Weitergeben, was mich überzeugt, trägt und begeistert – (M)Eine feministische Mission? – Workshop am 14.09.2013 MissionarInnen, ApostelInnen, BotInnen Gottes Das Wort „Mission“ leitet sich von dem lateinischen Verb „mittere“, schicken, senden ab. In der lateinischen Übersetzung der Bibel wird es verwendet, wenn im hebräischen Grundtext schalach bzw. im griechischen Grundtext apostellein steht. D ie Bibel erzählt in vielen Zusammenhängen von Menschen, die sich von Gott gesandt und einem besonderen Auftrag verpflichtet fühlen: Mose und Miriam sind gesandt, Israel aus der Sklaverei zu befreien – Jona ist gesandt den Untergang Ninives zu verhindern, Johannes der Täufer ist gesandt, Gott den Weg zu bereiten – Jesus ist gesandt, die „verlorenen Schafe Israels“ zu retten und das Leben in Fülle für alle zu bringen und die ApostellInnen sind gesandt, nach dem Vorbild Jesu zu leben und so seine Botschaft weiterzutragen. Mission wider Willen Aber „Mission“ macht sich nicht nur an dem Begriff des Sendens fest, sondern geschieht dem Sinn nach überall dort, wo Menschen sich für „die Sache Gottes“ in Anspruch nehmen lassen, bzw. sich von ihr in Anspruch genommen fühlen. Da diese Sache meistens „quer“ steht zu den jeweiligen Strömungen der Zeit, sind diejenigen, die nicht anders können, als für Gottes Sache einzustehen, selten „begeistert“ von ihrer „Berufung“. Denn die Mission setzt die Gesandten oft erheblicher Gefahr aus, weil sie die bestehenden Verhältnisse kritisiert und Veränderungen fordert. Darum wird die göttliche Beauftragung häufig mit den Worten: „Fürchte dich nicht“ eingeleitet und manche der Gesandten bedürfen erheblicher göttlicher Ermutigung und Ermahnung bevor sie sich auf den Weg machen. Bis heute ist es so, dass das Judentum nicht „missioniert“ in dem uns geläufigen Sinne des versuches andere vom eigenen Glauben zu überzeugen. Wer zum Judentum konvertieren will, muss Energie und Ausdauer haben. Er oder sie wird zunächst einmal vermutlich abgewiesen. Dann folgt eine lange Unterweisung und Prüfung bis ein Übertritt akzeptiert wird. Auch in den frühen Nachfolgegemeinschaften Jesu, die sich im Umkreis der Synagogen im Römischen Reich entwickelten, dürfte das anfangs ähnlich gewesen sein: Zunächst blieb die „Mission“ eine innerjüdische. Die frühen ApostelInnen verkündeten das Evangelium nicht, wie die Apostelgeschichte uns glauben lassen möchte, auf den römischen Marktplätzen, sondern vor allem in den Synagogen und Versammlungsorten der jüdischen Diasporagemeinden im römischen Reich. Dort kamen sie zwar auch in Kontakt mit interessierten „HeidInnen“ , aber diese hatten hohe Hürden zu überwinden, wenn sie vollgültig dazu gehören wollten. Insbesondere die paulinischen Briefe zeigen, wie sehr um diese Hürden im Einzelnen gerungen wurde. Zwar wurde schließlich im auf die Beschneidung für konversionswillige Männer verzichtet (Gal 2) und allein die Übernahme der sogenannten noachitischen Gebote (Apg 15,19f) verbindlich gemacht, aber jeder Taufe ging in den ersten Jahrhunderten eine zweijährige gründliche Unterweisung voraus. Auch galten bestimmte Berufe als nicht vereinbar mit einem Leben in der Nachfolge Christi. Menschen, die z.B. als Soldaten arbeiteten, mussten „umschulen“, wenn sie sich taufen lassen wollten. Mission korrumpiert durch Macht Ein entscheidender Wandel im Missionsverständnis setzte jedoch in dem Moment ein, als das Christentum zur Staatsreligion avancierte. Manche haben die Entwicklung, die mit dem Konzil von Nicäa 325 ihren Anfang nahm, als „Sündenfall“ der Kirche bezeichnet. Der religiöse Pluralismus der antiken Welt wurde im Interesse einer einheitlichen „Reichsideologie“ vernichtet. Kulte wurden verboten, Kultstätten zerstört. In den folgenden Jahrhunderten kam es immer wieder zu „Zwangsbekehrungen“ . Das eindrücklichste Beispiel – die Sachsenmission unter Karl dem Großen dürfte vielen noch aus dem Geschichtsunterricht in Erinnerung sein. Das Neue Testament und der „Missionsbefehl“ des auferstandenen Christus wurden missbraucht, um die eigene Kultur „global“ durchzusetzen und andere Völker zu unterwerfen und auszubeuten. Die eigene Wahrheit wurde absolut gesetzt und mit den verfügbaren Machtmitteln den „Anderen“, den „Fremden“, den „HeidInnen“ und „Barbaren“ als die eine überlegene Wahrheit aufgezwungen. Besonders die spätere Kolonialgeschichte zeigt, wie sehr dabei die christliche Religion benutzt wurde und sich benutzen ließ, um brutale Herrschafts- und Ausbeutungsinteressen zu verschleiern, bzw. zu legitimieren. Jedes sorgsame Schriftstudium aber zeigt, dass Gewaltanwendung und Überlegenheitsgebaren dieser Art von „christlicher Mission“ theologisch nicht zu rechtfertigen ist. Zwar haben Theologen zu aller Zeit dagegen Protest eingelegt, aber in der Regel wurden sie innerhalb ihrer Kirchen marginalisiert und blieben weitgehend ungehört. Erst in den letzten Jahrzehnten hat eine differenzierte Aufarbeitung der kolonialen Schuldgeschichte begonnen. Insbesondere die TheologInnen aus der Zweidrittel Welt zeigen dabei wie komplex und subtil Kolonialisierungsprozesse in Kulturen hineinwirken, sie verändern und zerstören und welche Mechanismen zwischen Kolonisierten und KolonisatorInnen bis heute wirksam sind und das Ungleichgewicht zwischen den ehemaligen Kolonialmächten und den ehemaligen Kolonien aufrecht erhalten. Wie sehr dabei auch die Bibel als Kolonialisierungsinstrument benutzt wurde zeigt z.B. die afrikanische Theologin Musa Dube anhand der Bibelübersetzungen, die von den Missionaren für den afrikanischen Kontext angefertigt wurden. Satan und Dämonen werden mit dem Wort Badimo bezeichnet. Badimo aber ist in der einheimischen Religion eine FürsprecherIn (nicht geschlechtlich bestimmt), die vor dem höchsten Gott für die Menschen eintritt. Mission als gemeinsamer Einsatz für das Leben Mit den Unabhängigkeitsbewegungen in den kolonisierten Ländern hat seit der Mitte des letzten Jahrhunderts sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche Deutschlands ein Umdenken eingesetzt. Mission wird jetzt mehr und mehr als eine Teilnahme an Gottes Mission für das Leben verstanden und d.h.: Nicht Menschen sind die AkteurInnen der Mission, sondern Gott selbst, seine/ihre Heilige Geistkraft. Mission ist nicht länger eine Einwegkommunikation, sondern Dialog und Begegnung. Mission heißt voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam für Gerechtigkeit einstehen und das geht oft auch über die Grenzen der verfassten Religionen hinaus. Mission – so sagen es viele aktuellere Texte – gehört zum Wesen der Kirche, christliche Existenz ist missionarische Existenz – eine Existenz, die sich dem Auftrag Gottes, für das Leben einzustehen verpflichtet fühlt. Konkret bedeutet das – so die römisch-katholische Theologin Sandra Lassak – dass wir uns gemeinsam mit „Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und sozialer Kontexte … auf den Weg machen, nach der göttlichen Wahrheit und Verheißung suchen, gemeinsam Verantwortung übernehmen und uns für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.“1 Es liegt auf der Hand, dass einem solchen Missionsverständnis auch ein gewandeltes Kirchenverständniszugrunde liegt: Nicht mehr das richtige Dogma steht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern das richtige Tun! Mission feministisch Und was ist daran feministisch? Feministische Theologien haben Teil an den Veränderungsprozessen, die durch die Befreiungstheologien ausgelöst worden sind. Sie schärfen den Blick dafür, dass die Option für die Armen und Marginalisierten zu wenig ist, wenn Gottes Leben schaffende Gerechtigkeit die Mitte unserer Theologie sein soll. Denn neben den vielfach miteinander verwobenen Ungleichheiten und Hierarchien, die gegenwärtig die Menschheit spalten, ist die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts besonders folgenreich und gravierend. Feministische Mission besteht darum darin die Mechanismen mit denen Frauen ausgeschlossen werden aufzudecken und nach Wegen zu suchen sie zu überwinden. Feministische (Missions)Theologien verzichten darauf, die eine Wahrheit für alle zu formulieren, sondern nehmen Ernst, dass Frauen (und Männer) ihre Gotteserfahrungen je 1 Sandra Lassak, Solidarisch miteinander unterwegs, Feministisch-theologische Überlegungen zum Verständnis von Mission, in Evangelische Frauen in Deutschland (Hrsgn), Mitteilungen Heft 446, 20010, S. 15-18, S.16. nach Kontext unterschiedlich formulieren (müssen). Sie arbeiten daran, Differenz nicht als bedrohlich zu sehen, sondern als Bereicherung anzunehmen. Begegnung, gleichberechtigter Dialog, voneinander lernen und solidarisch für gerechte Teilhabe aller an den Gütern des Lebens einzustehen, sind darum zentrale Anliegen einer feministisch- missionarischen Existenz. Eines der vielen Bilder dafür ist z.B. der runde Tisch, an dem Menschen miteinander das Leben feiern und alle gleichberechtigt an der Fülle teilhaben. Ein anderes Bild aus dem afrikanischen Kontext ist das Herdfeuer, um das Frauen versammelt sind. Ein Bild das ebenfalls von einem guten Leben für alle erzählt. Im europäischen Kontext sind – je nach Lebenszusammenhang - andere Bilder wichtig, vielleicht auch wechselnde Bilder. Eines, das im Rahmen der Reformationsdekade von besonderer Prägekraft geworden ist, ist das Bild des Frauenmahls, das gegenwärtig in unterschiedlichen Städten Deutschland aufgenommen wird. Es ist ein Bild, das den Beitrag der Frauen in Kirche und Gesellschaft symbolisiert und das an den Abendmahlstisch erinnert, an dem nicht nur Jünger, sondern auch Jüngerinnen sitzen. Neben solchen symbolischen Bildern sind im Zusammenhang feministischer Mission vor allem die Orte in den Blick zu rücken, an denen Frauen ausgegrenzt werden und ihnen eine gerechte Teilhabe verwehrt wird. “Hier in Europa sind die Situationen von Migrantinnen oder Hartz IV-Empfängerinnen Orte, an denen sich eine feministisch engagierte missionarische Praxis bewähren muss“2, schreibt Sandra Lassak. Ich möchte die Situation der alten und pflegebedürftigen Frauen hinzufügen. Jeder Einsatz für ihre Würde und ihr Wohlerge-hen, der nicht über ihren Kopf hinweg, sondern aus dem Gespräch mit ihnen erwächst, ist eine Teilnahme an der Leben stiftenden Mission Gottes, ist Mitarbeit an einer Welt des Friedens und der Gerechtigkeit und entspricht der Nachfolge Christi. Anne Rieck und Ursel Duensing, 14.09.2013 2 Sandra Lassak, a.a.O.,S.18.