Pressemitteilung 3_ Workshop_2011_final_180812

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Mikrokosmos Darm: interaktiv und interkulturell
München/Haar, 18.08.2011 - Der Einfluss der Darmbakterien auf den
Stoffwechsel und das Risiko chronischer Krankheiten war Thema des
13. wissenschaftlichen Workshops vom
Institut Danone Ernährung für
Gesundheit e.V. (IDE).
Der Fläche nach ist der Darm das größte Organ des Menschen. Die darin
angesiedelten Darmbakterien machen etwa ein Kilogramm des menschlichen
Körpergewichtes aus. Sie neutralisieren Toxine, verdrängen pathogene Keime,
stellen Enzyme bereit und unterstützen die Verdauung. Zirka im dritten Lebensjahr ist
die Darmflora voll ausgebildet. Sie geht mit dem Menschen durch alle
gesundheitlichen Höhen und Tiefen und wirkt sich so auch auf unser Wohlbefinden
aus. Das IDE griff mit dem diesjährigen wissenschaftlichen Workshop „In uns: ein
interaktiver Mikrokosmos“ am 19./20. Mai 2011 in Potsdam-Rehbrücke ein Thema
ganz am Puls der internationalen Forschung auf.
Der Mikrokosmos im menschlichen Darm beeindruckt mit starken Zahlen. Prof. Dr.
Michael Blaut, Leiter der Abteilung Gastrointestinale Mikrobiologie am Deutschen
Institut für Ernährungsforschung (DIFE) stellte einige davon vor: Mit ca. 100 Billionen
Zellen hat die Darmflora zehnmal mehr Zellen als der Mensch sonst noch besitzt. Sie
hat außerdem 100 Mal mehr Gene. Über 400 Spezies gehören zu ihrem
Artenspektrum und dennoch ist sie von Mensch zu Mensch individuell. Diese
Zusammensetzung wird
maßgeblich
von
Ernährungseinflüssen
geprägt.
Mit
steigendem Alter erhöht sich die Vielfalt der vorhandenen Bakterienstämme.
Gleichzeitig reagiert die Darmflora empfindlicher gegenüber Erkrankungen und
Medikamenten.
Heute ist nachgewiesen, dass einige chronische Krankheiten mit einer veränderten
Zusammensetzung der Darmbakterien einhergehen. Probiotika hingegen können
diese positiv beeinflussen. Es gibt mittlerweile so gute wissenschaftliche Nachweise,
1
dass Probiotika vor kurzem in die Leitlinien zum Reizdarmsyndrom (RDS) der
Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten aufgenommen
wurden1). Wie Prof. Dr. Remy Meier, Medizinische Universitätsklinik Kantonsspital
Liestal, in seinem Vortrag betonte, unterscheidet sich die Ökologie der Darmflora von
Reizdarmpatienten von der gesunder Menschen. Gastrointestinale Infektionen,
entzündliche Abläufe im Darm und Antibiotikatherapien sind weitere Risikofaktoren
für die Verstärkung von RDS-Symptomen. „Probiotika stellen eine interessante
Therapieoption zur Verbesserung der Symptome dar: Abhängig von der Art des
eingesetzten Bakterienstammes erhöhen sie z.B. die Masse der Stuhlbakterien,
reduzieren die bakterielle Überwucherung im Dünndarm, beschleunigen die
Darmpassage oder reduzieren Blähungen und Schmerzen“, so Prof. Dr. Meier unter
Bezugnahme auf eine Metaanalyse mit 19 Studien zum Nutzen von Probiotika bei
insgesamt 1.668 Reizdarmpatienten2).
An der positiven Wirkung der Probiotika könnten folgende Eigenschaften maßgeblich
beteiligt sein: Sie modulieren die entzündliche Antwort bei Reizdarmpatienten.
Zudem
verhindern
Zusammensetzung
sie
das
Andocken
der
Darmbakterien,
pathogener
kontrollieren
Keime,
die
verändern
Bakterien
die
durch
selbstproduzierte Eiweißverbindungen und haben Effekte auf die Signalübermittlung
zum Immunsystem. Zu beachten ist jedoch, dass probiotische Bakterienstämme
spezifisch wirken.
Ein ganz junges Forschungsfeld eröffnete Prof. Dr. Stephan C. Bischoff, Universität
Hohenheim in Stuttgart, auf dem Workshop: Neue Studien bestätigen erstmals
Zusammenhänge zwischen der Darmflora und dem metabolischen Syndrom. So
unterscheidet sich zum Beispiel die Darmflora von Adipösen und Normalgewichtigen
durch
unterschiedliche
Bakteriengruppen
und
eine
reduzierte
Vielfalt
der
Bakterienstämme3). Die Verschiebung der Hauptstämme führte in einer Studie mit
zwölf Normalgewichtigen und neun Adipösen zu einer um 150 kcal erhöhten
Energieausbeute bei den Adipösen4). Wie Probiotika in das System der
Energieausbeute, der Körperfettbildung oder auch der gestörten Insulinsensitivität
eingreifen, ist jedoch wegen fehlender Humanstudien derzeit noch offen.
Weitere Referenten schilderten Aktuelles zu den Kommunikationssignalen zwischen
intestinaler Mikrobiota und Immunsystem, zur Bedeutung der Darmflora bei der
2
Entstehung und Prävention von Allergien bzw. Darmkrebs sowie zu den Chancen der
Probiotika in der Kinderheilkunde. Prof. Dr. Günther Wolfram, Präsident des IDE,
dankte dem Kooperationspartner Deutsches Institut für Ernährungsforschung, den
Referenten und Journalisten für die bereichernden fachlichen Diskussionen. „Uns als
gemeinnütziges Institut freut es außerordentlich, wenn unser Workshop zum
wiederholten Mal ein anerkanntes Forum zur Präsentation und Diskussion von
aktuellen wissenschaftlichen Informationen durch Forscher ist.“ Ein Bericht mit
wissenschaftlichen Kurzfassungen zu allen Vorträgen kann kostenlos angefordert
werden. Der ausführliche Kongressbericht wird 2012 veröffentlicht.
3
Fakten und Mythen zur Darmflora
Fakten:
Mythen:
1. Der Darm ist der Fläche nach das größte
Organ des Menschen.
Mit bis zu neun Meter Länge ist der Darm das
größte Organ unseres Körpers. Die
Darmschleimhaut ist stark gefaltet und mit
vielen fingerförmigen Ausstülpungen, den
Darmzotten, versehen. Dadurch entsteht eine
Oberfläche von über 200 Quadratmetern. Zum
Vergleich: 200 Quadratmeter entsprechen
etwa der Fläche eines Tennisplatzes.
1. Probiotika machen "abhängig".
Es gibt keine Gewöhnungseffekte für
Probiotika, weil sich probiotische Kulturen nicht
dauerhaft im Darm ansiedeln können.
2. Die Darmflora besteht aus über 500
verschiedenen Bakterienspezies, mit ca.
100 Billionen Organismen und ca. 1 kg
Gewicht.
Der Mensch hat 10 Mal mehr Bakterien im
Darm hat als Körperzellen.
3. Die Zusammensetzung der Darmflora
variiert von Mensch zu Mensch.
Die Darmflora variiert in ihrer Bakterienzusammensetzung sowohl in den verschiedenen Darmabschnitten als auch zwischen
einzelnen Individuen. Sie befindet sich
außerdem zu ständig im Umbau, d. h.
Bakterien sterben und wiederum andere
Bakterien vermehren sich oder es kommen
neue über die Ernährung hinzu. Darüber
hinaus verändert sich die Darmflora auch im
Laufe des Alterns, in Abhängigkeit von der
Ernährung, unter Stresseinwirkung und bei
Verwendung bestimmter Medikamente wie
z. B. Antibiotika.
4. Die Darmflora hilft bei der Abwehr von
unerwünschten Bakterien.
Darmbakterien sind ein wichtiger Partner des
Immunsystems. Die Bakterien der Darmflora
hemmen die Ansiedlung unerwünschter
Bakterien und produzieren z.B. Abwehrstoffe
gegen schädliche Bakterien. Außerdem
stimulieren die Bakterien der Darmflora das
darmassoziierte Immunsystem und trainieren
damit das gesamte Immunsystem.
5. Die Darmflora hilft die Nahrung zu
verwerten und liefert dem Körper dadurch
wertvolle Substanzen.
Die Darmbakterien helfen dabei, bestimmte
Bestandteile der Nahrung, wie z.B.
Ballaststoffe, zu verwerten. Außerdem
übernehmen sie eine wichtige Rolle bei der
Herstellung von Vitaminen, die die für den
Körper lebensnotwendig sind.
2. Der Darm ist steril.
Der Darm ist bis zur Geburt frei von Keimen.
Bereits mit der Geburt beginnt die Besiedlung
durch Bakterien der mütterlichen Flora im
Geburtskanal. Bei Kindern, die per
Kaiserschnitt zur Welt kommen, etablieren sich
vorwiegend Hautkeime der Mutter bzw. des
Klinkpersonals oder Umgebungskeime. Nach
etwa drei Jahren ähnelt die Darmflora des
Kindes der von Erwachsenen.
3. Täglicher Stuhlgang ist Pflicht.
Diese Behauptung ist bereits lange überholt.
Solange der Stuhlgang regelmäßig und ohne
Probleme erfolgt ist es auch normal, täglich
oder auch nur 2-3 mal pro Woche zu
„müssen“. Abhängig davon wie viel und was
gegessen wird, ob Mann oder Frau – die
Verdauung kann individuell variieren.
4. Antibiotika eliminieren nur schädliche
Bakterien.
Die Wirkung von Antibiotika ist nicht nur auf die
schädlichen Bakterien beschränkt, sondern
kann die Zusammensetzung der Darmflora
verändern. Wissenschaftliche Studien zeigen,
dass – je nach Art des Antibiotikums – diese
Veränderungen auch nach mehreren Monaten
noch nachweisbar sind.
5. Der Darm muss regelmäßig entgiftet
werden, da sonst Schlacken entstehen.
Im Stoffwechsel des Menschen fallen keine
Schlacken an. So erklärt die Deutsche
Gesellschaft für Ernährung (DGE) in einer
ernährungswissenschaftlichen Beurteilung,
dass in einem gesunden Körper keine
Ansammlungen von Schlacken oder sonstigen
Ablagerung von Stoffwechselprodukten
5)
existieren . Vielmehr werden nichtverwertbare
Stoffe bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr
über den Darm und die Nieren ausgeschieden.
4
Zitierte Literatur
1)
2)
3)
4)
5)
S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie.
Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauung und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für
Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM); publiziert in: DOI http://dx.doi.org/10.1055/
s-0029-1245976 Published online 1.2.2011; Z Gastroenterol 2011; 49: 237–293
Moayyedi P, Ford AC, Talley NJ, et al (2010) The efficacy of probiotics in the treatment of
irritable bowel syndrome: a systematic review. Gut 2010; 59: 325–32.
Bäckhed, F (2010): Clin Exp Immunol 160: 80–84
Jumpertz R, Le DS, Turnbaugh PJ, Trinidad C. et al: Energy-balance studies reveal
associations between gut microbes, caloric load, and nutrient absorption in humans. Am
J Clin Nutr. 2011 Jul; 94(1):58-65.
DGEInfo 02/2005 http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=468
(aufgerufen am 16.08.2011)
IDE - Workshop
Der
IDE-Workshop
wird
jährlich
in
Kooperation
mit
einem
renommierten
wissenschaftlichen Institut auf den Gebieten Ernährung und Gesundheit für
Fachjournalisten ausgerichtet. Den 13. Workshop veranstaltete das IDE in
Kooperation mit dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIFE), Abteilung
Gatsrointestinale Mikrobiologie, in Potsdam-Rehbrücke.
Das Institut Danone Ernährung für Gesundheit e.V.
Das 1992 gegründete Institut ist eine unabhängige Einrichtung, die ausgewählte
Forschungsprojekte im Bereich Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin
fördert und für verschiedene Zielgruppen aktuelle werbefreie Materialien für die
Ernährungsaufklärung erstellt. Eingebunden in ein internationales Netzwerk bietet
das IDE Wissenschaftlern, Ärzten, Pädagogen und allen Interessierten eine Plattform
für den Austausch sowie Zugriff
auf aktuelle ernährungswissenschaftliche,
psychologische und medizinische Erkenntnisse.
Institut Danone für Ernährung e.V.
Richard-Reitzner-Allee 1
85540 Haar
Email: [email protected]
www.institut-danone.de
5
Weitere Informationen zu diesem Thema:
Fleishman-Hillard Germany GmbH
Hanauer Landstr. 182 c
60314 Frankfurt am Main
Eva Contzen
Tel.: 069/ 40 57 02 - 261
Fax: 069/ 43 03 73
Email: [email protected]
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