Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : kulturelle Monatsschrift Band (Jahr): 15 (1955) Heft 9 PDF erstellt am: 01.11.2017 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch Die Fische im Strom des Lebens Von EMIL KUHN-SCHNYDER «Biologie und historische Geologie miteinander verbindend, in beiden wurzelnd und beiden gebend, wird die Paläontologie zur Geschichte des Lebens.» J. F. Pompeckj, 1912 Mit jedem geologischen Zeitabschnitt wechselt ein Teil der Tiergestalten. Manche starben aus, andere überdauerten als langlebige Arten. Viele än¬ derten sich. Ein Teil dieser Aenderungen führte von niederen zu höheren Formen. Die Tierwelt hat sich im Laufe der Erdgeschichte entwickelt. Als letzte und höchste Ausgestaltung in diesem Entwicklungsprozeß nahmen vor vielen Millionen Jahren die Wirbeltiere ihren Anfang. Er führte von den Fischen zu den Vierfüßern und gipfelte im Menschen. Die heute lebenden Tiere stellen nur einen schmalen Ausschnitt aus der Formenfülle dar, welche die Gestaltungskraft des Lebens hervorbrachte. Auch den rezenten Fischen ging ein an Zahl und an Typen weit über¬ wiegendes Heer ausgestorbener Arten voraus. Neben den artenreichen Knorpel- und Knochenfischen sind die Rundmäuler, der rätselhafte «blaue» Fisch (Latimeria) und der Stör nur die letzten Ausläufer einst blühender Gruppen, während andere völhg erloschen. Deswegen lassen sich die lebenden Fischgeschlechter nur aus ihrer Geschichte begreifen. Das Sein kann erst im Werden seine Erklärung finden. Mit diesem Studium befaßt sich die Paläonto¬ logie, dieWissenschaft vom Leben der Vorzeit. Allein die Paläontologie ver¬ fügt über die Urkunden und die Daten der Entwicklung, aus denen sich Entstehen, Aufblühen und Vergehen der Tiere unmittelbar ablesen lassen. Den zeitlichen Rahmen für die Geschichte des Lebens auf der Erde liefert das Studium der Umwandlung radioaktiver Elemente. Das Alter der ältesten Gesteine Heß sich zu etwa 2000 Millionen Jahre berechnen. Die ersten Spuren des Lebens sind bestimmt mindestens iooo Millionen Jahre alt. Erst mit Beginn des Erdaltertums, mit dem Cambrium vor ungefähr 500 Mil¬ lionen Jahren, werden Fossilfunde zahlreicher. Damals waren, mit Aus¬ nahme der Wirbeltiere, bereits alle großen Tierstämme vertreten. Die ältesten Wirbeltierreste sind etwa 400 Milhonen Jahre alt. Die heute lebenden Fische kann der Zoologe drei wohlumschriebenen Klas¬ sen zuweisen. Die niederstenWirbeltiere sind durch die Klasse der Rundmäuler (Cyclostomen) vertreten, die nur wenige Arten im Süßwasser imd im Meere aufweist. Zu ihnen gehört das auch bei uns vorkommende Flußneunauge. Eine weitere Klasse (Knorpelfische, Chondrichthyes) bilden die ausgesprochen marinen Haie, Rochen imd Chimären. Das Großheer der lebenden Fische mit über 25 000 Arten umfaßt die Klasse der Knochenfische (Osteichthyes). Die Mannigfaltigkeit der ausgestorbenen Fischformen erschloß erstmals der Schweizer Louis Agassiz (1807-1873). Er lehrte damals an der Akademie in Neuenburg. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen findet man in seinem Hauptwerke «Recherches sur les poissons fossiles» (Neuchâtel, 1833-43), das ihm Weltruhm einbrachte. 1846 reiste er nach Nordamerika und fand Neonfischchen aus dem peruanischen Amazonasstrom. Diese smaragden leuchtenden Tiere wurden erst igj6 entdeckt und tragen den wissenschaftlichen Namen Hyphessobrycon innesi. Sie haben sich im Nu die Liebe der Aquarienbesitzer erobert. Photo Manfred Bingler dort begeisterte Aufnahme. Nach dem Muster des Pariser Museums grün¬ dete er an der Harvard University in Cambridge, Mass., das Museum of Comparative Zoology («Agassiz-Museum»). Auf Tausenden von Linealen amerikanischer Studenten sind die Worte eingeprägt: «Study nature, not books.» Sie werden Agassiz zugeschrieben, was allerdings nicht belegt ist. Doch enthalten sie das Geheimnis seines Erfolges. Den Entwicklungsgedanken lehnte Agassiz ab. Wohl konnte er sich der Einsicht nicht verschließen, daß die Lebewelt im Laufe ihrer Geschichte eine zunehmende Organisationshöhe erfuhr. Seiner Meinung nach ging jedoch keine Art von einer Formation in die andere über. Die einzelnen Formationen seien durch tiefe Einschnitte voneinander geschieden. Mit Georges Cuvier glaubte er an die Unveränderlichkeit der Arten. Eine neue Epoche in der Erforschung des fossilen Lebens begann 1859 mit dem Erscheinen von Charles Darwins Werk «Ueber die Entstehung der Arten». Darwin verknüpfte darin eine Fülle von Beobachtungen und Er¬ fahrungen zum zwingenden Schluß: Tier- und Pflanzenarten sind ver¬ änderlich. Die heute lebenden Arten entstanden durch allmähliche Um¬ wandlung aus geologisch älteren Arten. Die Entwicklung ist eine Tatsache. Jetzt hatte es einen Sinn, sich mit Stammbaumfragen zu befassen. Die Füh¬ rung auf diesem neuen Forschungsgebiete beanspruchte vorerst die Ent¬ wicklungsgeschichte. In Bezug aufdie niederen Wirbeltiere kam sie dabei zu folgendem Ergebnis: Als niederste lebende Wirbeltiere sind die Rundmäuler anzusehen. Pri¬ mitiv ist bei ihnen das Fehlen des Kieferapparates, primitiv schien das Fehlen paariger Flossen. Ihr Skelett besteht nur aus Knorpel. Von ihnen wurden die Haie, Rochen und Chimären abgeleitet. Gegenüber den Rundmäulern sind zwei Fortschritte bemerkenswert. Neben Kiefern besitzen die Haie paarige Flossen: Brust- und Bauchflossen. Noch ist das Skelett knorpelig. Die höchst organisierten Fische stellen die Knochenfische dar. Sie weisen Kiefer, paarige Flossen und ein knöchernes Skelett auf. Diese Reihe: Rund¬ mäuler— Knorpelfische — Knochenfische stimmt ausgezeichnet mit dem biogenetischen Grundgesetz überein, wie es von Ernst Haeckel 1882 mit der ganzen Kraft seiner Begeisterung formuhert worden war: Die Keimes¬ geschichte ist ein Auszug der Stammesgeschichte. Wird nicht auch während der Entwicklung des Wirbeltierkeimes das Skelett zuerst knorpelig angelegt? Erst viel später wird der Knorpel zum Teil durch Knochen ersetzt. Diese Auffassung über die Entwicklung der Fische galt bis vor ungefähr dreißig Jahren als eines der sichersten und einleuchtendsten Kapitel der Stammes¬ geschichte. Konnte sie der Kritik der Paläontologie standhalten? Jahrzehntelang hatten es die Paläontologen meist vermieden, zu Stamm¬ baumfragen Stellung zu beziehen. Sie waren eifrig damit beschäftigt, die Fülle der anfallenden Fossilfunde zu beschreiben, um mit ihrer Hilfe eine großartige Geschichte der Erde ohne Jahreszahlen aufzubauen. Die Mehr¬ zahl der fossilen Fische ließ sich als Knochenfische, als Haie oder Rochen sicher bestimmen. Daneben gab es allerdings Funde aus dem Erdaltertum, die in die soeben skizzierte Entwicklung der Fische nicht recht passen wollten. Sie waren unbequem und wurden lange kaum beachtet, um dann plötzHch des Interesses zu rücken. Auf keinem Gebiete der Pa¬ in den Brennpunkt tieres aus dem Silur Westenglands, das mit Seitenfalten ausgestattet und un¬ gepanzert war. Als Stütze des Körpers scheint nur eine Chorda gedient zu haben. Die Anordnung der Muskelsegmente erinnert an diejenige des Lanzettfischchens (Amphioxus). Errol I.White (1946) nannte es Jamoytius, zum Andenken an den während des letzten Weltkrieges als FHeger gefallenen enghschen Paläontologen J. A.Moy-Thomas. — Lange hatte man das Vor¬ kommen eines knöchernen Skelettes als etwas Fortschrittliches, als eine der letzten großen Errungenschaften der Wirbeltiere angesehen. Dies ist nicht der Fall. Knochen stellen ein sehr altes Baumaterial der Wirbeltiere dar. Aller¬ läontologie sind die Fortschritte seither größer, als auf demjenigen der nie¬ deren Wirbeltiere. Man verdankt sie der zielbewußten Sammlung von Untersuchungsmaterial und der Verbesserung der Untersuchungsmethoden. Den Anstoß zu dieser Renaissance gab die Monographie von Erik A:son Stensiö über die Cephalaspiden aus dem Devon von Spitzbergen, die 1927 erschien. Die Cephalaspiden sind merkwürdige FossiHen aus dem Erdalter¬ tum, deren Wirbeltiernatur als erster Louis Agassiz erkannt hatte. Früher deutete man sie als Trilobiten, als Verwandte von Krebsen. Sie sind von geringer Größe, höchstens 60 Zentimeter lang, meist jedoch viel kleiner. Ihre Stellung unter den Wirbeltieren war sehr umstritten. Seit Stensiös dings ist Knorpel im aUgemeinen fossil nicht erhaltungsfähig. Das Fehlen von sehr alten Vertretern mit einem rein knorpeHgen Skelett könnte damit genialer Arbeit ist dies anders geworden. man nur noch bei wenigen höheren Tieren : bei den Manteltieren (Tunicata), beim Lanzettfischchen (Amphioxus) und bei den Larven der Rundmäuler. Für seine Untersuchungen verfügte Stensiö, der heutige Leiter der paläozoologischen Abteilung des Naturhistorischen Reichsmuseums in Stock¬ holm, über 105 Fossilreste, vor allem Kopfpanzer. Die einzelnen Kopfpanzer waren meist nicht größer als ein Fingerabdruck. Stensiö präparierte sie mit feinsten Instrumenten unter einer starken binokularen Lupe. Er fertigte Serienschhffe an, indem er das Fossil allmählich abschliff. In bestimmten, gleichen Abständen zeichnete er ein vergrößertes Bild des Anschliffes und baute darnach Wachsmodelle. So erhielt er ein plastisches Abbild des Fossils. Nach zäher, unermüdlicher Arbeit gelangte Stensiö schließlich zu einer eingehenden Kenntnis des äußeren und inneren Baues des Kopfes der Ce¬ phalaspiden. Als höchst bedeutungsvoll erwies es sich, daß diese niederen Wirbeltiere nicht nur einen Panzer aus Hautknochen, sondern im Kopf¬ gebiete auch ein Innenskelett besitzen. Das Gehirn der Cephalaspiden war von einer Knochenkapsel umschlossen, mit der die Skelette des Kiemen¬ apparates und des Schultergürtels eng verbunden sind. Durch die Rekon¬ struktion des Hohlraumsystems des Kopfes war es möglich, die Gehirnform und die Wege der Nerven und Blutgefäße aufzuklären. Heute ist man über den Bau des Cephalaspidenkopfes besser unterrichtet als über denjenigen vieler lebender Tiere. Aus den Untersuchungen von Stensiö geht klar hervor, daß die Cephala¬ spiden mit den Rundmäulern nah verwandt sind. Beiden fehlen echte Kiefer. Die Raspelzunge der halbparasitischen Rundmäuler ist eine später erwor¬ bene SpeziaHsation. Ebenso ist das Fehlen paariger Flossen kein ursprüngHches Merkmal. Ueber die Vorgeschichte der lebenden Rundmäuler kann allerdings nur spekuhert werden, trennt sie doch eine Zeitspanne von etwa 300 MilHonen Jahren von ihren nächsten Verwandten des Erdaltertums. Der abgeflachte Körper der Cephalaspiden spricht für eine Lebensweise am Grunde der Gewässer. Deshalb Hegen die Augen nicht seitlich, sondern auf der Kopfoberseite. Deshalb besitzt die Schwanzflosse einen stärker ent¬ wickelten oberen Lappen, der dem Tiere während des Schwimmens eine Richtung schräg nach unten verHeh. Neben den trägen Cephalaspiden lebten gleichzeitig noch andere kieferlose Wirbeltiere. Ihr stromlinienartig gebau¬ ter Körper zeigt, daß es aktive Schwimmer waren. Mit den Cephalaspiden werden sie zur Subklasse der Ostracodermen zusammengefaßt. Wo ihre Ur¬ heimat lag, ob im Süßwasser des Festlandes oder im Meere, ist noch ungewiß. Die ältesten bisher bekannten Wirbeltierreste, Bruchstücke von knö¬ chernen Schuppen und Panzern, stammen aus dem unteren Silur (Ordovicium) Nordamerikas. Etwas jüngeren Alters sind die Reste eines Wirbel¬ eine natürHche Erklärung finden. Auf diese ältesten kieferlosen Wirbeltiere folgte eine sehr gemischte Ge¬ sellschaft primitiver Fische. Man vereinigt sie zum Unterstamm der Placo- dermen. Ihre Vertreter sind heute alle ausgestorben. Während relativ kurzer Zeit, im Devon, waren sie die herrschenden Wirbeltiere der Gewässer. Der große Fortschritt, den sie gegenüber den Ostracodermen aufweisen, ist der Besitz richtiger Kiefer. Die Ostracodermen waren innere Strudler, deren Kiemendarm als Filterapparat ausgebildet war. Diese Ernährungsart findet Die Umgestaltung eines Kiemenbogens in einen Kieferapparat ermögHchte die Ausbildung eines wirksamen Gebisses und damit eine reichlichere Er¬ nährung. Dieser tiefgreifende Unterschied hat dazu geführt, zwischen kie¬ fertragenden und kieferlosen Wirbeltieren (Gnathostomata imd Agnatha) zu unterscheiden. Aus diesem Grunde ist es ferner übHch geworden, die niedersten Wirbeltiere, die Agnatha (Rundmäuler usw.) von den eigent¬ lichen Fischen zu trennen. Unter den Placodermen ist die Ordnung der Acanthodi oder der «spiny sharks» am besten bekannt. Der Name Dornenhaie rührt von dem Besitze von Stacheln her, die sich vor jeder Flosse befinden. Mit den Haien sind die «spiny sharks» nicht näher verwandt. Die meist kleinen Dornenhaie waren ausgesprochene Sehtiere, während die Haie Riechtiere sind. Die gefährHchsten Raubfische finden sich bei der Ordnung der Arthrodiren. Titanichthys erreichte eine Länge von über 8 Meter, während die Kiefer eine solche von einem halben Meter erlangten. Wenden wir uns den höheren Fischen zu. Sie lassen sich zwei scharf getrennten Klassen zuweisen: den Knorpelfischen und den Knochenfischen. Die Vertreter beider Gruppen besitzen wohl entwickelte Kiefer, die mit Hilfe des Zungenbeinbogens am Schädel befestigt sind. Beide Klassen haben sich unabhängig voneinander entwickelt. Die Knochenfische durchliefen nie ein Knorpelfischstadium, wie es zum Beispiel durch die Haie repräsentiert wird. Heute sind die Knorpelfische (Chondrichthyes) durch die Unterklasse der Elasmobranchier (Haie und Rochen) und der Holocephalen (Chimären) vertreten. Gemeinsam ist ihnen das Fehlen einer Schwimmblase. Der Mund Hegt auf der Unterseite des Kopfes. Bei den männhchen Knorpelfischen sind die Hinterenden der Bauchflossen zu Begattungsorganen umgewandelt. Die Befruchtung erfolgt meist im Innern des Weibchens. Viele Haie sind ovovivipar, das heißt, die befruchteten Eier werden vom Weibchen so lange in den Eileitern mitgefuhrt, bis die Jungen ausschlüpfen. Dies war Aristoteles schon bekannt, dessen Beobachtungen später während vieler Jahrhunderte umstritten waren. Erst Johannes Müller (1801-1858) hat sie 1840 bestätigt. Die Haut der Haie ist mit vielen kleinen Hautzähnchen besetzt. Sie weisen den gleichen mikroskopischen Bau auf wie die Zähne des Gebisses. Ebenso sind die häufig vorkommenden Flossenstacheln nichts anderes als bedeutend vergrößerte Hautzähne. Der Name Knorpelfische geht auf das rein knorpeHge Innenskelett zu¬ rück. Seine Festigkeit kann durch Einlagerung von Kalk erhöht werden. Versteinerter Knochenfisch Mene. Aus dem alttertiären Kalk des Monte Bolca bei Verona. Aufbewahrt in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie in München. Text siehe Seite 55. Photo Articolor, München Da^ Knorpel nur selten fossil erhalten wird, ist vieles in der Geschichte der Knorpelfische noch dunkel. Wohl sind isoherte Zähne und Flossenstacheln a us dem Erdaltertum nicht selten. Sie sagen jedoch über die Organisation ihrer ehemaligen Träger wenig aus. — Ist das Fehlen eines knöchernen Innenskelettes bei den Knorpelfischen etwas UrsprüngHches, oder haben sie den Knochen durch Degeneration verloren? Darüber sind die Meinungen unter den Fachleuten geteilt. Marine Wirbeltiere haben die Neigung, den Knochen durch Knorpel zu ersetzen. Die Knorpelfische sind immer aus¬ Gemeinsame verschiedener Typen zu betonen, während andere nur die Unterschiede hervorheben. Gerade jetzt ist wiederum eine lebhafte Diskus¬ gesprochene Meerestiere gewesen. Einer der ältesten und berühmtesten fossilen Haie ist Cladoselache aus den Cleveland shales (Ohio, USA). Von dieser Form aus dem späteren Von stammesgeschichtHcher Bedeutung sind vor allem die Quastenflosser und die Strahlenflosser. Unter den Quastenflossern finden sich die Vor¬ fahren der Vierfüßer. Zu den Strahlenflossern gehören die modernen Kno¬ chenfische. Beide Gruppen unterscheiden sich nicht nur tiefgreifend im Bau des Skelettes und der Weichteile, sondern sie weichen auch in nebensächHchen Merkmalen voneinander ab. Die ursprünghehen Strahlenflosser be¬ sitzen eine Rückenflosse, die Quastenflosser deren zwei. Bei beiden Gruppen ist die Schwanzflosse ursprüngHch asymmetrisch gebaut. Sie formt sich später auf verschiedene Weise zu einer symmetrischen Flosse um. Alle älteren Knochenfische sind mit dicken knöchernen Schuppen ausgestattet. Nach ihrem mikroskopischen Bau können die Cosmoidschuppen der Quasten¬ Devon kennt man nicht nur die Ueberreste des Gebisses und des verkalkten Innenskelettes, sondern auch Abdrücke der Haut und den Körperumriß, ja sogar Spuren der Muskulatur und der Nieren. Recht gut bekannt sind sodann die Hybodontiden, deren zwei Rückenflossen mit je einem unbeweghchen Stachel bewehrt waren. Wie ihr Gebiß beweist, jagten viele unter ihnen beschalte Weichtiere. An die vorderen spitzen Zähne schlössen sich niedrigkronige Zähne an, die zum Zerknacken der Schalen dienten. Die Hybodontiden besaßen ihre Blütezeit im Erdmittelalter. Mit Beginn der Jura-Formation finden sich bereits die schlanken, eleganten Zähne von Orthacodus. Es ist dies einer der Vorläufer der modernen Haie. In den Meeresablagerungen der Erdneuzeit sind Haifischzähne sehr häufig. Sie sind schon früh unter dem Namen Zungensteine oder Glossopetren bekannt ge¬ worden. Man schrieb ihnen eine Heilwirkung bei Vergiftungen zu. Un¬ gefähr gleichzeitig mit den modernen Haien traten die ersten Rochen auf. Ihr Körper ist abgeflacht; die Augen befinden sich auf der Kopfoberseite. Sie sind zumeist Bodenbewohner. Die Zähne des Ober- und des Unter¬ kiefers sind zu soHden Zahnpflastern zusammengeschlossen. — Von den heute die Tiefsee bewohnenden Chimären, Fischen von eigenartiger Schön¬ heit, kennt man ebenfalls fossile Verwandte. Eine Reihe von Funden aus dem Erdaltertum, vor aUem vereinzelte Zähne und Gebißteile, hat man zur Ord¬ nung der Bradyödonti vereinigt. Es ist mögHch, daß sich unter diesen heterogenen Formen die Vorfahren der Chimären befinden. Haie und Rochen sind heute noch blühende Gruppen. An Zahl und an wirtschaftlichem Nutzen spielen sie allerdings gegenüber den Knochen¬ fischen eine geringe RoUe. Die Bezeichnung Knochenfische oder Osteichthyes ist deswegen nicht glückheh gewählt, weil wir wissen, daß bereits viel primitivere Fische und niedere Wirbeltiere Knochen besaßen. Die Ar¬ tenzahl der lebenden Knochenfische verursachte der natürhehen Klassi¬ fikation große Schwierigkeiten. Auf diesem Gebiete hat sich Georges Cu¬ vier bedeutende Verdienste erworben. Er brachte in Paris eine Sammlung von Fischen zusammen, wie man sie bisher noch nie gesehen hatte. Seit 1820 arbeitete Cuvier mit seinem Schüler A.Valenciennes zusammen an dem großangelegten Werke «Histoire naturelle des poissons». Es sollte un¬ vollendet bleiben. Louis Agassiz, der Pionier auf dem Gebiete der fossilen Fische, widmete dem Bau der Schuppen seine besondere Aufmerksamkeit. Dies führte ihn zur Aufstellung einer neuen Gruppe, der Ganoiden oder Schmelzschupper. Sie zeichnen sich durch den Besitz von knöchernen Schuppen aus, die meist mit einer dicken, glänzenden Schicht von Ganoin überzogen sind. Auf Agassiz, den Entdecker der Ganoiden, folgte ihr Erforscher, Johannes Mül¬ ler. Es fehlt der Raum, um all die Männer aufzuzählen, die seither unsere Kenntnisse bereichert haben. Wesentliche Fortschritte brachten in den letz¬ ten Jahrzehnten die Ergebnisse der Paläontologie. Erst sie überwanden einen Teil jener Schwierigkeiten, mit denen die Zoologen zu kämpfen hatten, so¬ lange sie sich nur auf Beobachtungen an lebenden Fischen stützen konnten. Die Geschichte der Knochenfische erscheint heute verwickelter, als man früher angenommen hatte. Zudem neigen die einen Forscher dazu, das sion um die verwandtschaftlichen Beziehungen der Knochenfische ent¬ brannt. Es handelt sich um die vier folgenden Gruppen: Actinopterygu oder Strahlenflosser, Crossopterygh oder Quastenflosser, Dipnoi oder Lungenfische, Brachiopterygu oder Armflosser. flosser gut von den Ganoidschuppen der Strahlenflosser unterschieden wer¬ den. Die beiden Schuppenarten werden im Laufe der Stammesentwicklung einer starken Rückbildung unterworfen. Während das Innenskelett immer stärker verknöcherte, wurden die Schuppen immer leichter gebaut. Die modernen Strahlenflosser haben im Laufe ihrer Geschichte drei Or¬ ganisationsstufen durchlaufen. Die erste Stufe repräsentieren die Palaeonisciformes. Diese typischen Raubfische treten in Süßwasserablagerungen des Devons auf; lose Schuppen sind noch früher nachgewiesen. Anfänghch relativ selten, haben sie zu Beginn des Carbons die übrigen Fischgruppen an Artenzahl überflügelt. Ueberlebende der Palaeonisciformes sind die Störe der Alten Welt, sowie der Löffelstör des Mississippi und der chinesischen Ströme. Sie weisen unter allen Strahlenflossern die stärkste Reduktion des Knochens auf. Die asymmetrische Schwanzflosse haben sie beibehalten. Mit dem Beginn des Erdmittelalters wurde das Meer zum Entwicklungs¬ zentrum der Strahlenflosser. Damals dominierte die nächsthöhere Organi¬ sationsstufe der Strahlenflosser, die Holostei. Von dieser einst mächtigen Gruppe haben sich der Kaimanfisch (Lepidosteus) und der Schlammfisch (Amia) in die Gegenwart gerettet. Beide leben in Nordamerika. Die Kai¬ manfische gehören zu den gefürchtetsten Feinden der Fischerei im Süden der USA. Die größte Art soll bis 5 Meter lang werden. Der Schlammfisch, ein großer Fischräuber, kann eine Länge von 60 Zentimeter erreichen. Er ist im Mississippi, sowie im Huron- und Eriesee zu Hause. Die höchste Organisationsstufe der Strahlenflosser, die modernen Teleostier, begannen ihren Aufstieg in der Jura-Periode. Vom Meere her eroberten sie sich auch das Süßwasser. Bereits zu Beginn der Erdneuzeit, vor etwa 60 MilHonen Jahren, wies die Fischfauna ein modernes Gepräge auf. — Die Mehrzahl der Knochenfische lebt im Meer. Einzelne Formen sind bis in Tiefen von über 4000 Meter vorgedrungen. Nur wenige Arten sind welt¬ weit verbreitet. Viele unternehmen wie Zugvögel jahreszeithehe Wande¬ rungen. Um sich fortzupflanzen, steigen die Lachse aus dem Meere in die Ströme und Flüsse hinauf. Umgekehrt sucht der europäische Aal das Sargassomeer auf, um dort zu laichen und um dann zu sterben. Die Auf¬ klärung der Lebensgeschichte des europäischen Aales ist eines der interes¬ santesten Kapitel der Zoologie. Die Aallarven sind von blattähnHcher, durchsichtiger Gestalt und vom erwachsenen Aal also durchaus verschieden. 1778 wurden sie deshalb als besondere Fischart (Leptocephalus) beschrieben. Erst 1861 erkannte J.V. Carus, daß es sich bei diesen Geschöpfen um Fisch¬ larven handelt. 1864 vermutete T.N.Gill in ihnen Aallarven. Damit war das «Aalproblem» aufgerollt. Es hat viele Forscher jahrzehntelang beschäf13 Röntgenaufnahme eines Rochen, Raja clavata. L. Röntgeninstitut Prof. Dr. H. R. Schinz, Zürich. Im Magen sind noch die Skelette gefressener Fische zu erkennen. tigt. Seine Lösung gelang dem dänischen Zoologen J. Schmidt. Es war seine Lebensaufgabe. Die ältesten Spuren von Quastenflossern fand man im Unter-Devon. Im Mittel-Devon sind sie relativ häufig vertreten. Eine überraschende Erkennt¬ nis war, daß den alten Quastenflossern außer Kiemen auch Lungen eigen waren. Sie sind Doppelatmer gewesen. Nach der Ansicht von A. S. Romer hatten sich diese Luftsäcke im Zusammenhang mit den klimatischen Be¬ dingungen der Devon-Periode entwickelt. Regenzeiten wechselten damals mit Zeiten strenger Dürren ab. Und wenn Flüsse und Wassertümpel aus¬ zutrocknen drohten, ihr Wasser faul wurde und der Sauerstoff fehlte, so waren alle lungenlosen Fische schwer gefährdet. Ein Fisch mit Lungen da¬ gegen konnte sich an der Oberfläche des Wassers den notwendigen Sauer¬ stoff holen. Die Ausbildung von Lungen war also anfänghch das Ergebnis einer An¬ passung, um sich im Wasser behaupten zu können. Gleich ist die Umgestal¬ tung der paarigen Flossen zu LandgHedmaßen zu verstehen. Wenn während der Trockenzeiten das Wasser verdunstete, dann waren die Vierfüßer im Vorteil. Die Fische mußten im Schlamm verharren und zugrunde gehen, wenn es nicht rechtzeitig regnete. Die Vierfüßer konnten eine andere Was¬ serstelle aufsuchen. Das beweist Ichthyostega, ein missing link aus dem vier LandgHedmaßen neben einem richtigen Fischschwanz be¬ Devon, saß. Erst allmählich wurde das Land von den Lurchen bevölkert. Vollständig vom Wasser sich zu lösen, bheb ihnen versagt. Ihre Jugend verbringen sie meist als kiementragende Larven im Süßwasser. Erst im erwachsenen Zustande können sie auf dem Lande leben, wo sie hauptsächlich mittels Lungen atmen. Um sich fortzupflanzen, müssen sie wieder zum Wasser zurück¬ kehren. Die ReptiHen haben dann diese Fesseln endgültig gesprengt. das Mit Ausnahme der Coelacanthiden verschwanden die Quastenflosser vor Ende des Erdaltertums. Ihre Lebensräume wurden von den Lurchen besetzt. Auch von den Coelacanthiden nahm man lange Zeit an, daß sie mit dem Ende der Kreidezeit ausgestorben seien. Groß war deshalb das Erstaunen und die Ueberraschung, als am 22. Dezember 1938 an der Ostküste Süd¬ afrikas ein merkwürdiger Fisch (Latimeria) gefangen wurde, der sich als Vertreter der Coelacanthiden herausstellte. «It is as though a living dinosaur has suddenly appeared», sagte J. R. Norman, der damahge FischspeziaHst am Britischen Museum in London. Die Coelacanthiden hatten sich schon früh dem Meere zugewandt. Im Meere vermochte Latimeria sich zu behaupten. Leider konnte vom ersten Exemplar nicht viel mehr als die Haut gerettet werden. Erst Ende 1952 gelang es wieder, einen Fisch in der Nähe der Komoren zu fangen. Auch er kam in bedauernswertem Zustande in die Hände des Untersuchers. 1953 und 1954 konnten die Franzosen vier weitere Exemplare ebenfalls im Be¬ 14 reiche der Komoren erbeuten, über die J. Millot eine vorläufige Mitteilung herausgab. Die Fische sollen sich über felsigem Untergrund in einer Meereà- tiefe von 300 bis 500 Meter aufhalten. Ihre Länge schwankt von 1 bis 1,4 Meter. Die Farbe frisch gefangener Fische ist nicht blau, sondern braun mit unregelmäßigen weißlichen Flecken. Die Lungenfische sind in der Gegenwart nur mit drei Arten vertreten. Es sind dies die aalähnHchen Protopterus (Afrika) und Lepidosiren (Süd¬ amerika), sowie der berühmte «Djelleh» oder Epiceratodus in Austrahen. Einer der ältesten fossilen Lungenfische ist Dipterus aus dem Mittel-Devon Schottlands. Er besitzt bereits große Zahnplatten im Gaumen, die zusammen mit ihren Partnern im Unterkiefer scheren und quetschen können. Dip¬ terus ernährte sich wohl von Schnecken und anderen wirbellosen Tieren. Mit der Reduktion der Bezahnung steht die Rückbildung der Ober- und Unterkiefer in engstem Zusammenhang. Seit dem Carbon trat ferner ein zunehmender Ersatz des Knochens durch Knorpel auf. Von den ursprüng¬ Hch vorhandenen zwei Rückenflossen verschwindet die vordere, während die hintere sich mit der Schwanzflosse verbindet. Große Zahnplatten von Lungenfischen (Ceratodus) sind in Triasablagerungen häufig, später findet man sie nur noch selten. Die letzte Gruppe, der wir uns zuwenden, ist diejenige der Brachio- pterygü oder Armflosser, zu denen der Nilflösselhecht (Polypterus) und der aalartige Calamoichthys gehören. Der Nilflösselhecht wurde von Etienne Geoffroy-Saint Hilaire 1799 entdeckt, als er mit anderen Gelehrten an der Expedition Napoleons gegen Aegypten teilnahm. Der Fisch, der eine Länge von über 1 Meter erreicht, ist in den Flüssen des tropischen Afrika weit verbreitet. Zu seiner Entdeckung bemerkte Cuvier, daß sie «eût valu à elle seule le voyage d'Egypte». Der Nilflösselhecht weist dicke, glänzende Schuppen auf; sein Innen¬ skelett ist stark verknöchert. Besonders bemerkenswert sind die ventral ge¬ legenen paarigen Lungen und die gut entwickelten muskulösen Brustflossen mit beschuppter Basis. Lange wurde er deswegen als Quastenflosser an¬ gesprochen; 1927 stellte ihn E.S.Goodrich zu den Strahlenflossern. Heute wird sein Platz im natürhchen System der Fische erneut diskutiert. Leider wissen wir über die Geschichte der Armflosser nichts, denn fossile Vertreter sind bisher nicht entdeckt worden. Der FaU Polypterus zeigt besonders eindrückHch, wie unerläßlich die Kenntnis der fossilen Formen zur Beurteilung der lebenden Tiergeschlechter ist. Er zeigt ferner, wie groß unsere Kenntnislücken in der Geschichte des Lebens auf der Erde noch sind. In der Zoologie ist das heroische Zeitalter der großen Entdeckungen neuer, bisher unbekannter Tiergestalten schon längst endgültig vorbei. Die Paläontologie steckt noch mitten in dieser be¬ glückenden Aufgabe. Es ist eine Freude, Paläontologe zu sein! Schützenfisch (Toxotes jaculator) aus dem Aquarium des Zürcher Zoos. Während beinahe zwei Jahrhunderten ist die Fähigkeit dieses indoaustralischen Fisches, durch genau gezielte Wasser¬ schüsse Insekten und Spinnen von überhängender Vegetation herunterzuschwemmen, immer wie¬ der bezweifelt worden. Soeben hat der Fisch rechts die Schabe angeschossen, die im nächsten Augenblick ins Wasser gleitet und gefressen wird. Text siehe Seite 34. Photo Manfred Bingler