Typ 1-Diabetes: Neuer Risiko-Test kann Erkrankungsgefahr bei

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Typ 1-Diabetes: Neuer Risiko-Test kann
Erkrankungsgefahr bei Kleinkindern vorhersagen
Berlin, Oktober 2012 – Deutsche Diabetesforscher haben einen Risiko-Test
entwickelt, der bereits im Neugeborenenalter eine Erkrankung am Typ 1Diabetes vorhersehbar macht. „Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den
Ausbruch eines Typ 1-Diabetes vielleicht künftig verhindern zu können“,
erklärt Professor Dr. med. Stephan Matthaei, Präsident der Deutschen
Diabetes Gesellschaft (DDG). Gelingen könnte dies möglicherweise mithilfe
einer Impfung, an der Forscher derzeit arbeiten.
Kinder, deren Eltern oder Geschwister an Typ 1-Diabetes erkrankt sind, haben ein
durchschnittliches Risiko von fünf Prozent, einen Diabetes zu entwickeln – das
Risiko in der Allgemeinbevölkerung beträgt 0,3 Prozent. Eine Vorhersage, welches
Kind aufgrund der erblichen Belastung erkrankt, war bisher allerdings nicht
möglich.
Durch den Erbgutvergleich von Gesunden und Menschen mit Typ 1-Diabetes
haben Forscher in den zurückliegenden Jahren ein Dutzend wichtiger Risikogene
entdeckt. „Jede einzelne Genvariante steigert das Erkrankungsrisiko jedoch nur um
wenige Prozentpunkte“, erläutert Professor Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler vom
Institut für Diabetesforschung in München. Um die Genauigkeit der Vorhersage zu
erhöhen, hat das Münchener Forscherteam daher alle zwölf Risiko-Gene in einem
Test zusammengefasst. Er vergibt für jede Genvariante einen Risikopunkt. Da die
Gene im menschlichen Erbgut doppelt vorhanden sind, kann ein Patient bei dem
Risiko-Score maximal 24 Punkte erreichen.
„Wir haben den Score an den Teilnehmern einer Langzeitstudie getestet“, erklärt
Anette-Gabriele Ziegler. Die BABYDIAB-Studie beobachtet seit 1989 mehr als 1650
Kinder von Eltern mit Typ 1-Diabetes von Geburt an über einen Zeitraum von
inzwischen zwanzig Jahren. Resultat: Bei einem Score von mehr als 15 Punkten und
dem Nachweis bestimmter HLA-Merkmale – einem seit längerem bekannten
genetischen Risiko – entwickelte jedes vierte Kind vor dem 14. Lebensjahr einen
Typ 1-Diabetes. Von den Kindern mit einem Risiko-Score unter 12 Punkten
erkrankte kein einziges Kind, wie die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift Genes and
Immunity berichten. Der Test kann bereits im Neugeborenenalter durchgeführt
werden, die Experten benötigen dafür lediglich eine Blutstropfen aus der Ferse.
„Die Vorhersage zu einem so frühen Zeitpunkt wäre in der klinischen Routine
allerdings nur sinnvoll, wenn wir den Ausbruch der Krankheit stoppen könnten“,
sagt DDG-Pressesprecher Professor Dr. med. Andreas Fritsche aus Tübingen. Dies ist
beim Typ 1-Diabetes, der zu den Autoimmunerkrankungen gehört, derzeit noch
nicht möglich. Die Krankheit ist Folge eines Angriffs des Immunsystems auf die
Insulin produzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. „Damit dies nicht
passiert, müssten die Kleinkinder dauerhaft Medikamente nehmen, die das
Immunsystem auch in Bereichen wie der Abwehr von Krankheitserregern
schwächen“, erklärt Fritsche.
Die Forschung geht deshalb in eine andere Richtung. Mit einer „Impfung“ soll
verhindert werden, dass das Immunsystem die Beta-Zellen als feindlich einstuft und
attackiert. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Ezio Bonifacio vom DFGForschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und um AnetteGabriele Ziegler in München erproben derzeit zwei Impfvarianten, bei denen Kinder
mit einem hohen Diabetes-Typ-1-Risiko Insulin entweder in Form von Pulver mit
der Nahrung (Pre-POINT-Studie) oder als Nasenspray (INIT II-Studie) erhalten. „Ziel
dieser Impfstrategie ist, das kindliche Immunsystem ans Insulin zu gewöhnen,
damit der zerstörerische Angriff auf die Beta-Zellen möglichst lange unterbleibt“,
erklärt Ziegler. Die Münchener Forscher untersuchen darüber hinaus auch
Insulinvarianten, sogenannte Mimetope. Sie sind in der Lage, die Anzahl
regulatorischer Lymphozyten zu steigern, an denen es beim Typ 1-Diabetes in der
Regel mangelt – mit dem Resultat, dass im Tierversuch die Entwicklung eines Typ 1Diabetes komplett verhindert werden konnte.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz sind genetisch modifizierte Darmbakterien.
„Sie sondern bestimmte Proteine im Darm ab, die das Ungleichgewicht im
Immunsystem beseitigen und dafür sorgen, dass die Beta-Zellen wieder normal
Insulin produzieren“, erklärt Anette-Gabriele Ziegler. Ein Team um Professor Dr.
med. Chantal Mathieu von der Universität Leuven in Belgien konnte auf diese Weise
kürzlich bei Mäusen die Zerstörung der Beta-Zellen verhindern. Die Impfung
stoppte sogar einen beginnenden Typ 1-Diabetes in 60 Prozent der Fälle, wie eine
Studie belegt. „Ob dies auch beim Menschen gelingt, bleibt abzuwarten“, sagt
Matthaei.
Quellen:
BABYDIAB-Studie
www.helmholtz-muenchen.de/idf1/arbeitsgruppen/typ-1-diabetes-
kohorten/babydiab/index.html
Winkler C, Krumsiek J, Lempainen J, Achenbach P, Grallert H, Giannopoulou E, Bunk M,
Theis FJ, Bonifacio E, Ziegler AG. A strategy for combining minor genetic susceptibility
genes to improve prediction of disease in type 1 diabetes.
Genes and Immunity 2012; doi: 10.1038/gene.2012.36
www.nature.com/gene/journal/vaop/ncurrent/full/gene201236a.html
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