Kathepsin-K-Inhibitoren in der Osteoporosetherapie

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Knochenzellbiologie und Osteoporosetherapie
© Schattauer 2011
Kathepsin-K-Inhibitoren
in der Osteoporosetherapie
C. Meier; M. E. Kraenzlin
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, Universitätsspital Basel, Schweiz
Schlüsselwörter
Osteoporose, Kathepsin-K-Inhibitoren, Cysteinprotease, Kollagen Typ I
Zusammenfassung
Kathepsin K, eine in Osteoklasten exprimierte
Cysteinprotease, ist ein wichtiges Enzym in
der Degradation von Kollagen Typ I. Da Kathepsin K relativ spezifisch für Osteoklasten
ist, ist diese Protease ein interessanter Angriffspunkt für die Entwicklung neuer Osteoporosepräparate. Im vergangenen Jahrzehnt
wurden große Anstrengungen unternommen,
hochwirksame, selektive und oral einnehmbare Kathepsin-K-Inhibitoren zu entwickeln. Im
Gegensatz zu Balicatib und Relacatib, deren
Arzneimittelentwicklung wegen kutaner Nebenwirkungen (bedingt durch eine zu geringe
Spezifität des Arzneimittels) eingestellt wurde, wurden die spezifischeren Kathepsin-KInhibitoren Odanacatib (ODN) und ONO-5334
weiterentwickelt und bereits in ersten klinischen Studien untersucht. ODN erhöht bei
postmenopausalen Frauen mit niedriger Knochenmasse progressiv die Knochenmineral-
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. med. Christian Meier
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und
Metabolismus
Universitätsspital Basel
Missionsstrasse 24, 4055 Basel, Schweiz
E-Mail: [email protected]
dichte und hemmt die Knochenresorption. Eine kürzlich veröffentlichte Langzeitstudie bestätigt die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von ODN, weist aber auch darauf hin,
dass die Wirkung reversibel ist, d. h. nach dem
Absetzen von ODN nimmt die Knochenresorption und der Knochenmassenverlust wieder
rapid zu. Diese Beobachtungen sind vergleichbar mit dem zeitlich limitierten Effekt
von Östrogenen, Denosumab und Parathormon, stehen jedoch im Gegensatz zu den nach
dem Absetzen von Bisphosphonaten beobachteten residuellen Langzeitwirkungen. Derzeit wird eine Frakturpräventionsstudie an
postmenopausalen Frauen mit Osteoporose,
die mit ODN behandelt werden, durchgeführt.
Keywords
Osteoporosis, cathepsin K inhibitor, cystein
protease, type 1 collagen
Summary
Cathepsin K, a cysteine protease expressed in
osteoclasts, degrades type 1 collagen. Since
Cathepsin K inhibitors in the treatment of osteoporosis
Osteologie 2011; 20: 211–216
eingereicht: 11. August 2011
angenommen: 22. August 2011
Die Osteoporose ist die Folge eines Ungleichgewichts zwischen Knochenresorption und Knochenneubildung, mit Begünstigung der Knochenresorption. Eine daraus
resultierende Abnahme der Knochenmasse
und die damit einhergehenden Veränderungen der ossären Mikroarchitektur führen zu erhöhter Skelettfragilität und einem
erhöhten Frakturrisiko.
Die Osteoporosetherapie ist heute individualisiert, sowohl in der Entscheidung
zur pharmakologischen Intervention als
auch in der Wahl des pharmakologischen
Prinzips. Neben der Kalzium- und Vitamin-D-Supplementierung zählen der Einsatz verschiedener Bisphosphonate, von
Östrogenen, selektiven Östrogenrezeptormodulatoren, von Strontiumranelat, Denosumab und PTH-Analoga zu den derzeitigen Behandlungsoptionen. Außer den
Letzteren inhibieren diese Präparate zumeist die Osteoklasten-vermittelte Kno-
cathepsin K is relatively specific to osteoclasts, it represents a promising candidate for
drug development. In the past decade, a lot of
efforts have been made in developing highly
potent, selective and orally applicable cathepsin K inhibitors. In contrast to balicatib and
relacatib, whose drug development programmes were stopped due to cutaneous
side-effects related to limited drug specificity,
the more specific cathepsin K inhibitors odanacatib (ODN) and ONO-5334 have entered
clinical trial programs. ODN progressively increases bone mineral density (BMD) and decreases bone resorption markers in postmenopausal women with low BMD. A recently
published extension study confirms clinical
efficacy and safety but indicates that ODN is
characterized by a resolution-of-effect with
increases in bone resorption and rapid decreases in BMD following treatment discontinuation. These observations are similar to
the findings with hormone-replacement therapy, denosumab and parathyroid hormone
but in contrast to changes observed after discontinuation of bisphosphonates. From a
clinical perspective further studies are needed
to elucidate whether rapid bone loss and sustained increases in bone turnover following
cessation of ODN modifies fracture risk. A
fracture prevention study in postmenopausal
women with osteoporosis using ODN is currently underway.
chenresorption. Neue Einblicke in die Pathophysiologie des Knochens mit Erkenntnissen in den Bereichen der Funktionen
verschiedener Knochenzellen und deren
enzymatische Stoffwechselvorgänge ergeben neue Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Präparate. In diesem Übersichtsartikel soll einerseits auf die physiologische Rolle von Kathepsin K in der Osteoklasten-vermittelten Knochenresorption
eingegangen werden und andererseits die
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C. Meier; M. E. Kraenzlin: Kathepsin-K-Inhibitoren in der Osteoporosetherapie
präklinische und klinische Datenlage zu
den in Entwicklung stehenden KathepsinK-Inhibitoren zusammengefasst werden.
Physiologische Bedeutung
von Kathepsin K
Die Osteoklasten-vermittelte Knochenresorption umfasst die Demineralisierung des
anorganischen Knochenminerals, gefolgt
vom Abbau der organischen Knochenmatrix. Diese Prozesse finden mittels zweier separater Mechanismen statt: Der Säuresekretion in die Resorptionslakunen auf der Knochenoberfläche, gefolgt vom Abbau organischer (hauptsächlich proteinreicher) Matrix.
Lange Zeit galten Kollagenasen aus der Familie der Matrix-Metallo-Proteinasen (MMP)Familie als Hauptverantwortliche für den
Abbau von Kollagen, da man annahm, es seien hauptsächlich diese Proteasen in der Lage,
Kollagen Typ 1 zu spalten. MMPs sind jedoch bei neutralen bis leicht basischen pHWerten aktiv, wogegen am Ort der Knochenresorption (in den Resorptionslakunen) saure pH-Bedingungen vorherrschen (1). Daher
gelten inzwischen saure lysosomale Hydrolasen als Hauptakteure unter den Kollagen-abbauenden Proteasen.
1996 wurde Kathepsin K, eine Cysteinprotease, die unter sauren Bedingungen
eine kollagenolytische Aktivität aufweist,
mit vorherrschender, aber nicht ausschließlicher Expression in Osteoklasten
charakterisiert (2–5). Immunzytochemische Studien haben gezeigt, dass Kathepsin K intrazellulär in Vesikeln, Granula und
Vakuolen des gesamten Zytoplasmas von
Osteoklasten lokalisiert ist (6).
Die klinische Relevanz von Kathepsin K
wurde mit der Beschreibung der Pyknodysostose, einer durch Osteopetrose gekennzeichnete, autosomal rezessiv vererbte
Krankheit, bestätigt. Dabei liegen der
Pyknodysostose Mutationen im Kathepsin-K-Gen zugrunde (7). Dieser klinische
Phänotyp wurde bei Kathepsin-K-nullMäusen, die eine dysfunktionale MatrixVerdauung aufweisen, bestätigt (8–9).
Kathepsine sind lysosomale Proteasen,
die der Familie der papainähnlichen Cysteinproteasen angehören. Elf verschiedene
Typen wurden beschrieben (B, C, F, H, K, L,
O, S, V, X und W), wobei Kathepsin K hinsichtlich des Knochenremodelings der
wichtigste ist. Cathepsin K wird durch ein
Gen auf Chromosom 1q21 kodiert (10).
Die Kathepsin-K-mRNA wurde in einer
Vielzahl von Geweben gefunden; sie wird
jedoch hauptsächlich in Osteoklasten und
verschiedenen anderen mehrkernigen Zellen exprimiert. In geringerem Maße findet
sie sich in Makrophagen, synovialen Fibroblasten und Fibroblasten an Orten der
Wundheilung oder Entzündung, in Chondrozyten, verschiedenen Epithelzellen des
menschlichen Fötus, im adulten Lungenatemwegsepithel, im Schilddrüsenepithel
und möglicherweise in niedriger Konzentration auch in Zellen der glatten Muskulatur (1). Die Proteinsequenz von Kathepsin K ist zu etwa 60 Prozent mit jener der
Kathepsine L, S und V identisch und zu weniger als 35 Prozent mit jener der Kathepsine F, O, B, H und W (11).
Kathepsin K wird unterhalb der aktiv
resorbierenden Osteoklasten in die Knochenresorptionslakunen sezerniert, um
dort extrazelluläres Kollagen abzubauen
(12) (씰Abb. 1). Kathepsin K spaltet im Gegensatz zu den MMPs die Kollagentripelhelix an mehreren Stellen. Es spaltet die
N-Telopeptide, um NTx zu erzeugen; außerdem baut es das C-terminale Telopeptid
des Typ-I-Kollagens (1-CTP) im Serum ab,
ein durch die Aktivität der Matrix-MetalloProteinasen produziertes, größeres Cterminales Fragment des Typ-I-Kollagens,
um so CTx zu erzeugen (5, 13). Die durch
Kathepsin K und Cysteinproteasen vermittelte Knochenresorption wird durch Östrogen vermindert (14–16). Im Gegensatz dazu scheint RANKL die Kathepsin-K-Expression
direkt
heraufzuregulieren
(17, 18).
Kathepsin-K-Inhibitoren
Abb. 1 Osteoklastenphysiologie und potenzielle therapeutische Targets
Geht man davon aus, dass Kathepsin K
beim enzymatischen Knochenabbau eine
wichtige Rolle spielt, so stellt der Einsatz
von Kathepsin-K-Inhibitoren einen neuen
therapeutischen Ansatz dar. Zwar befindet
sich gegenwärtig noch kein KathepsinK-Inhibitor zur Osteoporosetherapie oder
-prävention auf dem Markt; es wurden jedoch Studien an vier Kathepsin-K-Inhibitoren (Balicatib, Relacatib, Odanacatib,
ONO-5334) zur Behandlung der Osteoporose publiziert. Kathepsin-K-Inhibitoren sollten idealerweise eine niedrige Molekularmasse haben, einen minimalen
Peptidcharakter aufweisen, reversibel und
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hochselektiv wirken, ohne dabei andere
wichtige Mitglieder der Cystein-Kathepsin-Familie zu schädigen (1).
Enzymatisch scheint Balicatib hochselektiv für Kathepsin K zu sein, weist jedoch in lebenden Zellen eine geringere Selektivität auf (19). In-vitro-Studien haben
gezeigt, dass ein basischer Teil seiner chemischen Struktur zu einer Akkumulation
im sauren lysosomalen Milieu führt und
somit zu einer Kreuzhemmung anderer
Kathepsine inklusive Kathepsin B und L
führt (19, 20). Klinische Studien mit Balicatib zeigten bei postmenopausalen Frauen
wohl eine dosisabhängige Zunahme der
Knochenmineraldichte (KMD). Wegen kutaner Nebenwirkungen (wie sklerodermieähnliche Hautverdickungen und Exantheme, die auf die geringe Spezifität des
Wirkstoffes zurückzuführen war), wurden
die Entwicklungsprogramme von Balicatib
eingestellt (21).
Relacatib ist ein weiterer potenter, aber
nichtselektiver Inhibitor von Kathepsin K.
Seine Selektivität ist gering, inhibiert es
doch nicht nur Kathepsin K, sondern ebenso die humanen Kathepsine L und V. In
Enzymassays zeigt es Selektivität gegenüber
den Kathepsinen S und B (22). Die Verabreichung von Relacatib an ovarektomierten Affen und Kontrolltieren führte zu
einer akuten und schnellen Reduktion der
Knochenabbaumarker, und diese Wirkung
hielt dosisabhängig bis zu zwei Tage an. Es
liegen keine humanen klinischen Daten für
Relacatib vor.
Odanacatib (ODN) ist ein reversibler
Inhibitor von Kathepsin K. Seine Wirkstärke und Selektivität verdankt er dem Vorkommen einer 4-Fluorleucin-Seitenkette
(23). Die hohe zelluläre Selektivität von
ODN wurde durch seine minimale Wirkung auf die Kollagenakkumulierung in
kutanen Fibroblasten selbst bei relativ
hoher Konzentration bestätigt (씰Abb. 2)
(24).
In präklinischen Studien zeigte ODN
günstige pharmakokinetische Eigenschaften, wie beispielsweise einen minimalen Invitro-Metabolismus, eine lange Halbwertszeit und eine gute orale Bioverfügbarkeit
(24). Interessanterweise führt der Einsatz
von ODN nicht zu einer Abnahme der
Osteoklastenzahl. Vielmehr zeigte sich in
histologischen Untersuchungen eine Zu-
µ
Abb. 2 Wirkung von Balicatib, Relacatib und Odanacatib auf die intrazelluläre Akkumulation von TypI-Kollagen in kultivierten humanen Hautfibroblasten; adaptiert nach (24)
nahme der Anzahl an Osteoklasten. Im Vergleich zu Bisphosphonaten und Denosumab zeigte sich zudem eine weniger stark
ausgeprägte Hemmung der Knochenresorptionsmarker und nur minimale
Hemmung der Knochenformation (25).
Da Kathepsin K ein lysosomales Schlüsselenzym der reifen aktivierten Osteoklasten
ist, supprimiert seine Hemmung die Osteoklastenfunktion, erhält aber die Viabilität
der Osteoklasten (26). Diese Wirkungen
könnten eine Osteoklasten-zu-Osteoblasten-Signalisierung ermöglichen, welche die
Knochenbildung aufrechterhält und
gleichzeitig die Knochenresorption supprimiert (27, 28). Diese Entkopplungseffekte
von ODN stehen im Gegensatz zu anderen
antiresorptiven
Wirkstoffen
wie
Bisphosphonaten und Denosumab, welche
die Osteoklastenapoptose verstärken (26).
Ein weiterer Kathepsin-K-Inhibitor,
ONO-5334, hat sich in vitro als potenter
und selektiver Inhibitor von Kathepsin K
erwiesen und hat tierexperimentell (ovarektomierte Affen) sowohl bei der KMD als
auch bei der Knochenfestigkeit eine Besserung bewirkt. Eine starke antiresorptive
Wirkung unter ONO-5334 wurde bei ge-
sunden postmenopausalen Frauen in einer
Phase-I-Studie beobachtet (29). Vor Kurzem wurde die erste Wirksamkeitsstudie
veröffentlicht. Sie zeigte, dass die tägliche
Einnahme von ONO-5334 bei Frauen mit
mäßig erhöhtem Frakturrisiko über zwölf
Monate im Vergleich zu Placebo zu einer
signifikanten und dosisabhängigen Zunahme der KMD an der Wirbelsäule führt.
Hierbei ist bemerkenswert, dass diese randomisierte doppelblinde Studie unter
anderem eine Bisphosphonat-Behandlungsgruppe (Alendronsäure) einschloss,
was einen Vergleich unterschiedlich wirkender Antiresorptiva zuließ. ONO-5334
und Alendronat supprimierten beide signifikant die Knochenresorptionsmarker
(U-NTx, S- und U-CTx) während der gesamten zwölfmonatigen Behandlungsdauer, wobei sich die Wirkung zum größten
Teil nach sechs Wochen einstellte. Bei
ONO-5334 fand im Allgemeinen eine
effektive Suppression der Knochenresorptionsmarker statt, hingegen nur eine geringfügige Suppression der Knochenformationsmarker. Alendronat andererseits
zeigte signifikant suppressive Wirkungen
auf alle Knochenumsatzmarker inklusive
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Knochenanbaumarkern. Wie schon bei
ODN beobachtet, begünstigt die Balance
zwischen der Knochenresorption und -bildung die Knochenformation. Dies mag ein
Hinweis darauf sein, warum KathepsinK-Inhibitoren im Verlaufe von drei Jahren
eine progressive Zunahme der KMD bewirken (30) und kein Wirkungsplateau, wie
dies bei Bisphosphonaten der Fall ist, beobachtet wird.
Odanacatib – klinische
Daten
Abb. 3 Durchschnittliche prozentuale Veränderung der KMD der Lendenwirbelsäule über drei Jahre
für die Behandlungsgruppen 50 mg/50mg (ODN/ODN), 50 mg/Placebo (ODN/Pbo) und Placebo/Placebo (Pbo/Pbo); adaptiert nach (30)
Abb. 4 Durchschnittliche prozentuale Veränderung von Serum-CTx über drei Jahre für die Behandlungsgruppen 50 mg/50 mg (ODN/ODN), 50 mg/Placebo (ODN/Pbo) und Placebo/Placebo (Pbo/Pbo);
adaptiert nach (30)
Odanacatib (ODN) ist gegenwärtig der am
weitesten entwickelte Kathepsin-K-Inhibitor, der klinisch erforscht wird. Die antiresorptiven Eigenschaften von ODN wurden in klinischen Studien der Phase I und
Phase II untersucht. Stoch et al. veröffentlichten zwei randomisierte, doppelblinde
und placebokontrollierte Studien, in denen
sie die Sicherheit, Verträglichkeit, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von
ODN an 49 gesunden postmenopausalen
Frauen untersucht hatten (27). Dabei zeigte sich, dass ODN bei allen Behandlungsregimes und Dosierungen eine lange Halbwertszeit von 66 bis 93 Stunden aufwies
(Tagesdosis von 0,5 mg, 2,5 mg und 10 mg;
Wochendosis von 5 mg, 25 mg, 50 mg und
100 mg). Die Wirksamkeit von Wochenund Tagesdosen auf biochemische Marker
des Knochenumsatzes war dosisabhängig.
Die Abnahme bei den Resorptionsmarkern
(S-CTx, U-NTx, S-ICTP, U-DPD) war am
stärksten bei einer Wochendosis von über
50 mg und bei einer Tagesdosis von über
2,5 mg. Die maximale Suppression wurde
bei der Wochendosis zwischen Tag 3 und
Tag 5 erreicht und blieb bis zur nachfolgenden Dosis erhalten. Bei der Tagesdosis wurde eine äquivalente Suppression ebenfalls
zwischen Tag 3 und Tag 5 erreicht und
blieb stabil, solange das Arzneimittel verabreicht wurde. Im Gegensatz zu anderen
antiresorptiven Wirkstoffen wurden keine
signifikanten Veränderungen bei den biochemischen Knochenanbaumarkern (knochenspezifische ALP, Osteokalzin) beobachtet. ODN wurde gut vertragen. Es gab
keinen Unterschied zwischen Odanacatib
und Placebo (27). Aufgrund der langen
Halbwertzeit von ODN und der ähnlichen
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Wirkung auf die Knochenumbaumarker
zwischen den täglichen und wöchentlichen
Dosierungsformen wurde für die Phase-IIStudie die Wochendosis gewählt.
ODN-Wochendosen (3, 10, 25 oder
50 mg oral) wurden in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie von
zwölf Monaten Dauer mit einer antizipierten Extensionsperiode um 24 Monate verabreicht (28). Die Ergebnisse zeigten eine
dosisabhängige Zunahme der Knochenmineraldichte. Die größte Zunahme wurde
mit der höchsten Dosis erreicht: die wöchentliche Verabreichung von 50 mg ODN
erhöhte nach 24 Monaten die Knochenmasse an der Lendenwirbelsäule um
5,7 Prozent, in der gesamten Hüfte um
4,1 Prozent, im Oberschenkelhals um
4,7 Prozent und im distalen Drittel des
Radius um 2,9 Prozent. Die dosisabhängige
Abnahme von NTx im Urin und von CTx
im Serum bei den drei höheren Dosierungen steht im Einklang mit der erwarteten
antiresorptiven Wirkung. Nach sechs
Monaten allerdings stiegen die Knochenresorptionsmarker kontinuierlich an und
erreichten nach 24 Monaten die Werte vor
der Behandlung (außer bei der Wochendosis von 50 mg, die nach 24 Monaten unter den Ausgangswerten lag). Der
TRAP5b-Spiegel, der einen Index der
metabolischen Osteoklastenaktivität und
-zellzahl ohne direkten Zusammenhang
mit dem Grad des Kollagenabbaus darstellt, sank zunächst unter der ODNBehandlung, erreichte aber im Verlauf von
24 Monaten wieder Werte wie bei der
Placebogruppe.
Die Nebenwirkungen waren in den
ODN- und Placebogruppen ähnlich – ohne
signifikante Unterschiede. Insbesondere
gab es während der 24-monatigen Studiendauer bei den ODN-Gruppen im Vergleich
zu Placebo keine dosisabhängige Zunahme
von Nebenwirkungen auf die Haut und
keine Zunahme von Infektionen der oberen Atemwege. Und schließlich fanden sich
auch in den Knochenbiopsieresultaten keinerlei Hinweise auf eine Skelettttoxizität.
Die Ergebnisse einer Verlängerung der
oben genannten Dosisfindungsstudie um
ein Jahr wurden kürzlich veröffentlicht
(30). Bei dieser Verlängerung wurden die
Patienten erneut randomisiert und erhielten entweder weiterhin eine Therapie mit
einer wöchentlichen ODN-Dosis von
50 mg oder sie wurden auf Placebo umgestellt. Die Verlängerung dieser Studie verfolgte den Zweck, die Wirksamkeit einer
fortgesetzten ODN-Behandlung auf die
KMD, auf die biochemischen Marker des
Knochenumsatzes und die Sicherheit zu
untersuchen und die Veränderungen der
KMD und der Knochenbiomarker infolge
des Absetzens von ODN nach einer zweijährigen Therapie zu untersuchen.
169 Frauen (89 %) nahmen an der Studie
bis zum Ende teil. Die fortgesetzte Behandlung mit 50 mg ODN über drei Jahre bewirkte von Studienbeginn an bzw. ab dem
zweiten Studienjahr signifikante Zunahmen bei der KMD in der Wirbelsäule
(7,9 % bzw. 2,3 %) und der gesamten Hüfte
(5,8 % bzw. 2,4 %). NTx im Urin blieb im
dritten Jahr supprimiert, aber die knochenspezifische alkalische Phosphatase war gegenüber den Ausgangswert relativ unverändert (23). Das Absetzen der Behandlung
führte überall zum Knochenmassenverlust,
wobei die KMD am oder über dem Aus-
Fazit
Kürzlich gewonnene präklinische und klinische Daten weisen darauf hin, dass Kathepsin-K-Inhibitoren ein vielversprechender Wirkstoff für die Behandlung der Osteoporose sein können. Randomisierte kontrollierte Studien mit einer Follow-up-Dauer bis
zu drei Jahren bestätigen die signifikante
und progressive Zunahme der Knochenmineraldichte. Dabei ist wichtig, dass die Hemmung der Kathepsin-K-Aktivität die Osteoklastenfunktion reversibel supprimiert, aber
die Viabilität der Osteoklasten aufrecht erhält. Diese Wirkungen könnten eine Osteoklasten-zur-Osteoblasten-Signalisierung ermöglichen, die den Knochenanbau aufrecht
erhält und gleichzeitig die Knochenresorption hemmt. Diese Entkoppelungseffekte der
Kathepsin K-Inhibitoren bilden einen Gegensatz zur Wirkungsweise anderer antiresorptiver Wirkstoffe wie Bisphosphonate und
Denosumab, welche die Osteoklasten-Apoptose verstärken. Es sind weitere Studien notwendig, um sowohl die Wirksamkeit von Kathepsin-K-Inhibitoren bei der Reduktion des
Frakturrisikos als auch ihre Sicherheit in der
Langzeitbehandlung zu bewerten.
gangswert blieb (씰Abb. 3). Nach dem Absetzen von ODN nach 24 Monaten stiegen
die Knochenumbaumarker vorübergehend
über den Ausgangswert, kehrten jedoch
nach einer zwölfmonatigen Beobachtungszeit wieder auf den Ausgangswert zurück
(씰Abb. 4) (30).
Da sich ODN im Knochen nicht einlagert, erstaunt es nicht, dass ein Großteil
der Knochenmineraldichte, die in den ersten beiden Jahren gewonnen wurde, nach
dem Absetzen von ODN im Folgejahr wieder verloren wurde. Diese Daten ähneln
den Ergebnissen bei der Hormonersatztherapie (31, 32), bei Denosumab (33) und
Parathormon (34), stehen aber im Gegensatz zu den nach dem Absetzen von
Bisphosphonaten beobachteten Veränderungen. Dieses schnelle Nachlassen der
Wirkung entspricht auch der Tatsache, dass
die Hemmung von Kathepsin K durch
ODN effektiv reversibel ist. Von den Teilnehmerinnen an der Hauptstudie, die über
zwei Jahre 50 mg Odanacatib pro Woche
erhielten, wurden nur 20 Frauen zur Verabreichung von Odanacatib für ein weiteres Jahr rerandomisiert, und nur 18 Frauen erhielten ein weiteres Jahr Placebo (35).
Es sind sicher weitere Studien notwendig,
um die beobachtete Reversibilität der Wirkung von ODN zu bestätigen und seine
Wirkung auf das Frakturrisiko zu untersuchen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
Phase-I- und Phase-II-Studien zeigten,
dass ODN mit seiner längeren Halbwertszeit die orale Verabreichung in einer Wochendosis von 50 mg ermöglicht. Die Zunahme der KMD ist vergleichbar mit jener
bei den kürzlich eingeführten antiresorptiven Wirkstoffen (Zoledronat und Denosumab) (36, 37), wobei sich allerdings die
Knochenumsatzmarker unterschiedlich
verhalten. Eine Phase-III-Frakturpräventionsstudie an postmenopausalen Frauen
mit Osteoporose, die mit einer Wochendosis von 50 mg ODN behandelt werden,
wird gegenwärtig durchgeführt (ClinicalTrials.gov, NCT00529373).
Interessenkonflikt
Nach Angabe der Autoren besteht kein
Interessenkonflikt.
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Osteologie 3/2011
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