Methoden zur Optimierung einer EZR

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Methoden zur Optimierung einer
EZR-Ionenquelle auf die Produktion
hochgeladener Ionen
Dissertation
Zur Erlangung des Grades eines Doktors
der Naturwissenschaften an der Fakultät
für Physik und Astronomie der
Ruhr-Universität Bochum
von
Achim Nadzeyka
aus Düsseldorf
(2002)
Inhalt
1 Einleitung und Motivation .................................................................................................. 4
2 Experiment ........................................................................................................................... 7
2.1 Ionenquelle ECRIS 2 ....................................................................................................... 8
2.2 Die Ionenquelle ECRIS 3 in Groningen........................................................................ 17
3 Modelle und Methoden...................................................................................................... 19
3.1 Konventionelle Optimierung einer EZR-Quelle und physikalische Grundlagen .......... 20
3.2 Gasmischungseffekt und Ionenkühlungsmodell ............................................................ 23
3.3 „Biased disk“ und Sekundärelektronenemission .......................................................... 26
3.4 Pulsbetrieb im „Afterglow“ .......................................................................................... 28
3.5 Sonstige Methoden ........................................................................................................ 30
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2 ....................................................................... 32
4.1 Zusammenhang zwischen den extrahierten Ionenströmen und den Ionendichten im
Plasma................................................................................................................................... 33
4.2 Gasmischung ................................................................................................................. 38
4.2.1 Gasmischungseffekt in der ECRIS 2 ....................................................................... 40
4.2.2 Plasma-Wand-Wechselwirkung in der ECRIS 2..................................................... 42
4.2.3 Wasserstoffanomalie ............................................................................................... 46
4.3 Vorspannen der Endplatte („biased disk“)................................................................... 52
4.3.1 Effekt der vorgespannten Endplatte in der ECRIS 2............................................... 52
4.3.2 Abschätzung der Elektronenemission ..................................................................... 54
4.3.3 Spannungsabhängigkeit der Ionenströme und VUV-Linienintensitäten ................. 57
4.3.4 Spektroskopische Elektronendichtemessung........................................................... 60
4.3.5 Simon Diffusion ...................................................................................................... 63
4.4 Betrieb im „Afterglow“-Modus..................................................................................... 67
4.4.1 Optimierung des Afterglowpeaks ............................................................................ 67
2
Inhalt
4.4.2 Zeitaufgelöste Messungen von Ionenströmen und VUV-Intensitäten im
Afterglowbetrieb ................................................................................................................ 69
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow ..................................................................... 75
5.1 Modell der Ionenheizung im Afterglow......................................................................... 76
5.2 Ionenheizung im Afterglow der ECRIS 3 ...................................................................... 77
6 Isotopenanomalie ............................................................................................................... 81
6.1 Isotopenanomalie in 15N/14N-Mischungen .................................................................... 82
6.2 Isotopenanomalie im Ionenkühlungsmodell.................................................................. 88
6.3 Isotopenanomalie durch Ionen-Landaudämpfung ........................................................ 90
7 Zusammenfassung und Ausblick...................................................................................... 99
8 Literatur............................................................................................................................ 104
Danksagung........................................................................................................................... 111
Lebenslauf ............................................................................................................................. 113
3
1 Einleitung und Motivation
Ionenquellen, insbesondere EZR-(Elektron-Zyklotron-Resonanz-)Ionenquellen haben
sich heutzutage von einem Instrument der Grundlagenforschung als Teilchenlieferant für die
Atom-, Kern- und Hochenergiephysik zu einem nützlichen Werkzeug in den verschiedensten
Anwendungsgebieten entwickelt. So gibt es beispielsweise in der medizinischen
Krebstherapie Projekte zur Tumorbehandlung mit Schwerionenstrahlen. Diese schädigen
aufgrund des vergleichsweise eng lokalisierten Energieübertrags massereicher Teilchen das
umliegende Körpergewebe außerhalb des Tumors weitaus weniger als herkömmliche
Behandlungsmethoden wie die Bestrahlung mit γ- oder Elektronenstrahlen [Kit 99]. Die
geringere Reichweite von Ionen in Materie gegenüber Elektronen oder γ-Teilchen macht
allerdings die Nutzung sehr leistungsstarker Beschleuniger erforderlich. Aus diesem Grund
können zur Zeit auch nur sehr oberflächennahe Tumore behandelt werden. Eine weitere
geplante Anwendung in der Medizin ist die Implantation radioaktiver Ionen in sog. „Stents“
zur Aufweitung von Gefäßverengungen. Mit Hilfe der eingelagerten radioaktiven Ionen mit
Halbwertszeiten von einigen Tagen bis wenige Wochen können Abstoßungsreaktionen des
Körpers vermieden werden [Feh 98].
Die wichtigsten Anwendungsfelder der EZR-Ionenquellen bieten aber immer noch die
großen Ionenbeschleuniger in der Grundlagenforschung. EZR-Quellen zeichnen sich hier
insbesondere durch ihre hohe Strahlstabilität und ihre lange Laufzeit aus. So werden
Betriebszeiten von mehreren Wochen ohne Unterbrechung erreicht. Unübertroffen ist bislang
die hohe Intensität der extrahierten Ströme von hochgeladenen Ionen, die moderne EZRQuellen liefern. Auch für den zur Zeit im Bau befindlichen „Large Hadron Collider“ (LHC)
am europäischen Forschungszentrum CERN ist kein alternativer Quellentyp in Sicht.
Die EZR-Heizung durch eine in das Entladungsgefäß eingestrahlte Mikrowelle zur
Produktion hochgeladener Ionen in einer magnetischen Falle zu nutzen wurde erstmals 1970
vorgeschlagen [Pos 70, Her 71] und 1972 von R. Geller in Grenoble [Bli 72] und K.
Wiesemann in Marburg [Ber 72] als Ionenquelle realisiert. Seitdem wurden EZR-Quellen
immer wieder in Ihrer Leistungsfähigkeit verbessert. Auch heute, fast 30 Jahre nach dem Bau
der ersten EZR-Ionenquellen, ist die technische Weiterentwicklung dieses Quellentyps nicht
abgeschlossen. Viele der heute bekannten Maßnahmen zur Erhöhung der Ausbeute
hochgeladener Ionen wurden dabei von den Quellenanwendern meist nur zufällig gefunden,
4
1 Einleitung und Motivation
ohne dass befriedigende physikalische Erklärungen für die entsprechenden Effekte gegeben
werden konnten. Beispiele für solche Maßnahmen sind der Gasmischungseffekt, der in einer
Erhöhung der Produktion hochgeladener Ionen durch Mischen mit einem geeigneten
leichteren Gas besteht, das Vorspannen der Endplatte auf der Gaseinlassseite oder die
Verwendung spezieller Wandmaterialien. Aufgrund der sehr empirischen Herangehensweise
der Quellenbauer und Anwender werden diese Maßnahmen von ihnen selbst auch meist als
„Tricks“ zur Optimierung der Quelle bezeichnet.
Das Plasma von „optimierten“ EZR-Ionenquellen ist bisher nur wenig systematisch
untersucht worden, da sich einerseits die meisten Quellen im permanenten Strahlbetrieb am
Beschleuniger oder anderer Anwendungen befinden und andererseits das Plasma aufgrund der
schwer zugänglichen Geometrie nur begrenzt diagnostizierbar ist. Ziel der vorliegenden
Arbeit war es deshalb die physikalischen Grundlagen einiger „Tricks“ der Quellenanwender
zu untersuchen. Die erforderlichen Messungen wurden dazu zum überwiegenden Teil an der
Bochumer Ionenquelle ECRIS 2 vorgenommen. Diese Quelle wurde uns als Dauerleihgabe
vom Kernfysisch Versneller Instituut (KVI) zur Verfügung gestellt und löste somit unsere
weniger leistungsfähige ECRIS 1 ab. Ein wesentlicher Teil der praktischen Arbeit war die
Wiederinbetriebnahme der seit mehreren Jahren demontierten Quelle und einige Reparaturen
an ihr.
Besonderes Augenmerk wurde bei den experimentellen Untersuchungen auf den
Gasmischungseffekt, die vorgespannte Endplatte und den Aftergloweffekt gelegt, bei dem der
extrahierte Strom nach Abschalten der Mikrowelle kurzzeitig ansteigt bevor er exponentiell
abfällt. Die von G. Shirkov vorgeschlagene selektive Ionenheizung zur Optimierung des
Afterglowpeaks [Shi 95] erwies sich als nicht vorteilhaft. Ein wichtiger Teil der Arbeit war
auch die Untersuchung der Isotopenanomalie, bei der zwei oder mehr Isotope eines Elementes
in der Entladung gemischt werden. Ähnlich wie beim Gasmischungseffekt beobachtet man
auch hier eine Verbesserung der Ladungszustandsverteilung des schweren Isotops gegenüber
dem leichten. Das sog. Ionenkühlungsmodell, welches üblicherweise zur Beschreibung der
Formierung der Ladungszustandsverteilung in ECRIS-Plasmen herangezogen wird kann diese
Beobachtungen nur ungenügend erklären. Im Rahmen unserer Untersuchungen wurde auch in
der ECRIS 2 der bereits von D. Meyer an unserer EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld
nachgewiesene parametrische Zerfall der Pumpwelle beobachtet [Mey 97, Mey 98]. Die dabei
beobachteten Zerfallsmoden im Radiofrequenzbereich können über Landaudämpfung sehr
massenselektiv Energie auf die verschiedenen Ionenkomponenten übertragen. Diese
5
1 Einleitung und Motivation
Wellenphänomene
spielen
offenbar
eine
große
Rolle
bei
der
Formierung
der
Ladungszustandsverteilung in EZR-Ionenquellen.
6
2 Experiment
Die in dieser Arbeit beschriebenen Messungen wurden in erster Linie an der Bochumer
ECRIS 2 durchgeführt. Lediglich eine dreitägige Messkampagne zur selektiven Ionenheizung
im Afterglow fand in Groningen während einer Betriebspause des Zyklotrons an der neueren
Quelle ECRIS 3 statt. Beide Quellen werden im folgenden beschrieben.
Das Kernstück unseres experimentellen Aufbaus in Bochum, die EZR-Ionenquelle
ECRIS 2, wurde uns dankenswerterweise vom Kernfysisch Versneller Instituut (KVI) zur
Verfügung gestellt. Sie löste damit unsere alte Quelle ECRIS 1 ab, die um drei
Größenordnungen geringere Ionenströme lieferte. Die in Groningen konstruierte und gebaute
Quelle diente am dortigen Zyklotron des KVI von 1990 bis 1994 als Teilchenlieferant für
atom- und kernphysikalische Stoßexperimente und war anschließend mehrere Jahre außer
Betrieb gestellt. Die Reaktivierung der Quelle erwies sich daraufhin als nicht trivial. So mußte
zum Beispiel die gesamte Peripherie wie Gaseinlass, Mikrowellenzuführung, Strahlsystem
und die Vakuumanlage inklusive Flanschen und Pumpen neu konstruiert und aufgebaut
werden. Ein Leck in der Kühlung des Resonators ließ sich erst nach einer aufwendigen
Modifizierung des Kühlsystems beseitigen. Des weiteren führten in der Anfangsphase des
Betriebs Hochspannungsüberschläge des Quellen- oder Einzellinsenpotentials häufig zu
einem Durchsteuern der Ansteuerungselektronik für die Spulenstromversorgung. Dies
verursachte mehrfach eine Beschädigung der Thyristoren in einem der beiden verwendeten
Netzgeräte und somit jeweils eine mehrwöchige Reparatur. Dieses Problem konnte
weitgehend durch den Einbau einer elektronischen Schutzschaltung gelöst werden. Die
grundlegende Geometrie der Quelle, wie Abmessungen des Entladungsgefäßes oder Abstand
der Spulensätze wurde in unserem Labor nicht mehr geändert.
7
2 Experiment
2.1 Ionenquelle ECRIS 2
Die Bochumer Ionenquelle ECRIS 2 ist eine einstufige Elektron-Zyklotron-ResonanzIonenquelle mit magnetischem Hexapol. Ihr Aufbau und ihre Peripherie werden schematisch
in Abb. 2.1 dargestellt. Charakteristisch für diese Art von Ionenquellen ist der
Plasmaeinschluß in der Überlagerung aus einem axial und einem radial nach außen
ansteigenden Magnetfeld. In der ECRIS 2 wird das axiale Feld durch zwei wassergekühlte
Spulensätze an den Enden des Entladungsrohrs erzeugt (drei Spulen auf der Gaseinlassseite,
zwei auf der Extraktionsseite). Die beiden Spulensätze sind mit zwei separaten Netzgeräten
verbunden und können deshalb asymmetrisch mit Strom versorgt werden. Das radiale Feld
wird durch die Permanentmagneten des Hexapols (NdFeB) generiert, welche in einer radial
geschlossenen Struktur um das doppelwandige Entladungsrohr angeordnet sind. Das innere
Rohr besteht aus Kupfer und besitzt einen Innendurchmesser von 70 mm und eine
Wandstärke von 3 mm. Zwischen innerem und äußerem Rohr, welches aus Aluminium
besteht, befindet sich ein Kühlwasserspalt von 1 mm Breite. Die Kühlung ist notwendig, da
bei Temperaturen über 50° C die Magnetisierung der Permanentmagnete dauerhaft abnimmt.
Das äußere Rohr dient auch als Träger für die Segmente des Hexapols. Dabei sind sechs
300 mm lange Magnetreihen so auf dem Aluminium-Rohr montiert, dass in azimutaler
Richtung Nord- und Südpol abwechselnd nach innen und nach außen zeigen (s. Abb. 2.2). Die
verbleibenden Zwischenräume werden von azimutal orientierten Magnetsegmenten
ausgefüllt.
Vom Zentrum des Plasmas nimmt das Magnetfeld demnach in alle Raumrichtungen zu
(s. Abb. 2.3). Diese sog. Minimum-B-Konfiguration bewirkt eine Stabilisierung des Plasmas
gegen MHD-Instabilitäten [Kra 86]. Eine zusätzliche Formung des Magnetfeldes wird durch
konzentrische Eisenplatten erreicht.
8
2 Experiment
VUV-SPEKTROSKOPIE
Ventil
variabler
Austrittsspalt
ECRIS 2
holographisches
Gitter (R=O,5m)
VUV-Monochromator
variabler
Eintrittsspalt
Photomultiplier
142
Ventil
Kugelreibungsmanometer
Gaseinlaß
Hochspannungsisolierung
Blendenwechsler
Gaseinlaß
Mikrowellenzuführung
UHV-Rezipient
Antenne
Cu-Resonator
Bleiabschirmung
B-Feldspulen
Hochspannungsisolierung
Hexapol
Extraktionsöffnung
Einzellinse
Zieh-Elektrode
12 0
°
Magneteingangsblende
Separationsmagnet
Faraday-Cup
10cm
Magnetausgangsblende
Gegenfeldanalysator
Abb. 2.1: Gesamtaufbau des Experimentes mit Ionenquelle ECRIS 2,
Strahlführung und VUV-Spektroskopie.
9
2 Experiment
Abb. 2.2: Querschnitt durch Entladungsrohr und
kennzeichnen die Orientierung der Magnetsegmente.
Hexapol:
Die
Pfeile
Abb. 2.3: a) Magnetfeld, gemessen entlang der optischen Achse mit den
Spulenströmen Iin = 958 A auf der Gaseinlaßseite und Iex = 562 A auf der
Extraktionsseite. b) Radiales Magnetfeld innerhalb des Hexapols, gemessen
entlang eines vollen Rohrdurchmessers.
10
2 Experiment
Die Elektronen des ECRIS-Plasmas werden durch Wechselwirkung mit einer axial
eingekoppelten Mikrowelle geheizt. Zu diesem Zweck wird ein Rechteckhohlleiter (x-Band)
ca. 3 cm abseits der Symmetrieachse auf der Gaseinlassseite ins Entladungsrohr geführt. Die
Frequenz der Mikrowelle, in unserem Fall f MW = 10,115 GHz, wird generell so gewählt, dass
auf einer geschlossenen Fläche des inhomogenen Magnetfeldes die Elektron-ZyklotronResonanzbedingung
2π ⋅ f MW = ω MW = ω ce ≡
&
e⋅ B
(2.1)
me
erfüllt ist. Dabei bezeichnen ω MW
die Kreisfrequenz der Mikrowelle und ω ce die
Gyrationsfrequenz der Elektronen mit Ladung e und Masse me an der Stelle der magnetischen
&
Induktion B . Die sog. Resonanzzone des Magnetfeldes mit Bres = ω MW ⋅ me e bildet dabei
ein geschlossenes Ellipsoid, das vollständig innerhalb des Entladungsvolumens liegen sollte
ohne die Wände zu schneiden (Bres = 0,36 T für f MW = 10,1 GHz). Die hochenergetischen
Elektronen
des
ECRIS-Plasmas
ionisieren
die
Gasatome
stufenweise
zu
hohen
Ladungszuständen.
Der Gaseinlass erfolgt in unserer Quelle durch ein Loch mit 2,2 cm Durchmesser in der
Mitte der Endplatte (Material: Edelstahl) des Entladungsgefäßes. Diese verhältnismäßig große
Öffnung wurde gewählt, um für das VUV-Spektrometer (s. Abb. 2.1) genügend Intensität zu
erhalten. Auf der Außenseite des Loches wurde ein 10 cm langes Edelstahlrohr angeschweißt,
in dem sich zwei Bleche mit kreuzförmigen Querschnitt befinden, um austretende
Mikrowellenleistung abzudämpfen. Ohne diese Maßnahme könnte bereits außerhalb des
Entladungsgefäßes ein Plasma zünden und die VUV-Messungen verfälschen. Die
Partialgasdrücke konnten ursprünglich mit Hilfe zweier motorgesteuerter Nadelventile
reguliert werden. Speziell für die Messungen zur Isotopenanomalie (Kap. 6) wurde ein drittes
Nadelventil angebaut, so dass maximal drei Gassorten gemischt werden können. Die
Endplatte auf der Gaseinlaßseite ist isoliert aufgebaut und kann separat vorgespannt werden
(s. Kap 4.2).
Extrahiert werden die Ionen durch eine Lochblende mit 8 mm Durchmesser gegenüber
des Gaseinlasses. Dazu wird an die Quelle eine positive Hochspannung angelegt, während das
Strahlsystem geerdet bleibt. Zur Hochspannungsisolierung gegen die Spulenhalterung
befindet sich das Entladungsrohr inklusive Hexapol in einem Kunststoffzylinder. Der
11
2 Experiment
Gaseinlass ist durch ein Keramikrohr und das Strahlsystem durch einen Glasstutzen isoliert.
In der Mikrowellenzuführung dient eine 0,5 mm starke Teflonfolie als Isolierung. Eine
weitere Folie dient als Vakuumfenster.
Zur
Abschirmung
der
von
den
hochenergetischen
Elektronen
generierten
Röntgenbremsstrahlung ist der Zwischenraum zwischen Hexapol und Kunststoffzylinder mit
Bleikugeln aufgefüllt. Zusätzlich ist das Strahlsystem komplett mit Bleimatten abgeschirmt.
Am Gaseinlass genügen seitlich angebrachte Bleimatten für eine hinreichende Abschirmung.
Somit ist gewährleistet, dass unter allen Betriebsbedingungen der Grenzwert der
Strahlenschutzverordnung von 7 µS/h an allen zugänglichen Stellen des Experimentes
problemlos eingehalten wird.
Die axiale Position der Ziehelektrode auf der Extraktionsseite kann über eine
Vakuumdurchführung von außen variiert werden. Für eine erste Fokussierung des
Ionenstrahls kann die Ziehelektrode separat vorgespannt werden. Zusätzlich fokussiert wird
der Strahl durch eine elektrostatische Einzellinse.
Ein 60°-Sektormagnet dient der Separation der Ionen nach Masse-Ladungs-Verhältnis
gemäß
BS =
2U Ex mi
⋅
~
R02 qe
Ai
,
q
(2.2)
wobei BS die magnetische Induktion zwischen den Polschuhen des Separationsmagneten
bezeichnet,
U Ex
die
Beschleunigungsspannung
der
extrahierten
Ionen,
R0
den
Sollbahnradius, q deren Ladungszustand und mi die Ionenmasse bzw. Ai die Massenzahl. Da
unser Magnet verhältnismäßig klein dimensioniert ist (der Abstand zwischen den Polschuhen
beträgt lediglich 3 cm), steht für den Ionenstrahl im Vakuum lediglich ein Raum mit 2,5 cm
Höhe zur Verfügung, was leider unvermeidlich zu Strahlverlusten an dieser Stelle führt. Am
Ende des Strahlsystems werden die Ionen in Abhängigkeit von BS elektrisch auf einem
Faraday-Cup gemessen. In Abb. 2.4 ist ein so entstandenes Massenspektrum dargestellt.
Wegen der oben erwähnten Strahlverluste ist die Summe der Ströme aller Ionen am FaradayCup stets kleiner als der Gesamtstrom aus der Quelle. Der Gegenfeldanlysator zur
Bestimmung der Energiebreite der Ionen und des Plasmapotenzials wurde erst gegen Ende
meiner Arbeit eingebaut.
12
2 Experiment
N5+
12
10
4+
N
8
I s / µA
He+
He2+
N7+
H2+
6
N3+
4
N2+
N6+
2
N+
H+
0
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
UB / V
0,8
0,9
1
1,1
1,2
Abb. 2.4: Beispiel eines Massenspekrums der ECRIS 2 (N2-He-Entladung mit
vorgespannter Endplatte). Dargestellt sind die am Faraday-Cup gemessenen
Ionenströme Ii in Abhängigkeit zur Steuerspannung UB des Separationsmagneten
(UB ~ Bs ~ (mi/Z)1/2).
900
NIV
800
HeII
Zählrate / s
-1
700
600
NI
NI
500
400
NI
200
100
NIV
NV
300
NV
NII
NI
NI HI
0
1180
NII
1280
1380
1480
1580
1680
1780
1880
λ/Å
Abb. 2.5: Beispiel eines VUV-Linienspektrums an der ECRIS 2 (N2-HeEntladung mit vorgespannter Endplatte). Die Kenzeichnung der Linien erfolgt in
spektroskopischer Notation (z. B. NI: neutraler Stickstoff, NII: N+, NIII: N2+, ...).
13
2 Experiment
In Verlängerung des Gaseinlasses befindet sich ein VUV- (Vakuum-Ultraviolett-)
Monochromator, der mit drei verschiedenen holographischen Gittern (1200 bzw. 3600
Striche / mm) und zwei verschiedenen Sekundärelektronenvervielfachern betrieben werden
kann. Somit lässt sich ein Wellenlängenbereich des vom Plasma emittierten Lichts von
30 nm bis 550 nm spektral analysieren. Vor dem Anbau an die Ionenquelle diente der
Monochromator bereits einige Jahre an unserer EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld zur
Dichtebestimmung der verschiedenen Ionenspezies. Eine detaillierte Beschreibung des
Spektrometers findet sich bei [Jet 94] und [Vin 94]. Abb. 2.5 zeigt ein in einer N2-HeEntladung gemessenes VUV-Linienspektrum.
Zeitweilig war als weiteres Instrument zur Plasmadiagnostik eine Stabantenne auf der
Innenseite der Endplatte montiert, deren Spitze 4 cm in Richtung Plasma ragte. In Verbindung
mit einem Spektrumanalysator diente diese zur Messung des vom Plasma emittierten
niederfrequenten (bis 200 MHz) und hochfrequenten (8 bis 10 GHz) Rauschens (s. Kap. 6).
Für die Experimente zur Ionenheizung (s. Kap. 5) wurde die Antenne in Verbindung mit
einem Hochfrequenzgenerator und einem Hochfrequenzverstärker als Sendeantenne genutzt.
Mit eingebauter Antenne waren allerdings die Ströme hochgeladener Ionen wegen der an ihr
auftretenden Plasmaverluste um mindestens 30 % geringer als ohne Antenne. Des weiteren
war nach dem Einbau jeweils eine lange Konditionierungsphase nötig, in der insbesondere bei
hohen Mikrowellenleistungen große Mengen von Restgasionen gemessen wurden.
Um ein gutes Vakuum zu gewährleisten, ist die Anlage insgesamt mit vier
Turbomolekularpumpen und zugehörigen Vorpumpen ausgestattet. Zwei im Bereich der
Quelle (im Extraktionsbereich und am UHV-Rezipient auf der Gaseinlassseite) und jeweils
eine weitere am Monochromator und am Faraday-Cup. Auf diese Weise erreicht man einen
Restgasdruck von ca. 1⋅10-5 Pa, im Bereich des Faraday-Cups sogar bis 1⋅10-6 Pa. Für die
Druckmessung stehen insgesamt vier Ionisationsmessröhren zur Verfügung, die in der Nähe
der Turbopumpen montiert sind. Zusätzlich befindet sich ein Kugelreibungsmanometer neben
den Nadelventilen am Gaseinlass. Unter Betriebsbedingungen (Einlassen des oder der
Arbeitsgase) liegt der Druck hier in der Größenordnung von 1⋅10-2 Pa. Für das
Entladungsvolumen läßt sich ein Druck von etwa 1⋅10-3 Pa extrapolieren. Eine direkte
Druckmessung im Entladungsrohr wäre wegen der geschlossenen Struktur des Hexapols (s.
Abb. 2.2) nur schwer möglich. Der Druck kann aber aus den Werten am Gaseinlass und der
Extraktion extrapoliert werden. Aus dem gleichen Grund ist auch eine Diagnostik des
Plasmas von der Seite nicht möglich.
14
2 Experiment
Zur Überwachung der Zusammensetzung der Arbeitsgas- und Restgaskomponenten war
der Aufbau zeitweilig mit einem Quadrupolmassenspektrometer (QMS) ausgerüstet.
Ursprünglich wurde dieses am geerdeten Extraktionsbereich montiert. Eine Montage an den
UHV-Rezipienten auf der Gaseinlassseite des Entladungsrohrs war erst nach der Anschaffung
eines Hochspannungsisolierstücks möglich, da der Rezipient elektrisch leitend mit dem
Entladungsrohr verbunden ist und daher ebenfalls das Potential der Extraktionsspannung
besitzt.
Die grundlegenden Merkmale der hier vorgestellten EZR-Quelle, wie Minimum-BStruktur des Magnetfeldes, asymmetrisches Feld der Spulen, axiale Mikrowelleneinkopplung
und Gaseinlass, sind im Prinzip bei allen EZR-Quellen vorhanden. Unterschiede bestehen vor
allem in der Frequenz der Mikrowelle, der Stärke des Magnetfeldes (vereinzelt werden
supraleitende Spulen verwendet), der Größe des Plasmagefäßes und dem verwendeten
Wandmaterial der Entladungskammer. Manche Quellen verfügen auch über eine
Vorionisierungsstufe oder eine Elektronenkanone zur axialen Elektroneninjektion in das
Plasma [Krau 86, Xie 95].
Die technischen Daten der ECRIS 2 und typische Betriebsparameter sind in den
Tabellen 2.1 und 2.2 zusammengefasst.
Mikrowellenfrequenz
10,115 GHz
Resonanzinduktion
0,36 T
Innendurchmesser des Entladungsrohrs
70 mm
Länge des Hexapols
300 mm
Länge des Entladungsrohrs
400 mm
Tab. 2.1: Technische Daten der ECRIS 2
15
2 Experiment
Restgasdruck
1⋅10-5 Pa
Entladungsgasdruck (extrapoliert)
1⋅10-4 – 1⋅10-2 Pa
Eingehende Mikrowellen-Leistung
100 – 800 W
Reflektierte Mikrowellen-Leistung
10 – 200 W
Spulenstrom Gaseinlass
940 – 1000 A
Spulenstrom Extraktion
500 – 650 A
Extraktionsspannung
Maximal 10 kV
Tab. 2.1: Typische Betriebsparameter der ECRIS 2
16
2 Experiment
2.2 Die Ionenquelle ECRIS 3 in Groningen
Eine mehrtägige Meßkampagne zur Ionenheizung wurde von mir in Groningen an der
Quelle ECRIS 3 (s. Abb. 2.4) zusammen mit A. G. Drentje und D. Meyer durchgeführt
[Nad 99, Nad 00]. Diese Quelle dient seit 1994 der Erzeugung hochgeladener Ionen für kernund atomphysikalische Experimente am Zyklotron AGOR (Accelerateur Groningen Orsay)
des KVI [Dre 95]. Sie besitzt eine erheblich kompaktere Bauweise als unsere Ionenquelle
ECRIS 2, liefert aber um einen Faktor 5 bis 10 höhere Ströme.
Die Quelle ECRIS 3 arbeitet mit einer koaxial zugeführten Mikrowelle der Frequenz
14 GHz. Die Resonanzfeldstärke des Magnetfeldes beträgt damit 0,5 T. Der Gaseinlass
erfolgt durch das innere Rohr des koaxialen Mikrowellenhohlleiters. Das Entladungsrohr ist
aus Edelstahl gefertigt und besitzt einen Innendurchmesser von 68 mm. Ähnlich wie bei der
ECRIS 2 ist das Entladungsrohr für die Kühlung der Permanentmagneten des Hexapols
doppelwandig. Der Hexapol selbst besitzt eine Länge von 260 mm. Die magnetische
Induktion auf der Innenseite des Entladungsrohrs beträgt 0,93 T.
Entladungsvolumen
Spannungsisolierung
MW-Koax-Leiter
Extraktionsblende
Ziehelektrode
Gaseinlass
Weicheisen
Hexapol
Spulen
Abb. 2.6: Ionenquelle ECRIS 3 in Groningen.
17
2 Experiment
Die Spulen können mit maximal 1000 A betrieben werden und sind zur zusätzlichen
Formung des Magnetfeldes komplett mit Weicheisen ummantelt. Des weiteren befinden sich
Weicheisenzylinder mit unterschiedlichen Innendurchmessern innerhalb der Spulen sowohl
auf der Gaseinlass- als auch auf der Extraktionsseite. Somit lässt sich auf der optischen Achse
eine maximale Induktion von 1,28 T auf der Gaseinlassseite und 0,93 T auf der
Extraktionsseite erreichen. Das Minimum auf der Achse liegt dann bei 0,34 T. Der Abstand
zwischen den Resonanzpunkten auf der Achse (0,5 T) beträgt 100 mm.
Hexapol und Entladungsgefäß sind elektrisch durch ein Kunststoffrohr, welches die
gleiche Länge besitzt wie die komplette Quelle selbst, vom Rest des Aufbaus isoliert. Auf
diese Weise lassen sich Extraktionsspannungen von bis zu 40 kV erreichen, wodurch indirekt
über eine starke Krümmung des Plasmaminiskus (die gekrümmte Plasmagrenze am
Extraktionsloch) eine niedrige Emittanz gewährleistet wird. Der Separationsmagnet (nicht in
Abb. 2.6 enthalten) ist wesentlich größer und leistungsfähiger als unser Magnet an der
ECRIS 2. Der nutzbare Spalt innerhalb des Vakuumbereichs zwischen den Polschuhen des
Groninger Magneten beträgt 6 cm, was geringe Strahlverluste gewährleistet.
Die ECRIS 3 gehört zu den besten EZR-Ionenquellen der Welt. Da sie aber nahezu
ständig für den Beschleunigerbetrieb zur Verfügung stehen muss, bleibt für
Grundlagenuntersuchungen an dieser Quelle leider nur wenig Zeit. Eine Diagnostik des
Plasmas, z. B. durch Spektroskopie wie an unserer ECRIS 2, ist hier aber ohnehin nicht
möglich.
18
3 Modelle und Methoden
Auch heute, fast 30 Jahre nach dem ersten Bau einer EZR-Ionenquelle, gibt es noch
keine vollständige Theorie, welche die Formierung der Ladungszustandszustandsverteilung
im EZR-Plasma zufriedenstellend beschreibt. Die nach dem „Trial and Error“-Verfahren
gefundenen Methoden zur Erhöhung der Ausbeute hochgeladener Ionen, wie beispielsweise
der Gasmischungseffekt oder das Vorspannen der Endplatte auf der Gaseinlassseite des
Endladungsgefäßes, sind daher nur unzureichend erklärbar. Für jeden einzelnen dieser Effekte
gibt es zum Teil mehrere konkurrierende Erklärungsmodelle. Für den Gasmischungseffekt ist
hier insbesondere das sog. Ionenkühlungsmodell zu erwähnen (s. Kap. 3.2). Dieses Modell ist
in der Gemeinschaft der Anwender von EZR-Ionenquellen mittlerweile nahezu allgemein
akzeptiert, weist aber vom plasmaphysikalischen Standpunkt erhebliche Mängel auf. Dieses
und einige andere Modelle sowie die zugehörigen Effekte sollen im Folgenden erläutert
werden.
19
3 Modelle und Methoden
3.1 Konventionelle Optimierung einer EZR-Quelle und
physikalische Grundlagen
Konstruktion, Bau und Optimierung einer EZR-Ionenquelle stellen immer einen
Kompromiss dar aus der Notwendigkeit einer möglichst langen Ioneneinschlusszeit und
einem möglichst hohen Strom von Ionen in den Extraktionskanal. Eine lange Einschlusszeit
ist nötig, um über Stufenionisation zu den hohen Ladungszuständen zu gelangen. Um die
Entladung als Ionenquelle zu betreiben, darf der Ioneneinschluss andererseits aber auch nicht
so gut sein, dass kaum noch hochgeladene Ionen extrahiert werden können.
Im
Gegensatz
zu
den
Elektronen,
deren
Einschlusszeit
stark
von
der
Magnetfeldkonfiguration abhängt, werden die Ionen vom Magnetfeld nur sehr wenig
beeinflusst. Der Mechanismus des Ioneneinschlusses wird meistens durch einen negativen
Potenzialdip ∆Φ im Zentrum des positiven Plasmapotenzials beschrieben, welcher die Ionen
elektrostatisch einschließt [Wes 82, Pas 87, Shi 92, Shi 93] (s. Abb 3.1).
Abb. 3.1: Postulierter Verlauf des Plasmapotenzials in einer ECRIS mit
Potenzialdip ∆Φ im Zentrum des Plasmas.
Die Ioneneinschlusszeit ist in diesem Modell gegeben durch [Pas 87]
τ qj = RM L0 (m j 2k BT j )1/ 2 exp(qe∆Φ k BT j ) .
(3.1)
Dabei bezeichnet RM das Spiegelverhältnis des Magnetfeldes, also das Verhältnis der
maximalen zur minimalen magnetischen Induktion (RM = Βmax/Bmin). L0 bezeichnet die
20
3 Modelle und Methoden
charakteristische Plasmalänge, kB die Boltzmann-Konstante und mj die Ionenmasse der
Spezies j im Ladungszustand q mit der Ionendichte n qj und der Ionentemperatur Tj. Demnach
hängt die Ioneneinschlusszeit stark von der Ladung des Ions und der Tiefe des Potenzialdips
ab. Die Existenz eines solchen Potenzialdips konnte allerdings bis heute nicht eindeutig
nachgewiesen werden.
Die
Elektronen
des
ECRIS-Plasmas
werden
im
magnetischen
Spiegelfeld
eingeschlossen, wobei die Invarianz des magnetischen Moments µ der Elektronen im
inhomogenen Feld der EZR-Entladung ausgenutzt wird. Es ist
µ=
me v ⊥2
,
2B
(3.2)
wobei v ⊥ die senkrechte Komponente der Elektronengeschwindigkeit während der Gyration
um die Magnetfeldlinien bezeichnet. Bewegt sich ein Elektron von einem Bereich mit
niedriger Induktion in einen Bereich mit hoher Induktion nimmt die senkrechte
Geschwindigkeitskomponente zu während die parallele aus Energieerhaltungsgründen
abnimmt. Der Betrag der Geschwindigkeit v bleibt dabei erhalten. Elektronen mit einem
genügend großen Verhältnis v⊥,min / v am Ort des Minimums des B-Feldes werden
eingeschlossen, während Teilchen mit einem Verhältnis
v⊥ ,min
v
<
Bmin
1
=
Bmax RM
(3.3)
in den sog. Verlustkegel gelangen und aus dem Plasma verloren gehen (s. z. B. [Che 84] Kap.
2.3.3). Diejenigen Elektronen, die nicht in den Verlustkegel gelangen, laufen zwischen den
Spiegelhälsen – den Magnetfeldmaxima – hin und her und werden in den Resonanzzonen
geheizt.
Die Elektronen können aber auch durch Stöße in den Verlustkegel gestreut werden. Die
Stoßfrequenz für einen solchen Streuprozess kann durch die sog. Spitzer-Formel berechnet
werden [Spi 56]:
ν = 8π
ne Z eff e 4 ln Λ
me2 v 3
(3.4)
21
3 Modelle und Methoden
mit der Elektronendichte ne, der effektiven Ladung Z eff = (∑ i 2 ni ) / ne und dem CoulombLogarithmus
ln Λ.
Elektronen
hoher
Energie
haben
dementsprechend
niedrigere
Stoßfrequenzen und sind damit besser eingeschlossen als Elektronen mit niedriger Energie, da
sie seltener einem Streuprozess unterliegen.
Die Elektroneneinschlusszeit ergibt sich für ein hohes Spiegelverhältnis RM nach
[Pas 87]:
me (k BT e )  2eΦ 

 ,
τe =
8πne Z eff e 4 ln Λ  k BTe 
32
12
(3.5)
wobei Te die Elektronentemperatur und Φ das Plasmapotenzial bezeichnen.
Da das EZR-Plasma ein Nicht-Gleichgewichts-Plasma darstellt, ist es streng genommen
nicht zulässig von einer Elektronentemperatur zu sprechen, da die Elektronen keine
Maxwellverteilung besitzen. Die tatsächliche Energieverteilung lässt sich aber in
unterschiedliche Elektronenpopulationen mit unterschiedlichen Temperaturen unterteilen, die
je nach Population ein paar eV bis einige 10 keV betragen können [Mey 97]. Die meisten
Elektronen besitzen Energien deutlich unterhalb von 10 eV [Bib 98, Bib 02].
Die Wechselwirkung zwischen Elektronen und dem Feld der Mikrowelle besteht nicht
allein in der Zyklotron-Resonanz-Heizung (s. Gl. 2.1). Welche komplizierten Wellenphänomene in einem EZR-Plasma auftreten können wird bei [Wol 01] am Beispiel einer
Entladung mit einfachem magnetischem Spiegelfeld ohne Hexapol diskutiert. Erste
Messungen eines parametrischen Zerfalls der Pumpwelle wurden 1996 von D. Meyer
durchgeführt [Mey 97, Mey 98]. Aber auch an der ECRIS 2 wurden parametrische Zerfälle
der ins Plasmagefäß eingestrahlten elektromagnetischen Welle nachgewiesen [Kaw 01] (s.
Kap. 6).
Bei der Optimierung einer EZR-Quelle werden die plasmaphysikalischen Größen, wie
Elektronenverteilungsfunktion sowie Ionen- und Elektroneneinschlusszeit gezielt beeinflusst.
Dazu werden vom Operateur sukzessiv die Spulenströme, der Neutralgasdruck und die
Mikrowellenleistung justiert. Das von den Spulen generierte axiale Magnetfeld kann in der
Regel asymmetrisch eingestellt werden. Für die Extraktion der Ionen hat sich bewährt das
Magnetfeld auf der Extraktionsseite niedriger einzustellen als das auf der Injektionsseite. Das
Spiegelverhältnis RM sollte im Allgemeinen jedoch möglichst hoch gewählt werden, um den
22
3 Modelle und Methoden
Elektronenverlustkegel klein zu halten (s. Gl. 3.3). Der Gasdruck sollte in einem Bereich
liegen, in dem die Dichte hoch genug ist, um genügend Ionen hervorzubringen, andererseits
aber auch nicht so hoch, dass die Wirkungsquerschnitte für Rekombination und
Ladungsaustausch zu groß werden. Mit Hilfe der Mikrowellenleistung lässt sich die
Elektronenenergie beeinflussen. Bei zu großen Leistungen bilden sich allerdings
Plasmainstabilitäten. Die oben genannten Parameter verhalten sich bei der Optimierung nicht
linear und sind stark abhängig von einander. Das heißt, optimiert man aus einem gegebenem
Zustand beispielsweise den Gasdruck auf bestmögliche Produktion eines bestimmten
Ladungszustands, dann müssen auch die übrigen Parameter neu optimiert werden.
Notwendige Bedingungen für die Optimierung der Quelle auf einen bestimmten
Ladungszustand sind [Gir 96]:
1. Die Elektronenenergie muss größer sein als die Ionisationsenergie des betreffenden
Ions.
2. Die Ioneneinschlusszeit muss so groß sein, dass die Ionen über Stufenionisation in
den gewünschten Ladungszustand gelangen können.
3.2 Gasmischungseffekt und Ionenkühlungsmodell
Der Gasmischungseffekt besteht in einer signifikanten Erhöhung der extrahierten
Ströme hochgeladener Ionen, wenn man zu dem eigentlichen Arbeitsgas der Quelle ein
leichteres Mischgas hinzufügt. Er wurde bereits Anfang der 80er Jahre in Groningen und in
Jülich entdeckt und gehört seitdem zu den Standardverfahren für die Optimierung von EZRIonenquellen [Bra 84, Dre 85, Mac 86]. Die Bedingung AMischgas < AArbeitsgas ist allerdings nur
eine notwendige Bedingung und keine hinreichende. Das leichteste Element Wasserstoff
liefert beispielsweise in jeder Entladung einen negativen Effekt [Dre 93, Mey 95, Mey 96,
Nad 96, Mey 97]. Gute Mischgase für Argon sind vor allem O2 und N2. Für Stickstoff hat sich
Helium als Zusatz bewährt. Die mögliche Steigerung der Ausbeute hochgeladener Ionen
durch den Gasmischungseffekt variiert stark für unterschiedliche Quellen. So lässt sich bei
einigen modernen EZR-Quellen, die bereits bauartbedingt eine sehr hohe Güte besitzen, nur
eine geringe oder gar keine Verbesserung der Ladungszustandsverteilung im Mischgasbetrieb
23
3 Modelle und Methoden
erzielen. Gewöhnlich wird der Gasmischungseffekt im Rahmen des Ionenkühlungsmodell
erklärt, dass ursprünglich 1989 von T. A. Antaya als qualitatives Model eingeführt wurde
[Ant 89]. Quantitative Berechnungen auf der Basis dieses Modells wurden erstmalig von
Shirkov erstellt [Shi 92, Shi 93].
Das Ionenkühlungsmodell beruht auf der Annahme, dass durch elastische Stöße
zwischen den Ionen kinetische Energie von der schwereren auf die leichtere
Ionenkomponente übertragen wird. Wegen des grundsätzlich schlechteren Einschlusses der
leichteren Ionen tragen diese am stärksten zum Energieverlust aus dem Plasma bei. Dies führt
in der Gesamtbilanz auch zu einer Kühlung der schweren Ionenkomponente, da die
Energieausgleichszeit zwischen den Ionen kürzer ist als deren Energieeinschlusszeit und
damit alle Ionen innerhalb eines gegebenen Plasmazustands die gleiche Temperatur Ti haben.
Eine Kühlung bedeutet aber auch eine Verbesserung des Einschlusses der schweren
Ionenkomponente. Aufgrund der längeren Einschlusszeit der schweren Teilchen, können
diese dann zu höheren Ladungszuständen ionisiert werden.
Im Allgemeinen ergibt sich der extrahierbare Strom I qj der Ionenkomponente j und des
Ladungszustands q zu [Mel 99]
q
1 n j qeVex
I ≈
.
2 τ qj
q
j
(3.6)
Dabei ist n qj die Ionendichte der Spezies j mit Ladungszustand q im Plasma, τ qj die
Ioneneinschlusszeit und Vex ist das effektive Plasmavolumen entlang der magnetischen
Flusslinien zum Extraktionsbereich. Die Bilanzgleichung für die Ionisation ist gegeben durch
[Mel 99, Hes 83]
dn qj
dt
= ne σν
ion
q −1→ q
+ n0 j σν
n qj −1 − ne σν
cx
q +1→ q
n
q +1
j
ion
q → q +1
− n0 j σν
n qj
cx
q → q −1
wobei ne die Elektronendichte bezeichnet, σν
n qj −
ion
k →l
n qj
τ qj
(3.7)
,
und
σν
cx
k →l
die Ratenkoeffizienten der
Ionisation vom Ladungszustand k nach l bzw. die Ladungsaustauschraten. Die Rekombination
mit den kalten Elektronen des Plasmas wird in diesem Bild vernachlässigt. Diese Annahme ist
24
3 Modelle und Methoden
insbesondere für die hohen Ladungszustände nicht gerechtfertigt. Außer für die sehr hohen
Ladungszustände ist der Ladungsaustausch kein dominanter Verlustprozess im Vergleich zur
Diffusion zu den Wänden [Hes 83, Dre 00]. Wenn die meisten Ionen an den Wänden verloren
gehen und die Ionisation in höhere Ladungszustände vernachlässigbar ist, erhalten wir für ein
stationäres Plasma ( d n qj d t = 0 )
n qj ≈ ne σν
ion
q −1→ q
n qj −1τ qj .
(3.8)
Für einen gegebenen Plasmazustand mit konstantem Te und ne wird die Ionendichte n qj als
proportional
zum
Produkt
der
Einschlusszeiten
aller
Ladungszustände
bis
zum
Ladungszustand q betrachtet:
q
n qj ∝ ∏τ qj′ .
(3.9)
q′=1
Dies lässt sich leicht durch sukzessives Einsetzen aus Gleichung (3.8) ableiten.
Setzt man einen elektrostatischen Einschluss voraus, ist nach Gl. 3.1 die
Ioneneinschlusszeit bei einer gegebenen Temperatur proportional zur Wurzel aus der
Ionenmasse. Betrachtet man ein einfaches Diffusionsmodell, dann ist die Ioneneinschlusszeit
proportional zu 1/vthj und damit ebenfalls proportional zu m1j / 2 . vthj = (2k BT j / m j )1 / 2 ist die
thermische Geschwindigkeit de Spezies j. Auch wenn man eine ausgedehnte Vorschicht
annimmt, in der die Ionen auf die Bohmgeschwindigkeit vB = (k BT j / m j )1/ 2 beschleunigt
werden, ist die Einschlusszeit proportional zur Wurzel aus der Masse.
Für den extrahierbaren Strom der Spezies j und des Ladungszustands q ergibt sich somit
aus Gleichung 3.6 und Gleichung 3.8 näherungsweise
1 qeVex (ne ) σν
I ≈
2
q
q
j
ion
q −1→ q
τ qj σν
ion
q − 2 → q −1
τ qj
τ qj −1 ⋅ ⋅ ⋅ σν
ion
0 →1
n 0j τ 1j
.
(3.10)
Berücksichtigt man die Proportionalität der jeweiligen Einschlusszeiten zur Wurzel aus
der Masse des Ions erhält man
25
3 Modelle und Methoden
I qj ∝ qe(ne ) σν
q
ion
q −1→ q
σν
ion
⋅ ⋅ ⋅ σν
q − 2→ q −1
ion
n0 ⋅
0→1 j
(
mj
)
q −1
.
(3.11)
Betrachtet man ein Plasma aus einem Isotopengemisch des gleichen Elementes
unterscheiden sich die Ionenströme eines Ladungszustandes q in diesem Modell nur um einen
Faktor
(
mj
)
q −1
. Detaillierte Messungen ergeben für diesen Fall aber deutlich größere
Unterschiede [Kaw 01]. Diese sog. Isotopenanomalie wird in Kap. 6 ausführlich behandelt.
Aufgrund von Untersuchungen an unserer EZR-Entladung wurde ein zur Ionenkühlung
konkurrierendes Modell entwickelt, dass den Gasmischungseffekt auf eine Stabilisierung des
Plasmas über eine Absenkung des Plasmapotenzials und einer reduzierten Plasma-WandWechselwirkung zurückführt.
3.3 „Biased disk“ und Sekundärelektronenemission
Das Vorspannen der Endplatte oder einer zusätzlichen Metallscheibe („biasesd disk“)
auf der Gaseinlassseite als Methode zur Optimierung der Ladungszustandsverteilung in EZRIonenquellen wurde erstmalig in Grenoble von Melin et al. experimentell gefunden [Mel 90].
Erste systematische Untersuchungen wurden von Gamino et al. in Groningen durchgeführt
[Gam 92] (s. Abb. 3.1). Diese Methode ist technisch einfach zu realisieren und wird deshalb
häufig angewendet. Dabei wird entweder die Endplatte des Plasmagefäßes isoliert aufgebaut
oder eine zusätzliche Metallscheibe auf der optischen Achse des Entladungsrohrs positioniert
und mit einer variablen Spannungsquelle negativer Polarität verbunden. Durch Optimierung
der Spannung auf der Endplatte bzw. der Scheibe und der Scheibenposition können die
extrahierten Ströme hochgeladener Ionen bis zu einem Faktor 20 gesteigert werden. Auch
eine floatend aufgebaute Endplatte oder Scheibe hat einen positiven Effekt auf die
Ladungszustandsverteilung, während das Anlegen einer positiven Spannung die Ausbeute
hochgeladener Ionen verschlechtert (s. Kap 4.3.3).
26
3 Modelle und Methoden
Spannung / V
Abb. 3.2: O3+- und O7+- Ionenstrom in Abhängigkeit von der Spannung an einer
axial auf der Gaseinlassseite montierten Scheibe [Gam 92].
Erklärt wird dieser Effekt üblicherweise durch Sekundärelektronenemission, verursacht
durch auf die Metalloberfläche treffende Plasmapartikel und eine daraus resultierende
Erhöhung der Elektronendichte in der Entladung. Die zusätzlichen Elektronen bewirken in
diesem Modell über Stufenionisation eine Erhöhung des mittleren Ladungszustandes des
Ionenensembles. Die Plasmapartikel, die auf die Endplatte treffen, können sowohl selbst
hochenergetische Elektronen sein, die genügend Energie besitzen, um das elektrische
Potenzial der Endplatte zu überwinden, als auch Ionen, die von der negativen Spannung auf
die Endplatte beschleunigt werden. Im letzteren Fall spricht man korrekterweise von
ioneninduzierter Elektronenemission. Dieser Prozess ist der häufigere von beiden, da die
meisten Elektronen des Plasmas nicht genügend Energie besitzen, um das negative Potential
der Endplatte zu überwinden [Bib 98]. D. h., legt man ein negatives Potential an die Endplatte
nimmt die Zahl der aus dem Plasma auf die Platte treffenden Elektronen ab.
27
3 Modelle und Methoden
Die Elektronenausbeute γ für diese beiden Wechselwirkungen mit der Wand variiert
über einen Bereich von ca. 0,1 bis 10 [Var 92]. Sie ist definiert als Anzahl der von der Wand
emittierten Elektronen pro auftreffendes Teilchen und hängt stark vom Wandmaterial, seiner
Reinheit, der Teilchenenergie und deren Winkel zur Wand ab. Für Ionen spielt auch der
Ladungszustand eine wesentliche Rolle.
Rechnungen unter Berücksichtigung sinnvoller Elektronenausbeuten und gemessener
elektrischer Ströme auf der Endplatte ergeben keine signifikante Erhöhung der
Elektronendichte durch Elektronenemission und lassen dieses Modell daher zweifelhaft
erscheinen (s. Kap. 4.3.2).
3.4 Pulsbetrieb im „Afterglow“
Häufig benötigt man bei Beschleunigerexperimenten mit Ionenstrahlen einen gepulsten
anstelle eines kontinuierlichen Teilchenstroms. Dies kann grundsätzlich auf zwei Arten
realisiert werden. Entweder man blendet den Ionenstrahl irgendwo innerhalb des
Strahlsystems abwechselnd ein und aus oder man schaltet periodisch die Quelle ein und aus,
was am einfachsten durch periodisches Schalten der Mikrowelle erreicht wird. Im letzteren
Fall nutzt man bei modernen EZR-Ionenquellen den sog. Aftergloweffekt aus [Sor 92, Bri 93,
Bou 95, Lan 95]. Dieser äußert sich darin, dass unter bestimmten Betriebsbedingungen nach
dem Abschalten der Mikrowelle der extrahierte Ionenstrom bis zu einem Mehrfachen des
ursprünglichen Werts zunächst steil ansteigt und erst danach exponentiell gegen Null abfällt
(s. Abb. 3.2). Der mögliche Gewinn gegenüber dem kontinuierlichen Betrieb kann dabei bis
zu einem Faktor 10 betragen, wobei die Steigerung für schwere Elemente größer ist als für
leichte [Gel 98]. Die Justierung der Quellenparameter unterscheidet sich in der AfterglowMode deutlich von der im normalen Betrieb. Der „Afterglowpeak“ besitzt je nach Element
und Ladungszustand eine Halbwertsbreite von wenigen 100 µs bis einige ms, wobei der Peak
mit wachsendem Ladungszustand schmaler wird. Die in Beschleunigerexperimenten
benötigten Pulslängen besitzen in etwa die gleiche Größenordnung.
28
3 Modelle und Methoden
Abb. 3.3: Schematischer Verlauf des extrahierten Ionenstroms nach Abschalten
der Mirowellenleistung („Afterglowpeak“).
Erklärt wird dieser Effekt gewöhnlich mit Hilfe des elektrostatischen Einschlusses
durch den Potenzialdip [Shi 92]. Wird die Heizung der Elektronen durch die Mikrowelle
unterbunden, dann gehen zunächst die Elektronen aufgrund ihrer höheren Mobilität dem
Plasma verloren. Die Tiefe des Potenzialdips verringert sich sehr schnell und die ursprünglich
elektrostatisch eingeschlossenen Ionen diffundieren in alle Raumrichtungen, also auch in
Richtung der Extraktion. Dies führt zu einem kurzzeitigen Anstieg des Ionenstroms in der
Extraktion bis zu einem Mehrfachen des Wertes, der im kontinuierlichen Betrieb der Quelle
erreicht werden kann. Der anschließende exponentielle Abfall des Stroms entspricht der
Dauer des Zerfalls des Plasmas. Die Abhängigkeit der Breite des Afterglows vom
Ladungszustand der Ionen scheint das Modell des elektrostatischen Einschlusses zu
unterstützen.
Der Aftergloweffekt an der ECRIS 2 wird ausführlich in Kap. 4.4 erörtert. In Kap. 5
wird die Möglichkeit untersucht, den Afterglowpeak nach einem Vorschlag von G. Shirkov et
al. [Shi 95] mittels selektiver Ionenheizung durch eine HF-Welle zeitlich zu komprimieren
und seine Intensität zu erhöhen [Nad 99, Nad 00].
29
3 Modelle und Methoden
3.5 Sonstige Methoden
Einige experimentell gefundene Methoden, die die Ausbeute hochgeladener Ionen
verbessern, sollen hier nur kurz skizziert werden und werden im weitern Verlauf der Arbeit
nicht weiter erörtert. Als Erstes ist hier die Wahl bestimmter Wandmaterialien bzw.
Beschichtungen auf der Innenseite des Plasmagefäßes zu nennen. Edelstahl bietet z. B.
gegenüber Kupfer den Vorteil, dass es eine geringere Zerstäubungsrate und eine höhere
Schwellenenergie für die Wandzerstäubung besitzt [Mat 83, Mey 97]. Entladungsrohre aus
Aluminium, einer Aluminiumlegierung oder einer Aluminiumoxidbeschichtung werden vor
allem wegen ihres hohen Sekundärelektronenkoeffizienten gewählt [Nak 93, Xie 94]. Eine
elegante Methode ist, einen dünnen „MD“-Zylinder („metal-dielectric“) aus einer Al-Al2O3Legierung in ein bereits vorhandenes Entladungsrohr einzufügen [Sch 99]. Dabei wird über
Steigerungen der Produktion von Ar11+-Ionen von bis zu einem Faktor 40 berichtet. Auch hier
ist allerdings zweifelhaft ob die positive Wirkung des Materials auf einer Erhöhung der
Elektronendichte durch Sekundärelektronenemission von der Oberfläche des Materials beruht
(s. Kap. 4.3.5). Derartige Methoden der Wandmodifizierung bewirken auch eine deutliche
Verringerung des Plasmapotenzials [Xie 95].
Eine weitere Methode die Leistungsfähigkeit von EZR-Quellen zu erhöhen ist die axiale
Elektroneninjektion mittels einer Elektronenkanone. Hier werden Elektronenströme von etwa
10 bis 30 mA mit einer Energie von 50 bis 200 eV in das Plasma injiziert. Dabei wird
ebenfalls das Plasmapotenzial wirksam erniedrigt, was bei den meisten Methoden zur
Verbesserung der Ionenausbeute beobachtet wird [Xie 94, Xie 95].
Stark abhängig ist die Leistungsfähigkeit einer EZR-Ionenquelle auch von der
Mikrowellenfrequenz. Vereinfacht kann man sagen: Je höher die Frequenz, desto höher die
Ionenausbeute einer Quelle [Gel 86]. Standard ist heute eine Frequenz von 14 GHz. Moderne
Quellen arbeiten aber auch bei 18 GHz. Die Wahl der Frequenz ist eine Kostenfrage, da bei
einer höheren Frequenz auch das Magnetfeld entsprechend ausgelegt werden muss, um eine
in sich geschlossene Resonanzoberfläche zu gewährleisten, was insbesondere an die
Permanentmagneten des Hexapols hohe Anforderungen stellt.
Teilweise benutzt man für die Elektronenheizung auch zwei separate Mikrowellen
unterschiedlicher Frequenz [Xie 95, Xie 97]. Bei dieser Doppelfrequenzheizung bilden sich
zwei räumlich von einander getrennte aber geschlossene, konzentrische Resonanzzonen
30
3 Modelle und Methoden
innerhalb des Entladungsgefäßes aus. Dadurch soll die Dichte der hochenergetischen
Elektronen erhöht werden. Für schwere Elemente lassen sich so die Ströme hochgeladener
Ionen um einen Faktor 2 bis 5 gegenüber der Einzelfrequenzheizung erhöhen.
31
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Aus technischen Gründen und um den zeitlichen Rahmen dieser Arbeit in einem
vertretbaren Maß zu halten, habe ich mich bei der Untersuchung der im vorigen Kapitel
beschriebenen Optimierungsmethoden auf drei der wichtigsten Methoden beschränkt.
Untersucht wurden hier die Gasmischung und ihr Zusammenhang mit Plasma-WandWechselwirkungen (Kap 4.2), das Vorspannen der Endplatte auf der Gaseinlassseite des
Entladungsgefäßes (Kap 4.3) und der Aftergloweffekt im gepulsten Betrieb (Kap 4.4). Als
Modellgase wurden Stickstoff und Helium verwendet. Die selektive Ionenheizung im
Afterglow und die Mischung zweier Stickstoffisotope (Isotopenanomalie) wird in zwei
gesonderten Kapiteln erörtert (s. Kap. 5 und Kap. 6).
Zunächst wurde jedoch der Zusammenhang zwischen den extrahierten Ionenströmen
verschiedener Ladungszustände und den entsprechenden Ionendichten im Plasma untersucht
(Kap. 4.1).
32
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
4.1 Zusammenhang zwischen den extrahierten
Ionenströmen und den Ionendichten im Plasma
Bei der Modellierung von EZR-Ionenquellen gehen die Quellenanwender in der Regel
von einem direkten Zusammenhang zwischen der Dichte einer Ionensorte im Plasma und
ihrem extrahierten Strom aus. Eine Erhöhung der Ionendichte eines Ladungszustandes sollte
demnach in jedem Fall zu einer Erhöhung des entsprechenden Stroms in der Extraktion
führen. Vergleicht man jedoch die Verläufe der extrahierten Ströme mit den von den
angeregten Ionen emittierten VUV-Linienintensitäten während der Variation verschiedener
Plasmaparameter, ergibt sich nicht immer ein derartig einfacher Zusammenhang.
Die Intensität der VUV-Linien ist allerdings kein direktes Maß für die Ionendichte, da
die Linienintensität sowohl zur Ionendichte als auch zum Ratenkoeffizienten σv für die
Elektronenstoßanregung proportional ist, der wiederum von der Elektronenverteilungsfunktion bzw. der Elektronentemperatur abhängig ist. Für eine Beurteilung tendenzieller
Änderungen der Ionendichte ist dies jedoch ausreichend, solange man voraussetzen kann,
dass sich die Elektronenverteilungsfunktion über den betrachteten Parameterbereich nicht
grundlegend ändert.
In Abb. 4.1 sind exemplarisch die extrahierten Ströme der Ionen N3+, N4+ und N5+ und
die entsprechenden VUV-Linienintensitäten in Abhängigkeit vom Spulenstrom auf der
Extraktionsseite des Entladungsgefäß für eine reine Stickstoffentladung dargestellt. Der
Spulenstrom auf der Gaseinlassseite, sowie der Neutralgasdruck in der Entladung und die
Eingangsleistung wurden dabei konstant gehalten (IGaseinlass = 972 A, p = 3⋅10-5 mbar,
Pin = 700 W). Für die Kennzeichnung der Linienintensitäten benutze ich hier und im
Folgenden die spektroskopische Notation (NIV = N3+, NV = N4+, NVI = N5+). Während der
Ionenstrom von N3+ bereits bei 490 A sein Maximum erreicht und danach rasch abfällt, liegt
das Maximum der NIV-Linienintensität bei 540 A. Der anschließende Abfall der Intensität
fällt sehr moderat aus. Ähnliches beobachtet man für die Ladungszustände 4 und 5. Das
Maximum des Ionenstroms ist in diesen beiden Fällen nur geringfügig zu 498 A verschoben.
Das Maximum der Intensität der NV-Linie bleibt bei 540 A. Bei der NVI-Linie bildet sich ab
540 A eine Art Sättigung aus. Die Intensität fällt erst ab 580 A wieder leicht ab. Offenbar ist
ab einer bestimmten Magnetfeldstärke der Ioneneinschluss so gut, dass zwar mehr
hochgeladene Ionen im Plasma generiert werden aber weniger in den Extraktionskanal
33
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
gelangen. Bei sehr hohem Magnetfeld verlagert sich die Resonanzzone auf der
Extraktionsseite derart weit nach innen, dass das effektive Plasmavolumen signifikant
verkleinert wird. Dies bedeutet aber auch eine Verringerung des Volumens aus dem VUVStrahlung emittiert wird, also auch des vom Spektrometer sichtbaren Plasmavolumens. Die
vom Spektrometer gemessene absolute Zählrate nimmt dann trotz möglicherweise gleich
6
14000
5
12000
10000
4
8000
3
6000
2
4000
Extrahierter Strom
Linienintensität
1
2000
0
0
440
490
540
590
3000
2
2500
2000
1,5
1500
1
1000
0,5
500
0
440
0
490
540
590
I Ex (N5+) / µA
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
490
540
IVUV(NVI) / s-1
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
0,6
440
IVUV(NV) / s-1
2,5
I Ex (N4+) / µA
IVUV(NIV) / s-1
I Ex (N3+) / µA
bleibender Ionendichte ab.
590
Spulenstrom / A
Abb. 4.1: Extrahierte Ionenströme und Linienintensitäten in Abhängigkeit vom
Spulenstrom auf der Extraktionsseite für N3+ (NIV: 171,8 nm), N4+ (NV:
123,8 nm) und N5+ (NVI: 189,6 nm).
34
4,5
18000
4
16000
3,5
14000
3
12000
2,5
10000
2
8000
1,5
6000
1
4000
0,5
2000
0
0
5
10
15
2500
2
2000
1,5
1500
1
1000
4+
2,5
0,5
500
0
0
0
5
10
15
0,6
1400
0,5
1200
1000
0,4
800
0,3
600
0,2
400
0,1
IVUV(NVI) / s-1
5+
IVUV(NV) / s-1
I Ex (N ) / µA
0
I Ex (N ) / µA
IVUV(NIV) / s-1
I Ex (N3+) / µA
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
200
0
0
0
5
10
15
-5
Gasdruck / 10 mbar
Abb. 4.2: Extrahierte Ionenströme und Linienintensitäten in Abhängigkeit vom
Gasdruck für N3+ (NIV), N4+ (NV) und N5+ (NVI).
Variiert man den Neutralgasdruck zeigen die Ionenströme von N3+ bis N5+ Maxima bei
etwa 3⋅10-5 mbar (s. Abb. 4.2). Dabei ist das Maximum für N3+ breiter als für die anderen
beiden Ionensorten. Für die Linienintensitäten von NV und NVI sind ebenfalls Maxima
erkennbar, die allerdings zu 3,8⋅10-5 mbar verschoben sind. Der anschließende Abfall fällt
auch hier wieder weniger deutlich aus als bei den entsprechenden Ionenströmen. Die
Intensität der NIV-Linie zeigt im untersuchten Druckbereich kein ausgeprägtes Maximum.
Statt dessen bildet sich ein Plateau bei 5⋅10-5 mbar aus und ein weiteres auf höherem Niveau
bei 1⋅10-4 mbar. Der Rückgang der Ströme und Linienintensitäten der hochgeladenen Ionen
N4+ und N5+ bei hohem Druck kann auf das Steigen der Wirkungsquerschnitte für die
35
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Rekombination und die Umladung mit niedrigen Ladungszuständen mit zunehmendem Druck
zurückgeführt werden. Insgesamt zeigen sich auch bei dieser Messreihe wieder deutliche
Unterschiede im Verhalten der extrahierten Ströme und der im Plasma generierten
6
12000
5
10000
4
8000
3
6000
2
4000
1
2000
0
100
0
200
300
400
500
600
2
1600
1400
4+
1200
1,4
1000
1,2
1
800
0,8
600
0,6
400
0,4
IVUV(NV) / s-1
I Ex (N ) / µA
1,6
200
0,2
0
0
200
300
400
500
600
700
0,6
1200
0,5
1000
0,4
800
0,3
600
0,2
400
0,1
200
0
100
IVUV (NVI) / s-1
I Ex (N5+) / µA
700
1,8
100
IVUV(NIV) / s-1
I Ex (N3+) / µA
Linienintensitäten.
0
200
300
400
500
600
700
Absorbierte Leistung / W
Abb. 4.3: Extrahierte Ionenströme und Linienintensitäten in Abhängigkeit von
der eingekoppelten Mikrowellenleistung für N3+ (NIV), N4+ (NV) und N5+ (NVI).
In Abb. 4.3 sind die Ionenströme und Linienintensitäten der Ladungszustände 3 bis 5 als
Funktion der absorbierten Mikrowellenleistung (Pin – Pref) dargestellt. Für diese Messreihe
sind die Verläufe der Ionenströme und Linienintensitäten verhältnismäßig ähnlich, obwohl
man nicht von einer konstanten Elektronentemperatur über den gesamten untersuchten
36
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Leistungsbereich ausgehen kann. Dabei steigen die Ströme und Linienintensitäten
kontinuierlich an, wobei sich zum Ende des untersuchten Leistungsbereichs eine Sättigung
abzeichnet.
Die hier beschriebenen Untersuchungen belegen, dass eine Optimierung der
Plasmaparameter auf maximale VUV-Linienintensitäten und damit auf maximale
Ionendichten nicht automatisch zu optimalen Extraktionsströmen führt. Lediglich eine
Variation der Mikrowellenleistung führt zu nahezu gleichen Veränderungen der Ionendichten
und der entsprechenden extrahierten Ströme. Dabei zeigt sich auch, dass das Optimum des
extrahierten Ionenstroms wesentlich empfindlicher ist als das der Ionendichte. Bereits kleine
Änderungen der Parameter Magnetfeld und Druck führen zu einer großen Absenkung des
Stroms. Bei der Untersuchung der Optimierungsmethoden, die im Folgenden beschrieben
werden, wurden, wenn möglich, sowohl die extrahierten Ionenströme als auch die vom
Plasma emittierten VUV-Linien betrachtet.
37
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
4.2 Gasmischung
Der Gasmischungseffekt in EZR-Ionenquellen drückt sich durch eine signifikante
Erhöhung des extrahierten Stroms hochgeladener Ionen aus, wenn dem eigentlichen
Entladungsgas ein leichteres Mischgas zugefügt wird (s. Kap 3.2). Bei der Untersuchung des
Gasmischungseffekts an unserer alten Ionenquelle konnten bereits einige wichtige
Erkenntnisse gewonnen werden [Nad 96]. So zeigte sich, dass durch das Mischen mit einem
leichteren Gas das Plasmapotenzial deutlich abgesenkt wird. Des Weiteren wurde eine
Erhöhung der Energiebreite des extrahierten Ionenstrahls beobachtet, was auf eine Zunahme
der Ionentemperatur hinweist.
In unserer EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld konnte ein Zusammenhang
zwischen dem Gasmischungseffekt und der Zerstäubung von Wandmaterial nachgewiesen
werden [Mey 95, Mey 97]. Betreibt man dort die Entladung in reinem Stickstoff unter
optimierten Bedingungen bilden sich Instabilitäten mit Wiederholfrequenzen zwischen 0,1 Hz
und 10 Hz aus. Diese Instabilitäten lassen sich als Modulation der VUV-Linienintensitäten
der Stickstoffionen, sowie der reflektierten Mikrowellenleistung und der vom Plasma
emittierten Röntgenbremsstrahlung messen. Des Weiteren zeigen spektroskopische
Messungen hohe Kupferkonzentrationen im Plasma, die ebenfalls im Takt der Instabilität
modulieren. Das Plasmagefäß der EZR-Entladung besteht komplett aus Kupfer.
Dagegen lässt sich in der Gasmischung mit Helium das Plasma stabilisieren. Die
Linienintensitäten der hochgeladenen Stickstoffionen sind in diesem Zustand deutlich höher
während sich die Kupferkonzentration stark abschwächt. Eine weitere erhebliche Absenkung
der Kupferkonzentration lässt sich erzielen, indem man das Plasma als reine Heliumentladung
betreibt. Schirmt man die vom Plasma exponierten Stellen des Entladungsgefäßes mit
Limitern aus Edelstahl ab, lassen sich auch in einer reinen Stickstoffentladung bei
vergleichbaren
Plasmaparametern
keine
Instabilitäten
und
keine
hohen
Kupferkonzentrationen beobachten. Edelstahl besitzt deutlich niedrigere Zerstäubungsraten
als Kupfer [Mat 93, Mey 97].
In [Mey 97] wurde daher ein Modell vorgeschlagen, das den Gasmischungseffekt auf
die Massenabhängigkeit des Plasmapotenzials zurückführt. Für ein stationäres Plasma mit
maxwellverteilten Elektronen erhält man das Plasmapotenzial gemäß
38
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Φ Plasma = −
q k nik
k BTe  me
ln
⋅∑
 ne
e
mik
k


,


(4.1)
wobei über alle Ionenkomponenten summiert wird [Mey 97]. q k , nik und mik sind die
Ladungszahl, die Dichte und die Masse der Ionenkomponente k. Demnach führt eine
Reduzierung der gemittelten Ionenmasse im Plasma, wie etwa in der Mischung mit einem
leichteren Gas, zu einer Absenkung des Plasmapotenzials, was bereits durch Messungen an
unserer alten EZR-Quelle bestätigt wurde [Nad 96]. In diesem Fall wird auch die Energie der
auf die Wand treffenden Ionen geringer sein und damit auch die Zerstäubung von
Wandmaterial.
Andererseits führt ein hohes Plasmapotenzial zu einer hohen Zerstäubungsrate des
Wandmaterials, in unserem Fall Kupfer. Gerade in der Nähe der Schwellenenergie für die
Wandzerstäubung (ca. 20 eV für Kupfer) steigen die Zerstäubungsraten sehr stark mit
steigendem Plasmapotenzial. Da Kupfer (ACu = 63,55) eine deutlich höhere Atommasse
besitzt als Stickstoff (AN2 = 14,01) bewirkt eine Erhöhung der Kupferkonzentration im Plasma
eine weitere Erhöhung des Plasmapotenzials und damit eine zusätzliche Verstärkung der
Wandzerstäubung, zumal die Raten der Selbstzerstäubung von Kupfer bei gleicher Energie
um bis zu einen Faktor 10 höher liegen als die der Zerstäubung durch Stickstoff oder Helium.
Dies führt zu einer selbstverstärkenden Zerstäubung, wobei die gemessene Zeitskala des
Anwachsens der Kupferkonzentration an der EZR-Entladung im Bereich der reziproken
Wiederholfrequenz der beobachteten Instabilität liegt [Jog 90, Mey 97]. Ab einer genügend
hohen Kupferkonzentration wird die heiße Elektronenpopulation durch inelastische Stöße mit
den Kupferatomen und Ionen wirksam abgekühlt. Das Plasma wird infolgedessen instabil und
diffundiert sehr rasch zu den Wänden. Das Plasma erlischt und der Prozess der
selbstverstärkenden Zerstäubung beginnt von Neuem mit einem erneuten Zünden der
Entladung.
Um zu überprüfen, ob dieses Modell auch auf EZR-Ionenquellen mit Minimum-BKonfiguration übertragbar ist, wurden an unserer ECRIS 2 sowohl VUV-spektroskopische
Messungen am Plasma der Quelle als auch massenspektroskopische Messungen des
extrahierten Ionenstrahls durchgeführt (Kap. 4.2.2) [Man 99]. Zunächst soll aber die in der
ECRIS 2 mögliche Verbesserung der Ladungszustandsverteilung von Stickstoffionen durch
das Mischen mit Helium erläutert werden.
39
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
4.2.1 Gasmischungseffekt in der ECRIS 2
Als geeignetes Mischgas für eine Stickstoffentladung hat sich in der Vergangenheit das
Edelgas Helium bewährt. In Abb. 4.4 sind der Ionenstrom von N5+ und die zugehörige
Linienintensität von NVI in Abhängigkeit vom Heliumanteil der Entladung dargestellt.
Ausgangspunkt war dabei eine reine Stickstoffentladung, die auf maximalen Strom von N5+
optimiert wurde. Anschließend wurde schrittweise Helium beigemengt, wobei der
Totalgasdruck und die übrigen Plasmaparameter konstant gehalten wurden. Sowohl Strom als
auch Linienintensität erreichen ihr Maximum bei einem Mischgasanteil von etwa 50 %. Die
optimale Mischung liegt also bei einem Partialdruckverhältnis von pN2 / pHe = 1:1. Der Strom
ist dabei um einen Faktor 2,4 und die Linienintensität um einen Faktor 1,8 gegenüber der
reinen Stickstoffentladung erhöht. Ionenstrom und Ionendichte im Plasma verhalten sich also
bei Variation des Mischungsverhältnisses ähnlich.
1,2
1800
1600
5+
1400
0,8
IVUV(NVI) / s -1
I Ex (N ) / µA
1
1200
1000
0,6
800
0,4
600
Extrahierter Strom
Linienintensität
0,2
0
400
200
0
0,00
0,20
0,40
0,60
0,80
1,00
Heliumanteil
Abb. 4.4: Ionenstrom und Linienintensität für den Ladungszustand q = 5 als
Funktion des Heliumanteils.
Weiter steigern lassen sich die Ströme hochgeladener Ionen, wenn in der Gasmichung
die
Plasmaparameter
neu
optimiert
werden.
In
Abb. 4.5
sind
die
besten
Ladungszustandsverteilungen einer reinen Stickstoffentladung und einer Stickstoff-HeliumMischung sowohl als elektrischer Strom als auch als Teilchenstrom dargestellt, die bislang im
Ionenstrahl der ECRIS 2 in Bochum gemessen wurden. Um den Teilchenstrom zu erhalten,
wurde der elektrische Strom durch den jeweiligen Ladungszustand geteilt. Der Strom von N7+
kann nicht eindeutig gemessen werden, da der entsprechende Peak im Spektrum der
extrahierten Ionen vom H2+-Peak aus dem Restgas und in der Gasmischung auch vom He2+40
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Peak überlagert ist. Die hier vorgestellten Messungen erfolgten zu einem weitaus späteren
Zeitpunkt als die Messung in der vorigen Abbildung.
Aufgrund einiger technischer
Änderungen der Quelle, wie z. B. die Änderung der Position der Ausgangsblende des
Entladungsgefäßes, sind hier auch in der reinen Stickstoffentladung die Ströme der
hochgeladenen Ionen etwas größer. Dennoch lässt sich durch eine optimierte N2-HeEntladung (Heliumanteil hier: 60 %) der Strom von N4+-Ionen um einen Faktor 2,6 steigern.
Für N5+ und N6+ beträgt der Faktor sogar 5,4 bzw. 7,6. Das Maximum der
Ladungszustandsverteilung (ermittelt aus den Teilchenströmen) verschiebt sich dabei von
q = 1 nach q = 4.
N2
10
6
4
2
1
2
3
4
5
Ladungszustand
3
2
1
qmax
0
N2/He
4
I Ex / pµA
I Ex / eµA
8
N2
5
N2/He
qmax
0
6
0
2
4
Ladungszustand
6
Abb. 4.5: Effekt der Helium-Beimischung. Dargestellt sind die elektrischen
Ionenströme in eµA (electrical µA) und Ladungszustandsverteilungen im
Ionenstrahl in sog. pµA (particle µA, elektrischer Strom dividiert durch
Ladungszahl q) für eine reine N2-Entladung und eine N2-He-Mischung. Der Pfeil
kennzeichnet die Verschiebung des Maximums in der Ladungszustandserteilung.
Die beiden Plasmazustände wurden separat auf größtmöglichen Extraktionsstrom
von N5+ optimiert.
Die Ströme der unteren Ladungszustände von q = 1 bis q = 3 sind in der Gasmischung
gegenüber der reinen Stickstoffentladung abgesenkt. Die Steigerungsfaktoren dieser
Ionenströme sind also kleiner als 1. Die Steigerungsfaktoren der extrahierten Stickstoffströme
einer N2-He-Entladung gegenüber einer N2-Entladung sind in Abb. 4.6 in Abhängigkeit vom
Ladungszustand dargestellt.
41
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
8
Steigerungsfaktor
7
6
5
4
3
2
1
0
1
2
3
4
5
6
Ladungszustand
Abb. 4.6: Steigerung der extrahierten Stickstoffionenströme durch die Mischung
mit Helium in Abhängigkeit vom Ladungszustand. Ein Faktor kleiner als 1
bedeutet eine Absenkung des betrachteten Ionenstroms.
4.2.2 Plasma-Wand-Wechselwirkung in der ECRIS 2
Das Entladungsgefäß unserer ECRIS 2 besteht zum überwiegenden Teil aus Kupfer.
Lediglich die Endplatten auf der Gaseinlassseite und der Extraktionsseite bestehen aus
Edelstahl bzw. Aluminium. Für den Fall, dass die Wandzerstäubung in der Ionenquelle eine
ähnliche Rolle spielt wie in der EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld, sollten sowohl im
VUV-Spektrum des Plasmas als auch im Massenspektrum des extrahierten Ionenstrahls
Kupferlinien messbar sein, deren Intensität vom Heliumanteil im Plasma abhängt.
In Abb. 4.7 ist das Massenspektrum einer reinen Stickstoffentladung bis A / q = 65
dargestellt. Um zu gewährleisten, dass auch derart schwere Ionen von unserem eher
schwachen Separationsmagneten in Richtung Faraday-Cup abgelenkt werden, konnte hier nur
eine Extraktionsspannung von 5 kV angelegt werden. Aus diesem Grund fallen die Ströme
der hochgeladenen Ionen verhältnismäßig gering aus. Erhöht man im Bereich des Cu+-Peaks
die Empfindlichkeit des Pikoamperemeters lässt sich ein Strom detektieren der etwa 300 mal
geringer ist als der Strom des einfach geladenen Stickstoff.
42
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Abb. 4.7: Massenspektrum einer Stickstoffentladung inklusive Kupferpeak aus
zerstäubtem Wandmaterial. Der Cu+-Ionenstrom wurde dabei mit erheblich
größerer Empfindlichkeit des Pikoamperemeters aufgenommen.
Im Emissionsspektrum des Plasmas sind im Wellenlängenbereich von 219 bis 224 nm
ebenfalls deutliche CuI- und CuII-Linien erkennbar deren Intensität stark vom Heliumanteil
der Entladung abhängt (s. Abb. 4.8). In Abb. 4.9 sind die Verläufe des Cu+-Ionenstroms und
der CuI-Linie bei 221,5 nm in Abhängigkeit vom Heliumanteil gegenübergestellt. Auch hier
wurden wieder der Totalgasdruck und die übrigen Plasmaparameter konstant gehalten. In der
optimalen Mischung (Heliumanteil: 50 %) sinken der Cu+-Strom um einen Faktor 7 und die
Linienintensität um einen Faktor 4. Für eine reine He-Entladung ist der Strom sogar um einen
Faktor 30 und die Linienintensität um einen Faktor 12 geringer als für eine reine
Stickstoffentladung. Die Auswirkung der Heliummischung auf die Linienintensität
hochgeladener Ionen ist in Abb. 4.10 exemplarisch für NV dargestellt.
43
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
350
-1
Linienintensität / s
1 (N2) : 0 (He)
2 (N2) : 1 (He)
1 (N2) : 1 (He)
CuI
300
250
CuII
CuII
200
CuI
CuII
150
CuI (221,46 nm)
100
50
0
2190
2200
2210
2220
2230
2240
Wellenlänge / Å
Abb. 4.8: Cu-Linien im VUV-Spektrum für drei unterschiedliche Mischungsverhältnisse.
2,5
100
VUV CuI
Extraktion Cu+
80
2
1,5
60
1
40
0,5
20
0
Ionenstrom / nA
Linienintensität / s-1
120
0
0
20
40
60
80
100
Heliumanteil / %
Abb. 4.9: CuI-Linienintensität und Cu+-Ionenstrom als Funktion des Mischungsverhältnisses.
44
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
1 (N2) : 0 (He)
2 (N2) : 1 (He)
1 (N2) : 1 (He)
Linienintensität / s-1
350
300
250
NI (124,3 nm)
NV (123,8 nm)
200
150
100
50
0
1230
1235
1240
1245
1250
Wellenlänge / Å
Abb. 4.10: Entwicklung der NV-Linie im Vergleich zur NI-Linie während der
Mischung mit Helium.
Um auszuschließen, dass die Beobachtungen lediglich auf einem Reinigungseffekt der
Entladung beruhen, wurde als weiterer Test aus einer optimalen Stickstoff-Helium-Mischung
heraus die Heliumzufuhr gestoppt und die zeitliche Entwicklung der CuI-Linie detektiert (s.
Abb. 4.11). Die Intensität der CuI-Linie nimmt nach dem Schließen des He-Nadelventils
deutlich zu, obwohl der Totalgasdruck währenddessen sinkt. Die Zeitskala des Anstiegs der
Linienintensität ist dabei durch die Trägheit des Gaseinlasssystems bestimmt.
100
VUV-Intensität / s-1
90
80
N2 / He Mischung (1:1)
70
60
reines N2-Plasma
50
40
0
50
100
150
t/s
200
250
300
Abb. 4.11: Zeitliche Entwicklung der CuI-Linie, wenn die Heliumzufuhr
unterbrochen wird.
45
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Von
den
Ionenquellenanwendern
wurde
bislang
das
Vorhandensein
von
Verunreinigungen aus dem Wandmaterial im Ionenstrahl verneint. Die hier beschriebenen
Untersuchungen unterstützen jedoch die These, dass das Model der Wandzerstäubung, das am
Anfang des Kapitels erläutert wurde, von der EZR-Entladung mit einfachem magnetischen
Spiegelfeld auf EZR-Ionenquellen mit Minimum-B-Konfiguration übertragen werden kann.
Die beobachtete Abhängigkeit der Kupferkonzentration vom Gasmischungsverhältnis ist ein
deutlicher Hinweis darauf, dass zerstäubtes Wandmaterial den Plasmaeinschluss und
vermutlich auch die Plasmastabilität beeinflusst. Auch an unserer Ionenquelle beobachtet man
häufig, insbesondere, wenn die Entladung ohne Gasmischung betrieben wird, langsame
Modulationen der Intensität des Ionenstrahls. Ähnliches wird von anderen Gruppen berichtet
[Lam 96].
Auch
numerische
Simulationen
belegen,
dass
die
Bildung
der
Ladungszustandsverteilung in EZR-Ionenquellen stark durch die Kontaminierung des Plasmas
durch schwere Atome aus dem Wandmaterial beeinflusst wird [Mey 00].
Ein weiterer Mechanismus, der für die Formierung der Ladungszustandsverteilung eine
große Rolle spielt, ist die stark massenselektive Ionenheizung durch Landaudämpfung
niederfrequenter Plasmawellen. Diese wird im Kapitel über die Isotopenanomalie (Kap. 6)
diskutiert.
4.2.3 Wasserstoffanomalie
Ein bereits seit einiger Zeit bekanntes Phänomen in EZR-Ionenquellen und EZREntladungen ist die deutliche Abnahme der Produktion hochgeladener Ionen, wenn dem
eigentlichen Entladungsgas Wasserstoff beigemengt wird oder, beispielsweise nach dem
Öffnen des Entladungsgefäßes, eine signifikante Verunreinigung durch Wasserstoff im
Plasma vorhanden ist [Dre 93, Mey 95, Mey 96, Mey 97]. Obwohl Wasserstoff das leichteste
Element ist, führt die Mischung mit diesem Gas entgegen dem Ionenkühlungsmodell also
nicht
zu
einer
Verbesserung
sondern
zu
einer
Verschlechterung
der
Ladungszustandsverteilung schwererer Gase. Deshalb wird dieses Phänomen im Sinne des
Ionenkühlungsmodells als Wasserstoffanomalie bezeichnet [Mey 96, Mey 97].
46
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Der Sonderstatus des leichtesten Gases Wasserstoff lässt sich erklären, wenn man
annimmt, dass Wasserstoff im Plasma negative Ionen durch Einfang von kalten Elektronen
bildet
[Mey 97].
Die
kalten
Elektronen
machen
den
größten
Anteil
an
der
Elektronenpopulation im EZR-Plasma aus [Bib 98, Bib 02]. Negativ geladener Wasserstoff
besitzt sehr hohe Wirkungsquerschnitte für die Rekombination mit hochgeladenen Ionen.
Auch die Resultate der selektiven Wasserstoffionenheizung lassen sich mit diesem Ansatz
verstehen. Entsprechende Experimente an unserer EZR-Entladung und unserer alten Quelle
ECRIS 1 ergaben, das sich die Produktion hochgeladener Ionen verbessert, wenn
Wasserstoffionen aus dem Restgas mit Hilfe eines HF-Senders in der Ionen-ZyklotronResonanz geheizt und dabei vermehrt aus dem Plasma transportiert werden [Mey 95, Mey 96,
Mey 97]. Bei einem sehr geringem Wasserstoffanteil in der Entladung kehrt sich dieser Trend
jedoch
um,
und
die
Wasserstoffheizung
hat
einen
negativen
Effekt
auf
die
Ladungszustandsverteilung des Plasmas. Möglicherweise werden im ersten Fall vornehmlich
negative und im zweiten Fall vornehmlich positive Wasserstoffionen geheizt.
Um negative Wasserstoffionen im EZR-Plasma nachzuweisen wurden von D.
Bolshukhin
an
unserer
EZR-Entladung
Photodetachment-Experimente
durchgeführt
[Bol 98/1, Bol 98/2]. Dazu wurde der Lichtpuls eines leistungsstarken Stickstofflasers in das
Plasma eingestrahlt, um das zusätzliche Elektron vom H − -Ion abzuspalten. Simultan dazu
wurde zeitaufgelöst mit einer Sonde die Elektronendichte im Spiegelhals der Entladung
gemessen. Auf diese Weise wurden nach einer Glättung des Sondensignals zwei schwache
Peaks mit einem zeitlichen Abstand von 0,6 µs nachgewiesen, was auf zwei räumlich
voneinander getrennte H − -Populationen hinweist. Dies wurde auch als möglicher Nachweis
eines Potenzialdips im Plasmaptenzial gedeutet, da sich negative Ionen vornehmlich in den
Maxima des Potenzials aufhalten.
Obige Resultate wurden bei einem vergleichsweise hohen Entladungsdruck erhalten,
was
für
die
Produktion
hochgeladener
Ionen
ungünstig
ist.
Bei
normalen
Betriebsbedingungen war das Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu schlecht um eindeutige Peaks
nachzuweisen. An unserer ECRIS 2 gelang es jedoch negative Wasserstoffionen auch unter
besser optimierten Bedingungen zu extrahieren. Die Entladung brannte hier in Stickstoff ohne
Mischgaskomponente mit einem für die Produktion hochgeladener Ionen günstigen Druck
von p = 3⋅10-5 mbar. Wasserstoff war in Spuren im Restgas enthalten. Der H+-Ionenstrom im
Massenspektrum der positiven Ionen betrug zur Zeit dieser Messungen lediglich einige nA.
Ein solch niedriger Wert weist auf günstige Bedingungen für die Produktion hochgeladener
47
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Ionen hin. Die Mikrowellenleistung wurde zunächst auf einen niedrigen Wert von 35 W
eingestellt. Für die Extraktion negativer Ionen wurden die Hochspannungsgeräte für das
Quellenpotenzial
(Extraktionsspannung)
und
das
Einzellinsenpotenzial,
sowie
die
Stromversorgung des Separationsmagneten umgepolt. Ein so entstandenes Massenspektrum
ist in Abb. 4.12 dargestellt. Tatsächlich sind deutlich mehrere Peaks verschiedener negativer
Ionen zu erkennen, von denen der H − -Peak bei einem Masse-Ladungs-Verhältnis von
A / q = 1 mit etwa –60 pA der kleinste ist. Weitere eindeutig zu identifizierende Peaks sind
O − bei A / q = 16 mit –160 pA und F − bei A / q = 19 mit –1,4 nA. Sauerstoff ist ebenso wie
Wasserstoff grundsätzlich im Restgas enthalten. Das Element Fluor stammt aus dem
Vakuumfenster der Mikrowellenzuführung, das aus einer 0,5 mm dicken Teflonfolie besteht.
Ein leichtes Ausgasen der Folie im Vakuum, insbesondere bei Erwärmung durch die
Mikrowelle, lässt sich leider nicht gänzlich vermeiden. Sauerstoff und Fluor besitzen sehr
hohe Elektronegativitäten (3,5 und 4) [Rie 88] und hohe Elektronenaffinitäten (O: 1,46 eV,
F: 3,4 eV) [And 99] und können daher leicht negative Ionen bilden.
CN − ?
HCN − ?
Al − ?
Abb. 4.12: Massenspektrum negativer Ionen an der ECRIS 2 bei umgepolter
Extraktionsspannung.
Die Herkunft der übrigen Peaks ist nicht so einfach zu ergründen. Bei der Masse 20
könnte es sich um ein HF-Molekül handeln. Die Masse 27 entspricht Aluminium, das Metall,
aus dem die Austrittsblende des Entladungsrohrs besteht. Allerdings besitzt Aluminium eine
vergleichsweise niedrige Elektronegativität von 1,5 und eine Elektronenaffinität von nur
0,43 eV. Das einzige Element, dass ein stabiles Isotop der Masse 26 besitzt ist Magnesium.
Magnesium kommt jedoch in den von uns verwendeten Materialien nicht vor. Außerdem ist
48
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
26
Mg nur zu 11 % im natürlichen Magnesium enthalten. Denkbar wäre noch das
Vorhandensein von CN − -Molekülen, die aus dem Vakuumpumpenöl stammen können. CN −
besitzt eine hohe Dissoziationenergie von 10,23 eV und das CN-Molekül eine hohe
Elektronenaffinität von ca. 3,6 eV [Mas 76]. Die Masse 27 könnte dann auch aus HCNMolekülen gebildet werden.
H − -Ionen und der
Die Ströme der
F − -Ionen zeigen sehr unterschiedliche
Leistungsabhängigkeiten. Der H − -Strom besitzt ein ausgeprägtes Maximum bei 35 W mit
77 pA und fällt danach bis 300 W stark ab auf 17 pA (s. Abb.4.13). Erst oberhalb von 600 W
steigt der Strom wieder leicht an. Offenbar sind bei 35 W zum einen genügend kalte
Elektronen vorhanden, um negative Wasserstoffionen zu erzeugen, und zum anderen nur sehr
wenige hochgeladene Ionen, die mit H − rekombinieren können. Bei mittleren Leistungen
stehen
bereits
wesentlich
mehr
hochgeladene
Ionen
zu
Verfügung.
Bei
hohen
Mikrowellenleistungen steigt allerdings der Wasserstoffanteil im Plasma durch Desorption
-I(H-) / pA
von den Wänden an, wodurch auch der H − -Strom wieder leicht steigt.
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
0
200
400
Pin / W
600
800
Abb. 4.13: H − -Ionenstrom in Abhängigkeit von der Mikrowellenleistung.
Erstaunlicherweise zeigt der F − -Strom einen nahezu linearen Anstieg bei steigender
Leistung (s. Abb.4.14). Die Entwicklung des Stroms wird hier vermutlich in erster Linie
durch die Freisetzung des Fluor aus der erwärmten Teflonfolie des Vakuumfensters im
Mikrowellenhohlleiter bestimmt. Die Erwärmung der Folie ist naturgemäß umso höher je
größer die Leistung der eingespeisten Mikrowelle ist.
49
-I(F -) / nA
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
0
200
400
Pin / W
600
800
Abb. 4.14: F − -Ionenstrom in Abhängigkeit von der Mikrowellenleistung.
Der hier durchgeführte Nachweis negativer Wasserstoffionen scheint zunächst ein
klarer Beleg für den oben beschriebenen Erklärungsansatz der Wasserstoffanomalie zu sein.
Problematisch ist in diesem Bild allerdings das Vorhandensein negativer Sauerstoffionen.
Auch diese sollten eigentlich mit den hochgeladenen Ionen im Plasma rekombinieren können.
Tatsächlich ist Sauerstoff aber ein günstiges Mischgas für die Produktion hochgeladener
Ionen von schweren Gasen wie beispielsweise Argon [Mel 99]. Ein grundsätzliches Problem
bei den hier durchgeführten Messungen ist auch das positive Plasmapotenzial der Entladung,
das je nach Betriebsbedingungen im Bereich einiger 10 V liegen kann [Nad 96, Xie 94,
Xie 95]. Negative Ionen, die im zentralen Plasma gebildet werden, können wegen ihres
Einschlusses in dem positiven Potenzial eigentlich nicht extrahiert werden, da die
Ionentemperatur im ECRIS-Plasma maximal ein paar eV beträgt [Köh 87]. Das bedeutet, dass
die negativen Ionen, die wir beobachten, entweder in der Plasmarandschicht erzeugt werden,
oder durch Oberflächenprozesse im Extraktionssystem, wie z. B. durch Wechselwirkung der
hochenergetischen
Elektronen
aus
dem
Verlustkegel
mit
der
Oberfläche
der
Extraktionsblende. Die Extraktionsblende der ECRIS 2 besteht aus Aluminium, an dessen
Oberfläche sich meist eine Aluminiumoxidschicht befindet. Negative Ionen wie Al − und O − ,
die an der Oberfläche der Extraktionsblende entstehen, werden aufgrund der negativen
Hochspannung am Entladungsgefäß viel leichter in Richtung Strahlsystem beschleunigt als in
Richtung des Plasmas. Andererseits werden diese Ionen nur in einem eher begrenzten Bereich
auf der Extraktionsseite des Entladungsgefäßes erzeugt. Somit ist der Anteil dieser negativen
Ionen im Plasma auch im normalen Betrieb mit positiver Hochspannung vermutlich sehr
50
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
gering. Zudem sind die Raten der Rekombination mit hochgeladenen Ionen für O − etwa vier
mal geringer als für H − [Wie 02].
Welche negativen Ionen im Plasma in nicht vernachlässigbarer Menge vorhanden sind,
lässt sich also durch Messung der extrahierten Ströme nicht zuverlässig beurteilen. Die
Möglichkeit negative Ionen zu extrahieren, ist allerdings ein deutlicher Hinweis auf das
Vorhandensein
negativer
Ionen
auch
im
Plasma.
Das
Zustandekommen
der
Wasserstoffanomalie kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht zweifelsfrei geklärt werden.
51
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
4.3 Vorspannen der Endplatte („biased disk“)
4.3.1 Effekt der vorgespannten Endplatte in der ECRIS 2
Als „biased disk“ dient in der Bochumer ECRIS 2 die Endplatte auf der Gaseinlassseite
des Entladungsrohrs. Sie ist durch Keramikhülsen vom Rest des Entladungsgefäßes isoliert
und besteht nicht aus Kupfer wie das Entladungsrohr selbst sondern aus Edelstahl. Der
Mikrowellenhohlleiter wird berührungsfrei durch die Endplatte geführt, deren Position nicht
verändert werden kann. Sie liegt etwa 5 cm außerhalb des Magnetfeldmaximums, besitzt also
keinen direkten Kontakt zum zentralen Plasma (s. Abb. 4.15).
0,6
0,5
Bz /T
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-100
Endplatte
0
100
200
300
z / mm
400
500
600
Extraktion
MW-Leiter
Abb. 4.15: Position der Endplatte in der ECRIS 2. Der eingefügte Verlauf von Bz
entlang der Achse verdeutlicht die Lage der Endplatte zum zentralen Plasma.
52
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Obwohl die Endplatte in unserem Experiment vergleichsweise weit entfernt vom
zentralen Plasma ist, lässt sich durch Anlegen einer negativen Spannung die Ausbeute
hochgeladener Ionen signifikant steigern. Dabei ist zu beachten, dass sämtliche
Plasmaparameter neu optimiert werden müssen. Abb. 4.16 zeigt einen Vergleich der
extrahierten Ionenströme von Entladungen mit vorgespannter Endplatte (UEP = -100 V) zu
den jeweiligen Strömen konventioneller Entladungen für Stickstoffplasmen mit und ohne
Heliummischung. Bei allen vier Entladungen wurden sämtliche Plasmaparameter auf die
Produktion von N5+ optimiert. Dies führt zu vier völlig verschiedenen Plasmazuständen,
verdeutlicht aber die jeweils maximal mögliche Ausbeute hochgeladener Ionen. Gegenüber
einer konventionellen N2-He-Mischung bringt eine Mischgasentladung mit vorgespannter
Endplatte eine Steigerung um einen Faktor 2,4 für N5+ und um einen Faktor 3,8 für N6+. Ohne
Heliummischung beträgt die Steigerung für beide Ionen ungefähr einen Faktor 4. Dagegen
führt das Vorspannen der Endplatte bei den niedrigen Ladungszuständen von q = 1 bis q = 3
zu einer Verringerung der jeweiligen Ionenströme.
N2
N2/He
N2 + EP
N2/He + EP
N2
N2/He
N2 + EP
N2/He + EP
5
4
I / pµA
I / eµ
16
14
12
10
8
6
4
2
0
3
2
1
0
1
2
3
4
5
Ladungszustand
6
0
2
4
Ladungszustand
6
Abb. 4.16: Effekt der vorgespannten Endplatte (UEP = -100 V) im Vergleich zu
konventionellen N2-Entladungen mit und ohne He-Mischung. Dargestellt sind die
Ionenströme in eµA (electrical µA) und Ladungszustandsverteilungen im
Ionenstrahl in pµA (particle µA). Jeder der vier Plasmazustände wurde separat auf
größtmöglichen Extraktionsstrom von N5+ optimiert.
Die N2-He-Mischung mit vorgespannter Endplatte (UEP = -100 V) ergibt in der
ECRIS 2 die bestmögliche Produktion hochgeladener Stickstoffionen. Das Maximum der
Ladungszustandsverteilung im extrahierten Ionenstrahl liegt hier bei N5+. Gegenüber einer
reinen
Stickstoffentladung
ohne
vorgespannte
Endplatte
ergeben
sich
hier
Steigerungsfaktoren von 12,7 für N5+ und sogar 28,9 für N6+. Abb. 4.17 zeigt die
53
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Steigerungsfaktoren der Ionenströme durch den Endplattenbetrieb, den Mischgasbetrieb,
sowie durch gleichzeitige Anwendung beider Methoden gegenüber einer konventionellen
Stickstoffentladung ohne Gasmischung.
N2-He-EP / N2
N2-He / N2
N2-EP / N2
Steigerungsfaktor
30
25
20
15
10
5
0
1
2
3
4
5
6
Ladungszustand
Abb. 4.17: Steigerung der Ionenströme durch Vorspannen der Endplatte (EP),
Gasmischung mit Helium und Anwendung beider Methoden gegenüber einer
reinen Stickstoffentladung ohne vorgespannte Endplatte.
Bei der Optimierung der einzelnen Entladungen fällt auf, dass bei vorgespannter
Endplatte deutlich weniger Mikrowellenleistung für die Produktion hochgeladener Ionen
benötigt wird (300 W anstatt 750 W für N2 bzw. 460 W für N2-He ohne vorgespannte
Endplatte. Höhere Mikrowellenleistungen führen in diesem Fall sogar zu einer
Verschlechterung
der
Ladungszustandsverteilung.
Ebenso
ergibt
sich
für
den
Endplattenbetrieb im optimierten Betriebszustand ein nur etwa halb so großer Totalgasdruck
wie in einem optimierten Entladungszustand mit kurzgeschlossener Endplatte.
4.3.2 Abschätzung der Elektronenemission
Der positive Effekt des Vorspannens der Endplatte auf die Ladungszustandsverteilung
wird von den Quellenanwendern in der Regel durch Sekundärelektronenemission von der
Oberfläche der „biased disk“ erklärt (s. Kap. 3.3). An dieser Stelle soll daher abgeschätzt
werden, wie hoch der Anteil dieser zusätzlichen Elektronen an der Gesamtelektronendichte
54
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
sein kann. Der Einfachheit halber wird hier nur die ioneninduzierte Elektronenemission
betrachtet, da die weitaus meisten Elektronen aus dem Plasma nicht genügend Energie
besitzen, um das negative Potential der Endplatte zu überwinden [Bib 98, Bib 02]. Für die
Abschätzung werden lediglich der an der ECRIS 2 gemessene elektrische Strom auf der
Endplatte bei einer Spannung von UEP = 100 V und vernünftige Annahmen über den mittleren
Ladungszustand der Ionen, sowie die Elektronenausbeute zu Grunde gelegt.
Der Strom auf der Endplatte lässt sich leicht messen, indem man zwischen
Spannungsquelle und Endplatte ein Amperemeter schaltet. Er setzt sich zusammen aus den
auf die Endplatte beschleunigten Ionen und den auf der
Oberfläche
ausgelösten
Elektronen.
Die
wenigen
Ii
hochenergetischen Elektronen, die die Endplatte erreichen
können (Ekin > 100 eV) werden hier vernachlässigt. Die
Elektronenverteilungsfunktion wurde bisher an unserer
Ie
Quelle nur spektroskopisch bei einer Leistung von 100 W
gemessen [Bib 02]. Anhand dieser Verteilungsfunktion lässt
Abb. 4.18: Strom auf der
Endplatte (schematisch).
Ii: Ionenstrom,
Ie: ausgelöste Elektronen
sich abschätzen, dass die Elektronen mit Energien oberhalb
von 100 eV einen Anteil von deutlich unterhalb 1 % besitzen.
Ionen- und Sekundärelektronenstrom haben das gleiche
Vorzeichen, da sie entgegengesetzte Richtungen besitzen (s. Abb. 4.18). Bei einer
Endplattenspannung
von
UEP = -100 V
beträgt
der
elektrische
Strom
insgesamt
Iges = Ii + Ie ≅ 0,7 mA.
Den mittleren Ladungszustand der Ionen schätzen wir mit
qi = 3
ab. Die
Emissionsausbeute γ für ioneninduzierte Elektronenemission ist definiert als Anzahl der von
der Oberfläche ausgelösten Elektronen pro auftreffendes Ion. Für Stickstoffionen, die auf eine
Edelstahloberfläche auftreffen, gibt es in der Literatur für den relevanten Energiebereich
keine konkreten Daten. Üblicherweise liegen die Werte der Emissionsausbeute γ für
verschiedene Ionensorten und verschiedene Materialien aber innerhalb der Größenordnungen
0.1 bis 10 [Var 92]. Für unsere Rechnung nehmen wir γ = 1 an.
Mit diesen Annahmen erhält man für das Verhältnis von Ionen- und Elektronenstrom
55
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Ii =
qi
I
γ e
(4.2)
und damit für den Strom Ie der in Richtung Plasma emittierten Elektronen
I e = I ges − I i =
I ges
.
qi
1+
γ
(4.3)
Die zugehörige Teilchenstromdichte Je erhält man aus
Je =
I ges
Ie
Ie
=
=
= 4,4 ⋅1017 m − 2 s −1
2
e ⋅ A e ⋅π ⋅ r
 qi 
1 +  ⋅ e ⋅ π ⋅ r 2
 γ 
(4.4)
mit der Elementarladung e, der effektiven Fläche A und dem effektiven Radius r = 28 mm der
Endplatte. Nach Durchlaufen der Endplattenspannung erreichen die Elektronen die
Geschwindigkeit
ve =
2 ⋅ e ⋅ U EP
,
me
(4.5)
wobei me die Elektronenmasse bezeichnet. Die zusätzliche Potenzialdifferenz durch das
positive Plasmapotenzial wird in dieser Abschätzung vernachlässigt. Aufgrund der
Spannungsdifferenz zwischen Endplatte und Plasma besitzen die Elektronen im wesentlichen
eine axiale Geschwindigkeitskomponente und werden vom Spiegelfeld nicht eingeschlossen.
Die von der Endplatte emittierten Elektronen durchlaufen das Plasma also nur einmal mit der
Geschwindigkeit ve und gehen dann auf der gegenüberliegenden Seite des Entladungsgefäßes
verloren. Somit erhält man letztendlich unter Benutzung der zugrundegelegten Werte für die
zusätzliche Elektronendichte
∆ne =
I ges
Je
=
≈ 7,5 ⋅ 1010 m −3 .
3
ve  qi 
2 ⋅ e ⋅ U EP
1 +  ⋅ π ⋅ r 2 ⋅
γ 
me

(4.6)
Dieser Wert ist etwa 7 Größenordnungen geringer als die normalerweise in EZRPlasmen auftretende Elektronendichte von 1017 bis 1018 m-3. Eine solch minimale
Veränderung der Dichte kann für die Ionisierungsbilanz kaum eine wesentliche Rolle spielen.
56
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Für eine Steigerung der Ströme hochgeladener Ionen bis zu einem Faktor vier in unserem Fall
kann diese gewiss nicht verantwortlich sein. Selbst für den Fall, dass beispielsweise die
Elektronenausbeute in der Rechnung unterschätzt wurde, ändert sich an der Deutlichkeit des
Ergebnisses nichts. Gleiches gilt, wenn man zusätzlich die Sekundärelektronenemission durch
hochenergetische Elektronen aus dem Plasma berücksichtigt.
Prinzipiell ist auch das Auslösen von Elektronen durch Photonen aus der UV- und
Röntgenstrahlung unseres Plasmas möglich (äußerer Photoeffekt). Die Austrittsarbeiten der in
Edelstahl enthaltenen Metalle liegen im Bereich von 4,5 eV bis 5 eV [Ber 92]. Die absolute
Intensität der Strahlung oberhalb dieser Schwellenenergie ist aus spektroskopischen
Messungen in etwa bekannt und beträgt ca. 3⋅1014 Photonen / (cm3⋅s) [Bib 02/2]. Daraus lässt
sich der Photonenfluss auf die Endplatte (ca. 2,5⋅1016 Photonen / s) und weiterhin die
Größenordnung
der
Photoelektronenemission
von
der
Endplatte
abschätzen.
Die
Emissionsausbeuten für Photoelektronen liegen je nach Material maximal im Prozentbereich
[Bro 66], sind für Edelstahl aber nicht explizit bekannt. Setzt man eine Ausbeute von 2 %
voraus, ergibt sich als Maximalabschätzung der Teilchenstromdichte der Photoelektronen
JPe = 2⋅1017 m-2s-1. Die Photoelektronenemission liegt also maximal in der gleichen
Größenordnung wie die ioneninduzierte Elektronenemission aus Gl. 4.4 und spielt damit für
die Elektronendichte im Plasma eine ebenso geringe Rolle.
4.3.3 Spannungsabhängigkeit der Ionenströme und VUVLinienintensitäten
Um den „biased disk“- Effekt näher zu untersuchen, wurde zunächst die Abhängigkeit
der Ionenströme und VUV-Intensitäten, sowie einiger plasmaphysikalischer Größen wie
reflektierte Mikrowellenleistung oder Strom auf der Endplatte von der Endplattenspannung
überprüft. Dazu wurden erst alle Plasmaparameter inklusive Endplattenspannung auf den
Ladungszustand N5+ optimiert. Anschließend wurde die Spannung auf der Endplatte
schrittweise von +100 V bis –200 V variiert, wobei alle übrigen Parameter konstant gehalten
wurden. Die Abb. 4.19 zeigt die gemessenen Ionenströme im Vergleich zu den
57
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
entsprechenden VUV-Linienintensitäten. Die Ionenströme besitzen je nach Ladungszustand
verschiedene
Maxima
bei
unterschiedlichen
(Umax(N+) = +10 V,
Spannungswerten
Umax(N2+) = -5 V, Umax(N3+) = -15 V, Umax(N4+) = -40 V, Umax(N5+) = -90...-100 V). N6+
besitzt kein ausgeprägtes Maximum, sondern läuft bei -65 V in eine Sättigung. Die
entsprechenden Ionisierungspotenziale liegen bei 14,53 eV für NI, 29,60 eV für NII, 47,45 eV
für NIII, 77,47 eV für NIV, 97,89 eV für NV und 552,006 für NVI [DUN 85]. Nimmt man
ein Plasmapotenzial von UPl ≅ 25 V an, dann entspricht bei den niedrigen Ladungszuständen
die Differenz ∆U = UPl - Umax ungefähr den Ionisierungspotenzialen. Für N3+ und N4+ ist ∆U
etwa 7,5 V bzw. 12,5 V niedriger und für N5+ 17,1 V bis 27,1 V höher als deren
Ionisierungspotential. Es lässt sich also nicht ohne weiteres eine Korrelation zwischen den
Maxima der Ionenströme und einer zusätzlichen Ionisation durch im Feld der Endplatte
beschleunigten
Elektronen
Elektronenstoßionisation
finden.
von
Zumal
Stickstoff
erst
die
für
Wirkungsquerschnitte
das
zwei-
bis
für
die
vierfache
des
14
12
10
8
6
4
2
0
-200
I(N5+)
I(N4+)
I(N3+)
I(N2+)
I(N+)
I(N6+)
-100
0
100
Linienintensität in s-1
I (Nq+) / µA
Ionisierungspotenzials maximal werden [Dun 85, Ait 71, Fal 83, Cra 79].
I(NVI)
I(NV)
I(NIV)
I(NIII)
I(NII)
1000
800
600
400
200
0
-200
U EP / V
-100
0
100
U EP / V
Abb. 4.19: Ionenströme und VUV-Linienintensitäten in Abhängigkeit von der
Endplattenspannung UEP.
Dementsprechend zeigt auch das von den Ionen emittierte VUV-Licht keine
ausgeprägten Maxima bei Variation der Endplattenspannung. Statt dessen zeigen die
Linienintensitäten der hochgeladenen Ionen bei negativer werdender Spannung einen Anstieg,
der auf eine tatsächliche Änderung des mittleren Ladungszustands der Ionen in der Entladung
hinweist, und laufen dann bei ca. -60 V in eine Sättigung.
Der Rückgang der Ionenströme im stark negativen Spannungsbereich scheint also auf
einer Veränderung der Transmission des extrahierten Ionenstrahls im Strahlsystem zu
beruhen. Dies bestätigt sich auch, wenn man die Summe aller am Faraday-Cup gemessenen
58
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Ionenströme ΣI mit dem Gesamtstrom IEx aus der Quelle vergleicht (s. Abb. 4.20 a)). IEx kann
direkt am Netzgerät zur Erzeugung der Extraktionsspannung abgelesen werden, da das
Netzgerät diesen Strom kompensieren muss, um die Extraktionsspannung aufrecht zu halten.
Während ΣI bei UEP ≅ -50 V ein Maximum besitzt, läuft IEx, ähnlich wie die VUVIntensitäten der hochgeladenen Ionen bei UEP = -60 V in eine Sättigung. Bei Spannungen, die
negativer sind als –50 V, sinkt also offensichtlich der Anteil der extrahierten Ionen, die den
2
I Ex / mA
30
1
I_Ex
Summe I
0
-200
20
I_EP
10
0
-100
0
U EP / V
I EP / mA
40
1,5
0,5
35
30
25
20
15
10
5
0
b) 0
50
Σ I / µA
a)
100
P_ref.
-10
-200
P ref / W
Faraday-Cup am Ende des Strahlsystems erreichen.
0
U EP / V
Abb. 4.20: a) Gesamtstrom IEx aus der Quelle (gemessen als Strom, den das
Netzgerät zur Erzeugung der Extraktionsspannung aufbringen muss) im Vergleich
zur Summe ΣI über alle Ionenströme der Stickstoff- und Heliumionen nach dem
Separationsmagneten. b) Reflektierte Mikrowellenleistung Pref und Strom auf der
Endplatte IEP als Funktion von UEP.
In Abb. 4.20 b) sind die vom Plasma reflektierte Mikrowellenleistung Pref und der
Strom auf der Endplatte IEP dargestellt. IEP kann leicht gemessen werden, indem man ein
Amperemeter zwischen die Endplatte und das übrige Entladungsgefäß schaltet. Der Verlauf
von IEP erinnert stark an den einer Sondenkennlinie. Bei einer Spannung von etwa –18 V ist
die Endplatte stromlos, was dem sog. Floatingpotenzial einer Sondenkennlinie entspricht. Der
Elektronensättigungsstrom beträgt ca. -9 mA, der Ionensättigungsstrom ungefähr 1 mA. Das
negative Floatingpotenzial erklärt sich aus der Tatsache, dass axial die Elektronenverluste
höher sind als die Ionenverluste. Bei UEP = 0 beträgt der Strom -1,86 mA. Dieser Strom
entspricht dem Elektronenstrom, der bei kurzgeschlossener Endplatte von der Endplatte zu
den axialen Wänden fließt. Er wird als „Simon´scher Kurzschlussstrom“ bezeichnet (s. Kap.
4.3.5). Die reflektierte Mikrowellenleistung weist an der Stelle des Floatingpotenzials ein
lokales Maximum auf. Auffällig im Verlauf von Pref ist der Sprung zu einem absoluten
Maximum bei UEP = 0. Alle übrigen gemessenen Parameter, mit Ausnahme von I(N5+),
zeigen hier einen glatten Kurvenverlauf. Des weiteren ungewöhnlich ist, dass die reflektierte
59
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Leistung im positiven Spannungsbereich am niedrigsten ist. Obwohl hier vom Plasma am
meisten Leistung absorbiert wird, werden hier am wenigsten hochgeladene Ionen erzeugt.
Auch im negativen Spannungsbereich lässt sich keine Korrelation zwischen dem Verlauf der
reflektierten Leistung und der Ionenströme oder VUV-Intensitäten erkennen.
4.3.4 Spektroskopische Elektronendichtemessung
An dieser Stelle soll eine Methode vorgestellt werden, mit deren Hilfe aus dem
Intensitätsverhältnis geeigneter VUV-Linien die Elektronendichte ermittelt werden kann.
Ursprünglich entwickelt wurde das Verfahren für Linienverhältnisse von OV-Ionen [Kat 90].
Die Ergebnisse können aber in grober Abschätzung auf NIV übertragen werden [Jet 94]. Man
nutzt hierbei die Dichteabhängigkeit des Verhältnisses der NIV-Linien bei 76,5148 nm und
92,3156 nm. Dabei wird der Zustand 2s2p 1P0 (76,5148 nm-Linie) hauptsächlich durch
Elektronenstoß aus dem Grundzustand 1s22s2 1S besetzt. Dagegen wird das obere 2p2 3P
Niveau des 92,3156 nm Übergangs hauptsächlich aus dem metastabilen Zustand 2s2p 3P0
bevölkert, dessen Besetzung stark abhängig von der Elektronendichte ist.
Dieses Verfahren ist allerdings nicht unabhängig von der Elektronenverteilungsfunktion
und ist streng genommen nur anwendbar, wenn eine Maxwellverteilung vorliegt. Für eine
Messung relativer Änderungen der Dichte ist diese Einschränkung jedoch vernachlässigbar.
In Abb. 4.21 ist die Abhängigkeit des Verhältnisses R der beiden OV-Linien bei 76 nm und
63 nm (entsprechend dem Verhältnis der NIV-Linien bei 92,3 nm und 76,5 nm) vom
Logarithmus der Elektronendichte für verschiedene Elektronentemperaturen nach [Doy 83]
dargestellt. Ist das Linienverhältnis aus spektroskopischen Messungen bekannt, kann log ne
auf der x-Achse des Diagramms abgelesen werden.
60
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Abb. 4.21: Verhältnis R = I(92,3 nm)/I(76,5 nm) in Abhängigkeit von log ne (ne in
cm-3) für – – – log Te = 5,2; —— log Te = 5,4 und – · – log Te = 5,6 (Te in K)
[Doy 83]. Ebenfalls dargestellt ist das Termschema der beiden Anregungslinien
zur Bestimmung der Elektronendichte.
Um die Möglichkeit einer Änderung der Elektronendichte durch den Betrieb der
Endplatte zu überprüfen, wurden die Linienintensitäten von NIV bei 76,5 nm und 92,3 nm in
einer optimierten N2-He-Entladung mit vorgespannter Endplatte (UEP = -100 V) und mit
kurzgeschlossener Endplatte (UEP = 0) gemessen (s. Abb 4.22 und Abb. 4.23). Zur genauen
Bestimmung des Verhältnisses R = I(92,3 nm) / I(76,5 nm) werden nicht die Zählraten in den
Linienmaxima sondern die Linienintegrale zugrundegelegt. Des Weiteren muss das Verhältnis
der Linienintegrale noch mit dem Verhältnis der Ansprechwahrscheinlichkeiten des
Spektrometers für die beiden Wellenlängen gewichtet werden. Man erhält für UEP = -100 V
R100V = 0,1726⋅2,8 = 0,4833 und für UEP = 0 R0 = 0,1738⋅2,8 = 0,4867. Mit vorgespannter
Endplatte ist das Verhältnis also sogar geringfügig kleiner und damit nach [Doy 83] die
Elektronendichte ebenfalls etwas kleiner als mit kurzgeschlossener Endplatte. Der
Unterschied in R ist allerdings geringer als 1% und liegt damit innerhalb der
Messungenauigkeit. Ebenso wie die rechnerische Abschätzung zeigt also auch die
61
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
spektroskopische Messung keine signifikante Erhöhung der Elektronendichte durch das
200
200
150
150
Zählrate / s-1
Zählrate / s-1
Anlegen einer negativen Spannung an die Endplatte.
100
50
50
0
762
100
763
764
765
766
0
921
767
922
λ/Å
923
924
925
926
λ/Å
200
200
150
150
Zählrate /s-1
Zählrate / s
-1
Abb. 4.22: NIV-Linien bei 76,5 nm und 92,3 nm für eine N2-He-Entladung mit
vorgespannter Endplatte (UEP = -100 V).
100
50
0
762
100
50
763
764
765
766
767
0
921
922
λ/Å
923
924
925
926
λ/Å
Abb. 4.23: NIV-Linien bei 76,5 nm und 92,3 nm für die gleiche Entladung mit
UEP = 0.
Trotz der oben genannten Einschränkung, dass EZR-Plasmen streng genommen keine
Maxwell-Verteilung besitzen, soll hier der Vollständigkeit halber noch der absolute Wert der
Elektronendichte aus dem Mittelwert der beiden Intensitätsverhältnisse bestimmt werden. Die
Elektronentemperatur
ist
in
unserer
Ionenquelle
nicht
genau
bekannt.
Der
Elektronentemperaturbereich in Abb. 4.21 (log Te = 5,2 ... 5,6 entsprechend Te = 14 ... 34 eV)
liegt aber im Bereich der für EZR-Entladungen bekannten effektiven Elektronentemperaturen
[Bol 98/2]. Für R = 0,485 liest man in Abb. 4.21 log ne = 11,5 ... 11,7 ab. Daraus ergibt sich
62
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
eine Dichte von ne = 3,2⋅1017 ... 5⋅1017 m-3. Die spektroskopische Bestimmung der
Elektronendichte liefert also auch für EZR-Plasmen zumindest die richtige Größenordnung.
4.3.5 Simon Diffusion
Rechnung und spektroskopische Messungen haben gezeigt, dass eine Erhöhung der
Elektronendichte durch Sekundärelektronenemission von der Endplatte als Erklärung für den
„biased disk“- Effekt nicht haltbar ist (s. Kap. 4.3.2 und Kap. 4.3.4). Einen weiteren
deutlichen Hinweis hierfür gaben zeitaufgelöste Messungen der extrahierten Ionenströme
beim gepulsten Betrieb der Endplatte an einer Frankfurter EZR-Quelle [Sti 99, Run 00].
Dabei ergab sich eine Zeitskala von 20 bis 80 µs für den Anstieg der Ströme hochgeladener
Ionen und die Ausbildung eines neuen stationären Zustandes. Die Zeitskala für die Produktion
hochgeladener Ionen über Stufenionisation liegt dagegen in der Größenordnung von ms. Die
extrahierten Ionenströme steigen also nach dem Einschalten der Endplattenspannung
schneller an als neue Ionen im Plasma erzeugt werden können. Auch ein reiner
Extraktionseffekt wie beispielsweise eine Verbesserung der Emittanz scheidet als Erklärung
aus, da die Linienintensitäten der hochgeladenen Ionen im Emissionsspektrum des Plasmas
mit vorgespannter Endplatte ebenfalls höher sind als im konventionellen Betrieb (s. Kap.
4.3.3).
Das Isolieren und Vorspannen der Endplatte auf der Gaseinlassseite dürfte also nicht die
Ionenproduktion beeinflussen, sondern die Teilchenverluste zu den Wänden des
Plasmagefäßes bzw. die Einschlussbedingungen. Tatsächlich unterscheiden sich die axialen
und radialen Teilchenflüsse eines magnetisierten Plasmas mit allseitig elektrisch leitenden
Wänden grundlegend von denen eines Plasmagefäßes mit isoliert aufgebauten Endplatten.
Dieser Unterschied wurde bereits in den 50er Jahren von A. Simon untersucht [Sim 55,
Sim 59]. Die Teilchendiffusion im Fall der komplett leitenden Wände wird deshalb als Simon
Diffusion bezeichnet. Auf die Bedeutung der Simon Diffusion für den Plasmaeinschluss in
EZR-Entladungen und EZR-Ionenquellen wurde erstmals in [Mey 95] hingewiesen.
63
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Ausführlich diskutiert wird dieses Szenario in [Wol 01, Dre 02]. Hier soll daher nur ein
kurzer Überblick gegeben werden.
Die Teilchenflüsse innerhalb des Plasmas und zu den Wänden können in eine zum
Magnetfeld parallele und eine senkrechte Komponente separiert werden. Die Bewegung in
axialer Richtung kann dabei durch die ambipolare Diffusion beschrieben werden. Auf Grund
der wesentlich geringeren Masse der Elektronen sind deren axialer Diffusionskoeffizient De||
und Mobilität µ e|| wesentlich größer als der Diffusionskoeffizient Di|| und die Mobilität µ i||
der Ionen, was zunächst zu einem erhöhtem Elektronenfluss führt. Aus Gründen der
Quasineutralitätserhaltung bildet sich ein axiales elektrisches Feld aus, welches dem
Elektronenfluss entgegenwirkt und den Ionenfluss verstärkt. Die senkrechten Teilchenflüsse
werden wesentlich durch das Magnetfeld und die Gyrationsbewegung der Teilchen um die
Magnetfeldlinien bestimmt. Da das Gyrationszentrum eines geladenen Teilchens an eine
Feldlinie gebunden ist, kann eine senkrechte Verschiebung der Gyration nur verursacht
werden, indem das Teilchen durch Stöße aus seiner ursprünglichen Kreisbahn in eine neue
umgelenkt wird. Die senkrechte Verschiebung ist dabei umso größer je größer der
Gyrationsradius des Teilchens ist. Die Gyrationsradien der Ionen sind aufgrund des
Massenunterschieds wesentlich größer als die der Elektronen. Deshalb gilt in diesem Fall
Di⊥ >> De⊥ und µ i⊥ >> µ e⊥ . Da die Diffusion und die Mobilität geladener Teilchen senkrecht
zum Magnetfeld im Allgemeinen kleiner ist als parallel zum Magnetfeld, wird das
Ungleichgewicht in den radialen Teilchenflüssen anders als im ambipolaren Fall nicht durch
radiale elektrische Felder ausgeglichen, sondern durch zum Magnetfeld parallele
Teilchenflüsse und den elektrischen Kurzschluss der Endplatte zu den radialen Wänden.
Somit fließt bei einem rundum elektrisch leitenden Plasmagefäß ein Elektronenstrom von den
Endplatten zu den radialen Wänden. Dieser Strom wird als Simon´scher Kurzschlussstrom
bezeichnet. Der Simon´sche Kurzschlussstrom kann in der ECRIS gemessen werden und ist
damit ein wichtiger experimenteller Beleg für die Gültigkeit dieses Modells (s. Kap. 4.3.2).
Prinzipiell ist auch ein Ausgleich über benachbarte Flussröhren des Magnetfeldes möglich.
Für den Plasmaeinschluss sind jedoch nur die tatsächlich messbaren Flussunterschiede zu den
Wänden von Bedeutung.
Anders als bei nichtleitenden Wänden, wo sich die Elektronen- und Ionenflüsse Γe und
&
&
&
Γi an jeder Stelle aufheben müssen ( Γi (r ) = Γe (r ), ∀r ∈ Wand ), gilt im Falle eines rundum
64
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
leitenden Plasmagefäßes eine integrale Bedingung für die elektrischen Teilchenflüsse auf die
Wände [Wol 01]:
∫∫
Wände
&
& &
Γe (r ) ⋅ dA =
∫∫
Wände
&
& &
Γi (r ) ⋅ dA .
(4.7)
Bei [Wol 01] wird gezeigt, dass das jeweilige Flussgleichgewicht die Plasmaparameter
Elektronentemperatur, Ionentemperatur, mittlerer Ladungszustand und Plasmapotenzial
determiniert. Die unterschiedlichen Teilchenströme zu den Wänden werden dabei unter
Zuhilfenahme von Messungen des extrahierten Gesamtstroms IEx und des Simon´schen
Kurzschlussstroms bei verschiedenen Entladungsdrücken und Mikrowellenleistungen an der
ECRIS 2 berechnet. Dabei ist auch zu beachten, dass in der ECRIS 2, ähnlich wie bei anderen
Quellen, zwar die Endplatte auf der Gaseinlassseite isoliert aufgebaut ist, nicht aber die
Extraktionsblende. Die relevanten axialen und radialen Ströme sind schematisch in Abb. 4.24
dargestellt.
I i⊥
I e⊥
I eEP
I ex
I iEP
I ix
I i⊥
IEx
I e⊥
Abb. 4.24: Schema der axialen und radialen Teilchenströme in der ECRIS im
Flusserhaltungsmodell nach [Wol 01].
Im Rahmen dieses Modells wird gezeigt, dass die Sekundärelektronenemission von der
Endplatte trotz der nur marginalen Erhöhung der Elektronendichte (s. Kap. 4.3.2 und Kap.
4.3.4) zu einer Absenkung des Plasmapotenzials führt. Das Anlegen einer negativen
Spannung an die Endplatte resultiert in einer weiteren Absenkung des Plasmapotenzials und
damit zu günstigeren Einschlussbedingungen der Ionen, insbesondere für die hohen
Ladungszustände. Im Modell macht sich dies durch eine Erhöhung des extrahierten
Gesamtstroms und des mittleren Ladungszustandes bemerkbar wie es auch im Experiment
beobachtet wird (s. Kap. 4.3.2). Jüngst durchgeführte Sondenmessungen einer Frankfurter
65
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Gruppe zeigen ebenfalls ein Absenken des Plasmapotenzials durch das negative Vorspannen
der Endplatte [Sti 02]. Die bereits oben erwähnten Zeitskalen von 20 bis 80 µs für die
Ausbildung eines stationären Zustands entsprechen in diesem Bild der Zeit, die ein
thermisches Ion zum Durchqueren des Entladungsgefäßes benötigt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die üblicherweise für den „biased disk“- Effekt
als Erklärung herangezogene Sekundärelektronenemission nicht wie häufig angenommen zu
einer zusätzlichen Ionisierung führt, sondern lediglich indirekt über eine Absenkung des
Plasmapotenzials eine positive Auswirkung auf den Ioneneinschluss und damit auf die
Ladungszustandsverteilung im extrahierten Ionenstrahl hat. Der grundlegende Mechanismus
ist statt dessen, dass das Isolieren der Endplatte durch die Unterbindung des Simon´schen
Kurzschlussstroms zu einem neuen Teilchenflussgleichgewicht und damit zu veränderten
Einschlussbedingungen führt. Eine von außen an die Endplatte angelegte negative Spannung
senkt zusätzlich das Plasmapotenzial und bewirkt damit eine weitere Verbesserung des
Einschlusses.
Ähnlich lässt sich auch die Wirkungsweise von Wandmaterialien mit hohen
Sekundärelektronenkoeffizienten wie beispielsweise sog. „MD-Zylinder“ aus einer speziellen
Aluminiumoxidlegierung
erklären [Sch 99]. Die an den radialen Wänden ausgelösten
Elektronen kehren wegen des starken Magnetfeldes direkt wieder zur Wand zurück und
werden dort reabsorbiert. Es ist also schwer vorstellbar, dass diese Sekundärelektronen die
Elektronendichte wirksam erhöhen können. Aluminiumoxid wirkt allerdings auch als Isolator,
weshalb in diesem Fall keine Ausgleichsströme zwischen den radialen Wänden und den
Endplatten fließen können und der Simonsche Kurzschlussstrom unterbunden wird. Deshalb
gilt auch hier die Simon Diffusion mit ihrer integralen Flusserhaltung nicht mehr. Statt dessen
gilt hier auch in radialer Richtung die ambipolare Diffusion mit der lokalen Flusserhaltung.
Dabei bilden sich auch senkrecht zum Magnetfeld starke elektrische Felder aus, die den
radialen Ionenverlusten entgegen wirken also ebenfalls zu einem verbesserten Ioneneinschluss
und dadurch zu einer Optimierung der Ladungszustandsverteilung führen. Experimentell
gestützt wird diese Überlegung durch ein tatsächlich messbar geringeres Plasmapotenzial
gegenüber elektrisch leitenden Entladungsrohren [Xie 95].
66
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
4.4 Betrieb im „Afterglow“-Modus
Beim sog. Afterglowbetrieb von EZR-Ionenquellen wird die Mikrowellenleistung
periodisch ein- und ausgeschaltet, wobei die extrahierten Ionenströme nach dem Abschalten
unter bestimmten Bedingungen zunächst sprunghaft ansteigen und nach Erreichen des
Maximums wieder exponentiell abfallen (s. Kap 3.4). Größe und Form des Afterglowpeaks
hängen stark von den gewählten Plasmaparametern und den Einstellungen der Ionenoptik ab
[Lan 95]. Ob und wie deutlich der Afterglowpeak auftritt ist von Quelle zu Quelle
verschieden. So konnte an unserer alten Quelle ECRIS 1 nur im Gesamtstrom auf der
Magneteingangsblende ein Afterglowpeak beobachtet werden [Nad 96].
An unserer ECRIS 2 ist es nun auch möglich den Aftergloweffekt in den separierten
Ionenströmen verschiedener Ladungszustände zu beobachten. Allerdings war es auch hier
unter keinen Umständen möglich, im Afterglow einen höheren Strom zu messen als im
kontinuierlichen Betrieb. Dennoch war es möglich, einige grundlegende Untersuchungen der
Ionenströme und der VUV-Linienintensitäten im Afterglow anzustellen. Die Messungen zur
selektiven Ionenheizung im Afterglow wurden jedoch an der Groninger Quelle ECRIS 3
durchgeführt (s. Kap. 5).
4.4.1 Optimierung des Afterglowpeaks
Zur Optimierung des Afterglowpeaks beginnt man üblicherweise zunächst mit einer
kontinuierlich brennenden Entladung, die auf den gewünschten Ladungszustand optimiert
wird. Anschließend wird die Mikrowelle zur Plasmaheizung mit einer Taktfrequenz von
typischerweise 10 bis 20 Hz gepulst und der extrahierte Ionenstrom auf einem Oszilloskop
beobachtet. Mit etwas Glück zeigt sich bereits ein Peak in der Plasma-aus-Phase, der nun
durch Variation aller Quellenparameter, sowie der Ionenoptik auf maximale Peakhöhe
optimiert werden kann. Dabei ergeben sich für einen optimalen Afterglowbetrieb grundlegend
verschiedene Einstellungen zum kontinuierlichen Betrieb. Die Form des Peaks kann für
unterschiedliche Parameter sehr stark variieren. Dabei können sogar zwei oder mehr Peaks
nach dem Abschalten der Mikrowelle auftreten. Abb. 4.25 zeigt drei Beispiele des N+67
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Afterglow bei unterschiedlichen Quellenparametern in einer Stickstoffentladung ohne
Gasmischung und ohne vorgespannte Endplatte.
a)
MW ein
MW aus
b)
MW ein
MW aus
c)
MW ein
MW aus
Abb. 4.24: N+-Afterglow für drei unterschiedliche Parametereinstellungen: a) im
kontinuierlichen Betrieb optimierter Strom, b) Einstellung mit Doppelpeak,
c) Peak optimiert. Die graue Kurve stellt das Triggersignal der Mikrowelle (MW)
dar.
68
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Tatsächlich kann in manchen Fällen lediglich durch Ändern der Einzellinsenspannung
der Afterglowpeak zum Verschwinden gebracht werden. Der große Einfluss der Ionenoptik ist
allerdings nicht ungewöhnlich, da die extrahierten Ionen im Afterlow eine andere
Energieverteilung besitzen als in der Plasma-ein-Phase und sich daher auch in der Ionenoptik
unterschiedlich verhalten. Geht man von einem elektrostatischen Einschluss der Ionen in
einem Potenzialdip des Plasmapotenzials aus, gelangen in der Plasma-ein-Phase nur
diejenigen Ionen in den Extraktionskanal, die genügend Energie besitzen dem Potenzialdip zu
entkommen. Dagegen verschwindet der Einschluss innerhalb einiger µs nach Abschalten der
Mikrowelle und auch die übrigen Ionen mit geringerer Energie können in den
Extraktionskanal gelangen, sofern ihre Bewegung in die entsprechende Richtung zeigt.
4.4.2 Zeitaufgelöste Messungen von Ionenströmen und VUV-Intensitäten
im Afterglowbetrieb
Um das Verhalten des ECRIS-Plasmas im Afterglow zu untersuchen, wurden simultan
zur Messung der extrahierten Ionenströme die Intensitäten der jeweils entsprechenden VUVLinien zeitaufgelöst gemessen. Durchgeführt wurden diese Messungen in einer reinen
Stickstoffentladung ohne vorgespannte Endplatte. Um eine hinreichend gute Zeitauflösung
von 50 µs zu erhalten, wurden die Linienintensitäten repetierend gemessen, während zur
Aufnahme der Ionenströme ein digitales Oszilloskop mit einem PC ausgelesen wurde.
Abb. 4.25 zeigt die Afterglowpeaks der Ionen N+ bis N4+ im Vergleich zu den entsprechenden
VUV-Intensitäten NII bis NV im Moment des Abschaltens der Mikrowelle. Die
Plasmaparameter wurden während sämtlicher Messungen konstant gehalten. Lediglich das
Einzellinsenpotenzial wurde jeweils neu auf maximale Peakhöhe optimiert. Allerdings ist
auch bei den hier zur Bildung des Afterglowpeaks nötigen Einstellungen der Strom im
Maximum des Peaks geringer
als der Strom, der bei geeigneter Optimierung in einer
kontinuierlichen Entladung gemessen werden kann.
69
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
N+
NII
N2+
NIII
N3+
NIV
N4+
NV
Abb. 4.26: Afterglowpeaks der N+- bis N4+-Ionen und simultan gemessene VUVLinienintensitäten bei konstant gehaltenen Plasmaparametern. Die Ionenoptik
wurde jeweils auf maximale Peakhöhe optimiert.
70
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Wie man in Abb. 4.26 erkennt, nimmt die Breite der Afterglowpeaks mit wachsendem
Ladungszustand ab. Auch der Zerfall der VUV-Linien findet mit steigendem q schneller statt.
Erwartungsgemäß sind im Verlauf der Linienintensitäten keine Peaks nach dem Abschalten
der Mikrowelle sichtbar. Statt dessen zeigt sich nach etwa 200 µs ein zunächst sehr rascher
Abfall der Intensität, der in einen etwas langsameren exponentiellen Zerfall übergeht. In der
logarithmischen Darstellung lässt sich durch den Intensitätsverlauf in diesem Bereich eine
Ausgleichsgerade legen. Abb. 4.27 zeigt die Linienintensität von NII im Afterglow in
logarithmischer Darstellung. Die beiden Bereiche des schnellen und des langsamen Zerfalls
sind hier deutlicher zu unterscheiden als in der linearen Darstellung.
Abb. 4.27: NII-Linienintensität in der logarithmischen Darstellung. Im Bereich
des langsamen exponentiellen Zerfalls ergibt sich in dieser Darstellung eine
Gerade.
Um die Zerfallszeiten der verschiedenen VUV-Intensitäten abzuschätzen, ist es jedoch
weniger aufwendig in der linearen Darstellung mit Hilfe eines handelsüblichen Fitprograms
(z. B. TableCurve) an den Bereich des langsamen Zerfalls eine Exponentialfunktion
anzufitten. Die aus dem Exponentialfit ermittelten Zerfallszeiten der VUV-Linien sind in
Abb. 4.28 zusammen mit den Zerfallszeiten dargestellt, die sich aus den Afterglowpeaks der
extrahierten Ströme ergeben. Als Abschätzung für die Zerfallszeit des Ionenstromes benutze
ich hier, ähnlich wie bei [Lan 95] durchgeführt, die Zeitdifferenz vom Abschalten der
Mikrowelle bis zu dem Punkt an dem der Strom auf 1 / e des Maximalwerts gesunken ist. Da
die abfallenden Flanken der Afterglowpeaks leichte Unregelmäßigkeiten aufweisen, wird in
71
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
einer zweiten Variante die Zerfallszeit zusätzlich bis zum Punkt 1 / 2e des Peakmaximums
bestimmt.
Die Zerfallszeiten der Linienintensitäten sind jeweils etwa um einen Faktor 4 kleiner als
die aus den entsprechenden Ionenströmen nach der ersten Variante ermittelten Zerfallszeiten.
Der Zerfall der Linienintensitäten wird aber nicht allein durch das Absinken der Ionendichten
im Plasma bestimmt, sondern auch durch das Sinken der Anregung der Ionen. Nach dem
Abschalten
der
Mikrowelle
verringern
sich
die
Elektronentemperatur
und
die
Elektronendichte sehr rasch und die Ionen regen sich ab. Dagegen liegen die Laufzeiten der
16
8
14
7
12
6
Imax / e
10
5
8
4
Imax / 2e
6
3
4
2
2
1
0
0
0
1
2
3
4
Zerfallszeit (VUV) / ms
Zerfallszeit (I Ex) / ms
Ionen bis zum Faraday-Cup im µs-Bereich und sind damit vernachlässigbar.
5
Ladungszustand
Abb. 4.28: Zerfallszeiten der Linienintensitäten (aus Exponentialfit, hellgrau) und
der Ionenströme (Zeit vom Abschalten der Ionenströme bis zum Punkt I = Imax / e
(schwarz) bzw. I = Imax / 2e (dunkelgrau)).
Eine Analyse der extrahierten Ionenströme im Afterglow bei [Lan 95] erbrachte für ein
Blei-Plasma eine 1/q2-Abhängigkeit der Zerfallszeiten der hohen Ladungszustände. Eine
Begründung für diesen funktionalen Zusammenhang wurde jedoch nicht gegeben.
Spektroskopische Messungen am Plasma wurden dort nicht durchgeführt. Ein 1/q2-Fit nähert
die Zerfallszeiten unserer N q+ -Ionenströme nur schlecht an. Den besten Fit erhält man hier
mit einer Exponentialfunktion. Die Zerfallszeiten der VUV-Intensitäten werden dagegen auch
hier am besten durch einen 1/q2-Fit wiedergegeben, wobei ein Exponentialfit allerdings nur zu
einem unwesentlich schlechteren Ergebnis führt. In Abb. 4.29 werden die 1/q2-Fits im
72
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Vergleich zu den Exponentialfits für die Zerfallszeiten der Ionenströme und der
Linienintensitäten dargestellt.
a)
b)
c)
Abb. 4.29: Vergleich des 1/q2-Fit mit dem Exponentialfit für a) die Zerfallszeiten
der Ionenströme bis I = Imax / e, b) die Zerfallszeiten bis I = Imax / 2e und c) die
Zerfallszeiten der VUV-Linienintensitäten
Für einen zuverlässigen Fit sind vier Messpunkte nur eine kleine Datenbasis.
Dementsprechend gibt es weder für eine 1/q2-Abhängigkeit noch für eine exponentielle
Abhängigkeit der Zerfallszeiten vom Ladungszustand eine physikalische Grundlage.
73
4 Methoden zur Optimierung der ECRIS 2
Berücksichtigt man die Rekombination sollte sich für die Zerfallszeit τ eine Abhängigkeit der
Form
1 1
=
+ a ⋅ q2 ,
τ τD
(4.8)
ergeben, da die Wahrscheinlichkeit für die Rekombination von Ionen proportional zu q2
[McW 65] und die Rekombinationszeit demnach proportional zu 1/ q2 ist. τD ist dabei, die
durch die Diffusion bestimmte Zerfallszeit. Fittet man diese Gleichung an unsere Messwerte,
ergibt sich jedoch in allen drei Fällen ein zu flacher Kurvenverlauf (nicht in Abb. 4.29
dargestellt).
Der Unterschied der hier erzielten Messergebnisse zu den Ergebnissen aus [Lan 95] ist
möglicherweise in der geringeren Transmission unseres Strahlsystems begründet. Dies ist
vermutlich auch die Ursache für die schlechte Leistungsfähigkeit unserer Quelle im
Afterglowbetrieb. Tatsächlich werden bei [Lan 95] Afterglowpeaks über 100 µA für
hochgeladene Bleiionen wie beispielsweise Pb27+ beobachtet, wobei in der Heizphase des
Plasmas kaum ein Strom zu messen ist. Derartig deutliche Afterglowpeaks sind mit dem
leichten Element Stickstoff und seinen vergleichsweise niedrigen Ladungszuständen
allerdings nicht zu erzielen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass sich auch bei den hier vorgestellten Messungen
ein direkter Nachweis eines Plasmapotenzialdips und eines elektrostatischen Einschlusses der
Ionen weder in den extrahierten Strömen noch in den spektroskopisch gemessenen
Linienintensitäten während des Afterglow finden lässt. Allerdings lässt sich die bereits aus
den Ionenströmen bekannte q-Abhängigkeit des Zerfalls auch in den VUV-Linien des
Plasmas beobachten, was ein weiter Hinweis auf die Existenz eines elektrostatischen
Einschlusses ist.
74
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
Nach den Experimenten zur selektiven Heizung von Wasserstoffionen im Restgas
unserer EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld [Mey 95] entstand die Idee, die Qualität
des Afterglowpeaks im gepulsten Betrieb einer EZR-Ionenquelle zu erhöhen, indem man die
hochgeladenen Ionen im eigentlichen Entladungsgas mittels einer ebenfalls gepulsten HFWelle geeigneter Frequenz heizt [Shi 95]. Durch die selektive Ionenheizung in der IonenZyklotron-Resonanz (IZR) soll dabei im Moment des Abschaltens der Mikrowelle ein
erhöhter Transport der geheizten Ionensorte aus dem Plasma angeregt werden.
Modellrechnungen auf der Basis des elektrostatischen Einschlusses ergaben für dieses
Szenario eine zeitliche Kompression und eine Erhöhung der Amplitude des Afterglowpeaks.
Dadurch wären im Beschleunigerbetrieb höhere Pulsfrequenzen möglich.
Erste Untersuchungen zur selektiven Heizung hochgeladener Ionen wurden bereits an
unserer alten Quelle ECRIS 1 in einem kontinuierlich betriebenen Argon-Plasma
durchgeführt [Nad 96, Nad 97]. Dabei äußerte sich der erhöhte Transport in einer Abnahme
des extrahierten Ionenstroms nach dem Einschalten der IZR-Heizung. Die gefundene
Resonanz erstreckte sich hier über einen wesentlich weiteren Frequenzbereich als bei der
Heizung von Wasserstoff im Restgas [Mey 96], was darauf hindeutet, dass die Heizung der
hochgeladenen Ionen über einen weiten Bereich im inhomogenen Magnetfeld stattfindet.
Zeitaufgelöste Messungen des Ionenstroms, um einen eventuellen kurzzeitigen Anstieg der
Intensität nach Beginn der Heizung zu detektieren, waren zu diesem Zeitpunkt allerdings
nicht möglich.
Die im Folgenden beschriebenen Messungen zur selektiven Ionenheizung im
Afterglow wurden von mir am Kernfysisch Versneller Instituut (KVI) Groningen an der
Ionenquelle ECRIS 3 (s. Kap 2.2) in Zusammenarbeit mit den dortigen Mitarbeitern
durchgeführt [Nad 99, Nad 00]. Unsere Quelle ECRIS 2 in Bochum stand zu dieser Zeit
wegen umfangreicher Reparaturmaßnahmen nicht zur Verfügung.
75
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
5.1 Modell der Ionenheizung im Afterglow
Der Mechanismus der IZR-Heizung ist äquivalent dem der Elektronen-ZyklotronResonanz-Heizung (s. Gl. 2.1). Dabei muss die Frequenz fHF der in das Plasma eingestrahlten
HF-Welle der Gyrationsfrequenz ω ci der Ionen des Ladungszustands q entsprechen, die
geheizt werden sollen. Es gilt
2π ⋅ f HF = ω HF = ω ci ≡
&
q⋅e⋅ B
mi
(5.1)
.
Die Frequenzen der IZR-Heizung im inhomogenen Magnetfeld unserer Entladung
liegen im Bereich von einigen 100 kHz bis zu einigen MHz je nach Element, Ladungszustand
des Ions und Ort der Heizung. Dabei ist zu beachten, dass nur Minoritätsionen mit einem
Anteil von weniger als 5 % an der gesamten Ionendichte auf diese Weise geheizt werden
können. Andernfalls können nichtlineare Wellenphänomene wie Modenkonversion auftreten,
die die Heizung in der Fundamentalresonanz
verbieten [Wan 85]. Die sehr hoch geladenen
Ionen machen in der Regel jedoch nur einen
kleinen Anteil im Plasma aus und sollten daher
für
die
IZR-Heizung
Umfangreiches
geeignet
theoretisches
sein.
Material
zur
Ionenheizung durch HF-Wellen findet man bei
[Sti 62] oder [Lon 92].
Das Prinzip der selektiven Ionenheizung
im Afterglow ist in Abb. 5.1 verdeutlicht. Dabei
wird
ein
Taktfrequenz
HF-Sender
wie
die
mit
der
Mikrowelle
gleichen
gepulst
betrieben. Die IZR-Heizung wird in jeder
Periode kurz vor dem Abschalten der EZRHeizung eingeschaltet und vor Beginn der
Abb. 5.1: Postulierte Komprimierung
und Erhöhung der Amplitude des
Afterglowpeaks durch die selektive
Ionenheizung
nächsten Periode wieder abgeschaltet. Die HFWelle wird dabei mit der entsprechenden
Resonanzfrequenz der Ionensorte, die geheizt
werden soll, mit einer Stabantenne in das Plasma
76
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
eingestrahlt. Auf diese Weise soll exakt im Moment des Zusammenbrechens des Einschlusses
selektiv ein erhöhter Transport der geheizten Spezies angeregt werden, der kurzzeitig zu
einem erhöhten Fluss dieser Ionenkomponente in alle Richtungen und damit auch in Richtung
Extraktion führt. Dabei fließt die gleiche Anzahl Ionen in kürzerer Zeit durch das
Extraktionsloch, was zu einer Erhöhung aber auch Verkürzung des Afterglowpeaks führt,
wobei das zeitliche Integral des Ionenstroms erhalten bleibt.
5.2 Ionenheizung im Afterglow der ECRIS 3
Für die Experimente zur Ionenheizung wurde eine durch ein Quarzrohr gegen das
Plasma isolierte Kupferantenne auf der Gaseinlassseite der Groninger Ionenquelle ECRIS 3
installiert (s. Abb. 5.2). Die Antenne wird dabei durch den Innenleiter des koaxialen
Hohlleiters der Mikrowellenzuführung geführt, der auch als Gaszuleitung dient. Als HFSender dienten ein digitaler Funktionengenerator und ein Breitbandverstärker für den
Frequenzbereich von 200 kHz bis 20 MHz, die zum Inventar unseres Labors in Bochum
gehören. Um den Sender gegen die Hochspannung der Ionenquelle zu schützen, wurde in die
Zuleitung zur Antenne eine galvanische Trennung eingefügt, die für den genutzten
Frequenzbereich durchlässig war. Die begrenzte Durchschlagsfestigkeit der Trennung
ermöglichte allerdings nur eine Extraktionsspannung von 4 kV. Dies führt möglicherweise
auch zu leicht geänderten Plasmabedingungen, da bei kleinen Extraktionsspannungen auch
der Plasmameniskus kleiner ist als unter normalen Bedingungen. Unter dem Plasmameniskus
versteht man den Felddurchgriff durch das Extraktionsloch, der durch Anlegen einer
Hochspannung entsteht. Der eigentliche Meniskus besteht aus der Plasmagrenze an der
Extraktionsöffnung und kann als gekrümmte Äquipotenzialfläche angesehen werden, aus der
die Ionen senkrecht austreten. Form (konvexe oder konkave Krümmung) und Lage des
Meniskus hängen sowohl von der Extraktionsspannung als auch von den Quellenparametern
ab.
77
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
Die Position der Antenne entlang der Achse musste während der Experimente mehrfach
geändert werden, da die Wechselwirkung der Elektronen des Metalls mit dem Feld der
Mikrowelle innerhalb des koaxialen Hohlleiters in einigen Fällen zu einem Schmelzen der
Antenne führten. Dabei musste die Anlage jedes mal belüftet werden, um die Antenne zu
wechseln.
Extraktion
Cu-Antenne
Abb. 5.2: Position der Antenne zur IZR-Heizung in der Ionenquelle ECRIS 3.
Die Quelle wurde in einer Argon-Helium-Mischung betrieben, wobei Sauerstoff wegen
des häufigen Öffnens des Experimentes stets deutlich messbar im Restgas vorhanden war.
Um sicher zu sein, das die geheizten Ionen Minoritätsionen sind, haben wir diesen Umstand
ausgenutzt und O5+ extrahiert. Sobald die Quelle gepulst betrieben wurde, entstand ein
Afterglowpeak, der ca. 1,5 mal höher war als der Ionenstrom während der Heizphase des
Plasmas (s. Abb. 5.3). Diese verhältnismäßig geringe Steigerung erklärt sich vermutlich aus
der eher schlechten Optimierung der Quelle (geringe Extraktionsspannung, unsaubere
Entladung).
Der Afterglowpeak verschwand restlos, wenn in der Plasma-aus-Phase der Entladung
der HF-Puls zur Ionenheizung eingeschaltet wurde. Dabei reichten 5 W HF-Leistung aus, um
diesen Effekt zu erzeugen. Der Strom in der EZR-Heizphase des Plasmas blieb
währenddessen auf dem gleichen Niveau wie vorher (s Abb 5.4). Dieses Verhalten zeigte über
einen weiten Bereich von 1,5 MHz bis 4 MHz keine Frequenzabhängigkeit. Offenbar ist die
78
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
Heizung im inhomogenen Magnetfeld örtlich nicht eng lokalisiert, sondern findet über einen
großen räumlichen Bereich statt.
0,11
I / µA
0,09
0,07
0,05
0,03
0,01
-0,01 0
0,005
0,01
0,015
0,02
t /s
Abb. 5.3: O5+-Afterglow an der ECRIS 3 ohne zusätzliche Ionenheizung
0,11
ICRH aus
ICRH ein
I / µA
0,09
0,07
0,05
0,03
0,01
-0,01
0,0176
0,0226
0,0276
0,0326
0,0376
t /s
Abb. 5.4: O5+-Afterglow mit Ionen-Zyklotron-Resonanz-Heizung (IZRH) in der
Plasma-aus-Phase der gepulsten Entladung
Schaltet man dagegen die EZR- und IZR-Heizung simultan ein und aus bleibt der
Afterglowpeak sichtbar, wobei sowohl der Strom in der Heizphase des Plasmas als auch im
Afterglow deutlich sinken (s. Abb. 5.5). Der O5+-Ionenstrom fällt dabei im aktiven Plasma um
einen Faktor 1,5 und im Afterglow sogar um einen Faktor 1,8.
79
5 Selektive Heizung von Ionen im Afterglow
0,11
ICRH ein
ICRH aus
I / µA
0,09
0,07
0,05
0,03
0,01
-0,01
-0,012
-0,007
-0,002
0,003
0,008
t /s
Abb. 5.5: O5+-Afterglow an der ECRIS 3 mit simultaner EZR- und IZR-Heizung
Entgegen dem vorgeschlagenen Modell resultiert die Ionenheizung im Afterglow nicht
in einer Erhöhung des Afterglowpeaks sondern zu einem Verschwinden des Peaks. Ähnlich
wie bei den Ionenheizexperimenten an unserer Quelle ECRIS 1 führt die Heizung in der
aktiven Phase des Plasmas zu einem Absinken des Ionenstroms. Offenbar findet ein
zusätzlicher Transport der geheizten Ionen nicht in Richtung der Extraktion statt. Tatsächlich
führt die IZR-Heizung zunächst zu einer Energieerhöhung in der Gyrationsbewegung der
Ionen. Nach dem Modell sollte sich der Energiegewinn aber durch Ion-Ion-Stöße in alle
Raumrichtungen verteilen. Diese Vorstellung ist offenbar falsch.
Ein weiteres Problem ist, dass mit der Ionentemperatur auch die Emittanz der
Ionenquelle steigt. Der maximale Ionenstrom, der beschleunigt werden kann, ist proportional
zu 1 / (kTi)1/2 [Wie 72]. Auch dies mag den Effekt der selektiven Ionenheizung begrenzen.
80
6 Isotopenanomalie
Die sog. Isotopenanomalie in ECR-Ionenquellen wurde zum ersten mal am KVI
Groningen von A. Drentje für die Sauerstoffisotope
16
O,
17
O und
18
O bei einem festen
Mischungsverhältnis gefunden und untersucht [Dren 92, Dren 96]. Die Anomalie besteht in
einer Anreicherung des jeweils schwereren Isotops in den hohen Ladungszuständen des
extrahierten Ionenstroms, wenn man die Quelle in einer Mischung aus zwei oder mehreren
Isotopen des gleichen Elements betreibt. Da die Isotope dieselben Ionisierungspotenziale
besitzen, können die beobachteten Effekte nur auf ihren kleinen Massenunterschieden
beruhen. Bereits bei den Untersuchungen in Sauerstoff zeigte sich, daß der Effekt
verschwindet oder sich zumindest deutlich abschwächt, wenn man zusätzlich ein leichtes
Anreicherung
von 17O
Anreicherung
von 18O
Mischgas wie beispielsweise Helium beimengt (s. Abb. 6.1).
Abb. 6.1: Verhältnis der extrahierten Ionenströme von 18O und 17O in
Abhängigkeit des Ladungszustands für eine reine Sauerstoffisotopenmischung
und eine Mischung mit zusätzlichem Heliumanteil [Dren 96].
In Bochum haben wir die Isotopenanomalie in
15
N/14N-Mischungen in Abhängigkeit
vom Partialdruckverhältnis und der Mikrowellenleistung systematisch untersucht [Kaw 01].
Um den Zusammenhang zwischen diesem Effekt und dem Auftreten von niederfrequentem
Plasmarauschen zu untersuchen, wurden zeitweilig die vom Plasma emittierten Wellen
simultan zu den extrahierten Ionenströmen aufgezeichnet.
81
6 Isotopenanomalie
6.1 Isotopenanomalie in 15N/14N-Mischungen
In allen Experimenten zur Isotopenanomalie wurden die Stickstoffisotope aus zwei
separaten Gasflaschen über motorgesteuerte Nadelventile in das Entladungsgefäß eingelassen,
wobei die erste Flasche 15N mit einer Reinheit von mindestens 98 % enthielt und die zweite
natürlichen Stickstoff, also 99,6 %
14
N. Vor Beginn der eigentlichen Meßreihen wurde
zunächst die Zeit zwischen Einstellen eines Mischungsverhältnisses und Stabilisierung der
Ionenströme ermittelt (s. Abb. 6.2). Dazu wurde, ausgehend von einem reinen 14N-Plasma, am
Gaseinlaß
ein
Partialdruckverhältnis
von
α ≡ p(15 N) p(14 N) = n(15 N) n(14 N) ≅ 0,85
eingestellt ohne den Totalgasdruck zu ändern. Die extrahierten Ionenströme stabilisierten sich
erst nach etwa 30 min. Diese relativ lange Relaxationszeit beruht auf einem Recycling von
14
N-Atomen aus den Entladungsgefäßwänden, die während des Betriebs im reinen 14N in den
Wänden adsorbiert wurden. Aus diesem Grund wurden bei allen nachfolgenden Messungen
9
0,9
8
0,8
7
0,7
6
0,6
5
0,5
4
0,4
3
14N+
0,3
2
15N+
0,2
1
15N+/14N+
I(15N+) + I(14N+)
I (15N+) / I (14N+)
I / µA
die Messwerte erst 30 bis 60 min nach Änderung der Gaszusammensetzung aufgenommen.
0,1
0
0,0
0
10
20
30
t / min
40
50
60
Abb. 6.2: Messung der Relaxationszeit nach Änderung des Partialdruckverhältnisses α = p (15 N) p (14 N) = n(15 N) n(14 N) . Von einer reinen 14N-Entladung
ausgehend wurde zum Zeitpunkt t = 0 das 15N-Ventil geöffnet und das 14N-Ventil
ein wenig geschlossen, so dass der Totaldruck ptot der Entladung konstant blieb.
Dargestellt sind die elektrischen Ströme der einfach geladenen Ionen der beiden
Isotope, sowie deren Summe und deren Verhältnis in Abhängigkeit von der Zeit.
82
6 Isotopenanomalie
Die optimalen Plasmaparameter in Hinblick auf die Produktion hochgeladener Ionen
(N5+) in einer Stickstoffentladung ohne Heliummischung und ohne vorgespannte Endplatte
wurden ebenfalls im Vorfeld der Meßreihen bestimmt. Dabei ergaben sich PMW = 255 W,
Iext = 623 A, Iinl = 940 A, ptot = 1.9⋅10-3 Pa. Die Abbildung 6.3 zeigt das Spektrum der
extrahierten Ionenströme für diesen Parametersatz bei einem Partialdruckverhältnis der
Isotope von α ≅ 0,9. Der Übersicht halber wird das Spektrum nur bis zu den fünffach
geladenen Stickstoffisotopen dargestellt. Für diesen, wie auch alle weiteren Scans, wurden die
Ziehelektrode und die Einzellinse auf maximalen Strom von
14
N5+ optimiert. Da das
Strahlführungssystem eine Transmission von deutlich unter 100 % hat, können die
Einstellungen der Ziehelektrode und der Einzellinse allerdings das Isotopenverhältnis im
extrahierten Ionenstrahl beeinflussen. Da der Larmorradius eines gyrierenden Teilchen mit
steigender Masse größer wird, ist die Transmission durch das Extraktionsloch für das
schwerere Isotop geringer als für das leichtere [Hes 83, Hes 84]. Das heißt, wird eine
Anreicherung des schwereren Isotops im extrahierten Ionenstrahl gemessen, kann man für das
Plasma sogar eine höhere Anreicherung erwarten.
4,5
14
4
~ mi q
I / µA
14
2,5
14
2
1,5
1
15
0,5
15
15
15
2+
N+
N3+
N4+
N5+
0
-0,5
0,45
N3+
N
N+
N4+
N5+
14
14
15
3,5
3
N2+
0,55
O4+
O3+
O2+
0,65
0,75
0,85
0,95
1,05
1,15
Steuerspannung des Separationsmagneten in V
O+
1,25
Abb. 6.3: m/q-Spektrum für eine 15N/14N-Entladung. Aufgetragen ist hier der
elektrische Strom auf dem Faraday-Cup gegen die Steuerspannung des
Separationsmagneten.
In Abb. 6.4 sind die Ionenstromverhältnisse η q + = I (15 N q + ) I (14 N q + ) der beiden
Isotope für die obigen Parameter gegen den Ladungszustand q aufgetragen. Das Verhältnis
83
6 Isotopenanomalie
bei q = 1 entspricht ungefähr dem Druckverhältnis α. Für q = 2 durchläuft η q + ein Minimum,
steigt dann monoton bis η q + = 1,13 für q = 6 an und liegt damit etwa 25 % höher als α.
Anreicherung von 15N
1,2
ηq +
1,1
1
0,8
0
1
2
3
4
5
6
7
Anreicherung
von 14N
0,9
q
Abb. 6.4: Isotopenanomalie in der ECRIS 2 in 15N/14N: Dargestellt sind die
Ionenstromverhältnisse η q + = I (15 N q + ) I (14 N q + ) in Abhängigkeit von q. Die
waagerechte Linie kennzeichnet das voreingestellte Partialdruckverhältnis α.
Um zu gewährleisten, daß das Plasma bei Änderung des Mischungsverhältnisses seinen
Zustand nicht wesentlich ändert, wurden für einige Mischungsverhältnisse die summierten
Isotopenströme I(14Nq+) + I(15Nq+) für jeden Ladungszustand gemessen. Wie Abbildung 6.5
zeigt bleiben die summierten Ströme bei Variation des Mischungsverhältnisses weitgehend
konstant. Über den experimentell untersuchten Bereich bewirkt eine Änderung des
Mischungsverhältnisses der Isotope also keine Modenänderung des Plasmas, solange der
Totaldruck
konstant
gehalten
wird.
Da
bei
diesen
Untersuchungen
weder
der
Gasmischungseffekt noch die vorgespannte Endplatte angewendet wurde, sind die Ströme der
hochgeladenen Ionen vergleichsweise niedrig.
84
6 Isotopenanomalie
1
q+
I ( N )+I ( N ) / µA
10
14
q+
15
α=0
α = 0.063
α = 0.24
α = 0.93
α = 2.6
0,1
α = 8.8
0,01
0
2
4
6
q
Abb. 6.5: Ladungszustandsverteilungen der summierten Isotopenströme
I(14Nq+) + I(15Nq+) für unterschiedliche Partialdruckverhältnisse α in logarithmischer Darstellung.
Um die Anreicherung bei verschiedenen Mischungsverhältnissen beurteilen zu können,
werden die Ionenstromverhältnisse im Folgenden gemäß χ q + = η q + η1+ auf q = 1 normiert.
Eine Anreicherung des schwereren Isotops liegt als vor, wenn χ q + größer als 1 ist. Für χ q +
kleiner als 1 ist dagegen das leichtere Isotop angereichert. In Abbildung 6.6 sind die
gemessenen χ q + in Abhängigkeit von q für drei unterschiedliche Mikrowellenleistungen und
jeweils drei unterschiedliche Partialdruckverhältnisse aufgetragen. Man erkennt eine deutliche
Abhängigkeit der Anreicherung des schweren Isotops vom Mischungsverhältnis α. Für alle
drei untersuchten Leistungsbereiche sinkt χ q + mit steigendem α. Für die Ladungszustände
q = 2 und q = 3 ist beim höchsten Partialdruckverhältnis das normierte Ionenstromverhältnis
sogar kleiner als 1, demnach das leichtere Isotop angereichert. Tendenziell erkennbar ist
ebenso, daß der Effekt bei der mittleren Leistung von 255 W am schwächsten ausgeprägt ist.
85
6 Isotopenanomalie
α steigend
50 W
255 W
400 W
Abb. 6.6: Isotopenanomalie für drei verschiedene Mikrowellenleistungen und
jeweils drei verschiedene Mischungsverhältnisse α. Um die Ionenstromverhältnisse bei unterschiedlichem α miteinander vergleichen zu können, werden sie
gemäß χ q + = η q + η1+ normiert.
Um die Leistungsabhängigkeit etwas genauer zu untersuchen, haben wir bei einem
festem Mischungsverhältnis (α = 0.85) und bei festen Spulenströmen (Iinlet = 943 A,
IExtr = 548 A) die Leistung in kleinen Schritten variiert (s. Abb. 6.7). Die hier benutzten
86
6 Isotopenanomalie
Spulenstromeinstellungen ergaben sich abweichend von den vorherigen nach einem
technischen Umbau und einer Neupositionierung der Extraktionsöffnung in der Quelle. Die
Ionenstromverhältnisse η q + zeigen für q = 5 und q = 6 ein Minimum bei etwa 250 W. Für
q = 3 und q = 4 liegt das Minimum bei 300 bis 350 W. q = 1 und q = 2 besitzen schwach
ausgeprägte Maxima bei 200 W bzw. 350 W.
1,9
6+
4+
1,1
3+
0,9
1+
2+
0,7
0
100
200
300
P in / W
400
500
Anreicherung
von 14N
15
q+
1,3
Anreicherung von 15N
Instabiles Plasmaregime
5+
1,5
14
q+
I ( N )/I ( N )
1,7
Abb. 6.7: Leistungsabhängigkeit der Isotopenanomalie. Zwischen 200 und 250 W
sind die Messpunkte nicht verbunden, da das Plasma in diesem Bereich sehr
instabil brennt.
In Abb. 6.8 ist der Einfluss einer Heliumbeimengung und der vorgespannten Endplatte
auf den Isotopeneffekt exemplarisch für N5+-Ionen dargestellt. In beiden Fällen zeigt sich bei
den betrachteten Mikrowellenleistungen eine deutlich geringere Anreicherung des schweren
Isotops als für eine einfache
15
N/14N-Entladung. Des weiteren fällt auf, dass die
Leistungsabhängigkeit des Effekts für eine Entladung mit vorgespannter Endplatte wesentlich
geringer ist als für eine einfache 15N/14N-Entladung und für eine Gasmischung mit Helium. In
der Heliummischung ist dagegen ein deutliches Minimum in der Anreicherung von
15
N bei
15
300 W erkennbar, welches somit etwa 50 W höher liegt als für den Fall des reinen N/14NPlasmas. Ein instabiles Plasmaregime tritt, wie zu erwarten, weder während der Beimengung
87
6 Isotopenanomalie
von Helium noch bei der Entladung mit vorgespannter Endplatte auf. Sowohl das Mischen
mit einem leichteren Gas als auch das Vorspannen der Endplatte bewirken bekanntermaßen
eine Stabilisierung des Plasmas in der EZR-Ionenquelle.
1,8
mit He
1,7
mit vorgespannter Endplatte
Anreicherung von 15N
ohne He, ohne vorgespannte Endplatte
1,6
χ5+
1,5
1,4
1,3
1,2
1,1
1
0
100
200
300
400
500
600
P in / W
Abb. 6.8: Einfluss einer Heliumbeimengung und der vorgespannten Endplatte auf
die Isotopenanomalie, exemplarisch für die normierten Verhältnisse der N5+Ströme in Abhängigkeit von der Leistung.
6.2 Isotopenanomalie im Ionenkühlungsmodell
Gewöhnlich werden sowohl der Gasmischungseffekt als auch die Isotopenanomalie im
Rahmen des Ionenkühlungsmodell (s. Kap. 3.2) erklärt. Hier soll deshalb das Verhältnis der
Ionenströme der beiden Isotope auf der Grundlage dieses Modells quantitativ berechnet
werden. In Kap. 3.2 wurde bereits ein Ausdruck für den extrahierten Ionenstrom I qj der
Spezies j und des Ladungszustands q in Abhängigkeit von der Ionenmasse abgeleitet
(Gl. 3.11):
88
6 Isotopenanomalie
I qj ∝ qe(ne ) σν
q
ion
q −1→ q
σν
ion
⋅ ⋅ ⋅ σν
q − 2 → q −1
Dabei bezeichnen ne die Elektronendichte, σν
ion
n0 ⋅ m j
0 →1 j
ion
k →l
q −1
.
(6.1)
die Ratenkoeffizienten der Ionisation vom
Ladungszustand k nach l, die Neutralendichte der Spezies j mit der Masse mj. Die
Ratenkoeffizienten der Ionisierung sind für beide Isotope gleich. Unter der Voraussetzung
gleicher Ionentemperaturen Tj erhält man somit für das Ionenstromverhältnis:
ηq+
I
≡
I
(
(
)
)
n  mN 15
N q+
≈ N 15 
14
q+
n N 14  m N 14
N
15




q −1
 m N 15
= α 
 m N 14




q −1
.
(6.2)
In Übereinstimmung mit den Messungen entspricht nach Gl. 6.2 das Verhältnis bei
q = 1 dem Mischungsverhältnis. Der Wert des normierten Verhältnisses χ q + lässt sich
demnach mit dem aus Gl. 6.2 gegebenen Wert vergleichen. Aus Abb. 6.6 entnimmt man
beispielsweise für N5+ ein χ q + von maximal 1,5, während das nach Gl. 6.2 berechnete
normierte Stromverhältnis nur 1,15 beträgt. Des weiteren lässt sich feststellen, dass das
Mischungsverhältnis α bei der Normierung herausfällt. Das Ionenkühlungsmodell liefert also
nicht nur zu kleine Werte für die Anreicherung des schwereren Stickstoffisotops, sondern gibt
auch keinen Hinweis auf die beobachtete Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis. Auch eine
unter bestimmten Betriebsbedingungen mögliche Umkehr des Effekts ist in diesem Modell
nicht erklärbar.
Bereits die von A. Drentje beobachtete Isotopenanomalie in Sauerstoff zeigt eine
ähnliche Diskrepanz zwischen den Messwerten und den aus dem Ionenkühlungsmodell
errechneten Werten. Das Stromverhältnis η q + beträgt für q = 3 0,52 und für q = 7 0,78. Der
Unterschied zwischen diesen beiden Werten beträgt mehr als 30 %. Nach Gl. 6.2 ergibt sich
lediglich ein Unterschied von weniger als 15 %.
89
6 Isotopenanomalie
6.3 Isotopenanomalie durch Ionen-Landaudämpfung
Der parametrische Zerfall der Mikrowelle in einer EZR-Entladung mit einfachem
Spiegelfeld wurde erstmalig von D. Meyer nachgewiesen [Mey 97, Mey 98]. Dabei wurde
beobachtet, dass sich unter bestimmten Betriebsbedingungen im hochfrequenten Bereich des
elektromagnetischen Emissionsspektrums symmetrische Seitenbänder mit einem typischem
Abstand von etwa 10 bis 15 MHz zur Mikrowellenfrequenz ausbilden. Simultan konnten im
niederfrequenten Bereich des Spektrums Signale zwischen 3 MHz und 20 MHz detektiert
werden. Da diese Frequenzen im Bereich der Ionenwellen liegen, wurde die Beobachtung als
Erklärung für die Isotopenanomalie in EZR-Quellen durch massenselektive Ionenheizung
mittels Landaudämpfung des niederfrequenten Rauschens diskutiert.
Um das Plasmarauschen in der ECRIS 2
zu detektieren wurde eine elektrostatische
Sonde in Form einer einfachen Stabantenne
Endplatte
MW-Holleiter
im Plasmagefäß installiert und mit einem
Spektrumanalysator verbunden. Die Antenne
ragt 4 cm durch die Endplatte auf der
Gaseinlassseite und ist etwa 2,5 cm außerhalb
der Achse positioniert (s. Abb. 6.9). In
Abb. 6.10
sind
Frequenzspektren
im
niederfrequenten Bereich bis 200 MHz und im
hochfrequenten
Bereich
von
8 GHz
bis
10,2 GHz dargestellt. Diese Spektren wurden
Keramikisolierung
Antenne
Abb. 6.10: Position der Antenne zur
Messung des Plasmarauschens im
Entladungsgefäß.
mit Hilfe der Antenne simultan zur Messung
der extrahierten Ionenströme aus Abb. 6.7 in Abhängigkeit von der Mikrowellenleistung
aufgenommen.
Die Spektren zeigen die typischen Merkmale parametrischer Zerfallsprozesse der
eingekoppelten Mikrowelle, die auch als Pumpwelle bezeichnet wird. Bis etwa 2 GHz
unterhalb der Pumpwellenfrequenz von f0 = 10,115 GHz sind deutlich Seitenbänder
erkennbar, deren Vorhandensein stark mit der eingestrahlten Leistung variiert. Bereits bei
kleinen Leistungen bis 200 W macht sich ein Rauschen bis 1 GHz unterhalb der Pumpwelle
bemerkbar. In einem mittleren Leistungsbereich von etwa 200 bis 350 W verschwinden diese
Seitenbänder. Oberhalb von 350 W treten sie mit verstärkter Intensität erneut auf. Zusätzlich
90
6 Isotopenanomalie
entstehen neue Bänder mit hoher Amplitude 1,6 bis 2 GHz unterhalb von f0. Ebenso kann im
niederfrequenten Bereich bis 200 MHz ein Rauschen beobachtet werden, dass ebenfalls
zwischen 200 und 350 MHz nahezu verschwindet und oberhalb von 350 MHz erneut mit
verstärkter Amplitude auftritt.
Anders als bei unserer EZR-Entladung sind oberhalb von f0 keine Seitenbänder
erkennbar. Das Phänomen lässt sich also als einfachen Drei-Wellen-Zerfall charakterisieren.
Die symmetrischen Seitenbänder in der EZR-Entladung ohne Hexapol deuten dagegen auf
eine Modulationsinstabilität hin [Wol 01]. Der Grund hierfür liegt vermutlich in der
unterschiedlichen Magnetfeldkonfiguration und der unterschiedlichen Einkopplung der
Pumpwelle. An der EZR-Entladung wird die Mikrowelle von der Seite eingekoppelt.
Abb. 6.10: Emissionsspektren in Abhängigkeit von der Mikrowellenleistung im
niederfrequenten Bereich bis 200 MHz und im Bereich der Pumpwelle
(f0 = 10,115 GHz). Die Spektren wurden simultan mit den extrahierten
Ionenströmen aus Abb. 6.7 aufgenommen.
Da die für diese Messungen verwendete Antenne völlig unangepasst betrieben wird,
lassen sich keine Aussagen über die absoluten Amplituden des niederfrequenten Rauschens
und der Seitenbänder der Pumpwelle machen. Dennoch lassen sich tendenzielle
Veränderungen der Amplituden aufgrund von Variation der Plasmaparameter wie
Mikrowellenleistung qualitativ bewerten. So lässt sich beispielsweise eine deutliche
Korrelation zwischen den gemessenen Emissionsspektren und der Anreicherung des schweren
91
6 Isotopenanomalie
Isotops aus der Messung der extrahierten Ionenströme in Abb. 6.7. erkennen, die im mittleren
Leistungsbereich ebenfalls minimal ist.
Verwendet man eine vollständig vom Plasma isolierte Antenne zur Messung der
Emissionsspektren, kann keinerlei Plasmarauschen detektiert werden. Deshalb können wir
davon ausgehen, dass das niederfrequente Rauschen elektrostatischer Natur ist. Die
Isotopenanomalie tritt also insbesondere dann auf, wenn elektrostatische Moden mit
Frequenzen
im
Bereich
von
Ionenwellen
beobachtet
werden
können.
Derartige
niederfrequente elektrostatische Wellen können unter Umständen zu massenselektiven
Ionenheizprozessen führen und damit zu unterschiedlichen Ionentemperaturen. Alexeff et al.
haben bereits die Existenz und starke Massenabhängigkeit der Landaudämpfung von
Ionenwellen experimentell nachgewiesen [Ale 67].
Für die Beschreibung des Szenarios der Ionen-Landaudämpfung nehmen wir an, dass
zu
Beginn
alle
Ionenspezies
eine
gemeinsame
Temperatur
Ti
haben
und
die
Verteilungsfunktionen f1,2(v) der Spezies 1 (14N) und 2 (15N) sich nur wegen der
Massenunterschiede der Stickstoffisotope unterscheiden. Nimmt man weiterhin an, dass beide
Isotope maxwellverteilt sind, ergibt sich ein Verlauf wie in Abb. 6.11 (zusammen mit den
Ableitungen der Verteilungsfunktionen) dargestellt. Die Landaudämpfung ist proportional zur
Ableitung ∂f / ∂v an der Stelle der Phasengeschwindigkeit vΦ der niederfrequenten Welle. Es
wird also umso mehr Wellenenergie auf die jeweiligen Ionen übertragen je steiler deren
Verteilungsfunktion verläuft. Übersteigt die Phasengeschwindigkeit vΦ eine kritische
Geschwindigkeit vc, dann heizt die Welle vornehmlich die leichtere Ionenkomponente. Die
kritische
Geschwindigkeit
hängt
vom
Massenverhältnis
µ = m2 / m1
und
vom
Mischungsverhältnis α = n2 / n1 ab. Für Maxwellverteilungen erhält man
vc2 =
[
]
2k BTi
ln αµ 3 / 2 .
m2 − m1
(6.3)
Für α < µ-3/2 ≈ 1 ist die Ableitung der Verteilungsfunktion des leichteren Isotops für alle
Geschwindigkeiten größer als die des schwereren Isotops und damit auch die
Landaudämpfung durch die leichte Ionenkomponente. Für Mischungen mit weniger schweren
als leichten Isotopen wird also in jedem Fall vornehmlich die leichtere Komponente geheizt,
wodurch deren Diffusion verstärkt und somit die schwere Komponente im Plasma
angereichert wird.
92
df / dv
f(v) / 10-5 s/m
6 Isotopenanomalie
vc
v / 103 m/s
Abb. 6.11: Maxwellverteilungsfuntionen und deren Ableitungen (in
logarithmischer Darstellung) der Stickstoffisotope für kBTi = 1 eV und α = 1. Die
senkrechte gestrichelte Linie markiert die Lage der kritischen Geschwindigkeit vc.
An dieser Stelle soll ein Ausdruck für die Dispersion von Ionenwellen in einem Plasma
mit zwei Ionenkomponenten hergeleitet werden. Die Berechnungen richten sich nach bereits
vorhandenen Ergebnissen für ein Plasma mit nur einer Ionenkomponente [Che 84].
Vernachlässigt man die Elektron-Landaudämpfung, dann ist die Dispersionsgleichung
der Ionenwelle gegeben durch
λ2D ∑
j
Ω 2pj
v
(
2
th , j
Z ' (ς j ) ≅ 1 ,
wobei λ D = ε 0 k BTe / ne e 2
)
1/ 2
(6.4)
(
die Debyelänge bezeichnet, Ω pj = n j q 2 e 2 / ε 0 m j
)
1/ 2
die Ionen-
plasmafrequenz für Ionen mit Ladungszustand q, vth , j = (2k BT j / m j )1/ 2 die thermische
Geschwindigkeit der Ionenspezies j und Z ′(ς j ) die Plasmadispersionsfunktion mit dem
Argument ς j = ω / kvth , j = vφ / vth , j . Die Größen ω und k kennzeichnen die Wellenfrequenz
und den Wellenvektor. In Gl. 6.4 wird über alle Ionenspezies j summiert. Das hier untersuchte
Plasma enthält neben den Stickstoffisotopen in unterschiedlichen Ladungszuständen auch
einige Restgasionen. Um Gl. 6.4 zu vereinfachen, berücksichtigen wir nur die beiden Isotope
in einem mittleren Ladungszustand q . Vor dem Einsetzen der Landaudämpfung sei noch
keine Isotopenanomalie vorhanden und damit der mittlere Ladungszustand und die
93
6 Isotopenanomalie
Ionentemperatur für beide Ionen gleich (Tj = Ti ∀j). Somit reduziert sich Gl. 6.4 zu einer
Summe über nur zwei Komponenten:
Z ′(ς 1 ) + αZ ′(ς 2 ) =
wobei
2
(1 + α ) ,
θ
θ = q k BTe k BTi
das
Produkt
(6.5)
aus
mittleren
Ladungszustand
und
dem
Temperaturverhältnis der Elektronen und Ionen darstellt.
Bereits in früheren Experimenten wurde nachgewiesen, dass die Elektronentemperatur
in EZR-Entladungen
mindestens zehn mal höher als die Ionentemperatur ist [Mey 97,
Nad 97, Bol 98]. Der mittlere Ladungszustand im Plasma ist in jedem Fall größer als eins und
somit auch das Verhältnis θ sehr groß gegen eins. Dies entspricht dem Grenzfall ς1,2 >> 1,
weshalb wir einen asymptotischen Ausdruck für die Ableitung der Dispersionsfunktion
benutzen können [Che 84]:
Z ' (ς j ) ≈ −2i π ς j exp(−ς 2j ) + ς −j 2 + 32 ς −j 4 .
(6.6)
Setzten wir voraus, dass die Dämpfung schwach ist, können wir in einer ersten Näherung den
imaginären Landauterm vernachlässigen. Substituiert man ς2 durch ς2 = µ1/2ς1, so erhält man
aus Gl. 6.5
1 
3  µ 2 + α  1  2µ 1 + α

 =
.
1
+

ς 12  2 µ  µ + α  ς 12  θ µ + α
(6.7)
Da ς1 groß ist, können wir 1 / ς 12 im zweiten Term durch die rechte Seite von Gl. 6.7
annähern. Löst man die Gleichung nach ς 12 auf erhält man
ς 12 =
 α 3 µ 2 +α 1+α 
ω2
θ
≈
1 + + ⋅ µ ⋅ µ + α  .
k 2 vth2 ,1 2(1 + α )  µ θ

(6.8)
Dies ist die Dispersionsrelation für Ionenwellen in einem Plasma, bestehend aus zwei
Isotopen mit beliebigem Massen- und Mischungsverhältnis.
Durch Einsetzen der Gleichungen 6.6 und 6.8 in die komplette Dispersionsrelation
(Gl. 6.5) erhalten wir den Landauterm:
94
6 Isotopenanomalie
1
ς 12
[
]
(6.9)
.
(6.10)
 α 3 µ 2 +α 1+ α 
2
−ς 12
−ς 22
= (1 + α ).
1 + µ + θ ⋅ µ ⋅ µ + α  − 2i π ς 1 e + ας 2 e
θ


≡ DRE
Lösen dieser Gleichung für ς1 ergibt
ς1 =
[
θDRE
⋅ 1+ i π
2 µ (1 + α )
θ
µ (1+α )
2
(
2
ς 1e −ς1 1 + α µ e (1− µ )ς1
)]
− 12
Durch Entwicklung der Wurzel erhalten wir
ς1 =

θDRE
⋅ 1 − 1 i π
2 µ (1 + α )  2

θ
µ (1+α )
ς 1e
−ς 12


1 + α µ e (1− µ )ς 12  .
 
≡γ


(6.11)
Die genäherte Dämpfungsrate findet man durch Einsetzen von Gl. 6.8 in die rechte Seite von
Gl. 6.11.
Der Term γ = γ ( µ ,α ,θ ) in den Klammern des Imaginärteils von Gl. 6.11 beschreibt
den Anteil des schwereren Isotops an der totalen Dämpfungsrate, die proportional zu (1 + γ)
ist. In Abb. 6.11 ist das Verhältnis γ / (1 + γ) der Dämpfungsrate des schweren Isotops zur
totalen Dämpfungsrate dargestellt. Für γ / (1 + γ) kleiner als 50 % wird die Landaudämpfung
überwiegend durch die leichtere Ionenkomponente verursacht. In diesem Fall wird also die
leichte Komponente stärker geheizt als die schwere. Nach Abb. 6.12 ist dies immer der Fall,
wenn α < 1 ist, bzw. mehr leichte als schwere Isotope in der Mischung vorhanden sind. Mit
steigendem Anteil des schweren Isotops steigt das Verhältnis γ / (1 + γ) bis zu dem Punkt, wo
die Phasengeschwindigkeit der Ionenwelle die kritische Geschwindigkeit vc aus Gl. 6.3
übersteigt und die Isotopenanomalie verschwindet. Da die Elektronentemperatur nicht genau
bekannt ist, können wir diesen Punkt nur abschätzen in einem Bereich von α zwischen zwei
und zehn. Diese Größenordnung des Mischungsverhältnisses α für das Verschwinden der
Isotopenanomalie
wird
durch
unsere
Experimente
bestätigt
(s.
Abb. 6.6).
Bei
Mischungsverhältnissen von α ≈ 8 lässt sich keine Isotopenanomalie mehr beobachten.
95
6 Isotopenanomalie
Mischungsverhältnis α
Abb. 6.12: Anteil des schweren Isotops 15N zur totalen Landaudämpfungsrate als
Funktion des Mischungsverhältnisses α für Ti = 1 eV, q = 3 und verschiedene
Elektronentemperaturen Te.
Das Verhältnis γ / (1 + γ) ist allerdings kein direktes Maß für die Änderung der
mittleren Energien der verschiedenen Ionenkomponenten, da auch die Anzahl der Teilchen
eine Rolle spielt. Die beobachtete Unterdrückung des Effekts durch eine zusätzliche
Heliumbeimengung lässt sich durch das oben hergeleitete Modell nicht ohne weiteres
berechnen, da zumindest die Annahme eines gemeinsamen mittleren Ladungszustandes
aufgegeben werden muss. Allerdings ist die Verteilungsfunktion des leichten Gases Helium
wesentlich breiter als die der beiden Stickstoffisotope. Das führt sowohl zu einem Ansteigen
der kritischen Geschwindigkeit vc als auch der Phasengeschwindigkeit der Welle. Die
Ableitung der Verteilungsfunktion von Helium ist wesentlich größer als die von Stickstoff. In
diesem Fall wird in erster Linie Helium geheizt und der kleine Massenunterschied zwischen
den Stickstoffisotopen spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Aufgrund
der
oben
gemachten
Überlegungen
sollen
nun
die
beobachten
Anreicherungen des schweren Isotops in unserem Experiment mit unserem Modell der
unterschiedlichen Ionentemperaturen verglichen werden. Um den Anreicherungsfaktor η q +
des schweren Isotops für unterschiedliche Ionentemperaturen zu berechnen muss Gl. 6.2
modifiziert werden. Unter der Verwendung der Einschlusszeiten für einen elektrostatischen
Einschluss (s. Kap. 3.1, Gl. 3.1) erhält man
96
6 Isotopenanomalie
η q+
m k T 
= α ⋅  N 15 B N 14 
 m N 14 k BTN 15 
m k T 
= α ⋅  N 15 B N 14 
 m N 14 k BTN 15 
q −1
2
q −1
2
 exp
⋅∏

q′=1  exp
q −1
(
(
e∆Φ
k BTN 15
e∆Φ
k BTN 15
)
)
q′
(6.12)
q
e∆Φ  k BTN 15 
1 −
 .
exp  (q − 1)
k BTN 15  k BTN 14 
2
Dies ist eine Funktion des Ladungszustands q, des Ionentemperaturverhältnisses
kBTN15 / kBTN14 und des Verhältnisses der Tiefe des Potenzialdips zur Temperatur von
Fittet
man
diese
Gleichung
an
die
Messwerte
χ q + = η q + η1+ ,
lässt
sich
15
N.
die
Temperaturdifferenz der beiden Isotope abschätzen. In Abb. 6.13 sind die Fitergebnisse
zusammen
mit
den
Messwerten
aus
Abb. 6.6 a)
(α = 0,3)
und
den
aus
dem
Ionenkühlungsmodell (Gl. 6.2) errechneten Werten dargestellt.
Abb. 6.13: Vergleich der Messwerte aus Abb. 6.6 a) bei α = 0,3 (graue Quadrate)
mit den aus dem Ionenkühlungsmodell berechneten Werten (schwarze Quadrate)
und zwei verschiedenen Fits nach dem erweiterten Modell, dass unterschiedliche
Ionentemperaturen zulässt (Kreuze und Kreise).
Als Fitprozedur wurde die Methode der kleinsten Fehlerquadrate gewählt. Da die Tiefe
des Potenzialdips ebenso wenig bekannt ist wie die absolute Größe der Ionentemperatur, ist
das Verhältnis ∆Φ / kBTN15 ein zusätzlicher freier Parameter. Für extreme Werte von
∆Φ / kBTN15 variiert die Differenz der Ionentemperaturen von 0,25 % (∆Φ / kBTN15 = 15) bis
11 % (∆Φ / kBTN15 = 0,1). In beiden Fällen wird die gemessene Anreicherung des schweren
Isotops in den höheren Ladungszuständen wesentlich besser reproduziert als durch das
97
6 Isotopenanomalie
Ionenkühlungsmodell. Je nach Tiefe des Potenzialdips genügt also eine Temperaturdifferenz
von wenigen Prozent um die beobachtete Isotopenanomalie hervorzurufen.
Die Thermalisierungszeiten für den Ausgleich von Temperaturunterschieden zwischen
den Ionen sind üblicherweise kleiner als deren Einschlusszeiten im Potenzialdip. Wenn
Landaudämpfung stattfindet, ist jedoch die Thermalisierung beider Ionenensembles kein
stationärer Zustand, da im wesentlichen die leichte Komponente geheizt wird. Für eine
genügend große Heizrate der leichten Ionen bildet sich ein neuer Gleichgewichtszustand mit
kBTN14 > kBTN15 aus. Dies führt zu einer Verschlechterung des Einschlusses der leichten
Komponente und damit zu einer Anreicherung des schweren Isotops im Plasma.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Ionenkühlungsmodell allein nicht ausreicht,
um die Bildung der Ladungszustandsverteilungen in EZR-Ionenquellen zu beschreiben.
Zusätzlich muss es einen Effekt geben, durch den Temperaturdifferenzen zwischen den
Ionenensembles in Mischgasentladungen aufrecht erhalten werden können. Dieser Effekt
kann schlüssig auf die Landaudämpfung der beobachteten Ionenwellen zurückgeführt werden.
Aufgrund der starken Massenabhängigkeit der Landaudämpfung und ihrer Abhängigkeit vom
Mischungsverhältnis werden die Beobachtungen in unseren Isotopengemischen durch
vereinfachende Modellrechnungen gut reproduziert. Tatsächlich können Ionenwellen nicht
nur in Isotopengemischen sondern auch in Mischgasentladungen verschiedener Elemente
sowie in reinen Entladungen nur einen Elementes beobachtet werden. Deshalb ist davon
auszugehen,
dass
die
Landaudämpfung
auch
dort
bei
der
Formierung
der
Ladungszustandsverteilung eine große Rolle spielt; zumal der Massenunterschied zwischen
zwei Gasen, wie sie für den Gasmischungseffekt benötigt werden, deutlich größer ist als der
zwischen zwei Isotopen eines Elementes. Damit sind auch die Verteilungsfunktionen, wie
bereits oben erwähnt, unterschiedlich breit. Dies kann zu erheblichen Unterschieden in den
Heizraten der beiden Elemente führen.
Neben der Ionenkühlung und der Plasma-Wand-Wechselwirkung mit ihrer Auswirkung
auf das Plasmapotenzial (s. Kap. 4.2.2) ist also als dritter Mechanismus noch die sehr
massenselektive Ionen-Landaudämpfung zur Erklärung des Gasmischungseffektes zu
berücksichtigen. Welchen Anteil jeder dieser drei Mechanismen dabei am Zustandekommen
des Gasmischungseffektes hat, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beurteilt werden. Es ist
jedoch klar geworden, dass das Ionenkühlungsmodell allein, entgegen anderslautenden
Behauptungen [Dre 99, Dre 00, Mel 99], den Anstieg der Produktion hochgeladener Ionen in
der Gasmischung nicht vollständig beschreiben kann.
98
7 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurden verschiedene Methoden zur Optimierung von EZRIonenquellen untersucht. Ziel aller Optimierungsmethoden ist es, den Ausstoß hochgeladener
Ionen aus der Quelle zu steigern. Hauptaugenmerk wurde dabei auf den Gasmischungseffekt,
das Vorspannen der Endplatte auf der Gaseinlassseite und den Aftergloweffekt im gepulsten
Betrieb der Quelle gelegt. Diese und andere Effekte wurden von den Quellenanwendern mehr
oder weniger zufällig entdeckt, ohne dass vom plasmaphysikalischen Standpunkt
zufriedenstellende Erklärungen gegeben werden konnten. Mit dieser Arbeit sollte deshalb der
Versuch
unternommen
werden,
das
Zustandekommen
dieser
Effekte
mit
plasmaphysikalischen Methoden zu untersuchen. Als Experiment diente uns die EZR-Quelle
ECRIS 2, die uns vom KVI Groningen als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Als
Modellgase wurden Stickstoff und Stickstoff-Helium-Mischungen verwendet. Gegenüber
anderen Laboren haben wir in Bochum den Vorteil, dass unsere Untersuchungen unabhängig
von einem Beschleunigerbetrieb durchgeführt werden können. Des Weiteren besteht die
Möglichkeit, das Plasma unserer Quelle mittels VUV-Spektroskopie zu diagnostizieren.
Andernorts ist eine Diagnostik des EZR-Quellen-Plasmas in der Regel nicht möglich.
Bereits erste vergleichende Messungen von extrahierten Ionenströmen und VUVLinienintensitäten während der Justierungs- und Optimierungsphase unserer Quelle haben
gezeigt, dass es keinen einfachen linearen Zusammenhang zwischen den extrahierten Strömen
und den entsprechenden Ionendichten im Plasma gibt. Ein solcher Zusammenhang wird aber
häufig von den Quellenanwendern bei der Modellierung ihrer Anlagen angenommen.
Tatsächlich ergeben sich deutlich unterschiedliche Einstellungen der Quellenparameter
Magnetfeld, Gasdruck und Mikrowellenleistung, je nachdem, ob die extrahierten Ströme oder
die VUV-Linien auf maximale Intensität der hochgeladenen Ionen optimiert werden. Die
Optimierung einer EZR-Ionenquelle stellt dementsprechend immer einen Kompromiss dar aus
der Schaffung einer möglichst langen Ioneneinschlusszeit, um über Stufenionisation zu den
hohen Ladungszuständen zu gelangen, und einem möglichst hohen Transport der benötigten
Ionensorte in Richtung der Extraktion.
Der Gasmischungseffekt wurde insbesondere im Hinblick auf Plasma-WandWechselwirkungen untersucht. Dabei konnte sowohl durch VUV-spektroskopische als auch
durch massenspektroskopische Messungen eine starke Abhängigkeit der Kupferkonzentration
in der Entladung vom Gasmischungsverhältnis nachgewiesen werden. Die nachgewiesenen
99
7 Zusammenfassung und Ausblick
Kupferionen stammen hier aus zerstäubtem Wandmaterial des Entladungsrohrs. Die
Abhängigkeit
vom
Mischungsverhältnis
beruht
zum
einen
auf
den
niedrigeren
Zerstäubungsraten von Helium gegenüber Stickstoff und zum anderen auf eine Absenkung
des Plasmapotenzials in der Gasmischung. Ähnliche Ergebnisse wurden früher auch an
unserer EZR-Entladung mit einfachem Spiegelfeld gefunden. Die Beobachtung einer
langsamen Zerfallsinstabilität, die in der Gasmischung zum Verschwinden gebracht werden
konnte, führte damals zur Entwicklung eines Modells, dass den Gasmischungseffekt auf eine
makroskopische Stabilisierung des Plasmas über eine Absenkung des Plasmapotenzials und
eine reduzierte Wandzerstäubung zurückführt. Da derartige Instabilitäten auch in EZRIonenquellen beobachtet werden können, ist es naheliegend dieses Modell auch auf das
Plasma
von
EZR-Quellen
zu
übertragen.
Es
tritt
damit
in
Konkurrenz
zum
Ionenkühlungsmodell, dass von den meisten Quellenanwendern als vollständige Erklärung für
den Gasmischungseffekt angesehen wird.
Der
Effekt
der
vorgespannten
Endplatte
wird
üblicherweise
auf
Sekundärelektronenemission von der Oberfläche der Endplatte und eine daraus resultierende
Erhöhung der Elektronendichte im Plasma zurückgeführt, die eine zusätzliche Ionisierung
bewirken soll. Weder Rechnungen auf der Basis des auf der Endplatte gemessenen Stroms
noch spektroskopische Messungen ergaben jedoch eine signifikante Steigerung der
Elektronendichte. Dennoch ist eine deutliche Erhöhung der Produktion hochgeladener Ionen
sowohl im extrahierten Ionenstrahl als auch in den VUV-Intensitäten unserer Quelle zu
beobachten, wenn die Endplatte isoliert aufgebaut und negativ vorgespannt wird. Hält man
das Potenzial der Endplatte auf dem gleichen Wert wie das des übrigen Entladungsgefäßes,
lässt sich eindeutig ein Ausgleichsstrom zu den radialen Wänden messen. Dieser
Ausgleichsstrom wird Simon´scher Kurzschlussstrom genannt und entsteht durch die
unterschiedlichen axialen und radialen Verluste von Elektronen und Ionen. Aufgrund der
Quasineutralität des Plasmas muss dabei der integrale Ionenstrom zu den Wänden gleich dem
integralen Elektronenstrom sein. Isoliert man die Endplatte, so wird der Simon´sche
Kurzschlussstrom auf einer Seite des Entladungsgefäßes unterbunden und es stellt sich ein
völlig neues Flussgleichgewicht ein, dass durch Anlegen einer Spannung noch weiter
verändert werden kann. Mit Hilfe von Messungen des Simonstroms und des
Extraktionsstroms bei unterschiedlichen Entladungsparametern an der ECRIS 2 wurde von U.
Wolters ein Flusserhaltungsmodell für EZR-Ionenquellen entwickelt. Im Rahmen dieses
Modells konnte gezeigt werden, dass der positive Effekt der vorgespannten Endplatte nicht
100
7 Zusammenfassung und Ausblick
auf einer Erhöhung der Ionisierung sondern auf einer Verbesserung des Ioneneinschlusses
durch das veränderte Flussgleichgewicht beruht.
Die Entstehung des Afterglowpeaks im gepulsten Betrieb von EZR-Quellen wird
normalerweise durch den Zusammenbruch des elektrostatischen Einschluss durch den sog.
Potenzialdip beschrieben. Messungen der Zerfallszeiten der VUV-Linien und der extrahierten
Ströme ergaben eine ausgeprägte q-Abhängigkeit, was als Hinweis auf die Existenz eines
solchen Potenzialdips angesehen werden kann. Ein direkter Nachweis des elektrostatischen
Einschluss konnte aber auch an unserer Quelle nicht geführt werden.
Erfolglos blieb der Versuch, die selektive Ionenheizung für eine Erhöhung und
Komprimierung des Afterglowpeaks einzusetzen. Derartige Experimente führten während
einer Messkampagne am KVI Groningen an der dortigen ECRIS 3 sogar zu einem völligen
Verschwinden des Afterglowpeaks.
Der letzte Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Isotopenanomalie, die in einer
Anreicherung
des
schwereren
Isotops
einer
Ladungszuständen besteht. Untersucht wurden hier
Isotopenmischung
15
in
den
hohen
N/14N-Mischungen. Ähnlich wie beim
Gasmischungseffekt wirkt sich die Mischung also günstig auf die Ladungszustandsverteilung
des schweren Isotops aus. Die beobachtete Anreicherung ist jedoch wesentlich größer als nach
dem Ionenkühlungsmodell erwartet werden kann. Des Weiteren zeigt sich eine deutliche
Abhängigkeit der Anreicherung vom Mischungsverhältnis der Isotope, was durch das
Ionenkühlungsmodell ebenfalls nicht erklärt werden kann. Es gelang jedoch einen
Zusammenhang zwischen der Isotopenanomalie und niederfrequenten Plasmarauschen
aufzuzeigen, das von D. Meyer erstmalig an unserer EZR-Entladung mit einfachem
Spiegelfeld gefunden wurde. Anders als in der EZR-Entladung entstehen diese
niederfrequenten Wellen aber in der Quelle nicht durch eine Modulationsinstabilität sondern
durch einen parametrischen Zerfall der Pumpwelle. Simultane Messungen von Ionenströmen
und Frequenzspektren bei Variation der Mikrowellenleistung zeigten eine eindeutige
Korrelation der Anreicherung mit dem Auftreten des Rauschens.
Aufgrund unserer Messungen wurde ein Modell entwickelt, dass die Isotopenanomalie
durch Ionen-Landaudämpfung der niederfrequenten Plasmawellen beschreibt. Wegen der
starken Massenabhängigkeit der Landaudämpfung werden die beiden Isotope unterschiedlich
stark geheizt, was die Aufrechterhaltung unterschiedlicher Ionentemperaturen ermöglicht.
101
7 Zusammenfassung und Ausblick
Dies lässt das Ionenkühlungsmodell nicht zu. Auch die beobachtete Abhängigkeit vom
Mischungsverhältnis kann im Rahmen unseres Modells beschrieben werden.
Niederfrequente Plasmawellen können nicht nur in Isotopenmischungen beobachtet
werden, sondern auch in normalen Gasmischungen und reinen Entladungen. Wegen der
Massenabhängigkeit der Landaudämpfung ist davon auszugehen, dass die Plasmawellen auch
für den Gasmischungseffekt eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Tatsächlich verschwindet
die Isotopenanomalie nahezu vollständig, wenn man als dritte Gaskomponente Helium
hinzufügt. In diesem Fall wird also vornehmlich das viel leichtere Gas Helium geheizt und der
geringe Unterschied zwischen den Massen der Isotopen wird vernachlässigbar.
Letztendlich lässt sich der Gasmischungseffekt nun mit drei verschiedenen Modellen
beschreiben: das Ionenkühlungsmodell, das Modell der reduzierten Wandzerstäubung und
Stabilisierung des Plasmas und das Modell der Ionen-Landaudämpfung. Wahrscheinlich ist
keiner dieser Mechanismen alleine für den Effekt verantwortlich. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass alle drei einen Beitrag leisten. Welcher Anteil dabei auf welchen
Mechanismus fällt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beurteilt werden.
Ein Absenken des Plasmapotenzials, wie es in der Gasmischung gemessen wird, kann
jedoch auch bei allen anderen Methoden zur Optimierung von EZR-Ionenquellen, also auch
insbesondere beim Vorspannen der Endplatte, beobachtet werden. Auch diese Methoden
wirken sich also positiv auf den Ioneneinschluss und die Stabilität des Plasmas aus.
Nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte bisher das Zustandekommen der
Wasserstoffanomalie, da die verschiedenen extrahierten negativen Ionen sehr wahrscheinlich
nur aus der Plasmarandschicht oder dem Extraktionsbereich stammen. Welche negativen
Ionen in welcher Konzentration im eigentlichen Plasma vorkommen, kann wegen des
positiven Plasmapotenzials durch eine Messung der extrahierten Ströme im kontinuierlichen
Betrieb auch bei umgepolter Extraktionsspannung nicht beurteilt werden. Negative Ionen aus
dem zentralen Plasma könnten allenfalls im Afterglow extrahiert werden. Eine weitere
Möglichkeit sind Photodetachment-Messungen, ähnlich denen an unserer EZR-Entladung.
Auch der Nachweis des Potenzialdips muss einer späteren Arbeit überlassen werden.
Eine ortsaufgelöste Messung des Plasmapotenzials mittels Sonden ist wegen des
inhomogenen Magnetfeldes der EZR-Quelle allerdings sehr schwierig und vermutlich auch zu
ungenau. Eine verschiebbare ebene Sonde mit Referenzelektrode wurde dennoch bereits
102
7 Zusammenfassung und Ausblick
vorbereitet.
Mit
ihr
können
auch
Aussagen
über
Elektronendichte
und
Elektronenverteilungsfunktion getroffen werden. Die Verteilungsfunktion konnte bisher nur
spektroskopisch aus Moleküllinien bei einer kleinen Leistung von 100 W bestimmt werden.
Bei höheren Leistungen ist der Dissoziationsgrad des Plasmas zu hoch. Der Einbau der Sonde
kann aus technischen Gründen aber nur auf der Extraktionsseite erfolgen, weshalb eine
Extraktion der Ionen und damit der eigentliche Quellenbetrieb dann nicht mehr möglich ist.
Schon installiert wurde ein Gegenfeldanalysator zur Bestimmung des Plasmapotenzials
und der Energiebreite des Ionenstrahls. Für systematische Messungen blieb während meiner
Arbeit aber keine Zeit.
Zur Zeit in der Erprobung ist ein Kristallspektrometer, das anstelle des VUVMonochromators installiert wurde. Hiermit sollen im Rahmen einer Diplomarbeit
Röntgenlinien gemessen werden, um Ionendichten im ECRIS-Plasma zu bestimmen.
103
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109
8 Literatur
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[Xie 94] Z. Q. Xie and C. M. Lyneis, Rev. Sci. Instrum. 65 (9), September 1994, 2947-2952
[Xie 95] Z. Q. Xie and C. M. Lyneis, Proceedings of the 12th International Workshop on
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[Xie 97] Z. Q. Xie and C. M. Lyneis, Proceedings of the 13th International Workshop on
ECR Ion Sources, College Station, Texas, USA (1997), 16
110
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen
haben.
Bei Herrn Prof. Dr. K. Wiesemann bedanke ich mich für die langjährige Betreuung seit
meiner Zeit als studentische Hilfskraft und anregende wissenschaftliche Diskussionen.
Ebenso von unschätzbaren Wert war seine Fähigkeit in scheinbar auswegsloser Situation
Ersatz für ausgefallene Geräte zu beschaffen.
Bei meinem „zweiten Betreuer“ Herrn Dr. Dirk Meyer bedanke ich mich für zahlreiche
freundschaftliche Ratschläge, sowie für die ständige Diskussionsbereitschaft und gute
Zusammenarbeit, insbesondere bei den Experimenten am KVI Groningen.
Für die Bereitstellung der ECRIS 2, dem Kernstück „meines“ Experimentes, danke ich
Herrn Dr. A. G. Drentje vom KVI Groningen. Des Weiteren gilt ihm, sowie Herrn F.
Barzangy mein Dank für die Zusammenarbeit bei den Ionenheizexperimenten an der ECRIS 3
in Groningen.
Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Norbert Grabkowski (der Mann mit den „goldenen
Händen“). Ohne seine ausdauernde technische Hilfe wäre die Wiederinbetriebnahme der
Ionenquelle vermutlich nicht möglich gewesen. Ebenso hilfreich war die Unterstützung bei
der Lösung zahlreicher technischer Probleme während des Betriebs der Quelle.
Für die sehr fruchtbare Zusammenarbeit bei den Messungen zur Isotopenanomalie,
sowie die Einblicke in die japanische Mentalität danke ich herzlich Frau Dr. Yoko Kawai aus
Tokyo.
Herrn Carsten Mannel danke ich für die Unterweisung in die VUV-Spektroskopie und
insbesondere für die Unterstützung bei den Messungen zur Plasma-Wand-Wechselwirkung.
Des Weiteren danke ich Herrn Dr. Nikita Bibinov für die ständige Hilfsbereitschaft bei
spektroskopischen Fragestellungen.
Bei Herrn Dr. Ulrich „UT“ Wolters bedanke ich mich für die Hilfe bei der Entwicklung
des Modells der Ionen-Landaudämpfung in der Isotopenmischung und für seine Fähigkeit das
Arbeitsklima durch originelle Sprüche aufzulockern.
111
Danksagung
Allen bislang noch nicht genannten Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern,
insbesondere Siegmar Rudakowski, Michael Konkowski, Heinz Pfeifer, Alexandra Helmig
und Olaf Eichler danke ich für ihre Unterstützung bzw. Hilfsbereitschaft.
Meinen Eltern danke ich dafür, dass sie mir das Studium ermöglicht haben und für die
moralische Unterstützung.
Herzlichen Dank für alles an meine Verlobte Olga.
112
Lebenslauf
Name:
Achim Nadzeyka
Geburtsdatum:
1. Februar 1969
Geburtsort:
Düsseldorf
Staatsangehörigkeit: deutsch
Schulausbildung:
8/75 – 6/79
Martin-Luther-Grundschule Haltern
8/79 – 7/81
Städtische Realschule Haltern
9/81 – 5/88
Städtisches Gymnasium Haltern
5/88
7/88 – 9/89
Abitur
Wehrdienst
Studium:
10/89 – 8/96 Studium der Physik an der Ruhr-Universität Bochum
8/95 – 8/96
Diplomarbeit mit dem Titel „Gasmischungseffekt und selektive Ionenheizung in
einer EZR-Ionenquelle“
Berufliche Tätigkeit:
8/93 – 9/96
Studentische Hilfskraft in der Arbeitsgruppe Experimentalphysik insbes.
Gaselektronik an der Ruhr-Universität Bochum
10/96 – 9/01 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Experimentalphysik
insbes. Gaselektronik an der Ruhr-Universität Bochum
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