Predigt über Matthäus 26,36-46 | 30.03.2014 | Lätare I. Einleitung

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Predigt über Matthäus 26,36-46 | 30.03.2014 | Lätare
Evang. Kreuzkirche Reutlingen | Pfr. Stephan Sigloch
I.
Einleitung Schriftlesung | Ketz-Bilder | Ostergarten
Die Bibel ist ein ehrliches Buch, liebe Schwestern und Brüder,
liebe Gemeinde – ihre Texte und Geschichten erzählen das
Leben mit allen Höhen und Tiefen. Sie nehmen ernst, dass in
unserem Leben nicht immer alles glatt läuft, gut ist oder auf
jeden Fall gut wird. Sie nehmen uns darin ernst, dass wir immer wieder Erfahrungen machen, unter denen wir leiden – Sie
haben den Text noch im Ohr, den Gabi Bürkle uns eben gelesen hat (2.Kor 1,3-7): Auch wenn wir nicht mehr das Wort „Trübsal“ benutzen – wir wissen, was damit gemeint ist und kennen
- was damit gemeint ist - aus unserer eigenen Geschichte.
Wir folgen ab heute dem Passionsbericht im Matthäusevangelium: Dem Leidensweg Jesu nachdenken - das öffnet uns immer wieder den Blick für unsere eigenen Leidenserfahrungen.
Und, von Ostern her, für den Trost, dass wir auch und gerade
in den schweren Zeiten Jesus Christus verbunden sind - weil er
uns darin nahe ist.
Ich habe hier eine Zeichnung aufgestellt. Sie zeigt, was der
Predigttext erzählt: „Jesus im Garten Gethsemane“ - eine von
16 Zeichnungen „zur Passion Jesu“. Fritz Ketz (1903-1983) hat sie
kurz nach dem 2. Weltkrieg (1946-1948) geschaffen. Seine Darstellung der Leiden Jesu ist eine „düstere Klage“. Sicherlich
wirken darin die Erfahrungen und Erlebnisse des furchtbaren
Krieges nach, all das Unrecht und die im Grunde unbeschreiblichen Leiden von vielen Millionen von Menschen. – In der
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Karwoche können Sie alle 16 Zeichnungen hier in unserer
Kreuzkirche sehen. Sie machen sichtbar, dass die Geschichte
Jesu eine Geschichte unseres menschlichen Leidens ist.
Die letzten Stationen des Weges Jesu macht auch der Ostergarten erlebbar, der in den nächsten Wochen in der Christuskirche zu begehen ist. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit zu
einer Führung. Die dritte Station im Ostergarten ist der Ölberg,
der Garten Gethsemane – ein landwirtschaftliches Gut mit
Ölbäumen und eine Ölpresse. Da hinaus zieht es Jesus, nachdem er am Abend mit seinen Freundinnen und Freuden das
Passafest gefeiert hat. - Ich lese Mt 26,36-46:
II. Text
Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: „Setzt euch hier, solange ich
dorthin gehe und bete“. Und er nahm mit sich Petrus und die
zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
Da sprach Jesus zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis an den
Tod; bleibt hier und wacht mit mir!“
Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und
betete und sprach: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser
Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du
willst!“ Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend
und sprach zu Petrus: „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit
mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung
fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.“
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Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: „Mein
Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!“ Und er
kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren
voller Schlaf. Und er ließ sie und ging abermals hin und betete
zum dritten Mal und redete dieselben Worte.
Dann kam er zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen: „Ach,
wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da,
dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich
verrät.“
III.
Jesus „betrübt bis an den Tod“
Jesus in Getsemane: In der ‚alten Kirche‘ eine der schwierigsten Geschichten: „Wie ist das mit der Gottheit Jesu?“ Kennt
ein Gott solch tiefe Not, hat ein Gott solche Angst? Hat nicht
schon Sokrates den Giftbecher souverän getrunken? Fleht ein
„Sohn Gottes“ tatsächlich so, wie Jesus es tut? Uns - heute fasziniert dagegen gerade diese Menschlichkeit. - Können wir
diese Geschichte erklären? Können wir diese Geschichte auslegen? Wir werden sehen, dass sie uns unser Leben auslegt:
Sie haben sich auf den Weg gemacht. Unterwegs redet Jesus.
Er macht sich Sorgen wegen seiner Jüngerinnen und Jünger:
„In dieser Nacht werdet ihr an mir irre werden“. Petrus widerspricht, selbstsicher. - Jesus geht noch einen Schritt weiter:
„Du wirst mich verleugnen und behaupten, dass du mich nicht
kennst!“ Das kann Petrus nicht auf sich sitzen lassen: „Das
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wird nicht passieren ... und wenn ich mit dir sterben muss“.
Und alle Jünger stimmen zu.
An Jesus „irre“ werden... Die griechische Text nimmt das Wort
„Skandal“ auf und kann auch bedeuten: ,In dieser Nacht werdet ihr vom Glauben abfallen, werdet euer Vertrauen in mich
verlieren.‘ Irre werden ... aus Verzweiflung. Aus Enttäuschung.
Weil ein Weg so krass an sein Ende kommt und sie keinen anderen sehen: Sackgasse. Endstation. Tatsächlich ein Grund,
vom Glauben abzufallen und daran irre zu werden. Ist uns das
fremd? Vom Glauben abfallen - für eine gewisse Zeit...?
„Könnt ihr“, fragt Jesus die, die ganz nah bei ihm sein wollen,
„könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ (Mt 20,22)
Das Vertrauen der Freunde, Petrus‘ und der Anderen (wie sie
alle heißen): Ihr Vertrauen ist groß. Sagen sie. Am größten
scheint ihr Vertrauen auf ihre eigenen Kräfte zu sein. „Wir
können jeden Kelch trinken, auch den, den du trinken musst“:
„... und wenn ich mir dir sterben müsste!“
Dann kommen sie in den Garten. Jesus - stell‘ ich mir vor - in
Gedanken versunken, die Worte seiner Jünger im Ohr. Ihre
Entschlossenheit - hat sie ihn gestärkt? Es ist gut und tut wohl,
in schweren Zeiten Menschen um mich zu haben, die einfach
da sind, die bei mir aushalten und die mein Leben auch im Leid
teilen, nicht wahr? Ja, es ist gut, dass sie dabei sind. Er braucht
und sucht ihre Gemeinschaft - kommt er nicht drei Mal zu
ihnen, weil er ihrer Begleitung sicher sein möchte?
Jesus geht weiter hinein in den Garten. Er nimmt drei Jünger
mit - nur drei. Die schwierigen Erlebnisse gehören nicht und
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passen nicht in die große Runde, brauchen den vertrauten
„kleinen Kreis“. In dieser Besetzung waren sie damals auf dem
Berg, auf dem ihnen Mose und Elia erschienen sind und wo
„eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn,
an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ (Mt 17,5).
In diesem kleinen Kreis kann er seine Angst, die ganze Trauer
und innere Not nicht länger bei sich behalten: „Angst und tiefe
Traurigkeit“ kommen über ihn: „Meine Seele ist betrübt bis
zum Tod...“ (Ps 42,6) Für die Todesangst fehlen die eigenen
Worte: er sagt es mit einem Satz aus den Psalmen.
Wenn es uns die eigene Sprache verschlägt - gut, wenn dann
biblische Worte da sind, die unser Erleben und Empfinden
ausdrücken, die uns helfen, wenigstens irgendwie damit umzugehen, indem wir ausdrücken und nicht in uns hineinfressen.
Jesus erzählt und beschreibt seine Angst, und dann ist es gut,
wenn jemand da ist, der diese Zeit mit ihm aushält. „Bleibet
hier und wachet mit mir...“. - Meistens ist es gar nicht wichtig,
viel zu reden. Da genügt es - schwer genug -, nicht wegzulaufen. „Bleibet hier und wachet mit mir...“ - keine übertriebene
Bitte. Waren sie nicht eben noch bereit, notfalls mit ihm zu
sterben?
Gesang
IV.
„Bleibet hier und wachet mit mir“
(EG 787.2)
„Muss ich diesen Kelch trinken?“
Jesus geht weiter. Ein paar Schritte. Wirft sich nieder: Zeichen
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der Hingabe an Gott. Betet: „Muss ich diesen Kelch trinken...?“
Er hält ihn - sozusagen - in der Hand, den Kelch seines Lebens.
Und ist ganz und gar menschlich. Wer kann ihn - mit allem,
was drin ist - einfach so und völlig ungerührt trinken, den
Kelch seines Lebens?
„Viele Menschen wollten Götter sein, aber nur ein Gott wollte
Mensch sein“. Wir ahnen die Tiefe dieses Satzes, wenn wir
unseren Blick und unser Empfinden auf Jesus richten, der da
im Garten liegt, den Kelch seines Lebens in seinen Händen, mit
dem er sich nicht abfinden kann.
Jesus betet, obwohl er weiß, was ihn erwartet. Ist das nicht
sinnlos? Wie und warum findet er schließlich ein „Ja“ - und die
Kraft, aufzustehen? Wir werden das nicht beantworten, nicht
erklären können. - Aus der Verzweiflung, aus Angst und Trauer
wird ein Gebet ... manchmal können wir die Verbindung mit
Gott ja nur halten, indem wir Gott unser Leid klagen ... - Und
es ist ein langer Weg bis dorthin, wo wir so viel Vertrauen
spüren, dass wir beten können: „... im finstern Tal fürchte ich
doch kein Unglück, denn du bist bei mir“ (Ps 23,4).
V.
„Wachet und betet!“
Als Jesus das erste Mal zu den drei Freunden zurückkommt,
sagt er zu ihnen: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!“ Wer den Bericht liest oder hört, kann nicht anders,
als diesen Satz auch auf sich selber zu beziehen – denn schon
früher hat Jesus ein paar Mal (Mt 24,42; 25,13) eine Geschichte
erzählt und an deren Ende gesagt: „Darum wacht!“ Die Ge6
schichte Jesu verbindet sich mit der Frage nach der Grundhaltung der Christinnen und Christen … und die stellt sich uns
heute ebenso, wie sie sich den ersten Lesern gestellt hat.
Gesang
VI.
„Bleibet hier und wachet mit mir“
(EG 787.2)
Der Kelch meines Lebens
Henri Nouwen war ein renommierter Theologe, Professor in
Yale und Harvard. Er gab seine Karriere auf und wurde geistlicher Leiter einen kleinen Gemeinschaft, in der schwerstbehinderte und andere Menschen zusammenleben. Er hat sich dieser Frage nach der Grundhaltung der Christinnen und Christen
gestellt – und er ist einer Antwort auf die Spur gekommen, das
Bild des Kelches hat ihn darauf gebracht, das Jesus in seinem
verzweifelten Gebet da im Garten gebraucht, das er aber auch
vorher schon gebraucht hat: „Könnt ihr den Kelch trinken, den
ich trinken werde?“ (Mt 20,22).
Diese Frage Jesu verändert christliches Leben von Grund auf das ist Nouwens Erfahrung! Er hat mit der Frage gelebt:
„Könnt ihr den Kelch trinken...?“ … Seid ihr bereit, euer Leben
mit allem, was immer es bringen mag, anzunehmen? Dieses
Fragen betrifft uns! Aber natürlich können wir zurück fragen:
Warum sollen wir diesen Kelch überhaupt trinken? „Wäre es
nicht viel einfacher, ein ganz normales Leben mit einem Minimum an Leid und einem Maximum an Vergnügen zu führen?“
Mit diesen Fragen ringt Jesus im Gebet im Garten. Die Anderen schlafen. Der letzte Ernst der Situation, der letzte Ernst
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seines Ringens berührt sie nicht, sie lassen es nicht an sich
heran - sie hätten sonst wohl kaum einschlafen können. Sie
„schaffen“, was auch wir gut kennen: Wer will schon die ganze
Wirklichkeit seines Lebens sehen, wahrnehmen, an sich heran
lassen, spüren? Lieber nicht!
Verständlich, dass Jesus enttäuscht ist: „Konntet ihr nicht eine
einzige Stunde mit mir wach bleiben? Bleibt wach und betet...“. Ihr Schlaf zerbricht die Gemeinschaft, denn sie teilen
sein Leiden nicht.
Sicher - auch das: jeder Weg kennt den Punkt, an dem der eine
Schritt entscheidend ist, den ich alleine gehen muss. Machen
wir uns nichts vor: In unserem Kelch ist auch diese letzte Einsamkeit, wo wir alleine vor Gott stehen, in der niemand uns
vertreten kann. Deswegen soll, nein: muss jeder Christ seines
eigenen Glaubens gewiss werden (und darum sollen bis heute Konfirmandinnen und Konfirmanden und wir alle wesentliche Texte auswendig
können).
Aber auch und gerade in dieser unvermeidlichen Erfahrung der Einsamkeit tut es gut zu spüren, dass jemand da
ist, der an mich denkt, der für mich betet, der mich begleitet
und - so weit das eben möglich ist - mit mir geht.
Nouwen vergleicht unser Leben einer guten Flasche Wein: Sie
wird geöffnet, die feinen Gläser mit Bedacht geschwenkt, der
Duft genussvoll eingesogen. Ein Blick zu den Gästen, das Glas
wird erhoben, ein kleiner, prüfender und schlürfender Schluck,
schließlich der Blick aufs Etikett der Flasche, ein Kommentar ...
- Ein Glas Wein trinken ist mehr als bloß „trinken“. Wir wollen
wissen, was wir trinken und auch etwas darüber sagen.
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Und so ist es „mit unserem Leben: Nur zu leben ist nicht genug.
Wir müssen wissen, wie wir leben und was wir erleben [...]
Lohnt sich unser Leben? Ist es gut? Ist es schlecht? Ist es rückständig? Ist es fortschrittlich? Wie ist es überhaupt?“ (Nouwen)
„Den Kelch des Lebens in unseren Händen halten bedeutet:
unser Leben kritisch in den Blick zu nehmen“. Mut, viel Mut
braucht das: „Was ist in meinem Kelch? Was wurde mir eingeschenkt? Ein ungefährlicher Trank? Bekommt er mir?“ Keine
zwei Leben sind gleich. Vergleichen hilft also wenig, jede und
jeder muss das eigene Leben leben:
Das ist mein Leben,
das Leben, das mir geschenkt worden ist.
Dieses Leben habe ich zu leben, so gut ich kann.
Mein Leben gibt es nur einmal.
Niemand anderer lebt es und wird es je leben.
Ich habe meine eigene Herkunft, meine eigene Familie,
meinen eigenen Körper, meinen eigenen Charakter,
meine eigenen Fähigkeiten, meine eigenen Freunde,
meine eigene Art zu denken und zu fühlen und zu handeln ja, ich habe mein eigenes Leben zu leben
und kann es niemand anderem übertragen.
Ich bin allein, weil es mich nur einmal gibt.
Viele können mir helfen,
mein Leben in die richtige Bahn zu lenken.
Wenn alles gesagt und getan ist,
muss ich aber selber entscheiden:
Wie will ich leben?
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Wir fühlen darin die Einsamkeit Jesu im Garten, nicht wahr?
Und spüren auch: Wenn ich den Kelch meines Lebens in die
Hand nehme, dann ist darin beides: Freude und Leiden. Und
wie viel Leiden gibt es ... Ich will es nicht aufzählen: wir sehen
es - verkörpert in dem, der mit ausgestreckten Armen am
Kreuz hängt –auch in den Zeichnungen von Fritz Ketz.
Das Kreuz, dieses Folterinstrument, ist oft – scheinbar widersinnig - als Thron dargestellt: hier besiegt der Herr der Welt
die Macht des Todes. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort.
Die tiefe Freude darüber erfährt, wer seinen Kelch bis zur
Neige trinkt. Erfülltes Leben schließt beides ein: das Schwere
und die Freude. Aber eben „Freude“ – nicht oberflächlichen
Spaß: die Freude, die uns tief berührt, weil sie unsere Traurigkeit nicht überpinselt, sondern gelten lässt.
Wir Christen müssen einander an diese Freude erinnern: Dazu
braucht es Gemeinschaft! Das geht nicht ohne! Jesus hätte
gerade dazu seine Jünger „wach“ gebraucht! An diese tröstliche Freude erinnert Paulus darum die Christen in Korinth.
Jesus geht noch einmal. Betet. „Wenn es nicht anders sein
kann und ich diesen Kelch trinken muss ...“ - wie schwer ist es
oft, den eigenen Weg zu gehen. Meine eigener Weg - wie viel
schwerer scheint er zu sein als der Weg der Anderen! Kommt
es uns nicht immer wieder vor, als hätten es alle Anderen
besser, leichter...? „Nur mir gelingt nicht alles... nur ich fühle
mich öfter minderwertig und unterlegen ... nur ich mach‘ mir
viele Gedanken ... nur ich kann nicht einfach drauf los leben ...
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nur meine Eltern verbieten das, was alle dürfen ... nur meine
Kinder können oder wollen nicht, was alle tun ...“.
VII.
Gemeinschaft leben macht Gottes Angesicht sichtbar
Henri Nouwen berichtet: In der „Daybreak“-Gemeinschaft
haben die vermeintlich Gesunden im Umgang mit den
schwerstbehinderten Menschen nach und nach ihr eigenes
Leid und Leiden wahrnehmen gelernt. Und nur so konnten sie
es bejahen - irgendwann. Im Miteinander!
„Gemeinschaft“ heißt: voneinander wirklich wissen! Das ist
unverzichtbar für das Leben. Nouwen nennt es: „den Kelch
erheben“ - einander zeigen, was drin ist.
Gemeinschaft, die ins Leben und die im Leben hilft und trägt,
die ‚schaffen‘ Menschen, die ihre Freude und ihr Leid voreinander nicht verbergen, sondern sie einander zeigen - und das
Zeigen ist schon eine Geste der Hoffnung, denn: „Gemeinschaft ist wie ein großes Mosaik“. Mit einzelnen Steinchen ist
nicht viel anzufangen. Aber zu einem Mosaik zusammengefügt
zeigen die vielen einzelnen Steinchen das Angesicht Christi:
„Das ist Gemeinschaft: eine Gruppe kleiner Menschen, die zusammen Gott in der Welt sichtbar machen“.
Darum kann Glaube nicht Privatsache sein! Zurückgedrängt ins
Private wird er oberflächlich, saft- und kraftlos! Soll unser
Glaube seine Kraft bewähren, dann müssen wir miteinander
den Kelch auf das wirkliche Leben erheben: auf das Leben, in
dem Freude und Leid beieinander sind! Wie gerne möchten
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wir uns über das erheben, was wir manchmal die „Niederungen des Lebens“ nennen. Aber das hieße: dem Leben ausweichen, den Kelch stehen lassen, mein Leben nicht leben.
VIII.
Schluss
Die Geschichte Jesu im Garten und dieses Bild des Kelchs öffnen uns eine tiefe Einsicht:
Die Suche nach einem erfüllten und erfüllenden eigenen Leben, das dem „Kelch des Lebens“ gerecht wird, führt uns geradewegs auf den Weg, den Jesus gegangen ist. Die Alternative dazu heißt: „Viele Menschen werden als Originale geboren,
aber sterben als Kopien.“ Es ist also ein Weg auf dem wir Leid
und Leiden nicht verneinen, sondern ernst nehmen und teilen
– auf dem wir so miteinander Hoffnung und nach und nach die
tiefe Freude finden, die das ganze Leben erleuchtet.
Aus der tiefen Gemeinschaft mit Gott hat Jesus nach und nach
seinen Weg in die Tiefe des Lebens, seinen Kelch bejaht. Deswegen stimmt es, wenn wir sagen: Da, im Garten Gethsemane, ist er ganz menschlich. „Gott wird Mensch!“ Hier sehen
wir, was es bedeutet! Amen.
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Zitat zu Ketz
s. Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Ketz)
Zitate:
Henri Nouwen: Der Kelch unseres Lebens. Ganzheitlich Mensch
sein (2008)
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