Bericht Christian Winkler Innovative Turbinentechnik für die Herausforderungen der Kleinwasserkraft Im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie ergeben sich ganz neue Herausforderungen an die Turbinentechnik für Kleinwasserkraftwerke Das nachfolgend beschriebene Turbinen-Generatorkonzept wird darüber hinaus Belangen wie Ökologie, Denkmalschutz und Geräuschfreiheit voll gerecht werden. Integriertes TurbinenGeneratorkonzept Diese Entwicklung wurde vor allem für niedrige Gefälle von zwei bis 25 Meter konzipiert. Die hervorstechenden Merkmale sind Drehzahlvariation und durch die direkte Verbindung des Permanent Magnet Generators mit der Turbinenwelle die äußerst kompakte Bauform. Der einfache Aufbau dieses getriebelosen Antriebs zusammen mit der verschleißfreien Dichtung und wartungsfreien Lagerung ermöglicht im Wesentlichen die hohe Effizienz und höchste Verlässlichkeit. Der bauliche Aufwand für das gesamte Kraftwerk reduziert sich erheblich. Die kompakte Turbinen-Generator-Einheit wird vollständig überspült und kann sehr flexibel in das vorhandene Umfeld integriert werden (Bild 1). Fischfreundliches Kleinwasserkraftwerk Der Aufstieg der Lebewesen muss mit einer modernen und standortspezifischen Aufstiegsanlage sichergestellt werden. Der Abstieg der Lebewesen wird durch ein speziell entwickeltes Einlaufsystem ermöglicht, in welchem standortspezifische Abstiegsöffnungen integriert sind. Der Schutz der Lebewesen durch ein standortspezi­ fisches Feinrechensystem ist unumgänglich und schon jetzt absolut üblich. Bild 1: DIVE-Turbine während der ersten Wasserfüllung WasserWirtschaft 11 | 2014 Diese Punkte werden durch die zuständigen Bauingenieure und Lieferanten von Stahlwasserbau Komponenten schon jetzt sichergestellt, jedoch stellt sich bei herkömmlichen Turbinen noch die Problematik, dass die kleineren Fische und Lebewesen, welche durch den Feinrechen in die Turbinenkammer gelangen und somit durch die Turbine vom Oberwasser in das Unterwasser absteigen müssen, einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind. Mit einer drehzahlvariablen Turbine wird es ermöglicht, ein fischfreundliches Kleinwasserkraftwerk zu realisieren. Die DIVE-Turbine weist bauartbedingt die ­Eigenschaften auf, das Risiko für Fische und andere Lebewesen deutlich zu reduzieren. Durch die drehzahlvariable Turbine erhöht sich die Überlebenswahrscheinlichkeit kleinerer Fische signifikant, Besonders im Teillastbereich bei reduzierter Drehzahl verringert sich das Gefährdungspotenzial wesentlich im Vergleich zu einer Kaplan Turbine mit fester Synchrondrehzahl und verstellbaren Laufradflügeln. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kaplanturbinen weist eine drehzahlvariable Turbine mit ihren feststehenden Laufradflügeln überhaupt keine Spalte auf. Somit geht von dem Laufrad keine Gefahr für die Fische aus, ein echter “Minimum Gap Runner“. Die Drehzahlanpassung bietet den erheblichen Vorteil gegenüber der Laufradverstellung. Ein normales Laufwasserkraftwerk (kein Speicherkraftwerk) wird an vielen Tagen im Jahr mit reduzierter Wassermenge betrieben. Um einen möglichst hohen Wirkungsgrad sicherzustellen, ist es notwendig, die Turbine an diese 43 Bericht anlage, ein Kraftwerk zu integrieren. Da im Rahmen der Fischwechselanlage erhebliche Baumaßnahmen notwendig und verschiedenste Firmen an dem Vorhaben beteiligt waren, hat sich die im Werk des Herstellers vollständig vormontierte und getestete Turbinen-Generator-Einheit als deutlicher Vorteil herausgestellt. Somit ist es möglich, die Energie der Lockströmung zu nutzen und die Versorgung von ca. 250 Haushalten zu sichern (Bild 2). Dotierturbine: Wasserkraftwerk Bruckhäusl Bild 2: DIVE-Turbine während der Einbringung an der Fischwechselanlage Koblenz schwankenden Wassermengen anzupassen. Eine Standardturbine wird, auch bei reduzierter Wassermenge, immer mit max. Drehzahl (Netz-Synchrondrehzahl des Generators) betrieben. Um bei Teillast einen maximal möglichen Wirkungsgrad sicherzustellen, schließt die Kaplan Turbine das Laufrad (Flügelverstellung) bei gleichzeitig maximaler Drehzahl. Daraus resultiert ein sich verkleinernder Abstand zwischen den einzelnen Laufradflügel, bei gleichzeitig konstant hoher Drehzahl. Dieses „Teillastverhalten“ der Kaplan Turbine stellt ein erhebliches Risiko für die ­Fische dar. Im Gegenteil dazu wird bei einer ­DIVE-Turbine die Drehzahl im Teillastbetrieb dynamisch reduziert, bei immer vollgeöffnetem Laufrad. So geht an vielen Tagen das Gefährdungspotenzial für ­Fische gegen Null. fe dieser Lockströmung ist es den verschiedenen Fischarten möglich, den Einstieg in die Fischwechselanlage zu finden. Um eine ausreichende Lockströmung zu erzeugen, waren 5 000 l/s nötig. Davon werden nur 700 l/s im Fischpass für den eigentlichen Aufstieg benötigt. Um die restliche Wassermenge und die vorhandene Fallhöhe zu nutzen, wurde ein integriertes Turbinen-Generatorkonzept eingesetzt. Denn nur mit Hilfe dieser kompakten Turbinen-Generator-Einheit ist es möglich, selbst bei den beengten Platz­ verhältnissen im Bereich der Fischwechsel­ Auftraggeber: TIWAG – Tiroler Wasserkraft AG Inbetriebnahme: September 2011 Fallhöhe: 9,00 – 10,00 m Laufrad Durchmesser:1150 mm Nennleistung: 3 89 kW (NettoEinspeiseleistung) Am Fuße des Schlosses Itter an der Brixentaler Ache ersetzte die TIWAG zwei schon 100 Jahre alte Wasserkraftwerke. Das neue Kraftwerk Bruckhäusl wird mit 15,8 Millionen Kilowattstunden pro Jahr fast doppelt so viel Strom erzeugen wie die beiden alten Anlagen zusammen. Im Rahmen dieser Kompletterneuerung ist das Wehrbauwerk ebenfalls neu errichtet worden. Die abzugebende Restwassermenge wird durch eine sogenannte Dotierturbine direkt am Wehr genutzt und ins Mutterbett abgegeben. Somit wird sichergestellt, dass immer eine ausreichende Wassermenge im Mutterbett vorhanden ist, um den Lebensraum zu erhalten. Das Dotierkraft- Lockstromturbine: Wasserkraftwerk Koblenz Auftraggeber: RWE Power AG Inbetriebnahme: Dezember 2011 Fallhöhe: 4,50 – 5,70 m Laufrad Durch­messer:1080 mm Nennleistung: 190 kW (NettoEinspeiseleistung) Um den Fischaufstieg an der Moselstufe Koblenz zu gewähren, haben Ende 2011 die Arbeiten an einer modernen Fischwechselanlage begonnen. Der Fischaufstieg von verschiedenen Fischarten konnte nur ermöglicht werden, indem eine Lockströmung erzeugt wird. Nur mit Hil44 Bild 3: Dotierkraftwerk integriert in Wehr- und Uferbauwerk WasserWirtschaft 11 | 2014 Bericht Anzeige Bild 4: DIVE-Turbine mit 900 kW installiert in der Turbinenkammer werk konnte auf Grund der kompakten Bauform der DIVE-Turbine direkt in die Uferböschung integriert werden (Bild 3). Leistungssteigerung durch Moder­ni­sie­ rung und hydraulische Opti­mie­rung: Wasserkraftwerk Guilhot Auftraggeber: Ondulia Inbetriebnahme: Januar 2014 Fallhöhe: 10,50 m Laufrad Durchmesser:1450 mm Nennleistung: 3 x 900 kW (NettoEinspeiseleistung) Über einen sehr kurzen Zeitraum von ca. 12 Monaten wurden drei Francis-Turbinen durch drei integrierte Turbinen-Generator-Einheiten ersetzt. Die Vorgaben des Kunden hatten zum Ziel das historische Kraftwerksgebäude zu erhalten, gleichzeitig den Jahresertrag und die installierte Leistung deutlich zu steigern. Dies wurde zum einen durch eine Steigerung der Effizienz und zum anderen durch eine Steigerung der Nutzwassermenge erzielt. Dabei hat sich ausgezahlt, dass die Drehzahlvariation insbesondere bei Teillast und reduzierter Fallhöhe sehr gute Wirkungsgrade erzielt. Die eigentliche Herausforderung bestand darin, unter Verwendung der alten Bausubstanz die WasserWirtschaft 11 | 2014 Nutzwassermenge der Turbinen signifikant zu erhöhten. Es war von Beginn an abzusehen, dass es hier zu Einschränkungen kommen kann. Somit wurde nach ersten Testläufen die gesamte Einlaufsituation mit CFD-Berechnungen untersucht und geeignete Maßnahmen vorgeschlagen. Geschickt und mit wenig Aufwand wurden Leitbleche und sogenannte Deflektoren eingebracht. Dies steigerte in allen Betriebsbereichen der Anlage die Leistung erheblich. Die bei ersten Versuchen aufgetretenen Erscheinungen wie Vortex und die damit verbundenen Vibrationen waren beseitigt. Für den Betreiber konnten erheblichen Kosten und Risiken vermieden werden Ein Abriss und Neubau waren nicht notwendig. Die deutliche Leistungssteigerung der Gesamtanlage erfreute den Kunden sehr (Bild 4). Autor Christian Winkler c/o DIVE Turbinen GmbH & Co. KG Am Grundlosen Brunnen 2 63916 Amorbach [email protected] [email protected] www.dive-turbine.de 45