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Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
Marie Krappmann und Eva Hrdinová
Entstehung und Entwicklung des Monotheismus
I nhalt
1.Frühe Geschichte des Begriffs......................................................................................... 3
2. Die Frage nach der Entwicklung des monotheistischen Jahwekults......................... 6
3. Umstrittener Beitrag der Psychoanalyse zum Diskurs über die Entstehung des
Monotheismus im alten Israel: Sigmund Freuds Abhandlungen über den „Mann
Moses“............................................................................................................................... 15
4. Der Einfluss der monotheistischen Gottesverehrung auf die Jenseitsvorstellungen
in der hebräischen Bibel.................................................................................................. 16
5. Die Entfaltung der monotheistischen Gottesverehrung im Trinitätsglauben des
Christentums.................................................................................................................... 18
6. Monotheistisches Gottesverständnis im Islam............................................................ 20
7. Monotheistische Gottesverehrung in Religionen mit nicht abrahamitischem
Ursprung und in Neuen Religionen.............................................................................. 22
B ibliografie
Assmann, Jan (2007): Gott und die Götter. In: Palmer, Gesina (Hrsg.): Fragen nach dem einen Gott: Die
Monotheismusdebatte im Kontext. Tübingen: Mohr Siebeck.
Figl, Johann (1993): Die Mitte der Religionen. Idee und Praxis universalreligiöser Bewegungen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Freud, Sigmund (1989): Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion. Tübingen: Fischer Verlag,
5. Auflage.
Frevel, Christian (1995): Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs. Weinheim: Athenäum
Verlag.
Lang, Bernhard (1981): Die Jahwe-allein-Bewegung. In: Lang, Bernhard (Hrsg.): Der einzige Gott. Die
Geburt des biblischen Monotheismus. München: Kösel-Verlag.
Leuze, Reinhard (2010): Das Christentum. Grundriss einer monotheistischen Religion. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Stolz, Fritz (1996): Einführung in den biblischen Monotheismus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Vorländer, Hermann (1981): Der Monotheismus Israels als Antwort auf die Krise des Exils. In: Lang,
Bernhard (Hrsg.): Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus. München: Kösel-Verlag.
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
1. Frühe Geschichte des Begriffs
Der Begriff „Monotheismus“ wurde zum ersten Mal in der frühen Neuzeit gebraucht. Henry
More (1614–1687) führte ihn ein, um christliche Gottesverehrung von anderen Formen der
Religiosität abzugrenzen. Monotheismus wird demnach als exklusiver Glaube an einen einzigen,
allmächtigen, transzendenten Schöpfergott definiert. Es handelt sich um eine neue Wortbildung
aus altgriechischen Wörtern μόνος (mónos – allein, einzig, nur) und θεός (theós – Gott). David
Hume (1711–1766) erweiterte den Gebrauch des Begriffs auch auf semitische Formen der
Gottesverehrung, wie die jüdische oder babylonische Religion. (The Natural History of Religion
– Naturgeschichte der Religion 1757). Seit seiner Entstehung wurde also der Terminus als „Kontrastbegriff“ verstanden, wodurch auch seine Mehrdeutigkeit geprägt wurde. Immanuel Kant
(1724–1804) etwa betrachtete den Monotheismus als Gegenteil der „Vielgötterei“, Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770–1831) erweiterte den Gegensatz, indem er Monotheismus auch
in Opposition zum Pantheismus sah.1 Von Anfang an wurde der Begriff wertend gebraucht.
Positive Sichtweisen des Monotheismus gründeten sich meistens auf der sog. Verfallstheorie,
die davon ausging, dass am Anfang der Menschheitsgeschichte der Monotheismus stand, aus
dem sich der Polytheismus als ein späteres Stadium entwickelte. Solche Überlegungen tauchten seit dem 16. Jahrhundert bei Autoren wie Herbert von Cherbury, Joseph-François Lafiteau,
Voltaire und Gotthold Ephraim Lessing auf. Auch im 20. Jahrhundert fand dieser Ansatz seine
Verfechter, wie das 12-bändige Werk des Missionars, Orientalisten und Ethnologen P. Wilhelm
Schmidts (1868–1954) Der Ursprung der Gottesidee (1912–1955) belegt. In seinen umfangreichen
Untersuchungen bemühte er sich, die monotheistische Gottesverehrung bei möglichst vielen
schriftlosen Naturreligionen nachzuweisen. Anhand einer Fülle von Informationen versuchte
er zu belegen, dass am Anfang aller Religion der Glaube an den einen und einzigartigen Gott
zu finden sei. Im Zusammenhang damit vertrat er auch die Meinung, dass am Anfang der Institution Ehe die monogame Beziehung gestanden habe. Obwohl seine Ausführungen heute als
überholt gelten, führten sie doch zu weiteren wichtigen Forschungen über die Entwicklung des
monotheistischen Glaubens.
Parallel zu diesen Tendenzen tauchte seit dem frühen 19. Jahrhundert auch heftige Kritik am
Monotheismus auf. Arthur Schoppenhauer (1788–1860) hob im Vergleich mit der buddhistischer Haltung die Intoleranz der monotheistischen Religionen hervor, Friedrich Nietzsche
(1844–1900) spricht sogar ironisch vom „erbarmungswürdige(n) Gott des christlichen Monotono-Theismus“. Von moderneren kritischen Auseinandersetzungen mit dem Monotheismus hat
die viel diskutierte Studie Lob des Polytheismus (1978) des deutschen Philosophen Odo Marquard
(geb. 1928) große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Polytheismus sieht er die einzige „Freiheitschance, eine je eigene Vielfalt zu haben, d. h. ein Einzelner zu sein“. Als notwendige Konsequenz der Entwicklung des monotheistischen Gottesglaubens sieht Marquard die Verringerung
der individuellen Vielfalt:
„Das Ende des Polytheismus ist der Monotheismus; er ist das erste Ende der Polymythie: er ist
eine ganz besonders transzendentale – nämlich – historische Bedingung der Monomythie. Im
Monotheismus negiert der eine Gott – eben durch seine Einzigkeit – die vielen Götter. Damit
liquidiert er zugleich die vielen Geschichten dieser vielen Götter zugunsten der einzigen Geschichte, die nottut: der Heilsgeschichte; er entmythologisiert die Welt.“2
Die Debatte um die Entwicklung und Rezeptionsgeschichte der monotheistischen Gottesidee ist
also durchaus nicht abgeschlossen. Fritz Stolz (1942–2001) setzt sich in seiner grundlegenden
Studie Einführung in den biblischen Monotheismus mit der theoretischen und historischen Abgrenzung des Begriffs Monotheismus detailliert auseinander.
1
2
Hegel kritisierte die Pantheismus-Begeisterung seiner Zeit: „Sie fassen so den Pantheismus als Allesgötterei,
als ob von ihm die einzelnen Dinge und deren empirische endliche Existenz als solche für Göttlich oder
gar für Gott gehalten würden.“ Hegel, G. W.F (2003): Über die unter dem Namen Bhagavat-Gita bekannte
Episode Mahabharata. Von Wilhelm von Humboldt. Berliner Schriften, Frankfurt am Main, S. 191. Der wahre,
monotheistische Glaube an einen Gott wäre nach Hegel die sog. Allgötterei, „denn in der Allgötterei, wenn Gott
das All wäre, ist nur ein Gott…“
Odo Marquard (2003): Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie. In: Odo Marquard: Zukunft
braucht Herkunft. Philosophische Essays. Stuttgart, S. 46–71; S. 55.
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B ibliografie
Stolz, Fritz (1996): Einführung in den biblischen Monotheismus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 4–23.
Verwandte und konkurrierende religionswissenschaftliche Begriffe
Ein Konzept, das dem Monotheismus am nächsten steht, ist die Monolatrie. Diese Religionsform wird meistens als zeitlich unbegrenzte Alleinverehrung eines Gottes definiert, wobei die
Existenz anderer Götter nicht negiert wird. In der Forschungsliteratur findet man für eine solche
Art der Gottesverehrung manchmal auch den Begriff praktischer Monotheismus, der vom theoretischen Monotheismus3 abgegrenzt wird. Beispiele findet man sowohl in der Hebräischen Bibel als
auch im Neuen Testament4:
Psalm 136/2–3
2.
Preiset den Gott der Götter, denn seine Güte währt ewiglich. 3. Preiset den Herrn der
Herren! denn seine Güte währt ewiglich.
1. Kor 8/5–6
5.
Denn wenn es anders solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder
auf Erden (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt) 6. so ist doch für uns ein Gott, der
Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch
welchen alle Dinge sind, und wir durch ihn.
Jahwe wird in diesen Textstellen zwar als die höchste und mächtigste Gottheit hervorgehoben,
dennoch wird mit anderen Göttern implizit gerechnet.
Ein weiterer Begriff, der mit den beiden oben erwähnten im Zusammenhang steht, ist Henotheismus, der insbesondere von dem deutschen Religionswissenschaftler und Indologen Friedrich Max Müller (1823–1900) geprägt wurde. Müller bezeichnete mit diesem Terminus eine
situative oder zeitlich begrenzte Konzentration der Verehrung auf eine einzige Gottheit. Diese
Verehrungsform entfaltete sich hauptsächlich im Kontext der hinduistischen Religionsformen.
Dabei wird die Existenz anderer Gottheiten, wie bei der Monolatrie, nicht abgelehnt. In der heutigen Terminologie werden beide Begriffe allerdings häufig fast synonymisch gebraucht. In der
Studie Temporary Henotheism5 des Assyrologen Adrianus van Selms wird auf die „zeitweise Monolatrie“ im Zweistromland hingewiesen. Gemeint ist die zeitlich beschränkte Alleinverehrung
einer Gottheit durch eine größere Gruppe von Personen, die sich meistens in der Krisenzeit
entwickelt, um die Hoffnungen auf eine Gottheit zu konzentrieren, von der man Hilfe erwartet.
Bernhard Lang (geb. 1946), der an die Überlegungen von Selms anknüpft, schreibt in diesem
Zusammenhang ausschließlich über die Monolatrie, obwohl hier definitionsgemäß eher Müllers
Begriff des Henotheisums angebracht wäre. Die Grenzen zwischen diesen zwei Begriffen und
derer Verhältnis zum Monotheismus sind allerdings noch heute ein umstrittenes Thema.
Religionsphilosophischer Streit um den Urmonotheismus mit Bezügen auf
die Religion im alten Israel
Im 17. Jahrhundert ist ein religionsphilosophischer Streit um die Frage der Urreligion ausgebrochen. Die eine Seite vertrat die Meinung, dass der Monotheismus die Ur- und Höchstform von
Religion darstellt. (Vgl. die Ausführungen zur Verfallstheorie im Kap. 1) Einer der ersten, der
die Theorie des Urmonotheismus formulierte, war Joseph-François Lafiteau (1681–1740). Er
vertrat die Meinung, dass man in den meisten Religionen auf den ursprünglichen Eingottglauben schließen kann, der sich in der Verehrung des höchsten Wesens manifestierte. Polytheismus
hielt er für eine dekadente Erscheinung, die auf den Engelsglauben zurückzuführen sei. Die
3
4
5
Das Bekenntnis zum einen Gott unter gleichzeitiger Bestreitung der Existenz anderer Gottheiten.
Alle Bibelzitate wurden der Elberfelder Bibel (1905) entnommen.
Selms von A. (1973): Temporary Henotheism. In: Beck, M. (hrsg.): Symbole Biblicae et Mesopotamicae Francisco
Mario Theodoro de Liagre Böhl dedicatae. Leiden: Brill, S. 341–348.
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These des ursprünglichen Monotheismus haben viele Wissenschaftler nach Lafiteau verteidigt,
noch in der komparativen Forschung findet man überzeugte Verfechter der Urmonotheismustheorie. Auf der Grundlage des ethnographischen Materials hat etwa, ähnlich wie später Wilhelm
Schmidt, der britische Ethnologe Andrew Lang (1844–1912) die Theorie des Hochgottglaubens als Urreligion vertreten. Der Theologe Gerhard von Rad (1901–1971) formulierte im
Bezug auf die israelische Religion die Überzeugung, dass der Jahwekult ohne das erste Gebot
(ohne den Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes) nicht vorstellbar wäre.6 Nach von Rad war also
die jüdische Religion seit ihrem Uranfang monotheistisch. Mit Einschränkung auf die Erforschung der Religion im alten Israel haben mehrere Forscher die Theorie der ursprünglichen
monotheistischen Gottesverehrung entwickelt, unter ihnen z. B. Ernst Renan, der die bekannte
Phrase „Wüste ist monotheistisch“ formulierte. (Detaillierter zu den Thesen der einzelnen Wissenschaftler siehe: Bernhard Lang [1981].)
Eine prägende Theorie hinsichtlich der Entstehung der monotheistischen Gottesverehrung in
der Geschichte der Menschheit entwickelte Raffaele Pettazoni (1883–1959). Auf der Basis
vergleichender Forschungen stellte er fest, dass die Idee eines einzigen und einzigartigen Gottes
meistens mit der Vorstellung göttlicher Allwissenheit und mit der Hinwendung zum Himmel
verbunden ist. Ausgangspunkt der Hochgottverehrung soll die Erfahrung des Firmaments gewesen sein. Dabei wird das Firmament entweder als Allwissenheit im Sinne einer alles überblickenden Größe wahrgenommen, oder als Schicksal im Sinne eines allmächtigen Weltalls.
Die andere Sichtweise ging im Gegenteil davon aus, dass Monotheismus eine religionsgeschichtliche Spätform darstellt. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Position, Julius Wellhausen
(1844–1918), vertrat im Bezug auf die Geschichte des alten Israel die Ansicht, Jahwe sei ursprünglich nur Stammes- und Landesgott gewesen, der erst später durch die Wirkung der Propheten zum Universalgott wurde. Durch diese Annahme erschien auch die Literaturgeschichte
der Hebräischen Bibel in einem völlig neuen Licht (vgl. Kap. 2). Wellhausens Annahme entspricht dem evolutionären Denkschema, das auf den Bereich der Religion übertragen wurde.
Einer der bedeutendsten Wegbereiter dieses Schemas war Edward Burnett Tylor (1832–1917).
In seinem Hauptwerk Primitive Culture (1871) vermutet er den Ursprung der Religion im Animismus: aus den Erlebnissen in Träumen, Trance usw. habe der Mensch in archaischen Kulturen die
Erfahrung gemacht, dass es etwas gäbe, was unabhängig vom Körper existieren müsse. Daraus
ergibt sich eine evolutionäre Entwicklungsskala: Animismus – Fetischismus – Polytheismus –
Monotheismus. Für den Entwicklungsweg vom Polytheismus hin zum Monotheismus spricht
auch die etymologische Vorgeschichte germanischer, griechischer und lateinischer Bezeichnungen wie Gott, théos, deus, die in die indoeuropäischen Sprachen übernommen wurden. Alle wurden ursprünglich in polytheistischen Religionen verwendet und bekamen ihre monotheistische
Bedeutung erst durch die christliche Rezeption. Ähnliches gilt für die semitische Bezeichnung el,
sowie für die Bezeichnung Allāh, die auf die gleiche Wurzel zurückgeht.
Mit verschiedenen Modellen der Genese des Monotheismus beschäftigt sich eingehend Fritz
Stolz, der im 3. Kapitel des bereits erwähnten Buches zwischen vier Thesen unterscheidet: 1)
den Theorien des Urmonotheismus; 2) den Ansätzen, die den Polytheismus als Ausgangspunkt
der Entwicklung zum Eingottglauben betrachten; 3) den Thesen, die eine Art nomadische vormonotheistische Form der Gottesverehrung voraussetzen und letztendlich 4) den Modellen, die
mit einschlägigen monotheistischen Revolutionen rechnen.
B ibliografie
Stolz, Fritz (1996): Einführung in den biblischen Monotheismus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 23–83.
6
G. von Rad (1938): Fragen der Schriftauslegung im Alten Testament. Leipzig, S. 39.
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2. Die Frage nach der Entwicklung des monotheistischen
Jahwekults
In der Frage nach der Entstehung des biblischen Monotheismus wurden in den letzten beiden
Jahrzehnten derartig intensive Diskussionen geführt, dass man sogar von einem Paradigmenwechsel spricht. Verändert haben sich insbesondere die Ansichten hinsichtlich der monotheistischen Ausprägung des Jahwekultes in vorexilischer Zeit, d. h. im Zeitraum vom späten
9. bis zum 8. Jahrhundert v. Chr., der als frühe vorexilische Zeit bezeichnet wird, und dann bis
ca. 590 v. Chr., also in der späten vorexilischen Periode. Seit den achtziger und neunziger Jahren
gibt es Positionen, die für die israelitische Religion im Zeitraum vor dem Exil polytheistische
Züge annehmen oder gar eine rein polytheistische Religionsform voraussetzen. So behaupten
etwa zeitgenössische Exegeten wie Manfred Weipert (geb. 1937) oder Rainer Albertz (geb.
1943), in Israel seien in der gesamten Frühzeit auch andere Gottheiten verehrt worden. Im
Kontext der Religionsgeschichte des alten Israel wurde in der gegenwärtigen Religionsforschung
besonders Bernhard Lang als einer der entschiedenen Vertreter der polytheistischen Religionsanfänge bekannt. In dem Aufsatz Die Jahwe-allein-Verehrung, der ein Bestandteil des Lesekorpus
ist, beschäftigt er sich zuerst mit der Geschichte der urmonotheistischen Theoriebildung, indem
er die Werke von Lafiteau, Abraham Kuenen, Victor Maag und N. K. Gottwald bespricht. Den
Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die Studie von Morthon Smith (1915–1991), der in
seinem Werk Palestinian Parties and Politics that Shaped the Old Testament (1971) die Theorie entwickelte, dass in der Geschichte Israels lediglich eine minoritäre Jahwe-allein-Partei den Monotheismus durchzusetzen versuchte. An Smiths Überlegungen knüpft er an, indem er die Ursprünge
der Religion des alten Israel als rein polytheistisch definiert und dann die einzelnen Etappen auf
dem Weg zum Monotheismus analysiert, wie etwa die Zeit des Propheten Hosea, die hiskijanische und joschijanische Reform, bis hin zur monotheistischen Gottesverehrung.
Andere Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass man religionsinterne Unterschiede
im Kult des alten Israels in Betracht ziehen muss. Bereits in der Frühzeit gab es Differenzierungen zwischen dem a) öffentlichen und offiziellen Kult, in dem Jahwe wohl sehr früh als
alleiniger Schutzgott Israels verehrt wurde; b) dem dörflichen Kult, in dem sogar Anspielungen
an weibliche Gottheiten vorkommen; c) dem Familienkult, in dem etwa die Macht der Toten
eine bedeutende Rolle spielte (1Sam 28) und schließlich d) der privaten Frömmigkeit, die
sogar eine Hinwendung an private Schutzgottheiten gestattete. Nicht in allen diesen Bereichen
war wohl der Monotheismus seit den frühesten Entwicklungsperioden im vergleichbaren Maße
praktiziert worden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zu der kritischen Auseinandersetzung mit der Frage
des vorexilischen Monotheismus in der Religion des alten Israels folgende Erkenntnisse geführt
haben: 1) Die kritische Exegese der hebräischen Bibel stellte fest, dass es im Alten Testament
neben der monotheistischen auch eine ausgeprägt polytheistische Sprache gibt; 2) Die Schriftzeugnisse anderer Kulturen weisen auf polytheistische Tendenzen in vorexilischer Zeit hin; 3)
Die archäologischen Funde auf den relevanten Gebieten deuten an polytheistisches Verhalten in
bestimmten Zeitperioden hin.
B ibliografie
Lang, Bernhard (1981): Die Jahwe-allein-Bewegung. In: Lang, Bernhard (Hrsg.): Der einzige Gott. Die
Geburt des biblischen Monotheismus. München: Kösel-Verlag, S. 47–83.
Die kritische Exegese der hebräischen Bibel und ihr Beitrag zur
Erforschung der Entstehung des biblischen Monotheismus
Bereits die Quellenkritik der biblischen Texte, die sich im 19. Jahrhundert rasch weiterentwickelte, kam zu der Feststellung, dass die biblischen Autoren aus der Perspektive ihrer eigenen
Zeit die Vergangenheit erzählen. Daraus erfolgte die Erkenntnis, dass der Geschichtsablauf aus
zunächst eigenständigen Erzählblöcken zusammengesetzt wurde, und dass die Abfolge des Geschehenen nicht der historischen Chronologie entsprechen muss. Zu dieser Erkenntnis hat auch
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die Entdeckung der verschiednen Quellenschichten – Jahwist (J), Elohist (E), deutoronomistische Schriften (D) und Priesterschrift (P) – beigetragen, die zu unterschiedlichen Zeiten und
an unterschiedlichen Zeiten verfasst wurden. Die Ansichten hinsichtlich der genauen Datierung
dieser Quellen gehen allerdings bis heute auseinander.
Zu der kritischen Auseinandersetzung mit der Quellengrundlage haben zahlreiche Doppelversionen der Erzählungen im biblischen Text, sowie die Widersprüche zwischen ihnen geführt.
Bereits im ersten Buch des Tanach, Genesis, findet man etwa zwei widersprüchliche Versionen
der Schöpfung (Gen 1/1–31; 2/1–4a und Gen 2/4b–2/25), zwei unterschiedliche Stammbäume
für Adams Nachkommen (Gen 4/17–26 und Gen 5/1–28), zwei unterschiedlich strukturierte
Berichte von der Sintflut (Gen 6 und Gen 9) usw.
Im Kontext der kritischen biblischen Exegese wurden auch Stellen analysiert, die die Alleinverehrung Jahwes in Frage stellten. Im 6. Kapitel im Buch der Richter wird etwa der Baal-Altar
thematisiert, den der Vater des Richters Gideon besitzt.
Richter 6/25
Und es geschah in selbiger Nacht, da sprach Jehova zu ihm: Nimm den Farren deines
Vaters, und zwar den zweiten Farren von sieben Jahren; und reiße nieder den Altar des
Baal, der deinem Vater gehört, und die Aschera, die bei demselben ist, haue um.
25.
Im Buch Samuel rettet Michal den ihrem Vater Saul flüchtenden David, indem sie einen Götzen
ins Bett legt.
1. Sam 19/12–13
Und Michal ließ David durchs Fenster hinab; und er ging weg und floh und entrann.
13.
Und Michal nahm den Teraphim7 und legte ihn ins Bett und legte das Geflecht von
Ziegenhaar zu seinen Häupten und deckte ihn mit dem Tuche zu.
12.
Auf die Verehrung privater Schutzgottheiten wird auch in der Szene in der Genesis angespielt,
wo Rachel auf ihrer Flucht vor Laban heimlich den Hausgott ihres Vaters mitnimmt.
Genesis 31/19
19.
Und Laban war gegangen, um seine Schafe zu scheren; und Rahel stahl die Teraphim,
die ihr Vater hatte.
Genesis 31/35
35.
Und sie sprach zu ihrem Vater: Mein Herr möge nicht zürnen, daß ich nicht vor dir
aufstehen kann; denn es ergeht mir nach der Weiber Weise. Und er durchsuchte alles und
fand die Teraphim nicht.
Lebhafte Aufmerksamkeit wurde in letzter Zeit der Rolle der Frauengottheiten in der späten
vorexilischen Zeit gewidmet. Insbesondere das 44. Kapitel des Buches Jeremia, in dem eine
von der Volksmenge verehrte Himmelskönigin erwähnt wird, hat lebhafte Diskussionen um den
Kult der Frauengottheiten hervorgerufen.
Jeremia 44/16–19
Was das Wort betrifft, welches du im Namen Jehovas zu uns geredet hast, so werden
wir nicht auf dich hören; 17. sondern wir wollen gewißlich alles tun, was aus unserem
Munde hervorgegangen ist, der Königin des Himmels zu räuchern und ihr Trankopfer
zu spenden, so wie wir getan haben, wir und unsere Väter, unsere Könige und unsere
Fürsten, in den Städten Judas und auf den Straßen von Jerusalem. Da hatten wir Brot in
Fülle, und es ging uns wohl, und wir sahen kein Unglück. 18. Aber seitdem wir aufgehört
haben, der Königin des Himmels zu räuchern und ihr Trankopfer zu spenden, haben wir
16.
7 Teraphim ist ein hebräisches Lexem, das in der Bibel lediglich in Plural vorkommt. Sein etymologischer
Ursprung ist nicht gesichert, inhaltlich wird dieser Begriff als „abscheuliche Objekte“, „Hausgötter“ oder
„Götzen“ gedeutet.
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an allem Mangel gehabt und sind durch das Schwert und durch den Hunger aufgerieben
worden. 19. Und wenn wir der Königin des Himmels räucherten und ihr Trankopfer spendeten, haben wir ihr denn ohne unsere Männer Kuchen bereitet, um sie abzubilden, und
ihr Trankopfer gespendet?
Im 44. Kapitel des Buches Jeremias wird also offenbar ein Kampf um die Alleinverehrung Jahwes geführt, und zwar in Auseinandersetzung mit der geglaubten Macht einer Göttin.
In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Funktion der Göttin Aschera diskutiert,
die etwa vierzig Mal in der Bibel vorkommt. Im 1. Buch der Könige wird etwa berichtet, dass
die Königinmutter Maacha der Aschera ein Standbild errichtet hat.
I. Buch der Könige 15/13
13.
Und auch Maaka, seine Mutter, die setzte er ab, daß sie nicht mehr Königin wäre, weil
sie der Aschera ein Götzenbild gemacht hatte; und Asa rottete ihr Götzenbild aus und
verbrannte es im Tale Kidron.
König Manasse ließ gleichfalls ein Kultbild der Aschera aufstellen (II. Könige 21/7). Im I. Buch
der Könige 18/19 werden neben den 450 Propheten des Gottes Baal auch 400 Propheten
Ascheras erwähnt, die vom Tisch Isebels aßen. An mehreren Stellen wird von Vernichtung der
Tempel des Gottes Baal und der Göttin Achera berichtet (II. Buch der Könige 23/4; II. Buch
der Könige 23).
Die genannten Textbeispiele weisen deutlich darauf hin, dass in Israel neben dem Jahwekult
auch andere Gottheiten angebetet wurden, deren Verehrung meistens an spezielle Lebensbereiche gebunden war (Familienkult, private Frömmigkeit, Landwirtschaft).
Mit den Wegen der Entwicklung von polytheistischen Tendenzen hin zum exklusivistischen
Monotheismus der israelischen Religion beschäftigt sich eine beinahe unübersehbare Anzahl von
Studien. Eine der interessantesten Ansätze wurde von Jan Assmann (geb. 1938) formuliert, der
den Entwicklungsweg auf der gedächtnisgeschichtlichen Ebene zu analysieren versucht. Dabei
wird nicht danach gefragt, wie etwas wirklich gewesen ist, sondern wie es erinnert und in das
geschichtliche Selbstbild eingebaut wurde. In seinem Werk Moses der Ägypter. Entzifferung einer
Gedächtnisspur8 beschäftigt er sich unter anderem mit der Rolle, die Gewalt und Intoleranz in den
Anfängen der monotheistischen Gottesverehrung spielten. In seinem Aufsatz Gott und die Götter
geht er auf dieses Thema in komprimierter Form ein, indem er relevante biblische Textstellen
analysiert, in denen in Form von Satire oder in Gestalt der Aufforderungen zur Gewalt die „falsche“ Religion von der „wahren“ getrennt wird. Dabei stützen sich seine Überlegungen zum Teil
auf der Theorie von Othmar Keel, der die Entwicklung des monotheistischen Gottesbildes in
Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Assyrerreichs im 7. Jahrhundert v. Chr. bringt:
Nachdem der despotische Großkönig der Assyrer nicht mehr an der Macht war, entstand nach
Keel eine Art Machtvakuum, das dadurch ausgefüllt wurde, dass der assyrische Despotismus auf
Gott übertragen wurde. Keel interpretiert diesen Vorgang als einen Befreiungsakt, der für Israel
eine innerliche Loslösung vom weltlichen Despoten bedeutete. Der mächtigste „Despot“ war
nun Gott Israels. Assmann beruft sich auf Keels Annahme und entwickelt sie auf eine höchst
interessante Art weiter.
B ibliografie
Assmann, Jan (2007): Gott und die Götter. In: Palmer, Gesina (Hrsg.): Fragen nach dem einen Gott: Die
Monotheismusdebatte im Kontext. Tübingen: Mohr Siebeck. S. 29–51.
Die Prophetengestalten und ihre Rolle bei der Entstehung des Monotheismus
Im Laufe der israelischen Königszeit setzt sich in zunehmendem Maße die spezifische Entwicklung zur streng monotheistischen Jahweverehrung durch. Das Auftreten der Propheten Elia und
Hosea spielte dabei eine entscheidende Rolle. Die Wirkung des Propheten Elia kann auf ca. 850
v. Chr. datiert werden. Die Könige dieser Zeit strebten nach einem innen- und außenpolitischem
Ausgleich, was eine Stärkung der kanaanäischen Religionen zu Folge hatte. In der Auseinan8
Assmann, Jan (1998): Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur. München.
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dersetzung mit dem König Ahab wandte sich Elia gegen diese ausgleichenden Tendenzen und
verteidigte den Alleinanspruch Jahwes auf göttliche Verehrung. Im biblischen Text wird die Geschichte über die drei Jahre andauernde Dürrezeit erzählt, von der nicht nur Israel, sondern auch
Phönizien, das Herrschaftsgebiet des Gottes Baal, heimgesucht wird. (I. Buch der Könige 17f.)
Der in der Bibel geschilderte Konflikt auf dem Berg Karmel weist eine ähnliche Struktur auf (I.
Buch der Könige 18). Im Wettkampf der Gläubigen, welcher Gott – Jahwe oder Baal – imstande
sein wird, das dargebotene Opfer zu entzünden, ist Jahwe derjenige, der das Feuer vom Himmel
fallen lässt, während Baal stumm bleibt. Die erwähnten Geschichten illustrieren anschaulich die
Transformation des Volksgottes Jahwe in eine universale Gottheit mit unbegrenzter Macht.
Diese Umwandlung wird noch deutlicher beim Propheten Hosea, der zwar die Existenz anderer
Gottheiten nicht bestreitet, allerdings die ausschließliche Treue Israels zu Jahwe verlangt. Im
biblischen Text wird dies unter anderem mit dem bekannten Ehe-Gleichnis ausgedrückt:
Hosea 2/16–21
16.
Und es wird geschehen an jenem Tage, spricht Jehova, da wirst du mich nennen: Mein
Mann; und du wirst mich nicht mehr nennen: Mein Baal. 17. Und ich werde die Namen
der Baalim aus ihrem Munde hinwegtun, und sie werden nicht mehr mit ihrem Namen
erwähnt werden. 18. Und ich werde an jenem Tage einen Bund für sie schließen mit den
Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit den kriechenden Tieren der
Erde; und ich werde Bogen und Schwert und den Krieg aus dem Lande zerbrechen und
werde sie in Sicherheit wohnen lassen. 19. Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und
ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht, und in Güte und in Barmherzigkeit, 20. und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst Jehova erkennen. 21. Und
es wird geschehen an jenem Tage, da werde ich erhören, spricht Jehova: ich werde den
Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören;
Trotz Hoseas Forderung nach Treue gegenüber dem mächtigen Jahwe findet sich bei ihm noch
nicht der ausschließende Monotheismus, der in den jüngeren Schichten des Deuteronomium
und in nachexilischen Prophetenschriften anzutreffen ist. Dieser verlangt das Bekenntnis zum
einzigen Gott, wobei die Existenz anderer Gottheiten gänzlich bestritten wird. Insbesondere die
Textstellen im Buch Jesaja, die Deutero-Jesaja9 zugeschrieben werden und aus dem Zeitraum um
das Ende der Exilzeit stammen, widerspiegeln die Wende von der Monolatrie zum ausschließenden Monotheismus.
Jesaja 45/ 5–7
5.
ich bin Jehova, und sonst ist keiner, außer mir ist kein Gott; ich gürtete dich, und du
kanntest mich nicht: – 6. auf daß man wisse vom Aufgang der Sonne und von ihrem Niedergang her, daß außer mir gar keiner ist. Ich bin Jehova, und sonst ist keiner! 7. Der ich
das Licht bilde und die Finsternis schaffe, den Frieden mache und das Unglück schaffe;
ich, Jehova, bin es, der dieses alles wirkt.
Immer mehr Verfechter fand in den letzten Jahrzehnten die These, dass der „wirkliche“ biblische Monotheismus erst nach dem Exil entstanden sei. In dem Aufsatz, der für den Lesekorpus
ausgewählt wurde, fasst Hermann Vorländer (geb. 1942) die Argumente für diese Annahme
zusammen. Er stellt erstmals die Gründe vor, die die Diasporagemeinde zur Führungsschicht
machten, danach beschäftigt er sich mit der Erklärung der Frage, warum gerade die Exilerfahrung der Auslöser des monotheistischen Glaubens gewesen sein mag. Dabei wird die Funktion
des monotheistischen Glaubens beim Umgang mit dem Problem der Theodizee hervorgehoben.
B ibliografie
Vorländer Hermann (1981): Der Monotheismus Israels als Antwort auf die Krise des Exils. In: Lang,
Bernhard (Hrsg.): Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus. München: Kösel-Verlag,
S. 84–113.
9
Hinter dem Begriff Deuterojesaja wird in der biblischen Exegese ein anonymer Prophet vermutet, der wohl
zwischen ca. 550 v. Chr. und etwa 539 v. Chr. wirkte. Der Ausdruck stammt aus dem Griechischen und bedeutet
zweiter Jesaja.
9
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
Eine etwas modifizierte Einstellung hinsichtlich der Rolle der Prophetie vertritt Fritz Stolz, der eher den allmählichen
Übergang von der Neuformulierung des Gotteskonzepts bei den Propheten der Königszeit hin zu den Neuerungen der
Exilzeit schildert.
Stolz, Fritz (1996): Einführung in den biblischen Monotheismus. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S.141–187.
Archäologische Funde als Quelle für Informationen über die Entstehung des
Monotheismus im alten Israel
Die archäologischen Forschungen haben in den letzten Jahrzehnten die Ansichten über die Entstehung der monotheistischen Gottesverehrung in bedeutendem Maße geprägt. Die Tatsache,
dass sich der biblische Bericht mit den archäologischen Funden nicht deckt, manchmal sogar in
deutlichem Widerspruch zu ihnen steht, hat zu Korrekturen in den Thesen über die Entwicklung
des monotheistischen Glaubens im alten Israel geführt.
Die außerbiblischen Schriftzeugnisse und ihre Rolle in der Forschung über die
Entstehung des Monotheismus im alten Israel
Neben die biblischen Texten, in denen andere Gottheiten als Jahwe erwähnt werden, können
auch einige Inschriften aus der Königszeit gestellt werden, die bei archäologischen Arbeiten
entdeckt wurden. Eine immense Bedeutung für die Erforschung der Entwicklung des monotheistischen Glaubens im alten Israel hatte ein Fund auf der Innenwand eines Grabes von Khirbet
el-Qom, einem Ort in Juda, auf dem Weg von der Küstenebene hinauf nach Hebron. Hier
entdeckte man 1967 zwei Gräber mit Inschriften in ihrem Inneren. Insbesondere der Inhalt
der Inschrift im zweiten Grab, aus der Zeit um 750 vor Chr., beeinflusste die Forschung über
die Entstehung des Monotheismus im alten Israel erheblich. Es handelt sich um die Inschrift
folgenden Inhalts10:
’Ūrīyāhū, der Reiche, hat dies geschrieben: Ein Gesegneter ist ’Ūrīyāhū durch JHWH – aus seinen Bedrängnissen hat er ihn durch seine Aschera gerettet. Durch ’Ōnyāhū. Und durch seine
Aschera...
Die wesentliche Textaussage liegt im Mittelstück vor. Die Rettung der Gesegneten durch Jahwe
ist ein Motiv, das aus den biblischen Büchern, etwa aus Psalmen, recht bekannt ist. In dieser
Inschrift ist jedoch die Gottheit Aschera als Mittlerin erwähnt, mit dem Jahwe ’Ūrīyāhū Rettung
verschafft hat. Die sprachliche Wendung „durch seine Aschera“ deutet allerdings darauf hin,
dass es sich um eine dem Gott Israels nicht gleichrangige Gottheit handelt, die ihm untergeordnet ist. Nichtsdestoweniger geht aus dem Text hervor, dass diese Gottheit kein fremder Kultgegenstand, sondern ein genuiner Bestandteil der Jahwe-Verehrung war. Da Aschera auch als
heiliger Baum oder Pfahl verehrt wurde, die als Symbole der Fruchtbarkeit und Sexualität galten,
stellt der Text von Khirbet el-Qom neben Jahwe ein Fruchtbarkeitssymbol und bezeichnet es
als zu ihm gehörig.
Weitere Inschriften wurden in Kuntillet Ajrud gefunden, einem Ort auf dem Weg von Beerscheba in die Sinaihalbinsel. Nach der Besetzung des Sinai durch Israel (nach dem Sechstagekrieg) hat der Archäologe Ze‘ev Meshel vom Archäologischen Institut der Universität Tel Aviv
in den Jahren 1975 bis 1976 eine Anlage ausgegraben, die zwischen 850–750 v. Chr. offenbar
bewohnt war.
Das Gebäude wurde von Meshel als eine Art Pilgerheiligtum gedeutet, wo Reisende ihre Gebete
verrichteten und ihre Opfergaben darbringen konnten. Insbesondere den sog. Raum Nr. 4, in
dem sich Bänke entlang aller Wände befanden, interpretiert Meshel als einen zentralen Gebetsraum, in dem für einen glücklichen Verlauf der Reise gebetet wurde.
Von den fünf entdeckten Wandinschriften ist mit Blick auf die Entwicklung der monotheistischen Gottesverehrung im alten Israel die fünfte Inschrift in phönizischen Schriftzeichen von
besonderem Interesse:
10 Zitate und sachliche Informationen in diesem Kapitel basieren auf folgender Publikation: Smelik, Klaas A. D.
(1987): Historische Dokumente aus dem alten Israel. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
10
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... und auf dem Weg Els ... Gesegnet (ist) Ba’al am Tag des ... Der Name Els am Tag des ...
Die Gottheiten El und Ba’al stehen hier noch undifferenziert nebeneinander.
Neben den Wandinschriften wurden auf dieser Anlage auch mehrere Pithoi (irdene Vorratskrüge) mit dekorativen Abbildungen und Inschriften entdeckt. Unter den Textfunden ragt eine
Gruppe aus der Zeit um 750 v. Chr. hervor. Die Inschriften auf diesen Vorratskrügen wurden
mit roter Tinte geschrieben und sind von Zeichnungen begleitet. Die Textaussage auf dem sog.
Pithos A weist deutliche Parallelen mit den Grabinschriften von Khiberet el-Qom auf:
Pithos A:
Sprich ... sprich zu ... und zu Yō’āshā und ... ich habe euch gesegnet durch JHWH von
Samaria und durch seine Aschera.
Wie in dem Textstück von Khiberet el-Qom wird zusammen mit Jahwe Aschera erwähnt, überdies ist auffallend, dass nicht nur von Jahwe, sondern von Jahwe von Samaria gesprochen wird.
Die Verbindung des Toponyms mit einem Gottesnamen, die etwa im Ba’al-Kult geläufig war,
deutet darauf hin, dass auch Jahwe in verschiedenen Erscheinungsformen auftrat, unter denen
man ihn anbeten konnte.
Der zweite Segensspruch auf dem sog. Pithos B beinhaltet wieder die Verbindung von Jahwe
und „seiner Aschera“.
Pithos B:
‘Āmaryō sprach zu meinem Herrn: ... Ich habe dich gesegnet durch JHWH ... und seine
Aschera. Er möge segnen, und er möge dich behüten, und er möge sein mit meinem
Her[rn] ...
Man kann die Verbindungslinie zu biblischen Texten verfolgen: Diese Inschrift weist nämlich
deutliche Parallelen zum priesterlichen Segen im Buch Numeri 6/24 auf:
24.
Jehova segne dich und behüte dich!
Zu erwähnen sind auch weitere Funde, die zwar nicht auf dem Gebiet Palästinas entdeckt wurden, jedoch wichtige Informationen über das Leben und den Kult der jüdischen Kolonisten
vermitteln. Zu solchen Funden gehören z. B. Textfunde aus Assuan, wo sich eine Garnison
mit jüdischen Söldnern niederließ. Die Textstücke stammen erst aus der Zeit um 400 v. Chr. Sie
belegen die Tatsache, dass neben Jahwe auch andere Götter wie Anat-Betel, Ashim-Betel und
Cherem-Betel verehrt wurden. Daraus folgt, dass sogar in dieser späteren Zeit – zumindest in
Assuan – keine klare Trennungslinie zwischen Jahwe und anderen Gottheiten gezogen wurde.
Dagegen wurden 1961 in einem Grab von Hirbet Bēt Layy, ca. 8 km östlich von Lachis, mehrere Graffitis entdeckt, die eher auf ein monotheistisches Glaubensbekenntnis hindeuten. Die
Datierung dieser Textstücke ist bis heute umstritten, die Einschätzungen schwanken zwischen
der persischen Periode, der Josiazeit und der Regierungszeit Hiskias. Die erste der neun Inschriften kann folgendermaßen übersetzt werden:
JHWH ist der Gott der ganzen Erde.
Die Berge Judas (gehören) dem Gott von Jerusalem
Die erste Aussage betont im Sinne der prophetischen Schriften die universale Macht Jahwes, die
zweite die Erwählung Judas und Jerusalems.
Aus der Analyse der außerbiblischen Textfunde geht allerdings hervor, dass diejenige Phase, in
der keine klare Trennungslinie zwischen Jahwe und anderen Gottheiten gezogen wurde, relativ
lange dauerte.
Mit den Fragestellungen um die Umorientierung des Gesamtparadigmas in der Forschung über
den biblischen Monotheismus setzt sich anhand der Analyse der Gestalt und des Symbols der
11
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Aschera Christian Frevel auseinander. In seinem umfangreichen Werk Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs geht er auf insgesamt vier Teilbereiche der Forschung über die Gestalt
der Aschera näher ein: Er bespricht die außerbiblischen Belege für die Verehrung dieser Gottheit, analysiert auch die biblischen Quellen, untersucht die epigraphischen Belege und setzt sich
letztendlich auch mit der ikonographischen und archäologischen Evidenz auseinander. Zugleich
macht er auf die häufigsten Probleme aufmerksam, die mit der Aschera-Forschung verbunden
sind.
B ibliografie
Frevel, Christian (1995): Aschera und der Ausschließlichkeitsanspruch YHWHs. Weinheim: Athenäum
Verlag, S. 1–26.
Tonfiguren als Hausgottheiten?
Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, gehörten zu den im alten Israel verehrten
Göttern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Frauengottheiten. Neben den Erwähnungen der
weiblichen Gottheiten (Aschera) in biblischen und außerbiblischen Texten weisen auch archäologische Ausgrabungen auf diese Tatsache hin. Hauptsächlich im Gebiet des biblischen Südreiches Juda, aber durchaus auch im Nordreich Israel, wo man Wohnhäuser aus der Königszeit
gefunden hat, wurden auch zahlreiche Tonfiguren vom stets gleichen Typus entdeckt. Sie werden zwischen ca. 722 v. Chr. (Fall Samarias) und 587 v. Chr. (Zerstörung Jerusalems) datiert
und stellen eine weibliche Gestalt dar, im Schnitt ca. 15–20 cm groß, deren Gesicht oft fein
ausgearbeitet ist, mit schweren Brüsten, die von den angewinkelten Armen gestützt werden. Der
Glockenrock, der nur umrisshaft angedeutet ist, hat diesem Figurentypus die Bezeichnung pillar
figurine (Säulenfigürchen) eingetragen.
Die Funde korrespondieren zeitlich mit dem Bericht im zweiten Buch der Könige, dem letzten
Text des deuteronomistischen Geschichtswerkes. Marie Theres Wackel entwickelt deshalb die
These, die verstärkte Verehrung der weiblichen Gottheit zu jener Zeit sei im Südreich Juda eine
Reaktion auf die Zerstörung des Nordreichs Israel gewesen. Es sei plausibel, dass die Menschen
in dieser kritischen Situation verstärkt Zuflucht bei der Göttin gesucht haben, die sie ohnedies
im Familienkult angebetet haben. Dabei macht Wackel unter anderem auf die bereits erwähnte
Textstelle im Buch des Propheten Jeremia aufmerksam, in der die Himmelskönigin erwähnt
wird. Das Auftreten des Propheten Jeremia fällt in das erste Drittel des 6. Jahrhunderts v. Chr.,
in die Zeit also, als die Figürchenverehrung ihren Höhepunkt erreichte. Es liegt daher auf der
Hand, den im Buch Jeremia erwähnten Kult der Himmelskönigin, dessen Einstellung Jeremia
verlangt, mit den Tonfiguren in Zusammenhang zu bringen.
Neue Perspektiven auf die Landnahme Israels
Die Thesen hinsichtlich der Entstehung des biblischen Monotheismus wurden im bedeutenden
Maße von den neuen, archäologisch gestützten Perspektiven auf die sog. Landnahme Israels
geprägt. Die archäologischen Funde belegen für die fragliche Zeit eine eher größere Anzahl von
kleineren Ansiedlungen. Dazu kam die Feststellung, dass die in der Bibel geschilderten großen
Eroberungen wohl auf die Art und Weise, wie sie in der Bibel beschrieben sind, nicht zustande
kommen konnten. In der Besiedlung etwa, die als Jericho identifiziert wurde, fand man keine
Spur von irgendeiner Besiedlung in der betreffenden Zeit – d. h. im 13. Jahrhundert v. Chr. –
und die ältere Ortschaft aus der Spätbronzezeit, die auf das 14. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht,
war sehr klein und praktisch unbefestigt. Überdies ergaben die archäologischen Forschungen
keinerlei Anzeichen für eine Zerstörung. Ähnliche Widersprüche zwischen dem biblischen Text
und den archäologischen Funden ergaben sich auch im Falle der anderen Städte wie z. B. Ai
und Gibeon. Die Ergebnisse der archäologischen Forschungen lassen eher auf eine allmähliche
Infiltration als auf schnelle kriegerische Invasion schließen. Diese Annahme wird auch von
archäologischen Funden gestützt, die auf einen verborgenen Zyklus von Besiedlungswellen
im Bergland hinweisen.
12
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Epoche
Frühe Bronzezeit
Datum
3500–2200 v. Chr.
Zwischenzeit
Mittlere Bronzezeit
2200–2000 v. Chr.
2000–1550 v. Chr.
Spätbronzezeit
Eisenzeit I
1550–1150 v. Chr.
1150–900 v. Chr.
Eisenzeit II
900–586 v. Chr.
Hauptmerkmale
Erste Besiedlungswelle; ca. 100 Orte nachgewiesen.
Krise; die meisten Orte werden aufgegeben.
Zweite Besiedlungswelle; ca. 220 Orte nachgewiesen.
Krise; nur ca. 25 Orte nachgewiesen.
Dritte Besiedlungswelle; ca. 250 Orte nachgewiesen.
Besiedlung wächst auf mehr als 500 Orte an
(8. Jh. vor. Chr.)
Nach Finkelstein, Israel; Silbermann, Neil A. (2003): Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die
Bibel. 4. Auflage München, S. 130.
Dabei wird häufig vorausgesetzt, dass die Neusiedler keine Eroberer von außen waren, sondern
dass es sich um Gruppen handelte, die innerhalb eines längeren Zeitraums von einer halbnomadischen zu einer sesshaften Lebensweise wechselten. Der bedeutende Unterschied zwischen
Israel, dem Eroberer, und Kanaan, den ursprünglichen Bewohnern des Landes, erwies sich im
Lichte der archäologischen Funde als unhaltbar.
Auch für die sog. Zeit der Könige, in der dem biblischen Bericht nach weitere Eroberungen
stattfanden, ergab die archäologische Forschung ein anderes Bild, als die biblische Darstellung
vermittelt.
König
Saul
Daten
ca. 1025–1005
David
ca. 1005–970
Salomo
ca. 970–031
Biblische Darstellung
Erster König, durch den
Propheten Samuel eingesetzt.
Erobert Jerusalem, das seine
Hauptstadt wird; gründet
ein Großreich, das fast
alle Teile des Landes Israel
umfasste.
Baut den Tempel und den
Palast in Jerusalem. Auch
tätig in Megiddo, Hazor und
Gezer.
Archäologische Funde
Im Bergland Fortsetzung der
Besiedelung.
Keine Belege für Davids Eroberungen oder sein Reich. In den
Tälern Fortbestand der kanaanäischen Kultur. Im Bergland
weitere Besiedlung.
Keine Anzeichen für eine monumentalen Architektur oder
über Jerusalem als wichtige Stadt.
Keine Anzeichen für eine umfassende Bautätigkeit in Megiddo,
Hazor oder Gezer. Im Norden
Fortbestand der materiellen kanaanäischen Kultur
Nach Finkelstein, Israel; Silbermann, Neil A. (2003): Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die
Bibel. 4. Auflage München, S. 130
Die neuen Feststellungen über die Landnahme haben einen starken Einfluss auf die Theorien
über die Entwicklung der monotheistischen Gottesverehrung im alten Israel ausgeübt: Die Feststellung, dass Israel in der Frühzeit wohl keine Ausnahmestellung unter den anderen Völkern
hatte, eröffnete komparative Perspektiven. Das Konzept des „Volksgottes“, der für Israel in
der Frühzeit kennzeichnend war, hat man auch bei den östlichen Nachbarn Israels gefunden:
bei den Moabitern wurde der Gott Kamosch, bei den Ammonitern Milkom, bei den Edomitern
Quaus angebeten. An der Mittelmeerküste kann man dagegen von einer Götterfamilie mit verschiedenen Funktionen der einzelnen Götter ausgehen. Insbesondere die Paare Baal – Anat und
El – Aschera, auf die auch in den biblischen Texten referiert wird, spielten bei der Erforschung
der Entwicklung des Monotheismus im alten Israel eine maßgebliche Rolle.
13
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
Zusammenfassend lässt sich auf der Basis der Forschungen über die Landnahme Israels feststellen, dass sich Jahweverehrung und polytheistische Verhältnissen nicht völlig ausschließen: Die
Jahweverehrung mit monolatrischem, exklusivem Anspruch fand vor allem auf der Ebene des
Volkes und seiner Geschichte statt. Daneben gab es wohl im alten Israel der Frühzeit mehrere
unterschiedlich religiös orientierte Gruppen, die in diversen Lebensbereichen auch andere Gottheiten akzeptierten.
14
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
3. Umstrittener Beitrag der Psychoanalyse zum Diskurs über
die Entstehung des Monotheismus im alten Israel: Sigmund
Freuds Abhandlungen über den „Mann Moses“
Auch die kontroverse, auf psychoanalytischer Forschung basierende These Sigmund Freuds
rechnet mit einem ursprünglichen Lokalgott Jahwe in der Religion des alten Israel. Diese Lokalgottheit wurde laut Freud allmählich von der monotheistischen, an der ägyptischen Atonreligion orientierten Gottesverehrung verdrängt. In seinen drei Abhandlungen über den Mann Moses
und die monotheistische Religion entwickelt er die These, dass Moses ursprünglich ein hochrangiger Angehöriger des ägyptischen Königshauses war, der nach dem Tod des Pharaos Achnaton die monotheistische Atonreligion den Semiten vermittelte. Die Annahme der ägyptischen
Abstammung Moses’ versucht Freud mit mehreren Argumenten zu untermauern: Er führt etwa
seinen Namen nicht auf eine semitische, sondern auf eine ägyptische Wurzel zurück oder interpretiert die biblische Textpassage, in der Moses als „schwer von Sprache“ bezeichnet wird
(2. Moses 4/10, 14), als Anzeichen dafür, „dass Moses ein Anderssprachiger war, der mit seinen
semitischen Neu-Ägyptern nicht ohne Dolmetsch verkehren konnte.“ Aus der angenommenen
ägyptischen Abstammung des Stifters der jüdischen Religion zieht er die Schlussfolgerung: „...
und wenn Moses [...] ein Ägypter war, so ist die Vermutung nicht abzuweisen, dass die andere,
neue Religion die ägyptische war.“ Freud meint dabei lediglich eine Ausprägung der ägyptischen
Gottesverehrung, nämlich die Atonreligion. Er stellt folgende Gemeinsamkeiten zwischen der
Atonreligion und der frühjüdischen Gottesverehrung fest: 1) Alles Mystische, Magische und
Zauberische wird gemieden; 2) Die Darstellung des Gottes in der Atonreligion in der höchst
abstrakten Gestalt einer runden Scheibe weist bereits auf das Darstellungsverbot hin, das im
mosaischen Glauben noch intensiver betont wird; 3) Das Schweigen über den Totengott Osiris
und das Totenreich korrespondiert mit dem Verzicht der altjüdischen Religion auf die Reflexionen über das Leben nach dem Tod. In seinen Ausführungen geht er von zwei Stiftern des
altisraelischen Monotheismus im alten Israel aus, die erst später in der biblischen Überlieferung
zu einer Gründerfigur verschmolzen sind. Er setzt einen midianitischen und einen ägyptischen Religionsstifter voraus: „Ich glaube, man ist berechtigt, die beiden Personen wieder
voneinander zu scheiden und anzunehmen, daß der ägyptische Moses nie in Qadeš war und den
Namen Jahwe nie gehört hatte und daß der midianitische Moses Ägypten nie betreten hatte und
von Aton nichts wußte.“ Dabei vermutet er, dass der Lokalgott Jahwe im Laufe der Zeit seinen
eigenen Charakter verlor und immer mehr Ähnlichkeit mit dem Gotte des „ägyptischen Moses“,
dem Aton, gewann. Eine zentrale Rolle in diesem Prozess sollen laut Freud die Leviten gespielt
haben, die er als ägyptische „Mosesmänner“ identifiziert, die die Atonreligion nach Moses’ Tod
weitergepflegt haben und allmählich wieder durchsetzten. Den Tod von Moses versucht Freud
in ein psychoanalytisches Muster einzusetzen, mit dem er schließlich die Durchsetzung des monotheistischen Glaubens erklärt. In Anknüpfung an das Werk Mose und seine Bedeutung für die
israelitisch-jüdische Religionsgeschichte (1922) von Ernst Sellin entwickelt nämlich Freud die These,
die Israeliten hätten Moses getötet. Dadurch hätte sich der urtümliche Vatermord der Urhorde
wiederholt. Nach einer Verdrängungszeit soll nach Freuds psychoanalytischem Muster die Reue
gefolgt haben, die einen neuen Prozess der Religionsbildung in Gang setzte.
Obwohl Freuds Thesen über die Entstehung des Monotheismus im alten Israel von der neueren
Forschung weithin wiederlegt wurden und in gewissem Maße als abenteuerlich gelten, haben sie
zu einer lebhaften Diskussion über dieses Thema beigetragen und waren zu ihrer Zeit prägend.
B ibliografie
Freud, Sigmund (1989): Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion. Tübingen: Fischer Verlag,
5. Auflage, S. 457–549.
15
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
4. Der Einfluss der monotheistischen Gottesverehrung auf die
Jenseitsvorstellungen in der hebräischen Bibel
Für die monotheistische Religion des alten Israel, und überhaupt für alle monotheistischen Religionen, ergab sich im Zusammenhang mit den Jenseitsvorstellungen ein schwerwiegendes Problem: Man konnte dem Gott des Lebens (Jahwe) nicht einen anderen Gott des Todes gegenüberstellen, wie es in den polytheistischen oder henotheistischen Religionen häufig der Fall war. Der
Tod wurde daher hauptsächlich als Merkmal der menschlichen, ja der gesamten geschöpflichen
Existenz wahrgenommen und – insbesondere im Pentateuch – nicht besonders stark thematisiert. Das Leben nach dem Tod wird im Pentateuch häufig einfach als eine Fortsetzung des Lebens in der Glaubensgemeinschaft dargestellt, indem man zu den Vätern versammelt wird11:
Genesis 25/7–8
7.
Und dies sind die Tage der Lebensjahre Abrahams, die er gelebt hat: 175 Jahre. 8. Und
Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und der Tage satt, und wurde versammelt zu seinen Völkern.
Deutoronomium 31/16
16.
Und Jehova sprach zu Mose: Siehe, du wirst dich zu deinen Vätern legen (…)
Die geläufige Bezeichnung für den Raum, wo sich nach dem Tode die Verstorbenen aufhalten,
wird als Scheol bezeichnet. Ins Deutsche wird dieses Lexem in unterschiedlichen Textstellen als
Totenreich, Totenwelt, Toten, sein Reich, Unterwelt, Hölle usw. übersetzt.
Im Buch Genesis wird Scheol mehrmals in der Geschichte über Joseph und seine Brüder erwähnt. Kennzeichnend ist z. B. die Textstelle, in der Josephs Trauer um den verlorenen Sohn
geschildert wird:
Genesis 37/35
Und alle seine Söhne und alle seine Töchter machten sich auf, um ihn zu trösten; aber
er verweigerte es, sich trösten zu lassen, und sprach: Denn leidtragend werde ich zu meinem Sohne hinabfahren in den Scheol!12 Und sein Vater beweinte ihn.
35.
Scheol wird hier neutral einfach als ein tief gelegener Ort dargestellt, wo man bei den Verstorbenen versammelt ist. Im Buch Numeri wird allerdings Scheol bereits als ein Mittel der (diesseitigen) Bestrafung eingesetzt: Der widerspenstige Korach und seine Anhänger werden von Scheol
verschluckt:
Numeri 16/29–33
Wenn diese sterben, wie alle Menschen sterben, und mit der Heimsuchung aller Menschen heimgesucht werden, so hat Jehova mich nicht gesandt; 30. wenn aber Jehova ein
Neues schafft, und der Erdboden seinen Mund auftut und sie verschlingt mit allem, was
ihnen angehört, und sie lebendig in den Scheol hinabfahren, so werdet ihr erkennen,
daß diese Männer Jehova verachtet haben. – 31. Und es geschah, als er alle diese Worte
ausgeredet hatte, da spaltete sich der Erdboden, der unter ihnen war, 32. und die Erde
tat ihren Mund auf und verschlang sie und ihre Familien und alle Menschen, die Korah
angehörten, und die ganze Habe. 33. Und sie fuhren, sie und alles, was ihnen angehörte,
lebendig in den Scheol hinab; und die Erde bedeckte sie, und sie wurden mitten aus der
Versammlung vertilgt.
29.
11 Zu den Ausführungen in diesem Kapitel siehe folgende Artikel: Plöger, Otto (1993): Tod und Jenseits im Alten
Testament. In: Klimkeit, Hans-Joachim (Hrsg.): Tod und Jenseits im Glauben der Völker. Wiesbaden, S. 77–85.
Karl Hoheisel (1993): Tod und Jenseits im außerbiblischen Judentum des Orients. ebd., S. 97–110.
12 In anderen Übersetzungen wird Scheol als Unterwelt ins Deutsche übertragen.
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In dieser Passage handelt es sich allerdings um keine Bestrafung im Jenseits, sondern um eine situative Strafe im diesseitigen Leben, die an eine bestimmte Situation gebunden ist. Im Allgemeinen wird Scheol im Pentateuch relativ neutral als ein Raum des Todes dargestellt. Falls er durch
Jahwe als Mittel der Bestrafung eingesetzt wird, dann nur als ein dem Leben entgegensetzter Ort.
Die Bestrafung in Numeri besteht im Entzug des Lebens, dem Wirkungsgebiet Jahwes.
Die zukunftsgerichtete Idee der Ausschaltung des Todes durch Gott taucht erst in den prophetischen Schriften auf.
Hosea 13/14
14.
Von Gewalt des Scheols werde ich sie erlösen, vom Tode sie befreien! Wo sind, o Tod,
deine Seuchen? wo ist, o Scheol, dein Verderben? Reue ist vor meinen Augen verborgen.
Allerdings handelt es sich nicht um die Überwindung des Todes im Sinne einer individuellen
Auferstehung (wie später im Christentum), sondern eher einer Erneuerung der Gesamtgröße
Israel. Diese Haltung kommt mit besonderem Nachdruck besonders in den späteren prophetischen Schriften zum Ausdruck. Im Buch Daniel wird die Ausschaltung des Todes durch eine
kollektive Auferstehung eindrücklich geschildert:
Daniel 12/1–2
1.
Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines
Volkes steht; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, dergleichen nicht gewesen ist,
seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet
werden, ein jeder, der im Buche geschrieben gefunden wird. 2. Und viele von denen, die
im Staube der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben, und jene zur
Schande, zu ewigem Abscheu.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Jenseitsvorstellungen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des monotheistischen Glaubens veränderten. Während im Pentateuch Scheol nur selten im Zusammenhang mit dem Volksgott Jahwe erwähnt wird, gewinnt
später die Totenwelt an Bedeutung. Dazu kam es hauptsächlich durch die Erweiterung der Wirkungskraft Jahwes, der allmählich vom Volksgott zum Universalgott wurde. Genauso, wie sich
seine Macht geographisch auf die Wirkungsgebiete anderer Gottheiten erweitert (vgl. Kap. 2),
beginnt er allmählich als transzendenter Universalgott den Tod zu beherrschen.
17
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
5. Die Entfaltung der monotheistischen Gottesverehrung im
Trinitätsglauben des Christentums
Um das Verständnis des Monotheismus im Christentum zu erfassen, ist es notwendig, das Gottesverständnis und die Deutung und Bedeutung von Jesus Christus näher zu bestimmen.
Das Wechselverhältnis zwischen diesen beiden Aspekten hat eine spezifische Geschichte. Der
Monotheismus war aufgrund des jüdischen Entstehungskontextes eine wichtige Voraussetzung
für den Fortbestand des Christentums. Im Neuen Testament wird das monotheistische Gotteskonzept an mehreren Stellen, besonders in den Paulinischen Briefen, thematisiert:
Römer 16/27
27
dem allein weisen Gott durch Jesum Christum, ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Amen.
Epheser 4/5–6
5
Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, 6ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und
durch alle und in uns allen.
Allerdings findet man in den Paulinischen Briefen durchaus auch Stellen, die eher auf eine monolatrische Gottesverehrung hinweisen:
1. Korinther 8/5–6
5
Denn wenn es anders solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder
auf Erden (wie es ja viele Götter und viele Herren gibt), 6so ist doch für uns ein Gott, der
Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch
welchen alle Dinge sind, und wir durch ihn.
Einen zentralen Bezugspunkt auf das exklusivistische monotheistische Glaubensbekenntnis im
Christentum stellt die Textstelle in Markus dar, in der ein Schriftgelehrter die Frage nach dem
wichtigsten Gebot stellt. Jesus antwortet ihm mit den Worten aus dem Deutoronomium 6/4, die
gleichzeitig das Zentralgebet des Judentums Schema’ Israel darstellen.
Markus 12/28–30
Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie sich befragten, trat herzu, und
als er wahrnahm, daß er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist
das erste von allen? 29Jesus aber antwortete ihm: Das erste Gebot von allen ist: „Höre,
Israel: der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr; 30und du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen
Verstande und aus deiner ganzen Kraft“. [Dies ist das erste Gebot.]
28
Die Antwort des Schriftgelehrten bekräftigt durch die ausschließende Aussage die von Jesus
zitierten Worte aus dem Deuteronomium:
Markus 12/32–33
Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist ein einiger Gott, und da ist kein anderer außer ihm; 33und ihn lieben aus
ganzem Herzen und aus ganzem Verständnis und aus ganzer Seele und aus ganzer Kraft,
und den Nächsten lieben wie sich selbst, ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.
32
Trotz der eindeutigen Formulierungen im Neuen Testament unterschied sich das monotheistische Glaubensbekenntnis im Christentum wesentlich vom Monotheismus im Judentum. Das
Charakteristische und Kennzeichnende des christlichen Glaubens, der sich aus dem jüdischen
Kontext entwickelte, lag im Christusbekenntnis. Das gewichtigste Problem des Christentums
18
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
bestand darin, den Glauben an die Einzigkeit Gottes mit der Ausnahmestellung in Einklang zu
bringen, die Jesus im Erlösungsprozess zukommt. Die Wechselbeziehung von Gott und Christus
wurde im Wesentlichen auf den Konzilien im 4. und 5. Jahrhundert festgelegt. Insbesondere im
4. Jahrhundert erreichten die Streitigkeiten um das Wesen der Trinitätslehre ihren Höhepunkt.
Eine bedeutende Rolle spielte dabei Arius, ein Presbyter aus Alexandrien, der im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. wirkte. Dieser war der Überzeugung, dass die monotheistische Gottesvorstellung
es nicht zuließe, dass der Sohn mit dem Vater wesensgleich sein sollte. Daher hat er Jesus als „das
erste Geschöpf“ und den Schöpfer der Welt definiert. Die Befürchtungen um die Bewahrung
des monotheistischen Glaubensbekenntnisses motivierten allerdings auch seinen Gegner Athanasius, der in der Lehre des Presbyters Arius die Gefahr sah, dass ein zweiter Gott eingeführt
wird. Im Grunde verfolgten aber beide Gelehrten die monotheistische Intention.
Diese Auseinandersetzungen ereigneten sich in der Herrschaftsperiode des Kaisers Konstantin, der dem Christentum wohlwollend geneigt war und sich bemühte, den Konflikt möglichst
schnell aus der Welt zu schaffen. Obgleich er anfänglich der Meinung war, dass konkurrierende
Lösungen theologischer Probleme nebeneinander stehen können, ließ er schließlich doch die
arianischen Thesen verurteilen.
Auf dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 wurde also die dogmatische Definition formuliert,
dass Christus „Gott von Gott“ ist, „gezeugt, nicht geschaffen“ und „wesensgleich“ mit dem
Vater. Das Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 hat später auch die Wesensgleichheit des
Heiligen Geistes mit Gott festgelegt. Im theologischen Diskurs wurde das monotheistische Verständnis Gottes im abstrakt-metaphorischen Bild vom göttlichen Wesen (Substanz, ousia) in
drei Hypostasen (Personen, Subsistenzen) vermittelt.
Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Wechselverhältnis zwischen Gott
Vater und Christus Sohn entflammte im 5. Jahrhundert der Streit um das Verhältnis zwischen
göttlicher und menschlicher Natur in Jesus. Auf dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451
wurde schließlich die dogmatische Formel festgelegt: „wahrer Gott und wahrer Mensch“. Dadurch wurden die beiden gegensätzlichen Perspektiven ausgeschlossen: nämlich Monophysitismus, die Annahme, dass Jesus ausschließlich göttliche Natur besitzt, und Nestorianismus,
dessen Vertreter strikte Trennung beider Naturen von Jesus annahmen.
Der Monotheismus ist spätestens seit dem 4. Jahrhundert für das Christentum eine unabdingbare Voraussetzung, die es mit dem Judentum und auch mit dem Islam verbindet. Das Eigentümliche des christlichen monotheistischen Gottesverständnisses ist allerdings der Glaube an die
Göttlichkeit Jesu. Daher hat der Glaube an den einen Gott eine ganz spezifische Ausprägung, die
mit anderen monotheistischen Religionen nur schwer vergleichbar ist.
19
Modul Vergleichende Religionswissenschaft und Judaistik
6. Monotheistisches Gottesverständnis im Islam
Der Glaube an einen einzigen Gott ist der erste Grundartikel des islamischen Glaubensbekenntnisses. Das leitende Prinzip des Islam ist der tauhīd, der unbedingte Glauben an die Einzigartigkeit und Einheit Allahs.13 Der erste Teil des islamischen Bekenntnisses (Schahāda) lautet: lā
ilāha illā llāh – Es gibt keinen Gott außer Allah. Die Verbindungslinie zum alttestamentlichen
Monotheismus kommt hier deutlich zum Ausdruck, denn der Wortlaut und der kultische Gebrauch des islamischen Bekenntnisses geht eindeutig auf das jüdische „Schema’ Israel“ zurück
(Deutoronomium 6/4–9). An zahlreichen Stellen im Koran wird der monotheistische Charakter
des Gottesbekenntnisses betont:
Sure 2/255
Allah – es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Lebendigen, dem aus Sich Selbst Seienden
und Allerhaltenden.
Eine der bekanntesten Stellen im Koran, die die Einigkeit und Einzigartigkeit Gottes hervorhebt, ist zugleich eine Art Gottesbekenntnis:
Sure 112/1–4
1. Sprich: „Er ist Allah, der Einzige;
2. Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte.
3. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt;
4. Und keiner ist Ihm gleich.“
Die häufige Betonung der Einzigartigkeit Gottes diente nicht nur zur Abgrenzung gegen die
polytheistischen Religionsformen der vorislamischen Araber, sondern auch gegen bestimmte
Phänomene des christlichen Glaubens. Insbesondere die Konzepte der Trinität, der Göttlichkeit Jesu und von Maria als Gottesgebärerin waren und sind im Islam verpönt. In der Sure
5/72–73 wird eine explizite Ablehnung des Polytheismus, des Trinitätsglaubens sowie der Gottessohnschaft Jesu zum Ausdruck gebracht:
Sure 5/72–73
72. Fürwahr, ungläubig sind, die da sagen: „Allah ist kein anderer denn der Messias, Sohn
der Marie“, während der Messias doch (selbst) gesagt hat: „O ihr Kinder Israels, betet
Allah an, meinen Herrn und euren Herrn.“ Wer Allah Götter zur Seite stellt, dem hat
Allah den Himmel verwehrt, und das Feuer wird seine Wohnstatt sein. Und die Frevler
sollen keine Helvet finden.
73. Fürwahr, ungläubig sind, die da sagen: „Allah ist der Dritte von Dreien“; es gibt
keinen Gott als den Einigen Gott. Und wenn sie nicht abstehen von dem, was sie sagen,
wahrlich, so wird die unter ihnen, die ungläubig bleiben, eine schmerzliche Strafe ereilen.
Dem einen und einzigartigen Gott weitere Gottheiten zur Seite zu stellen, wird daher als die
schwerste Sünde wahrgenommen, die nicht wieder gutzumachen ist.
Sure 4/48
48. Wahrlich, Allah, wird es nicht vergeben, daß Ihm Götter zur Seite gestellt werden;
doch vergibt Er das, was geringer ist als dies, wem Er will. Und wer Allah Götter zur Seite
stellt, der hat wahrhaftig eine gewaltige Sünde ersonnen.
Der exklusive Glaube an den einzigen Gott, der als stets tätiger Schöpfer, Fürsorger und
Richter wahrgenommen wird, ist die Mitte des Islams. Von den drei monotheistischen Religio13 Zu diesem Kapitel siehe Figl, Johann (2003): Handbuch Religionswissenschaft. Innsbruck: Verlagsanstalt Tyrolia,
S. 554f.
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nen mit abrahamitischem Ursprung wird der Islam häufig als diejenige Religion bezeichnet, die
am stärksten die Einheit Gottes akzentuiert.
Der deutsche Theologe und Wissenschaftler Reinhard Leuze (geb. 1943) setzt in seinem Werk
Das Christentum. Grundriss einer monotheistischen Religion die christliche Religion in Beziehung zum
Islam und zum Judentum, wobei der Akzent auf der gemeinsamen monotheistischen Problematik liegt. Dabei wird hauptsächlich das Verhältnis zwischen Transzendenz und Offenbarung zu
Sprache gebracht, das der Autor als maßgeblich bei der Bildung einer monotheistischen Religion
betrachtet.
B ibliografie
Leuze, Reinhard (2010): Das Christentum. Grundriss einer monotheistischen Religion. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 19–43.
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7. Monotheistische Gottesverehrung in Religionen mit nicht
abrahamitischem Ursprung und in Neuen Religionen
Generell wird der Begriff „monotheistische Religionen“ häufig nur auf die sog. abrahamitischen
Religionen, d. h. auf Judentum, Christentum und Islam bezogen. Monotheistische Gottesverehrung findet man allerdings in vielen anderen Religionen. Ein Beispiel für ältere Religionen
mit monotheistischem Gottesverständnis sind etwa der Zoroastrismus mit der monotheistisch
wahrgenommenen Gottheit Ahura Mazda, oder die Sikh-Religion. Deutlich monotheistische
Ausprägung weisen auch manche neureligiöse Bewegungen auf, wie etwa die auf den Islam zurückgehende Bahā’ī-Religion.
Zoroastrismus: vom Polytheismus zur monotheistischen Gottesverehrung
Der Zoroastrismus illustriert zugleich ein interessantes Beispiel des Entwicklungsweges vom
Polytheismus zum Monotheismus, der von externen Einflüssen geprägt wurde. Die Wirkung des
Stifters dieser Religion, Zarathustra, fällt wohl in die zweite Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.,
obwohl die Lebensdaten nur mit Vorbehalt als gesichert gelten können. Die Lehre, die sich zunächst im Ostiran entwickelte, verbreitete sich seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. in den medischen
Bereich im Westiran, später dann auch im Achämenidenreich.14 Die politische Expansion der
Achämeniden bewirkte eine schnelle Ausweitung des Wirkungsgebiets des Zoroastrismus, sodass auch die historischen Grundlagen für Kontakte zum nachexilischen Judentum gelegt wurden. Bereits in ihren Anfängen entwickelte die Religion stark dualistische Züge: Zarathustra
greift ältere indo-iranische Vorstellungen auf, strukturiert sie allerdings völlig um. Er deutet die
in seiner Umwelt weitgehend synonyme Begriffe ahura- (Herr) und daeuua- (Gott) um, indem er
die Ahuras, mit Ahura Mazda als zentraler Gestalt an der Spitze, als positive Gottheiten betrachtet, die Daevas dagegen zu negativen Gottheiten (Dämonen) herabstuft. Diese zwei Gruppierungen stehen in einer unversöhnlichen Opposition zueinander, ergeben ein klar dualistisches Bild.
In den Anfangsperioden der Religion ist zwar Ahura Mazda die zentrale Gottheit, er ist aber
durchaus nicht der einzige Gott. Er wird als Anführer von positiven geistigen Wesen definiert,
mit denen er zusammen eine Gesamtheit (Siebenergruppe – Amesha Spentas) bildet. Daneben
gibt es noch andere Gottheiten, Yazatas, die auf altindische Vorbilder zurückgehen. Als Zarathustras’ Kontrapart tritt dabei die Gottheit Angra Mainyu auf, um die sich eine Schar von
Dämonen sammelt, die zusammen mit ihm gegen die gute Schöpfung einwirken. Für die frühe
Entwicklungsphase ergibt sich also ein durchaus polytheistisches Bild der zoroastrischen Religion. In gewisser Hinsicht könnte man sie als eine Art Monolatrie definieren, in der Ahura Mazda
immer eine dominierende Position und zunehmend vergeistigte Züge annimmt. Diese Entwicklungstendenz stellte einen idealen Ausgangspunkt zur Entfaltung der monotheistischen Gottesverehrung dar, die sich schließlich in Reaktion auf den islamischen Monotheismus durchsetzte.
Ahura Mazda wurde zur einzigen Gottheit im Zoroastrismus erklärt: Die geistigen Wesen, die
sich anfangs um ihn als selbständige Gottheiten sammelten, werden zu abstrakten Eigenschaften
des einzigen Gottes uminterpretiert, die Yazatas dann zu Engeln umgedeutet, gleichfalls in Anlehnung an islamische Vorstellungen. In der Forschung wurde sogar die Möglichkeit in Betracht
gezogen, dass es in bestimmten Zeitperioden Wechselbeziehungen zwischen dem zoroastrischen
Gotteskonzept und dem Jahwe-Kult gegeben haben könnte.
Die Bahā’ī-Religion als Beispiel einer monotheistischen religiösen
Neubewegung
Als „monotheistisch“ können auch mehrere neureligiöse Bewegungen bezeichnet werden, die allerdings meistens auf eine der „alten“ Religionen zurückgehen. Ein kennzeichnendes Beispiel ist
etwa die Bahā’ī-Religion, die sich aus dem Islam heraus entwickelte. Die Ausgangsform dieser
14 Es handelt sich um eine altpersische Dynastie.
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Religion war der sog. Babismus, benannt nach Sayyid Ali Muhammad aus Shiraz (1819–1850),
der sich zum Bāb (arab. Tor) erklärte. Er verstand sich lediglich als Mittler zu Māhdi, dem künftigen Retter, an dessen Ankunft die Muslime glauben. Die von ihm initiierte Bewegung wurde
allerdings entschieden bekämpft, er selbst wurde hingerichtet. Die formelle Trennung der neuen
Bewegung vom Islam erfolgte bereits im Juli 1848. Einer seiner ersten Anhänger, Mirza Husayn
Ali Nuri (1817–1892), ging in der Hervorhebung seiner eigenen Person noch weiter: Nach einer
Offenbarung im Jahre 1863 erklärte er sich für den vom Bāb „verheißenen aller Religionen“ und
gab sich den Namen Bahā’u’llāh (Glanz Gottes). Allerdings konnte er erst nach relativ heftigen
Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Subh-i-Azal, der ursprünglich vom Bāb vorgesehen
war, zum Oberhaupt der Gemeinde erklärt werden. Nach dem Ehrentitel Bahā’u’llāh wurde die
neue Religion benannt. Nach seinem Tod hat die Leitung der Gemeinschaft sein Sohn Abbas Effendi übernommen, der den Titel Abdu’l-Bahā trug. Nachdem dieser nach der Jungtürkischen
Revolution 1908 aus der Gefangenschaft entlassen wurde, hat er zahlreiche Reisen nach Europa
und in die USA unternommen, so dass sich die neue Religion schnell verbreiten konnte.
Die Anhänger dieser neureligiösen Bewegung gehen von einem Universalprinzip aus, nach dem
die Menschheitsgeschichte in großen Zyklen verläuft. Der jetzige Universalzyklus begann mit
Adam und schließt alle Hochreligionen ein. An ihn knüpft der Bahā’ī-Zyklus mit seinen Zentralgestalten Bāb und Bahā’u’llāh an. Abraham, Moses, Zarathustra, Jesus, Mohamed haben Religionen gegründet, die lediglich Aspekte einer einzigen Religion darstellen. Sie haben ihren Ursprung in dem einzigen Gott und widerspiegeln nur auf verschiedene Weise die Wahrheit. Daher
gibt es keinen Unterschied zwischen den Religionen. Auf diese Annahme gründet sich die streng
monotheistische Gottesvorstellung der Bahāi. Es wird an die Existenz und die Einheit eines
persönlichen Gottes geglaubt, der unerkennbar und unerreichbar ist, Quell aller Offenbarung,
ewig, allwissend, allgegenwärtig und allmächtig. Obgleich das vollständige göttliche Wesen dem
Menschen verborgen bleibt, offenbart sich Gott dem Menschen in verschiedenen Manifestationen. Die Schöpfung wird dabei als ein kontinuierlicher Gnadenakt Gottes interpretiert, in dem
die Liebe die stärkste Triebkraft darstellt.
B ibliografie
Figl, Johann (1993): Die Mitte der Religionen. Idee und Praxis universalreligiöser Bewegungen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 79–89.
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Vzniklo v rámci projektu č. CZ.1.07/2.2.00/15.0320 řešeného na Katedře germanistiky Filozofické fakulty Univerzity
Palackého. Sazba a grafická úprava: Jaromír Czmero; grafická úprava obálky: Veronika Opletalová, s použitím fotografií
Jiřího Kolomazníka a Jana Lachnita, s laskavým souhlasem Arcibiskupství olomouckého. Olomouc 2013.
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