Die genetischen Systeme von Mitochondrien und Plastiden Alberts et al. (2008) Molecular Biology of the Cell 5th Edition, Garland Science Chapter 14 DNA im Zellkern und Mitochondrien Alberts et al. 2004 Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer Euglena-Zelle: rot: DNA; grün: Mitochondrien; gelb: Überlagerung Mitochondriale DNA in menschlichen Zellen Garrido et al. 2003, MBC 14:1583-1596 Proteine in Mitochondrien und Chloroplasten werden von zwei getrennten genetischen Systemen codiert Vergleich von Mitochondrien und Chloroplasten mtDNA-Molekül im Moment des Ablaufs der DNA-Replikation Pfeile: Replikationspunkte gelb: neu synthetisierte DNA Relativbeiträge von Organellen-DNA in einigen Zellen und Geweben Organismus Gewebe oder Zellart DNAMoleküle je Organell Organellen je Zelle OrganellenDNA in % der GesamtDNA mitochondriale DNA Ratte Leber 5-10 1000 1 Hefe vegetativ 2-50 1-50 15 Frosch Ei 5-10 10 000 000 99 Chloroplasten-DNA Chlamydomonas vegetativ ca. 80 1 7 Mais Blätter 20-40 20-40 15 Mitochondriale Genome Organellen-DNA in Nucleoiden verpackt (ähnlich Bakterien, Nucleoid-Proteine entsprechen funktionell den Histonen) DNA an Innenmembran angeheftet Mitochondriale Genome von 6.000 bp (Malariaerreger Plasmodium) bis 300.000 bp (einige Landpflanzen) Mitochondriale DNA meist ringförmig, gelegentlich linear Mensch: ringförmiges mitochondriales Genom von 16.500 bp Größenverhältnisse von mitochondrialen Genomen Rickettsia: pathogenes Bakterium, das mit den endosymbiontischen Vorfahren der Mitochondrien verwandt ist rot: codierende Sequenzen; blau: nicht codierend oder unbekannte Funktion Die Größe des Genoms korreliert nicht mit der Zahl der Proteine, die codiert sind (Mensch 13, Arabidopsis 32 bei 22x größerem Genom!) Gray et al 1999, Science 283:1476-1481 Verlagerung von Genen des Endosymbionten in den Zellkern Gen verlässt Organellgenom, wird in Kerngenom integriert, erhält einen funktionellen Promotor, das cytosolisch translatierte Protein wird in das Organell aufgenommen (Zielsteuerungssignal notwendig!), Proteinimportmaschinerie entsteht, massive Verlagerung von Genen in den Zellkern, jedes Mal Erwerb von Promotor und Zielsteuerungssignal nötig Dyall et al. 2004, Science 304:253-257 Welche Proteine werden von mitochondrialen Genomen codiert? In allen Genomen vorhanden: rns und rnl rRNAs cob Cytochrom b cox 1 und cox 3 Untereinheiten der CytochromOxidase Das mitochondriale Genom des Menschen 13 proteincodierende Gene (Untereinheiten der NADHDehydrogenase, Cytochrom-Oxidase, UbiquinolCytochrom c-Oxidoreduktase und ATP-Synthase) 2 rRNA-Gene 22 tRNA-Gene Sehr dichte "Genpackung" kaum Raum für nicht codierende Sequenzen Im Cytosol 30 tRNAs, in Mitochondrien nur 22 gelockerte Codon-Nutzung Der genetische Code ist nicht universell Mitochondrien in Tieren und Pilzen verwenden einen veränderten genetischen Code Mitochondrien in Pflanzen verwenden den "Standard Code", aber die mRNA wird "editiert" (z.B. CGG (Arg) UGG (Trp)) Entstehung und mögliche Funktion vollkommen unklar Lodish et al. 2003 Weitere ungewöhnliche Eigenschaften von Organellengenomen Die Evolutionsrate von Organellengenomen ist ca. 10x höher als im Zellkern (kleineres Genom, viele Kopien, weniger effiziente Reparaturmechanismen?) Menschliche mitochondriale DNA hat einen einzigen Promotor beide DNA-Stränge werden symmetrisch transkribiert Die beiden Transkripte werden durch Nukleasen in mRNAs, tRNAs und rRNAs gespalten mRNAs haben kein 5' cap aber poly A In Pflanzen und Pilzen enthalten mitochondriale Gene Introns (die bakteriellen Vorläufer jedoch nicht!) Zusammenfassung: Mitochondriale Genome DNA ist in Nucleoiden verpackt an der Innenmembran angeheftet Größe und Gen-Gehalt sind sehr variabel in unterschiedlichen Spezies meist ringförmig mitochondriale Genome können tRNAs, rRNAs, Untereinheiten von Atmungskettenkomplexen und Untereinheiten von Ribosomen codieren mitochondriale Genome haben einen veränderten genetischen Code Chloroplasten-Genome ebenfalls als Nukleoide organisiert und an der Innenmembran angeheftet immer ringförmig Größe 70.000 bis 300.000 bp Entfernt verwandte Pflanzen (z.B. Tabak und Lebermoos) haben fast identische ChloroplastenGenome Chloroplasten-Gene codieren Proteine der Transkription, Translation, Photosynthese und Biosynthese kleiner Moleküle Promotoren und Terminatoren sehr ähnlich zu Bakterien Chloroplasten benutzen den "Standard" genetischen Code Das Chloroplasten-Genom höherer Pflanzen enthält ca. 120 Gene Die Vererbung der Organellen-Gene folgt nicht den Mendelschen Regeln Beispiel: cytoplasmatische Vererbung in Hefe Lodish et al. 2003 Figure 14-62 Molecular Biology of the Cell (© Garland Science 2008) „Petite“-Mutanten in Hefe Hefemutanten, die auf Medien mit limitierender Menge an fermentierbaren Kohlenstoffquellen wachsen, bilden kleine Kolonien „petite“ (Ephrussi et al. 1949) „Cytoplasmic petite“: Defekte in mitochondrialer DNA [rho+] = WT mtDNA [rho-] = Mutationen oder Deletionen in mtDNA [rho°] = mtDNA fehlt „Nuclear petite“: Mutation im Kerngenom (folgt Mendelscher Vererbung) „Petite“-Mutanten haben schlecht entwickelte Cristae (Abb. A: WT; B: Petite-Mutante) Figure 14-64 Molecular Biology of the Cell (© Garland Science 2008) Biparentale versus uniparentale Vererbung biparental (z.B. Hefe) Lodish et al. 2003 uniparental = i.d.R. maternal (z.B. Mensch) Heteroplasmie Zellen mit Mischpopulationen von Genomen sind heteroplasmisch Ein Gemisch aus normalen und fehlerhaften Genomen kann sich durch mitotische Segregation aufteilen Beispiel: Panaschiertes Blatt, das z.B. aus dem Pollen einen Anteil defekter Chloroplasten geerbt hat Zusammenfassung: Vererbungsmechanismen von Organellengenomen Organellengene werden cytoplasmatisch vererbt und folgen nicht den Mendelschen Regeln Die Vererbung ist biparental (Hefe), uniparental (=maternal, Mensch) oder eine Mischform davon (z.B. Chloroplasten) Ein und dieselbe Zelle kann unterschiedliche Genome enthalten = Heteroplasmie Heteroplasmische Genome können sich im weiteren Wachstum des Organismus entmischen und Defekte in der Funktion der Gewebe hervorrufen (z.B. panaschiertes Blatt) Warum haben Mitochondrien und Chloroplasten ihre eigenen genetischen Systeme? Nur ein paar wenige Proteine werden vom Organell synthetisiert (1 bis max. 10%) Mindestens 90 kerncodierte Proteine sind alleine für die Proteinsynthese in Organellen notwendig! Prozesse für die Biogenese von Zellorganellen Biosynthese und Transport von Membranlipiden Biosynthese und Transport von Membranproteinen Biosynthese und Transport von löslichen Proteinen Replikation und Verteilung von DNA (Mitochondrien und Chloroplasten) Teilung der Organellen Transport der Organellen in die Tochterzelle Die Teilung der Organellenmembranen erfolgt durch spezialisierte ProteinMaschinerien 1. Möglichkeit: Teilung durch eine Maschinerie, die die Membran von außen durchschnürt (Dynamin-verwandte Proteine) 2. Möglichkeit: Teilung durch eine Maschinerie, die im Inneren des Organells wirkt (FtsZ-verwandte Proteine) Dynamin ist eine cytosolische GTPase, die an die Einschnürung eines Clathrinbeschichteten Vesikels beim Vorgang des Knospens aus der Membran bindet. Sie ist am Abschluss der Vesikelbildung beteiligt. (Alberts et al.) Bildung und Abschnürung eines Clathrin-beschichteten Vesikels Struktur und Funktion von Dynamin GED = GTPase effector domain PRD = Proline-rich domain PH = Pleckstrin homology domain, bindet an Membranen (Phosphoinositide) Ferguson and De Camilli 2012, Nature Reviews Molecular Cell Biology Modell für Dynamin „Powerstroke“ Morlot and Roux 2013 Annu. Rev. Biophys. Dynamin-Funktion bei der Endocytose Ferguson and De Camilli 2012, Nature Reviews Molecular Cell Biology Dynamin als "universelles Schneidewerkzeug" für intrazelluläre Membranen • • • • Beteiligt bei der Endozytose, Teilung der Mitochondrien, Teilung der Chloroplasten, Teilung von Peroxisomen etc. Praefcke and McMahon 2004, Nat. Rev Mol. Cell Biol. 5:133-147 Dynamine in einer Säugerzelle Ferguson and De Camilli 2012, Nature Reviews Molecular Cell Biology Dynamin-like proteins (DLPs) Ferguson and De Camilli 2012, Nature Reviews Molecular Cell Biology Dynamin als "universelles Schneidewerkzeug" für intrazelluläre Membranen Praefcke and McMahon 2004, Nat. Rev Mol. Cell Biol. 5:133-147 Exkurs: Teilung der Plasmamembran von Bakterien Bakterien können keine Proteinringe von außen assemblieren! Die Teilung der Plasmamembran muss von innen erfolgen Die Zellteilung bei dem Bakterium E. coli Binäre Teilung: Replikation des Chromosoms, dann Einwachsen und Teilung der Plasmamembran und Aufbau der Zellwand Das Protein FtsZ FtsZ ist eine bakterielle GTPase, die strukturell mit Tubulin verwandt ist FtsZ bildet einen Ring am Äquator der Zelle auf der Innenseite der Plasmamembran Der FtsZ-Ring koordiniert die Assemblierung aller weiteren Proteine, die für die Zellteilung benötigt werden Bakterielles FtsZ FtsZ-GFP in Bacillus FtsZ-Protofilamente in vitro Das Protein FtsZ E. coli FtsZ ist bei der Teilung von Chloroplasten beteiligt In einigen Algenarten kommt FtsZ auch in Mitochondrien vor weiterer Hinweis für endosymbiontischen Ursprung dieser Organellen Chloroplasten (Rotalge) Vergleich von FtsZ in Bakterien und Plastiden FtsZ-Stammbaum Ringe und Spiralen aus Dynamin und FtsZ Pro- und eukaryotische GTPasen teilen Zellen, Mitochondrien und Chloroplasten Zusammenfassung: Teilung von Zellorganellen Viele Zellorganellen sind sehr dynamisch; d.h. sie unterliegen fortwährenden Teilungs- und Fusionsprozessen Spätestens bei der Cytokinese müssen sich die Zellorganellen teilen Die Teilung der Membranen erfolgt durch Proteinmaschinerien – sie erfolgt nicht spontan Dynamin ist eine universelle Maschinerie, die intrazelluläre Membranteilungsvorgänge vermittelt Dynamin assembliert von außen auf die Membranoberfläche und bildet einen Ring, der die Membran nach GTP-Hydrolyse teilt Bakterien teilen sich durch Assemblierung eines FtsZ-Ringes an der inneren Oberfläche der Plasmamembran FtsZ-Homologe gibt es in Organellen, die durch Endosymbiose entstanden sind (Chloroplasten und einige Mitochondrien) Im Verlauf der Evolution von Mitochondrien wurde FtsZ durch Dynamin ersetzt