Aspekte von Interactive Digital Storytelling Technologien im Bereich Game-based Learning Manuel Ecker, Sebastian A. Weiß, Wolfgang Müller Pädagogische Hochschule Weingarten Mediendidaktik und Visualisierung ({ecker;weiss;mueller}@md-phw.de) Abstract. Der Einsatz von Computerspielen für Lernzwecke hat sich seit dem Einzug computergestützter Medien in unseren Alltag zu einem interessanten Forschungsgebiet entwickelt. Hierbei findet auch das Gebiet der Simulation besondere Beachtung. Beispielsweise in Form des Interactive Digital Storytellings (IDS). Auf Basis der IDS-Plattform Scenejo wird beschrieben, wie Game-based Learning (GBL) Anwendungen aussehen können und welche Rolle Simulation dabei einnimmt. Zudem werden Anwendungsszenarien vorgestellt. Oft können jedoch gestellte Ziele des GBLs nicht erreicht werden. In dieser Veröffentlichung wird ein Ansatz beschrieben, der die Sammlung von Game-based Learning Design Patterns vorschlägt, die Autoren in Zukunft bei der Erstellung von computerbasierten Lernspielen unterstützen und somit eine Qualitätssteigerung und Verbesserung der didaktischen Einbettung in Lehr-/Lernszenarien ermöglichen soll. 1 Einleitung und Motivation Computergestützte Medien haben in den letzten Jahren unseren Alltag geprägt und vielfältige Veränderungen mit sich gebracht. Die Vision der Informationsgesellschaft ist in vielen Bereichen bereits Realität geworden. Im Bereich des Lehrens und Lernens wurden neue computergestützte Medien jedoch zunächst nur zögerlich angenommen. Die häufig von Lehrenden entgegengebrachte Skepsis gegenüber computergestützten Lehrmethoden beruht dabei nicht zuletzt auf der Ernüchterung, die der Euphorie der Einführung des Computers in der Lehre in den 70er Jahren folgte. Die damals insbesondere von Skinner unter dem Begriff Programmierte Instruktion propagierten Lehr- und Lernmodelle auf Grundlage des Behaviorismus konnten die hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen. In der Tat stehen viele derzeit neu vorgestellte Lernsysteme und -umgebungen immer noch in der Tradition dieser Ansätze. Mögliche Formen des Einsatzes des Computers und computergestützter Medien im Sinne moderner konstruktivistischer Lerntheorien sind seit einiger Zeit bekannt. Insbesondere wird Simulationssystemen großes Potential im Bereich des Lehrens und Lernens zugeschrieben (siehe z. B. [1], [2]). Simulationen ermöglichen die Umsetzung von Lernarrangements im Sinne des Problem-based Learnings [3] und des Experiential Learnings [4], bei der Lernende konkrete Beobachtungen und Erfahrungen in einer Simulationsumgebung unmittelbar in Vermutungen und Modellverständnis überführen können, die sie dann wiederum in dieser Umgebung selbst verifizieren können. Ein zentrales Problem in Bezug auf den Einsatz von Simulationssystemen in der Lehre stellen die hohen Entwicklungsaufwände für solche Systeme dar, insbesondere da industrielle Simulatoren in der Regel aufgrund ihrer Komplexität und fehlender Assessment-Komponenten für die Anwendung in der Lehre selten geeignet sind. Ein weiteres Gebiet, dem aus Sichtweise des konstruktivistischen Lernens gerade in den letzten Jahren großes Interesse gewidmet wurde, ist der Einsatz von Computerspielen für das Lehren und Lernen. Unter den Schlagworten Game-based Learning und Serious Games (siehe z. B. [5], [6]) werden seit einiger Zeit neue Ansätze zur Nutzung von Computerspielen für das Lehren und Lernen erforscht und die Entwicklung dafür notwendiger neuer Technologien auf Basis von Computerspielen vorangetrieben. Gerade die große Marktrelevanz und große Verbreitung bei Kindern und Jugendlichen, die eine sehr wichtige Zielgruppe für Lerntechnologien darstellen, machen diesen Ansatz interessant. Prinzipiell stehen Ansätze des Game-based Learnings in engem Bezug zum Einsatz von Simulationen für das Lehren und Lernen, zu Rollenspielen und zum speziellen Genre des Simulationsspiels (siehe z. B. [7]). Anders als in diesen Bereichen stehen jedoch Aspekte des Spielens (Game gegenüber dem Konzept des Play, vgl. [8]) wie auch der Aspekt der Story im Vordergrund, wobei Simulationselemente gezielt in die derart konzipierte Lernerfahrungen integriert werden. Die geringere Komplexität sowie erweiterte Möglichkeiten zur Steuerung der Lernprozesse stellen allerdings Vorteile gegenüber dem Einsatz COTS Simulatoren dar. Im Folgenden soll ein spezieller Ansatz auf dem Gebiet des Game-based Learnings vorgestellt und diskutiert werden: das Interactive Digital Storytelling. Dabei werden insbesondere die Aspekte der Simulation im Kontext dieses Ansatzes beleuchtet. Darüber hinaus wird mit dem ScenejoFramework ein konkretes Beispiel zur Umsetzung von Lernumgebungen unter Verwendung von virtuellen Akteuren und natürlichsprachlicher Dialoge präsentiert. Konkrete Einsatzmöglichkeiten eines solchen Systems werden auf Grundlage eines Anwendungsbeispiels vorgestellt und diskutiert. Die Diskussion wird dabei auf Grundlage des Ansatzes der Game-based Learnig Design Patterns punktuell vertieft. 1.1 Interactive Digital Storytelling (IDS) Im Bereich des Game-based Learnings gibt es eine ganze Reihe verschiedener Ansätze. Eine Herangehensweise, die in dieser Veröffentlichung im Vordergrund stehen soll, ist die Verwendung eines neuen und aktuell wissenschaftlich diskutierten Medien Paradigmas, dem sog. Interactive Digital Storytelling (IDS). Unter Zuhilfenahme von IDS-Technologien entstanden bereits einige vielversprechende Beispiele der Umsetzung von Ideen aus dem Bereich Game-based Learning. Beispielsweise das interaktive Lernprogramm FearNot!, das sich mit dem Thema Mobbing [9] auseinandersetzt, sowie das Killerphrasen-Spiel [10] auf der Grundlage der Interactive Storytelling Plattform Scenejo. Interactive Digital Storytelling [11] stellt ein neues Paradigma in der zukünftigen Welt der Medien dar. Aus einfachen Betrachtern sollen mit dem Medium interagierende Teilnehmer werden, die durch Entscheidungen mit dramatischer Relevanz (siehe Crawfords Konzept des Choice [11]), die Möglichkeit bekommen, Handlung zu beeinflussen. Dies soll durch die dynamische Entstehung einer Geschichte, basierend auf „intelligenten“ Inhalten, erreicht werden, die sich inhaltlich schlüssig zur Laufzeit anpassen. Geschichten repräsentieren nicht nur die älteste kulturelle Technik der Informationsübermittlung, sie können ebenso als zentrales Element menschlichen Denkens und menschlicher Kommunikation [12] angesehen werden. Beim IDSAnsatz wird verbale Kommunikation mit narrativen Storytelling-Prinzipien in interaktiven Computer-Umgebungen kombiniert. Trotz vielversprechender Ansätze ist IDS nach wie vor eine große wissenschaftliche Herausforderung, die in dem Konflikt zwischen der vordefinierten Natur von digitalen Erzählungen und dem Nutzerwunsch nach einer größeren Einflussnahme auf den weiteren Geschichtsverlauf liegt. Dementsprechend ist es die Herausforderung, den Effekt einer nichtlinearen, emergenten Entwicklung einer interaktiven Geschichte zu erzielen. Dabei muss die Stimmigkeit der Geschichte durch eine intelligente Adaption zur Laufzeit erhalten bleiben und dabei eine echte Variabilität im generierten Verlauf aufweisen. Als direkte Konsequenz daraus ergibt sich die Anforderung nach 14 einem vollständig neuen Ansatz für die Produktion, in dem der Autor nicht länger die exakten Geschehnisse beschreibt, sondern vielmehr eine ganze Reihe an stimmigen Möglichkeiten erzeugt. 1.2 Stand der IDS-Forschung Ein Ziel in der Entwicklung von IDS ist es, Plattformen zu entwerfen die Präsentationen von interaktiven Geschichten zur Laufzeit verarbeiten können. Das heißt, dass Ereignisse einer Handlung auf das zugrunde gelegte, vordefinierte Modell einer Geschichte abgestimmt werden müssen. Dabei müssen Benutzereingaben genauso berücksichtigt werden wie die Glaubwürdigkeit der Charaktere. Das bedeutet, dass der aktuell präsentierte Teil der Geschichte zur Laufzeit erstellt werden muss. Es existieren zwei konkurrierende Philosophien zu dem Thema wie dieses Problem zu lösen ist. Diese werden zum einen als handlungsbasiert und zum anderen als charakterbasiert bezeichnet. Es existieren auch bereits einige Plattformen, die sich mehr oder minder in diese Kategorien eingliedern lassen. Die meisten Ansätze davon stammen ursprünglich aus dem Bereich der Informatik und suchten nach Synergien zwischen KI und Prinzipien der Dramaturgie, wie z.B. Façade1 [13], I-Storytelling [14], IDTension [15], VICTEC/eCIRCUS2 [9] und Dramachina [16]. Während Façade auch durch Konzepte aus der Kunst motiviert ist (es wurden neue Terme wie Procedural Arts als auch Expressive AI [17] eingeführt), haben die wenigsten Projekte aus der praktischen Perspektive eines Geschichtenerzählers bzw. Autoren begonnen (z. B. Storytron, art-Efact [18], Scenejo3 [19], teilweise Dramachina und IDA/ISAT [20]). Façade integriert sowohl die Ebene der Geschichte als auch die der Charaktere. Dazu gehört Drama Management, autonomes Verhalten der Charaktere und die Verarbeitung von natürlicher Sprache zur Interaktion mit dem Nutzer, der die Rolle eines Charakters der Geschichte übernimmt. So wie sich diese Systeme in ihren Philosophien, ihren Paradigmen zur Interaktion und der technischen Umsetzung unterscheiden, geben sie auch unterschiedliche implizite Antworten auf die Frage, welche Formen das Interactive Digital Storytelling annehmen kann. 1.3 Simulation bei IDS Im Kontext von IDS nehmen Simulations-Technologien einen großen Stellenwert ein. Analog zu Computerspielen basiert ein Großteil der vorgestellten Prototypen auf virtuellen Welten bzw. bedienen sich aus in der Computerspiele-Industrie eingesetzten Game Engines bekannter MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing Games) wie z. B. Ultima Online (Madame Bovary [21]). Aber z. B. auch die freie 3D Grafik- und Game Engine OGRE kommt zum Einsatz (Fear Not! [9], Charanis [22]). Dabei muss allerdings angemerkt werden, dass hierbei natürlich die Simulationseigenschaften für das Berechnen von 3D-Grafiken oder auch physikalischen Umgebungsparametern genutzt werden. Die eigentliche Simulation im Bereich IDS liegt jedoch in einer sich emergent entwickelnden Geschichte, die durch die Handlungen eines Spielers beeinflusst wird. Ein Großteil der IDS-Forschung beschäftigt sich folgerichtig mit der Fragestellung, welche Simulationsmodelle und damit verknüpfte Interaktionsformen für die erfolgreiche Umsetzung von interaktiven Geschichten überhaupt geeignet sind. Dabei gibt es allerdings ein Problem, das nicht von der Hand zu weisen ist: Sollen die damit erstellten Geschichten nicht nur auf Basis von komplexen Heuristiken oder mathematischen Modellen errechnet werden, sondern vielmehr es auch menschlichen Autoren ermöglicht werden, kreativ mit diesem neuen Medium zu arbeiten und eigene interaktive Geschichten zu erfinden, müssen primär die manipulierbaren Parameter definiert sein, aber auch der Grad indem ein Autor in die Simulation solch einer Geschichte eingreifen kann. Das ist allerdings nicht trivial, da es sich bei diesem Prozess aus der technischen Sichtweise primär um die Modifikation von Regeln handelt, was aber mit einer http://www.interactivestory.net/#facade http://www.macs.hw.ac.uk/EcircusWeb/ 3 http://www.scenejo.org/ 1 2 15 kreativen, sich mit dem Inhalt beschäftigenden Perspektive kollidiert. Zudem ist es aufgrund des emergenten Charakters dieser Geschichtsform für einen Autoren nicht ersichtlich, wie sich diese zur Laufzeit, also dem Durchlauf mit Spielern, verhalten wird. Die Form der expliziten Handlungsdefinition, wie sie in klassischen Print- und Bildmedien üblich ist, kann hier also nicht greifen. Vielmehr kann ein IDS-Autor nur implizit auf den Handlungsverlauf Einfluss nehmen, wofür Spierling [23] den Begriff Implicit Creation geprägt hat. 1.4 Technologien und Systemkomponenten Scenejo [19] ist ein Vorschlag für die Umsetzung einer IDS-Plattform und soll sowohl strukturierte Handlungsstränge (Branching) als auch emergentes Verhalten (Simulation) unterstützen. Scenejo hat sich zudem zu einem umfangreichen Autorenwerkzeug weiterentwickelt. Autoren arbeiten in Scenejo mit Dialog- und Handlungsgraphen, können aber zwischen grafischen und textbasierten Editiermöglichkeiten wählen. Scenejo unterstützt die Kommunikation von mehreren künstlichen mit mehreren reellen Akteuren (die Benutzer des Systems) gleichzeitig. Die künstlichen Akteure werden durch animierte 3D-Charaktere abgebildet, deren Antworten durch Sprachsynthese in Kombination mit nonverbalen Verhalten unterstützt werden. Bild 1: Hauptbildschirm von Scenejo im „Spielmodus“ Die Interaktion erfolgt durch natürlichsprachliche Dialoge, die textbasiert geführt werden. Zur Verarbeitung der eingegebenen Texte und der entsprechenden Ausgabe wurden ChatbotTechnologien eingesetzt, die mittlerweile angepasst und verbessert wurden (z. B. [10]). Das Ergebnis ist ein emergenter Dialog, der durch Benutzereingaben und Dialogdatenbanken der virtuellen Akteure beeinflusst wird. Dabei wird im stetigen Abgleich der Eingaben mit vordefinierten Datensätzen die am besten passende Antwort eines jeden Bots ausgewählt. Dabei ist es vollkommen ohne Belang, ob die Eingabe ursprünglich von einem menschlichen Benutzer oder 16 einem anderen Bot stammt. In diesen Abgleich fließen zudem aktuelle Status und Szenenbeschreibungen ein, die vom Autoren im System hinterlegt worden sind. 2 Anwendungsszenarien im GBL Im Folgenden soll beschrieben werden, wie IDS auf Basis von Scenejo für die Erstellung von GBLAnwendungen eingesetzt werden kann. Als Beispiel für die erfolgreiche prototypische Umsetzung eines Lernspiels im Bereich Moderatorentraining mag das von Spierling [10] entwickelte so genannte Killerphrasenspiel gelten. Das Spiel bildet eine Diskussionsrunde ab, in der eine Seite die Anwohner und die andere das für den Ausbau des lokalen Flughafens zuständige Planungsbüro vertritt. In dieser Runde sollen nun die neuen Ausbaupläne diskutiert, das Für und Wider besprochen werden. Die zugrunde liegende Konversation ist zu Teilen vom Spieleautor vordefiniert und beinhaltet immer wieder Killerphrasen, welche die Argumentation ins Stocken bringen. Der Lernende übernimmt hier die Rolle des Moderators, der die Diskussion leitet und versuchen muss diese am Laufen zu halten, und immer wieder neuer Argumente von beiden Seiten einfordern muss. Dieses Beispiel ist ein erster Versuch IDS-Technologien für GBL einzusetzen. Hierbei werden vordefinierte Dialoge (Elemente der darüber liegenden Geschichts-Struktur) zwischen Spieler und virtuellen Charakteren verwendet, um Informationen an den Lernenden zu übermitteln. Das heißt, narrativer Inhalt und Dialog werden benutzt, um ein Lernziel zu erreichen. In diesem Fall Killerphrasen zu identifizieren. Ein weiteres Projekt an dem im Moment in unserer Arbeitsgruppe gearbeitet wird, beschäftigt sich mit dem Training von Bewerbungsgesprächen. In der angewandten Psychologie wird dieses Thema ausführlich behandelt, die sozialen Effekte zwischen Bewerber und Interviewer untersucht und modelliert [25]. Es werden auch ganze Gesprächsabläufe exemplarisch aufgezeigt und analysiert. Auf Basis von diesen Erkenntnissen wurden bereits Agenten, Dialoge und Gesprächsverläufe in Scenejo modelliert und mit Hilfe eines einfachen 2D-Clients, der Keyframe-Animation beherrscht, spielbar gemacht. Bild 2: Fotorealistische 2D-Szene. Die Avatare basieren auf einzelnen Fotografien. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten der Anwendung: Erstens das Training eines potentiellen Bewerbers und zweitens das Training des Interviewenden. Dies kann wiederum in zweierlei Weisen erfolgen. Zum einen kann ein direktes 1-zu-1 Gespräch geführt werden, zum anderen kann aber auch der Spieler eine steuernde Figur übernehmen, dem Spielverlauf teilweise passiv folgen, aber auch die Aktion seiner Figur beeinflussen. Diese letztere Spielweise wurde prototypisch umgesetzt. 17 Momentan befindet sich das Projekt kurz vor der Evaluation, weswegen noch keine näheren Erkenntnisse vorliegen. Generell bieten sich natürlich viele Möglichkeiten GBL mit Hilfe von Scenejo umzusetzen. Primär sind Bereiche in denen kommunikative Aspekte trainiert werden sollen besonders geeignet für den Einsatz von Scenejo. Das Training von Fremdsprachen wäre ein Beispiel, benötigt allerdings sehr große Wissensdatenbanken und Heuristiken, um eine umfassendes Training anzubieten. Es sind aber weitere Szenarien vorstellbar, die aufgrund von Spezialisierung leichter zu realisieren wären. Wenn z. B. einem Spieler bei der Bewältigung einer bestimmten Aufgabe ein virtueller Tutor zur Seite gestellt wird, der ganz im konstruktivistischen Sinne nur unterstützend eingreift. Das könnte beispielsweise die Lösung einer mathematischen Aufgabe sein, bei der Lösungswege aber auch sich gerne wiederholende Fehler bekannt sind. Im Falle der Mathematik mag dies evtl. besonders leicht gelingen, aber auch in anderen Fachdidaktiken, primär den naturwissenschaftlichen, lassen sich entsprechende Lernszenarien erdenken. 3 Game-based Learning Design Patterns Derzeit erfüllen verfügbare Produkte auf dem Gebiet Lernen mit Computerspielen nur selten die selbst gestellten Ansprüche der Game-based Learning Befürworter (z. B. [25]), wie auch die Anforderungen der jeweiligen Fachdidaktiken. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Digital Storytelling, aus Sicht der Medien Neuland betreten wird, so dass es bislang keine Gestaltungsrichtlinien und kaum Werkzeuge zur Entwicklung solcher Medien gibt. Zur Unterstützung des Authoring-Prozesses könnte auch die Identifizierung von charakteristischen Handlungsmustern hilfreich sein. Vor allem aber stellt sich die Frage, wie die Entwicklung von GBL-Anwendungen unterstützt und somit die inhaltliche als auch die gestalterische Qualität erhöht werden können. Der Architekt Christopher Alexander [26] hat die Sammlung und Zusammenstellung von Entwurfsmustern – Design Patterns – vorgeschlagen, die bewährte Lösungsschablonen für einen Entwurfsprozess darstellen. Alexanders Begriff der Design Patterns bezog sich ursprünglich auf solche Best Practices in der Architektur, und wurde danach im Bereich der Softwareentwicklung adaptiert. Heute findet dieser Ansatz auch zunehmendes Interesse bei der Mensch-MaschineInteraktion und auch bei der Gestaltung von Lehr-/Lernprozessen [27] als sog. Educational Patterns oder Didaktische Patterns. Patterns bieten die Möglichkeit, konkrete Lösungen für ein Designproblem zu identifizieren und formal zu beschreiben. Diese Lösungen beruhen dabei auf Erfahrungen in der Realisierung und gelten in der Regel als Best Practices. Alexander fasst es allgemein zusammen [26]: „A pattern language is nothing more than a precise way of describing someone’s experiences.” Es gibt weitere Gründe, warum ein Einsatz von Design Patterns im Gamebased Learning (GBLDP) sich anbietet und hilfreich sein kann. Eine umfangreiche und verständliche GBLDP-Sammlung kann dazu beitragen, Erfahrungen beim Erstellen von GBLAnwendungen zu kommunizieren und somit einen Erfahrungsaustausch zwischen Entwicklern zu ermöglichen. Auch die Dokumentation von Erkenntnissen kann durch ein solches Verzeichnis ermöglicht werden und individuelle Erfahrungen können als niedergeschriebenes Wissen strukturiert und organisiert werden (vgl. entsprechende Ansätze im Knowledge Management). Eine Vergleichbarkeit und Analysemöglichkeit zwischen unterschiedlichen Designs könnte ein weiterer potentieller Nutzen einer solchen GBLDP-Sammlung sein. Patterns sollten nicht nur Probleme sowie deren Lösungen strukturiert abbilden, sondern können auch typische Anwendungsszenarien (Case Stories) abbilden und beschreiben. Dabei bilden sie einen guten Ausgangspunkt für die Weiterentwickelung der benötigten Technologie. Die Erstellung einer solchen Sammlung von Game-based Learning Design Patterns ist an einige Voraussetzungen geknüpft, die in einer entsprechenden Beschreibungsstruktur abzubilden sind. Besonders interessant scheint eine Orientierung an Entwurfsmustern im Bereich Spieleentwicklung als Game Design Patterns [28]. Hier werden Best Practices wiederholt erfolgreich eingesetzter 18 Spielelemente/-modulen der klassischen Computerspiele-Industrie beschrieben. In diesem Fall stellt sich die besondere Herausforderung, dass neben technischen Strukturen auch Elemente wie Interaktivität und Geschichtsverlauf erfasst werden mussten. Ergänzend zu dieser Struktur, die Game-Elemente abbilden kann, haben wir jedoch weitere Anforderungen. Entscheidend für die Qualität und Anwendbarkeit von GBLDPs wird die Anpassung einer solchen Pattern-Struktur sein. Wir müssen uns hier besonders didaktischer und pädagogischer Aspekte annehmen, sowie den sinnvollen erfolgreichen Einsatz solcher Patterns in konkreten computergestützten Lernspielen aufzeigen. Didaktische Szenarien, in denen solche Serious Games zielgerichtet in Lehr- und Lernumgebungen eingesetzt werden können, spielen eine wesentliche Rolle für den Erfolg solcher Anwendungen und sollten somit ebenfalls durch Patterns beschrieben werden. Analysiert man bestehende GBL-Anwendungen mit dem Ziel GBLDPs zu extrahieren, so kann man oft feststellen, dass es einfacher erscheint, Muster zu identifizieren, die nicht funktionieren. In diesem Fall suchen wir nicht nach Best Practicies, sondern nach gegenteiligen Strukturen, die man als Anti-Pattern bezeichnen kann. Oft stehen hinter diesen Anti-Patterns gute GBLDPs – vorausgesetzt, sie werden in entsprechenden GBL-Anwendungen sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt. In vielen Fällen werden sie jedoch ineffektiv oder sogar kontraproduktiv eingesetzt, weshalb sie ihren Anforderungen an das Lernen nicht gerecht werden. 3.1 Pattern-Template Wie kann nun eine solche Patternbeschreibung aussehen? Um einen brauchbaren Pattern-Katalog zu entwickeln, ist es wichtig, dass eine einheitliche formale Beschreibungsmaske (PatternTemplate) definiert wird. Jedes Pattern-Template setzt sich aus unterschiedlichen Strukturelementen zusammen. Patternbeschreibungen haben grundsätzlich einen sehr ähnlichen Aufbau, unterscheiden sich meist nur in Details und Ausprägung, entsprechend ihrem Kontext. Jedes Design Pattern benötigt (1) formale Aspekte. Hier werden neben Pattern-Titel und Autor auch Status, Versionsangaben, Erstellungsdatum und Kategorisierung genannt. Es folgen (2) inhaltliche Aspekte, die allgemeine Beschreibungen sowie Aussagen zu Problem, Motivation, Vorschläge zur Anwendung, Realisierung und Implementierung beinhalten. Gefolgt werden die inhaltlichen Aspekte von (3) konzeptionellen Aspekten. Diese beschreiben mögliche Anwendungen des Patterns, Voraussetzungen sowie potentielle Probleme. Als letzter Aspekt bleiben (4) Beispiele und Referenzen. (siehe Tabelle 1) Tabelle 1: Strukturelemente eines Pattern-Template Formale Aspekte Titel, Datum, Version, Status, Autor, Kategorie Inhaltliche Aspekte Problem, Motivation, Allgemeine Beschreibung, Vorschläge zur Anwendung, Realisierung und Implementierung Konzeptionelle Aspekte Anwendung des Patterns, Voraussetzungen, Potentielle Probleme Beispiele und Referenzen Unterstützung, Beispiele, Verifizierungen, Beziehungen, Verknüpfungen (Links), Referenzen Ein solches Template kann während eines Pattern-Findungsprozesses angepasst werden, um auf neu auftretende Anforderungen reagieren zu können. Dies ist jedoch mit der notwendigen Vorsicht und Sorgfalt zu tun, damit eine Konsistenz der gesammelten Patterns gewährleistet werden kann. 19 3.2 GBLDP-Beispiel aus dem Simulationsbereich Betrachten wir das Killerphrasenspiel [9], das mit der IDS-Plattform Scenejo erstellt wurde, können wir daraus folgendes Game-based Learning Design Pattern (GBLDP) aus dem Simulations-Kontext extrahieren und festhalten. Der folgende Patternentwurf verwendet ein vereinfachtes Template, um den Inhalt des Patterns kurz vorzustellen. Tabelle 2: Game-based Learning Design Pattern – Beispiel aus dem Simulationsbereich Pattern-Name Steuerndes Eingreifen in Simulation, um Simulation zu einem erfolgreichen Ausgang zu führen Autor Manuel Ecker Problem Bei der Verwendung von Simulation in GBL-Anwendungen gilt, wie bei Simulation allgemein, dass der Ausgang nicht klar vorhersehbar ist. Dies kann dazu führen, dass bei einem „unglücklichen“ Spielverlauf, die Lernziele nicht erreicht werden können. Kontext Eine dialogbasierte Diskussion kann leicht in eine „Sackgasse“ führen. Um ein funktionierendes Streitgespräch zu ermöglichen, ist eine steuernde Instanz erforderlich. Hierzu müssen Phrasen identifiziert werden, die einen erfolgreichen Verlauf verhindern. Durch das Eingreifen kann der Gesamtausgang der Simulation bzw. der GBL-Anwendung beeinflusst werden. Lösung Der Spieler kann steuernd in die Simulation der Diskussionsrunde eingreifen. Er übernimmt die Rolle eines Moderatoren, der die Aufgabe hat, das Gespräch erfolgreich durchzuführen. Dabei wird das Lernziel verfolgt sog. Killerphrasen zu identifizieren und angemessen darauf zu reagieren, um eine zielgerichtete Diskussion zu ermöglichen. Optional kann der Spieler für das Erkennen von Killerphrasen als Belohnung Punkte sammeln. Zugehörige Patterns Dialog-Simulation Anwendung Killerphrasenspiel Referenzen Spierling, Ulrike: “Killer Phrases”: Design steps for a game with digital role playing agents. In: Mayer, I. & Mastik, H. (eds.): Organizing and Learning through Gaming and Simulation, Proceedings of Isaga 2007. 4 Zusammenfassung und Ausblick Wenn es gelingt, eine ausführliche Sammlung solcher Patterns zu identifizieren und festzuhalten, hat dies Auswirkungen auf die Gestaltung und Produktion computerbasierter Lernanwendungen. Damit könnten die Ergebnisse positiv beeinflusst werden und zwar in dem Sinne, dass ein größerer Nutzen für Bildungszwecke entsteht und es damit generell zu einer höheren Akzeptanz von GBL aber auch der Anwendung von Simulationselementen in der Lehre kommen kann. Um dieses Forschungsziel zu erreichen, wird es unsere Aufgabe sein, konsequent weitere Game-based Learning Design Patterns zu finden. Dies kann durch die Erfassung von Best Practices, also Spielelemente und -Szenarien geschehen, die in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden. Auch 20 können GBLDPs durch Anti-Patterns definiert sein. Hierbei müssen Patterns identifiziert werden, die in ihrer konkreten Anwendung nicht funktionieren oder problembehaftet sind. Dabei ist oft das Pattern selbst nicht das Problem, sondern eine kontraproduktive Benutzung in einer Lernanwendung. Damit ist es unumgänglich für eine erfolgreiche Definition von GBLDPs, pädagogische und didaktische Aspekte mit Spielelementen zu verknüpfen und auch deren sinnvolle Anwendung und Integration in einen Lehr-/Lernprozess in Patterns festzuhalten. Dies ist eine herausfordernde Aufgabe, der wir uns im weiteren Forschungsverlauf annehmen wollen. Für die Entwicklung von Anwendungen im Bereich Game-based Learning, und somit auch der Einsatz von Simulation in diesem Lehr-/Lernumfeld, könnte eine solche Sammlung unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant sein. Die Entwicklung kann strukturiert und somit vereinfacht werden. Es wird wesentlich einfacher, erfolgreiche Elemente einzusetzen, da Autoren durch das in den GBLDPs zugrundeliegende Wissen zu Abhängigkeiten und sinnvoller didaktischer Anwendung unterstützt werden. Ein wichtiger Effekt könnte auch eine Qualitätssteigerung solcher Lernspiele sein. Spielerlebnis, Lernerfolg, didaktische Eingliederung in Lehr-/Lernumgebungen können einfacher berücksichtigt werden, da Erfahrungen und Anforderungen in den Patterns erläutert werden. Für die IDS-Plattform Scenejo, aber auch für andere Plattformen, könnte das bedeutet, dass sich die Anwendungserstellung zukünftig vereinfachen könnte. Dies setzt voraus, dass die dafür eingesetzten Autorenwerkzeuge weiterentwickelt werden und im Idealfall auf GBLDPs zugreifen und diese benutzen können. Vorstellbar wäre, durch das Auswählen und Zusammenfügen verschiedener GBL Design Patterns eine Grundstruktur eines Serious Games zu erstellen. Somit könnte man auch Autoren ohne Programmiererfahrung in die Lage versetzen, solche Anwendungen zu erstellen. Die Einbindung in Autorenwerkzeuge setzt voraus, dass die GBLDPs für die verwendete Plattform technisch umgesetzt werden. Ob die in dieser Veröffentlichung dargelegten Ansätze sich in der Praxis bewähren, muss eine entsprechende Evaluation und Diskussion mit Autoren und Fachdidaktikern zeigen. Generell ist das Design Pattern-Konzept in vielen Bereichen akzeptiert und etabliert. Fragen nach Häufigkeit, Nutzbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Relevanz und Effektivität von GBLDPs müssen weitere Untersuchungen beantworten. Gelingt es überhaupt, mehrere GBLDPs zu komplexen Anwendungen zusammenzusetzen? Kann man mit GBLDPs didaktische Patterns abbilden und wie kann eine sinnvolle und funktionierende Verknüpfung aussehen? Diese und weitere Fragen bleiben im weiteren Forschungsverlauf zu klären. Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] Schank, R. C.; Cleary, C.: Engines for Education. 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