Blenden uns die üppigen Bestände?

Werbung
Ackerbau
Blenden uns die
üppigen Bestände?
Der milde Winter und das trocken-warme Frühjahr haben
zu einer frühen Entwicklung
geführt. Das Wetter hat aber
auch für Probleme gesorgt.
Die Ernte könnte enttäuschen.
Warmer Boden:Zweifelsohne hat uns
das wüchsige Wetter viel Positives beschert, unter anderem auch eine frühe
Saat und meist einen guten Start von
Rüben, Kartoffeln und Mais. Die trockenen Böden konnten sich schnell erwärmen. Das trieb die Entwicklung vor
allem der Winterungen zügig voran.
Wegen des guten Wurzelwerks reichte
das Wasser für die Kulturen meist aus.
Die Wurzeln konnten die aufkonzentrierten Nährstoffe im vorhandenen Bodenwasser gut erschließen.
Die trocken-milde Witterung hat
aber auch für einige Probleme gesorgt –
offensichtliche, aber auch verborgene.
So hat die frühe Entwicklung die Düngeplanung und damit die Steuerung der
Ertragsbildung durcheinander gebracht.
Die Spätdüngung musste z. B. deutlich
früher fallen als sonst.
Robuster Ölrettich:Der milde Winter
hat zudem dafür gesorgt, dass Zwischenfrüchte nicht abgestorben sind. Auch der
Einsatz von Glyphosat reichte bei einigen nicht aus. Vor allem Ölrettich zeigte
sich äußerst robust und ärgerte vor allem
Kartoffel-, Rüben- und Maisanbauer, die
sich zum Teil gezwungen sahen, den
Pflug anstelle des Grubbers einzusetzen.
68
top agrar 6/2014
Foto: Dr. Kropf
E
in milder Winter und ein sehr warmes, trockenes Frühjahr haben uns
in diesem Jahr eine um bis zu drei
Wochen frühere Entwicklung der Bestände beschert. Trockenheit und hohe
Temperaturen hielten in diesem Frühjahr bis Ende April/Anfang Mai an (siehe
Übersicht). Dann kam die Trendwende:
Es kühlte sich ab und vielerorts kamen
die ersehnten Niederschläge. Doch nicht
alle profitierten davon, weil die Niederschläge zum Teil auf engem Raum sehr
unterschiedlich fielen.
Oben top, unten faule Füße: Weizen in Schleswig-Holstein mit erkrankter Halmbasis.
Zudem fehlte die „gnädige“ Wirkung
der Frostgare auf die Bodenstruktur. Ein
Glück war, dass sich die trockenen Böden zügig erwärmten. Das förderte die
Wurzelentwicklung. So haben Raps-,
Gerste- und Roggenwurzeln selbst den
harten Boden „aufgesprengt“.
Gelbrost wie nie!Auch wenn es zu-
nächst den Anschein hatte, dass die trockene Witterung das Infektionsrisiko
mit Pilzkrankheiten hemmte, zeigte sich
im Verlauf der Saison, dass auch diese
Witterung ihre Tücken hat: Gelbrost
schlug bei Weizen in einem bislang
kaum gesehenen Ausmaß ungewöhnlich
früh zu (s. Seite 62 dieser Ausgabe). Die
warme Witterung, mastige Bestände,
kühle Nächte und Taubildung ließen die
Gelbrost-Infektionen im ganzen Land
explodieren. Wer nicht schnell genug
reagierte oder auf Mini-Mengen gesetzt
hatte, dem liefen die Infektionen davon.
Drei Spritzungen mit voller Menge waren vielerorts notwendig. Ertragsausfälle
wegen verpasster Spritzungen oder zu
geringer Wirkung sind zu erwarten.
Auch Septoria sorgte regional für Probleme. Infektionsfähige Fruchtkörper
blieben lange auf den Blättern und sorgten für einen Dauerinfektionsdruck.
Die Weizenbestände präsentieren sich
sehr unterschiedlich von Nord bis Süd.
Während sich die Frühsaaten über Winter üppig entwickelten, blieben spät gesäte Bestände (z. B. Rübenweizen) eher
„dünn“. Manche Bestände könnten noch
für böse Überraschungen sorgen. Weizen
hat aufgrund seiner üppigen Entwicklung eine sehr große Assimilationsfläche
und zum Teil kräftige Triebe gebildet.
Faule Füße bei Weizen:Doch das
Ganze steht wohlmöglich auf schwachen Füßen. Denn das Wurzelwerk des
Weizens ist zum Teil nur schlecht ausgebildet. Im Norden geben zudem parasitär erkrankte Halmbasen (Komplex aus
Rhizoctonia, Fusarium, Umfall-Krankheitserreger) Anlass zur Sorge. Die pilzlichen Erreger haben sich im milden
Winter vor allem am unterirdischen Teil
der Halmbasen breit gemacht. Zu erkennen sind die Infektionen an den Verbräunungen des Halmgrundes. Fungizidmaßnahmen konnten die Halmbasis
dort nicht erreichen und daher keine
Wirkung erzielen. Aufgrund der schwachen Wurzelstabilität und der Hebelwirkung, die sich auf die üppige oberirdische Entwicklung des Weizens auswirken, befürchtet Pflanzenbauexpertin
Dr. Ute Kropf, Fachhochschule Kiel,
dass es zu Lager kommen könnte.
Im Süden rechnet Dr. Josef Freundorfer, Amt für Landwirtschaft Deggen-
dorf/Niederbayern eher damit, dass die
früh gesäten Weizenbestände nach Vorfrucht Kartoffeln unter der Witterungssituation in diesem Jahr enttäuschen
könnten. Bleibt es feucht, könnten sie
aufgrund ihrer mastigen Entwicklung
ins Lager gehen. Sollte das Wasser wieder knapp werden, sieht er dünnere Bestände eher im Vorteil, weil sie eine bessere Kornausbildung erwarten lassen.
sorgfältigem Pflanzenschutz ließen sich
die Probleme im Griff halten.
„Bombige“ Rapsbestände:Raps prä-
sentiert sich sehr gut, doch ist man bei
dieser Pflanze erst wirklich schlauer,
wenn sie geerntet ist. Die tiefgelbe Blüte
zeugte davon, dass der Raps genug
Schwefel aufnehmen konnte. Allerdings
zog sich die Blüte z. B. im Norden recht
lange (über 35 Tage) hin, wie Dr. Kropf
berichtet. Sie befürchtet, dass eine plötzliche Abreife problematisch werden
könnte, weil Schoten und Körner an einer Pflanze sehr unterschiedlich weit
entwickelt sind. Hohe Verluste durch
Ausfall der älteren Körner und noch unreife Körner wären die Folge.
In langen Sorten ist möglicherweise
mit Lager zu rechnen. „Ungebremste
Bestände sind teils über 2 m lang geworden“, so die Beobachtung von Tobias
Schulze Bisping, Berater der LWK Nordrhein-Westfalen. „Wer Fungizide früh
eingesetzt hat, lag damit genau richtig.“
Das Sklerotinia-Risiko ist schwer einzuschätzen. Befall zeigt sich erst zur Ernte,
wenn Stängel weiß werden.
Bei Rüben und Mais ist noch alles
drin. Sie sind früh und gut in die Erde
gekommen. -mb/hm-
Glück mit Gerste?Der Gerste geben
Berater von Nord bis Süd eher gute
Chancen auf durchschnittliche bis sogar überdurchschnittliche Erträge. Sie
ist mittlerweile züchterisch bedingt mit
einem besseren Wurzelwerk ausgestattet als der Weizen und wegen der frühen Trockenheit sind die Wurzeln in
die Tiefe gegangen. Konnte sie sich gut
mit Wasser und Nährstoffen versorgen,
hat sie sehr früh die Ähren geschoben.
Kühlere Temperaturen bremsten die
Entwicklung allerdings etwas, doch sind
dies eher günstigere Bedingungen für
eine gute Einkörnung. Dominierende
Krankheit war der Zwerg­rost und zum
Teil auch Rhynchosporium und Netzflecken. Hier war der Infektionsdruck
zum Teil so hoch, wie ihn manche Experten noch nie gesehen haben. Bei
Wenig Niederschläge im Frühjahr 2014
47 42
26 53
58 49
Schleswig-Holstein
34 44
18 55
53 52
Niedersachsen
16 33
10 40
33 43
Sachsen-Anhalt
47 58
15 71
41 62
Nordrhein-Westfalen
41 52
13 62
45 59
Hessen
58 57
10 64
30 57
Rheinland-Pfalz
15 33
20 36
32 41
Brandenburg
10 43
30 47
37 57
Sachsen
61
18
46
68
70
78
Baden-Württemberg
2014 1961– 1990
mm Nieder- % 30-jähriger Ø
schlag
Februar
März
April
Grafik: Orb
25 58
25 62
44 70
Bayern
72
79
64
Saarland
24 44
11 52
43 58
Thüringen
Vor allem im
März war es
fast überall viel
zu trocken.
Bundesweit fiel
nach Angaben
des Deutschen
Wetterdienstes
mit durchschnittlich
18 mm Regen
je m2 nur rund
ein Drittel der
sonst üblichen
Menge von
57 mm/m2.
Quelle: DWD
108
12
21
27 31
20 41
38 42
Mecklenburg-Vorpommern
top agrar 6/2014
69
Herunterladen