nicht losheulte. Dann kam ihr der rettende Gedanke: Amelie war runder als sie. Sie war von jener Weiblichkeit, die Männer fasziniert, und sie hatte einen größeren Busen. Vermutlich war es einfach nur das, was er ihr damit sagen wollte. Marlene war zu mager, um für ihn erotisch zu sein. Hätte sie mehr gegessen, wäre ihm diese kleine Affäre erspart geblieben. Der Kloß war fort. Die Wut war wieder da. Sehr gut. Denn mit ihr konnte sie umgehen, sie kontrollieren. Hätte sie das nicht gelernt, hätte sie als Kind vermutlich nicht überlebt. »Ich hatte heute einen Neuzugang« – bewusst wählte sie ein unverfängliches Thema – , »ein junger Mann. Tumore im Hals, in der Lunge, ein fünf Zentimeter großer Tumor in der Wirbelsäule, da vergeht einem der Appetit.« »Mir ist er jetzt auch vergangen.« Markus hatte dunkles Haar und ein Gesicht, das tagsüber manchmal etwas hart wirkte. Nachts aber, wenn er schlief und die Falten um den Mund verschwanden, wurde sein Gesicht weich und schön. So wie damals, als sie ihn kennengelernt und für den attraktivsten Mann auf Erden gehalten hatte. Noch heute, wenn sie wach lag, stützte sie sich auf den Unterarm und betrachtete ihn. Geheime Augenblicke, die ihr peinlich gewesen wären, hätte Markus sie bei einem von ihnen ertappt. Es waren Augenblicke, in denen sie ihn unendlich tief liebte, die sie ruhig werden und schließlich einschlafen ließen. Jetzt aber war er ihr fremd, und seine Augen waren bewölkt. Diese besonderen Augen, die sich wie der Himmel ständig verändern konnten. Manchmal waren sie einfach nur blau, dann war es wieder, als leuchtete die Sonne aus ihnen. Leuchtendes Lächeln. Leuchtende Augen. Hatten Markus und Amelie noch mehr gemeinsam? Verdammt, warum konnte sie nicht aufhören, plötzlich alles, was sie dachte und tat, mit dieser Frau in Zusammenhang zu bringen? Jedenfalls waren Amelie und 21