die Nullstellen von p, so gilt
für geeignetes r 6= 0
p(z) = r(z − e1 )(z − e2 )(z − e3 ) .
Sei
A := {(z, w) ∈ C2 : w2 = p(z)} .
Man überlegt sich leicht, daß
b := A ∪ {(∞, ∞)}
A
2
die abgeschlossene Hülle von A in C ist. A heißt eine komplexe Kurve dritten Grades
in C2 oder
p
auch eine affine Kubik. Offenbar kann A als Graph der ‘zweideutigen Funktion’ p(z) aufgefaßt
werden (wir werden später allgemeiner mehrdeutige Funktionen untersuchen).
b aus?
Wie sieht nun die topologische Struktur von A
Fall 1: e1 , e2 , e3 paarweise verschieden. Sei γ eine glatte Kurve in C, die e0 := ∞ über e1 , e2 mit
e3 ohne Selbstüberschneidung verbindet und sei γk die Teilkurve, die ek−1 mit ek für k = 1, 2, 3
verbindet. Das KomplementpU der Spur von γ ist einfach-zusammenhängend. Folglich existieren
zwei Zweige der Funktion p(z) auf U , die sich genau um das Vorzeichen unterscheiden. Bei
‘hinreichend kleinen Umläufen’ um jeden der Punkte e0 , . . . , e3 werden zudem die beiden Zweige
vertauscht,p
d.h. es gibt sogar auf dem Komplement V der Spur von γ1 ∪ γ3 holomorphe Zweige
f1 , f2 von p(z). Durch z 7→ (z, fk (z)) für k = 1, 2 wird folglich V auf zwei disjunkte offene
LO
32
Funktionentheorie
Teilmengen von A abgebildet. Durch geeignetes Verkleben von 2 Exemplaren von V entsprechend
b die topologische
den folgenden Bildern erhält man einen anschaulichen ‘Beweis’ dafür, daß A
Struktur eines 2-Torus hat:
e0
e0
e1
e2
e2
e3
e0
e0
e1
e1
e3
e1
e2
e2
e3
e3
b die topologische Struktur der Einpunktkompaktifizierung von
Fall 2: e1 6= e2 = e3 Jetzt hat A
∗
C (eingeschnürter Torus):
b die topologische Struktur der 2-Sphäre (nicht glatt):
Fall 3: e1 = e2 = e3 In diesem Fall hat A
e0
e0
e1
e2 = e3
e1 = e2 = e3
Fall 2
Fall 3
Im Spezialfall e1 ≤ e2 ≤ e3 reell und r > 0 erhalten wir für den reellen Schnitt A ∩ IR2 die
folgenden Bilder:
e1
Fall 1
e2
e3
e1
e2
e3
Fall 2
e1
e2
e3
Fall 3
Wir betrachten nun den Fall 1 aus analytischer Sicht: Sei f (z, w) := w2 − p(z). Da im
Fall 1 die Polynome p und p0 keine gemeinsame Nullstelle haben, ist in jedem Punkt von A
mindestens eine der beiden partiellen Ableitungen ∂f /∂z = −p0 (z) oder ∂f /∂w = 2w von 0
verschieden (man sagt: A ist analytisch glatt – die obigen reellen Bilder deuten dieses schon an).
b → C sieht aus wie die durch die Weierstraßsche
Die durch τ (z, w) = z definierte Abbildung τ : A
℘-Funktion vermittelte Abbildung C/Ω → C (Blätterzahl=2 und 4 Verzweigungspunkte, deren
Bilder in C sämtlich verschieden sind).
33
Funktionentheorie
Ist Ω ⊂ C ein Gitter mit zugehörigem komplexen Torus T = C/Ω und ist speziell
p(z) = 4z 3 − 20a2 z − 28a4
mit durch (7.6) definierten Zahlen a2 , a4 , so erhalten wir
b gestiftet.
7.10 Satz. Durch ϕ(a) = (℘(a), ℘0 (a)) wird ein Homöomorphismus ϕ : T → A
b ist gerade die Gültigkeit der Differentialgleichung (7.5).
Beweis. ϕ ist stetig und ϕ(T ) ⊂ A
Angenommen, ϕ(a) = ϕ(b) für a 6= b aus T . Dann gilt a 6= 0, und wegen ℘(a) = ℘(b) gilt
a = −b, denn ℘ nimmt auf T jeden Wert höchstens zweimal an. Wegen ℘0 (a) = ℘0 (b) = ℘0 (−a) =
−℘0 (a) = 0 und (7.9) gilt also a = −a im Widerspruch zur obigen Anname, d.h. ϕ ist injektiv.
Angenommen, es existiert ein (x, y) ∈ A\ϕ(T ). Dann existiert ein a ∈ T mit x = ℘(a), und
es muß y = −℘0 (a) gelten. Aber dann gilt (x, y) = ϕ(−a), d.h. ϕ ist bijektiv und somit ein
b kompakt sind.
Homöomorphismus, da T und A
u
t
Wie verhält sich nun Satz 7.10 zum Fall eines beliebigen kubischen Polynoms p(z) ∈ C[z]
mit getrennten Nullstellen e1 , e2 , e3 ? Zunächst kann nach einer holomorphen Transformation
(ersetze z durch λz für λ ∈ C∗ geeignet) r = 4 angenommen werden. Nach einer geeigneten
Parallelverschiebung kann sodann zusätzlich e1 + e2 + e3 = 0 angenommen werden, d.h.
p(z) = 4z 3 − 20a2 z − 28a4
für gewisse a2 , a4 ∈ C. Man kann zeigen (vergl. z.B. [2]), daß ein Gitter Ω ⊂ C so existiert, daß
a2 , a4 gerade die Formel (7.6) erfüllen, d.h. (bis auf ‘Biholomorphie’) beschreibt Satz 7.10 schon
die allgemeine Situation, und jede glatte Kubik gestattet eine holomorphe Parametrisierung der
Form z 7→ (℘(z), ℘0 (z)).
7.11 Übungsaufgabe. Es sei Ω: = Zω1 + Zω2 ⊂ C ein Gitter mit ω1 , ω2 /i reell und positiv.
℘ ∈ M(C) sei die zugehörige Weierstraßsche ℘-Funktion.
(i) ℘(z) = ℘(z) für alle z ∈ C.
(ii) Man bestimme alle Nullstellen von ℘ sowie das ℘-Urbild von IR ∪ {∞}.
(iii) e1 : = ℘(ω1 /2), e2 : = ℘(ω1 /2 + ω2 /2) und e3 : = ℘(ω2 /2) sind reelle Zahlen mit e1 < e2 < e3 .
(iv) Das offene Rechteck {x + iy : 0 < x < ω1 /2, 0 < y < ω2 /2i} wird durch ℘ biholomorph auf
die obere Halbebene {x + iy : y > 0} abgebildet.
[Hinweis: Holomorphe Abbildungen bilden die ‘linke Seite’ einer Kurve in die linke Seite der
Bildkurve ab]
e ⊂ C Gitter und ℘, ℘e ∈ M(C) die zugehörigen Weier7.12 Übungsaufgabe. Es seien Ω, Ω
straßschen ℘-Funktionen. Für jede ganze Zahl n ≥ 1 sei Zn := {e2πik/n : k ∈ Z}.
e = λΩ gilt ℘e = λ2 ℘.
(i) Für jedes λ ∈ C∗ mit Ω
∗
(ii) Aut(Ω) := {λ ∈ C : λΩ = Ω} kann nur eine der Gruppen Z2 , Z4 oder Z6 sein.
(iii) Man zeige an Hand von Beispielen, daß die Gruppen Z2 , Z4 oder Z6 vorkommen können.
7.13 Übungsaufgabe. Für jedes Gitter Ω ⊂ C sei TΩ := {z + Ω : z ∈ C} der zugehörige
komplexe Torus und πΩ die durch z 7→ z + Ω definierte kanonische Projektion πΩ : C → TΩ .
Eine Abbildung f : TΩ → TΩ0 heiße holomorph, wenn eine holomorphe Abbildung F : C → C
existiert mit f ◦ πΩ = πΩ0 ◦ F . Ist H = {z ∈ C : Im z > 0} die obere Halbebene und Ω = Z + Zω
für ein ω ∈ H, so schreiben wir statt TΩ auch Tω . Man zeige:
(i) Sind f, F wie oben, so existieren a, b ∈ C mit aΩ ⊂ Ω0 und F (z) ≡ az +b. Hinweis: Betrachte
F (z + ω) − F (z) und dann F 0 (z).
(ii) Die Tori TΩ und TΩ0 sind genau dann biholomorph äquivalent, wenn Ω0 = aΩ für ein a ∈ C∗ .
(iii) Jeder komplexe Torus TΩ ist biholomorph äquivalent zu einem Torus Tω mit ω ∈ H.
(iv) Die Tori Tω , Tω0 mit ω, ω 0 ∈ H sind genau dann biholomorph äquivalent, wenn eine Matrix
µ
¶
aω + b
a b
.
∈ SL(2, Z) existiert mit ω 0 =
c d
cω + d
[Hinweis: Stelle die Gitterbasis {1, ω} von Ω in der Gitterbasis {1, ω 0 } von Ω0 dar und umgekehrt.]
SIBI
34
Funktionentheorie
8. Randeigenschaften eigentlicher holomorpher Abbildungen
Es seien R, S beliebige lokal-kompakte Hausdorffräume.
8.1 Definition. Die stetige Abbildung f : R → S heißt eigentlich, wenn für jedes Kompaktum
K ⊂ S auch das Urbild f −1 (K) kompakt ist.
Man überzeugt sich leicht, daß für jede eigentliche Abbildung f : R → S gilt: Ist A ⊂ R
abgeschlossen (bzw. diskret) in R, so ist das Bild f (A) auch abgeschlossen (bzw. diskret) in S.
Für jede Folge (an ) in R ohne Häufungspunkt besitzt also auch die Bildfolge (f (an )) in S keinen
Häufungspunkt. Suggestiver als das Wort ‘eigentlich’ für diesen Begriff wäre somit ‘randtreu’
gewesen (bei der Einpunktkompaktifizierung R∪{∞} führt man ja gerade einen ‘unendlichfernen
Punkt’ ∞ ein, gegen den alle Folgen in R ohne Häufungspunkt in R konvergieren).
8.2 Beispiel. (i) Jeder Homöomorphismus f : R → S ist eigentlich.
(ii) Ist R kompakt, so ist jede stetige Abbildung f : R → S eigentlich.
(iii) Für jedes n ≥ 1 definiert f (z) = z n eine eigentliche holomorphe Abbildung f : D → D,
wobei D = C oder D = ∆ (offener Einheitskreis).
(iv) Ist f : R → S eigentlich, so ist für jedes offene V ⊂ S und U := f −1 (V ) die Einschränkungsabbildung f |U : U → V ebenfalls eigentlich.
(v) Kompositionen eigentlicher Abbildungen sind eigentlich.
8.3 Satz. Seien U, V ⊂ C Gebiete und f : U → V eine nicht-konstante, eigentliche, holomorphe
Abbildung. Dann existiert eine ganze Zahl b := bf ≥ 1 (Blätterzahl von f ), so daß
(8.4)
b=
X
wf (a)
a∈f −1 (c)
UZ
für alle c ∈ V gilt. Es existiert eine in V diskrete Teilmenge A ⊂ V , so daß jedes c ∈ V \A genau
b verschiedene f -Urbilder in U hat. f ist genau dann biholomorph, wenn b = 1 gilt.
Beweis. Sei β(c) die rechte Seite von (∗). Wir haben zu zeigen, daß β als Funktion auf V konstant
ist. Dazu sei c0 ∈ V beliebig aber fest gewählt. Dann ist f −1 (c0 ) diskret und wegen f eigentlich
somit endlich, d.h. etwa f −1 (c0 ) = {a1 , . . . , ar } mit paarweise verschiedenen aj . Wähle in U
disjunkte offene Umgebungen W1 , . . . , Wr von ar , . . . , ar so, daß W := f (Wk ) unabhängig von k
und jede Einschränkung fk := f |Wk eine eigentliche holomorphe Abbildung fk : Wk → W mit
bfk ≡ nk für nk ∈ IN ist (das geht, da für Wk genügend klein f wie die Potenz z 7→ z nk aussieht,
vergl. Aufgabe 3.16). Dann ist aber β(c) = n1 + . . . + nr konstant auf W , d.h. β ist als lokalkonstante Funktion auf dem Gebiet V sogar konstant. Der Verzweigungsort {a ∈ U : vf (a) 6= 0}
ist diskret in U und damit auch das f -Bild A in V .
u
t
Für holomorphe Abbildungen f : C → C werde die Blätterzahl von f auch der Grad von f
genannt. Konstante Abbildungen sollen dabei den Grad 0 haben.
8.5 Übungsaufgabe. Man zeige
(i) Für jedes b ≥ 1 besteht die Menge aller eigentlichen holomorphen Abbildungen f : ∆ → ∆
mit Blätterzahl b genau aus allen Transformationen
b
Y
z − ck
z→
7 λ
,
ck z − 1
k=1
wobei c1 , . . . , cb ∈ ∆ und λ ∈ ∂∆.
(ii) Man bestimme alle eigentlichen holomorphen Abbildungen f : ∆ → C.
(iii) Ist A ⊂ C eine in C diskrete Teilmenge, so existieren holomorphe Funktionen f1 , f2 auf
U := C\A derart, daß f = (f1 , f2 ) eine eigentliche Abbildung f : U → C2 definiert.
Problemstellung: Wir betrachten für Gebiete U, V ⊂ C und holomorphe Abbildungen f :
U → V die folgenden Fragen:
EIGE
35
Funktionentheorie
(A) Wann ist f zu einer stetigen Abbildung f : U → V fortsetzbar?
(B) Wann existiert eine offene Umgebung W von U so, daß f zu einer holomorphen Abbildung
f : W → C fortgesetzt werden kann?
Wir wollen im folgenden beide Fragen behandeln im Spezialfall, daß f : U → V eigentlich
ist. Existieren dann Fortsetzungen wie in (A) oder (B), so muß offenbar notwendig f (∂U ) ⊂ ∂V
gelten. Wir wollen uns dabei auf den Spezialfall beschränken, daß U, V ⊂ C beschränkte Gebiete sind (auf diesen können viele Fälle durch Anwendung geeigneter Möbiustransformationen
zurückgeführt werden).
Wir betrachten zunächst ein triviales
8.6 Beispiel. Es
√sei U := {x + iy ∈ ∆ : x > 0 oder y 6= 0} und V := {x + iy ∈ ∆ : x > 0}. Dann
definiert f (z) = z eine biholomorphe Abbildung f : U → V , deren Umkehrabbildung g = f −1
sich holomorph auf ganz C fortsetzen läßt. f selbst läßt sich nicht stetig auf U fortsetzen.
Schwierigkeiten machen gerade die Randpunkte t ∈ ∂U mit t < 0 – diese müßten eigentlich
jeweils als 2 Randpunkte gezählt werden – einer als Randpunkt des ‘oberen Ufers’ und der
andere als Randpunkt des ‘unteren Ufers’. Wir wollen das im folgenden präzisieren.
Es sei im folgenden ein beschränktes Gebiet U ⊂ C gegeben. Die euklidische Metrik
δ(a, b) := |a − b| ist vollständig auf C, und die abgeschlossene Hülle U kann als Komplettierung
von U bezüglich der Metrik δ angesehen werden. Sei δU die Einschränkung von δ auf U × U .
Bezeichnen wir mit L(γ) die Bogenlänge einer (stetigen) rektifizierbaren Kurve γ : [0, 1] → C, so
erhalten wir auf dem Gebiet U eine weitere Metrik dU wie folgt: Für alle a, b ∈ U sei dU (a, b) das
Infimum über alle Bogenlängen L(γ), wobei γ : [0, 1] → U eine beliebige rektifizierbare Kurve
in U ist mit γ(0) = a und γ(1) = b. Offenbar gilt stets dU ≥ δU .
8.7 Beispiel. Es sei C ⊂ IR eine kompakte, total-unzusammenhängende Teilmenge (z.B. die
Cantor-Menge) und D ⊂ C ein beschränktes konvexes Gebiet. Dann gilt dU = δU für U := D\C.
Die Metriken dU und δU sind zwar mit der Topologie des Gebietes U verträglich, sie sind
b des Gebiets
aber im allgemeinen nicht äquivalent. Betrachten wir deshalb die Komplettierung U
b ein vollständiger metrischer Raum (dessen Metrik ebenfalls mit dU
U bezüglich dU . Dann ist U
bezeichnet werde), der U in natürlicher Weise als dichten Teilraum enthält. Zudem existiert eine
b → U mit τ (z) = z für alle z ∈ U (denn id : (U, dU ) → (U, δU )
kanonische stetige Abbildung τ : U
ist gleichmäßig stetig). Für jedes a ∈ ∂U heißen die Elemente von τ −1 (a) die (in endlicher Zeit)
erreichbaren Randpunkte von U . Diese Bezeichnung wird motiviert durch die
b . Dann existiert eine rektifizierbare
8.8 Bemerkung. Sei (an ) eine Folge in U mit b
a = lim an ∈ U
b mit γ(t) ∈ U für t < 1, γ(1) = b
Kurve γ : [0, 1] → U
a und an ∈ γ([0, 1]) für unendlich viele n.
Beweis. Da (an ) eine dU -Cauchy-Folge ist, existiert eine Teilfolge (ank ) mit nk+1 > nk und
dU (ank , am ) < 2−k für alle k und alle m ≥ nk . Also existiert für jedes k eine rektifizierbare
Kurve γk der Länge L(γk ) < 2−k , die ank mit ank+1 verbindet. Diese Teilkurven können zu γ
zusammengesetzt werden.
u
t
8.9 Beispiel.
a1
a2
a∞
a0
a
U entstehe aus einem offenen Rechteck durch Herausnahme von abzählbar unendlich vielen
‘Stacheln’ in der oben dargestellten Weise. Dann liegen über ak für k = 0, 1, 2, ∞ jeweils k
erreichbare Randpunkte, und über a liegen überabzählbar viele erreichbare Randpunkte.
BEMM
36
Funktionentheorie
b → U ist also im allgemeinen weder injektiv noch surjektiv.
Die Abbildung τ : U
8.10 Definition. Es sei D ⊂ C ein Gebiet. Der Randpunkt a ∈ ∂D = D\D heißt C r -glatt,
wenn eine offene Umgebung W ⊂ C von a und ein C r -Diffeomorphismus ϕ : W → ∆ mit
ZULA
ϕ(W ∩ D) = {z ∈ ∆ : Im(z) > 0}
existiert (0 ≤ r ≤ +∞). Kann dabei ϕ biholomorph gewählt werden, so heißt a auch analytisch
glatter Randpunkt oder einfacher ein analytischer Randpunkt von D.
b → U ein
8.11 Lemma. Besitzt das beschränkte Gebiet U ⊂ C C 1 -glatten Rand, so ist τ : U
b
Homöomorphismus, und insbesondere ist auch U kompakt.
Beweis. Es genügt, die Existenz einer Konstanten c > 0 mit dU ≤ cδU zu zeigen, da dann
die Metriken dU und δU äquivalent sind. Nehmen wir also an, daß kein derartiges c existiert.
Dann existieren Folgen (an ), (bn ) in U mit dU (an , bn ) > n|an − bn | für alle n. OBdA existieren
a := lim an und b := lim bn in U . Ferner existieren Diffeomorphismen ϕ : W → ∆ und ψ : V → ∆
mit ϕ(U ∩ W ) und ψ(U ∩ V ) konvex, wobei W, V geeignete Umgebungen von a, b in C sind.
Dabei dürfen wir annehmen, daß für eine geeignete Konstante k ≥ 1 und alle z, w ∈ W sowie
u, v ∈ V gilt
k −1 |z − w| ≤ |ϕ(z) − ϕ(w)| ≤ k|z − w|
k −1 |u − v| ≤ |ψ(u) − ψ(v)| ≤ k|u − v| .
Für alle n ≥ m mit einem geeigneten m ∈ IN gilt an ∈ W , bn ∈ V . Wegen ϕ(W ∩ U ) konvex
existiert für jedes n ≥ m eine glatte Kurve γ : [0, 1] → W ∩ U mit γ(0) = an , γ(1) = am und
¯
¯
L(ϕ ◦ γ) = ¯ϕ(an ) − ϕ(am )¯ .
Dann gilt wegen L(γ) ≤ kL(ϕ ◦ γ) aber auch
dU (an , am ) ≤ k|ϕ(an ) − ϕ(am )|
und somit
n|an − bn | < dU (an , bn ) ≤ dU (an , am ) + dU (am , bm ) + dU (bm , bn )
≤ k|ϕ(an ) − ϕ(am )| + dU (am , bm ) + k|ψ(bm ) − ψ(bn )|
≤ k 2 |an − am | + dU (am , bm ) + k 2 |bm − bn | .
Also bleibt n|an − bn | für n → ∞ beschränkt, insbesondere muß deshalb a = b gelten. Aber
dann dürfen wir W = V , ϕ = ψ annehmen, und
n|an − bn | < dU (an , bn ) ≤ k|ϕ(an ) − ϕ(bn )| ≤ k 2 |an − bn |
ergibt n ≤ k 2 für alle n ≥ m, ein Widerspruch.
u
t
8.12 Bemerkung. Im Beweis von 8.11 wurde für das beschränkte Gebiet U nur benutzt, daß
jeder Randpunkt a von U eine in C offene Umgebung W zusammen mit einem Diffeomorphismus
ϕ : W → ∆ besitzt, für den ϕ(W ∩ U ) konvex ist.
Wir wollen das Problem (A) der stetigen Randfortsetzbarkeit für eine hinreichend große
Klasse von Randpunkten behandeln, die wir im folgenden zur Vereinfachung der Sprechweise
kurz zulässig nennen wollen. Die Definition mag zunächst etwas technisch aussehen, sie ist jedoch
b werde
so gehalten, daß der Beweis von Satz 8.14 gerade noch funktioniert. Für jedes b
a ∈ U
mit Ω(b
a) die Menge aller wegzusammenhängenden Teilmengen S von U bezeichnet, die b
a als
Häufungspunkt haben.
CGLA
37
Funktionentheorie
b \U heiße ein zulässiger Randpunkt von U , wenn zu je zwei Mengen
8.13 Definition. b
a∈U
S, T ∈ Ω(b
a) eine offene Umgebung W ⊂ C von a := τ (b
a), eine biholomorphe Abbildung ϕ : W →
∆ mit ϕ(a) = 0, eine meßbare Teilmenge R ⊂ [0, 1] und für jedes r ∈ R eine zusammenhängende
Teilmenge Kr ⊂ W ∩ U mit den folgenden Eigenschaften existiert:
Z
dr
(i) ϕ(Kr ) ⊂ {|z| = r},
(ii) Kr schneidet S und T ,
(iii)
= +∞ .
R r
b \U in diesem Sinne zulässig, so sagen wir, U habe zulässigen Rand.
Ist jeder Randpunkt b
a∈U
DEFF
Die Bedingung (iii) in (8.13) ist trivialerweise dann erfüllt, wenn R für ein ε > 0 das offene
Intervall (0, ε) ⊂ IR enthält (dieser Fall ist in den meisten interessanten Anwendungen gegeben).
Offenbar ist jeder isolierte wie auch jeder analytische Randpunkt von U zulässig. Es kann gezeigt
werden, daß sogar jeder C 0 -glatte Randpunkt zulässig ist. Wir wollen das hier nicht ausführen.
Die Bedeutung der obigen Definition ergibt sich aus dem folgenden
b sei ein zulässiger Randpunkt, und
8.14 Satz. Es seien U, V ⊂ C beschränkte Gebiete, b
a∈U
f : U → V sei eine eigentliche holomorphe Abbildung. Ist dann Vb kompakt, so existiert eine
stetige Fortsetzung fb : U ∪ {b
a} → Vb von f .
Beweis. Angenommen, die Behauptung sei falsch. Wegen Vb kompakt existieren dann Folgen
(en ) und (cn ) in U mit b
a = lim en = lim cn und eb := lim f (en ) 6= b
c := lim f (cn ). OBdA
e
e
e
e
e f (cn ) ∈ Te für
existieren Mengen S ∈ Ω(b
e), T ∈ Ω(b
c) mit ρ := dV (S, T ) > 0 und f (en ) ∈ S,
−1 e
alle n (vergl. den Beweis von 8.8). Sei b die Blätterzahl von f . Dann haben f (S) und f −1 (Te)
jeweils höchstens b Wegzusammenhangskomponenten (Übungsaufgabe). Also gibt es Teilmengen
e T ⊂ f −1 (Te) mit S, T ∈ Ω(b
S ⊂ f −1 (S),
a). Wähle nun die biholomorphe Abbildung ϕ : W → ∆,
die meßbare Teilmenge R ⊂ [0, 1] und jedes Kr ⊂ W wie in Definition 8.13. Sei B := ϕ(U ∩ W )
und sei die holomorphe Abbildung h : B → V definiert durch h(ϕ(z)) = f (z). Ist dann r ∈ R
fest, so definiert γ(θ) := h(reiθ ) für geeignete reelle Parameter α < β < α + 2π eine Kurve
Rβ
γ : [α, β] → V , die Se und Te schneidet und somit ρ ≤ L(γ) = α |h0 (reiθ )|rdθ erfüllt. Definieren
wir noch h0 (z) := 0 für alle z ∈ C\B, so können wir auch einfacher
Z2π
|h0 (z)|rdθ
ρ ≤
0
schreiben, wobei z = x + iy = reiθ gesetzt sei. Nach der Schwarzschen Ungleichung gilt
ρ
2
³ Z2π
≤
0
|h (z)|rdθ
´2
Z2π
0
≤ 2π
0
2 2
|h (z)| r dθ ,
d.h.
0
K
≤
r
Z2π
|h0 (z)|2 rdθ
0
für K := ρ2 /2π > 0 und alle r ∈ R. Somit folgt
Z
K
R
dr
≤
r
Z Z2π
Z1 Z2π
0
2
R 0
ZZ
|h0 (z)|2 rdθdr =
|h (z)| rdθdr ≤
0 0
|h0 (z)|2 dxdy ≤ bF ,
B
wobei F der euklidische Flächeninhalt von h(B) ⊂ V ist (beachte, daß |h0 (z)|2 die Funktionaldeterminante im Punkte z ist, wenn h als reell-differenzierbare Abbildung zwischen Gebieten
des IR2 aufgefaßt wird). Das ist jedoch ein Widerspruch, da die linke Seite im Gegensatz zur
rechten nicht endlich ist.
u
t
HILF
38
Funktionentheorie
8.15 Satz. Seien U, V ⊂ C beschränkte Gebiete mit Vb kompakt. Hat dann U zulässigen
Rand, so gestattet jede eigentliche holomorphe Abbildung f : U → V eine stetige Fortsetzung
b → Vb .
fb : U
b wähle eine Folge (an ) in U , die gegen b
Beweis. Für jedes b
a∈U
a konvergiert. Wegen Satz 8.14
existiert dann fb(b
a) := lim f (an ) in Vb , und dieser Limes hängt nicht von der Wahl der Folge (an )
b → Vb stimmt offenbar auf U mit f überein. Mit einem
ab. Die so erhaltene Abbildung fb : U
b mit dU (b
Standardargument folgt, daß fb stetig ist: Sei etwa (b
an ) eine Folge in U
a, b
an ) < 1/n.
b
Für jedes n existiert ein an ∈ U mit dU (an , b
an ) < 1/n und dV (f (an ), f (b
an )) < 1/n. Folglich
b
gilt lim an = b
a und damit auch lim f (an ) = f (b
a). Nach Übergang zu einer Teilfolge darf also
dV (f (an ), fb(b
a)) < 1/n und folglich dV (fb(b
an ), fb(b
a)) < 2/n angenommen werden, d.h. fb ist stetig
in b
a.
u
t
FORT
Das zu Beginn gestellte Problem (B) kann mit dem sogenannten Schwarzschen Spiegelungsprinzip angegangen werden. Dazu zeigen wir zunächst
8.16 Hilfssatz. Es seien U ⊂ C ein beschränktes Gebiet und f ∈ H(U ) eine auf U holomorphe
Funktion. Für jedes a ∈ ∂U existiere eine offene Umgebung Wa ⊂ C von a und ein ga ∈ H(Wa )
mit f (z) = ga (z) für alle z ∈ U ∩ Wa . Dann existiert eine offene Umgebung W von U und eine
auf W holomorphe Funktion g mit g|U = f .
Beweis. Wegen ∂U kompakt existiert eine endliche Teilmenge A ⊂ ∂U derart, daß die Familie
{Wa : a ∈ A} den Rand ∂U überdeckt. Für alle a, b ∈ A sei Ka,b die in C abgeschlossene Hülle
von {z ∈ Wa ∩ Wb : ga (z) 6= gb (z)}. Die Vereinigung K aller Ka,b ist abgeschlossen in C und
ist disjunkt zu U (Identitätssatz). Sei nun W die Vereinigung von U mit allen offenen Mengen
Wa \K, a ∈ A. Dann enthält W den Rand ∂U , und durch
½
f (z) z ∈ U
g(z) : =
ga (z) z ∈ Wa \K
wird eindeutig eine holomorphe Funktion auf W definiert.
FOSE
u
t
8.17 Satz. Es seien U, V ⊂ C Gebiete mit analytischem Rand und f : U → V eine eigentliche
holomorphe Abbildung. Dann existiert eine offene Umgebung W ⊂ C von U zusammen mit
einer holomorphen Fortsetzung g : W → C von f .
Beweis. Im Fall U = C ist nichts zu zeigen, wir dürfen also U 6= C annehmen. Wegen f
eigentlich ist dann auch V 6= C. Da U analytischen Rand hat, ist U nicht dicht in C, und nach
Anwendung einer geeigneten Möbiustransformation dürfen wir annehmen, daß U und analog
b , Vb mit U , V identifiziert
auch V beschränkte Gebiete in C sind. Wegen Lemma 8.11 können U
werden. Wegen Satz 8.15 kann sodann f zu einer stetigen Abbildung f : U → V mit f (∂U ) ⊂ ∂V
fortgesetzt werden. Sein nun a ∈ ∂U beliebig, aber fest vorgegeben. Nach Voraussetzung existiert
eine offene Umgebung Wa ⊂ C von a und eine biholomorphe Abbildung ϕ : Wa → ∆ mit
ϕ(Wa ∩ U ) = {z ∈ ∆ : Im(z) > 0}. Ebenso existiert eine offene Umgebung Q von b := f (a) und
eine biholomorphe Abbildung ψ : Q → ∆ mit ψ(Q ∩ V ) = {z ∈ ∆ : Im(z) > 0}. Wir dürfen
zudem f (Wa ∩ U ) ⊂ Q ∩ V annehmen (falls nicht, so verkleinere Wa geeignet und kompensiere
dieses durch Multiplikation von ϕ mit einem Faktor > 1). Durch

Im(z) ≥ 0
 ψ ◦ f ◦ ϕ−1 (z)
h(z) =

h(z)
Im(z) > 0
wird eine stetige Abbildung h : ∆ → ∆ definiert, die auf ∆\IR holomorph ist. Dann ist aber
bereits h holomorph auf ganz ∆, und ga := ψ −1 ◦ h ◦ ϕ : Wa → C ist eine holomorphe Abbildung
mit ga |Wa ∩ U = f |Wa ∩ U . Wegen Hilfssatz 8.16 ist damit der Satz bewiesen.
u
t
Eine Teilmenge K ⊂ C heiße ein Kreis in C, falls entweder K = {z ∈ C : |z − a| = r} für
a ∈ C, r > 0 oder K = {ta + b : t ∈ IR} ∪ {∞} für a ∈ C∗ und b ∈ C geeignet. Im letzteren Falle
ist K die Vereinigung einer reell-affinen Geraden in C mit dem unendlich fernen Punkt (Kreis
durch ∞).
ANAP
39
Funktionentheorie
8.18 Übungsaufgabe.
(i) Kreise in C sind genau die in C abgeschlossenen Hüllen von Mengen der Form
{z ∈ C : azz + 2 Re(bz) + c = 0} ,
wobei a, c ∈ IR und b ∈ C die Bedingung ac < bb erfüllen.
(ii) Aut(C) wird als Gruppe erzeugt von der affinen Gruppe A := {z 7→ az + b : a ∈ C∗ , b ∈ C}
und der Transformation z 7→ 1/z . Hinweis: Möbiustransformationen sind durch drei Werte
eindeutig bestimmt.
(iii) K ⊂ C ist genau dann ein Kreis, wenn für IR = IR ∪ {∞} ein g ∈ Aut(C) mit K = g(IR)
existiert.
Das Schwarzsche Spiegelungsprinzip im Beweis von Satz 8.17 wird deutlich an der durch h(z) =
h(z) gegebenen Ergänzung von h auf die untere Hälfte des Einheitskreises – man sagt durch
Spiegelung an der reellen Achse (der gewöhnlichen Konjugation). Diese ist auf ganz C definiert,
und stellt dort eine antiholomorphe Abbildung σ dar, die involutorisch ist (d.h. σ ◦ σ = id) und
Fix(σ) := {z ∈ C : σ(z) = z} = IR erfüllt. Ist K ⊂ C ein beliebiger Kreis, so existiert nach
Aufgabe 8.18 eine Möbiustransformation g mit K = g(IR), und folglich ist σK := gσg −1 eine
involutorische antiholomorphe Abbildung mit K = Fix(σK ). Dadurch ist σK aber auch schon
eindeutig bestimmt, dann ist σ
e eine weitere antiholomorphe Involution mit K = Fix(e
σ ), so ist
g := σK σ
e biholomorph mit K ⊂ Fix(g), d.h. C = Fix(g) nach Identitätssatz. Wir nennen σK die
Spiegelung am Kreis K. Ist z.B. K = ∂∆ der Einheitskreis, so gilt
σK (z) = 1/z = z /zz ,
d.h. für jedes z hat w = σK (z) das gleiche Argument wie z, der Betrag von w ist jedoch invers
zum Betrag von z.
Wir wollen nun einige Anwendungsbeispiele geben: Sei f : ∆ → ∆ eine eigentliche holomorphe Abbildung des Einheitskreises ∆ ⊂ C. Diese gestattet eine stetige Fortsetzung auf ∆ mit
f (∂∆) ⊂ ∆. Ist σ(z) = 1/z die Spiegelung am Kreis ∂∆, so erhalten wir vermöge z 7→ σf (σz)
für z ∈ C\∆ eine Fortsetzung von f zu einer holomorphen Abbildung f : C → C. Insbesondere
folgt die schon aus Aufgabe 8.5 bekannte Tatsache, daß jede eigentliche holomorphe Abbildung
f : ∆ → ∆ rational ist.
8.19 Definition. Sei 0 < r < R < +∞. Dann heißt µ(U ) := log R/r ∈ IR der Modul des
Kreisrings U := {z ∈ C : r < |z| < R}.
8.20 Satz. Es seien U := {z ∈ C : r < |z| < R} und V := {z ∈ C : s < |z| < S} zwei
Kreisringe. Dann sind äquivalent
(i) Es existiert eine eigentliche holomorphe Abbildung f : U → V mit Blätterzahl b.
(ii) µ(V ) = b · µ(U ).
Jede eigentliche holomorphe Abbildung f : U → V der Blätterzahl b ist zudem von der Form
f (z) = cz b oder f (z) = cz −b für eine geeignete Konstante c 6= 0.
Beweis. Sei f : U → V eigentlich holomorph mit Blätterzahl b. Wegen 8.17 hat f eine stetige
Fortsetzung f : U → V mit f (∂U ) = ∂V . Wir dürfen |f (z)| = s für |z| = r annehmen (sonst
komponiere f mit dem durch ϕ(z) = sS/z definierten Automorphismus von V ). Daher gilt auch
|f (z)| = S für alle |z| = R. Durch sukzessives Spiegeln an den inneren Randkreisen erhalten wir
eine eigentliche holomorphe Fortsetzung {0 < |z| < R} → {0 < |z| < S} und durch eine weitere
Spiegelung an den äußeren Randkreisen eine eigentliche holomorphe Fortsetzung f : C∗ → C∗ .
Durch holomorphe Fortsetzung auf C erhalten wir schließlich ein Polynom vom Grade b mit
einziger Nullstelle in 0, d.h. f (z) = cz b für eine Konstante c.
u
t
KREI
40
Funktionentheorie
8.21 Folgerung. Zwei Kreisringe sind genau dann biholomorph äquivalent, wenn sie gleichen
Modul haben (es existieren also überabzählbar viele Biholomorphieklassen von Kreisringen).
Ist K ⊂ C ein Kreis, so zerfällt das Komplement C\K in zwei Zusammenhangskomponenten,
von denen keine vor der anderen ausgezeichnet ist. K ist eindeutig bestimmt durch Angabe dreier
verschiedener Punkte a, b, c auf K. Unter einem orientierten Kreis verstehen wir einen Kreis K
mit Durchlaufungssinn – dieser kann durch ein geordnetes Tripel (a, b, c) verschiedener Punkte
auf K gegeben werden (von a über b nach c). Jedem orientierten Kreis K ⊂ C ordnen wir als
Inneres diejenige Zusammenhangskomponente von C\K zu, die im Sinne der Orientierung links
von K liegt.
Wir wollen nun durch zwei weitere Beispiele demonstrieren, wie durch Gebiete, die durch
endlich viele Kreisbogenstücke berandet werden, in natürlicher Weise Gruppen Γ biholomorpher
Transformationen und Γ-invariante meromorphe Funktionen definiert werden können. Im ersten
Beispiel wählen wir eine besonders einfache Situation und erhalten als Funktion einen alten
Bekannten, die (einfach-periodische) Exponentialfunktion:
Betrachte in C den Parallelstreifen U := {z ∈ C : 0 < Im(z) < π}. Der Rand von U besteht aus
den beiden Kreisen A = IR und B = πi + IR.
−∞
+∞
0
A
−∞
+∞
0
A
B
Im Sinne unserer früheren Betrachtungen ist U (genauer das Bild vermöge einer geeigneten
Möbiustransformation – ein nullwinkliges 2-Seit) zulässig. Der Punkt ∞ muß allerdings doppelt
gezählt werden – wir bezeichnen diese in naheliegender Weise als +∞ und −∞. Es sei G die
von den Spiegelungen σA , σB aufgespannte Gruppe und Γ die Untergruppe (vom Index 2)
aller biholomorphen Transformationen in G. Offenbar ist Γ die Gesamtheit aller Produkte aus
geradzahlig vielen Spiegelungen und somit
Γ = {z 7→ z + 2nπi : n ∈ Z} .
Ist H := {z ∈ C : Im(z) > 0} die obere Halbebene, so existiert als Konsequenz des Riemannschen
Abbildungssatzes eine biholomorphe Abbildung f : U → H. Diese kann zu einem Homöomorb → H = H ∪ IR fortgesetzt werden. Verlangen wir zusätzlich f (−∞) = 0, f (0) = 1
phismus f : U
und f (+∞) = ∞, so wird damit f eindeutig festgelegt. Durch sukzessives Spiegeln an A und
B erhalten wir eine holomorphe Fortsetzung f : C → C∗ , die invariant unter der Translationsgruppe Γ ist. Offenbar gilt f (z) = exp(z).
8.22 Übungsaufgabe. Es sei Q = {x + iy ∈ C : 0 < x, y < 1} das offene Einheitsquadrat und
℘ die zum Gitter Ω = 2Z + 2iZ gehörende ℘-Funktion.
(i) Es existiert genau eine biholomorphe Abbildung f von Q auf die obere Halbebene H :=
{x + iy ∈ C : y > 0} mit den Randwerten f (0) = ∞, f (1) = −1 und f (1 + i) = 0.
(ii) f läßt sich zu einer Ω-periodischen meromorphen Funktion f : C → C fortsetzen. Hinweis:
Spiegele an Randgeraden.
(iii) Es existiert eine Konstante c 6= 0 mit f = c℘. Hinweis: Betrachte die Divisoren der Ableitungen f 0 und ℘0 .
Im letzten, etwas komplizierteren Beispiel betrachten wir in ∆ ein nullwinkliges (hyperbolisches)
Dreieck U , dessen Rand aus drei Kreisstücken A, B, C besteht, die den Kreis ∂∆ orthogonal
41
Funktionentheorie
schneiden. Zur einfacheren Darstellung nehmen wir an, daß die den drei Seiten A, B, C gegenüberliegenden Eckpunkte a, b, c rotationssymmetrisch auf ∂∆ liegen. Offenbar hat U zulässib kann mit U identifiziert werden.
gen Rand, und U
b
C
a
A
B
c
Sei G die von σA , σB , σC aufgespannte Gruppe. Offenbar gilt g(∆) = ∆ für jedes g ∈ G und
Γ := G ∩ Aut(∆) ist eine Untergruppe vom Index 2 in G. Es existiert genau eine biholomorphe
Abbildung τ : U → H mit τ (a) = ∞, τ (b) = 0 und τ (c) = 1. Durch Spiegelung von U = U0
an jeder seiner Seiten wird τ zu einer surjektiven holomorphen Abbildung τ : U1 → C\{0, 1}
fortgesetzt, wobei U1 ein rotationssymmetrisches nullwinkliges 6-Eck ist. Spiegelung von U1 an
jeder seiner 6 Randseiten liefert eine holomorphe Fortsetzung τ : U2 → C\{0, 1}, wobei U2 ein
nullwinkliges 30-Eck ist. Fahren wir so fort, erhalten wir eine Γ-invariante holomorphe Funktion
τ : ∆ → C\{0, 1} – und es ist nicht schwer zu zeigen, daß τ eine Überlagerungsabbildung (vergl.
Anhang) ist.
8.23 Folgerung. (Kleiner Picard): Jede holomorphe Funktion auf C, die mindestens 2 Werte
ausläßt, ist konstant.
Beweis. Wir dürfen f (C) ⊂ C\{0, 1} annehmen. Zu dem Diagramm
∆


yτ
C
f
−−−−−→ C\{0, 1}
existiert wegen 12.9 eine stetige und damit auch holomorphe Liftung fe : C → ∆ mit τ ◦ fe = f .
Nach Liouville ist fe und somit auch f konstant.
u
t
8.24 Übungsaufgabe.
(i) Man gebe die Spiegelung am Kreis K = {z ∈ C : |z − a| = r} explizit an.
(ii) Für jedes t ∈ IR und 0 < ε < π/2 hat der Orthokreis durch ei(t±ε) ∈ ∂∆ den Mittelpunkt
a = eit / cos ε und den Radius r = tan ε.
9. Kleiner Exkurs in Juliamengen
42
Funktionentheorie
9.1 Definition. Sei U ⊂ C eine offene Teilmenge und f : U → U eine holomorphe Abbildung.
Dann heißt (U, f ) ein (holomorphes) dynamisches System. Zwei dynamische Systeme (U, f ) und
(V, g) heißen äquivalent (oder auch konjugiert) wenn ein kommutatives Diagramm
DYNA
f
U −−−−−→ U


ϕ
ϕ
y
y
g
V −−−−−→ V
mit einer biholomorphen Abbildung ϕ existiert, wenn also g = ϕ ◦ f ◦ ϕ−1 gilt.
Für jedes n ∈ IN ist f n : U → U induktiv durch f 0 = id und f n+1 = f ◦ f n definiert
(d.h. f n ist die n-fache Komposition - nicht das n-fache Produkt). Dann ist F := {f n : n ≥ 0}
eine Halbgruppe (bezüglich Komposition), und man interessiert sich für Fragen der folgenden
Art: Wie verhält sich für jedes a ∈ U die Folge der Iterierten f n (a) asymptotisch für n → ∞,
wie sieht der
Vorwärtsorbit F(a) := {f n (a) : n ∈ IN} aus, wie der Rückwärtsorbit
S∞sogenannte
−1
n −1
F (a) := n=0 (f ) (a)? Welche Teilmengen A ⊂ U sind invariant, d.h. f (A) ⊂ A, oder sogar
vollständig invariant, d.h. A und das Komplement U \A sind invariant? Was sind die Fixpunkte
von f oder allgemeiner die periodischen Punkte von f (d.h. die Fixpunkte geeigneter f n mit
n > 0)? Wie sehen die abgeschlossenen Hüllen all dieser Mengen aus?
9.2 Übungsaufgabe.
(i) Es sei f : C → C eine holomorphe Abbildung. Dann sind äquivalent:
(a) Es existiert ein a ∈ C mit f −1 (a) = {a}.
(b) Als dynamisches System ist f konjugiert zu einem Polynom.
(ii) Jede Möbiustransformation ist zu einem der folgenden Polynome konjugiert: p(z) = z + 1
oder p(z) = cz mit |c| ≥ 1.
(iii) Für jeden der Fälle aus (ii) bestimme man die zugehörige Juliamenge.
9.3
(i)
(ii)
(iii)
(iv)
Übungsaufgabe. Es sei f : C → C ein Polynom vom Grade 2.
Es existiert genau ein c ∈ C so, daß f zum Polynom z 2 + c konjugiert ist.
Es existiert ein λ ∈ C so, daß f zum Polynom λz + z 2 konjugiert ist.
Für die Zahlen c, λ gilt die Relation 4c = λ(2 − λ).
In (ii) kann λ stets so gewählt werden, daß |λ| > 1 oder λ = 1 gilt. Für jedes derartige λ
liegt 0 in der Juliamenge des Polynoms λz + z 2 .
Hinweis: Man betrachte die Fix- und Verzweigungspunkte von f .
Für beliebige offene Teilmengen U, V ⊂ C sei H(U, V ) der Raum aller holomorphen Abbildungen U → V , der in natürlicher Weise als Teilraum von H(U, C) aufgefaßt werde. Wir wollen
den Begriff der kompakten Konvergenz ausdehnen auf beliebige Folgen (fn ) in H(U, V ). Dazu
wählen wir eine Metrik ρ auf C, die mit der Topologie verträglich ist. Da wegen C kompakt
je zwei derartige Metriken äquivalent sind, kommt es für das folgende nicht auf die Auswahl
dieser Metrik an - wir können etwa die Einschränkung der euklidischen Metrik von IR3 auf S 2
wählen, wobei S 2 und C vermöge stereographischer Projektion identifiziert seien. Die Folge (fn )
in H(U, V ) heißt nun kompakt konvergent gegen f ∈ H(U, C) (oder auch einfach konvergent gegen f ), wenn für jedes Kompaktum K ⊂ U die Folge der Einschränkungen (fn |K) gleichmäßig
(bez. ρ) gegen f |K konvergiert. Natürlich muß dann f (U ) ⊂ U gelten. Man beachte, daß der
hier eingeführte Begriff ‘kompakte Konvergenz’ für holomorphe Abbildungen nicht identisch ist
mit dem in Abschnitt 5 eingeführten Begriff ‘kompakte Konvergenz’ von meromorphen Funktionen. Es ist klar, daß die Folge (fn ) genau dann kompakt konvergiert, wenn sie lokal gleichmäßig
konvergiert (d.h. zu jedem a ∈ U existiert eine Umgebung V ⊂ U von a, auf der die Folge
gleichmäßig konvergiert).
9.4 Definition. Eine Teilmenge A ⊂ H(U, C) heißt eine normale Familie, wenn jede Folge (fn )
in A eine in H(U, C) (kompakt) konvergente Teilfolge besitzt.
POLY
POLP
Funktionentheorie
43
9.5 Lemma. Für jede Familie A ⊂ H(U, C) existiert genau eine offene Teilmenge V ⊂ U mit
den folgenden Eigenschaften:
(i) Die eingeschränkte Familie A|V := {f |V : f ∈ A} ⊂ H(V, C) ist normal.
(ii) Für jede offene Teilmenge W ⊂ U mit A|W normal gilt W ⊂ V .
Beweis. Es sei V die Menge aller a ∈ U mit der folgenden Eigenschaft: Es gibt eine offene Umgebung Wa ⊂ U mit A|Wa normal. Es genügt, die Eigenschaft (i) für diese Menge V nachzuweisen.
Es existiert eine Folge (an ) in V derart, daß {Wn : n ≥ 1} eine Überdeckung von V ist, wobei
zur Abkürzung Wn := Wan gesetzt sei. Sei nun (fn ) eine beliebige Folge in A. Nach Voraussetzung existiert eine Teilfolge (gn1 ) von (fn ), deren Einschränkung auf W1 kompakt konvergiert.
Induktiv erhalten wir für jedes k ≥ 1 eine Teilfolge (gnk+1 ) von (gnk ), deren Einschränkung auf
Wk+1 kompakt konvergiert. Die Diagonalfolge (gnn ) ist sodann eine Teilfolge der Ausgangsfolge
(fn ), die auf ganz V kompakt konvergiert.
u
t
NFAM
Die offene Teilmenge V in 9.5 ist offenbar die größte offene Teilmenge von U , auf der A
normal ist. Wir nennen sie den Normalitätsbereich der Familie A (kann leer sein).
9.6 Satz. Läßt A ⊂ H(U, C) mindestens drei verschiedene Punkte a, b, c ∈ C aus (d.h. A(U ) ⊂
C\{a, b, c} für A(U ) := {f (u) : f ∈ A, u ∈ U }), so ist A eine normale Familie.
Beweis. Nach Anwendung einer geeigneten Möbiustransformation dürfen wir A(U ) ⊂ C\{0, 1}
annehmen. Sei (fn ) eine Folge in A und a ∈ U ein beliebig aber im folgenden fest gewählter
Punkt. W ⊂ U sei eine einfach-zusammenhängende Umgebung von a, und τ : ∆ → C\{0, 1} sei
die im vorhergehenden Kapitel beschriebene Überlagerungsabbildung. Dann existiert zu jedem
n eine stetige und damit holomorphe Liftung fen : W → ∆ (d.h. τ ◦ fen = fn , vergl. 12.5). Nach
Montel besitzt die Folge (fen ) eine konvergente Teilfolge (fenk ). Dann ist aber auch die Folge
(fnk |W ) kompakt konvergent, d.h. a liegt im Normalitätsgebiet von A.
u
t
9.7 Definition. Sei U ⊂ C ein Gebiet und f : U → U eine nichtkonstante holomorphe
Abbildung. Der Normalitätsbereich F := F (f ) der Familie F := {f n : n ∈ IN} heißt die
Fatoumenge von f in U . Das Komplement J := J(f ) := U \F heißt die Juliamenge von f in U .
9.8 Bemerkung. Für jedes f ist die Fatoumenge F offen und die Juliamenge J abgeschlossen
in U . Beide Mengen sind vollständig invariant unter f , und es gilt J = J(f k ) für alle k ≥ 1.
Beweis. Jede Folge in {f n : n ≥ 1} hat die Form (gn ◦ f ) für eine geeignete Folge (gn ) in F. Da
(gn ) eine auf F konvergente Teilfolge besitzt, hat (gn ◦ f ) eine auf f −1 (F ) konvergente Teilfolge,
d.h. f −1 (F ) ⊂ F und somit f (J) ⊂ J. Ist andererseits (gn ) eine Folge in F, für die die Folge
(gn ◦ f ) auf F konvergiert, so muß auch die Folge (gn ) auf der offenen Menge f (F ) konvergieren.
Also gilt auch f (F ) ⊂ F . Die letzte Behauptung folgt sofort aus der Tatsache, daß jede Folge in
IN eine Teilfolge besitzt, die für ein geeignetes m ∈ IN in kIN + m liegt.
u
t
DRPK
JULI
NILL
Wegen Satz 9.6 ist die Juliamenge J(f ) stets dann leer, wenn das Komplement C\U mindestens 3 Punkte enthält. Bis auf Äquivalenz sind für U somit nur die drei folgenden Fälle
interessant: C, C und C∗ . Wir wollen uns im folgenden nur mit dem Fall U = C beschäftigen
– in diesem Fall ist jede holomorphe Abbildung f : U → U eigentlich und hat einen Grad
d ∈ IN. Dieser ist dadurch charakterisiert, daß bis auf endlich viele Ausnahmen jeder Punkt
a ∈ C genau d f -Urbilder besitzt. Der Fall d = 1, d.h. f ist eine Möbiustransformation, ist nicht
weiter interessant, da in diesem Fall wegen 9.2 J(f ) aus höchstens einem Punkt bestehen kann.
Andererseits gilt
9.9 Lemma. Für jedes holomorphe f : C → C vom Grad ≥ 2 ist die Juliamenge J kompakt
und nicht leer. Zudem gilt f (J) = J und f (F ) = F .
Beweis. Wäre F = C, würde eine Folge (f nk ) von Iterierten mit nk+1 > nk für alle k existieren,
die kompakt gegen ein holomorphes g : C → C konvergiert. Da jede Iterierte surjektiv ist, kann
g nicht konstant sein. Ist d > 0 der Grad von g, so dürfen wir mk := nk − d > 0 für alle k
annehmen sowie, daß die Folge (f mk ) gegen ein h konvergiert. Aber dann hat g = f d ◦ h im
Widerspruch zur Definition von d einen Grad ≥ 2d > d.
u
t
NILE
44
Funktionentheorie
9.10 Beispiel. Es sei f (z) = z d für d ≥ 2. Dann gilt offenbar J = ∂∆. Denn auf ∆ konvergiert
(f n ) kompakt gegen ≡ 0, und auf C\∆ konvergiert (f n ) kompakt gegen ≡ ∞.
9.11 Übungsaufgabe. Man zeige (ohne Verwendung von 9.19), daß J = [−2, 2] ⊂ IR im Fall
f (z) = z 2 − 2 gilt.
AUEI
AUZW
Man überzeugt sich sofort, daß f in 9.11 zum Polynom g(z) = 4z(z − 1) konjugiert ist,
dessen Juliamenge deshalb das Einheitsintervall [0, 1] ⊂ IR ist. Die Dynamik von g|[0, 1] ist im
Rahmen der ‘logistischen Abbildung’ intensiv untersucht worden.
Im allgemeinen sind Juliamengen keine glatte Teilmengen, wie 9.10 und 9.11 vermuten lassen
könnten. Sie sind häufig sogenannte Fraktale (wir wollen diesen Begriff hier nicht präzisieren).
Sei wieder f : C → C eine holomorphe Abbildung und Fix(f ) := {a ∈ C : f (a) = a}
die Menge aller Fixpunkte von f . Für jedes a ∈ Fix(f ) fest wähle eine Möbiustransformation
ϕ ∈ Aut(C) mit ϕ(a) = 0. Dann hat g := ϕ ◦ f ◦ ϕ−1 um 0 eine Potenzreihenentwicklung
(∗)
g(z) = λz + a2 z 2 + a3 z 3 + . . . ,
wobei λ ∈ C nicht von der Auswahl von ϕ abhängt (Kettenregel) und Eigenwert von f im
Fixpunkt a genannt wird. Im Fall a ∈ C ist λ offenbar gerade die Ableitung f 0 (a). Die Größe
von |λ| gibt wichtige Informationen über das dynamische Verhalten von f nahe des zugehörigen
Fixpunktes:
Ist z.B. |λ| < 1 und r ∈ IR mit |λ| < r < 1 fest gewählt, so existiert eine offene Kreisscheibe W
um 0 mit |g 0 (z)| ≤ r für alle z ∈ W und damit insbesondere |g(z)| ≤ r|z| für alle z ∈ W – oder
für den Fixpunkt a von f formuliert: Es gibt eine f -invariante Umgebung D von a derart, daß
die Folge (f n ) auf D gleichmäßig gegen die konstante Funktion ≡ a konvergiert. Wir nennen
deshalb den Fixpunkt a attraktiv (anziehend), wenn |λ| < 1 gilt und super-attraktiv, wenn sogar
λ = 0 gilt. Offenbar gehört jeder attraktive Fixpunkt zur Fatoumenge von f .
Sei nun |λ| > 1. Die Abbildung g : C → C besitzt eine lokale holomorphe Umkehrfunktion h
mit h(0) = 0 und h0 (0) = 1/λ. Wie oben existiert ein r > 1 mit |h(w)| ≤ |w|/r für alle w einer
geeigneten Umgebung der 0 ∈ C, d.h. mit w = g(z) gilt |g(z)| ≥ r|z| für alle z eine geeigneten
Umgebung von 0 ∈ C. Wir nennen deshalb im Fall |λ| > 1 den Fixpunkt a abstoßend (repelling).
Jeder abstoßende Fixpunkt gehört zur Juliamenge.
Ist |λ| = 1, so heißt der Fixpunkt a neutral. Diese Situation ist wesentlich komplizierter, sie
führt insbesondere auf zahlentheoretische Eigenschaften von λ. Wir wollen diesen Fall nicht
weiter behandeln.
9.12 Definition. a ∈ C heißt ein periodischer Punkt von f , wenn ein n ≥ 1 mit f n (a) = a
existiert, wenn also a Fixpunkt einer geeigneten Iterierten f n ist. Das minimale n mit dieser
Eigenschaft heißt die Periode von a.
Ist a ein periodischer Punkt von f der Periode n, so besteht der Vorwärtsorbit F(a) genau
aus den n verschiedenen Punkten a0 , a1 , . . . , an−1 , wobei ak := f k (a) gesetzt sei. Der Eigenwert
λ des Fixpunktes a von f n heißt auch Eigenwert des periodischen Punktes a von f . Offenbar
stimmen alle Eigenwerte in den Punkten a0 , . . . , an−1 überein, denn nach Konjugation von f
mit einer geeigneten Möbiustransformation dürfen wir F(a) ⊂ C annehmen und dann gilt mit
Qn−1
der Kettenregel λ = k=0 f 0 (ak ). Wir nennen den periodischen Punkt a (super-)attraktiv,
neutral oder abstoßend, wenn a als Fixpunkt von f n diese Eigenschaft hat. Offenbar gehört
jeder abstoßende periodische Punkt von f zur Juliamenge von f . Ohne Beweis zitieren wir vergl. [1] p. 113
9.13 Satz. Hat f einen Grad ≥ 2, so ist die zugehörige Juliamenge die abgeschlossene Hülle
der Menge aller abstoßenden periodischen Punkte von f .
Die Aussage von Satz 9.13 kann geometrisch auf suggestive Weise auch so formuliert werden,
daß die Juliamenge in jedem Punkt a einer dichten Teilmenge von J selbstähnlich in folgendem
Sinne ist: “Wird eine kleine Umgebung von a ∈ J durch eine Vergrößerungslupe angeschaut,
SATZ
Funktionentheorie
45
sieht man im wesentlichen das gleiche wie zuvor”, genauer: Ist a ein abstoßender periodischer
Punkt von f und g = f n mit g(a) = a, so gilt g(J) = J, und g sieht um a ungefähr so aus wie
die Drehstreckung z 7→ λz um 0 ∈ C für ein λ mit |λ| > 1.
Wir wollen noch eine weitere Darstellung der Juliamenge geben, die den Vorteil hat, unmittelbar einen einfachen Algorithmus zur Generierung von Computerbildern
zu liefern, vergl.
¡
¢
9.18. Dazu betrachten wir für jede offene Teilmenge U ⊂ C\ F ∩ Fix(f 2 ) mit U ∩ J 6= ∅ die
Menge
EU : = C\F(U ) ,
die wegen 9.6 höchstens 2 Punkte enthalten kann.
9.14 Lemma. EU ist stets in der Fatoumenge F enthalten. Ist EU 6= ∅ für mindestens ein U ,
so sind nur die beiden folgenden Fälle möglich:
(i) EU = {a} mit f −1 (a) = {a}. Insbesondere ist dann f konjugiert zu einem Polynom.
(ii) f ist konjugiert zu g(z) = z ±d mit d ≥ 2.
Beweis. Aus der Definition folgt unmittelbar f −1 (EU ) ⊂ EU . Da f surjektiv und EU endlich
ist, muß sogar f −1 (EU ) = EU gelten. Enthält EU genau einen Punkt, so gilt folglich Fall (i)
(vergleiche 9.2.i). Andernfalls dürfen wir EU = {0, ∞} annehmen. Wegen 9.2.ii kann dann f
nur einen Grad d ≥ 2 haben. Gilt f (0) = 0, f (∞) = ∞, so hat f genau eine Pol- und genau
eine Nullstelle, d.h. f (z) = cz d , und man darf oBdA c = 1 annehmen. Der verbleibende Fall
f (0) = ∞, f (∞) = 0 ergibt sich analog. Die Inklusion EU ⊂ F ist im Fall d = 1 eine direkte
Konsequenz von 9.2.ii. Im Fall d ≥ 2 ist jeder Punkt von EU ein super-attraktiver periodischer
Punkt von f und somit in F enthalten.
u
t
9.15 Folgerung. EU hängt nicht von U ab. Wir können also E statt EU schreiben (im Fall
J = ∅ sei E := ∅). Die Punkte von E heißen exzeptionelle Punkte von f .
Beweis. Wegen EU ⊂ F ∩Fix(f 2 ) gilt die Inklusion V ⊂ F(U ) für alle EV . Also gilt F(V ) ⊂ F(U )
und damit EV ⊃ EU . Vertauschen der Rolle von U und V ergibt EU ⊃ EV .
u
t
9.16 Folgerung. Besitzt die Juliamenge J einen inneren Punkt, so gilt J = C.
Beweis. Sei U ⊂ C eine nicht leere offene Teilmenge mit U ⊂ J. Dann gilt wegen f (J) = J
auch F(U ) ⊂ J und somit C\EU ⊂ J. Da EU endlich und J abgeschlossen in C ist, folgt die
Behauptung.
u
t
RULP
NIAB
INNP
Daß der Fall J = C vorkommen kann, zeigt
9.17 Übungsaufgabe. Es sei Ω ⊂ C ein Gitter, T := TΩ der zugehörige komplexe Torus und
g : T → T die durch (z + Ω) 7→ (2z + Ω) definierte holomorphe Abbildung. Ferner sei ℘ : T → C
die zugehörige Weierstraßsche ℘-Funktion. Man zeige:
(i) Es gibt genau eine Abbildung f : C → C mit ℘ ◦ g = f ◦ ℘.
(ii) Die Abbildung f ist stetig.
(iii) f ist holomorph und hat Grad (= Blätterzahl) 4.
(iv) ∞ ist ein Fixpunkt von f , dessen Rückwärtsorbit dicht in C liegt.
(v) Der Eigenwert von f im Fixpunkt ∞ ist 4.
(vi) C ist die Juliamenge von f .
Als weitere Folgerung erhalten wir
9.18 Satz. Für jedes a ∈ C\E ist die Juliamenge J in der abgeschlossenen Hülle des Rückwärtsorbits F −1 (a) enthalten. Für jedes a ∈ J gilt sogar die Gleichheit, d.h. J = F −1 (a).
Beweis. Sei a ∈
/ E und b ∈ J beliebig. Zu jeder Umgebung U von b existiert ein n mit a ∈ f n (U ),
n −1
d.h. (f ) (a) ∩ U 6= ∅ und somit J ⊂ F −1 (a). Ist a ∈ J, so folgt die Behauptung wegen
J = f −1 (J) abgeschlossen.
u
t
RUEK
46
Funktionentheorie
9.19 Folgerung. Ist K ⊂ J eine nicht-leere, abgeschlossene Teilmenge mit f −1 (K) ⊂ K, so
gilt K = J.
RTRT
Daß nicht beliebige kompakte Teilmengen von C als Juliamengen auftreten können, zeigt
schon 9.16. Es gibt aber noch weitere Einschränkungen
9.20 Satz. Besitzt f einen Grad ≥ 2, so enthält die Juliamenge J keinen isolierten Punkt (ist
also insbesondere überabzählbar).
Beweis. Sei a ∈ J ein festgewählter Punkt und U eine Umgebung von a. Wir behaupten, daß
ein b ∈ J mit a ∈ F(b) und b ∈
/ F(a) existiert: Ist a nicht periodisch, so kann jedes b ∈ f −1 (a)
dafür gewählt werden. Ist dagegen a periodisch mit der Periode n, betrachten wir die Abbildung
g := f n vom Grad dn ≥ 2. Wäre dann g −1 (a) = {a}, wäre g zu einem Polynom konjugiert
und a ein super-attraktiver periodischer Punkt von f im Gegensatz zur Voraussetzung a ∈ J.
Folglich muß ein b ∈ g −1 (a) existieren mit b 6= a, und die Behauptung ist klar. Sei E die ihn 9.15
definierte Menge. Wegen f (E) = E gilt in jedem Fall b ∈
/ E und somit insbesondere b ∈ F(U ),
d.h. es existiert ein c ∈ U und ein k ∈ IN mit f k (c) = b. Wegen J = f −1 (J) gilt c ∈ J, und
wegen b ∈
/ F(a) gilt c 6= a. Also liegen unendlich viele Punkte von J in der Umgebung U von
a.
u
t
Für jedes f sind die Juliamenge J und die Fatoumenge F invariant unter f . Wir wollen ein
wenig die Dynamik der Einschränkung f : F → F studieren, die offensichtlich auch eigentlich
ist. Ist Z eine Zusammenhangskomponente von F , so ist insbesondere Z offen und abgeschlossen bezüglich F . Das Bild f (Z) ⊂ F hat die gleiche Eigenschaft und ist deshalb ebenfalls eine
Zusammenhangskomponente von F . Bezeichnen wir also mit F die Menge aller Zusammenhangskomponenten von F , so induziert f in natürlicher Weise eine Selbstabbildung f : F → F ,
deren Dynamik wichtige Informationen über die Dynamik von f enthält.
9.21 Definition. Für jeden attraktiven Fixpunkt a von f heißt
W (a) := {c ∈ C : lim f n (c) = a}
n→∞
der Attraktionsbereich von a. Die a-Zusammenhangskomponente A(a) von W (a) heißt das Attraktionsgebiet von a.
Man macht sich sofort klar, daß W (a) die größte offene Teilmenge von F ist, auf der die
Iteriertenfolge (f n ) kompakt gegen die konstante Abbildung ≡ a konvergiert. Insbesondere ist
W (a) eine Vereinigung gewisser Zusammenhangskomponenten von F . Eine weitere Charakterisierung der Juliamenge erhalten wir in gewissen Fällen wie folgt
9.22 Satz. Für jeden attraktiven Fixpunkt a von f gilt für die Ränder von A(a) und W (a) in
C: ∂A(a) ⊂ ∂W (a) = J.
Beweis. ∂A(a) ⊂ ∂W (a) ⊂ J sind abgeschlossene, nicht-leere Teilmengen. Die Behauptung folgt
aus 9.18 und aus der Konsequenz f −1 (∂W (a)) = ∂W (a) von f −1 (W (a)) = W (a).
u
t
Wir wollen zum Schluß den Spezialfall genauer behandeln, daß f ein Polynom (vom Grad
d ≥ 2) ist. Dann ist a = ∞ ein super-attraktiver Fixpunkt, f : A(∞) → A(∞) ist eigentlich,
und es gilt
9.23 Bemerkung. A(∞) = W (∞). Insbesondere ist ∂A(∞) die Juliamenge von f .
Beweis. Sei Z eine Zusammenhangskomponente von W (∞). Ist w ∈ Z fest gewählt, so existiert
wegen lim f n (w) = ∞ ein n mit f n (w) ∈ A(∞). Folglich gilt f n (Z) = A(∞), und insbesondere
existiert ein c ∈ Z mit f n (c) = ∞. Da f n ein Polynom ist, gilt c = ∞, d.h. Z = A(∞).
u
t
Zum Schluß des Abschnitts soll noch kurz auf die Visualisierung von Juliamengen eingegangen werden. Dazu sei im folgenden f (z) = z 2 + c für ein festes c ∈ C und J ⊂ C die zugehörige
Juliamenge. Zur Generierung von Computerbildern sollte zunächst die ungefähre Lage von J
bekannt sein. Eine erste Abschätzung wird gegeben durch
ATTR
47
Funktionentheorie
n
9.24 Übungsaufgabe. J ⊂ z ∈ C : |z| ≤
1
2(
o
1 + 4|c| + 1) .
p
Um nun Satz 9.18 anwenden zu können, brauchen wir zunächst einen Startwert a ∈ J.
Wegen 9.3.iv kann als a stets der betragsgrößte Fixpunkt von f genommen werden, was auf das
Lösen einer quadratischen Gleichung hinausläuft. Definieren wir sodann induktiv die Teilmengen
Mn ⊂ J durch
M0 := {a} und Mn+1 := f −1 (Mn ) ,
erhalten wir wegen 9.18 mit der Vereinigung aller Mn eine in J dichte Teilmenge. Man wird
also für eine Bilddarstellung die endliche Punktmenge ∪kn=0 Mn berechnen und zeichnen, wobei
k ‘möglichst groß’ ist. Es ist zu erwarten, daß jede der Mengen Mn nicht wesentlich weniger als
2n Elemente enthält, so daß auf diese Weise nicht allzugroße Werte von k realistisch sind. Hinzu
kommt, daß i.a. die Mengen Mn in keiner Weise gleichverteilt in J sind, so daß die entstehenden
Bilder nicht viel von der wahren Natur der Juliamenge zeigen.
Eine wesentliche Verbesserung kann man schon durch eine geringe Modifikation des Verfahrens erzielen. Die einfache Überlegung ist dabei, daß Punkte aus der weiteren Betrachtung
ausgeschlossen werden, die nahe genug an bereits früher aufgetretenen Punkten liegen. Die folgenden Andeutungen dürften genügen: Man wähle zunächst eine komplexe Zahl x0 + iy0 , ein
δ > 0 (die Bildauflösung) und natürliche Zahlen n, m so, daß J in dem offenen achsenparallelen Rechteck mit linker unterer Ecke x0 + iy0 und rechter oberer Ecke xn + iym liegt, wobei
xj := x0 + jδ und yk := y0 + kδ. Für alle 1 ≤ j ≤ n und 1 ≤ k ≤ m betrachte man das
halboffene Quadrat Qjk := {x + iy ∈ C : xj−1 < x ≤ xj , yk−1 < y ≤ yk } und definiere die
n×m–Matrix q = (qjk ) durch qjk = 1 falls Qjk ∩ J 6= ∅ und qjk = 0 sonst. Mit der Kenntnis der
Matrix q kann dann ein Bild dadurch erzeugt werden, daß Qjk schwarz eingefärbt wird genau
dann, wenn qjk = 1 gilt. Es wird somit darum gehen, die Matrix q (möglichst genau) iterativ zu
erzeugen. Dazu verschaffe man sich Speicherplätze S1 , S2 , S3 , . . ., in denen jeweils eine komplexe
Zahl (etwa als Paar reeller Zahlen) zwischengespeichert werden kann.
Zu Beginn des Verfahrens wird nun q als die Null-Matrix angesetzt und der Startwert a ∈ J
in den Speicherplatz S1 geschrieben. Ist a ∈ Qjk , so wird für dieses Indexpaar qjk = 1 gesetzt.
Anschließend ist S2 die nächste Schreib- und S1 die nächste Leseposition. Der Iterationsschritt
sieht dann jeweils wie folgt aus: An der nächsten Leseposition wird die √
dort gespeicherte komplexe Zahl b ausgelesen. Sodann wird für jedes der beiden f -Urbilder ± b − c dasjenige Quadrat
Qjk bestimmt, in dem es liegt, und ob qjk = 0 gilt. Trifft das zu, wird qjk = 1 gesetzt und
das entsprechende Urbild in den Speicher geschrieben. Zu Beginn entsprechen jeweils einer Leseoperation zwei Schreiboperationen, später wird es dagegen zunehmend unwahrscheinlicher,
noch nicht besuchte Quadrate Qjk zu finden. Das Verfahren kommt somit nach endlich vielen
Schritten dadurch zum Stillstand, daß nichts mehr zum Lesen gespeichert ist. In einem realen
Rechner kann natürlich nicht eine unendliche Folge (Sn ) verschiedener Speicherplätze reserviert
werden. Man sollte also den Index n modulo einer geeigneten großen Zahl N laufen lassen (man
hat dann einen Ring von Speicherplätzen, auf dem Schreib- und Lesezeiger im Kreis laufen und
sich auch durchaus überholen können). Dann muß man allerdings nach jeder Leseoperation den
jeweiligen Speicherplatz mit einem unsinningen Eintrag belegen, damit der Lesezeiger jeweils
erkennen kann, ob es noch etwas Neues zu lesen gibt.
Für alle z ∈ J gilt wegen f (−z) = f (z) ∈ J auch −z ∈ J, d.h. J ist punktsymmetrisch zum
Ursprung. Durch Ausnutzen dieser Symmetrie kann z.B. der Aufwand des obigen Verfahrens
halbiert werden.
10. Mehrdeutige Funktionen
√
Bekanntlich kann z.B. auf C∗ die Funktion f (z) = z nicht sinnvoll als holomorphe Funktion
definiert werden. Man könnte die Schwierigkeiten umgehen, wenn f als mengenwertige Funktion
betrachtet würde (genauer als Funktion mit Werten in der Menge aller Teilmengen von C,
48
Funktionentheorie
d.h. der Potenzmenge von C). Wir wollen einen anderen Weg gehen, indem wir die möglichen
Definitionsbereiche
holomorpher und meromorpher Funktionen allgemeiner fassen. Im Falle von
√
z etwa hätte man jedes Argument z ∈ C∗ doppelt zu zählen und käme so zu einer eindeutigen
Funktion, etwa nach folgendem
Schema: Auf der negativ geschlitzten Ebene C\[−∞, 0] existieren
√
genau 2 Zweige f1 , f2 von z, die dort holomorph sind und sich um den Faktor −1 unterscheiden.
Werden somit 2 Exemplare der negativ geschlitzten Ebene längs [−∞, 0] ‘kreuzweise verheftet’,
erhält man einen topologischen Raum X zusammen mit einer Projektion τ : X → C, wobei 0,√∞
genau ein Urbild und jedes z ∈ C∗ genau 2 Urbilder bezüglich τ hat. Die Funktion f (z) = z
kann dann als eindeutige Funktion auf X aufgefaßt werden. Etwas präziser kann X auch erhalten
werden in der folgenden Form: Sei mit der Festsetzung ∞2 :=: ∞
X := {(z, w) ∈ C × C : w2 = z}
und τ (z, w) = z, f (z, w) = w. Dann hat jedes z ∈ C∗ genau 2 τ -Urbilder, in denen f genau die
beiden Wurzeln von z annimmt. Die Punkte 0, ∞ haben genau ein Urbild, in denen f den Wert
0 bzw. ∞ annimmt. Offenbar ist f stetig auf X.
10.1 Definition. Das Paar (X, τ ) heißt ein (verzweigter) Bereich über C, wenn gilt
(i) X 6= ∅ ist ein hausdorffscher topologischer Raum,
(ii) τ : X → C ist eine stetige Abbildung,
(iii) zu jedem a ∈ X existiert ein kommutatives Diagramm
ϕ
U −−−−−→
∆



q
yτ
y
ψ
V −−−−−→
∆,
wobei U ⊂ X eine Umgebung von a, V ⊂ C eine Umgebung von τ (a), ϕ und ψ Homöomorphismen mit ϕ(a) = ψ(τ a) = 0, sowie q(z) ≡ z k für ein k ≥ 1 sind.
Ist X zusammenhängend, so heißt (X, τ ) auch ein (verzweigtes) Gebiet über C. Ist k = 1 für
jedes a ∈ X in (iii), so heißt X unverzweigt. Statt (X, τ ) schreiben wir häufig auch kürzer X,
wenn klar ist, welche Abbildung τ gemeint ist.
Ist (X, τ ) Bereich über C, so ist für jedes z ∈ C das Urbild τ −1 (z) diskret in X. Ebenso
ist der Verzweigungsort A von τ (d.h. die Menge aller a ∈ X, so daß die Einschränkung auf
keine Umgebung von a injektiv ist) diskret in X, und die Abbildung τ : X\A → C ist lokaltopologisch. Als topologischer Raum ist X eine 2-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit
(auch topologische Fläche genannt), d.h. jeder Punkt in X besitzt eine Umgebung, die topologisch äquivalent zu einer offenen Teilmenge des IR2 ist. Die Abbildung τ ist stetig und offen.
Insbesondere ist das Bild τ (X) offen in C. Der Bereich (X, τ ) über C heißt schlicht, wenn τ
injektiv ist – das ist offenbar genau dann der Fall, wenn τ : X → τ (X) ein Homöomorphismus
ist. Insbesondere ist für jeden Bereich X ⊂ C und τ : X → C die kanonische Einbettung das
Paar (X, τ ) ein schlichter Bereich über C.
10.2 Beispiel.
(i) Ist U ⊂ C offen und τ : U → C eine offene holomorphe Abbildung, so ist (U, τ ) ein Bereich
über C.
(ii) Ist (X, τ ) ein Bereich über C und Y ⊂ X offen und nicht leer, so ist auch (Y, σ) für σ = τ |Y
ein Bereich über C.
(iii) Ist Ω ⊂ C ein Gitter, T = C/Ω der zugehörige komplexe Torus und ℘ die zugehörige
Weierstraßsche ℘-Funktion, so ist (T, ℘) ein kompaktes Gebiet über C.
Wir wollen im folgenden den Begriff der holomorphen bzw. meromorphen Funktion auf
Bereiche über C ausdehnen:
49
Funktionentheorie
10.3 Definition. Es sei X = (X, τ ) ein Bereich über C. Dann heißt eine stetige Abbildung
f : X → C eine meromorphe Funktion auf X, wenn für jedes offene U ⊂ C und jeden stetigen
Schnitt σ : U → X (d.h. τ ◦ σ = idU ) die Funktion f ◦ σ : U → C im bisherigen Sinne meromorph
ist. f heißt holomorphe Funktion, wenn f meromorphe Funktion ist und die Polstellenmenge
Pf := f −1 (∞) leer ist.
MERO
Zum Beispiel ist für jeden Bereich (X, τ ) die Abbildung τ eine meromorphe Funktion auf X.
Der Raum M(X) aller meromorphen Funktionen auf X bildet in natürlicher Weise einen
Ring, der den Raum H(X) aller holomorphen Funktionen auf X als Unterring enthält. M(X)
ist sogar ein Körper, wenn X zusammenhängt. Viele Sätze der Funktionentheorie (wie z.B. der
Identitätssatz, das Maximumprinzip, der Montelsche Satz) gelten auch für Bereiche über C und
Begriffsbildungen wie Nullstellenordnung, Verzweigungsordnung usw. können in naheliegender
Weise auf den allgemeineren Fall übertragen werden.
10.4 Definition. Ein Tripel F = (X, τ, f ) heißt eine mehrdeutige meromorphe (holomorphe)
Funktion, wenn (X, τ ) ein Gebiet über C und f eine meromorphe (holomorphe) Funktion auf
X ist.
Ist F = (X, τ, f ) eine mehrdeutige Funktion, so sei F (z) := f (τ −1 (z)) ⊂ C für jedes z ∈ C
(kann leer sein). In diesem Sinn kann F als Abbildung F : C → P(C) (= Potenzmenge von
C) interpretiert werden. Man kann sich überlegen, daß das Gebiet X über C stets abzählbare
Topologie hat und die Menge F (z) ⊂ C folglich höchstens abzählbar ist. Wir benötigen diese
Aussage jedoch im folgenden nicht weiter.
10.5 Beispiel.
(i) F = (C, q, id) für q(z) = z 2 kann als die mehrdeutige Funktion F (z) =
werden. Für alle y, z ∈ C mit z = y 2 gilt F (z) = {±y}.
√
z angesehen
(ii) F = (C, exp, id) kann als die mehrdeutige Funktion F (z) = log z angesehen werden.
(iii) Ist allgemeiner U ein Gebiet in C und g eine nicht konstante, meromorphe Funktion auf U ,
so kann die mehrdeutige Funktion F = (U, g, id) als die mehrdeutige Umkehrfunktion von
g angesehen werden.
Daß Definition 10.4 mit dem bisherigen Begriff von meromorphen Funktionen verträglich
ist, zeigt:
10.6 Übungsaufgabe. Sei U ⊂ C ein Gebiet, τ : U → C eine nicht-konstante holomorphe
Abbildung und f : U → C eine beliebige Abbildung. Dann sind äquivalent
(i) (U, τ, f ) ist eine mehrdeutige meromorphe Funktion auf C
(ii) f ist eine meromorphe Funktion auf U .
10.7 Übungsaufgabe. Man stelle die mehrdeutige Funktion
q
F (z) =
√
3
z−1
explizit in der Form F = (X, τ, f ) dar, wobei f : X → C biholomorph ist. Was ist die Blätterzahl
b von τ (wenn diese als kleinstmöglich gewählt wird) und wo liegen die Verzweigungspunkte?
Man skizziere die Menge F ([0, ∞]) und markiere darin die Punkte von F (0) und F (1), wobei
[0, ∞] := {t ∈ IR : t ≥ 0} ∪ {∞}. Wie kann X durch geeignetes Aufschneiden von b Exemplaren
von C längs [0, ∞] und anschließendes Verheften (topologisch) gewonnen werden?
Ist X ein Bereich über C, so ist für jedes offene U ⊂ X im Ring C(U ) aller stetigen komplexwertigen Funktionen auf U der Unterring H(U ) aller holomorphen Funktionen ausgezeichnet
(im Fall U = ∅ sei C(U ) := H(U ) := {0}). Die Kollektion aller dieser H(U ) mit U ⊂ X offen
kann als die Struktur angesehen werden, die die funktionentheoretische Natur von X beinhaltet.
Wir wollen dieses formalisieren, dabei sei X ein beliebiger Hausdorffraum.
MEDE
50
Funktionentheorie
10.8 Definition. Eine Strukturgarbe auf X ist eine Vorschrift F, die jedem offenen U ⊂ X
einen Unterring F(U ) ⊂ C(U ) so S
zuordnet, daß für jede Familie (Ui )i∈I offener Teilmengen von
X und für jedes f ∈ C(U ), U := i∈I Ui , gilt:
f ∈ F(U ) ⇐⇒ f |Ui ∈ F(Ui ) für alle
i∈I .
10.9 Definition. Ist F eine Strukturgarbe auf X, so heißt das Paar (X, F) ein geringter Raum.
Ein Morphismus geringter Räume (X, F) → (Y, G) ist eine stetige Abbildung ϕ : X → Y so,
daß für jedes offene V ⊂ Y und jedes g ∈ G(V ) die zurückgeliftete Funktion f := g ◦ ϕ|U ∈ C(U )
schon in F(U ) liegt, wobei U := ϕ−1 (V ).
Offenbar kann H für jeden Bereich (X, τ ) über C als Strukturgarbe angesehen werden, die
sogenannte holomorphe Strukturgarbe. In diesem Sinne mögen im folgenden alle Bereiche über
C (und damit insbesondere auch alle offenen Teilmengen in C) als geringte Räume aufgefaßt
werden. Man überlegt sich dann für beliebige offene Teilmengen U, V ⊂ C sofort: Die Abbildung
ϕ : U → V ist genau dann holomorph, wenn sie ein Morphismus geringter Räume ist.
10.10 Übungsaufgabe. Es sei X ein Bereich über C. Dann besitzt jedes a ∈ X eine offene
Umgebung U ⊂ X, die als geringter Raum isomorph zu ∆ ⊂ C ist.
Wir nehmen 10.10 als Anlaß für die folgende
10.11 Definition. Ein geringter Raum (X, H) heißt eine Riemannsche Fläche, wenn X zusammenhängend ist und wenn jedes a ∈ X eine offene Umgebung U ⊂ X besitzt, die als geringter
Raum zu ∆ ⊂ C isomorph ist. Holomorphe Abbildungen zwischen Riemannschen Flächen seien
genau die Morphismen geringter Räume.
Für jede Riemannsche Fläche X ist H(X) der Ring der holomorphen Funktionen und M(X)
der Körper der meromorphen Funktionen auf X (das sind die holomorphen Abbildungen f : X →
C die nicht ≡ ∞ sind). Offenbar sind die Gebiete (X, τ ) über C genau die Riemannschen Flächen
X mit ausgezeichneter nicht-konstanter meromorpher Funktion τ ∈ M(X). Man kann zeigen:
Zu jeder Riemannschen Fläche X und je zwei Punkten a 6= b in X existiert ein f ∈ M(X) mit
f (a) 6= f (b) (man sagt, X ist meromorph separabel – vergl. Kap. 11). Insbesondere kann damit
jede Riemannsche Fläche X als Gebiet (X, τ ) über C realisiert werden. Statt ‘Gebiet über C’
sagt man deshalb auch konkrete Riemannsche Fläche.
Für die zusammenhängende topologische Fläche S heißt jede Strukturgarbe F auf S, für
die das Paar X = (S, F) eine Riemannsche Fläche ist, eine komplexe Struktur auf S (‘holomorphe Struktur’ wäre als Bezeichnung verständlicher, ‘komplexe Struktur’ hat sich jedoch
eingebürgert). Es ist nicht schwer zu zeigen: Existiert auf S eine komplexe Struktur, so ist die
Fläche S orientierbar. Das Möbiusband besitzt also z.B. überhaupt keine komplexe Struktur.
Zwei komplexe Strukturen F und F 0 auf S heißen äquivalent oder auch isomorph, wenn die Riemannschen Flächen (S, F) und (S, F 0 ) biholomorph äquivalent sind, wenn also ein Homöomorphismus ϕ : S → S existiert, der ein Isomorphismus geringter Räume (S, F) → (S, F 0 ) ist.
10.12 Übungsaufgabe.
(i) Es sei D ⊂ C ein einfach-zusammenhängendes Gebiet mit der kanonischen komplexen Struktur H. Für jede offene Teilmenge U ⊂ D sei F(U ) = {f : f ∈ H(U )}. Dann sind F, H
isomorphe komplexe Strukturen auf D, die aber verschieden sind.
(ii) Man gebe zwei nicht-isomorphe komplexe Strukturen auf C an. Hinweis: C und ∆ sind
topologisch äquivalent.
(iii) Man gebe eine möglichst große Menge von paarweise nicht-isomorphen komplexen Strukturen auf C∗ an.
Gebiete über C liefern den geeigneten Rahmen, um Fragen nach der holomorphen (meromorphen) Fortsetzbarkeit von Funktionen auf möglichst große Definitionsgebiete zu behandeln.
Dazu benötigen wir zunächst den Begriff des Funktionskeims:
NEHE
51
Funktionentheorie
Es sei im folgenden a ∈ C ein fest gewählter Punkt U
und U die Menge aller offenen Umgebungen U ⊂ C von a. Auf der disjunkten Vereinigung U ∈U H(U ) führen wir die folgende
Äquivalenzrelation ∼ ein: Für f ∈ H(U ) und g ∈ H(V ) gelte f ∼ g genau dann, wenn ein W ∈ U
mit W ⊂ U ∩ V und f |W = g|W existiert. Die Menge aller Äquivalenzklassen werde mit Oa
bezeichnet (hängt natürlich vom zu Beginn gewählten Punkt a ab). Die Elemente von Oa heißen
holomorphe Funktionskeime im Punkt a. Für jede offene Umgebung U des Punktes a und jede
holomorphe Funktion f ∈ H(U ) sei fa ∈ Oa der von f in a induzierte Funktionskeim (d.h. die
Äquivalenzklasse, in der f liegt). Sind nun p, q ∈ Oa beliebige Funktionskeime in a, so existieren Darstellungen p = fa und q = ga mit Repräsentanten f, g, die als holomorphe Funktionen
gleichen Definitionsbereich haben. Wir können deshalb Verknüpfungen p + q := (f + g)a und
pq := (f g)a definieren, die offensichtlich unabhängig von der Auswahl der Repräsentanten sind.
Mit diesen Verknüpfungen wird Oa zu einem (kommutativen) Ring, der den Konstantenkörper
C als Unterring enthält (jede komplexe Zahl c werde mit dem Keim in a der konstanten Funktion
≡ c identifiziert). Als Ring ist Oa isomorph zum Ring Chhzii aller konvergenten Potenzreihen
über C, allerdings existiert kein kanonischer Isomorphismus. In der folgenden Weise kann man
Isomorphismen erhalten: Wähle eine offene Umgebung V von a und eine biholomorphe Abbildung ϕ von V auf eine offene Umgebung von 0 ∈ C. Jede konvergente Potenzreihe aus Chhzii
stellt dann auf einer gewissen Umgebung W ⊂ ϕ(V ) von 0 eine holomorphe Funktion f dar, und
durch f 7→ (f ◦ ϕ)a wird ein Ringisomorphismus Chhzii → Oa definiert. Für jeden Keim q = fa
kann der Wert q(a) := f (a) unabhängig von der Auswahl des Repräsentanten definiert werden,
und wir erhalten somit durch q 7→ ε(q) := q(a) einen Ringhomomorphismus ε : Oa → C, den
wir auch Auswertungsabbildung nennen wollen. Man überzeugt sich leicht, daß der Kern von
ε genau aus den Nichteinheiten von Oa besteht und folglich auch das einzige maximale Ideal
dieses Ringes ist; wir wollen darauf nicht weiter eingehen.
Mit O sei im folgenden die disjunkte Vereinigung aller Ringe Oa bezeichnet, wobei a alle
Punkte von C durchläuft. Mit π werde die durch π −1 (a) = Oa definierte Abbildung π : O → C
bezeichnet (für jeden Keim q ∈ O werde a := π(q) ∈ C auch der zugehörige Fußpunkt genannt).
O hat keine algebraische Struktur (zwei Keime können nur dann mit + oder · verknüpft werden,
wenn sie gleichen Fußpunkt haben – wenn sie also gemeinsam in einem der Ringe Oa liegen)
dafür jedoch eine topologische Struktur, die wir gleich einführen wollen: Dazu werde für jedes
offene U ⊂ C und jedes f ∈ H(U )
[f ] := {fa : a ∈ U } ⊂ O
gesetzt. O sei mit der gröbsten Topologie versehen, für die alle Teilmengen der Form [f ] offen
sind.
10.13 Lemma. (O, π) ist ein unverzweigter Bereich über C, und die Auswertungsabbildung
ε : O → C ist eine holomorphe Funktion auf O.
Beweis. Aus der Definition der Topologie folgt sofort, daß π : O → C lokal-topologisch ist. Wir
müssen zeigen, daß O hausdorffsch ist: Seien p, q ∈ O Keime, die nicht durch Umgebungen in O
getrennt werden können. Da π stetig ist, haben p, q gleichen Fußpunkt a ∈ C. Für eine geeignete
offene, zusammenhängende Umgebung U von a existieren Repräsentanten f, g ∈ H(U ), d.h.
p = fa und q = ga . Wegen [f ] ∩ [g] 6= ∅ existiert ein b ∈ U mit fb = gb , d.h. es existiert eine
Umgebung W ⊂ U von b mit f |W = g|W . Dann muß aber f = g nach dem Identitätssatz gelten,
d.h. p = q. Für jedes f ∈ H(U ) mit U ⊂ C offen definiert σ(a) := fa einen stetigen Schnitt
σ : U → O mit ε ◦ σ = f , d.h. ε ist holomorph auf O.
u
t
Ist U ⊂ C ein Gebiet und f ∈ H(U ) eine auf U holomorphe Funktion, so ist [f ] ⊂ O
zusammenhängend, und es existiert genau eine Zusammenhangskomponente X von O, die [f ]
enthält. Für τ := π|X und g := ε|X ist dann G := (X, τ, g) eine mehrdeutige Funktion, die
die Ausgangsfunktion f in einem gewissen Sinne maximal auf unverzweigte Bereiche fortsetzt z.B. überlegt man sich sofort: Für jedes a ∈ C ist G(a) ⊂ C die Teilmenge aller Funktionswerte
in a, die vermöge holomorpher Fortsetzung von f längs Kurven gewonnen werden können, die
52
Funktionentheorie
U mit a verbinden. Da O weder Polstellen noch Verzweigungspunkten Rechnung trägt, wollen
wir den Raum O verallgemeinern: Zunächst ist klar, daß die obige Konstruktion von Oa und O
in gleicher Weise funktioniert, wenn überall ‘holomorph’ durch ‘meromorph’ ersetzt wird. Auf
diese Weise gelangt man zum Ring Ma der meromorphen Funktionskeime in a ∈ C, der Oa als
Unterring enthält. Ma ist sogar ein Körper, und es gilt Ma = {p/q : p, q ∈ Oa und q 6= 0}
(d.h. Ma ist der Quotientenkörper von Oa ). Die disjunkte Vereinigung M aller Ma , a ∈ C,
kann wie zuvor topologisiert werden und stellt vermöge der Fußpunktabbildung π : M → C
wieder einen unverzweigten Bereich über C dar. Die Auswertungsabbildung ε : M → C ist jetzt
eine meromorphe Funktion auf M. Der Unterraum O ⊂ M ist offen und M\O ist gerade die
Polstellenmenge von ε.
Um auch Verzweigungspunkte behandeln zu können, müssen wir den Begriff der Funktionskeime noch allgemeiner fassen: Sei a ∈ C fest und Φa die Klasse aller mehrdeutigen Funktionen
F = (X, τ, f ) über C mit den beiden Eigenschaften
(i) τ : X → τ (X) ist eigentlich und
(ii) τ −1 (a) besteht aus genau einem Element.
Zwei Funktionen F, G ∈ Φa heißen äquivalent, und wir schreiben F ∼ G, wenn eine Umgebung
U von a mit F (z) = G(z) für alle z ∈ U existiert. Die Elemente von Aa := Φa / ∼ heißen
algebroide Funktionskeime in a. Offenbar kann Ma in natürlicher Weise als Teilmenge von Aa
aufgefaßt werden (die Verknüpfungen + und · können allerdings nicht sinnvoll auf Aa fortgesetzt
werden). Sei A die disjunkte Vereinigung aller Aa und sei die Fußpunktabbildung π : A → C
wieder durch π(Aa ) = {a} definiert. Ist F = (X, τ, f ) eine beliebige mehrdeutige Funktion über
C und x ∈ X ein Punkt, so existiert eine offene, zusammenhängende Umgebung Y ⊂ X von
x mit F |Y := (Y, τ |Y, f |Y ) ∈ Φa für a := τ (x) ∈ C. Wir bezeichnen mit Fx ∈ Aa die zu F |Y
gehörige Restklasse. A werde mit der gröbsten Topologie versehen derart, daß alle Teilmengen
der Form [F ] := {Fx : x ∈ X} offen in A sind, wobei F = (X, τ, f ) alle mehrdeutigen Funktionen
über C durchläuft. Ohne Schwierigkeiten zeigt man, wobei die Auswertungsabbildung ε : A → C
in naheliegender Weise eingeführt sei:
10.14 Lemma. (A, π) ist ein verzweigter Bereich über C und ε : A → C ist meromorph. M
ist offen in A, und A\M ist der Verzweigungsort von π.
Sei q ∈ M ein meromorpher Funktionskeim und X diejenige Zusammenhangskomponente
von A, die q enthält. Für τ := π|X und f := ε|X ist dann F := (X, τ, f ) eine mehrdeutige
Funktion mit Fq = q. Ist umgekehrt G = (Y, σ, g) eine beliebige mehrdeutige Funktion mit
Gy0 = q für ein y0 ∈ Y , so definiert ϕ(y) := Gy eine stetige Abbildung ϕ : Y → A mit
ϕ(y0 ) ∈ X, d.h. ϕ(Y ) ⊂ X. Offenbar gilt σ = τ ◦ ϕ. Da g und f ◦ ϕ auf einer Umgebung von
y0 übereinstimmen, gilt g = f ◦ ϕ nach dem Identitätssatz. Insbesondere folgt G(z) ⊂ F (z)
für alle z ∈ C. Die mehrdeutige Funktion F kann somit als ‘Repräsentant von q mit größtem
Definitionsbereich’ angesehen werden.
Wir nennen (X, τ ) die zum meromorphen Funktionskeim q gehörende (konkrete) Riemannsche Fläche (manchmal auch analytisches Gebilde von q genannt). Die topologische Struktur von
X beinhaltet wichtige Informationen des Keimes q. Wir nennen den Keim q ∈ Ma algebraisch,
wenn eine offene Umgebung U ⊂ C von a, eine meromorphe Funktion f ∈ M(U ) mit fa = q
und ein Polynom
P (z, w) ∈ C[z, w]
in z, w so existiert, daß V := U \{a} ⊂ C, f holomorph auf V ist und
P (z, f (z)) = 0
für alle z ∈ V gilt. Zum Beispiel ist jeder Keim von
gilt nun
√
z algebraisch, von log z dagegen nicht. Es
53
Funktionentheorie
10.15 Satz. Der meromorphe Funktionskeim q ist algebraisch genau dann, wenn die zugehörige
Riemannsche Fläche X kompakt ist.
ALGB
Wir wollen den Beweis im nächsten Kapitel führen. Dazu merken wir an, daß statt Gebieten (mehrdeutigen Funktionen, usf.) über C allgemeiner solche über beliebigen Riemannschen
Flächen betrachtet werden können: Ein Gebiet über Y ist etwa ein Paar (X, τ ), wobei X eine
Riemannsche Fläche und τ : X → Y eine nicht-konstante holomorphe Abbildung ist.
11. Riemannsche Flächen und Funktionenkörper
Im folgenden seien X, Y stets (abstrakte) Riemannsche Flächen. M(X) sei der Körper der
meromorphen Funktionen auf X und H(X) der Unterring der holomorphen Funktionen. Wir
identifizieren C stets mit dem Unterkörper der konstanten Funktionen von M(X). Für jeden
Unterkörper K ⊂ M(X) und jedes f ∈ M(X) sei K(f ) ⊂ M(X) der kleinste Unterkörper, der
K und f enthält. Ebenso sei K[f ] der kleinste Unterring, der K und f enthält (= alle Polynome
in f mit Koeffizienten aus K). Sind K ⊂ L ⊂ M(X) Unterkörper, so heißt L Körpererweiterung von K vom Grad d = dimK L (L als K-Vektorraum aufgefaßt). Wir wollen im folgenden
nur Unterkörper betrachten, die C umfassen. Ebenso wollen wir auch nur solche Riemannsche
Flächen betrachten, die genügend viele meromorphe Funktionen besitzen, genauer
11.1 Definition. X heißt meromorph (bzw. holomorph) separabel, wenn für alle a 6= b in X
eine meromorphe (bzw. holomorphe) Funktion f auf X mit f (a) 6= f (b) existiert.
Man kann zeigen (nicht so einfach), daß jede Riemannsche Fläche X meromorph separabel
ist und daß X genau dann holomorph separabel ist, wenn X nicht kompakt ist (eine sogenannte
offene Riemannsche Fläche).
Unterkörper von M(X), die C enthalten, gewinnt man wie folgt: Sei ϕ : X → Y eine nichtkonstante holomorphe Abbildung und sei ϕ∗ : M(Y ) → M(X) durch ϕ∗ (f ) := f ◦ ϕ definiert.
Dann ist ϕ∗ die Identität auf C und ein Körperhomomorphismus, d.h. ϕ∗ ist ein Isomorphismus
auf den Unterkörper ϕ∗ (M(Y )) ⊂ M(X), den wir mit M(Y ) identifizieren können. In diesem
Sinne ist M(Y ) ⊂ M(X) ein Unterkörper (solange klar ist, welches ϕ gemeint ist).
Besonders einfach liegen die Verhältnisse, wenn ϕ : X → Y eine eigentlich holomorphe
Abbildung ist (stets als nicht-konstant vorausgesetzt). Die Verzweigungspunkte von ϕ (auch
kritische Punkte von ϕ genannt) bilden eine in X diskrete Teilmenge A, und wegen der Eigentlichkeit von ϕ ist dann auch B := ϕ(A) ⊂ Y (die Elemente von B heißen auch Verzweigungswerte
oder kritische Werte von ϕ) eine diskrete Teilmenge von Y . Es existiert ein b ≥ 1, so daß jedes
y ∈ Y \B genau b verschiedene ϕ-Urbilder besitzt. Die Zahl b heißt wieder die Blätterzahl (oder
auch Grad) der eigentlichen holomorphen Abbildung ϕ. Für die offenen Teilmengen U := X\A
und V := Y \B ist sogar ϕ : U → V eine b-blättrige Überlagerung im Sinne des Anhangs. Der
Blätterzahl b von ϕ entspricht algebraisch der Grad der zugehörigen Körpererweiterung, genauer
11.2 Satz. Ist ϕ : X → Y eine eigentliche holomorphe nicht-konstante Abbildung zwischen
Riemannschen Flächen mit der Blätterzahl b, so hat die durch ϕ gegebene Körpererweiterung
M(Y ) ⊂ M(X) den Grad ≤ b. Ist X meromorph separabel (gilt immer!), so gilt die Gleichheit.
KORP
Zum Beweis benötigen wir den folgenden
11.3 Hilfssatz. Sei ϕ : X → Y wie in 11.2 und sei V ⊂ Y eine offene Teilmenge mit den
beiden Eigenschaften: Y \V ist diskret in Y und ϕ : U → V ist eine b-blättrige Überlagerung für
U := ϕ−1 (V ). Sind dann f ∈ H(U ) und a0 , . . . , ab ∈ H(V ) vorgegeben mit
(∗)
b
X
k=0
ak (z)θk =
Y
(θ − f (w))
w∈ϕ−1 (z)
für alle z ∈ V (θ eine Unbestimmte), so sind äquivalent:
MEFO
54
Funktionentheorie
(i) f ist meromorph auf X fortsetzbar.
(ii) Alle a0 , . . . , ab sind meromorph auf Y fortsetzbar.
Beweis. (i) ⇒ (ii) Nach Voraussetzung ist B := Y \V diskret in Y . Sei nun ein z0 ∈ B gegeben.
Wegen ϕ−1 (z0 ) endlich und f ∈ M(X) existiert ein k ≥ 1 mit k + of (w) ≥ 0 für alle w ∈
ϕ−1 (z0 ). Wähle eine zusammenhängende offene Umgebung E ⊂ Y von z0 und ein h ∈ H(E)
mit E ∩ B = {z0 } und oh (z0 ) = k. Ist dann D := ϕ−1 (E) und q := h ◦ ϕ|D, so gilt q ∈ H(D)
und oq (w) ≥ k für alle w ∈ ϕ−1 (z0 ), d.h. p := q · f ∈ H(D). Wir dürfen zudem annehmen
(eventuell E verkleinern), daß p und q auf D beschränkt sind. Für alle z ∈ E mit z 6= z0 und
alle w ∈ ϕ−1 (z) gilt wegen q(w) = h(z) und (∗)
b
X
Y
h(z)b ak (z)θk =
k=0
(q(w)θ − p(w)) .
w∈ϕ−1 (z)
Da p, q auf D beschränkt sind, sind die Funktionen hb ak auf E\{z0 } beschränkt und folglich auf
E holomorph fortsetzbar, d.h. alle ak sind meromorph auf E fortsetzbar und damit insbesondere
nach z0 .
(ii) ⇒ (i) Wie im ersten Teil wähle z0 ∈ B := Y \V und eine offene, zusammenhängende
Umgebung E von z0 mit E ∩ B = {z0 } sowie ein h ∈ H(E) derart, daß hk := hb−k ak holomorph
auf E für alle k ist und |hk | ≤ 1/b für k < b (offenbar gilt hb ≡ 1). Dann gilt q := h ◦ ϕ|D ∈
H(D) für D := ϕ−1 (E), und es genügt zu zeigen, daß die auf D\ϕ−1 (z0 ) definierte holomorphe
Funktion p := qf beschränkt ist, denn dann ist sie wegen der Endlichkeit von ϕ−1 (z0 ) holomorph
auf D fortsetzbar, und f = p/q ist meromorph auf D. Nun gilt aber für alle z ∈ E\{z0 } und
alle w ∈ ϕ−1 (z)
b
b
X
X
k
b
hk (z)p(w) = h(z)
ak (z)f (w)k = 0
k=0
k=0
und damit |p(w)| ≤ 1: Denn wäre |α| > 1 für α = p(w), so würde wegen
b−1
b−1
¯X
¯ X
¯
k¯
|α| = ¯
hk (z)α ¯ ≤
|α|b−1 /b = |α|b−1
b
k=0
k=0
doch wieder |α| ≤ 1 folgen.
u
t
∗
Beweis von 11.2 Sei L = M(X) und K := ϕ (M(Y )) ⊂ L. Sei f ∈ L beliebig aber fest gegeben.
Dann existiert eine offene Teilmenge V ⊂ Y mit den folgenden Eigenschaften:
(i) Y \V ist diskret in Y ,
(ii) f ist holomorph auf U := ϕ−1 (V ),
(iii) ϕ : U → V ist b-blättrige Überlagerung.
Für k = 0, . . . , b und z ∈ V definiere ak (z) ∈ C durch die obige Formel (∗). Dann gilt ak ∈ H(V )
für alle k. Wegen 11.3 und f meromorph auf X gilt ak ∈ M(Y ), d.h. ck := ϕ∗ (ak ) ∈ K. Das
Polynom vom Grade b
b
X
ck θk ∈ K[θ]
P :=
k=0
erfüllt wegen (∗) die Beziehung P (f ) = 0 ∈ L. Da f ∈ L beliebig war, heißt das: K ⊂ L ist eine
Körpererweiterung vom Grade d ≤ b. Aus der Algebra zitieren wir, daß ein Element f ∈ L mit
L = K[f ] existiert (Satz von der einfachen Körpererweiterung) und weiter, daß ein normiertes
Polynom P ∈ K[θ] vom Grad d mit P (f ) = 0 existiert (das sogenannte Minimalpolynom von
f ; es ist das normierte Polynom kleinsten Grades mit P (f ) = 0). Es existiert ein a ∈ Y , in dem
55
Funktionentheorie
alle ck ∈ K ∼
= M(Y ) holomorph sind und so daß ϕ−1 (a) genau b Elemente enthält. Für jedes
−1
w ∈ ϕ (a) ist f (w) eine Nullstelle von
d
X
Q :=
ck (a)θk ∈ C[θ] .
k=0
Ist also X meromorph separabel, so muß f wegen L = K[f ] in allen Punkten von ϕ−1 (a)
verschiedene Werte haben, d.h. Q hat mindestens b Nullstellen, d.h. d ≥ b und folglich d = b.
u
t
11.4 Satz. Sei Y eine Riemannsche Fläche und P ∈ M(Y )[θ] ein normiertes, irreduzibles
Polynom vom Grade n ≥ 1. Dann existiert eine mehrdeutige Funktion F = (X, τ, f ) über Y , so
daß gilt:
(i) τ : X → Y ist eine eigentliche holomorphe Abbildung mit Blätterzahl n,
(ii) P (f ) = 0, falls
) (vermöge τ ) als Unterkörper von M(X) angesehen wird.
PM(Y
n
Beweis. Sei P = k=0 ck θk für ck ∈ K := M(Y ) und sei δ ∈ K die Diskriminante von P (der
Wert eines gewissen Polynoms über K in den Koeffizienten c0 , . . . , cn−1 ; die Bedingung δ 6= 0
ist äquivalent dazu, daß P in keinem Erweiterungskörper von K mehrfache Nullstellen besitzt vergl. Scheja-Storch, Algebra 2). Wegen P irreduzibel ist δ 6= 0. Sei nun
V := {a ∈ Y : ck (a) ∈ C für alle k und δ(a) ∈ C∗ } .
Für jedes a ∈ V ist δ(a) 6= 0 die Diskriminante des Polynoms
n
X
ck (a)θk
∈ C[θ] ,
k=0
das damit n verschiedene Nullstellen in C hat. Definiere
H : V × C → C durch
H(a, t) =
n
X
ck (a)tk
k=0
und setze
U := {(a, t) ∈ V × C : H(a, t) = 0} .
Durch τ (a, t) := a und f (a, t) := t werden stetige Abbildungen τ : U → V und f : U → C
definiert. Nach Konstruktion von V hat jedes τ -Urbild genau
Sei (a, t0 ) ∈ U ein
Pn Punkte.
beliebiger Punkt. Da t0 eine einfache Nullstelle des Polynoms
ck (a)θk ist, gilt
∂H(a, t0 )
6= 0 .
∂t
Nach dem Satz über implizite Funktionen (der im komplexen genau wie im reellen gilt) existiert
eine offene Umgebung W ⊂ V von a und eine komplex-differenzierbare Funktion h : W → C
mit h(a) = t0 und H(z, h(z)) = 0 für alle z ∈ W . Durch σ(z) := (z, h(z)) wird ein stetiger
Schnitt σ : W → U mit σ(a) = (a, t0 ) definiert. Daraus folgt, daß τ : U → V eine n-blättrige
Überlagerung und f : U → C eine holomorphe Funktion ist (denn f ◦ σ = h ist holomorph
auf W ). Wir müssen nun den Raum U durch geeignete weitere Punkte ergänzen, die ‘über
B = Y \V ’ liegen. Ist Y = V , so sind wir mit X := U bereits fertig. Andernfalls wählen wir
einen Punkt z0 ∈ B und eine offene Umgebung E ⊂ V ∪ {z0 } von z0 zusammen mit einem
Homöomorphismus ψ : E → ∆, wobei ψ(z0 ) = 0 gilt. Sei ∆∗ := ∆\{0} und E ∗ := E\{z0 }.
Dann zerfällt τ −1 (E ∗ ) in höchstens n Zusammenhangskomponenten, sei D∗ eine von diesen.
Dann ist τ : D∗ → E ∗ eine Überlagerung mit der Blätterzahl k ≤ n, und es existiert ein
Homöomorphismus ϕ : D∗ → ∆∗ mit ψ ◦ τ = q ◦ ψ, wobei q(z) = z k (vergl. 12.16). Wir fügen
UBER
56
Funktionentheorie
nun zu D∗ einen weiteren Punkt α hinzu und topologisieren D := D∗ ∪ {α} so, daß durch
ϕ(α) = 0 ∈ ∆ ein Homöomorphismus ϕ : D → ∆ entsteht. In gleicher Weise fügen wir für jede
weitere Zusammenhangskomponente von τ −1 (E ∗ ) je einen weiteren Punkt β usf. hinzu. Setzen
wir noch jeweils τ (α) = τ (β) = . . . = a und führen das gleiche Verfahren für alle übrigen Punkte
von B durch, erhalten wir einen Bereich (X, τ ) über Y mit den folgenden Eigenschaften: Die
Abbildung τ : X → Y ist eigentlich und U ⊂ X ist eine offene Teilmenge mit X\U diskret.
Nach Konstruktion von U erfüllt die holomorphe Funktion f : U → C die Bedingung (∗) in
Hilfssatz 11.3 für ak := ck ∈ K, d.h. f ∈ M(X) und somit P (f ) = 0. Es bleibt lediglich zu
zeigen, daß X zusammenhängend und damit eine Riemannsche Fläche ist. X zerfällt in endlich
viele Zusammenhangskomponenten X1 , . . . , Xr . Da jedes τ : Xk → Y ebenfalls eigentlich ist und
Blätterzahl bk ≤ n hat, gilt r ≤ n. Nach Satz 11.2 existiert für jedes k ein normiertes Polynom
Qk ∈ K[θ] vom Grad bk mit Qk (f )|Xk = 0. Für Q := Q1 Q2 . . . Qr ∈ K[θ] gilt folglich ebenfalls
Q(f ) = 0. Da P, Q gleichen Grad besitzen und f für jedes a ∈ V die n Punkte von τ −1 (a)
trennt, gilt Q = P . Da P irreduzibel ist, gilt notwendig r = 1.
u
t
Wir wollen die Beweisidee an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Es sei Y = C und
P = θ2 + c1 θ + c0
∈ K[θ]
für K = M(C) = C(z). Dann gilt δ = c21 − 4c0 . Ist z.B. c1 (z) = −2z 2 und c0 (z) = z, so
gilt δ(z) = 4z(z 3 − 1). Insbesondere gilt δ(0) = δ(1) = δ(ε) = δ(ε2 ) = 0 und δ(∞) = ∞ für
ε := exp(2πi/3), also V = C\{0, 1, ε, ε2 , ∞}, und τ : U → V ist eine 2-blättrige Überlagerung.
Für die zugehörige mehrdeutige Funktion F = (X, τ, f ) gilt offenbar
F (z) = z 2 ±
p
z(z 3 − 1) ,
also F (0) = {0}, F (1) = {1}, F (ε) = {ε2 }, F (ε2 ) = {ε} und F (∞) = {∞}, alle anderen F (z)
bestehen aus 2 Punkten.
√
Was sind nun die Verzweigungspunkte von τ ? Auf ∆ existiert ein Zweig von z 3 − 1,
d.h. bei Umlauf um 0 in ∆ ⊂ Y wechselt man das Blatt in X (insbesondere muß also X
zusammenhängend sein). Mit dem gleichen Argument folgt, daß bei einfachem Umlauf um genau
eine der dritten Einheitswurzeln 1, ε, ε2 das Blatt in X gewechselt wird. Daraus folgt sofort, daß
bei Umlauf um ∞ (auf hinreichend großer Kreislinie) das Blatt nicht gewechselt wird (denn es
werden die 4 Punkte 0, 1, ε, ε2 simultan umlaufen), also besteht τ −1 (∞) aus genau zwei Punkten,
in denen f jeweils einen Pol hat.
Wir kommen auf den Fall von Gebieten (X, τ ) über Y = C zurück. Bezeichnen wir mit z
die durch die identische Abbildung von C gegebene meromorphe Funktion auf C, so ist K :=
M(C) = C(z) der rationale Funktionenkörper. Insbesondere enthält für jedes a ∈ C der Körper
Ma den Körper C(z) in natürlicher Weise, und man macht sich für jeden Keim q ∈ Ma sofort
klar: q ist algebraisch (vergl. Kapitel 10) genau dann, wenn q algebraisch über K = C(z) ist
(d.h. K(q) hat endlichen Rang über K).
Beweis von 10.15: Sei q ∈ M und F = (X, τ, f ) die zugehörige mehrdeutige Funktion, wobei
X ⊂ A die q-Zusammenhangskomponente
ist und τ = τ |X, f = ε|X gilt. Ist X kompakt,
P
so existiert ein Polynom P =
ck θk ∈ K[θ] mit P (f ) = 0. Nach Ausmultiplizieren mit den
Nennern aller ck ∈ C(z) in P darf angenommen werden, daß alle ck in C[z] liegen, d.h. q ist
algebraisch. Nehmen wir umgekehrt an, daß q algebraisch sei. Dann annulliert f ein normiertes
Polynom P ∈ K[θ], und wegen 11.4 ist X kompakt.
u
t
Zum Schluß sei noch auf eine weitere Konsequenz unserer obigen Überlegungen eingegangen:
Für jedes a ∈ C kann Aa mit der Menge aller irreduziblen normierten Polynome in Ma [θ]
identifiziert werden. Dabei entspricht q ∈ Ma das lineare Polynom θ − q ∈ Ma [θ].
57
Funktionentheorie
12. Anhang: Überlagerungen und Homotopie
Sei X ein Hausdorffraum und I := [0, 1] das Einheitsintervall.
12.1 Definition.
(i) Eine stetige Abbildung γ : I → X heißt eine Kurve in X. Das Bild Sp(γ) := γ(I) heißt die
Spur der Kurve. γ(0) bzw. γ(1) heißt der Anfangs- bzw. Endpunkt von γ.
(ii) Seien γ0 , γ1 : I → X zwei Kurven in X mit γ0 (0) = γ1 (0) und γ0 (1) = γ1 (1). Dann heißen γ0
und γ1 homotop (bei festen Endpunkten) in X ⇐⇒ Es gibt eine stetige Abbildung F : I ×
I → X, so daß für alle t, s ∈ I gilt F (t, 0) = γ0 (t), F (t, 1) = γ1 (t), F (0, s) = γ0 (0), F (1, s) =
γ0 (1). Für jedes s ∈ I wird also durch γs (t) := F (t, s), t ∈ I, eine Kurve in X definiert,
deren Anfangs- bzw. Endpunkt mit dem von γ0 (und damit auch γ1 ) übereinstimmt.
Sei x0 ∈ X ein fester Punkt und Ω die Menge aller Kurven γ : I → X mit γ(0) = γ(1) = x0 .
Zwei Kurven γ0 , γ1 ∈ Ω heißen äquivalent, γ0 ∼ γ1 , falls sie homotop in X sind. Hierdurch wird
eine Äquivalenzrelation auf Ω definiert. Sei Ω/ ∼ die Menge der Äquivalenzklassen. Für jedes
γ ∈ Ω sei [γ] ∈ Ω/ ∼ die zugehörige Äquivalenzklasse. Für jede Kurve γ : I → X werde die
Kurve γ − : I → X definiert durch γ − (t) := γ(1 − t) (rückwärts durchlaufene Kurve). Weiter sei
für zwei Kurven γ, η : I → X die Kurve γη : I → X definiert durch
½
(γη)(t) :=
γ(2t)
η(2t − 1)
0 ≤ t ≤ 1/2
1/2 < t ≤ 1.
Wir wollen Ω/ ∼ mit einer Gruppenstruktur versehen. Man zeigt leicht, daß für γ, η ∈ Ω die
Klasse [γη] nur von [γ] und [η] abhängt, und wir definieren:
[γ] · [η] := [γη] .
Hierdurch wird Ω/ ∼ zu einer Gruppe, die die Fundamentalgruppe von X bezüglich x0 genannt
und mit π1 (X, x0 ) bezeichnet wird. Das Einselement dieser Gruppe wird durch die konstante
Kurve γ ≡ x0 repräsentiert und [γ]−1 = [γ − ]. Seien nun X, Y Hausdorffräume und x0 ∈ X,
y0 ∈ Y . Die Abbildung f : X → Y sei stetig, und es gelte f (x0 ) = y0 . Dann ist die Abbildung
π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 )
[γ] 7→ [f ◦ γ]
ein Gruppenhomomorphismus, der mit f∗ oder auch π1 (f ) bezeichnet werde. π1 kann also als ein
Funktor von der Kategorie der Hausdorffräume mit Basispunkt in die Kategorie der Gruppen
aufgefaßt werden.
Sei nun η : I → X eine feste Kurve und x0 := η(0), x1 := η(1). Dann liefert
π1 (X, x0 ) → π1 (X, x1 )
[γ] 7→ [ηγη − ]
einen Gruppenisomorphismus. Ist also X wegzusammenhängend, so sind alle Gruppen π1 (X, x0 ),
x0 ∈ X, isomorph. Wir schreiben daher kurz π1 (X) statt π1 (X, x0 ) und nennen π1 (X) die Fundamentalgruppe von X. Fundamentalgruppen stehen in engem Zusammenhang mit den sogenannten Überlagerungen:
58
Funktionentheorie
12.2 Definition. Seien X, Y Hausdorffräume und τ : X → Y eine stetige Abbildung, Y sei
zusammenhängend.
(i) τ : X → Y heißt eine triviale Überlagerung ⇐⇒ Es gibt eine Überdeckung {Ui : i ∈ I}
von X mit offenen, paarweise disjunkten Mengen Ui , so daß τ : Ui → Y für jedes i ∈ I ein
Homöomorphismus ist.
(ii) τ : X → Y heißt eine Überlagerung ⇐⇒ τ ist surjektiv und zu jedem y ∈ Y gibt es eine
offene Umgebung U ⊂ Y von y, so daß τ : τ −1 (U ) → U eine triviale Überlagerung ist.
(iii) Die Überlagerung τ : X → Y heißt universell ⇐⇒ Zu jeder Überlagerung σ : Z → Y mit
Z zusammenhängend, und zu je zwei Punkten x0 ∈ X, z0 ∈ Z mit σ(z0 ) = τ (x0 ) existiert
genau eine Überlagerung ξ : X → Z mit ξ(x0 ) = z0 und σ ◦ ξ = τ .
12.3 Beispiel.
(i) Die Abbildung t 7→ t2 definiert eine triviale Überlagerung IR∗ → IR∗+ := {t ∈ IR : t > 0}.
(ii) Die Abbildung z 7→ z 2 definiert eine Überlagerung C∗ → C∗ , die nicht trivial ist.
(iii) Die Abbildung exp : C → C∗ ist eine Überlagerung (die universell ist, wie wir später zeigen
werden).
Man zeigt leicht, daß jede Überlagerungsabbildung lokal-topologisch, insbesondere also offen
ist. Sind τ1 : X1 → Y und τ2 : X2 → Y zwei universelle Überlagerungen, so gibt es offenbar einen
Homöomorphismus σ : X1 → X2 mit τ1 = τ2 ◦ σ. Wenn also Y eine universelle Überlagerung
besitzt, so ist diese bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.
Sei X ein Hausdorffraum. X heißt einfach-zusammenhängend ⇐⇒ Für jedes x ∈ X ist
π1 (X, x) = 1 (d.h. die triviale Gruppe). X heißt lokal einfach-zusammenhängend (bzw. lokal
weg-zusammenhängend) ⇐⇒ Jeder Punkt in X besitzt eine Umgebungsbasis aus einfachzusammenhängenden (bzw. weg-zusammenhängenden) Umgebungen. Jede offene Teilmenge des
IRn ist lokal einfach-zusammenhängend und lokal weg-zusammenhängend.
12.4 Satz. Sei Y ein zusammenhängender, lokal weg-zusammenhängender und lokal einfachzusammenhängender Hausdorffraum. Dann gilt
(i) Eine Überlagerung τ : X → Y ist genau dann universell, wenn X zusammenhängend und
einfach-zusammenhängend ist.
(ii) Y besitzt eine universelle Überlagerung.
UNIV
Der Beweis stützt sich auf eine Reihe von Lemmata, die auch von selbständigem Interesse sind.
12.5 Lemma. Sei τ : X → Y eine Überlagerung und seien x0 ∈ X, y0 := τ (x0 ) gegeben. Dann
existiert zu jeder Kurve γ : I → Y mit γ(0) = y0 genau eine Kurve γ
e : I → X mit γ
e(0) = x0
und τ ◦ γ
e = γ (e
γ heißt die Liftung von γ mit Anfangspunkt x0 ).
Beweis. Sei γ gegeben. Es gibt eine Zerlegung 0 = t0 < . . . < tn = 1 von I in Teilintervalle
Iν := [tν−1 , tν ] und für jedes ν = 1, . . . , n eine offene Menge Vν ⊂ Y so, daß γ(Iν ) ⊂ Vν und τ :
τ −1 (Vν ) → Vν eine triviale Überlagerung ist. Damit erhält man sukzessive Kurven γ
eν : Iν → X
mit τ ◦ γ
eν = γ|Iν , γ
e1 (0) = x0 und γ
eν (tν−1 ) = γ
eν−1 (tν−1 ). Die Zusammensetzung dieser Kurven
liefert die gesuchte Liftung γ
e. Die Eindeutigkeit von γ
e ist klar, da τ lokal-topologisch ist
u
t
12.6 Lemma. Sei τ : X → Y eine Überlagerung und sei y0 = τ (x0 ) für ein x0 ∈ X. Seien
γ0 , γ1 : I → Y zwei Kurven mit gleichem Anfangspunkt y0 und gleichem Endpunkt. Ferner seien
γ
e0 bzw. γ
e1 die Liftungen von γ0 bzw. γ1 mit γ
e0 (0) = γ
e1 (0) = x0 . Sind dann γ0 und γ1 homotop
in Y , so haben γ
e0 und γ
e1 gleichen Endpunkt und sind homotop in X.
Beweis. Sei F : I × I → X eine Homotopie und γs (t) := F (t, s) für alle s, t ∈ I. Jede Kurve γs
hat eine Liftung γ
es mit Anfangspunkt x0 . Da die Endpunkte γ
es (1) stetig von s abhängen und
−1
in der diskreten Teilmenge τ {γ0 (1)} liegen, ist γ
es (1) unabhängig von s.
u
t
Insbesondere gilt für eine Überlagerung τ : X → Y mit y0 = τ (x0 ), daß der Gruppenhomomorphismus τ∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ) injektiv ist.
LIFT
MOND
Funktionentheorie
59
12.7 Lemma. Sei τ : X → Y eine Überlagerung und τ (x0 ) = y0 für ein x0 ∈ X. Sei A ein
zusammenhängender, lokal weg-zusammenhängender Hausdorffraum und sei f : A → Y stetig
mit f (a0 ) = y0 für ein a0 ∈ A. Dann sind äquivalent:
(i) Es existiert eine stetige Abbildung fe : A → X mit fe(a0 ) = x0 und τ ◦ fe = f (und diese ist
dann eindeutig).
(ii) f∗ (π1 (A, a0 )) ⊂ τ∗ (π1 (X, x0 )).
Beweis. (i) ⇒ (ii) ist trivial wegen f∗ = τ∗ ◦ fe∗ .
(ii) ⇒ (i) Zu zeigen ist nur die Existenz von fe. Sei a ∈ A gegeben. Dann gibt es eine Kurve
σ : I → A mit σ(0) = a0 und σ(1) = a. Nach (12.5) hat die Kurve γ := f ◦ σ in Y eine eindeutige
Liftung γ
e : I → X mit γ
e(0) = x0 . Wir zeigen, daß γ
e(1) unabhängig von der Wahl von σ ist.
Denn seien σ1 , σ2 : I → A zwei Kurven mit σk (0) = a0 , σk (1) = a für k = 1, 2. Setze γk := f ◦σk ,
k = 1, 2, und γ := γ1 γ2− = f ◦ (σ1 σ2− ). Wegen [γ] ∈ f∗ (π1 (A, a0 )) ⊂ τ∗ (π1 (X, x0 ) existiert ein
[η] ∈ π1 (X, x0 ) mit γ ∼ τ ◦ η. Für k = 1, 2 sei γ
ek : I → X die Liftung von γk mit γ
ek (0) = x0 .
−
Wegen γ1 γ2 ∼ τ ◦ η gilt γ1 ∼ (τ ◦ η)γ2 , d.h. τ ◦ γ
e1 ∼ (τ ◦ η)(τ ◦ η) = τ ◦ (ηe
γ2 ). Nach (12.6) gilt
γ
e2 (1) = (ηe
γ2 )(1) = γ
e1 (1). Definiere fe(a) := γ
e(1). Dann gilt für die Abbildung fe : A → X sicher
τ ◦ fe = f . Da A lokal weg-zusammenhängend ist, ist fe stetig.
u
t
12.8 Lemma. Sei Y zusammenhängend, lokal weg-zusammenhängend und lokal einfach-zusammenhängend. Sei y0 ∈ Y fest und sei Γ ⊂ π1 (Y, y0 ) eine Untergruppe. Dann existiert eine
Überlagerung τ : X → Y mit Γ = τ∗ (π1 (X, x0 )) und τ (x0 ) = y0 .
Beweis. Sei Ω := {γ : γ Kurve in Y mit γ(0) = y0 }. Zwei Kurven γ1 , γ2 ∈ Ω mögen äquivalent
genannt werden ⇐⇒ γ1 (1) = γ2 (1) und [γ1 γ2− ] ∈ Γ. Hierdurch wird auf Ω eine Äquivalenzrelation definiert. Sei X die Menge der Äquivalenzklassen. Für γ ∈ Ω sei hγi ∈ X die zugehörige
Äquivalenzklasse. Durch hγi 7→ γ(1) wird eine Abbildung τ : X → Y definiert. Für jede offene, zusammenhängende und einfach-zusammenhängende Menge U ⊂ Y und jedes γ ∈ Ω mit
γ(1) ∈ U setze Uγ := {hγσi : σ Kurve in U mit σ(0) = γ(1)}. Das System aller Uγ bildet die
Basis einer Topologie auf X. Weiter ist τ : Uγ → U homöomorph für alle Uγ . Da zwei Mengen
Uγ , Uη entweder gleich oder disjunkt sind, ist τ : X → Y eine Überlagerung. Setze x0 := hγi für
ein γ ∈ Γ. Dann gilt nach Konstruktion τ∗ (π1 (X, x0 )) = Γ.
u
t
WURT
TUMP
Beweis von (12.4): Nach (12.8) existiert eine Überlagerung τ : Z → Y (oBdA sei Z zusammenhängend), so daß τ∗ (π1 (Z)) = 1 gilt.
e ⊂ X eine Zusammenhangskompoad (i) Sei τ : X → Y eine universelle Überlagerung und sei X
e
e und X sind homöomorph,
nente. Dann ist auch τ : X → Y eine universelle Überlagerung, d.h. X
d.h. X ist zusammenhängend. Da τ eine universelle Überlagerung ist, folgt τ∗ (π1 (X)) = 1, d.h.
X ist einfach-zusammenhängend. Die umgekehrte Richtung von (i) folgt aus 12.7.
ad (ii) Nach (i) ist τ universell.
u
t
12.9 Folgerung. Seien X, Y zusammenhängend, lokal weg-zusammenhängend und lokal eine → X und σ : X
e → Y universelle Überlagerungen und
fach-zusammenhängend. Seien τ : X
τ (e
x0 ) = x0 , σ(e
y0 ) = y0 . Dann gibt es zu jeder stetigen Abbildung f : X → Y mit f (x0 ) = y0
e → Ye mit fe(e
genau eine stetige Abbildung fe : X
x0 ) = ye0 , so daß das Diagramm
e
e −−−f−−→ Ye
X




yτ
yσ,
f
X −−−−−→ Y
kommutiert.
Beweis. Verwende (12.7) und (12.8).
u
t
Sei X ein lokal-kompakter Hausdorffraum und G(X) die Gruppe aller Homöomorphismen
von X auf sich.
LIFF
60
Funktionentheorie
12.10 Definition. Sei Γ ⊂ G(X) eine Untergruppe. Man sagt
(i) Γ operiert eigentlich-diskontinuierlich auf X ⇐⇒ Zu je zwei Punkten x, y ∈ X existieren
Umgebungen U, V ⊂ X von x, y mit {g ∈ Γ : U ∩ g(V ) 6= ∅} endlich.
(ii) Γ operiert frei auf X ⇐⇒ Für alle x ∈ X und alle g ∈ Γ mit g 6= id gilt g(x) 6= x.
12.11 Beispiel. Sei Γ = {z 7→ 2n z : n ∈ Z}. Dann gilt
(i) Γ operiert eigentlich-diskontinuierlich und frei auf C∗
(ii) Γ operiert weder eigentlich-diskontinuierlich noch frei auf C.
Jede Untergruppe Γ erzeugt eine Äquivalenzrelation auf X: x ∼ y = ∃ g ∈ Γ mit g(x) = y.
Sei X/Γ := X/ ∼ die Menge der Äquivalenzklassen, versehen mit der Quotiententopologie. Sei
p : X → X/Γ die kanonische Projektion. Diese ist stetig und offen.
12.12 Satz. Γ operiere eigentlich-diskontinuierlich und frei auf X. Dann ist X/Γ ein Hausdorffraum und p : X → X/Γ ist eine Überlagerung.
12.13 Satz. Sei Y ein zusammenhängender, lokal weg-zusammenhängender und lokal einfachzusammenhängender Hausdorffraum. Sei τ : X → Y die universelle Überlagerung von Y . Dann
operiert die Gruppe Γ := {g ∈ G(X) : τ ◦ g = τ } eigentlich-diskontinuierlich und frei auf X, und
es existiert ein Homöomorphismus σ : X/Γ → Y mit τ = p ◦ σ. Die Gruppe Γ ist isomorph zu
π1 (Y ), und für jedes x0 ∈ X, y0 := τ (x0 ), ist die Abbildung
Γ → τ −1 (y0 )
g 7→ g(x0 )
bijektiv.
Beweis. sei dem Leser überlassen.
u
t
Γ heißt die zu Y gehörige Decktransformationsgruppe.
12.14 Beispiel.
(i) π1 (C∗ ) ≈ Z. Denn die Abbildung
C → C∗
z 7→ exp(2πiz)
ist universelle Überlagerung, und Γ := {z 7→ z + n : n ∈ Z} ist die zugehörige Gruppe von
Decktransformationen.
(ii) Sei S 2 := {x ∈ IR3 : x21 + x22 + x23 = 1} die 2-Sphäre, und g : S 2 → S 2 sei definiert durch
g(x) := −x. Dann operiert die Gruppe Γ := {g, id} ⊂ G(S 2 ) eigentlich-diskontinuierlich
und frei auf S 2 . Der Quotientenraum P2 := P2 (IR) := S 2 /Γ wird die reell projektive Ebene
genannt. Wegen π1 (S 2 ) = 1 folgt π1 (P2 ) ≈ Z2 .
(iii) Sei S 1 := {z ∈ C : |z| = 1} der 1-dimensionale Torus (auch 1-Sphäre genannt). T 2 := S 1 ×S 1
heißt der 2-dimensionale Torus. Dann sind die Abbildungen
τ : IR → S 1
t 7→ exp(2πit)
bzw. τ × τ : IR2 → T 2 universelle Überlagerungen mit den zugehörigen Decktransformationsgruppen Γ := {t 7→ t + n : n ∈ Z} ≈ Z bzw. Ω := {(s, t) 7→ (s + m, t + n) : m,
n ∈ Z} ≈ Z × Z. Also gilt S 1 ≈ IR/Γ und π1 (S 1 ) ≈ Z und ebenso T 2 ≈ IR2 /Ω und
π1 (T 2 ) ≈ Z × Z.
(iv) Sei U := E\{a, b}, a, b ∈ E, a 6= b. Dann ist π1 (U ) die freie Gruppe mit zwei Erzeugenden,
d.h. π1 (U ) ist nicht abelsch.
Funktionentheorie
61
12.15 Satz. Sei Y zusammenhängend, lokal weg-zusammenhängend und lokal einfach-zusammenhängend. Dann sind äquivalent:
(i) Y ist einfach-zusammenhängend.
(ii) Jede Überlagerung τ : X → Y mit X zusammenhängend ist ein Homöomorphismus.
Anwendung: exp : C → C∗ ist universelle Überlagerung. Sei U ⊂ C∗ ein einfach-zusammenhängendes Gebiet. Setze V := exp−1 (U ). Dann ist exp : V → U eine triviale Überlagerung. Für
jede Zusammenhangskomponente V0 von V ist also exp : V → U biholomorph, d.h. es existiert
eine Umkehrabbildung log : U → V0 . Man kann somit also auch mit Hilfe von Überlagerungen
Zweige des Logarithmus auf einfach-zusammenhängenden Gebieten in C∗ erhalten.
12.16 Satz. Sei ∆∗ := ∆\{0} und τ : X → ∆∗ eine eigentliche Überlagerung mit X zusammenhängend. Dann existiert ein n ≥ 1 und ein Homöomorphismus ψ : X → ∆∗ , so daß τ = ψ ◦ σ
für die Abbildung
σ : ∆ ∗ → ∆∗
.
z 7→ z n ,
EINH
Beweis. Da τ eigentlich ist, hat τ∗ (π1 (X)) ⊂ π1 (∆∗ ) endlichen Index. Da ∆∗ und C∗ homöomorph sind, gilt π1 (∆∗ ) ≈ Z. Also gibt es ein n ≥ 1 mit τ∗ (π1 (X)) ≈ nZ. Daher gibt es ein
n ≥ 1 mit τ∗ (π1 (X)) ≈ nZ. Sei σ(z) := z n für z ∈ ∆∗ . Dann sind τ∗ (π1 (X)) und σ∗ (π1 (∆∗ )) in
π1 (∆∗ ) konjugiert. Daraus folgt die Behauptung.
u
t
13. Literatur
1. Blanchard, P.: Complex analytic dynamics on the Riemann sphere. Bull. AMS 11, 85-141
(1984)
2. Cartan, H.: Elementare Theorie der analytischen Funktionen einer oder mehrerer komplexen
Veränderlichen. Mannheim BI 1966
3. Conway, J.B.: Functions of one Complex Variable. Berlin - Heidelberg - New York: Springer 1978
4. Fischer, W. und Lieb, I.: Ausgewählte Kapitel aus der Funktionentheorie. Vieweg Braunschweig/Wiesbaden 1988
5. Forster, O.: Riemannsche Flächen. Berlin - Heidelberg - New York: Springer 1977
6. Hurwitz, A. und Courant, R.:Vorlesungen über allgemeine Funktionentheorie und elliptische
Funktionen. Berlin - Heidelberg - New York: Springer 1964
7. Remmert, R.: Funktionentheorie I und II. Berlin - Heidelberg - New York: Springer 1984
und 1991
BLAN
CART
CONW
FISH
FORS
HUCO
REMM
62
Index
Index
Apéry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Konvergenz, kompakte
Attraktionsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
Konvergenz
(iv) , normale
Ausschöpfungsfolge
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
. . . . . . . . . . . . . . . . 3
. . . . . . . . . . . . . . 19, 21
Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
14
Automorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Lemma von Zorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bereich über C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Liouville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 28, 41
Bernoulli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
meromorph
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 49
beschränkte Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Möbiustransformation . . . . . . 13-15, 35, 39, 43-44
biholomorph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Mittag-Leffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
biholomorph äquivalent . . . . . . . . . . . . . . 7, 12
Modul
Blätterzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 34, 39
Montel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3, 5
Bogenlänge
25
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39-40
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
normal konvergent . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 21
Cantor-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
normale Familie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 42
Cauchy-Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4-5
Normalitätsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Überlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Nullstellendivisor . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Decktransformationsgruppe
60
Nullstellenordnung . . . . . . . . . . . . 11-12, 26, 49
. . . . . . . . . . . .
Diagonalfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Periodenparallelogramm
. . . . . . . . . . . . . .
28
diskret in . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 34
periodischer Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
Divisor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26-27
Picard
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Divisorenklassengruppe . . . . . . . . . . . . . . .
26
Polstellenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
doppelt-periodisch . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Polstellenordnung
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
Doppelverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14-15
Primzahlsatz
dynamisches System . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
projektiver Raum
eigentlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
reell-analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, 8, 16
eigentlich-diskontinuierlich . . . . . . . . . . . . .
60
relativ-kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Einheitengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Rückwärtsorbit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
elliptische Funktion
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
42
. . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Riemann . . . . . . . 7-10, 17, 23, 25, 29, 40, 50, 53
Euler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Riemannsche Zahlenkugel
. . . . . . . . . . . . .
10
exzeptionelle Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Familie, beschränkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
schlicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 48
Familie
(iii) , normale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Schwarzsches Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Fatoumenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Seminorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-4
folgenkompakt
43
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Fraktal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
44
Strukturgarbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
Fréchetraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Torus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Fundamentalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
unbestimmter Ausdruck
. . . . . . . . . . . . . .
10
Funktionskeim
50
universelle Überlagerung . . . . . . . . . . . . . .
58
29
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gammafunktion
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Verzweigungsdivisor . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gebiet über C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Verzweigungsordnung . . . . . . . . . . . . . . 14, 49
gebrochen linear
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Verzweigungsort
geringter Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 34, 48, 52
50
Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27, 30
vollständig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Gitterbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
vollständig invariant . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Grad
34
Vorwärtsorbit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hauptdivisor
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26-27
Weierstraß . . . . . . . . . . .
3-4, 16, 26, 32, 45, 48
Hauptteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Weierstraßsche ℘-Funktion . . . . . . . . . . . . .
28
Juliamenge
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Wertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
kompakt konvergent . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Zetafunktion
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
zulässiger Randpunkt . . . . . . . . . . . . . . . .
37
komplexe Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
komplexe Kurve
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