WISSEN WERBUNG Höchste Effizienz mit vergleichender Werbung Seit knapp zehn Jahren ist vergleichende Werbung in Deutschland erlaubt. Doch ihr Einsatz erfolgt eher zögerlich. Richtig gestaltet bietet sie jedoch eine wesentliche höhere Werbeeffizienz als konventionelle Werbung. von Angelika Wiltinger U nsicherheit über die rechtlichen Regelungen, das Risiko möglicher negativer Reaktionen der Konsumenten, aber auch der Konkurrenten führen zu einer Zurückhaltung beim Einsatz vergleichender Werbung. Oftmals wird vergleichende Werbung sogar als „unehrenhaft“ empfunden. Diese Zurückhaltung ist umso bedauerlicher, zeigt doch eine Analyse der umfangreichen, vor allem amerikanischen empirischen Forschung zur Werbewirkung, dass vergleichende Werbung oftmals eine deutlich höhere Werbewirkung als konventionelle Werbung erzielt. Es zeigen sich positivere Effekte auf die Aufmerksamkeit, die Awareness, die Informationsverarbeitung, die Einstellung zum Produkt und – besonders wichtig – auf die Kaufabsicht bei den Konsumenten als bei der Verwendung von konventioneller Werbung. Vergleichende Werbung ist „anders“, hebt sich von der konventionellen Werbung ab und kann zudem den Konsumenten mit 48 zahlreichen nützlichen, entscheidungsrelevanten Informationen versorgen. Der Konsument nimmt sie bevorzugt wahr und verarbeitet sie mit höherer Intensität. Dabei ist vergleichende Werbung immer dann besonders effektiv, wenn • sie in einer Branche von einem Newcomer gegen den Marktführer eingesetzt wird, • sie in Werbung für erklärungsbedürftige, komplexe Produkte eingesetzt wird (Medium- oder High-InvolvementKauf), • in der vergleichenden Werbung ein Kommunikator mit hoher Glaubwürdigkeit verwendet wird und • sich der Vergleich auf den Preis bezieht. Negative Auswirkungen vergleichender Werbung sind eine verminderte Glaubwürdigkeit der Werbeaussage und eine negativere Einstellung der Konsumenten zum Werbemittel. Sie wurden insbesondere bei Konsumenten mit einer sehr hohen Markentreue zum Vergleichsprodukt festgestellt. Dies hat seine Ursache darin, dass markentreue wie auch andere Konsumenten vergleichende Werbung als aggressiver und weniger glaubwürdig als konventionelle Werbung empfinden. Darüber hinaus zeigen verschiedene Studien, dass vergleichende Werbung verwechselbarer ist, denn der direkte Vergleich mit der Nennung des Konkurrenzprodukts birgt die Gefahr, die Aufmerksamkeit auch auf Konkurrenten zu lenken. RISIKEN MINIMIEREN Eine zentrale Rolle bei den Risiken vergleichender Werbung spielen die Glaubwürdigkeit der Quelle der Werbebotschaft sowie die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft an sich. Diese werden bei vergleichender Werbung allgemein als geringer eingeschätzt als bei konventioneller Werbung, da dem werbenden Unternehmen ein eigennütziges und den Konsumenten ausnutzendes Verhalten unterstellt wird. Die Ursache hierfür liegt in der Tatsache, dass die Werbebotschaft vergleichender Werbung im Gegensatz absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing 7/2006 Vorbildliche Umsetzung: Die Citibank-Beraterin ist als einzige in Farbe abgebildet, das Bild wird zusätzlich durch eine TestsiegerPlakette hervorgehoben, und bei den Testergebnissen ist der Sieger als einziger blau hinterlegt. zu den bisherigen Wissensstrukturen des Konsumenten steht und das kognitive Gleichgewicht gefährdet. Eher als diese bisherigen Wissensstrukturen zu ändern, setzen die Konsumenten mehrere Mechanismen in Gang, mit denen sie einer vergleichenden Werbung entgegnen. • Sie qualifizieren die Quelle der Botschaft ab. 7/2006 absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing Häufig führt vergleichende Werbung dazu, dass auch die Konkurrenten mit Werbevergleichen reagieren. Klassiker sind der oben dargestellte Schlagabtausch von BMW und Mercedes sowie Burger King und McDonald’s oder Europcar und Sixt. • Sie bilden Gegenargumente zu der Werbebotschaft, oder • sie äußern sich zur Unglaubwürdigkeit oder Lächerlichkeit des Vergleiches. Es ist daher davon auszugehen, dass vergleichende Werbung immer dann effektiv eingesetzt werden kann, wenn es gelingt, den negativen Aspekt der reduzierten Glaubwürdigkeit durch geeignete Gestaltungsmerkmale der Werbung zu neutralisieren. Dann kann man von den positiven Effekten vergleichender Werbung uneingeschränkt profitieren. In einer empirischen Studie am Lehrstuhl für Absatz und Handel der Universität Duisburg wurde diese Hypothese überprüft und bewiesen. Auf Basis eines Experiments mit rund 300 Befragten wurde die 49 WISSEN WERBUNG Essentials Werbewirkung von vergleichender Werbung und die Wirkung des gleichzeitigen Einsatzes von zwei unterschiedlichen glaubwürdigkeitserhöhenden Gestaltungsmaßnahmen umfassend untersucht. Als glaubwürdigkeitserhöhend wurden der Einsatz von Testergebnissen und quantitativen Informationen in der Werbebotschaft, also von „Zahlen“, verwendet. Die positive Wirkung beider Gestaltungsmittel in Verbindung mit dem Einsatz vergleichender Werbung konnte für die Werbewirkungskriterien Produktkenntnis, Glaubwürdigkeit der Werbung, Einstellung zum Produkt und Kaufbereitschaft eindrucksvoll nachgewiesen werden. Seine ganze Effektivität kann vergleichende Werbung insbesondere in Kombination mit dem Einsatz von Testergebnissen und/oder Zahlen entwickeln. Die Studie zeigt, dass vergleichende Werbung in der Wahrnehmung der Konsumenten zu einer besseren Produkt- Erwartungsgemäß hat vergleichende Werbung einen negativen Effekt auf die Glaubwürdigkeit. Vergleichende Werbung wird tatsächlich als weniger glaubwürdig und oftmals als aggressiver oder unfairer empfunden als nicht vergleichende Werbung. Die geringere Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung kann jedoch mit Maßnahmen ausgeglichen werden, die die Glaubwürdigkeit einer vergleichenden Aussage erhöhen. Sowohl der Einsatz von Testergebnissen als auch der Einsatz von Zahlen sind hierfür hervorragend geeignet. DISSONANZEN VERMEIDEN Für die Vermeidung eines Glaubwürdigkeitsverlustes sollte vergleichende Werbung so gestaltet werden, dass sich bei den Konsumenten keine Dissonanz bildet. Es ist besonders wichtig, den Konsumenten zu vermitteln, dass das werbende Unternehmen keine manipulativen, eigennützigen Interessen verfolgt. Um diese EINSATZ VERGLEICHENDER WERBUNG Erhöhung der Glaubwürdigkeit • Einsatz von Testergebnissen • Einsatz von Zahlen/quantitativer Information • Einsatz eines glaubwürdigen Kommunikators • Einsatz zweiseitiger Argumentation =>Kombination dieser Elemente Vermeidung von Fehlidentifikationen • Dosierte Bild- und Textinformationen • Einfache Identifikation des beworbenen Produkts • Graphische Aufbereitung des Vergleichs • Eindeutige Positionierung des Siegerprodukts • Vergleich mit maximal zwei Konkurrenten • Mittlerer Informationsgehalt der Aussage Effiziente Gestaltung des Werbevergleichs 50 Produkt-/Marktumfeld Besonders geeignet, wenn ... ... das beworbene Produkt ein High- oder Medium-Involvement-Produkt ist. ... eine kognitive Informationsverarbeitung der Produkt-/Werbeinformation vorliegt. ... es sich um ein neues oder unbekanntes Produkt handelt. Rechtliche Rahmenbedingungen § 2 UWG gibt vor: • Vergleichende Werbung muss sich objektiv auf wesentliche, relevante, nachprüfbare Eigenschaften beziehen. • Mitbewerber dürfen nicht in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden. • Mitbewerber dürfen nicht herabgesetzt oder verunglimpft werden. kenntnis führt. Ebenso führt sie zu einer positiveren Einstellung und einer höheren Kaufabsicht. So führt die vergleichende Werbung mit Tests und Zahlen zu mehr als einer Verdoppelung der Kaufbereitschaft im Vergleich zur konventionellen Werbung. Werden nur Tests in der Werbung verwendet, steigt die Kaufbereitschaft um rund 90 Prozent. Eine vergleichende Werbung lediglich mit Zahlen steigert sie immerhin noch um 27 Prozent. Zielsetzung zu verwirklichen, bieten sich die Verwendung von zahlenbasierten Informationen und die Verwendung von Testergebnissen als gestalterische Möglichkeiten für eine vergleichende Werbeaussage an. Eine weitere Möglichkeit stellt die Verwendung eines glaubwürdigen Kommunikators dar. Sowohl bei der Verwendung von Testergebnissen als auch eines glaubwürdigen Kommunikators steht die Vermeidung von • Vergleichende Werbung wird in Deutschland nur zögerlich eingesetzt, obwohl sie eine höhere Werbewirkung als konventionelle Werbung besitzt. • Bessere Produktkenntnis, eine positivere Einstellung und höhere Kaufabsicht sind die wesentlichen Wirkungen vergleichender Werbung. • Zahlenbasierte Informationen, Testergebnisse und der Einsatz glaubwürdiger Kommunikatoren wirken einem Glaubwürdigkeitsverlust entgegen. Abwehrmechanismen der Konsumenten wie die Bildung von Gegenargumenten im Vordergrund. Konsumenten schenken dem Urteil neutraler Dritter erhöhten Glauben, da sie hier keine gewollte Beeinflussung oder Manipulation erwarten.Als „Urteile neutraler Dritter“ können neben den Ergebnissen von Warentests auch Verbraucherumfragen herangezogen werden, ebenso wie die Meinung eines glaubwürdigen Experten. Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass die verwendeten Tests oder Umfragen von Instituten durchgeführt werden sollten, die einen guten Ruf haben und dem Konsumenten bekannt sind. Ebenso ist es wichtig, dass die Konsumenten mit einem Kommunikator der vergleichenden Aussage bestimmte Charaktereigenschaften wie Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit, Ehrlichkeit, Integrität und Zuverlässigkeit verbinden. Nur dann wird der Kommunikator als „glaubwürdig“ betrachtet und seinem Urteil Beachtung geschenkt. Neben dem Effekt der erhöhten Glaubwürdigkeit verspricht der Einsatz von Testergebnissen und Kommunikatoren auch eine erhöhte Aufmerksamkeit bei den Konsumenten. Sie wenden sich den dargebotenen Informationen zu, betrachten sie interessiert und verarbeiten die Informationen bevorzugt: Ein hoher Bekanntheitsgrad sowie gute Produktkenntnisse sind das Resultat. Die empirische Untersuchung belegt, dass es besonders vielversprechend sein kann, unterschiedliche Gestaltungsvarianten absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing 7/2006 miteinander zu verknüpfen, um so höchste Effizienzwerte der Werbewirkung zu erreichen. Eine sehr sinnvolle Kombination ist die Verwendung von vergleichender Werbung mit Testergebnissen und/oder zahlenbasierten Informationen, um eine ehrliche, glaubhafte und für den Konsumenten nachvollziehbare Argumentation zu erhalten. FEHLINTERPRETATIONEN VORBEUGEN Neben der Vermeidung von Dissonanz und der Gestaltung von glaubwürdiger vergleichender Werbung ist eine weitere gestalterische Herausforderung, die Fehlidentifikationen der werbenden und der konkurrierenden Unternehmen zu vermeiden. Ein Konsument, der die Werbung nebenbei wahrnimmt, kann sich oftmals schon nach wenigen Minuten nicht mehr daran erinnern, welches der beiden Produkte eigentlich als das bessere beworben wurde. Um diese Fehlidentifikationen zu vermeiden, sind folgende gestalterische Aspekte unbedingt zu beachten: • einfache Identifikation des werbenden Produkts; • zusätzliche grafische Aufbereitung der vergleichenden Informationen; • Verwendung von Aussagen mit mittlerem Informationsgehalt; • richtig „dosierter“ Einsatz von Bild- und Textinformationen für den Konkurrenzbezug. Besonders dann, wenn keine zahlenbasierten Informationen vorhanden sind, empfiehlt sich eine unmissverständliche Gestaltung des Vergleichs. Durch die Verwendung von Symbolen wie Siegermedaillen, Siegerkränzen, Siegerpodesten oder durch eine eindeutige Anordnung der verglichenen Produkte sollte verdeutlicht werden, welches Produkt bei dem Vergleich als überlegen oder als Siegerprodukt abschneidet, um eine Fehlidentifikation auch bei nur kurzer Betrachtung zu vermeiden. Bei der Betrachtung zahlreicher vergleichender Werbekampagnen fällt zudem auf, dass oftmals das Gestaltungsmittel „Humor“ in Verbindung mit einem Werbevergleich benutzt wird. Humor wird in der Werbegestaltung eingesetzt, um die Aktivierung der Konsumenten zu erhöhen sowie das Verstehen der Werbebotschaft und die Glaubwürdigkeit des Senders zu fördern. Gleichzeitig wird durch Einsatz von Humor versucht, einer möglichen negativen Reaktion der Konsumenten auf den Werbevergleich entgegenzuwirken. Dr. Angelika Wiltinger ist als selbstständige Unternehmensberaterin und Dozentin für Marketing an den Fachhochschulen Dortmund und Bochum tätig. 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